Stenographisches Protokoll

8. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 28., und Donnerstag, 29. Feber 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

8. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 28., und Donnerstag, 29. Feber 1996

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 28. Feber 1996: 10.02 – 24.00 Uhr
Donnerstag, 29. Feber 1996: 0.00 – 2.54 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Protokoll Nr. 1 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe

2. Punkt: Protokoll Nr. 2 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe

3. Punkt: Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 – UrhG-Nov. 1996

4. Punkt: Kunstbericht 1994

5. Punkt: Tiertransportgesetz-Luft – TGLu

6. Punkt: Protokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 26. Oktober 1990

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Benützung zweier Teile des slowenischen Staatsgebietes im Bereich des Skigebietes "Dreiländereck"

8. Punkt: Erste Lesung des Antrages 29/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11


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8. Sitzung / Seite 2

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkungen nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 der Geschäftsordnung 29

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 147

Unterbrechung der Sitzung 157

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend die rechtswirksame Einbringung von Entschließungsanträgen 174

Aktuelle Stunde (1.)

Thema "Unsoziale Auswirkungen der Mietenpolitik in Österreich"

Redner:

Dr. Michael Krüger 11

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 13

Kurt Eder 15

Dr. Walter Schwimmer 16

Mag. Thomas Barmüller 17

Mag. Dr. Madeleine Petrovic 19

Hans Schöll 20

Doris Bures 21

Maria Rauch-Kallat 23

Mag. Reinhard Firlinger 23

Mag. Terezija Stoisits 25

Dr. Martin Graf 26

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 11, 113

Ausschüsse

Zuweisungen 27, 240

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Mängel in der österreichischen Sicherheitspolitik (182/J) 89

Begründung: Herbert Scheibner 92

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 101

Debatte:

Mag. Herbert Haupt 113

Anton Gaal 117

Dr. Karl Maitz 119

Hans Helmut Moser 122

Andreas Wabl 126

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 129

Dr. Harald Ofner 130

Ing. Gerald Tychtl 134

Walter Murauer 136

Dr. Friedhelm Frischenschlager 138

Mag. Dr. Madeleine Petrovic 141


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8. Sitzung / Seite 3

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 144

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 147

Günther Platter 150

Paul Kiss 151

Mag. Johann-Ewald Stadler 153


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8. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für das österreichische Bundesheer – Ablehnung 116, 156

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Setzung von Maßnahmen, um Frauen den freiwilligen Dienst im Bundesheer zu ermöglichen – Ablehnung 117, 156

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl, Dr. Volker Kier und Genossen betreffend gesetzliche Regelung für die Zeugen Jehovas – Ablehnung 142, 156

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit den Vertragspartnern des Nordatlantikvertrages über einen Beitritt Österreichs zur NATO sowie mit den Vertragspartnern des WEU-Vertrages über einen Beitritt Österreichs zur WEU – Ablehnung 145, 156

Entschließungsantrag (Mißtrauensantrag ) der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem gemäß Artikel 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 146, 157

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend chaotische Zustände in der Elektrizitätswirtschaft am Beispiel Lambach (183/J) 159

Begründung: Rudolf Anschober 166

Bundesminister Dr. Johannes Ditz 175

Debatte:

Mag. Dr. Madeleine Petrovic 182

Jakob Auer 185

Georg Oberhaidinger 188

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 191

Mag. Thomas Barmüller 194

Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen 197

Mag. Helmut Kukacka 200

Otmar Brix 202

Anna Elisabeth Aumayr 204

Dr. Volker Kier 206

Andreas Wabl 209

Mag. Dr. Maria Fekter 212

Kurt Eder 214

Elfriede Madl 215

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 218

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Schaffung einer unabhängigen Energie-Koordinierungsbehörde – Ablehnung 170 und 185, 220

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Prüfung des Kraftwerks Lambach gemäß § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG. – Ablehnung 171 und 185, 221

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur forcierten Nutzung der Windenergie in Österreich – Ablehnung 199, 221

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend verbindliche Einführung von Least-Cost-Planning in der Elektrizitätswirtschaft – Ablehnung 200, 221

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Baustopp und Nachdenkpause beim Wasserkraftwerk Lambach – Ablehnung 211, 221

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend keine weitere Wasserkraftnutzung der Traun unterhalb des Traunsees, Verzicht auf die Kraftwerke Saag und Riesenberg – Ablehnung 211, 221

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend demokratiepolitische Mindeststandards in der Organisation der Landesverwaltung – Ablehnung 212, 221

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend einen aufschiebenden Stopp der Bauarbeiten zum Kraftwerksprojekt Lambach und die Durchführung einer diesbezüglichen Umweltverträglichkeitsprüfung – Ablehnung 218, 221

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (9 d. B.): Protokoll Nr. 1 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (41 d. B.)

2. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (10 d. B.): Protokoll Nr. 2 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (42 d. B.)

Berichterstatterin: Anna Huber 30

Redner:

Dr. Willi Fuhrmann 30

Dr. Walter Schwimmer 32

Dr. Liane Höbinger-Lehrer 33

Mag. Dr. Heide Schmidt 34

Mag. Terezija Stoisits 39

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 41

Peter Schieder 41

Dr. Friedhelm Frischenschlager 43


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8. Sitzung / Seite 5

Genehmigung der beiden Staatsverträge 45

3. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (3 d. B.): Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 – UrhG-Nov. 1996 (40 d. B.)

Berichterstatter: Josef Schrefel 46

Redner:

Dr. Michael Krüger 46

Mag. Dr. Maria Fekter 50

Mares Rossmann 52

Dr. Willi Fuhrmann 54

Dr. Michael Krüger (tatsächliche Berichtigung) 58

Dr. Willi Fuhrmann (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 58

Mag. Dr. Heide Schmidt 59

Mag. Terezija Stoisits 62

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 64

Dr. Elisabeth Hlavac 65

Klara Motter 67

Annahme 69

4. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Kunstbericht 1994 der Bundesregierung (III-3/50 d. B.)

Berichterstatter: Emmerich Schwemlein 71

Redner:

Dr. Michael Krüger 71

Dr. Josef Cap 75

Dr. Liane Höbinger-Lehrer 79

Maria Rauch-Kallat 81

Bundesminister Dr. Rudolf Scholten 83

Dr. Susanne Preisinger 87

Mag. Dr. Heide Schmidt 221

Mag. Dr. Madeleine Petrovic 225

Kenntnisnahme 227

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1 d. B.): Tiertransportgesetz-Luft – TGLu (44 d. B.)

Berichterstatter: Helmut Dietachmayr 228

6. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (17 d. B.): Protokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 26. Oktober 1990 (45 d. B.)

Berichterstatter: Robert Sigl 228

Redner:

Emmerich Schwemlein 229

Mag. Helmut Kukacka 229

Peter Rosenstingl 230

Mag. Reinhard Firlinger 230

Mag. Dr. Madeleine Petrovic 231

Kurt Wallner 232

Dr. Stefan Salzl 233


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8. Sitzung / Seite 6

Annahme des Gesetzentwurfes 235

Genehmigung des Staatsvertrages 235

Annahme des Ausschußantrages in 45 d. B. 236

7. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (8 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Benützung zweier Teile des slowenischen Staatsgebietes im Bereich des Skigebietes "Dreiländereck" (35 d. B.)

Berichterstatterin: Inge Jäger 236

Redner:

Edeltraud Gatterer 237

Anton Leikam 237

Ing. Mathias Reichhold 238

Genehmigung 238

8. Punkt: Erste Lesung des Antrages 29/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird

Redner:

Dr. Andreas Khol 239

Peter Schieder 239

Dr. Friedhelm Frischenschlager 239

Mag. Johann-Ewald Stadler 239

Dr. Friedhelm Frischenschlager (tatsächliche Berichtigung) 240

Zuweisung des Antrages 29/A 240

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union (WEU) (110/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Bundesgesetz vom 25. Feber 1988 über die Förderung der Kunst aus Bundesmitteln (Kunstförderungsgesetz) (111/A) (E)

Hans Helmut Moser und Genossen betreffend die Vorlage eines Berichts über den Zustand des Bundesheeres (112/A) (E)

Hans Helmut Moser und Genossen betreffend die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht (113/A) (E)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Importverbot für Rinder und Rindfleisch aus EU-Mitgliedstaaten, in denen Rinderwahnsinn grassiert (114/A) (E)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Psychologenausbildung (115/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Privilegien und Belastungspaket (116/A) (E)


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8. Sitzung / Seite 7

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Abbau der Politikerprivilegien (117/A) (E)

Hans Schöll und Genossen betreffend Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) zur Absenkung der Genossenschaftsmieten auf den Erhaltungsbeitrag (118/A) (E)

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen betreffend Abschaffung der außerberuflichen Immunität für Nationalratsabgeordnete (119/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Aufnahme eines Diskriminierungsschutzes für behinderte Menschen in die Bundesverfassung (120/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines Gleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen (121/A) (E)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967), BGBl. Nr. 267/1967, geändert wird (KFG-Novelle 1996) (122/A)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Prüfungsauftrag an den Rechnungshof gemäß § 99 Abs. 1 GOG des Nationalrates zur Prüfung der Oberösterreichischen Kraftwerke AG (OKA) hinsichtlich der Vorgänge rund um den Bau des Kraftwerks Lambach (123/A)

Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996) (124/A)


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8. Sitzung / Seite 8

Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen betreffend Bundes-Verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG) geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (125/A)

Anfragen der Abgeordneten

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Mängel in der österreichischen Sicherheitspolitik (182/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend chaotische Zustände in der Elektrizitätswirtschaft am Beispiel Lambach (183/J)

Dr. Gottfried Feurstein und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Renovierung der Amtsräume des Zollamtes Höchst (184/J)

Rosemarie Bauer und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Förderung des Projektes CHANCEN-HEUTE – ADA’RESS im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative ADAPT (185/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den Gendarmerieposten Gallspach/OÖ (186/J)

Georg Wurmitzer und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Telefongebührenverrechnung durch die österreichische Post (187/J)

Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend die Situation der Lehre an den österreichischen Universitäten (188/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (189/J)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend die Verwendung von Chloramphenicol in der Lebensmittelproduktion (190/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend das Bundesgesetz vom 16. Mai 1986, mit dem das Glücksspielgesetz, das Bundes-Sportförderungsgesetz, das Gebührengesetz und das Umsatzsteuergesetz geändert wurden (191/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend das Bildungsabkommen zwischen ORF und Unterrichtsministerium (192/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Verwendung des "Kunstförderungsbeitrages" (193/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend das Beiratsystem (194/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend die Verwendung des "Kunstförderungsbeitrages" (195/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Benzinpreise in Österreich (196/J)


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8. Sitzung / Seite 9

Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (197/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (198/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (199/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (200/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (201/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (202/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (203/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Jugend und Familie betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (204/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (205/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (206/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Umwelt betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (207/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (208/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (209/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (210/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Einführung von Mauten (211/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Mitwirkung von Mitarbeitern der Landesverteidigungsakademie und des Verteidigungsministeriums in rechtsextremen Publikationen (212/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend gemeinsame Übung des österreichischen Bundesheeres mit der Schweizer Armee (213/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (214/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend mögliche Unterwanderung von Ministerien durch die Organisation Scientology (215/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Weiterbestand des Innsbrucker Fremdenverkehr-Kollegs (216/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend Fachhochschul-Studiengang für Tourismus in Innsbruck (217/J)

Hermann Kröll und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Bundesförderung über 120 Millionen Schilling für gewerbliche Projekte in der Obersteiermark (218/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt betreffend Verbrennungsanlage in Ranshofen (219/J)


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8. Sitzung / Seite 10

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Finanzierung des Straßenstückes Nordspange Steyr (220/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Freifahrten bei den ÖBB (221/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Europäisches Fremdenverkehrsamt (222/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend eine Änderung der Hauptflugroute über den Lienzer Talkessel (223/J)

Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gemeinkosten für Wahlkampfauftritte der Freiheitlichen Partei, insbesondere deren Obmanns, Dr. Jörg Haider (224/J)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen (4/AB zu 2/J)


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8. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 10.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie alle herzlich begrüßen und eröffne die 8. Sitzung des Nationalrates, die für heute, 10 Uhr, einberufen wurde.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Löschnak, Mag. Frieser, Apfelbeck, Ing. Maderthaner, Voggenhuber und Dkfm. Ruthofer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Herr Außenminister Vizekanzler Dr. Schüssel wird von Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner vertreten.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen vereinbarungsgemäß zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Unsoziale Auswirkungen der Mietenpolitik in Österreich"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Seine Redezeit beträgt zehn Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.03

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die große Koalition ist 1990 angetreten und hat in der Regierungserklärung versprochen, ein modernes, neues und transparentes Wohnrecht zu schaffen, eine Harmonisierung der Wohnrechtsbestimmungen durchzuführen und vor allem undurchsichtige Bestimmungen zu beseitigen und eine allseitige Transparenz und Verständlichkeit des Gesetzes zu schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Botschaft haben die Österreicherinnen und Österreicher sehr wohl vernommen, es sind nur in der weiteren Praxis keine Taten gefolgt, beziehungsweise wenn etwas effektuiert wurde, dann wurde es schlecht effektuiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Jahren von 1990 bis 1993 wurde zwischen Rot und Schwarz eifrig verhandelt, Hader und Zank standen auf der Tagesordnung. Man konnte sich nicht einigen. Man beschuldigte den jeweils anderen Vertragspartner, vertragsbrüchig zu sein. Und so kam in diesen Jahren wieder kein Wohnrecht zustande.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese dreijährige Verhandlungsdauer, die vom Abbruch der Verhandlungen, vom Neubeginn der Verhandlungen, von wechselseitigen Beschuldigungen gekennzeichnet war, hat außer einer Lähmung des Wohnungsmarktes nichts gebracht. Die Hauseigentümer waren verunsichert. Ihnen war nicht klar, ob ein neues dirigistisches Wohnrecht marxistischer Prägung kommen wird oder ob etwa Flexibilität bei Mietrechtsbestimmungen Platz greifen wird. Kurzum: Der Wohnungsmarkt war gelähmt, die


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8. Sitzung / Seite 12

Wohnungen wurden zurückgehalten und durch diese Unsicherheit – hervorgerufen durch die Verhandlungen – dem allgemeinen Wohnungsmarkt entzogen.

Im Jahr 1993 hat man dann endlich ein Wohnrechtsgesetz – das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz – in Begutachtung gehen lassen. Das Ergebnis war eine allseitige Ablehnung. Die Ablehnung des Gesetzes ist sicher der kleinste gemeinsame Nenner aller 80 eingeholten Stellungnahmen.

In dieser Situation hat sich die rot-schwarze Koalition zu helfen gewußt. Man hat einen Initiativantrag eingebracht, um das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz an der Begutachtung vorbeizuschwindeln. Dieser ist dann hier im Plenum zur Abstimmung gekommen, und das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz ist mit den Stimmen von Rot und Schwarz – gegen den Willen der freiheitlichen Opposition! – angenommen worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ziele, die man sich gesteckt hatte, waren hoch, aber was sind die Ergebnisse? – Es sind nicht mehr Wohnungen auf den Markt gekommen, es sind nicht billigere Wohnungen auf den Markt gekommen, es ist kein größeres soziales Denken im Bereich des Wohnrechts erfolgt. Es ist eine Unvollziehbarkeit der Wohnrechtsbestimmungen eingetreten, und es ist vor allem nach wie vor Rechtsunsicherheit vorhanden.

Ich darf Ihnen sagen, daß ich mich in meiner Eigenschaft als Rechtsanwalt selbstverständlich sehr intensiv mit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz auseinandergesetzt und auch entsprechende Fortbildungseinrichtungen besucht habe. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, daß der Doyen des österreichischen Wohn- und Mietenrechtes, Herr Hofrat Dr. Würth, vor die Versammlung getreten ist und gesagt hat: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin zwar 20 Jahre lang nur mit Wohnrecht befaßt, erwarten Sie aber nicht, daß ich in der Lage bin, ein Gesetz, das unvollständig ist, das unpräzise ist, zu erklären! Also einer der größten Experten des Landes war nicht in der Lage, auch nur annähernd den Lagezuschlag zu definieren, der durch das neue Wohnrechtsänderungsgesetz bei der Mietenbildung geschaffen wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz mag eine Zwangsbeglückung für Interessenverbände oder eine Beschäftigungstherapie für Rechtsanwälte darstellen, aber die Ziele, die man sich gesteckt hatte, nämlich mehr Wohnungen, günstigere Wohnungen auf den Markt zu bringen, mehr soziales Engagement in das Wohnrecht zu transportieren, konnten schlicht und einfach nicht erreicht werden.

Dieses 3. Wohnrechtsänderungsgesetz ist aber reif für einen Rekord, nämlich für den Rekord an Unverständlichkeit. Wenn es ein Guinness-Buch der Rekorde für unverständliche, unsinnige und unplausible Gesetze gäbe, wäre das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz der erste Anwärter auf eine Eintragung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre naiv, anzunehmen, daß sich in der nächsten Zeit in der Bundesgesetzgebung beim Wohnrecht, nämlich hinsichtlich des Mietrechtsgesetzes, etwas ändert. Es besteht aber unmittelbarer Handlungsbedarf – das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz kann jederzeit und sehr rasch hier ohne lange Vorberatungen geändert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Drittel aller Wienerinnen und Wiener lebt in Genossenschaftswohnungen. Das Klischee des Zinsgeiers, das vielleicht Ende des 19. Jahrhunderts im Manchester-Liberalismus und vielleicht auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestanden hat, gibt es nicht mehr. Dieses Klischee ist von den gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften übernommen worden – oder etwa von der Gemeinde Wien. Die Gemeinde Wien ist der größte Wohnungseigentümer der Welt.

Die Wohnungsgenossenschaften horten Bauland. Sie sind die besten Kunden für Bankinstitute. Ja sie sind eher Veranlagungsbetriebe als Wohnbaugenossenschaften.


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8. Sitzung / Seite 13

Diese Wohnbaugenossenschaften, die wahre Biotope der Parteibuchwirtschaft von Rot und Schwarz sind, haben ihre Mietzinsbildung so ausgerichtet, daß bereits zurückgezahlte Darlehen nicht mietzinsmindernd zugunsten der Mieter berücksichtigt werden, sondern das bleibt ganz einfach gleich, auch wenn die Ausfinanzierung der Wohnung bereits stattgefunden hat. Das führt dazu, daß Familien Wohnungen mehrfach bezahlen, obwohl sie nur Mietrechte haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das spielt sich im Dunstkreis von SPÖ und ÖVP ab!

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht nur die Opposition, die hier Kritik übt. Der Rechnungshof hat die gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß Millionen Schilling an Bankguthaben veranlagt werden, statt das Geld zur Errichtung von Wohnbauten zu verwenden.

So hat die Wohnbaugesellschaft der Österreichischen Bundesbahnen, gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, fünfmal mehr für Wertpapiere ausgegeben als für den Wohnbau.

Oder die WAG in Linz: Sie verfügt über liquide Bankguthaben in Höhe von 80 Millionen Schilling und 700 Millionen Schilling veranlagt in Wertpapieren. Gleichzeitig werden aber Darlehen aufgenommen, die den Mietern angelastet werden.

Oder die Gesiba: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor 20 Jahren sind die Millionen der Gesiba im Korruptionssumpf des Bauring-Skandals versickert in der Wüste. Wo sind sie heute? – Sie vertrocknen bei den Bankinstituten. Allein in Wien gibt es Rücklagen im Ausmaß von 7 Milliarden Schilling.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): Wir verlangen gebetsmühlenartig, daß die Mieten gesenkt werden, weil die Darlehen zurückgezahlt wurden. Es freut uns daher, daß die Sozialbau hier in Wien endlich tätig wird. Aber es bedarf einer gesetzlichen Regelung, damit diese Biotope sozialistischer und schwarzer Parteibuchwirtschaft in Form von Genossenschaften ausgetrocknet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Die Redezeit soll gleichfalls zehn Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

10.14

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das Mietrecht ist wie kaum ein anderer Bereich des Zivilrechts von einer besonders ausgeprägten sozialen Komponente gekennzeichnet. Das ist schlicht und einfach dem Umstand zu verdanken, daß es um ein Grundbedürfnis des Menschen geht, nämlich um das Wohnen, auf dessen Befriedigung die Menschen existentiell angewiesen sind. Sie können daher auf eine Verknappung des Gutes Wohnen oder auf ein ausuferndes Preisniveau nicht einfach wie bei anderen Gütern mit Konsumverzicht reagieren, weshalb das Spiel der Marktkräfte in diesem Bereich nur mit Einschränkungen zum Tragen kommen kann. Seiner daraus erfließenden sozialen Funktion werden das geltende Mietrecht und die daran anknüpfende Judikatur insgesamt durchaus gerecht.

Das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz hat ungeachtet der zum Zeitpunkt seiner Entstehung auch hier geäußerten und bereits hinlänglich bekannten Einwände eine Reihe wichtiger Verbesserungen gebracht, denen auch eine sozialpolitische Dimension beigemessen werden kann. In erster Linie ist hier die weitestgehende Zurückdrängung der sogenannten Sechsmonatsverträge zu nennen, die Vermietungen gänzlich außerhalb des Geltungsbereiches des Mietrechtsgesetzes ermöglichten.


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Im Zusammenwirken mit oft nur schwer aufdeckbaren Kettenmietverträgen war dieser Vertragstypus in der Vergangenheit häufig dazu benützt worden, gerade die sozial Schwächsten zur Gänze des gesetzlichen Mieterschutzes zu berauben. Mit der Eindämmung der Sechsmonatsverträge konnte sohin eine sehr empfindliche Lücke im Mieterschutz geschlossen werden.

Ähnliches gilt, ohne daß ich hier im einzelnen darauf eingehen kann, für die gesetzliche Beseitigung der früheren Einjahresverträge durch das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz.

Das sicher noch optimierungsfähige Richtwertsystem hat gewisse positive Auswirkungen auf das Mietzinsniveau keineswegs verfehlt. Es darf nicht übersehen werden, daß der Bereich der Kategorie-A-Wohnungen mit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz praktisch wieder einer Mietzinsregelung unterworfen wurde. Dies hat zu einer durchaus spürbaren Reduktion des Mietzinsniveaus für diese Objekte geführt.

Mit dieser und auch einigen anderen Eindämmungen der Wohnungsmietzinse geht eine weitere Entwicklung einher, die für Wohnungssuchende eine spürbare Entlastung mit sich bringt, nämlich das deutliche Abnehmen des unsäglichen Ablöseunwesens. Es dürfte mit den zusätzlichen Mechanismen des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes also gelungen sein, den verbotenen Ablösen wirksam entgegenzutreten.

Letztlich brachte das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz wichtige Verbesserungen auf dem Gebiet der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge: Einerseits konnten durch die Neuregelungen früher eingehobene, aber noch nicht verbrauchte Beiträge endlich ihrer eigentlichen Bestimmung, nämlich der Instandhaltung der Häuser, zugeführt werden, andererseits wurde durch eine Vermehrung der für die Instandhaltung laufend angesammelten Mittel die Zahl der für die Mieter sehr belastenden Mietzinsanhebungen nach § 18 Mietrechtsgesetz erkennbar verringert. Damit wurde im übrigen auch ein Beitrag zur Angleichung unterschiedlicher Mietbelastungen in ein und demselben Haus geleistet.

Freilich zeichnen sich bei Beobachtung des mietenrechtlichen Geschehens auch Bereiche ab, in denen Problemlagen bestehen, die auch eine soziale Dimension haben. Es sind dies vor allem die Befristung von Mietverträgen betreffend Wohnungen und der Bereich des Mietzinses für Geschäftsräumlichkeiten.

Von der durch das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz geschaffenen generellen Möglichkeit, Mietverträge auf eine Dauer von genau drei Jahren rechtswirksam zu befristen, haben zahlreiche Vermieter Gebrauch gemacht. Bleibt die Gesetzeslage bis 1. März 1997 unverändert, ist zu befürchten, daß viele Familien, die aufgrund der neuen Rechtslage nur befristete Mietverträge erhalten haben, im Jahr 1997 ihre Wohnung verlieren werden, weil der Vermieter einer Verlängerung nicht zustimmen wird, da diese nur auf unbestimmte Zeit erfolgen könnte.

Da ich einen allfälligen Eingriff des Gesetzgebers zur Ex-lege-Umwandlung solcher Mietverhältnisse in Mietverträge auf unbestimmte Dauer für sehr problematisch hielte, trete ich dafür ein, gesetzliche Maßnahmen zur einvernehmlichen, befristeten Verlängerung dieser Mietverträge zu schaffen. Allerdings müßte in diesem Zusammenhang mit Vorsicht und Zurückhaltung vorgegangen werden, um nicht die Zahl der auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietverträge noch weiter als bisher zurückzudrängen. Das könnte nicht ohne Auswirkungen auf die Effektivität des gesetzlichen Mieterschutzes bleiben, weil sich wohl ein auf Vertragsverlängerung hoffender Mieter kaum auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Vermieter einlassen will.

Noch ein Wort zu den Geschäftsraummieten: Durch das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz wurde in bestehende Mietverträge über Geschäftslokale insofern eingegriffen, als in vielen Fällen – etwa bei einem Machtwechsel in der Gesellschaft, der das Geschäftslokal gehört – dem Vermieter eine Anhebung des Mietzinses in 15-Jahres-Etappen auf einen angemessenen Mietzins ermöglicht wurde. Viele Vermieter haben jedoch im Rahmen dieser Anhebung weitaus überhöhte – also unangemessene – Mietzinse verlangt. Diese müssen vom Mieter natürlich nicht bezahlt werden. Der Mieter kann eine gerichtliche Überprüfung des Erhöhungsbegehrens herbeiführen. Er hat die Möglichkeit, den vom Gericht bestimmten angemessenen Mietzins, der


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unter Berücksichtigung der in der Branche bestehenden Ertragsmöglichkeiten ermittelt wird, bis Schluß des auf Nichtbezahlung des angehobenen Mietzinses gestützten Kündigungsverfahrens erster Instanz nachzubezahlen, wodurch die Kündigung abgewehrt wird.

Da einschlägige Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu der im § 46a Mietrechtsgesetz angeführten Angemessenheit und auch zur Branchenbezogenheit beziehungsweise Erfahrungswerte noch nicht bekannt sind, kann derzeit noch nicht gesagt werden, ob eine legislative Maßnahme zu Änderungen des § 46a Mietrechtsgesetz geboten ist.

Meine Damen und Herren! Insbesondere diese, aber auch eine Reihe weiterer Fragen bedürfen nach meiner Überzeugung einer breiten öffentlichen Diskussion, zu der ich auch mit meinen bisherigen Wortmeldungen einen Anstoß liefern wollte. Das Bundesministerium für Justiz wird sich weiterhin an diesem notwendigen Diskussionsprozeß aktiv beteiligen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister für diese Stellungnahme.

Im Verlauf der weiteren Diskussion betragen die Redezeiten jeweils fünf Minuten. Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kurt Eder. – Bitte sehr.

10.23

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema "Wohnen" stellt ohne Zweifel – der Herr Bundesminister hat es ja gesagt – eines der sensibelsten sozialpolitischen Themen dar, und die gerechte Verteilung von Wohnraum entsprechend den individuellen Bedürfnissen und Ansprüchen bedarf einer ständigen Beobachtung dieses Bereiches. Insofern ist das Thema "Wohnen" für uns Sozialdemokraten immer ein aktuelles Thema, und wir befassen uns nicht nur dann damit, wenn etwa hier eine Aktuelle Stunde dazu abgehalten wird.

Eine der größten Herausforderungen in der Wohnpolitik besteht darin, der Versuchung zu widerstehen, sich auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen. Auch wenn dies immer wieder von der FPÖ geleugnet wird: Diese Erfolge sind unbestritten gegeben. Es gibt sie seit der Ersten Republik, in der die Fundamente für unsere vorbildhafte Wohnpolitik gelegt wurden, indem Wien eine heute noch immer weltweit anerkannte Wohnbaupolitik und Wohnpolitik entwickelt hat. Dies hat sich in der Zweiten Republik kontinuierlich fortgesetzt, insbesondere in den Bereichen Wohnbauförderung, Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und Mieterschutz.

Wenngleich die österreichische Wohnpolitik im internationalen Vergleich äußerst gut abschneidet, müssen doch auch kritische Anmerkungen gemacht werden. Dies hat allerdings punktuell und zielgerichtet zu erfolgen. Eine pauschale Ablehnung, so wie das von meinem Vorredner von der Freiheitlichen Partei gesagt wurde, und Verunglimpfung des wohnrechtlichen Systems ist meines Erachtens schlicht verantwortungslos, weil offensichtlich nur von persönlichen, politisch populistischen Kalkülen ausgegangen wird.

Mit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz wurde einiges erreicht, und zwar auch im Bereich der Richtwertmieten, da im Gegensatz zum vergangenen Rechtszustand wieder eine Begrenzung der Kategorie-A-Miete erreicht wurde. Weiters erfolgte unter anderem eine Zurückdrängung der unsozialen Kurzzeitmietverträge und – auch der Herr Bundesminister hat darauf hingewiesen – eine Erhöhung des Schutzes von Untermietern sowie eine verbesserte Möglichkeit, unerlaubte Ablösen zurückzuerhalten; auch die Durchsetzung von notwendigen Erhaltungsarbeiten seitens des Mieters wurde eindeutig erleichtert.

Gleichwohl hat die Sozialdemokratische Partei immer betont, daß das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz einen Kompromiß und nicht die lückenlose Umsetzung sozialdemokratischer Vorstellungen im Wohnbereich darstellt. Sinnvolle Anpassungen werden daher von uns seit längerem angestrebt. Insbesondere vor der unzureichenden Bestimmtheit der Zu- und Abschläge haben wir von Anfang an gewarnt. Ebenso halten wir eine Ausdehnung einer nachvollziehbaren Mietzinsbegrenzung – etwa auch auf geförderte Eigentumswohnungen – für


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möglich. Darüber hinaus müssen Befristungsmöglichkeiten weiter zurückgedrängt werden, und auch einer Verländerung einzelner Regelungskompetenzen stehen wir aufgeschlossen gegenüber.

Bei all dem muß aber betont werden, daß auch in Hinkunft im Wohnbereich Kompromisse an der Tagesordnung sein werden, da eine Wohnrechtsreform ohne breiten gesellschaftlichen Konsens beziehungsweise ohne kompromißloses Bekenntnis zu konsequenter Durchsetzung und Kontrolle ansonsten graue Rechtstheorie bleibt.

In dieser Legislaturperiode werden wir uns daher mit aller Kraft dafür einsetzen, daß Menschen, die eine Wohnung brauchen, ordentliche und vor allem bezahlbare Wohnungen bekommen. Wir werden uns dafür einsetzen, daß weiterhin die Möglichkeit diskutiert wird, klarere Mietzinsbegrenzungen oder Begrenzungsregelungen zu finden. Das bedeutet eine Weiterentwicklung des Richtwertsystems mit klar begrenzten Zu- und Abschlägen sowie eine weitestgehende Einschränkung von Befristungsmöglichkeiten, und das bedeutet möglichst keine Kurzzeitmietverträge. Damit verstärken wir den Kündigungsschutz und tun etwas gegen Wohnen auf Zeit. Wir fordern auch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Mietrechts auf Eigentumswohnungen, vor allem was die Preisbildung anbelangt. Wir wollen eine Verstärkung der Wohnbauförderung, wie sie das Konsolidierungsprogramm ja ohnehin vorsieht, und dabei sind Förderungsmittel effizienter und sozial treffgenauer einzusetzen.

Zum Kollegen Krüger möchte ich noch sagen, nachdem er sich viel auf Seminare begeben hat, um das neue Mietrecht zu studieren: Ich glaube, es wäre auch sinnvoll gewesen – Sie waren ja bei den Verhandlungen damals noch nicht dabei –, sich auch die Vorschläge der Freiheitlichen anzuschauen. Denn all diese Vorschläge, die von der Freiheitlichen Partei, wobei Sie damals bei den Verhandlungen noch nicht dabei waren, an uns herangetragen wurden, hätten nicht nur zu deutlichen, sondern zu empfindlichen Erhöhungen für alle Mieter geführt. Mich wundert das nicht, denn in Ihren Reihen sitzen eben die Vermietervertreter: die Immobilienmakler. Das ist gar nichts Negatives, sie haben das Recht, Geld zu verdienen. Sie wollen das nur auf Kosten der Mieter. Wir sind dazu da, die Mieter zu schützen und dafür zu sorgen, daß hier eine soziale Ausgewogenheit auch in Zukunft erhalten bleibt. Das sei Ihnen, Herr Kollege Krüger, ins Stammbuch geschrieben. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Er hat das Wort.

10.29

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Aktuelle Stunde und deren Thema sind von der Freiheitlichen Partei vorgeschlagen worden. Nur: Der erste Redner von der Freiheitlichen Partei war nicht sehr aktuell in seiner Kritik: Was Herr Dr.  Krüger hier angeführt hat, war das, was zugegebenermaßen bei der Schaffung des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes vor zwei Jahren von verschiedenen Seiten an Befürchtungen geäußert worden ist, auch, was von den Freiheitlichen an Kritik geäußert worden ist. Er hat nur völlig verschlafen, was sich hier in der Zwischenzeit getan hat, und viele Kritiker der Jahre 1993 und 1994 sind in der Zwischenzeit verstummt, weil sie eines Besseren belehrt worden sind. So ist etwas, was befürchtet worden ist, überhaupt nicht eingetreten, nämlich daß Bezirksgerichte und Schlichtungsstellen mit den Richtwertverfahren derart zugedeckt werden, daß sie mit der Arbeit überhaupt nicht mehr nachkommen. Davon ist heute keine Rede. Das hat sich nicht bewahrheitet.

Wenn Sie sich etwa die Untersuchung der Wiener Landesinnung der Immobilientreuhänder ansehen, dann stellt sich heraus, daß nach dem Inkrafttreten der Wohnrechtsreform 69,7 Prozent aller Wohnungen, also mehr als zwei Drittel, unbefristet und weniger als ein Viertel, nämlich 24,7 Prozent, befristet auf drei Jahre vermietet wurden. Der kleine Rest betrifft dann andere Befristungsmöglichkeiten des Mietrechtsgesetzes. Hinsichtlich des Richtwertes – es wurde gesagt, er sei nicht bestimmbar und es kenne sich niemand aus – stellte sich heraus, daß 50 Prozent der nach dem Richtwert vermieteten Wohnungen mit einer Monatsmiete von unter


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50 S pro Quadratmeter und 80 Prozent mit einer Miete von unter 70 S pro Quadratmeter vermietet werden. Also offensichtlich kennen sich Vermieter und Mieter sehr wohl aus, und die preisdämpfende Wirkung ist eingetreten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger .)

Herr Dr. Krüger! Sie haben offensichtlich dem Herrn Bundesminister nicht zugehört, der sicher aufgrund der Beobachtung des Marktes und der Rechtssprechung und der Klagen, die eingereicht werden, mit Recht sagen kann, daß das Ablöseunwesen zurückgedrängt worden ist. (Abg. Böhacker: Das ist doch naiv!) Auch da ist die Zielsetzung des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes erreicht worden. (Abg. Böhacker: Das ist doch grenzenlos naiv!)

Aber Gott sei Dank ist nicht verwirklicht worden, was die Freiheitliche Partei alles vorgeschlagen hat – hier paßt das Thema "Unsoziale Auswirkungen der Mietrechtspolitik in Österreich". Und wenn Herr Dr. Krüger schon unaktuell ist, dann hätte er uns doch auch die Vorschläge der FPÖ aus den Jahren 1992 und 1993 mitteilen können.

Pressekonferenz des Bundesparteiobmannes Dr. Jörg Haider am 19. November 1992 – ich zitiere die Vorschläge wörtlich aus der FPÖ-Presseunterlage –: Für alle Mieten muß ein Mietzins geschaffen werden, der die Erhaltung der Mietshäuser und eine mit anderen Anlageformen vergleichbare Rendite gewährleistet. Ein wertgesicherter Mietzins ist zum Beispiel 25 S Erhaltungsaufwand zuzüglich Mindestertrag des Hauseigentümers von 30 bis 35 S. Das sind nach Adam Riese Mindestmietzinse von 55 bis 60 S, also über dem Richtwert für eine Kategorie-A-Wohnung. Das soll laut Haider für einfache Wohnungen gelten, wobei er gleich dazusagt – sehr ehrlich und sehr klar: "Er hat euch nie belogen" –: "Eingriff in bestehende Mietverträge: Einheitliche Neuregelung für die bislang begünstigten Wohnungen: Unabhängig von der Qualität der Wohnungen soll der Mietzins für einfache Wohn- und Geschäftsräume als Höchstgrenze gelten, also 55 S bis 60 S pro Quadratmeter."

Und jetzt macht Haider einen Wettbewerb mit Herrn Werner Faymann – ich weiß nicht, wer wen links oder rechts überholt, ob Haider Faymann links überholt oder Faymann Haider rechts überholt – und sagt: Für Genossenschaftsmieten – das meinen Dr. Haider sowie Faymann – darf nach der Förderung der Mietzins nicht mehr gleichbleiben, sondern muß auf 32 S abgesenkt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz.

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (fortsetzend): Das ist reinster Populismus, das ist Widerspruch zu Ihrer eigenen Politik, und da machen wir nicht mit. Wir glauben, daß es sinnvoll ist, auch in der Wohnungspolitik das Erfolgsrezept Österreichs, die soziale Marktwirtschaft, zu verfolgen. (Beifall bei der ÖVP.)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Er hat das Wort.

10.35

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Liberalen nehmen die Einladung zu einer Diskussion über das Mietrecht auch hier im Hause gerne auf, und zwar deshalb, weil – wie der Herr Bundesminister in einer Presseaussendung vom 16. Februar schon angemerkt hat – wir unmittelbar mit dem Problem der ersten auslaufenden Dreijahresmietverträge konfrontiert werden, wo nach dem derzeitigen Mietrechtsgesetz keine Möglichkeit besteht, eine Verlängerung durchzuführen; es sei denn, es wird ein unbefristeter Vertrag.

Diese Diskussion wird auf uns zukommen, und wir werden – und das wundert mich, Herr Abgeordneter Eder – andere Lösungsmechanismen finden müssen, als sie etwa im Mietrechtsgesetz derzeit vorgesehen sind. Und wenn Sie heute hier sagen, es müsse die Möglichkeit der Befristungen noch weiter eingeschränkt werden, dann heißt das nichts anderes, als daß Sie


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damit dem Markt noch mehr Wohnungen entziehen, weil jene, die auf bestimmte Zeit vergeben werden könnten, nicht vergeben werden.

Wir werden damit konfrontiert sein, daß die Preise für Wohnungen noch weiter steigen, weil – und das ist ja das eigentliche Problem – eine übergroße Nachfrage einem zu geringen Angebot gegenübersteht. Und solange nicht zur Kenntnis genommen wird, daß wir endlich mehr Mut besitzen müssen, auch im Mietrechtsbereich, im Bereich der Wohnungen Marktmechanismen arbeiten zu lassen, solange werden wir dieses Problem nicht lösen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich darf hier auf eine Studie verweisen, die von der AK Auftrag gegeben worden ist, die sich damit beschäftigt, welche Erfahrungen bei der Anwendung des Richtwertsystems gemacht worden sind. Hier, Herr Bundesminister, muß ich Ihrer Auffassung entgegentreten, daß die Ablöse in einem so hohen Ausmaß zurückgegangen wäre. Richtig ist – zumindest laut dieser AK-Studie –, daß es nach wie vor bei 38 Prozent der neu geschlossenen Mietverträge Ablösen gibt, die im Vertrag nicht aufscheinen. Das heißt, hier wird – wenn es keine anderen Lösungsmechanismen gibt – das Geld im nichtlegalen Bereich seinen Weg suchen und auch finden.

Meine Damen und Herren! Die Liberalen anerkennen entgegen dem, was ihnen immer wieder von ihren politischen Kontrahenten nachgesagt wird, daß das Wohnen ein soziales Grundbedürfnis ist. Aber eben weil es ein soziales Grundbedürfnis ist, stellt sich für uns die zentrale Frage: Wie kann man dieses Grundbedürfnis befriedigen, und wie können wir sicherstellen, daß Menschen Wohnungen in einem angemessenen Zeitraum finden und auch zu einem angemessenen Preis mieten können? Daher sind wir der Auffassung, daß genau dieser Bereich kein Thema des Klassenkampfes ist, sondern endlich für eine angebotsorientierte Wohnpolitik genutzt werden muß. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir haben Sorge – und es ist ja kein Wunder, daß dieses Thema gerade jetzt, im Vorfeld der Wiener Wahlen, auftaucht –, daß die Wohnpolitik ein ganz zentrales Thema der Wiener Wahl sein wird. Wir müssen uns vor dem Reflex hüten, wo immer ein Problem besteht, noch strengere, noch unflexiblere Bestimmungen zu machen. Denn wir haben die Probleme im Mietrechtsbereich nicht trotz des Mietrechts, das wir derzeit haben, sondern in vielen Bereichen gerade wegen dieses Mietrechts. Und wenn wir keine flexibleren Bestimmungen in diesem Bereich zulassen, dann werden wir diesen Problemen schlicht und einfach nicht entgegentreten können. Sie werden weiter bestehen und auch in der Politik weiter dazu benutzt werden, den Menschen zu sagen: Ihr braucht diese oder jene Partei, damit sie – obwohl Sie von der Sozialdemokratischen Partei gerade in Wien schon sehr lange die Zügel in der Hand haben – dieses Problem endlich löst. Sie lösen es seit Jahren, seit Jahrzehnten nicht, und zwar deshalb nicht, weil Sie einfach nicht bereit sind, einen neuen Weg einzuschlagen.

Die Liberalen haben daher betreffend die Reform des Mietrechtes sehr umfassende Vorstellungen. Unser primäres Ziel, meine Damen und Herren, ist, daß es zu einer Erhöhung des Wohnungsangebotes kommen muß, denn nur eine Erhöhung des Angebots wird zu einem Sinken des Preises führen. Wir sind auch der Ansicht, daß wir mehr Anreize brauchen, um leerstehende Wohnungen oder wenig genutzte Wohnungen auf den Markt zu bringen, weil das geltende Mietrecht nur dazu führt, daß alle Personen, die es sich nur irgendwie leisten können, ihre Wohnungen halten – ungeachtet dessen, ob sie genutzt werden oder nicht.

Aber wenn es in diesem Zusammenhang schon um Wien geht – und das Mietrecht ist ein zentrales Wiener Problem, meine Damen und Herren –, dann stehen die Liberalen nicht an, klarzulegen, daß es gerade auch im Bereich der Gemeindewohnungen selbstverständlich eine Gleichstellung zwischen den gemeinnützigen und den gewerblichen Wohnbauträgern geben muß. Hier gibt es zum Beispiel steuerliche Unterschiede, die nicht gerechtfertigt sind. Wir sehen aber auch nicht ein, meine Damen und Herren, daß durch den Ausschluß von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bei der Vergabe von Gemeindewohnungen in Wahrheit die Ghettoisierung vorangetrieben und die Integration dieser Menschen in Österreich wesentlich erschwert wird. Für uns ist es ein zentraler Punkt, daß man auch diese gesellschaftliche


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Komponente mit berücksichtigt und stärker in die Diskussion einbezieht. Wir, meine Damen und Herren, werden das jedenfalls sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene für Wien verstärkt einfordern. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte sehr.

10.40

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Wohnrechtsgesetz 1993 wurde sehr stark durch den damaligen ÖVP-Bautensprecher Keimel geprägt. Die SPÖ hat in fast allen Punkten komplett nachgegeben – sie hat die Mieterinnen und Mieter preisgegeben, und die Folge davon zeigt uns nun die Situation auf den Märkten.

Wenn Sie jetzt einwenden, Sie hätten gewarnt, Herr Abgeordneter Eder, dann muß ich Ihnen entgegenhalten: Für die stärkste Fraktion dieses Hauses ist es zuwenig, vor negativen Auswirkungen zu warnen, sondern sie hat ein gutes Gesetz zu beschließen. Das wäre erforderlich gewesen.

Herr Bundesminister! Sie haben dankenswerterweise sehr ehrlich auf einige gravierende Probleme dieses Gesetzes hingewiesen, beispielsweise auf die Befristungen.

Herr Abgeordneter Schwimmer! Sie sagten hier, die Mehrzahl der Verträge sei nicht befristet. Das mag stimmen Aber es trifft die sozial Schwächsten, wenn befristet wird.

Sie und ich, eigentlich die meisten hier, wir wohnen nicht in ungeschützten Mietverhältnissen, aber die sozial Schwachen tun es, doch diese wurden durch diese Gesetzgebung preisgegeben.

Ich teile Ihre Meinung, daß da eine Änderung kommen muß, denn es zeigt sich, daß ein schlechtes Gesetz, ein gesetzlicher Pallawatsch immer wieder neue Gesetze und sehr problematische Eingriffe in vertragliche Situationen nach sich zieht.

Sie haben auch auf das Problem der Geschäfte in der City hingewiesen. – Dazu kann ich Ihnen schon sagen: Die Schlichtungsstellen, Herr Abgeordneter Schwimmer, sind nicht in der Lage, dieses Problem zu bewältigen. Ich selbst kann als Betroffene sagen, denn ich führe derartige Verfahren: Seit Inkrafttreten dieses Gesetzes gibt es nicht einmal einen Termin, der anberaumt wird. Die Gerichte sind zu, aber das nicht wegen der Richtwertsysteme, sondern wegen anderer Phänomene. Wir haben gerade in Wien eine Handvoll Spekulanten, die den Markt terrorisieren, und diese schaden den redlichen Vermietern und Eigentümern genauso wie den Nutzerinnen und Nutzern.

Doch dem Treiben dieser Handvoll Spekulanten, die mit allen Mitteln arbeiten – das geht bis hin zum nackten Terror –, wurde nicht beigekommen. Es gibt zwar Gegeninstrumente, wie etwa teure Gebietsbetreuungen, aber das, was man eigentlich bräuchte, fehlt, nämlich ein besseres, neues neue Gesetz, das solche Mißstände erst gar nicht zuläßt.

Nun greift die FPÖ dieses Thema auf. Da frage ich mich schon: Herr Dr. Krüger, was wollen Sie denn eigentlich damit erreichen? Im Wahlprogramm der FPÖ hat es geheißen, der Vertragsschutz solle bleiben, die staatlichen Preisregelungen fallen. Das hieße doch im Klartext doppelt so teure Wohnungen, und das trifft gerade die sozial Schwachen. Das bedeutete Verschlechterungen – wahrscheinlich nicht im oberen Bereich, aber für die sozial Schwachen schon. Sie wollen also eine Verstärkung der Mißstände. Das gilt in diesem Zusammenhang auch für das Liberale Forum.

Herr Abgeordneter Barmüller! Freier Markt mag in vielen Bereichen sinnvoll sein, im Bereich des Wohnens und der Miete jedoch nicht, denn man kann die Grundfläche, die zur Verfügung steht, nicht beliebig vermehren und man kann nicht von jeder Flächenwidmung, Raumordnung, völlig absehen. Sie wollen doch hoffentlich nicht den Wienerwald abholzen. Daher ist es nicht möglich,


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die Fläche zu vermehren. Es passiert nach ökonomischen Gesichtspunkten dann nur eines: Wenn das Angebot knapp ist, geht der Preis hinauf.

Es muß daher eine neue Regelung kommen. Es genügt nicht nur, das Angebot zu erweitern (Abg. Dr. Höchtl: Es ist eine positive Grundlage!), so viel bauen kann man nicht, um dem Problem Herr zu werden.

Da kann nur ein sinnvolles neues Mietrecht Abhilfe schaffen.

Die Grünen haben das 1993 beantragt. Wir haben einen detaillierten Antrag vorgelegt, den Sie, wie viele grüne Anträge, abgelehnt haben. Er basiert auf drei Säulen.

Erstens: betragsmäßig limitierte Mietzinse, und zwar nicht die Friedenskrone, sondern ein Betrag, der zumindest die Erhaltung des Hauses ermöglicht, bis hin zu einem Höchstwert von zirka 60 S.

Zweitens: bei gewerbsmäßiger Vermietung keine Befristung. Abgeordneter Keimel hat immer an den individuellen Vermieter von ein, zwei Eigentumswohnungen gedacht, und das wurde zum Leitbild des Gesetzes – zum falschen Leitbild! Bei gewerbsmäßiger Vermietung darf es keine Befristung geben. Nur im Bereich der Privatvermieter soll das möglich sein, dort kann es auf den Eigenbedarf oder sonstwas ankommen.

Drittens verlangen wir eine strenge Kontrolle der Gemeinden und der Gemeinnützigen. Insbesondere ältere, günstige, ausfinanzierte Objekte müssen nach streng sozialen Kriterien vergeben werden. Sie wissen genauso wie ich, daß bei den derzeitigen rot-schwarzen Genossenschaften nicht nach sozialen Gesichtspunkten vorgegangen wird, sondern daß gerade Luxusobjekte in den besten Wiener Vierteln nur an Protektionskinder von Rot und Schwarz vergeben werden. Daher verlangen wir jetzt ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Redezeit!

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Wir verlangen, rasch ein neues Mietrecht zu beschließen. Aber mit diesem Koalitionspartner werden Sie das nicht zusammenbringen. (Beifall bei den Grünen.)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schöll. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.46

Abgeordneter Hans Schöll (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Der Verlauf der bisherigen Diskussion hat für all jene, die eine Wohnung suchen oder keine erschwingliche haben, bisher nichts Erfreuliches oder Befriedigendes gebracht.

Mit Angriffen auf unseren Bundesparteiobmann Dr. Jörg Haider oder mit Klassenkampf oder mit dem Generationenkonflikt, dem Konflikt zwischen Alt und Jung, wird dieses Thema nicht lösbar sein.

Zweifellos wird es immer Damen und Herren geben, die sozusagen drinnen sind, die also eine erschwingliche Wohnung haben, aber leider gibt es viele, die draußen stehen, die entweder gar keine Wohnung haben oder sich derzeit keine erschwingliche Wohnung leisten können. (Abg. Edler: Wollen Sie das?)

Es hat uns gestern eines wirklich erstaunt: Wir haben Ihnen – Herr Kollege, auch Ihnen – Gelegenheit gegeben, beim Wohnungsgemeinützigkeitsgesetz endlich Ordnung zu schaffen (Beifall bei den Freiheitlichen), indem wir festgestellt haben, daß es doch wohl nicht sozial ist, wenn Mieter von Wohnungsgemeinnützigkeitshäusern, wo die Darlehen bereits seit 20 Jahren ausgezahlt sind, nach wie vor in einem "wilden" Ausmaß, in einem unnötigen Ausmaß zur Kasse gebeten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )


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Aber Sie, Herr Kollege, haben diese Gelegenheit gestern nicht wahrgenommen, und wir waren sehr erstaunt, daß gerade die sozialdemokratische Fraktion diesen unseren Antrag nicht mitgetragen hat – so wie ihn auch die Volkspartei und das Liberale Forum nicht mitgetragen haben; die Grünen waren erst gar nicht im Saal. So wird das, geschätzte Damen und Herren, nicht lösbar sein!

Ich habe selbstverständlich die Schalmeien des Herrn Bundesministers für Justiz im Hinblick auf die befristeten Mietverhältnisse zur Kenntnis genommen. Ich sage Ihnen gerne unseren Standpunkt dazu: Es hat keinen Sinn, wenn wir die Leute, die jetzt nach drei Jahren ausziehen müßten, zu diesem Schicksal verurteilen. Unsere Meinung ist: Es sind die auf drei Jahre befristeten Mietverträge zu verlängern, dies hat natürlich in Konsens zwischen Mieter und Vermieter zu geschehen, und es können auch Mehrfachverlängerungen stattfinden, wie es beispielsweise derzeit bei Eigentumswohnungen der Fall ist, etwa auf einen Zeitraum von zehn Jahren.

Wir haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich auch keine Freude mit den derzeitigen Auswirkungen des Richtwertsystems. Das bringt Rechtsunsicherheit, das bringt zahlreiche Verfahren bei den Schlichtungsstellen – wie ja heute hier unbestritten schon zugegeben wurde –, und das bringt auch keine ziffernmäßig begrenzten Höchstmieten.

Unser Vorschlag – weil Sie das eingefordert haben –, den wir schon damals, anläßlich des dritten WÄGs – etwas, was ich als Schmarren bezeichnet habe –, hier im Hohes Haus gemacht haben, sah vor, in Form eines Mietenspiegels ziffernmäßige Höchstmieten je nach Lage, Zustand und Größe der Objekte festzulegen. Leider haben Sie diese unsere Anregung nicht ernst genommen.

Es spielt sich ja auch bei der Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten viel Unerfreuliches ab. In vielen Fällen werden für Geschäftsräumlichkieten, so wird behauptet, von gnadenlosen Mietgeiern Höchstmieten eingehoben. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können doch auch da einen Mietenspiegel einführen, einen sogenannten Geschäftsraumspiegel, der das vernünftig und vor allem gerecht reguliert.

Es ist doch sicherlich unsozial, wenn, was nach wie vor in vielen Häusern der Fall ist, für ein und dieselbe Wohnung oder für Wohnungen von gleicher Größe, die sich im selben Haus befinden, bisher 1 000 S bezahlt wurden und von Jungfamilien, die jetzt neu einziehen, 10 000 S kassiert werden. Das kann doch bitte niemand rechtfertigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es gibt noch immer welche – leider auch unter uns –, die sich zurücklehnen, die mit dieser Situation zufrieden sind. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Und es gibt auch leider eine ganze Menge, die nur Ankündigungspolitik betreiben und hier nichts umsetzen wollen.

Hunderttausende suchen eine Wohnung, Hunderttausende können nicht verstehen, daß man an diesem asozialen System nichts ändern will.

Ich sage Ihnen als Vertreter einer Berufsgruppe, die damit immer wieder zu tun hat: Auch die Makler werden einen kleinen Beitrag dazu leisten müssen. (Abg. Edler: Da schau her! "Einen kleinen Beitrag"!) Vor allem bei den befristeten, insbesondere bei den einjährig befristeten Mietverträgen ist es gerechtfertigt, zu verlangen, einen kleinen Schritt zurück zu machen – dies gerade in einer Zeit, in der viele den Gürtel enger schnallen müssen – und ein konsumentenfreundliches und richtiges Zeichen zu setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Doris Bures. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.51

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Da mein Kollege Eder das Forderungspaket der Sozialdemokratischen Partei zum Thema Mietrecht – das beginnt mit der Forderung, Befristungen soweit wie möglich


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auszuschalten und als Ausnahmefall so gering wie möglich zu halten, und geht hin bis zum Verlangen, klare Mietzinsobergrenzen festzulegen und geförderte Eigentumswohnungen ins MRG einzubeziehen – ohnehin skizziert hat, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, auf die Diskussion, die bisher stattgefunden hat, konkret einzugehen.

Erster Punkt: Vorschlag, Änderungen im WGG, im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, vorzunehmen. Dort, wo Sozialdemokraten konkret zuständig sind – und es zeigt sich, daß Probleme immer wieder entstehen –, handeln sie auch. Konkretes Beispiel: Es wird in Wien nicht lange gewartet, ob es zu einer Änderung im WGG kommt oder nicht, sondern sofort gesagt: Wenn gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften Förderungsmittel haben möchten, dann haben sie im Mietvertrag zu verankern, daß nach Rückzahlung der Annuitäten ausschließlich Erhaltungsmiete einzuheben ist. Das heißt, nicht lange darüber reden, sondern konkret handeln, was nicht bedeutet, diese Forderung nicht auch weiterhin zu erheben, und dazu laden wir natürlich auch die "F" als Trittbrettfahrer herzlich ein.

Wir Sozialdemokraten haben in dieser Frage klare Regelungen getroffen. Anders sieht es dort aus, wo Freiheitliche in der Entscheidungsfunktion sind. Wer hat denn Landesrat Schmid abgehalten, solche Regelung auch für die Steiermark zum Tragen zu bringen? Dort ist das Gegenteil der Fall: Dort haben die Maßnahmen, die Schmid bei der Wohnbauförderung durchgeführt hat, dazu geführt, daß die Anfangsmieten im geförderten Wohnungsbereich doppelt so hoch sind wie in Wien. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Doppelt so hoch! (Abg. Scheibner : Es kriegt ja keiner mehr eine Wohnung in Wien! Unglaublich!) Halbierung der Miete. Und es wird sich dort die Miete in den Folgejahren auf 250 S/m² erhöhen. Dazu führen die Handlungen des freiheitlichen Wohnbaulandesrates in der Steiermark. Das ist der Beweis: keine Ahnung vom sozialen Wohnbau, keine Ahnung vom Mieterschutz! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber noch einmal auf die Situation in Wien eingehen – das sollten wir uns in Erinnerung rufen –: In Wien wohnen im Bereich der privaten Althäuser doppelt so viele Menschen wie im Bereich der Genossenschaftswohnungen. Außerdem hat eine Untersuchung der Mietervereinigung gezeigt, daß im privaten Althaus rund 150 000 S pro Wohnung an illegalen Ablösen verlangt werden. Und genau diese Mieter vertreten wir. (Abg. Scheibner : Die Wohnungen kommen doch gar nicht auf den Markt! Das ist doch ein Unsinn!) Die Mietervereinigung hat 1995 erreicht, daß 30,5 Millionen Schilling an illegalen Ablösen zurückerstattet wurden. 30,5 Millionen Schilling!

Daß diese Punkte des Mieterschutzes die Freiheitlichen nicht sehr interessieren, ist natürlich verständlich, da Ihr Wohnbausprecher ein Immobilienverwalter ist, und damit ist das natürlich schwer vereinbar. (Abg. Scheibner : Zehntausende Wohnungen stehen leer und kommen gar nicht auf den Markt wegen dieses Mietrechts!)

Und wenn die Mieter kommen und sich über Spekulationspraktiken in Ihren Häusern beklagen, dann tritt die Freiheitliche Partei sehr massiv auf. Dann tauchen der Bundesrat Langer, auch der Kollege Nationalrat Schöll sehr massiv auf. (Abg. Scheibner : Wo taucht er auf?) Es gibt schwerste Vorwürfe von seiten der Mieter, mit welchen Praktiken er seine Häuser verwaltet. (Abg. Scheibner : Wo taucht er auf? Sagen Sie das einmal!) Und dann taucht auch der Klubobmann der Freiheitlichen im 14. Bezirk, Dirnberger, auf. (Abg. Scheibner : Legen Sie es auf den Tisch, verdächtigen Sie nicht!) Aber ich verstehe die Aufregung auf Ihrer Seite.

Sagen Sie ganz klar, welche Vorstellungen Sie zum Mietrecht haben, wie Sie Mieterschutz verstehen. Sie sind für die Aufhebung des Kündigungsschutzes in vielen Bereichen im Interesse der Hausherren – Zitat Hans Schöll. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Sie sind für verstärkte Befristungen, für Ausdehnungen im Interesse der Rechtssicherheit der Vermieter – Zitat Dr. Harald Ofner. (Abg. Scheibner : ... Gemeindewohnungen!) Und Sie sind – und da allen voran Ihr Vorsitzender natürlich – in den untersten Kategorien für einen Mietzins von 40 S; das trifft die sozial Schwächsten, denn diese sind es, die in diesen Wohnungen leben. (Abg. Scheibner : Die kriegen heute gar keine Wohnung mehr, weil sie nicht auf den Markt kommen!) Da sind wir derzeit bei 8,20 S – eine Verfünffachung der Miete. Sagen Sie das den Leuten! Mich verwundert


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es, mit welcher Chuzpe Sie hier herausgehen und über sozialen Wohnbau sprechen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort hat Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat. – Bitte sehr.

10.56

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Nach Nahrung und Kleidung ist Wohnen etwas, was alle Menschen bewegt und was vor allem junge Menschen bewegt, die dabei sind, eine Familie zu gründen. Und wir haben alle in den letzten Jahren erlebt, wie schwer es für junge Menschen war, eine erschwingliche Wohnung zu finden.

Es verwundert mich daher gar nicht, daß der Wiener Wohnbaustadtrat Faymann angesichts der bevorstehenden Wiener Wahlen dieses Thema öffentlichkeitswirksam aufgreift und versucht, den Mietern von gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften ein entsprechendes Zuckerl anzubieten.

Was er dabei ein wenig vergessen hat – sosehr es zu begrüßen ist, gerechte Mietpreise zu zahlen und für eine Wohnung nicht zwei- oder dreimal zu bezahlen –, ist der Aspekt des Generationenvertrages, der ursprünglich den gemeinnützigen Genossenschaften zugrunde gelegt war, um der nächsten Generation und der übernächsten Generation erschwinglichen Wohnraum zu bieten, indem die angesammelten Gelder selbstverständlich zur Schaffung neuen Wohnraumes genützt werden müssen.

Meine Damen und Herren! Wir werden Wohnraum nur dann billiger bekommen, wenn es mehr Wohnraum gibt. Das ist auch eine Frage von Angebot und Nachfrage, und je mehr Wohnraum auf dem Wohnungsmarkt vorhanden ist, desto günstiger werden sich auch die Mietpreise gestalten.

Das, was Wohnbaustadtrat Faymann angekündigt hat, ist auch ein wenig zu relativieren, weil das natürlich nicht bedeutet, daß ab morgen die Mieten von den gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften gesenkt werden, sondern das betrifft maximal 45 000 Wohnungen, und die Senkungen kommen frühestens in den Jahren 2004 bis 2010 zum Tragen.

Ich begrüße auch sehr, was Herr Bundesminister Michalek in bezug auf die Veränderung der Befristung der Mietverträge durch eine neue gesetzliche Regelung angekündigt hat, weil auch das eine Vermehrung des Wohnraumes bedeutet und weil es auch die Möglichkeit für Mieter und Vermieter bedeutet, zu einer flexiblen Regelung zu kommen, die den Bedürfnissen des Mieters und des Vermieters nachkommt.

Es ist durchaus so, daß ein Vermieter nur dann bereit ist, seinen bestehenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wenn er eine gewisse Rechtssicherheit hat, nach Ablauf einer bestimmten Frist, möglicherweise oder wahrscheinlicherweise aus Eigenbedarf, auf diesen Wohnraum zurückgreifen zu können beziehungsweise ihn wieder zur Verfügung zu haben.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es muß in unser aller Sinn sein, mehr Wohnraum zu schaffen. Eine Zahl von 50 000 Wohnungen im Jahr erscheint mir realistisch, wenn man alle Eigentumswohnungen, Wohnungen der Gemeinnützigen Genossenschaften und des Sozialbaus inkludiert. Man muß für die kommende Generation sicherstellen, daß sie ihre Familien gründen und auch die entsprechenden Grundlagen für eine eigene Familie schaffen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Er hat das Wort.

11.01

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Überlegungen


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anstellen. An das bisher Gesagte möchte ich gerne noch mit dem Begriff der Wohnungseigentumsbildung anknüpfen.

Meine Damen und Herren! Meines Erachtens passiert in diesem Bereich der größte Schwindel in der österreichischen Geschichte des Rechtssystems, ein Schwindel, der sich jeden Tag von neuem offenbart. Wenn ich sage "Schwindel", dann meine ich damit jene Praxis, wie mit dem § 14 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz de facto umgegangen wird. Sie alle haben die großzügigen Worte des Wiener Wohnbaustadtrates Faymann vernommen, der gemeint hat, jetzt wäre die Zeit reif, jetzt könnte man darangehen, die "Mieten" – unter Anführungszeichen! – abzusenken auf die Kategorisierung im Bereich der Kategorie A. Damit würde eine spürbare Entlastung stattfinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann doch wohl nur ein Wahlkampfgag sein, ein billiger Wahlkampfgag, und sonst gar nichts! Wenn man nämlich das Wesen des Genossenschaftswohnungssystems von der Wurzel, von der Pike auf analysiert, dann ist mit dem Genossenschaftswohnungssystem ein Miteigentumsrecht verbunden und nicht bloß ein Mietverhältnis. Aber auf dieses Mietverhältnis reduzieren die Vertreter von SPÖ und ÖVP so gerne das Genossenschaftssystem. Und das ist meines Erachtens grundfalsch! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist ein Schwindel, ich bleibe dabei. Es gibt 750 000 sogenannte Genossenschaftsmieter – wobei mich schon das Wort "Genossenschaftsmieter" stört –, 750 000 betroffene Personen in 400 000 Wohnungen. (Abg. Eder : Wen stört das?) Mich stört das, Herr Kollege, weil mit dem Begriff "Mieter" jegliche Art des Eigentumsrechtes ausgeschlossen wird. Was Sie betreiben bei der SPÖ – und auch bei der ÖVP; ich möchte Sie nicht ausnehmen! –, das ist eine Gängelung des sogenannten Mieters. Sie versprechen jeden Tag aufs neue mit Ihrer Parteibuchwirtschaft, die Sie seit 30, 40 Jahren betreiben, "Zuckerln", wohlwissend, daß die "Zuckerln" immer dünner werden und daß es eigentlich auf diesem Sektor nichts mehr zu verkaufen gibt. Das ist meine Antwort, Herr Kollege Eder! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die politische Brisanz in dieser Materie ist groß, denn jetzt nähern wir uns dem Zeitpunkt, wo nach 25, 30 Jahren ein Großteil dieser Wohnungen ausfinanziert ist. Und weil das zufällig mit den Wiener Wahlen zusammenfällt, geht man jetzt daran und vergibt großzügig Wahlkampfgeschenke.

Es kommt noch etwas dazu bei diesem Schwindel, ein weiterer Aspekt, daher ist der Handlungsbedarf in der Tat sehr groß. Die meisten Wohnbauträger der sogenannten Genossenschaftswohnungen sind nicht in der Rechtsform der Genossenschaft konstruiert, sondern sind Aktiengesellschaften oder GesmbHs, in denen der Genosse, der Genossenschaftsmieter sozusagen, keinerlei Rechte hat. Es passiert auf diesem Sektor genau das gleiche wie beim "Konsum". Und wohin der "Konsum", diese große Genossenschaft, geführt hat, das wissen wir alle aus leidvoller Erfahrung für Österreich!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So, wie sich das die beiden Großparteien vorgestellt haben, wird es am Sektor Wohnungseigentumsbildung sicher nicht weitergehen können. Wir brauchen in der Tat echte Reformansätze, die an die Wurzel gehen müssen.

Herr Kollege Schöll! Weil dieses Problem tiefer geht, als man es in einem Entschließungsantrag formulieren kann, sind wir der Auffassung, daß man das in einem Gesamtprogramm ausführlich thematisieren und diskutieren muß. Daher muß diese Sache im Ausschuß besprochen werden. Wir fordern alle Parteien in diesem Hohen Hause auf, hier entsprechend konstruktiv mitzuwirken. An unserer Bereitschaft, mehr für eine großangelegte Wohnungseigentumsbildung zu tun, damit auch der "Kleine" die Möglichkeit hat, seinen eigenen Wohnraum günstig zu erwerben, wird das nicht scheitern. Wir bieten unsere konstruktive Mitarbeit an. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort hat Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.


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11.07


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Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits
(Grüne): Dobro jutro, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der Titel der heutigen Aktuellen Stunde ist: "Die unsozialen Auswirkungen der Mietenpolitik in Österreich", wobei für mich das wichtigste Wort das Wort "unsozial" ist, die unsozialen Auswirkungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als sich im April 1991 in einer parlamentarischen Enquete, die damals das Ziel hatte, ein zusammenfassendes Bundeswohngesetz zu schaffen, nicht in der Enquete, aber in der Folge, Herr Bundeskanzler Dr. Vranitzky zu Wort gemeldet hat, hat er – wohlgemerkt, im Jahr 1991! – einen bemerkenswerten und im Protokoll festgehaltenen Satz gesagt, den man wirklich – gerade wenn es um die unsozialen Auswirkungen der Mietenpolitik in Österreich geht – wiederholen sollte.

Er sagte damals: Es geht darum, für die Menschen, die in unserem Land leben, also für alle in Wirklichkeit, ein menschenwürdiges Leben und Dasein zu sichern, und zwar auch für jene, die, durch welche Umstände auch immer, in ihrer Leistungskraft gegenüber anderen eingeschränkt sind, wobei als Maxime zu gelten hat: Erreichbarkeit der Wohnungen durch Mietobergrenzen, Sicherheit durch Kündigungsschutz, soziale Verfügbarkeit von leistbaren Wohnungen, Beseitigung quantitativer Mängel durch Angebotserweiterung und Behebung qualitativer Mängel durch Modernisierung des Altbestandes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So richtige Worte hat der Herr Bundeskanzler wohl kaum ein zweites Mal zum Thema Wohnpolitik und Wohnrecht in Österreich gesprochen wie damals im April 1991. Allerdings wird ihm das, womit wir jetzt konfrontiert sind, nämlich mit den Auswirkungen vor allem der Mietrechtsreform, wenn ich den Herrn Bundeskanzler bei seinen Worten aus dem Jahr 1991 nehme, nicht so sehr gefallen. Diese Auswirkungen werden ihm nicht deshalb nicht gefallen, weil Grüne oder Oppositionelle sie kritisieren, sondern deshalb, weil sogar und vor allem die Arbeiterkammer, die ihn hier vielleicht nicht so unangenehm kritisieren würde, das ja ganz massiv bereits im vergangenen Jahr getan hat. Präsidentin Hostasch hat ganz klar und deutlich gesagt, daß die Mieten auf zu hohem Niveau stagnieren, daß das Ziel, das man sich bei der Enquete 1991 hier gesetzt hat, nicht erreicht wurde, daß der Kündigungsschutz weiter umgangen wird und daß die Arbeiterkammer in ihren Studien – vor allem, wenn man den Annoncenmarkt ein bißchen unter die Lupe nimmt – da ganz eindeutige Ergebnisse hat. Sie hat gesagt, daß es viel zu teuer und viel zu riskant für einen Mieter ist, zum Beispiel die Miethöhe überprüfen zu lassen, und daß dieses System – der Herr Bundesminister hat ja damals im Wohnrechtsunterausschuß und auch im Plenum immer wieder angemerkt, welche Mängel die Regelungen hatten –, daß also dieses undurchschaubare System vor allem des Lagezuschlages sich nicht positiv für den Bürger und die Bürgerin ausgewirkt hat, wo wir doch durch die Gesetze in erster Linie trachten sollten, zum Wohl der Menschen zu handeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daß es die Forderungen der Arbeiterkammer sind, die ich hier vorbringe, das soll Ihnen zeigen, daß nicht nur die Opposition hier Kritik übt, sondern daß das Wohnrechtsänderungsgesetz nicht in der Form gegriffen hat, wie man es sich vorgestellt hat. Man kann zwar hier immer wieder betonen, man muß Wohnungen bauen und man muß leistbare Wohnungen am Markt haben, wie Frau Generalsekretärin Abgeordnete Rauch-Kallat das vorhin gesagt hat, aber man muß bitte auch handeln, statt das in schönen Worten immer und immer wieder nur zu wiederholen!

Zuletzt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Einer meiner Vorredner, Kollege Schöll, ist ein ganz besonderer "Spezialist", wenn es um die sozialen Aspekte des Wohnens in Österreich geht. Er ist, was seine eigenen Interessen angeht, so "sozial" (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), daß er ein Palais um 38 Millionen kauft und es ein paar Jahre später um 200 Millionen weiterverkauft!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Er hat in einer Parlamentssitzung letzten Jahres selbst gesagt, daß das nur möglich war, weil es ihm gelungen ist, das Objekt in der Zwischenzeit mieterfrei zu machen. (Abg. Mag. Haupt: Redezeit! Redezeit!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Wenn so jemand hier von "sozialer Mietpolitik" spricht, dann kann das doch nur ein reiner Hohn sein! (Beifall bei den Grünen.)

11.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Er hat das Wort.

11.12

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Vorrednerin hat wieder einmal gezeigt, daß man aus der Vergangenheit nichts lernt. Hier wird ein objektiv schlechtes Gesetz gemacht, und man schiebt den Schwarzen Peter der Immobilienbranche zu und vergißt, daß es überhaupt ganz andere Interessenlagen in diesem Land gibt, die eigentlich schuld daran sind, daß es eine Wohnungsmisere gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Wohnrecht in Österreich wird nämlich als machtpolitische Spielwiese von Rot und Schwarz betrachtet, und es entsteht der Eindruck, es geht unseren Freunden von Rot und Schwarz nicht um die Schaffung des Wohnraumes, sondern lediglich um die Absicherung der Einflußsphären. Ich habe den Eindruck, daß hier offensichtlich eine marxistisch-sozialistische Wohnungspolitik betrieben wird, weil man den Mangel nur mehr auf Basis des Parteibuches und Protektionismus verwaltet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unsere Forderungen, daß die Mieten nach erledigten Annuitäten gesenkt werden sollen, trägt ja bereits auch Bürgermeister Häupl mit. Seine Genossen hier im Hohen Haus sind allerdings noch nicht so weit. Sie werden wahrscheinlich irgendwann dazulernen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Ich bin mir sicher, auch diese Forderung der Freiheitlichen wird demnächst umgesetzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein Beispiel, wie diese Machtpolitik aussieht: Frau Kollegin Bures! Sie haben ja ein Paradebeispiel dafür geliefert und das Thema Gemeinnützige wieder insbesondere angezogen. Nehmen wir die sozialistische Siedlungsunion in Wien-Donaustadt, von wo ich herkomme, die 5 000 Wohneinheiten verwaltet, als Beispiel. (Zwischenrufe des Abg. Edler. ) – Herr Kollege Edler! Was tun Sie überhaupt hier? – Laut einem Inserat sind Sie ja im Donauzentrum bei der Siedlungsunion, wo Sie – wie immer – keinen Einfluß auf die Wohnungspolitik nehmen, wo Politik ja draußen bleiben soll. Hier steht es groß inseriert: Kollege Edler sollte dort sein. – Nach dieser Debatte fahren Sie dann ohnehin hin; Sie sind ja auch schon hübsch gekleidet.

Es ist so, daß dort seit eineinhalb Jahren Zustände herrschen, die unverantwortlich sind. Da müssen sich die gewählten Funktionäre der Siedlungsunion, damit sie Rede- und Antragsrecht bei den Sitzungen der Genossenschaft haben, mit dem Exekutor und mit einstweiligen Verfügungen ihr Rederecht beschaffen. Soweit sind wir 1995 gekommen! Fragen Sie Rechtsanwalt Dr. Zanger. Er ist ein Freund Ihres Bundeskanzlers. Dr. Zanger hat das nämlich erwirkt, er ist auch Betroffener dieser Siedlungsunion.

Dort passiert auch noch etwas anderes: Die Vorstandsmitglieder und ihre Familien haben sich dort nämlich bis zu sechs gemeinnützige Wohnungen und Siedlungshäuser unter den Nagel gerissen. Und Obmann Kufner wird von seinem Sohn kontrolliert, der im Aufsichtsrat ist. Das muß man alles wissen!

Die Politsekretärin Nowak wird dort mit 60 000 S Monatsbezug installiert, und als Zugabe bekommt sie noch – ohne jemals auf einer Warteliste gewesen zu sein; eigentlich bekommt es ihr Gatte – ein Siedlungshaus von dieser "gemeinnützigen" Siedlungsunion. – Dort liegt der


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Hase im Pfeffer! (Zwischenrufe der Abgeordneten Bures und Edler. ) Abgeordnete zum Nationalrat a. D., Landtags-, Gemeinderatsabgeordnete, Bezirkspolitiker tummeln sich im Vorstand und im Aufsichtsrat. Dort werden die machtpolitischen Strukturen gelegt! Grundstücksankäufe werden finanziert, mit 18 Prozent Zinsen versehen, über von der BAWAG gewährte Darlehen. In Zeiten wie diesen, im Jahr 1993, wo der marktkonforme Zinssatz 6,25 Prozent für Hypothekardarlehen betrug, gab es dort 18 Prozent Zinsen – nachzulesen im öffentlichen Grundbuch. (Abg. Dr. Haider: 18 Prozent Zinsen bei der BAWAG? – Abg. Haigermoser: Da ist Edler dabei! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.) Sie brauchen sich dort nur die Pfandbestellungsurkunden und die Kreditverträge anzuschauen. Das müssen Sie sich anschauen! (Weitere Zwischenrufe.)

Die Siedlungsunion streut den Leuten Sand in die Augen! Auf meinen Vorwurf, daß unadäquate Zinsen verlangt werden, wurde in Pressediensten vom 21. September 1995 sogar behauptet, daß die Liegenschaft im Gestockert – die betrifft es nämlich in Wien-Donaustadt – mit Eigenmitteln finanziert worden ist. – Der Grundbuchauszug und die Realität zeigen etwas ganz anderes.

Wie das zu nennen ist, Herr Edler, werden Sie den Leuten im Donauzentrum heute, morgen und übermorgen, wie Ihre Annonce ja ankündigt, sicherlich sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bin nicht angemeldet, ich brauche das nicht. Ich gehe nämlich nicht zu Miethaien so wie Sie, mit denen Sie es sich richten können und wo Sie und Ihre Genossen sich dann über Gagen von hintenherum die Mietzinse leisten können. – Ich mache das nicht. Ich bewege mich auf dem freien Markt, weil ich der Immobilienbranche vertraue und nicht den Gemeinnützigen. Das ist meine Stärke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nur einer der Aspekte, aufgrund derer es dringend not tut (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), das Wohnrechtsänderungsgesetz wirklich im Interesse der wohnungssuchenden Bürger zu ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die heutige Aktuelle Stunde beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die schriftlichen Mitteilungen an alle Mitglieder des Hohen Hauses.

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortung: 4/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 103/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird;

Justizausschuß:

Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz - EU-GesRÄG (32 der Beilagen),

Strafrechtsänderungsgesetz 1996 (33 der Beilagen),

Antrag 100/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend die Änderung des Atomhaftpflichtgesetzes,


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Antrag 107/A (E) der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Rahmenbedingungen zum Maklergesetz;

Umweltausschuß:

Antrag 102/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 1993 geändert wird;

Verfassungsausschuß:

Antrag 101/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Bezügegesetz und Beamten-Dienstrechtsgesetz,

Antrag 104/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden,

Antrag 105/A der Abgeordneten Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden,

Antrag 106/A der Abgeordneten Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 (LLDG 1985) geändert werden,

Antrag 108/A der Abgeordneten Mag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz geändert wird;

Verkehrsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Hochleistungsstreckengesetz geändert wird (39 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuß:

Chemiewaffenkonvention-Durchführungsgesetz - CWKG (36 der Beilagen),

Washingtoner Artenschutzübereinkommen-Durchführungsgesetz; WA-Durchführungsgesetz (37 der Beilagen),

Notifikationsgesetz - NotifG (38 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Patentverträge-Einführungsgesetz geändert werden (43 der Beilagen).

*****

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Scheibner und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 182/J der Abgeordneten Scheibner und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Mängel in der österreichischen Sicherheitspolitik dringlich zu behandeln.

Weiters haben die Abgeordneten Anschober und Genossen das Verlangen gestellt, die gleichfalls vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 183/J der Abgeordneten Anschober und Kollegen an den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten


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betreffend chaotische Zustände in der Elektrizitätswirtschaft am Beispiel Lambach dringlich zu behandeln.

Da beide Verlangen darauf gerichtet sind, die dringliche Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen, mache ich von dem Recht gemäß § 93 Abs. 4 der Geschäftsordnung Gebrauch, mit der Behandlung der dringlichen Anfragen um 16 Uhr zu beginnen.

Die dringlichen Anfragen werden in der Reihenfolge, in der ich sie aufgezählt habe, das heißt unter Berücksichtigung der Fraktionsstärke, aufgerufen werden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 sowie 5 und 6 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen. Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten zur heutigen Tagesordnung wie folgt erzielt: Es soll für die gemeinsame Debatte zu den Punkten 1 und 2 sowie für die Debatte zu Punkt 4 eine Redezeit von zehn Minuten pro Redner festgelegt werden, wobei je einem Redner jeder Fraktion eine Redezeit von 20 Minuten zukommt.

Die Debatte zu Punkt 3 soll auf zwei Wiener Stunden beschränkt werden, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 30, ÖVP 28, Freiheitliche 26, Liberales Forum 18 und Grüne 18 Minuten.

Weiters wurde vorgeschlagen, daß in der gemeinsamen Debatte zu den Punkten 5 und 6 maximal drei Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von je zehn Minuten zu Wort gelangen, wobei wiederum einem Redner jeder Fraktion eine Redezeit von 20 Minuten zukommt

Für die Debatte zum Tagesordnungspunkt 7 sind maximal zwei Redner pro Fraktion vereinbart, wobei die Redezeit für einen Redner zehn Minuten und für den anderen fünf Minuten betragen soll.

Zu Punkt 8 sollen maximal zwei Redner pro Fraktion zu Wort kommen, wobei einem Redner eine Redezeit von 15 Minuten und dem anderen eine Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Sie haben diese Vorschläge gehört, gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall, dann ist das in dieser Form einhellig genehmigt und beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (9 der Beilagen): Protokoll Nr. 1 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (41 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (10 der Beilagen): Protokoll Nr. 2 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (42 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zu den Punkten 1 und 2 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies Berichte des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (9 der Beilagen): Protokoll Nr. 1 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmensch


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licher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (41 der Beilagen) und Protokoll Nr. 2 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter (42 der Beilagen).

Frau Abgeordnete Huber ist Berichterstatterin zu beiden Punkten. Ich darf sie bitten, die Debatte einzuleiten.

Berichterstatterin Anna Huber: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich berichte über die Regierungsvorlage (9 der Beilagen): Protokoll Nr. 1 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe.

Der Justizausschuß hat diesen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 6. Februar 1996 in Verhandlung genommen und das Protokoll einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Justizausschuß somit den Antrag , der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll Nr. 1 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (9 der Beilagen) wird genehmigt.

Ich berichte weiters über die Regierungsvorlage (10 der Beilagen): Protokoll Nr. 2 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe.

Auch dieser Staatsvertrag wurde in der Sitzung am 6. Februar 1996 in Verhandlung genommen und einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll Nr. 2 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (10 der Beilagen) wird genehmigt.

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Berichterstatterin. – Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Die Redezeit beträgt für diese Debatte im Prinzip 10 Minuten, wobei dem Erstredner 20 Minuten zustehen.

Wortmeldungen liegen vor, in gar nicht so geringer Zahl.

Der erste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. Ich nehme an, die Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte sehr.

11.23

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde wahrscheinlich die 20 Minuten nicht brauchen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Als ich gestern mit einer Kollegin über die heutige Tagesordnung gesprochen habe, hat sie mich gefragt: Wieso haben wir eigentlich diese Protokolle an erster Stelle der Tagesordnung? So wichtig ist das eigentlich nicht! Wieso haben wir das an solch prominenter Stelle?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aussage kann einen einerseits ein bißchen traurig stimmen, aber andererseits kann man auch froh darüber sein. Traurig stimmen kann es einen deshalb, weil es jemandem, der das nicht böse gemeint hat, passieren kann, ein solches Thema als nicht wichtig zu erachten, ein Thema, bei dem es immerhin darum geht, daß die abscheulichste Verletzung der Menschenwürde, Folter, in Zusatzprotokollen zu dem Euro


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päischen Übereinkommen behandelt und dadurch eine Erweiterung des Geltungsbereiches möglich wird.

Andererseits kann man als Österreicher froh darüber sein, daß offensichtlich in unserem Land die Notwendigkeit dieser sogenannten Folterkonvention gar nicht mehr realisiert wird, weil wir als Österreicherinnen und Österreicher das Glück haben, davon persönlich nicht betroffen zu sein beziehungsweise in unserer Heimat nicht in Gefahr zu kommen, den Schutz und die Möglichkeiten dieses Europäischen Übereinkommens einmal in Anspruch nehmen und zum Beispiel als Häftling Hilfe von den Persönlichkeiten, die im Auftrage dieser Konvention in diesem Ausschuß tätig sind, brauchen zu müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ende 1987, genau am 26. November, ist in Straßburg dieses Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterzeichnet worden; wir nennen es kurz Folterkonvention. Es sind darin Mechanismen eingeführt worden, die für Menschen, die in ihren Heimatländern in einer solchen Situation sind, Hilfe in weitester Form bringen können.

Dieses Übereinkommen ist von seiner Konzeption her eines des Europarates gewesen und ist es nach wie vor. Das heißt, Mitglieder dieses Übereinkommens konnten bisher naturgemäß nur Mitgliedstaaten des Europarates sein. Nun ist durch diese beiden heute zur Beschlußfassung vorliegenden Zusatzprotokolle die Möglichkeit geschaffen worden, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß auch Staaten, die nicht Mitglieder des Europarates sind, beitreten und Mitglieder in den Ausschuß entsenden können und daß sich damit die Möglichkeiten aus dem Übereinkommen auch auf diese nichteuropäischen Staaten – richtigerweise Staaten, die nicht Mitglieder des Europarates sind – erstrecken können. Dieser Versprecher von mir ergibt sich auch daraus, daß wir jetzt schön langsam in der Situation sind ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Frischenschlager. ) Ich habe 20 Minuten, da kann ich schon sieben oder acht Minuten zu diesem Thema reden, lieber Frischenschlager! Soviel Zeit muß bei diesem Thema schon gegeben sein.

Außerdem – das sage ich als einer, der üblicherweise in Justizdebatten spricht – sind wir und der Herr Justizminister normalerweise in der Lage, daß wir irgendwann um Mitternacht oder nach Mitternacht drankommen, wo alle sagen, macht es kurz, es ist schon so spät. Sind wir einmal früh dran, lassen wir uns nicht wieder ... (Abg. Dr. Schmidt: Das hat er nicht gesagt! Er hat das Gegenteil gesagt! – Abg. Dr. Ofner: Willi, laß dich nicht beirren!) Ich lasse mich nicht beirren, ich werde meinen Versprecher Kollegen Frischenschlager noch einmal unter vier Augen erklären, um die Kolleginnen und Kollegen nicht aufzuhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme schon zum Schluß. Es sind jetzt bereits fast alle europäischen Länder Mitglied des Europarates. Jetzt könnte man fragen: Wozu müssen wir dann überhaupt eine Möglichkeit schaffen, daß auch Nichtmitgliedstaaten beitreten können, beziehungsweise wozu ist diese Möglichkeit überhaupt geschaffen worden? Ich glaube, daß da ein sehr interessanter Ansatz für die europäischen Demokratien, die im Europarat das gemeinsame Dach gefunden haben, vorhanden ist, daß nämlich auch Staaten eingeladen werden können, die nie Mitglied des Europarates werden können und als nichteuropäische Staaten trotzdem dieser Konvention beitreten können. Beispiele dafür sind USA und Israel, die in einer Kooperation mit dem Europarat stehen, aber durchaus auch andere. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist international ein weiterer Schritt gesetzt worden und kann auch in Zukunft ein weiterer Schritt gesetzt werden, nämlich Druck, moralischen Druck – ich sage das ganz nüchtern, denn wirklichen Druck kann man in irgendeiner anderen Art und Weise nicht ausüben – auszuüben, indem die Staaten eingeladen werden, beizutreten und sich dann auch diesem Übereinkommen zu unterwerfen.

Das ist, glaube ich, eine sehr wichtige und sehr gute Sache, und ich bin sehr froh, daß Österreich nun diese Protokolle ratifizieren wird. Wir sind zwar nicht unter den ersten, aber doch im Vorderfeld. Peter Schieder, du schüttelst den Kopf – ich weiß, wir sind schon relativ spät dran, aber es sind noch nicht so viele vor uns, und ich glaube, es ist ganz wichtig, daß wir da


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nicht hinterherhumpeln und die letzten oder vorletzten sind. Daher freut es mich auch sehr, daß wir heute das offensichtlich einstimmig beschließen werden.

Zum Protokoll Nr. 2 kann ich mich sehr kurz fassen. Es ist im wesentlichen eine inhaltliche Bestimmung, die es ermöglicht, daß Ausschußmitglieder zweimal wiedergewählt werden können. Eine Funktionsperiode beträgt vier Jahre, das heißt, aufgrund dieser Bestimmungen kann es dann sein, daß ein Ausschußmitglied zwölf Jahre diese Funktion ausübt. Ich glaube, daß das nicht schlecht ist, weil es eine gewisse Kontinuität derer, die agieren, herstellt, und ich meine daher, daß es für dieses österreichische Parlament sehr richtig, sehr wichtig und sehr gut ist – auch im Hinblick auf unser Ansehen im Europarat –, daß wir diese beiden Vorlagen heute hopefully einstimmig beschließen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

11.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Er hat das Wort.

11.31

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin – wie Herr Abgeordneter Fuhrmann – sehr froh, daß diese beiden Protokolle gerade jetzt auf der Tagesordnung des Nationalrates stehen. Die Konvention des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe gehört neben der Menschenrechtskonvention zu den starken und wirksamen Instrumenten des Europarates. Ich füge hinzu: Ich hoffe, daß sich zu diesen Instrumenten etwa die Rahmenkonvention über den Schutz nationaler Minderheiten oder die Charta über die Minderheitensprachen gesellen wird und ebenso in Zukunft, sobald die Arbeiten fertiggestellt sind, die Konvention über Schutz der Menschenwürde in der Anwendung der Bioethik.

Warum betone ich das so sehr? – Weil gerade jetzt eine ganz wichtige Stunde für den Europarat geschlagen hat. Es hat heute um 11.30 Uhr in Straßburg die feierliche Zeremonie zur Aufnahme der Russischen Föderation im Europarat begonnen. Ich gebe zu, ich wäre fast lieber dort als hier. (Abg. Dr. Fuhrmann: Streich das "fast", sei ehrlich!) Ich gebe es zu, aber ich nütze auch gern die Gelegenheit, das jetzt an dieser Stelle zu erwähnen, weil das doch ein ganz wesentlicher Schritt für den Europarat mit sehr großen Konsequenzen ist, wenn sich zu den bisherigen 38 Mitgliedsländern die Russische Föderation gesellt, mit 150 Millionen Bürgern, mit einem Territorium, das von der Ostsee bis Wladiwostock reicht, und auf dessen Gebiet die Rechtsinstrumente des Europarates – Menschenrechtskonvention, Übereinkommen zur Verhütung von Folter und andere Europaratsübereinkommen – nun genauso wirksam werden sollen.

Wenn bei vielen Menschen und auch Bürgern unseres Landes heute Verwirrung über die europäischen Institutionen herrscht und es schwer zu unterscheiden ist, was ist die Europäische Union auf der einen Seite und der Europarat auf der anderen Seite, und gerade auch die Mitglieder der österreichischen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates von Kollegen gefragt werden: Wie war es in Brüssel?, nicht wissend, daß der Europarat seinen Sitz in Straßburg hat, dann ist es vielleicht manchmal notwendig, darüber zu reden, daß der Europarat seine Bedeutung hat, daß der Europarat auch im Prozeß der Europäischen Integration, also neben der Europäischen Union, seine Bedeutung behalten wird. Der Europarat hat vor allem zwei wesentliche Ziele – ich will damit die anderen Ziele nicht minderwertig behandeln –: die Einhaltung der Menschenrechte mit dem Schutz der Menschenrechte und dem individuellen Recht, sich an eine europäische Institution – europäische Institutionen sind derzeit noch Menschenrechtskommission und Menschenrechtsgerichtshof – zu wenden, wenn die Menschenrechte verletzt worden sind, und als zweiten Schwerpunkt die kulturelle Zusammenarbeit auf gesamteuropäischer Ebene, eben über die 15 Mitgliedstaaten der Union hinaus, daneben etwa aber auch die Stärkung lokaler Selbstverwaltung.


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Der Europarat wird gerade mit der Aufnahme der Russischen Föderation eine noch stärkere Bedeutung in der europäischen Zusammenarbeit und Europäischen Integration haben, wobei ich auch nicht verhehlen möchte – ich habe das auch bei einer Debatte in Straßburg in der Parlamentarischen Versammlung gesagt –, daß niemandem die Entscheidung leicht gefallen ist, wie er bei der Aufnahme der Russischen Föderation stimmen soll. Ich bin sehr froh, daß die österreichische Delegation geschlossen für die Aufnahme der Russischen Föderation im Europarat gestimmt hat. Aber es ist uns auch klar – das wird auch etwa den Anwendungsbereich des Folterübereinkommens betreffen –, daß noch viel Arbeit sowohl für den Europarat als auch für Rußland vorliegt, vor allem im Hinblick auf die Standards des Europarates, insbesondere was die Einhaltung der Menschenrechte in diesem großen Gebiet betrifft, das leider sehr wenig demokratische Tradition hat, dessen Bevölkerung und Behörden verunsichert sind und noch zuwenig Übung mit der Handhabung rechtsstaatlicher Instrumente haben. Es liegt also sehr viel Arbeit vor uns, und es ist das eine sehr große Herausforderung für den Europarat.

Ich habe auch in der Debatte zur Aufnahme Rußlands gesagt: Rußland ist zweifellos eine geopolitische Großmacht, aber im Europarat wird man eine Großmacht durch die Einhaltung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Prinzipien. Aber wir sollten diese Herausforderung annehmen – auch Österreich als ein sehr aktives und wesentliches Mitglied des Europarates – und unsere Aufgabe vor allem bei den neuen Mitgliedsländern wahrnehmen. Österreich genießt hier großes Ansehen und soll den zentral- und osteuropäischen neuen Mitgliedsländern des Europarates helfen, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu implementieren.

Die Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe wird durch die beiden Protokolle Nr. 1 und 2 verbessert. Ich habe den diesbezüglichen Ausführungen des Kollegen Fuhrmann nichts hinzuzufügen. Wir stimmen selbstverständlich den beiden Protokollen zu. Ich möchte dem jetzt gerade feierlich aufgenommenen neuen Mitglied des Europarates, der Russischen Föderation, eine gute Mitarbeit und eine gute Zukunft im gemeinsamen Haus Europa wünschen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Höbinger-Lehrer. – Bitte sehr. Redezeit: 10 Minuten.

11.38

Abgeordnete Dr. Liane Höbinger-Lehrer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Auch ich werde Sie mit Sicherheit nicht mit den, so glaube ich, mir zustehenden 20 Minuten aufhalten, nicht einmal mit 10 Minuten. Ich bin nämlich in der glücklichen Lage, sagen zu können, daß auch wir selbstverständlich vollinhaltlich, wie schon im Ausschuß, den beiden Zusatzprotokollen zustimmen werden.

Ich glaube, daß der Kampf gegen Folter und unmenschliche Behandlung zumindest in den westlichen Staaten eine sehr lange und segensreiche Tradition hat. Österreich hat sich mehrfach, und zwar in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und in der UNO-Folter-Konvention, gegen Folter und unmenschliche Behandlung ausgesprochen. Wie Herr Abgeordneter Fuhrmann bereits gesagt hat, wurde in der Plenarsitzung des Hohen Hauses am 28. November 1988 das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und so weiter – es wurde heute schon mehrfach angesprochen – ratifiziert. Die Mitgliedstaaten des Europarats haben es bereits am 26. November 1987 unterzeichnet.

Die Expertenkommission, die ein Kernstück dieser Konvention darstellt, sollte die Möglichkeit haben, zu jeder Zeit und an jedem Ort des Vertragsstaates die Behandlung von Häftlingen zu kontrollieren. Allerdings hat der eine gravierende Mangel, der von Anfang an bemerkt wurde, nämlich daß es aus Gründen der Landesverteidigung und der öffentlichen Sicherheit – Gott sei Dank kommt so etwas in Österreich wohl nicht zum Tragen – der Kommission nicht möglich sein sollte, diese Orte zu besuchen, leider keine Verbesserung erfahren.

Es sollte möglich sein, im Rahmen aller dieser UNO-Einrichtungen, die Herr Abgeordneter Schwimmer angesprochen hat, auch einmal darauf zu drängen, daß diese Situation verbessert


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wird und daß man die Gefangenenhäuser oder die Lager ohne Vorbehalt kontrollieren kann, denn es kann sich ja nur um solche handeln.

Wenn wir uns jetzt damit beschäftigen, die funktionierenden Einrichtungen des Europarates auch auf Nichtmitgliedstaaten auszudehnen, so muß ich sagen, daß mich die Aufnahme Rußlands, obwohl sie begrüßenswert ist, ein wenig mit Unbehagen erfaßt, denn ich glaube, daß es nicht in allen Staaten der Russischen Föderation möglich sein wird, sich so wie in den westeuropäischen Staaten den Gefangenenlagern zu nähern.

Es gab darüber einen Bericht in der "Presse", ich glaube, am 19. Februar. Damals wurde mir erstmals bekannt – das besagt aber nichts –, daß die Russische Föderation nun auch als Nichtmitgliedstaat beitritt. In der "Presse" war ein vielleicht etwas polemischer Bericht eines Tschetschenen abgedruckt, der sich darüber beklagt hat, wie leicht und aus welch nichtigem Anlaß man in die Fänge der russischen Justiz kommen kann und wie schwer es ist, sich – ich glaube, er hat es so genannt – Folterlagern zu entziehen. Also ich hoffe, daß auch Österreich die Möglichkeit haben wird, gerade in diesen Belangen zumindest eine Bewußtseinsbildung in den nun beitretenden Nichtmitgliedstaaten zu erwirken.

Ich darf aber noch eine Kleinigkeit zu dem Foltererlaß nachtragen, den uns das Ministerium im Jahre 1989 – der Herr Minister war damals noch nicht Minister – zur Einhaltung all dieser Konventionen bei der Staatsanwaltschaft beschert hat. Durch diesen Erlaß mußten wir jeder kleinsten Regung eines Häftlings, der behauptet hat, daß er in irgendeiner Weise mißhandelt oder auch nicht gut behandelt wurde, nachgehen, und zwar durch gerichtliche Erhebungen. Das ist vollkommen richtig, aber wir hatten das auch ohne diese Weisung gemacht, nur offensichtlich hat man geglaubt, daß wir vielleicht in irgendeiner Form amtsmißbräuchlich handeln könnten, und hat uns daher ganz genaue Richtlinien und Weisungen gegeben. Wie gesagt, es war nicht der Herr Minister, sondern sein Vorgänger, und wir haben danach gehandelt.

Nur hat sich aus dem Wahrnehmungsbericht der Staatsanwaltschaft Wien aus dem Jahr 1994 –1995 soll es noch besser sein, wie mir der zuständige Staatsanwalt Dr. Kellner gesagt hat –folgendes Bild ergeben: Es hat damals, und zwar im Jahre 1994, für den Bereich der Staatsanwaltschaft Wien – nur für ihn kann ich natürlich sprechen, aber es ist immerhin das größte Strafgericht Österreichs – insgesamt 59  Vorwürfe wegen Mißhandlung gegen Organe der Sicherheitsbehörde, das ist immerhin eine erkleckliche Zahl, gegeben, es ist bei Gericht nicht ein einziger Schuldspruch erfolgt.

Bei den Bezirksgerichten waren es noch mehr Anzeigen, und zwar 231, von denen sieben zu Anträgen auf Bestrafung und ein einziger zu einer bedingten Geldstrafe geführt haben. Wohlgemerkt: Jeder Vorwurf ist zu beachten, nur sollte man nicht dazu übergehen, jetzt zu glauben, daß in Österreich die Sicherheitswache oder die Exekutive oder die Strafvollzugsbehörden und deren Beamten in irgendeiner Weise den Wunsch haben, sich mißbräuchlich gegen die Gefangenen zu verhalten.

Ich glaube, man sollte von diesen Vorwürfen, die nicht im Hohen Haus erhoben worden sind, aber schon in den Medien, in denen es jetzt schon wieder – ich glaube, er ist von den Grünen gekommen – einen Angriff auf die Sicherheitswache gegeben hat, Abstand nehmen und die positiven Seiten sehen.

In diesem Sinne möchte ich diesen beiden Zusatzprotokollen im Namen meiner Fraktion viel Glück zum Gelingen bei den Nichtmitgliedstaaten wünschen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. Sie hat das Wort.

11.46

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich glaube, wir machen es uns ein bißchen einfach, wenn wir alle nur davon reden, wie


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wichtig dieses Übereinkommen ist. Jeder spricht davon, wir müssen uns natürlich dafür aussprechen, gegen Folter, gegen unmenschliche und erniedrigende Behandlung aufzutreten. Selbstverständlich sagt die FPÖ, daß daher diese Übereinkommen auch ihre Zustimmung haben werden.

Wir belobigen hier, was alles bei uns wunderbar ist, und daher müssen wir doch danach trachten, daß wir möglichst viele Länder dazu bringen, um sie alle auf den gleichen Stand zu bekommen.

Das zeigt mir, wie wenig wert eigentlich solche Dinge sind, wenn man sich nicht vorher über die Begriffsdefinition einigt, wenn man nicht vorher darüber nachdenkt, was denn, auch nach unseren Begriffen, nach unseren demokratischen Begriffen, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bedeutet. Dazu, daß man sich gegen die Folter aussprechen wird, kann ich nur sagen: "No na!" Das ist ja wohl eine Selbstverständlichkeit. Ich sage das hier für unser Haus.

Bei der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung wird es schon anders aussehen. Hier wird es wohl sehr unterschiedliche Begriffsdefinitionen geben. Für mich hängt die Ernsthaftigkeit solcher Papiere davon ab, wie dann die Handlungen ausschauen, die dazu gesetzt werden.

Es ist sehr leicht, daß man sich in Protestnoten dagegen ausspricht, daß Saro-Wiwa in Nigeria durch ein Todesurteil umgebracht wird, sage ich jetzt einmal. Dagegen kann man protestieren, darüber kann man sich entrüsten, das kann man als eine Unmenschlichkeit bezeichnen. Aber kein Mensch tritt dagegen auf, daß in einer solchen Situation die Boulevardpresse die Nigerianer in Österreich einfach pauschal als Drogendealer abtut.

Ich sehe hier durchaus einen Zusammenhang damit, daß wir 1995 zum Beispiel nur drei politische Flüchtlinge aus Nigeria als politische Flüchtlinge anerkannt haben, 177 hingegen nicht. Da bestehen Zusammenhänge. Ich frage mich: Wie ernst nehmen wir es denn dann mit der Beurteilung, wenn wir Taten zu setzen haben, nämlich mit der Anerkennung dieser Menschen als Flüchtlinge?

Wir lesen von einem Tamilen, dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Er hat Ende Jänner in Österreich Selbstmord begangen. Wir lesen von einem Iraker, der hier geltend macht, politisch verfolgt zu werden, denn, laut Amnesty International, er war inhaftiert und gefoltert worden, weil sein Bruder das Land verlassen hat. Von uns sollte er – das war jedenfalls der letzte Stand meiner Information – vergangene Woche nach Jordanien abgeschoben werden. Ich konnte nicht mehr verifizieren, ob das dann tatsächlich passiert ist, nachdem Amnesty International diesen Fall an die Öffentlichkeit gebracht hat, oder nicht, ich weiß es nicht.

Tatsache ist, daß man mit diesen Dingen sehr locker umgeht, aber uns hier sind wir alle einig, wogegen man auftreten muß. Das ist nichts wert, wenn man dann in einem Interessenkonflikt auf einmal eine andere Stellung bezieht. Dieser Interessenkonflikt entsteht aus wirtschaftlichen Interessen. Wie sieht denn unser Umgang mit Ländern aus, in denen Menschenrechtsverletzungen evident sind, aber unsere wirtschaftlichen Interessen natürlich gewahrt bleiben sollen? Warum fährt daher – zu welchem Zeitpunkt auch immer – zum Beispiel eine der größten Wirtschaftsdelegationen nach China?

Ich sage jetzt nicht, daß wir den Kontakt abbrechen sollen – das wäre ein Unsinn, das wäre auch wirtschaftspolitisch ein Unsinn –, aber es ist wohl eine Frage des Gespürs, zum welchem Zeitpunkt, in welcher Größenordnung und wie man solche Dinge macht. Ich rede daher auch von unseren Verbindungen, die wir mit dem Iran und mit Ländern bis zur Türkei hin haben, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.

Wie sieht es denn aus, wenn ein Interessenkonflikt auftritt, mit der sogenannten Effizienz der Bürokratie? – Der Begriff der bürokratischen Dehumanisierung ist zu einem Merkmal geworden, und zwar leider nicht nur in Österreich, sondern in sehr vielen Staaten. Wir sind in manchem sogar Vorreiter, wenn ich mir unser Asylrecht anschaue. Da schaut immer einer auf den anderen und sagt: Daher ist es legitim! – Wir setzen den Maßstab immer weiter hinauf, an dem wir dann argumentieren und den wir als Basis nehmen.


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Wie sieht es denn aus, wenn man dann Maßnahmen im Sinne der Menschenrechte treffen soll, die gegen eine populäre Meinung verstoßen – Schlagwort: Stimmenfang? Wie schauen denn unsere Fremdengesetze aus, in denen es um die Wahrung der Menschenrechte geht? Wer hat da wen überholt? Ich habe noch die Ausführungen von Herrn Stadler von gestern im Ohr, als er mit Recht gesagt hat: Das einzige, was ihm an dem ganzen Sparpaket gefällt, ist, daß endlich die Regierung soweit ist, daß sie Menschen, die hier leben, aber keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, keine Familienbeihilfe mehr bezahlt, wenn ihre Kinder im Ausland leben. – Das heißt, jemand hat hier die gleichen Abgaben zu zahlen wie sein Kollege, der halt zufällig Österreicher ist, beide haben sie Kinder, die im Ausland studieren. Der Inländer erhält die Familienbeihilfe, der Ausländer erhält sie nicht.

Was verstehen wir denn unter Grundrechten, unter Menschenrechten? Was entwickelt sich da auseinander? Geht es nur um die Folter, gegen die wir auftreten, oder ist hier nicht viel mehr erst zu erarbeiten, und vor allem auch für unser Bewußtsein zu erarbeiten?

Ich halte das für sehr billig, wenn wir uns herstellen und alle großartig etwas unterschreiben, in dessen Überschrift noch dazu Begriffe enthalten sind, die in diesem Hause höchst unterschiedlich ausgelegt werden. Dann ist es natürlich leicht, wenn alle zustimmen. Das ist das, was ich einbringen möchte. Selbstverständlich werden wir auch zustimmen, aber ich möchte zumindest doch auch deutlich machen, was an Nachholbedarf, an Nachdenken vorhanden ist.

Kollegin Höbinger-Lehrer! Was sagte sie hier? – Wie schrecklich es doch ist, daß man der Sicherheitswache schon wieder etwas unterstellt, und man möge doch davon Abstand nehmen – das hat sie wörtlich gesagt – und doch das Positive sehen.

Das gleiche sagen Ihnen zu den Menschenrechtsverletzungen die Leute in den anderen Ländern auch, ob das Türken, Chinesen oder sonst wer sind. Da ist es ein anderes Ausmaß, selbstverständlich! Aber sie sagen: Seht doch auch das Positive bei uns. – Das kann doch wohl nicht der richtige Zugang zu diesen Dingen sein, schon gar nicht, wenn – und das hängt mit einer unwürdigen und erniedrigenden Behandlung zusammen – der Bericht von Amnesty International über das Jahr 1994 aufzeigt, daß es bei uns Mißhandlungen durch die Polizei gibt, bei Ausländern in Schubhaft, und daß das keine Einzelfälle sind.

Nun weiß ich schon – ich habe lang genug in einer Behörde, in der Volksanwaltschaft gearbeitet, wo ich gerade mit diesen Fällen konfrontiert war –, wie schwierig es ist, abzuwägen, was tatsächlich an Beschwerdeberechtigung faßbar ist und was dann eher in einer Grauzone verläuft. Aber wenn es sogar die Europäische Kommission für Menschenrechte im Juni 1994 für erwiesen erachtet, daß ein österreichischer Staatsbürger nach einer dreitägigen Haft in Polizeigewahrsam in einer Weise physischer Gewalt ausgesetzt war, daß der Tatbestand, und zwar genau jener Tatbestand, der in der Überschrift des Übereinkommens steht, nämlich der Tatbestand der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung, erfüllt ist, dann können wir uns nicht herstellen und so tun, als wäre bei uns alles in Ordnung. Dann können wir vor allem, Frau Kollegin, nicht sagen: Sehen wir doch lieber das Positive! Nehmt doch Abstand, die Leute ewig mit irgend etwas zu belasten und in den Schmutz zu ziehen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Höbinger-Lehrer. )

Es muß das Interesse dasein, Menschenrechtsverletzungen schon im Ansatz zu erkennen, und zwar gerade in unserem Land, sonst haben wir keine Berechtigung, über die anderen großartig und überheblich zu reden und zu sagen: Wichtig ist, daß noch mehr Länder dem Abkommen beitreten, wenn wir nicht einmal in unserem Land die Bereitschaft für Wachsamkeit und Sensibilität haben, wo denn die erniedrigende, wo denn die unmenschliche Behandlung beginnt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir haben bis heute keine Reform des Asylrechtes zusammengebracht, wer auch immer daran schuld ist, ob es nur die FPÖ ist, ob es die FPÖ und die ÖVP sind, ob es die Schwäche der SPÖ ist – es ist mir herzlich egal. Tatsache ist, daß wir immer noch keinen Zugang zu einem fairen Asylverfahren haben, Tatsache ist, daß es zur Praxis geworden ist, über Asylwerber einfach die Schubhaft zu verhängen. Damit sind wir wieder bei der bürokratischen Effizienz, weil man Angst


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hat, daß sie sonst untertauchen. Ich schließe nicht aus, daß das tatsächlich passieren könnte. Aber wie wägen wir denn hier zwischen dem Untertauchen und erniedrigender Behandlung ab? – Es wird ja wohl hoffentlich so empfunden werden, daß, wenn jemand in Schubhaft genommen wird, das eher einer Erniedrigung nahekommt als einem Menschenrecht. Es soll hier niemand von einem Sicherheitsprinzip für den betroffenen Menschen reden, sondern das ist die Sicherheit für die Popularität, da kommt man einem eigenartig hochstilisierten Sicherheitsbedürfnis unserer Bevölkerung entgegen.

Wann kommt endlich eine Änderung der Drittlandklausel, die vorsieht, daß eine Abschiebung nur dann zulässig ist, wenn auch sichergestellt ist, daß der Abzuschiebende im Drittland, in das er abgeschoben wird, auch tatsächlich vor Verfolgung sicher ist? – Kein Mensch hat noch ein Ohrwaschl gerührt, um eine Änderung herbeizuführen.

In diesem Haus ist vor Jahren ein Asylgesetz beschlossen worden, das ich deswegen für unmenschlich halte, weil es einer der ersten Schritte zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft ist, nämlich die Klassen der unterschiedlichen rechtsstaatlichen Garantien, je nachdem, ob man In- oder Ausländer ist. Es kann nämlich ein Mensch abgeschoben werden, bevor noch der zugrunde liegende Bescheid rechtskräftig ist.

Wo ist denn der Aufschrei in diesem Haus? Wer ist bereit, sich zu einer menschlicheren Vorgangsweise zu bekennen und diesen Paragraphen im Asylgesetz zu ändern?

Ich halte es daher für nicht sehr ernstzunehmend, wenn nur schöne Worte gesprochen werden. Es geht sogar so weit, daß der Obmann der stärksten Oppositionspartei sagt: Dann treten wir doch aus der Menschenrechtskonvention aus! – APA, Oktober 1995: Wenn Österreich durch die Europäische Menschenrechtskonvention beim Familiennachzug in die Pflicht genommen werde, dann sollte man diese Bestimmungen aufgeben. – Eines muß man ihm lassen: Er sagt zumindest ... (Abg. Scheibner: ... bei der Debatte Ihre Polemik anzubringen! Das ist ungeheuerlich!)

Es wäre schön, wenn Sie einmal mitdenken würden, Kollege, denn dann hätte das Ganze einen Sinn, aber ich weiß, daß das bei Ihnen nicht viel Sinn hat. (Abg. Scheibner: Sie wissen ganz genau, wie das damals gewesen ist!) Mir wäre eine andere Ausdrucksweise eher auf der Zunge gelegen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Scheibner. – Abg. Dr. Haselsteiner: Zuhören!)

Wenn es möglich ist, daß eine Fraktion dieser Größenordnung sagt, daß man die Bestimmungen einer Menschenrechtskonvention lieber aufgeben soll, dann sehen wir doch, wieweit wir in der Beurteilung der Ernsthaftigkeit von Menschenrechten sind. Wir haben sie zwar alle unterzeichnet, aber wenn wir dann durch diese Menschenrechtskonvention in die Pflicht genommen werden sollen, dann steigen wir lieber aus. Solange wir nicht in die Pflicht genommen werden, halten wir hier alle schöne Reden und sagen: Wunderbar, wir haben uns wirklich weiterentwickelt! – Das ist die Ernsthaftigkeit von Menschen, die irgendwelchen Menschenrechtskonventionen zustimmen, solange man nicht in die Pflicht genommen wird! (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Sie brauchen es nur nachzulesen. Wenn Sie mir nicht glauben – Ihrem Parteiobmann glauben Sie ja alles, daher müssen Sie sich genau diesen Satz anschauen.

Aber es geht nicht nur um die Situation im Inland, sondern es geht auch um das Umgehen mit Ländern außerhalb, und da habe ich nicht nur Länder wie China und Co – ich sage das jetzt einmal so, das ist von der Größenordnung her für mich ein Synonym – angesprochen. Wir sind jetzt in einer Situation, in der wir auch das machen könnten, was Kollege Fuhrmann vorher mit dem Begriff des moralischen Drucks umschrieben hat, als er gemeint hat, wie wunderbar das ist, wenn wir Derartiges beschließen und wenn wir die anderen Länder miteinbeziehen. Im übrigen gebe ich ihm recht, daß das richtig und gut ist. Aber man darf die Konsequenz, daß man nämlich dann die Möglichkeit hätte, moralischen Druck auszuüben, nicht nur auf dieses Übereinkommen beziehen, sondern zum Beispiel auch auf einen Akt, der uns bevorsteht, nämlich die Anerkennung Restjugoslawiens.

Wir wissen, daß sich die Europäische Union mit dem Gedanken trägt, Restjugoslawien anzuerkennen. Da gibt es bislang relativ weiche Formulierungen, welche Bedingungen man daran


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knüpfen sollte. Frankreich hat etwas getan, was ich für höchst bedauerlich halte. Es ist nämlich vorgeprescht, hat damit die EU in einer Weise präjudiziert oder unterlaufen und sagt: I bin i, Frankreich zuerst!, und hat einen Akt gesetzt, Restjugoslawien anzuerkennen, ohne konkrete Bedingungen daran zu knüpfen.

Ich habe hier eine APA-Meldung vom 27. Februar, laut der Österreich offensichtlich ähnliches vorhat. Überschrift: "Österreich zu vollen diplomatischen Beziehungen mit Belgrad bereit". Darunter steht, Österreich sei zur Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen mit Jugoslawien und zum Aufbau und so weiter bereit. Da steht überhaupt nichts von irgendeiner Bedingung.

Offensichtlich – ich weiß es nicht – hat der Herr Schüssel anläßlich seines Besuches in Restjugoslawien das Gefühl gehabt, er muß irgendeine Spur hinterlassen. Ich halte das für eine traurige Spur, wenn sie nicht verbunden wird mit den klaren Bedingungen, die vorerst einmal zu erfüllen sind.

Nun weiß ich schon, daß man diese Bedingungen nicht zu hoch schrauben darf, um auf diese Weise vielleicht eine Anerkennung unmöglich zu machen. Das wäre nicht in Ordnung. Aber von vornherein zu sagen, ist schon in Ordnung, wir werden euch anerkennen, das ist genau das, was eben nicht jenem moralischen Druck entspricht, den Kollege Fuhrmann einmahnt.

Da hat es im Jahr 1991 ja Bedingungen gegeben, die seinerzeit von der EU formuliert wurden für die Anerkennung Kroatiens, Sloweniens und der Nachfolgestaaten der UdSSR. Ich frage mich: Mit welcher Begründung geht man unter diesen Standard? Und man geht derzeit – zumindest ist das mein Wissensstand – unter diesen Standard. Mir ist das zu wenig, daß man fordert, daß Belgrad Mazedonien anerkennen soll. Ich bin der Auffassung, daß selbstverständlich alle Nachfolgestaaten durch Belgrad anzuerkennen sind. Das ist unsere Position. (Abg. Schieder: Aber nicht, wenn Sie von einem europäischen Standard ausgehen! Das Anerkennen ist nicht die moralische Wertung! Das machen wir bei der Mitgliedschaft und nicht bei der Anerkennung! Das ist ein wesentlicher Irrtum!) Genau darum geht es doch bitte, daß wir für diesen Standard zu kämpfen haben; daß wir nicht nachhinken und sagen, das ist der Standard und daher interessiert uns nicht mehr, wir schauen uns den kleinsten gemeinsamen Nenner an. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, daß, wenn man Restjugoslawien anerkennt, man auch die Einhaltung von Menschenrechten und auch bestimmte Grundstandards einfordern sollte. (Abg. Schieder: Da müßten Sie aber 30 Staaten der Welt die Anerkennung entziehen!) Es gibt im übrigen im Europäischen Parlament eine ganze Fraktion, die sich dafür einsetzt; vielleicht können sie einmal mit der Liberalen Fraktion stimmen, statt mit der Sozialdemokratischen, die werden sich nämlich dafür einsetzen, daß nicht nur die Anerkennung Mazedoniens als Voraussetzung gemacht wird, sondern die Anerkennung aller Nachfolgestaaten. Vielleicht können Sie mit den Fraktionskollegen der Liberalen dort einmal reden. (Abg. Schieder: Denen hätten Sie das besser bei der Türkei gesagt!)

Bei der Türkei gebe ich Ihnen völlig recht. Das ist eine Gratwanderung gewesen; nehme ich die Türkei in das Zollabkommen und sage, damit habe ich mehr Möglichkeit der Kontrolle, oder sage ich, das mache ich derzeit nicht. Ich persönlich weiß, wie unsere Abgeordnete gestimmt hat. (Abg. Schieder: So lala!) Nicht so lala. Sie hat in ihrer Abwägung klar entschieden (Abg. Schieder: Die Abgeordnete nicht, aber die Fraktion!) – auch nicht –, aus ihrem Gesichtswinkel wäre es gerade bei der Türkei sinnvoller, sie dabei zu haben. Ich persönlich hätte anders entschieden, das sage ich Ihnen ganz offen.

Jedenfalls ist es für mich eine selbstverständliche Voraussetzung, und ich erwarte, daß das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag anerkannt wird und selbstverständlich eine bedingungslose Auslieferung von Verdächtigen erfolgt, die vor diesem Tribunal angeklagt würden. Was haben wir denn davon, wenn wir großartig Tribunale einrichten, und dann erkennen wir Staaten an, die nicht einmal diese Tribunale anerkennen? Daher wäre das meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit, das zu einer Grundbedingung zu machen.


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Ich glaube auch, daß wir nicht von Autonomierechten oder von Minderheitenrechten reden können, wenn wir das dann nicht als Druckmittel benutzen und sagen: Wie schaut es denn aus mit eurer – je nach Blickwinkel – Mehrheit oder Minderheit der Albaner in Kosovo? Welche konkreten Rechte bekommen die? Und wie sieht es denn aus mit den Minderheitenrechten der Kroaten und der Ungarn in der Vojvodina, wo diese jetzt nicht einmal jene Rechte zugestanden bekommen, die bis zum Jahr 1991 gegolten haben? Das sind doch bitte Voraussetzungen, die eine Selbstverständlichkeit wären, bevor ich einen Staat anerkenne. Und da habe ich überhaupt nichts von Ihrer Fraktion dazu gehört. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Im übrigen halte ich es auch für eine Notwendigkeit, daß alle UN-Konventionen über das Nachfolgerecht bei der Auflösung von Staatenverbänden anerkannt werden. Das sind alles Bedingungen, die man sich seitens der EU bei der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens und der Nachfolgestaaten der UdSSR überlegt hat. Jetzt frage ich Sie, wieso derartiges nicht möglich ist, wenn es um Restjugoslawien geht.

Das ist das, was mich irritiert, wenn ich jetzt höre, daß Österreich möglicherweise nicht einmal auf die EU warten will und alleine die Anerkennung aussprechen will. Dann sage ich, diesen moralischen Druck, den der Kollege Fuhrmann hier ausüben will, den können Sie dann nicht mehr einsetzen. Also, entweder man meint es ernst mit Menschenrechten oder nicht. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist die Frau Abgeordnete Stoisits. Sie hat das Wort.

12.04

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den ersten Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung, das Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe, halte ich für ausgesprochen notwendig, richtig und wichtig, nämlich deshalb, weil – und jetzt unterscheide ich mich von allen Vorrednerinnen und Vorrednern, mit Ausnahme der Frau Dr. Schmidt – diese zwei Protokolle scheinbar nicht allzuviel mit Österreich zu tun haben; weil es doch in einem nur darum geht, Nichtmitgliedstaaten auch die Mitgliedschaft beim Europarat zu ermöglichen und es im anderen nur um die Funktionsperiode der Ausschußmitglieder geht. Eigentlich keine allzu großen Sachen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man nur einen Blick darauf wirft, wie sich Österreich als ein Mitgliedstaat des CPT verhält und wie ernst wir in Österreich das nehmen, was dieses unabhängige Komitee in Österreich schon eruiert hat, dann ist diese Mittagsstunde – auch wenn das Plenum nicht allzu voll ist – wirklich der geeignetste Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren.

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen schon einiges über den Umgang mit den Ergebnissen dieser unabhängigen Kommission, die in jedes Gefängnis, also nicht nur in Strafvollzugsanstalten, sondern auch in Polizeigefangenenhäuser kam. Aber diese Geschichte ist keine allzu rühmliche. Und deshalb freue ich mich, daß der Kollege Abgeordneter Dr. Einem im Moment auch hier ist, weil er in der glücklichen Situation ist, hier zustimmen zu können. Am Nachmittag wechselt er dann vielleicht auf die Regierungsbank. Da kann er sich jetzt etwas erlauben, was er möglicherweise in einem Monat nicht mehr kann: nämlich sich selber eine Anfrage zu stellen, warum er bestimmte Dinge als Innenminister nicht tut, die ihn aber jetzt kraft seines Direktmandates – Vorzugsstimmenmandates – hier legitimieren, Bürgerinteressen zu vertreten und auch Fragen zu stellen. Ich würde ihm empfehlen, sich selbst die Frage zu stellen, warum er als Innenminister den neuesten CPT-Bericht, der ja seit 4. Mai 1995 sowohl dem Herrn Bundesminister für Justiz als auch dem Herrn Bundesminister für Inneres vorliegt und in dem sicher einiges Interessantes drinnensteht, unter Verschluß hält, wieso er diesen Bericht nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon ein bisserl einen Verdacht, warum das nicht geschieht. Ich habe nämlich den Verdacht, daß das, was im CPT-Bericht 1990 gestanden


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ist und was wirklich nicht rühmlich für Österreich ist, nicht an die Öffentlichkeit kommen soll. Denn: In einem Satz zusammengefaßt ist das Ergebnis des damaligen Besuchs des Komitees so auszulegen – und das steht wortwörtlich in diesem CPT-Bericht von 1990, wohlgemerkt: vom Europarat festgestellt! –, daß für Häftlinge in Österreich ein ernstes Risiko besteht, während der polizeilichen Anhaltung mißhandelt zu werden. Mit diesem Satz kann man diesen Bericht, der doch recht umfangreich ist, am allerbesten zusammenfassen.

Im Juli letzten Jahres sind wir auch hier beisammen gewesen und haben bei einer dringlichen Anfrage, wo es um diesen Blankounterschriftenskandal im Polizeigefangenenhaus Wien gegangen ist, das alles, was Frau Dr. Schmidt vor mir gesagt hat, schon einmal sehr umfangreich erörtert. Der Bundesminister für Inneres war ja damals irgendwie besonders betroffen. Damals hatte ich den Eindruck, da ist wirklich was passiert, da sind auch wirklich Maßnahmen gesetzt worden. Meinen Informationen zufolge, die ich bekomme, und aufgrund von Mitteilungen von Menschen, die ab und zu noch Zugang zur Schubhaft und zum Polizeigefangenenhaus in Wien haben, hat sich jedoch nicht allzu viel – fast bin ich geneigt, zu sagen, gar nichts – geändert.

Auch wenn Folter ein Wort ist, das unserem österreichischen Wortschatz so fremd zu sein scheint, weil Folter ist ja was ganz drastisches, Folter ist ja etwas, das kommt frühestens vor, meint man, wenn man den Bosporus überschritten hat, aber doch nicht in Europa. Dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird man eines besseren belehrt, wenn man diesen CPT-Bericht aus dem Jahr 1990 liest. Nicht nur das ernste Risiko, mißhandelt zu werden, ist hier festgehalten.

Im Bericht von 1990 – und ich habe, wie schon einmal gesagt, den Verdacht, daß sich der CPT-Bericht, der aufgrund eines Besuchs im September 1994 entstanden ist – immerhin haben wir jetzt schon Februar 1996 – nicht wesentlich davon unterscheidet – steht auch drinnen, daß Österreich empfohlen wird, doch endlich für Angehaltene das Recht auf die Wahl des Arztes einzuführen. Weiters wird bestätigt, daß das CPT den Eindruck gewonnen hat, daß Ärzte in Polizeigefangenenhäusern sich darauf beschränken, den Kopf bei der Tür hineinzustecken und zu fragen, ob die Häftlinge in Ordnung seien. Das wurde alles 1990 hier festgeschrieben.

Meine Damen und Herren! Seit Mai 1995 liegt der neue Bericht, der der Öffentlichkeit vorenthalten wird, im Innenministerium vor. Warum wohl?, frage ich mich. Warum wohl? Hat sich bei all diesen Kritikpunkten in dem Bericht aus 1990 vielleicht gezeigt, daß Österreich kein Resümee aus der eigenen Selbstbindung als Mitglied dieses Komitees gezogen hat und daß das, was aber auch im Bericht aus 1990 steht, zu dem der damalige Justizminister – Dr. Michalek war es noch nicht, es war noch sein Vorgänger, der die Stellungnahme beim Bericht von 1990 gegeben hat, Dr. Foregger – und der damalige Innenminister, beide übereinstimmend gesagt haben, daß es nicht alleine das individuelle Fehlverhalten einzelner Beamter ist, sondern daß der CPT-Bericht Hinweise auf strukturelle Probleme enthält. Mir fehlt bis heute der Hinweis, daß man die eigene Wahrnehmung von damals sozusagen umgesetzt und ernstgenommen hat. Das, was berichtet wird, von den wenigen, die Zugang zur Schubhaft haben, ist wirklich nicht europareif in dem Sinne, daß man sagt, das hat mit Folter nichts zu tun, weil Folter gehört zur Dritten Welt. So wird das ja in Österreich verstanden. – Folter passiert Tag für Tag in Österreich, in österreichischen Gefangenenhäusern, sowohl in Justizanstalten als auch in Polizeigefangenenhäusern. Und dafür gibt es Verantwortliche!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dafür gibt es Verantwortliche in der Exekutive, nämlich die, die zuständig dafür wären, zu schauen, was die einzelnen Beamten tun, und die zuständig dafür sind, daß diese strukturellen Probleme nicht nur aufgezeigt werden – eben durch das CPT-Komitee –, sondern daß auch dann entsprechende Schlüsse daraus gezogen und umgesetzt werden. Wenn es darum geht – ich möchte jetzt nicht alles wiederholen, was Frau Dr. Schmidt gesagt hat –, daß es in Österreich die Praxis ist, einen Menschen, der hier bei uns Zuflucht sucht und um Asyl bittet, vorbeugend in Schubhaft zu nehmen, und daß man schaut, ob er sich aus dem Wohlbefinden eines österreichischen Gefangenenhauses noch immer dazu hinreißen läßt, womöglich auch noch auf seinen Asylantrag zu bestehen, wenn er überhaupt Gelegenheit bekommt, davon zu erfahren, wie das funktioniert, dann, meine Damen und Herren, befinden wir uns mitten im Aufgabengebiet des Europäischen Übereinkommens


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über die Verhütung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung. Darum hoffe ich doch, daß wir bald zu hören bekommen, was hier geschehen wird. Das gilt im übrigen auch für den Herrn Bundesminister für Justiz, dem dieser Bericht auch zugegangen ist. Ich hoffe sehr, daß er dann nicht sozusagen negativ konkurrieren muß mit dem Innenminister, was die Kritik angeht. Es war im Jahre 1990 hier auch ein deutlicher Unterschied. Aber auch er ist dringend aufgefordert, das der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, was Europäische Institutionen kritisieren, wenn wir Europäische Institutionen auch in Zukunft ernst nehmen wollen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

12.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister.

12.15

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ihnen zur Beschlußfassung vorliegenden Zusatzprotokolle sind zwar nicht inhaltlicher, sondern organisatorischer Natur, sie dokumentieren aber sehr augenfällig und eindrucksvoll die Ausweitung der Arbeit des nach dem Übereinkommen eingesetzten internationalen Ausschusses. Darin kommt zum Ausdruck, daß sich der Gedanke einer präventiven internationalen Kontrolle der Bedingungen von Freiheitsentzugsmaßnahmen jedweder Art durchgesetzt hat.

Ich möchte vor allem darauf zu sprechen kommen, daß durch die Entwicklung eines europäischen Standards für Haft- und Anhaltungsbedingungen durch ein angesehenes internationales Gremium in wirksamer Weise ähnliche Kontrolleinrichtungen, wie es sie auf nationaler, innerstaatlicher Ebene etwa nach dem § 18 des österreichischen Strafvollzugsgesetzes durch die Einrichtung der Vollzugskommissionen gibt, ergänzt werden.

Wie heute schon erwähnt, hat der nach dem Übereinkommen eingesetzte Ausschuß im Herbst 1994 Österreich einen zweiten Besuch abgestattet und eine Reihe von Hafteinrichtungen sowohl des Innen- als auch des Justizressorts in Augenschein genommen. Der danach vom Ausschuß beschlossene und von der Frau Abgeordneten Stoisits urgierte, recht umfangreiche und vertrauliche Bericht ist nach seiner Zuleitung an Österreich in der Folge übersetzt worden. Eine ausführliche Stellungnahme der beiden betroffenen Ressorts ist vor der Fertigstellung. Im Sinne der schon nach dem ersten Besuch des Ausschusses in Österreich eingehaltenen Vorgangsweise ist beabsichtigt, der gemeinsamen Veröffentlichung des Berichtes und der österreichischen Stellungnahmen hiezu zuzustimmen. Danach erst wird gemeinsam vom Ausschuß und von Österreich einer Veröffentlichung zugestimmt werden. Bis dahin ist er vertraulich. Ich glaube aber, daß die Veröffentlichung in naher Zukunft zu erwarten sein wird.

12.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abgeordnete Schieder ist nunmehr am Wort. – Bitte sehr.

12.19

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Da meine Vorredner und insbesondere Kollege Fuhrmann schon ausführlich auf beide Protokolle eingegangen sind, möchte ich nur fünf Anmerkungen zu diesen Protokollen und der Debatte insgesamt machen.

Erstens: Ich bin froh, daß beide Protokolle nunmehr ratifiziert werden. Es steht der Beitritt mehrerer osteuropäischer Staaten zur Konvention bevor, darunter Albanien, Mazedonien und wahrscheinlich auch in Kürze der Russischen Föderation. Es ist für die Arbeit ungeheuer wichtig, daß die Zusatzprotokolle bis dahin in Wirksamkeit treten; dies nicht zuletzt deshalb, weil eine erhebliche Zahl der Mitglieder des Komitees, die diesem vom Anfang an angehört haben, bereits einmal wieder gewählt wurden und ohne die Ratifikation der Zusatzprotokolle in zirka ein bis eineinhalb Jahren ausscheiden und durch neue Mitglieder ersetzt werden müßten. Ich glaube, daß das Komitee wirklich grundlegende Arbeit geleistet hat, was vor allem auch auf die Kontinuität der Mitglieder der ersten Stunde zurückzuführen ist.

Ein Einstieg in neue Staaten, vor allem ein Wirken des Komitees, auch in der Russischen Föderation, wird quantitativ außerordentliche Anforderungen stellen und wird nur dann zu bewäl


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tigen sein, wenn qualitativ keine Belastung eintritt, die dann gegeben wäre, wenn eine wesentliche Zahl der bisherigen Mitglieder 1997 durch neue Mitglieder zu ersetzen wäre.

Der Ratifikation durch Österreich kommt auch eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Vorbildwirkung für andere Staaten, die ratifizieren sollen, zu. Ich glaube deshalb, daß es wichtig ist, daß wir dies – ein bißchen spät, aber doch – heute tun.

Zweite Anmerkung. Ich bedauere, daß von seiten des Ministeriums – ich glaube, durchaus in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien, ob mit der Schweiz, ob mit Deutschland – der Ausdruck "Ausschuß" perpetuiert wird. Sowohl das Komitee selbst wie auch die Parlamentarier, die dazu nominieren, wollen, daß dieser Ausschuß, wie er in dem Dokument heißt, in der deutschen Sprache als Komitee bezeichnet wird. Er wird auch im Englischen und Französischen als Komitee bezeichnet. Es ist im Europarat, im nichtparlamentarischen Teil des Europarates so, daß als Komitees jene bezeichnet werden, wo eine bestimmte Person immer teilnimmt, weil sie gewählt oder delegiert wurde, und als Ausschüsse nur jene, wo zwar jedes Land jemanden hinschicken kann, wo aber auch bei jeder Sitzung jemand anderer teilnehmen kann.

Deshalb kommt der Frage Komitee – Ausschuß auch im Stellenwert eine Bedeutung zu, und mir tut es eigentlich leid, daß unser Land mittut bei der Abwertung der Bezeichnung Komitee auf Ausschuß. Aber das Parlament kann ja bei solchen Verträgen inhaltlich nichts ändern. Es hängt hier von der Verwaltung ab und kann nur Bittsteller bleiben. Ich hoffe, daß sich hier die Komitee-Vernunft gegenüber dem Ausschuß-Nennen-Wollen eines Tages durchsetzen wird.

Ich möchte drittens, meine Damen und Herren, hier ausdrücklich auch als Leiter der österreichischen Europaratsdelegation die Mitarbeit des österreichischen Mitgliedes des Komitees würdigen. Ich möchte darauf hinweisen, daß Herr Prof. Dr. Rudolf Machacek, der das österreichische Mitglied des Komitees ist, nicht nur im Komitee selbst aktiv – aktivst möchte ich fast sagen – mitwirkt, sondern daß er darüber hinaus zur Vorbereitung von mittel- und osteuropäischen Staaten auf die Neugestaltung ihrer Rechtsordnungen bereit war, 16 Reisen in den letzten vier Jahren zusätzlich und unter schwierigsten Bedingungen zu machen. Er hat sich dort unentgeltlich zur Verfügung gestellt zu Gesprächen, zu Erfahrungsaustausch und hat damit auch persönlich eine Hilfe geleistet zu diesem Transformationsprozeß auf rechtlichem Gebiet.

Ich möchte Herrn Professor Machacek auch von dieser Stelle sehr herzlich danke schön sagen für seine Arbeit als österreichisches Mitglied im Komitee. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vierte Bemerkung: Es wurde bereits auf den heute stattfindenden Beitritt Rußlands zum Europarat aufmerksam gemacht, und ich bin froh, daß wir wenigstens heute auch ratifizieren. Denn es wäre doch eine Ironie, daß wir bei vielen Konventionen von den Neubeitretenden verlangen – und sie es ausdrücklich zusagen –, innerhalb einer bestimmten Zeit zu ratifizieren, während sich die altgedienten Demokratien damit länger Zeit lassen.

Ich glaube, das wäre auch Anlaß, zu überlegen, ob nicht andere ausstehende Ratifizierungen durch Österreich schleunigst zu erfolgen hätten, und es wäre auch zu überlegen, ob manche Vorbehalte, die wir bei vielen Europaratskonventionen geäußert haben, nicht zurückzuziehen wären. Denn wir beurteilen das immer zu Recht bei den Vorbehalten, ob irgend etwas nicht ganz in unsere Rechtsordnung oder in unsere Praxis paßt oder ob uns etwas kleinere Schwierigkeiten machen würde, und dort melden wir einen Vorbehalt an, aber man muß heute auch eine Güterabwägung machen und sagen: Wir verlangen die vorbehaltslose Anerkennung durch die neuen Staaten. Und wir verlangen das von ihnen, obwohl das für sie ein riesiger Aufwand ist in der Änderung ihrer Rechtsordnung, innerhalb kürzester Zeit. Da, glaube ich, wäre es auch eine Frage der Vorbildwirkung, wenn die altgedienten Demokratien – auch wenn es ihnen manchmal Schwierigkeiten macht oder sie von etwas Liebgewonnenem Abschied nehmen müßten – zumindest dazu bereit wären, was wir von viel größeren Staaten unter größeren Schwierigkeiten auch verlangen.


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Was du nicht willst, daß man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu. – Das gilt auch umgekehrt. Was du von den anderen unter schwierigen Bedingungen willst, mußt du auch bereit sein, selbst zu erfüllen.

Und fünftens und letztens möchte ich zur Kollegin Schmidt, die zu der Anerkennung von Staaten hier gesprochen hat, etwas sagen. Es stimmt schon, daß die Anerkennung eines Staates auch eine gute Gelegenheit ist, Verlangen an diesen Staat zu stellen, Wertungen dieses Staates in rechtlicher und anderer Hinsicht vorzunehmen.

Ich erinnere daran, daß wir bei einem baltischen Staat im Einvernehmen mit dem Herrn Außenminister damals auch von seiten des Parlaments zum Beispiel die Frage Minderheiten releviert haben. Ich glaube, es ist richtig – und da hat sie recht –, daß bei Anerkennung so etwas geschehen soll. Aber ob die Anerkennung an sich nur als Instrument, als Gütesiegel zu verstehen ist oder ob man auch anerkennen sollte unter Bedingungen, wo nicht alles paßt, das ist nicht nur eine Frage der Bewertung, sondern das ist auch eine Frage, ob man einen Sinn darin sieht, mit Staaten nicht nur ganz oder nicht, sondern auch abgestuft zu verkehren, sie in Gemeinschaften aufzunehmen, weil sie anerkannt sind, und dann in einem Prozeß auf sie einzuwirken. Und die Möglichkeiten, Staaten zu beeinflussen – das hat die Erfahrung gezeigt –, sind meistens erst dann gegeben, wenn sie anerkannt und aufgenommen sind in gewisse Gemeinschaften, wie die Vereinten Nationen. Es ist die Frage, ob man dann bestimmte Abkommen, Präferenzregeln als Druckmittel einsetzt.

Ich bin also dafür, daß man Restjugoslawien nicht als Nachfolger des alten Jugoslawiens, sondern als Staat möglichst rasch anerkennt und dabei auch sagt, was man sich erwartet. Aber ich glaube, dieses Anerkennen wird auch ein Schritt in die Richtung sein, daß man einwirken kann, daß dann auch untereinander die Beziehungen normalisiert werden, womit ein guter Beitrag auch zur Sicherheit und positiven Entwicklung insgesamt geleistet wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist der Abgeordnete Dr. Frischenschlager. Er hat das Wort.

12.28

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dem meisten, was mein Vorredner, Kollege Schieder, gesagt hat, kann man durchaus zustimmen. Ich möchte aber trotzdem gerade seinen Schlußteil im Hinblick auf die Problematik Anerkennung Jugoslawiens als Aufhänger benützen, um hervorstreichen zu können, worum es bei dieser Debatte geht. Es geht ja an sich um eine eher formale Sache, aber ich möchte hervorstreichen, warum wir besonders in Europa bei der Durchsetzung von Menschenrechten und demokratisch-kulturellen Zuständen in Hinkunft nicht nur vorsichtig sein müssen, sondern, glaube ich, auch alle Möglichkeiten der politischen Durchsetzung einsetzen müssen.

Dieses Restjugoslawien ist meines Erachtens ein typisches Beispiel für etwas, wo wir zwei Dinge auseinanderhalten müssen.

Erstens: Selbstverständlich können wir diese Länder – und ich meine jetzt nicht nur Restjugoslawien, sondern auch unsere unmittelbaren Nachbarn östlich von Österreich – nicht mit den Maßstäben bezüglich Demokratie und rechtspolitisch messen wie in einem westeuropäischen Land, das fünf Jahrzehnte, ein halbes Jahrhundert also, Gottseidank eine friedlich-demokratische, rechtsstaatliche Entwicklung zu verzeichnen hat. Wir wissen, daß diese Länder im Übergang sind, aber wir müssen – ich komme jetzt auf das, was du im Schlußteil gesagt hast – im Zuge der Anerkennung drängen, daß sich die Verhältnisse dort so entwickeln, daß sie ungefähr den Mindeststandards in menschenrechtlicher und demokratiepolitischer Hinsicht entsprechen.

Und ein Restjugoslawien, das den Kosovo und die Bevölkerung dort so behandelt, wie es das tut, erfüllt diesen Standard eben nicht.


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Ich unterscheide hier aber sehr genau: Es ist kein Angriff auf die Serben. Ich halte es für niederträchtig, wenn man in diesem Zusammenhang versucht, ganzen Völkern einen Stempel aufzudrücken, aber das Regime ist es wirklich bei diesem Stand der politischen Entwicklung nicht wert, tatsächlich anerkannt zu werden. Das ist der entscheidende Punkt. Und es hätten die UN-Sanktionen keinen Sinn und keine Rechtfertigung gehabt, wenn wir nicht jetzt auch bei der Anerkennung ganz klar auf diesen Mindeststandards bestehen würden. (Abg. Schieder: Im Irak ist es das Regime wert? In Chile war es das Regime wert? In Südafrika war es durch Jahrzehnte das Regime wert?)

Ich gebe dem Kollegen Schieder ganz recht. Die Problematik ist beim Umkehrakt, bei der Aberkennung der Anerkennung, viel, viel dramatischer, aber selbstverständlich muß die demokratische Völkerfamilie Europas diese Möglichkeit der Einflußnahme optimal nutzen – nicht nur, um den Menschen in der Vojvodina und vor allem im Kosovo zu helfen, sondern, um auch einem Gewaltausbruch ungeheuren Ausmaßes vorzubeugen.

Das dürfen wir doch nicht übersehen! Aber ich bin auch der Meinung, wir sollten, wenn wir in diesem Anerkennungsprozeß etwas beitragen können, wenn wir Einfluß nehmen können, es auch tun, und deshalb halten manche ja die voreilige französische Anerkennung und eventuelle Tendenzen dahin gehend bei uns für falsch.

Hier muß das gesammelte Europa seinen Einfluß wahrnehmen, um Ärgstes zu verhindern.

Das zu diesem Teil deiner Ausführungen; ich glaube, es war wichtig, daß wir es debattieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es bleibt mir jetzt nicht mehr sehr viel Zeit, auf das eigentliche Thema einzugehen, aber ich möchte in dem Sinn fortsetzen, in dem ich jetzt eingeleitet habe: Wir freuen uns über die Ausweitung der Anzahl der Mitglieder des Europarates, über die Ausdehnung der Konventionen und betrachten deshalb auch die heutigen Vorlagen als etwas Positives. Das sollte für uns in zweifacher Hinsicht Anlaß sein, vorsichtig zu sein.

Erstens einmal: Wir brauchen uns in Westeuropa nicht auf das hohe Podest zu stellen. Auch hier gibt es noch genug an gefährlichen, negativen, menschenrechtsfeindlichen Entwicklungen zu bereinigen. Daß wir das in der rechtsstaatlich härtesten Form machen müssen, ist auch klar – und da gibt es dann sehr viel Kritik, zum Beispiel im Asylbereich et cetera. Ich gehe darauf jetzt nicht ein, sondern möchte nur gegenüber unseren neuen befreundeten Demokratien etwas sagen. Dasselbe gilt natürlich auch für die demokratiepolitischen Standards, und ich finde es richtig, wenn wir als Österreichische Republik auch hier unseren außenpolitischen Einfluß wahrnehmen, um Fehlentwicklungen zu verhindern und um demokratisch positive Entwicklungen zu beschleunigen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich erwähne zwei Beispiele. – Es ist für mich unerträglich gewesen, daß der slowakische Machthaber bei 15 gewählten Abgeordneten, die in einer Wahl gewählt worden waren, die das Oberste Gericht der Slowakei als korrekt anerkannt hat, versucht hat, ihnen die Mandate wieder zu nehmen. Das ist nicht europäischer Standard, und das sollten wir deutlich sagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Und ich erwähne ein zweites Beispiel, ein Beispiel gerade aus diesen Tagen: Wenn der Präsident Kroatiens nach einer Gemeinderatswahl in Zagreb, wo seine Partei unter einem Drittel der Stimmen geblieben ist und daher die anderen oder ein Großteil der anderen Fraktionen mit einer demokratischen Mehrheit einen Bürgermeister wählen, hergeht und die Anerkennung dieser Wahl verhindert, wenn er in übler Machthabermanier der Hauptstadt einen Gefolgsmann seiner Partei aufzwingen will, so ist das nicht europäischer Standard, und wir sollten es ihnen auch sagen! (Beifall beim Liberalen Forum.) Wir sollen es ihnen nicht sagen aus Hochnäsigkeit, sondern weil wir diesen Ländern helfen sollen, die eben diese Jahrzehnte an demokratischer Entwicklung nicht haben konnten, den Prozeß in Richtung einer menschenrechtlich nicht zu beanstandenden, demokratischen Kultur zu beschleunigen, ihnen auch klarzumachen, daß wir das sehr genau beobachten – wie auch wir uns gefallen lassen müssen, daß wir, wenn es bei uns, zum Beispiel in Menschenrechtsfragen, negative Entwicklungen gibt, vom Ausland kritisiert


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werden. Dann haben wir nicht zu sagen: Das ist unsere eigene Angelegenheit, da wollen wir uns nicht dreinreden lassen, kümmert euch um euren eigenen Dreck!, nein, dann haben wir das in unserer europäischen demokratischen Kultur und Völker- und Staatenfamilie zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das war ja der große Fortschritt der Menschenrechtskonvention: Daß wir es nach dem Zweiten Weltkrieg geschafft haben, die Menschenrechte über die Souveränität zu stellen und damit der Staatengemeinschaft die Möglichkeit zu eröffnen, daß sie sich auch über die Souveränität in unsere Rechtsprechung drüberschaltet. Das ist ein großer Fortschritt im Sinne einer positiven europäischen Entwicklung, die ich in eine europäische Verfassung münden sehen will.

Damit zum Schluß: Die beiden Vorlagen sind ein Fortschritt. Wir haben vorsichtig zu sein, damit wir keine Rückfälle erleben, und wir haben alles zu tun, damit dieser Kontinent seinen inneren Frieden, gestützt auf Menschenrechte und demokratische Ordnung, aufbauen kann. Das muß unser Ziel sein! Dem dienen die beiden Vorlagen, denen wir deshalb mit Freude zustimmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort von seiten der Frau Berichterstatterin wurde nicht gewünscht.

Wir gelangen daher zu den Abstimmungen .

Ich darf bitten, die Plätze einzunehmen. Ich stelle das erforderliche Quorum für einfach-gesetzliche Beschlußfassungen fest.

Wir werden über die einzelnen Ausschußanträge getrennt abstimmen.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages Protokoll Nummer 1 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (9 der Beilagen) die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, dies durch ein Erheben von den Sitzen zu bekunden. – Dies ist vom Nationalrat einstimmig angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages Protokoll Nummer 2 zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (10 der Beilagen) die Genehmigung zu erteilen.

Ich darf jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen wollen, bitten, ein entsprechendes Zeichen zu geben. – Auch das ist einstimmig beschlossen worden.

Damit sind Punkt 1 und Punkt 2 der heutigen Tagesordnung erledigt.

3. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (3 der Beilagen): Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 – UrhG-Nov. 1996 (40 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 3. Punkt. Es ist dies der Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (3 der Beilagen): Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 (40 der Beilagen).

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schrefel. Er wird die Debatte einleiten.


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Berichterstatter Josef Schrefel:
Herr Präsident! Hohes Haus! Ich berichte über die Regierungsvorlage (3 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz und die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1980 geändert werden.

Der Justizausschuß hat diese Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 6. Februar 1996 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der Abänderungsanträge der Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer und Dr. Willi Fuhrmann sowie der Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer, Dr. Michael Krüger, Mag. Dr. Heide Schmidt und Mag. Terezija Stoisits mit wechselnden Mehrheiten angenommen.

Weiters möchte ich über eine Druckfehlerberichtigung berichten:

Im Art. 3 Abs. 2 des dem Ausschußbericht beigedruckten Gesetzentwurfes liegt ein Druckfehler vor. Die Zitierung: "Artikel I Ziffer 16, 22 und 24" hat richtig zu lauten: "Art. I Ziffer 16, 21 und 24".

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle dem dem Ausschußbericht angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Ich bitte, Herr Präsident, für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.

Für die Debatte wurden folgende fraktionelle Gesamtredezeiten festgelegt: SPÖ 30 Minuten, ÖVP 28 Minuten, Freiheitliche 26 Minuten, Liberale und Grüne je 18 Minuten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er hat das Wort.

12.41

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits im Ausschuß deponiert, daß es für die Erfüllung von Hausaufgaben nie zu spät ist. In diesem Sinn haben wir Freiheitliche es grundsätzlich begrüßt, daß die Urheberrechtsgesetz-Novelle endlich im Ausschuß beraten und dem Plenum zur Abstimmung weitergeleitet wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage das von der Erfüllung der Hausaufgaben deshalb, weil hier ein erheblicher Verzug in der Gesetzeswerdung eingetreten ist. Ich erinnere daran, daß bereits in der Regierungserklärung der XVIII. Legislaturperiode Einvernehmen darüber bestand, daß das Urheberrecht zeitgemäß anzupassen ist.

Nun sollte 1994, gegen Ende der damaligen Legislaturperiode, die Urheberrechtsgesetz-Novelle endlich im Ausschuß verabschiedet und dem Nationalrat zur Abstimmung zugeleitet werden.

Es fand allerdings damals eine Blockade statt, eine Blockade deshalb, weil sich die verschiedenen Interessenvertreter, aber auch der ORF als Produzent, mit den Filmschaffenden nicht über die Aufteilung der Vergütungsansprüche einigen konnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, daß das Urheberrechtsgesetz bei den Filmwerken eine Rechtsvermutung vorsieht, die darin besteht, daß, ungeachtet der urheberrechtlichen Herstellung, alle Verwertungsrechte dem Produzenten zukommen.

Daher war es schon seit sehr langer Zeit ein berechtigtes Anliegen der Filmschaffenden, daß in Ansehung der Vergütungsansprüche nach der Leerkassettenvergütung und dem Kabelfernsehen eine Änderung zugunsten der Filmschaffenden Platz greift. Wir nehmen es mit Befriedigung zur Kenntnis, daß es hier endlich zu einer Änderung gekommen ist.


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Als Kultursprecher sehe ich es auch als meine Aufgabe an, Herr Kollege Cap, daß ich mich für die Filmschaffenden, für die Filmurheber einsetze. Leider Gottes wurde die Vergütung zugunsten der Filmschaffenden, was die Altfilme betrifft, vom ORF, aber auch von der großen Koalition jahrelang blockiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dann zu einem Einverständnis gekommen. Es gibt jetzt eine Aufteilung 50 zu 50, was die Vergütungsansprüche nach der Leerkassettenvergütung und nach dem Kabelfernsehen betrifft. Es gibt allerdings nach wie vor diese gesetzliche Vermutung, daß alle Verwertungsrechte dem Filmproduzenten zukommen.

Nun sind die Filmschaffenden – wie mir scheint zu Recht – auf dem Standpunkt gestanden, daß die Vergütung, die Leerkassetten und Kabel betrifft, gar nicht einen Fall dieser Rechtsvermutung darstellt, denn im Gesetz heißt es ja, daß die Verwertungsrechte den Filmproduzenten zukommen; hingegen ist von den Vergütungsansprüchen nicht die Rede.

Aus dieser Sicht, aus der Sicht der Filmschaffenden, war es nur allzu verständlich, daß die Filmschaffenden von einer Enteignung gesprochen haben, was diese Vergütungsansprüche anlangte, und daß letztlich bei den Filmschaffenden keine Befriedigung über diese Teilung besteht. Aber insbesondere deshalb besteht keine Zufriedenheit bei den Filmschaffenden, weil sie ja die Urheber eines Filmwerkes sind. Das sei hier auch einmal klar und deutlich gesagt. Wohl hat der Produzent das wirtschaftliche Risiko, aber es sind die Regisseure, es sind die Cutter, die Dialogregisseure und so weiter, die die Urheberschaft tragen.

Der Konsens, der schlußendlich erzielt wurde, ist deshalb unbefriedigend, weil er die Altfilme nicht oder nur unzureichend betrifft. Ich darf daran erinnern, daß ursprünglich vorgesehen war, daß die Filmschaffenden bei den Vergütungsansprüchen auch betreffend die Altfilme im Ausmaß von 50 zu 50 Prozent mit den Filmproduzenten beteiligt werden sollten. Dann hat aber der Österreichische Rundfunk sein Veto eingelegt und wollte lediglich eine Regelung pro futuro, also nur für Neufilme.

Schlußendlich ist eine Regelung in der Form zustande gekommen, daß es für die Filme, die vor 1970 gedreht wurden, überhaupt keine Vergütung gibt, und für die Filme, die zwischen 1970 und 1. 4. 1996 gedreht wurden beziehungsweise werden, eine anteilige Vergütung vorgesehen ist.

Nun, wir sehen dies als unzureichenden Kompromiß, weil es doch teilweise eine Enteignung der Urheberschaft der Filmschaffenden bedeutet, denen ja diese neuen Vergütungsansprüche zugute kommen sollen. Denn, meine Damen und Herren, man könnte naturgemäß einwenden: Im Jahr 1970 hat der Filmproduzent dieses wirtschaftliche Risiko getragen, und wieso sollen jetzt die Filmschaffenden entsprechend beteilt werden? Aber ich erinnere daran, daß es ja nach unserem Urheberrechtsgesetz und nach der Gesetzeslage noch nicht so lange her ist, daß es überhaupt eine Kabelvergütung gibt, und daher wäre es aus unserer Sicht nur recht und billig, wenn die Filmschaffenden, die Filmurheber, auch bezüglich der Altfilme beteiligt wären.

So gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren – aber das haben die Damen und Herren der großen Koalition zu verantworten –, ist es durch diese Verzögerung doch zu einem enormen Schaden bei den Filmschaffenden gekommen. Ich erinnere daran, daß pro Jahr aus dieser schon mehrfach erwähnten Vergütung 30 Millionen Schilling Verwertungsgelder eingenommen wurden, die nur den Produzenten zugekommen sind. Das heißt, wenn man diese 50 zu 50-Teilung anwendet, sind den Filmschaffenden 15 Millionen Schilling jährlich durch diese Verzögerung entgangen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war auch der Grund, wieso wir Freiheitlichen in der vergangenen Legislaturperiode – ich glaube, es war im Juni – einen entsprechenden Fristsetzungsantrag eingebracht haben. Es war nämlich wirklich nicht mehr einzusehen, daß die Filmschaffenden weiter auf die ihnen zustehenden Tantiemen verzichten sollten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn auch diese Teilung im Endeffekt eine Kompromißregelung ist, aber doch den Filmschaffenden zugute kommt, ist eines festzustellen: Im


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Gesetzestext ist der Passus enthalten, daß diese Teilung nur dann stattfindet, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Nun kann man schon aus dem Ungleichgewicht, aus der Professionalität der Produzenten und aus dem Ungleichgewicht mit den Berufen, die schöpferisch tätig sind bei der Herstellung eines Filmwerkes, davon ausgehen, daß eine echte partnerschaftliche Gleichstellung nicht besteht, weil naturgemäß die Filmproduzenten an Professionalität, an Geschäftstüchtigkeit, an Auftragsbedingungen, an Kontrakt- und Engagementbedingungen den Filmschaffenden weit überlegen sind.

Daher würde ich es – das ist meine persönliche Meinung – als gut ansehen, wenn man dieses Recht – das ja wohlgemerkt nicht den Honoraranspruch beim Filmkontrakt, beim Engagement betrifft, sondern lediglich die Vergütungsansprüche – als zwingendes Recht normiert, denn Sie können sicher sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Filmhersteller in Kürze selbstverständlich ihre allgemeinen Auftragsbedingungen abändern, sodaß den Filmschaffenden dann aller Voraussicht nach – es sei denn, es geht um wirklich sehr bekannte Regisseure – nichts zukommen wird.

Wir Freiheitlichen – oder zumindest ein Teil der Freiheitlichen, darf ich sagen – vertreten daher die Auffassung, daß diese 50 zu 50-Regelung zwingendes Recht sein sollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Bereich der Übersetzungen und der Bearbeitungen von Filmwerken ist es zu einer Verschlechterung der Position der Urheber gekommen. Das muß man auch einmal klar und deutlich sagen, denn die Urheberrechtsgesetz-Novelle wird ja von Rot und Schwarz unter dem Prätext einer Verbesserung der Rechtsstellung der Filmurheber verkauft, und es gibt durchaus Bestimmungen, die nicht nur keine Besserstellung, sondern sogar eine Verschlechterung bedeuten. Und das betrifft die Übersetzungen. Hier kommt es ja dazu, daß die Filmurheber bei der Bearbeitung von Filmen und bei den Übersetzungen nicht mehr zu fragen sind und diese Übersetzungsrechte dann allein den Filmproduzenten zukommen sollen.

Zu den Übergangsbestimmungen habe ich bereits Stellung genommen. Wir Freiheitlichen haben bereits im Ausschuß einen Abänderungsantrag in der Richtung gestellt, daß auch Altfilme in diese Vergütung zugunsten der Filmschaffenden mit einzubeziehen sind, und wir werden auch hier im Plenum einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ins Zentrum des öffentlichen Interesses ist aber jetzt ein ganz anderes Problem gerückt als das der Filmschaffenden, nämlich das Problem der sogenannten Kopiersteuer. Nach der Novelle des Urheberrechtsgesetzes soll eine sogenannte Kopiersteuer eingehoben werden, wobei ich der Vollständigkeit halber sage, daß es sich hier um keine Steuer im Sinne einer Steuereinhebung des Bundes oder der Länder handelt, sondern um Vergütungen, die den Autoren zugute kommen sollen.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie man es dreht und wendet, ist ganz egal: Klar ist, daß diese Kopiersteuer – ob man die jetzt Reprographievergütung oder Kopiersteuer nennt – eine weitere, sehr schwerwiegende Belastung für die Wirtschaft mit sich bringt. Es ist nämlich sogar eine doppelte Steuer vorgesehen in diesem Gesetz, und das ist ganz einfach abzulehnen. Wir haben hier eine ganz undifferenzierte Gerätevergütung. Also jeder Kopiergerätehersteller, der Kopiergeräte in den Verkehr bringt, verkauft, hat eine entsprechende Abgabe zu leisten. Selbstverständlich wird diese Abgabe auf die Preise der Kopiergeräte aufgeschlagen. Wie bereits erste Berechnungen ergeben haben, ist damit zu rechnen, daß, wenn die Novelle in dieser Form verabschiedet wird, alle – bitte alle – Kopiergeräte um 10 Prozent teurer werden. Und da frage ich mich schon: Wo ist denn da die Interessenvertretung der Wirtschaft in der Österreichischen Volkspartei, die einer derartigen Regelung zustimmen kann?

Ich verstehe natürlich die Autoren, die ihre Rechte gewahrt wissen wollen. Aber, bitte, diese Regelung ist undifferenziert, weil sie alle Kopiergeräte betrifft, ganz egal, wer von diesen Kopiergeräten Gebrauch macht. Ob das etwa ein Handelsunternehmer ist, der niemals daran denkt, irgendwelche Werke von Autoren, die dem Urheberrecht unterliegen, zu kopieren oder ob das eine Einkaufsgenossenschaft ist oder ein freier Beruf, ganz egal, jeder hat hier un


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differenziert eine Abgabe zu leisten beziehungsweise indirekt durch eine Erhöhung des Verkaufspreises den Erhöhungsbetrag zu zahlen.

Ich meine daher, daß hier der österreichischen Wirtschaft eine weitere Belastung aufgebürdet wird. Ich vertrete die Auffassung, daß es gerade in so schwierigen Zeiten wie jetzt kontraproduktiv wäre, wenn man die Wirtschaft undifferenziert – wohlgemerkt: undifferenziert –, egal, ob hier Autorenrechte mißbraucht werden oder nicht, formal und dogmatisch mit einer Steuer, mit einer Gerätevergütung bedenkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber wir Freiheitlichen sind auch aus einem anderen Grund gegen die Kopiersteuer. Diese Gesetzesvorlage, diese Formulierung der Bestimmung des § 42b der Urheberrechtsgesetz-Novelle, ist praktisch 1 zu 1 abgeschrieben aus Deutschland; man könnte jetzt sagen, um hier die Duplizität der Ereignisse zu untermauern, kopiert worden. Also es findet hier eine Kopie der deutschen Gesetzeslage statt, um die Kopiergerätehersteller, aber auch die Wirtschaft, die ja von den Kopiergeräten teilweise lebt und sie gebraucht, einseitig zu belasten.

Daß das Abschreiben von Gesetzen, die doch teilweise schon acht, neun Jahre alt sind, nicht immer gut ist, das beweist auch die Vorlage, wenn man sie einer näheren Überprüfung unterzieht, nämlich deshalb, weil zwar die Kopiergeräteerzeuger erfaßt sind, aber nicht etwa die neuen Technologien. Denn man kann nicht mit dem Wissensstand des Jahres 1996 und mit der heutigen Technologie einen Sachverhalt mit einer Interessensituation des Jahres 1985 vergleichen, als es Computer, Bildschirme, CD-ROM und Drucker, die kopiert haben, noch gar nicht in diesem Ausmaß gegeben hat und dieses Problem noch gar nicht relevant war.

Ich halte daher fest, daß hier ein gleicher Sachverhalt ungleich geregelt würde. Es würden lediglich die Kopiergeräte diskriminiert, aber die Vervielfältigungen durch Computerbildschirme, CD-ROM und Drucker würden hier ungeschoren bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daß das nicht sachgerecht ist und daß es nicht sein kann, daß hier alle über einen Kamm geschoren werden, sei es, daß sie Autorenrechte hier kopieren oder nicht, das muß einmal deutlich festgestellt werden. Das ist sicher nicht zweckmäßig.

Oder denken Sie auch an einen Industriebetrieb, meine sehr geehrten Damen und Herren, dem niemals einfiele, in Autorenrechte einzugreifen und irgendwelche Fachbücher zu kopieren, der sich lediglich mit Buchhaltungsunterlagen auf Kopierebene zu befassen hat oder von dem nur Rechnungen kopiert werden. Alle diese Unternehmer werden hier unreflektiert in diese Vergütung mit einbezogen.

Ich glaube aber auch, daß es aus der Sicht der Schulen, Hochschulen und Einrichtungen der Berufsbildung, die dann eine zweite Steuer zu leisten hätten, derzeit nicht vertretbar und zu verantworten ist angesichts der Budgetkrise und der Beschränkungen bei der Forschung und an den Universitäten, daß es hier wieder zu einer Doppelsteuer kommt. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, denken Sie an Schulen. Die müssen das erste Mal die Vergütung leisten, wenn sie das Kopiergerät anschaffen. Und das zweite Mal wird dann die einzelne Kopie im Wege einer Betreibervergütung noch einmal mit einer Abgabe belastet, sodaß nach den vorliegenden Berechnungen damit zu rechnen ist, daß nicht nur die Kopiergeräte massiv teurer werden, sondern auch die einzelne Kopie um etwa 35 Groschen pro Stück. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich lade Sie sehr herzlich ein, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen. Der Abänderungsantrag sieht einerseits eine Verbesserung der Rechtsstellung der Filmschaffenden, der Filmurheber vor, zum einen in Ansehung der Altfilme, die voll miteinbezogen werden, zum anderen durch die volle Wahrnehmung der Vergütungsansprüche auch bei den Übersetzungsrechten. Andererseits sieht dieser Abänderungsantrag aber auch aus den erwähnten Gründen einen Entfall der Kopiersteuer vor.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich appelliere insbesondere an die Österreichische Volkspartei, es nicht dazu kommen zu lassen, daß dieses Gesetz mit der Kopiersteuer in Kraft tritt. Ich habe gestern gehört, daß die Österreichische Volkspartei schon um eine Art Entschärfung dieser die Wirtschaft so einseitig belastenden Bestimmung bemüht ist und eine längere Inkrafttretensfrist befürwortet, aber das nützt natürlich nichts. Denn wenn ein Gesetz einmal beschlossen ist, ändert auch ein späterer Zeitpunkt des Inkrafttretens nichts am Inkrafttreten – es sei denn, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, Sie wollen ein späteres Inkrafttreten nur deshalb, um eine weitere Novelle vorbereiten zu können. Aber es ist ja wirklich nicht Sinn der Sache, daß man ein Gesetz verabschiedet und im nächsten Atemzug gleich wieder novelliert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stellen daher aus den erwähnten Gründen den Abänderungsantrag. Wenn dem Abänderungsantrag nicht entsprochen wird, sehen wir uns gezwungen, die gesamte Novelle in dritter Lesung abzulehnen, im Wissen, daß wir mit unserem Abänderungsantrag den Filmschaffenden mit Recht – entsprechend ihrem Werk – einen guten Dienst erwiesen hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

13.02

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 ist zwei Jahre lang intensiv beraten worden, da ja bereits 1993 novelliert wurde. Damals hat man das Gemeinschaftsrecht an den EWR angepaßt. Wünsche der Kunstschaffenden wurden 1993 nicht in ausreichendem Ausmaß berücksichtigt, aber es wurde versprochen, eine größere Novelle zu machen, welche heute hier vorliegt.

Ziel der Novelle ist eine angemessene Abgeltung für die Verwertung der Produkte von Künstlern, Autoren, Kulturschaffenden. Primär wird damit die wirtschaftliche Lage des Kulturschaffenden verbessert. Das heißt, er hat also neben den sogenannten erbettelten Subventionen die Möglichkeit, über die Verwertungsbeiträge ein Entgelt für seine Leistung zu bekommen. Es ist das nur der Versuch einer Gleichstellung von materiellem und geistigem Eigentum. Das heißt, in einer hochentwickelten Volkswirtschaft, in einer Marktwirtschaft, als die wir uns verstehen, muß neben den materiellen auch den geistigen Produkten ein Marktwert zugestanden werden. Geistiges Eigentum hat bei uns aber bei weitem noch nicht jenen Stellenwert, der ihm eigentlich zukommen sollte. Die Wertschöpfung der Copyright-Industries umfaßt zirka 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes: Das sind Film, Fernsehen, Video, Design, Graphik, Theater, Fotographie, Architektur, Werbung et cetera. Diese Branchen bieten 74 000 Arbeitsplätze, sie sind klassische Wachstumsbranchen, und daher stellt eine Urheberrechtsgesetz-Novelle auch einen wirtschaftlichen Faktor dar. Man will damit auf dem Markt faire und gerechte Chancen bieten, den Marktmechanismen durch gesetzliche Regelungen ein bißchen nachhelfen in der Form, daß man Gruppierungen, die sonst nie zu ihren Rechten kommen würden, eben gesetzliche Lizenzen einräumt.

Hauptpunkt der Novelle ist die von Herrn Kollegen Krüger erwähnte Reprographievergütung, das heißt eine Vergütung für Vervielfältigung – Fotokopien, andersartige Vervielfältigung von Druckwerken, auch von Notenmaterial. Diese ist doppelbelastend ausgeführt, nämlich als Gerätevergütung, die beim Inverkehrbringen von Reprographiegeräten anfällt, und als Betreibervergütung.

Es ist unrichtig, Herr Kollege Krüger, wenn Sie behaupten, daß Geräte dadurch um 10 Prozent teurer werden. Denn die Geräte, die sich auf dem Markt befinden, werden von internationalen Konzernen hergestellt, und international können sie bereits mit dieser Vergütung auf dem Markt angeboten werden. Das heißt, die Konzerne wissen, worum es dabei geht, sie können damit umgehen. Derzeit ist es so, daß in Österreich aufgrund – ich sage es jetzt einmal so – vielleicht ein bißchen zu wenig Wettbewerbs diese Geräte ohnehin schon etwas teurer sind als im Ausland. (Abg. Rossmann: Das ist ja wegen der höheren Mehrwertsteuer in Österreich!) Nicht


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nur aufgrund der höheren Mehrwertsteuer, Frau Kollegin Rossmann, sondern es ist einfach so (Abg. Rossmann: Hohe Lohnnebenkosten! Die Gesamtkostenstruktur!): Wenn der Markt es hergibt, ist es gut; wenn nicht, wenn eben Dinge im Ausland gekauft werden, müssen sich auch die Anbieter dieser Geräte danach richten.

Es ist richtig, daß die Kostenstruktur in Österreich – da bin ich auf Ihrer Seite – insbesondere bei den Lohnkosten relativ hoch ist. Aber verglichen mit Deutschland ist es nicht immer unbedingt notwendig, daß wir höhere Preise haben als in Deutschland. (Abg. Rossmann: Die Mehrwertsteuer!) Abgesehen von der Mehrwertsteuer. Ich glaube, daß diese Geräte nicht zwangsläufig teurer werden. Die Reprographievergütung beträgt zum Beispiel in Deutschland nicht 10 Prozent, wie Herr Kollege Krüger ausgeführt hat, sondern nur 0,5 bis 2 Prozent. Im Gesetz findet sich kein Prozentsatz, dieser ist von den Herstellern und den Verwertungsgesellschaften auszuverhandeln. Und in Deutschland werden Kopien derzeit auch nicht um 35 Groschen teurer – das sind Zahlen, die unseriös sind. Derzeit liegt in Deutschland der Vergütungspreis zwischen 2 und 4 Groschen.

Ich persönlich bin unglücklich mit dieser Vergütung, das gebe ich zu. Wir führen damit neue Bürokratie ein, und sie ist im Hinblick auf den technischen Standard nicht wirklich optimal ausgeführt. Es ist aber so, daß zum Schutz des geistigen Eigentums von Autoren und Komponisten im Hinblick auf eine Abwägung der Rechtsinteressen die Einführung dieser Vergütung akzeptiert werden kann. Eine ähnliche Lösung kennen wir ja bereits bei der Leerkassettenvergütung, die bürokratisch funktioniert, wiewohl sie in der Wirtschaft ungeliebt ist.

Nicht verhehlen möchte ich, daß diese Abgabe eine erhebliche Belastung der öffentlichen Haushalte mit sich bringen wird. Insbesondere die Bildungseinrichtungen – Schulerhalter, WIFIs, BFIs et cetera – werden in Zukunft durch diese Vergütungsabgabe enorm belastet werden, insbesondere bei der Anschaffung von Geräten. Sofern sie entgeltlich Kopien zur Verfügung stellen, ist diese Vergütung in den Preis einzurechnen und hat sie derjenige zu bezahlen, der die Kopien braucht.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Novelle ist die Verbesserung der Rechte der Filmurheber. Es handelt sich hierbei um einen Kompromiß, der einerseits den Produzenten den weltweiten Verkauf und Vertrieb ihrer Filme erlaubt, es andererseits aber auch den Film-Urhebern – also den Regisseuren, Kameramännern, Cuttern, Kostümbildern, Ausstattern et cetera – ermöglicht, an den wirtschaftlichen Ergebnissen des Gesamtwerkes durch weitere Verwertung teilzuhaben. Die Verwertung betrifft insbesondere die neuen Technologien wie Kabelfernsehen, Videokassetten et cetera.

Die im Gesetz enthaltene Aufteilung der Verwertungsbeiträge zwischen Produzenten und Film-Urheber im Verhältnis 50  50 scheint eine faire Lösung zu sein, ausgewogen zwischen einerseits dem kreativen Beitrag der Urheber und andererseits dem Kapitaleinsatz und dem wirtschaftlichen Risiko der Produzenten.

Die Filmschauspieler sind bei diesen Neuregelungen nicht extra erwähnt, das heißt aber nicht, daß sie keine Rechte haben. In der Vermiet- und Verleihrichtlinie der EU sind die Schauspieler ausdrücklich anerkannt. Die Tatsache, daß bisher keine Tantiemen für Schauspieler geflossen sind, liegt nicht so sehr an der gesetzlichen Regelung, sondern vielmehr an der Effizienz ihrer eigenen Vertretung, diese Verwertungsrechte geltend zu machen. Es ist demnächst zu erwarten, daß auch Filmschauspieler ein bißchen Druck bezüglich ihrer Verwertungsgesellschaft machen und dann an den Erträgen mitpartizipieren.

Neben EU-Anpassungen im Bereich des Satelliten- und des Kabel-TVs – Satellitenübertragungen sind in dem Land urheberrechtlich relevant, von dem aus die Sendung ihren Ausgang nimmt; ich habe schon erwähnt, daß Filmschaffende an den Kabelverwertungsrechten beteiligt werden – bringt die Novelle ein eingeschränktes Ausstellungsrecht in Form eines angemessenen Vergütungsanspruches, eine Verschärfung der strafrechtlichen Vorschriften dann, wenn die Urheberrechte gewerbsmäßig verletzt werden – also durch professionell hergestellte Schwarzkopien, die unter die Leute gebracht werden.


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Die Novelle bringt auch einen erleichterten Zugang zu wissenschaftlich urheberrechtlich geschützten Werken für Unterricht und Wissenschaft und – das ist besonders wichtig für den österreichischen Tourismus – eine gesetzliche Lizenz für die Aufführung von handelsüblichen Videokassetten in Beherbergungsbetrieben. Die Videokassetten müssen dort unentgeltlich bereitgestellt werden. Der Beherbergungsbetreiber – der Hotelier, der Wirt, der Pensionsinhaber – muß aber, wenn er seinen Gästen diese Nebenleistung anbietet, eine angemessene Verwertungsabgabe an die Verwertungsgesellschaften bezahlen.

Die unentgeltlich präsentierten Videofilme müssen mindestens zwei Jahre alt sein; damit soll gewährleistet sein, daß ein primärer Kinoerfolg durch solche Aufführungsmöglichkeiten nicht unterlaufen wird.

Zum Schluß: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine bedeutende Forderung der Kunstschaffenden, die anläßlich der Urheberrechtskongresse in Salzburg 1992/93 gestellt worden ist, wurde nicht umgesetzt, nämlich das sogenannte Folgerecht. Beim Folgerecht handelt es sich darum, daß ein Künstler an der Weiterveräußerung seines Kunstwerks immer wieder mitpartizipieren soll. Denken Sie daran: Das hat Relevanz, wenn ein Künstler in seiner späteren Schaffensphase sehr hohe Preise für seine Werke erzielt. Er sollte am Erlös seiner Erstwerke, die noch günstig zu haben waren, mitpartizipieren, wenn sie später teuer verkauft werden.

Im Begutachtungsverfahren wurde dieses Folgerecht, wie nicht anders zu erwarten, von den Zahlungspflichtigen – das sind der Kunsthandel, die Galerien et cetera – abgelehnt mit dem Argument, daß die Einführung des Folgerechtes dem inländischen Kunsthandel schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen würde, was letztlich auch auf die Künstler selbst negativen Einfluß hätte, da diese, wenn die Galerien nicht leben können, kein Geld erhalten.

Überraschend in der Diskussion war dann, daß sich auch namhafte Künstler, insbesondere sehr prominente Maler, diesem Argument angeschlossen haben, aber auch das Wirtschaftsministerium und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, sodaß darüber keine Einigung erzielt werden konnte und dieses Folgerecht nach wie vor im Raum und zur Verhandlung steht.

Derzeit gibt es in der EU bezüglich Urheberrecht Harmonisierungsbestrebungen. Es wird sich zeigen, ob die auch von mir ungeliebte Reprographievergütung oder das Folgerecht in einer EU-Richtlinie normiert werden, und spätestens dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir uns wieder mit diesem Thema befassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Redezeit von 5 Minuten zur Verfügung. (Abg. Dr. Cap: Das genügt!)

13.15

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich Kollegin Fekter die Stellungnahme des Herrn Popp von Literar-Mechana vorlesen, der dem Argument, es könnte zu einem Geldabfluß ins Ausland kommen, indem Kopierer im Ausland gekauft werden, folgendes entgegensetzt: Wolle man dies als Maßstab nehmen, müßte man dafür eintreten, daß keine Kopiergeräte aus dem Ausland bezogen werden dürfen.

Ich frage mich dann schon: Wo sind wir denn eigentlich, sind wir jetzt in der EU – einem freien Markt – oder nicht? Sollen Einschränkungen kommen, wonach man auf einmal Kopiergeräte nicht mehr aus dem Ausland beziehen darf? – Sicher werden die Leute das in Zukunft machen.

Aber nun zu einem weiteren Paragraphen dieser Novelle, und zwar zu der langjährigen Diskussion über die Wiedergabe von Filmen in Beherbergungs- oder Gastronomiebetrieben – Herr Kollege Puttinger weiß sicher ganz genau, was jetzt kommen wird; er lacht schon. Seit es Videosysteme gibt, gibt es auch diese Debatte. Sie ist natürlich längst überholt – auch schon


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von der Technik her –, denn es geht dabei darum, ob in Hotel- und Gastronomiebetrieben Videofilme vorgeführt werden dürfen oder nicht.

Ich meine, es ist heutzutage ganz einfach: In jedem Hotel kann ein Saal ausgeräumt und ein Quasikino installiert werden, indem eine Videowand mit einem Großbildprojektor bespielt wird. Es können also – selbstverständlich unentgeltlich – Filme gezeigt werden. Das heißt, es ist überhaupt kein Konkurrenzargument bezüglich der Lichtspieltheater, der Kinos, mehr gegeben. Deshalb ist es für mich völlig unverständlich, daß man das auf die Hotellerie beschränkt hat und Gastronomiebetriebe davon ausnimmt. Für mich ist es unverständlich, daß jemand in seinem Stüberl, sofern dieses von außen zugänglich ist und es oberhalb Fremdenzimmer gibt, sehr wohl einen Film vorführen darf, das aber beim nächsten Wirt, in einem vergleichbaren Stüberl, bei dem es keine Fremdenzimmer gibt, nicht erlaubt ist.

In diesem Sinne werden wir heute einen Abänderungsantrag einbringen, auch im Hinblick auf die heute erschienene neueste Tourismus-Statistik, wonach wir wiederum massive Abflüsse zu verzeichnen haben. Der Nächtigungsrückgang im Verhältnis zum schlechten Ergebnis des Vorjahres beträgt allein in Tirol 7 Prozent.

Herr Kollege Cap! Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln. Da geht Geld verloren, auch dem österreichischen Staat. Wir sind bezüglich Unterhaltung nicht konkurrenzfähig; wir brauchen ein Schlechtwetterprogramm, das alle bieten können.

Ich bringe im Namen der freiheitlichen Abgeordneten Krüger, Rossmann, Haigermoser und Rosenstingl folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Michael Krüger, Mares Rossmann, Helmut Haigermoser, Peter Rosenstingl und Genossen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz und die Urheberrechtsgesetznovelle 1980 geändert werden (Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 – UrhG-Nov. 1996, 3 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes 40 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. In Art. I entfällt Z 6.

2. Z 8 lautet:

"8. In § 42 werden folgende Änderungen vorgenommen:

a) Am Ende von Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

,Zum eigenen Gebrauch hergestellte Vervielfältigungsstücke dürfen nicht dazu verwendet werden, das Werk damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.’

b) Im letzten Satz von Abs. 5 wird der Begriff ,Vierteljahr’ durch das Wort ,Halbjahr’ ersetzt.

c) Abs. 7 lautet:

,(7) die Verwertungsgesellschaft hat die angemessene Vergütung an denjenigen zurückzuzahlen, der Trägermaterial entweder vor der Veräußerung an den Letztverbraucher in das Ausland ausführt oder für eine Vervielfältigung zum nichteigenen Gebrauch benutzt, es sei denn, daß der nichteigene Gebrauch eine freie Werknutzung ist; Glaubhaftmachung genügt.‘"

3. In Z 15 lautet der Einleitungssatz von § 56d Abs. 1:


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"Gastgewerbeunternehmer dürfen für ihre Gäste Werke der Filmkunst öffentlich aufführen, wenn"

4. Art. VI Abs. 1 lautet:

"(1) Die §§ 38 und 39 UrhG in der Fassung dieses Bundesgesetzes gelten für alle geschützten Filme, auch wenn sie beim Inkrafttreten der Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 bereits hergestellt waren."

5. Art. VI Abs. 2 entfällt.

*****

Abschließend möchte ich noch folgendes sagen: Herr Minister Michalek! Ihnen ist der Vorwurf, daß Sie das Gesetz nicht großzügiger betrachtet und damit die Probleme der Tourismuswirtschaft nicht gelöst haben, sicher nicht zu machen. Aber ich möchte in diesem Haus schon anregen, daß sämtliche Gesetze, die in Zukunft gemacht werden, übergreifend, auch für einen gewissen Wirtschaftszweig – in diesem Fall ist es die sehr marode und kranke Tourismuswirtschaft –, konzipiert werden. Es kann nicht sein, daß Gesetze von jedem Regierungsmitglied kommen und immer wieder Eingriffe in gewisse Bereiche – etwa im Tourismus – vorgenommen werden. Hier muß man weiterdenken und in Zukunft darauf achten, ob die Gesetze tourismuswirtschaftlich tauglich sind – das wäre meine Bitte an Sie. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von der Frau Abgeordneten Rossmann soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er steht mit in Verhandlung.

Als nächster hat sich Abgeordneter Dr. Fuhrmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

13.21

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie die Frau Vorsitzende des Justizausschusses in ihrer Rede schon ausgeführt hat, handelt es sich bei dieser Novelle zum Urheberrechtsgesetz um etwas, was dieses Parlament nachzuholen hatte. Und das geschieht heute im Interesse der betroffenen Künstler dieses Landes, die bei der Novelle im Jahr 1993 – wollen wir es einmal salopp formulieren – ziemlich leer ausgegangen sind. Es ist im Jahr 1993 in der Tat unterlassen worden, die Dinge, die wir heute nachholen, auch gleich mitzuerledigen.

Ich glaube, es fällt einem kein Stein aus der Krone, wenn man als Parlamentarier selbstkritisch zugibt, daß dieser Prozeß auch etwas schneller vor sich hätte gehen können. Wir alle wissen, warum es erst heute diese Debatte gibt und zu dieser Beschlußfassung kommen wird. Wenn uns von der einen oder anderen Seite der Vorwurf gemacht wird: Also so lange hätte es nicht dauern müssen!, kann man nur sagen: Ja, das ist richtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der anderen Seite hat diese Zeitspanne doch bewirkt – das möchte ich zur Korrektur der Ausführungen der beiden Kontraredner bringen –, daß das, was wir heute beschließen werden, eine Kompromißvariante darstellt. Die Novelle ist in fast ihrem gesamten Inhalt – bis auf ein paar Kleinigkeiten – ein Kompromiß zwischen den betroffenen Gruppierungen, insbesondere – ich rufe mir die Erörterungen des Kollegen Krüger in Erinnerung – zwischen Filmschaffenden und Filmproduzenten.

Ich weiß schon, bei ein paar Kleinigkeiten gibt es noch Differenzen, aber so, wie es der Kultursprecher der FPÖ hier dargestellt hat, ist es ganz einfach nicht.

Es hat in den letzten Tagen plötzlich eine starke Diskussion gegeben, und das ist auch, was nicht verwunderlich ist, sehr massiv in die Diskussionsbeiträge der beiden Kontraredner eingeflossen. Was die Herrschaften oder Firmen betrifft, die es sich Hunderttausende Schilling haben


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kosten lassen, den Versuch zu starten, uns Parlamentarier durch eine Inseratenkampagne in die Knie zu zwingen und weich zu machen, kann man nur sagen: Es gibt einige in diesem Haus, bei denen ihnen das anscheinend gelungen ist, denn diese haben von der letzten Sitzung des Justizausschusses, Kollege Krüger, bis heute in der Frage der Reprographieabgabe doch eine mir nicht uninteressant erscheinende Änderung ihrer Schwerpunkte erfahren. Denn soweit ich mich erinnere ... (Abg. Dr. Krüger: Das ist gar nicht diskutiert worden!) – Danke, daß Sie bestätigen, daß ich Ihnen keinen ungerechten Vorwurf mache.

Ich kann mich nicht daran erinnern, daß die Mitglieder des Justizausschusses, die von Ihrer Fraktion gestellt werden, aber auch Sie persönlich in den sehr ausführlichen und sehr engagiert geführten Diskussionen des Justizausschusses das, was Sie uns heute betreffend Reprographievergütung mit großem Engagement vorgetragen haben, angesprochen hätten. Wie Sie richtig sagen, ist das überhaupt nicht diskutiert worden. (Abg. Dr. Krüger: Da wären wir bis Mitternacht gesessen!)

Das ist interessant, Kolleginnen und Kollegen! Das sollte man über das Mikro noch einmal sagen, so daß es auch Eingang in das Stenographische Protokoll findet, nämlich daß Kollege Krüger mir jetzt hergerufen hat: Das hätten wir deshalb nicht gemacht, weil sonst die Justizausschußsitzung zu lange gedauert hätte. – Ich bin neugierig, wie das bei anderen ... (Abg. Dr. Schwimmer: Er hat wörtlich gesagt: Da wären wir bis Mitternacht gesessen!) – Gut, hat er wörtlich so gesagt, ich will mich jetzt damit auch gar nicht aufhalten.

Ich halte für mich und für die anderen, die bei dieser Justizausschußsitzung dabeigewesen sind, nur fest, daß von der "F", was die Reprographievergütung oder Reprographieabgabe betrifft, nichts Konträres gekommen ist.

Zufälligerweise haben wir gestern und vorgestern riesengroße und – mit Verlaub gesagt – höchst bedenkliche und eigenartige Inserate in einigen Zeitungen vorgefunden, in denen es plötzlich einige österreichische Firmen – so bezeichnen sie sich; Agfa, Artaker, Canon, Kodak, Minolta, Olivetti und Rank Xerox; alle originär "österreichische" Firmen – notwendig gefunden haben, uns österreichischen Parlamentariern via Inserate vorschreiben zu wollen, was wir in diesem Haus zu beschließen oder nicht zu beschließen haben. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir das einmal einreißen lassen ... (Zwischenruf des Abg. Meisinger. )

Herr Kollege Meisinger! Mag sein, daß Sie sich mit den Feinheiten des Urheberrechtsgesetzes und mit den Problemstellungen der österreichischen Künstler so intensiv befaßt haben, daß Sie in der Lage sind, hier Zielführendes beizutragen. Ich würde Sie aber herzlich einladen, das hier vom Pult aus zu machen, sodaß wir es uns dann mit gebührender Aufmerksamkeit anhören können und auch allenfalls im Protokoll nachlesen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber jetzt meinen Gedankengang weiterführen, meine Damen und Herren. Was ist der Grundgedanke, das Ziel dieser Novelle? – Ich habe es am Beginn meiner Ausführungen schon gesagt: daß österreichische Künstler, österreichische Kulturschaffende für das, was sie produzieren, für ihr geistiges Eigentum etwas bekommen. Wir können lang darüber streiten, ob das gerechtfertigt ist, ob das ausreichend ist, ob es genug ist, ob es zuwenig ist, es wird schon so sein, daß all jene, die etwas zu bezahlen haben, es als zu teuer empfinden, und all jene, die etwas zu bekommen haben, der Meinung sind, das ist ungerecht, es würde uns viel mehr zustehen. Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses, kann ein solcher Versuch einer gesetzlichen Regelung, einen gerechten Ausgleich zwischen diesen beiden differierenden Interessenlagen herbeizuführen, nur ein Kompromiß sein.

Wenn man dann Erfahrungen und Vergleiche mit schon bestehenden gesetzlichen Regelungen aus anderen Ländern heranzieht, dann ist Ihnen das auch nicht recht. Für mich war es schon sehr bemerkenswert, festzustellen, daß sich gerade ein Abgeordneter der "F" so darüber aufregt, daß wir uns in einer bestimmten Sache an der deutschen Gesetzgebung orientieren. – Normalerweise, Kollege Krüger, so hätte ich gemeint, müßten doch gerade Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen, wenn es sich um ein deutsches Gesetz handelt, das von vornherein,


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a priori nicht gerade ... (Abg. Dr. Krüger: Sie haben einen Komplex, Herr Kollege! – Abg. Meisinger: Typisch!)

Seien Sie doch nicht so empfindlich, lassen Sie mich ausreden, hören Sie mir zu! Dann werden Sie draufkommen, daß das, was Sie jetzt hineingeheimnissen in das, was ich sagen will, gar nicht gemeint war. Ich habe gemeint, daß Sie es nicht schon von vornherein und a priori für schlecht halten, nur weil es sich um eine deutsche Gesetzeslage handelt. Also ich zum Beispiel bekenne mich dazu, daß ich nicht von vornherein dagegen bin, nur weil die Deutschen schon solch eine gesetzliche Regelung haben.

Kollege Krüger! Die Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, gingen in diese Richtung, und das hat mich gewundert. Das ist mein gutes Recht als Abgeordneter und als österreichischer Staatsbürger. (Abg. Dr. Krüger: Gleiches wird ungleich behandelt!)

Kommen wir aber auf die inhaltlichen Einwendungen zurück. Sie haben ja in Ihrer Rede im wesentlichen nichts anderes gemacht, als daß Sie das, was uns in den Inseraten plakativ vorgeworfen worden ist und was uns diese Firmen auch geschrieben haben, hier referiert haben.

Gehen wir doch ein bißchen auf die Inhalte ein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Herr Kollege Krüger, der Sie ja auch Kultursprecher Ihrer Fraktion sind. Sie haben abwertend von der "Kopiersteuer" gesprochen. – Sie haben dieses abwertende Vokabel zwar beim ersten Mal mit "sogenannte" versehen, aber dann haben Sie nur mehr von der "Kopiersteuer" gesprochen. Das ist unfair, das wissen Sie ganz genau! Das ist schlicht und ergreifend unfair, weil es keine ... (Abg. Dr. Krüger: Ich habe das ganz genau dargestellt! Haben Sie nicht zugehört?) O ja, ich habe Ihnen sehr genau zugehört! Ich sehe, es ist Ihnen unangenehm, weil ich Sie auf einiges, was Sie behauptet haben und nicht korrekt war, hinweise. Sie haben mehrfach von der "Kopiersteuer" gesprochen, und gerade bei Ihnen, der Sie Anwalt sind, könnte ich davon ausgehen, daß Sie es gewohnt sind, Worte präzis zu verwenden. Es ist Ihnen daher kein Fehler unterlaufen, sondern Sie haben das bewußt gemacht. Die Denunzierung dieser Reprographieabgabe als "Kopiersteuer" ist unfair, ist unrichtig!

Es wird hier eine Regelung beschlossen, wonach – so wie wir es schon im geltenden Gesetz vorgesehen haben und wie das auch in der Urheberrechtsgesetz-Novelle 1980 bei der Leerkassettenvergütung versucht und, wie ich glaube, auch geschafft wurde – das jetzt auch im Bereich jener Künstler so durchzuführen ist, die mit ihrem geistigen Eigentum, mit dem Werk, das sie hervorgebracht haben, nicht auf Kassetten aufscheinen, sondern auf gedrucktem Papier. Damals hat es richtigerweise geheißen, daß das Urheberrechtsgesetz ganz allgemein davon ausgeht, daß die Urheber an den wirtschaftlichen Ergebnissen ihres Schaffens angemessen beteiligt werden sollen. Das muß, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, aber auch für Künstler und Urheber von Werken gelten, deren geistiges und künstlerisches Produkt mit Hilfe reprographischer Methoden, wie etwa Fotokopieren, Ablichten et cetera, vervielfältigt wird. Also das, was hier anderweitig behauptet wird, ist schlicht und ergreifend nicht richtig.

Nächster Punkt: Es wird immer wieder behauptet, daß das alles jetzt überhaupt schlecht und falsch sei, und andererseits wird uns zugerufen: Zu spät seid ihr dran! Ihr hättet das schon viel früher machen müssen! Und hier hören wir aber jetzt wieder: Das ist viel zu früh! Was ist mit dem Info-Highway? Was ist mit den CD-ROMs? Das hätte man doch auch berücksichtigen müssen! Wir hätten noch warten sollen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Aspekt der europäischen Ansätze der Regelungen in dieser Frage wird sich Kollegin Hlavac befassen, daher kann ich mir das ersparen, aber eines möchte ich Ihnen schon sagen: Zu behaupten, daß die deutsche Regelung, die spanische Regelung, die belgische Regelung – Gleichartiges gibt es in Griechenland, in Polen, in Slowenien –, daß all das total veraltet sei und daß nur die Kopie eines total veralteten deutschen Gesetzes sei, ist schlicht und einfach unrichtig und, ich behaupte, auch demagogisch; demagogisch und herbeigeführt durch diejenigen, die jetzt der staunenden


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Öffentlichkeit in Österreich weismachen wollen, daß, wenn wir ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. ) Horchen Sie mir zu! Vielleicht kann Sie das als Kultursprecher noch zu einem Umdenken bringen. Gerade jene Künstler, die zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, in Spanien, in Belgien mit genau der gleichen Regelung, die bei uns jetzt angeblich wirtschaftlich so dramatisch und entsetzlich sei, konfrontiert sind, können dort sehr gut damit leben, haben überhaupt keine Probleme damit. Unsere österreichischen Künstler bekommen zum Beispiel, wenn sie in Deutschland veröffentlichen, von dort auch das Geld.

Herr Kollege Kultursprecher Krüger! Sie müssen einmal einem österreichischen Autor erklären, wie Sie es vertreten können, gegen eine Regelung zu sein, die den österreichischen Autor in seinem Heimatland Österreich gleichstellt mit jenen Regelungen, die er in Deutschland schon seit fast zehn Jahren hat. Sie müssen mir erklären, wie Sie dem plausibel machen wollen, daß Sie dagegen auftreten. Ich kann es mir nur so erklären, daß das durch die Inseratenkampagne in Ihnen so entstanden ist.

Es ist angesprochen worden, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß das für die öffentlichen Haushalte einen Mehraufwand bringen wird. Das wird schon so sein, aber ich frage Sie noch einmal: Wie wollen Sie den Künstlern erklären – einige wenige stehen auf der Spitze des Berges und verdienen viel; es sei Ihnen vergönnt; aber diese paar, die auf der Spitze stehen, stehen doch auf einer riesengroßen Pyramide von kleinen, die oft am Rande des Existenzminimums leben –, daß man einerseits, gerade Sie und Ihre Partei, Herr Abgeordneter Krüger, diese Künstler immer wieder – immer wieder! – brandmarkt, wenn sie Subventionen des Staates bekommen, und sie dann als Staatskünstler – abwertend gemeint – heruntersetzt, sich andererseits aber dann auch wieder darüber aufregt, wenn auch die öffentliche Hand ihre gerechtfertigten Abgaben und den gerechtfertigten Preis für dieses Werk der Künstler bezahlen soll?

Wenn wir über die Schulen reden, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann müssen wir auch einmal eines ehrlich aussprechen: Es ist doch nach der heutigen Rechtslage, nach dem heutigen Rechtsstand des Urheberrechtsgesetzes den Schulen verwehrt, mit Kopien zu arbeiten, wenn nicht die Genehmigung des berechtigten Künstlers eingeholt wird. Wollen wir wirklich, Herr Kollege Krüger – Sie sind in zweifacher Hinsicht angesprochen, als Abgeordnetenkollege und als Rechtsanwaltskollege –, in diesem Parlament argumentieren: Behalten wir halt augenzwinkernd den Zustand bei, daß Unrecht geschieht, daß man halt nichts sehen, nichts hören und nicht darüber sprechen will, daß in den Schulen nicht korrekt vorgegangen wird, nämlich nicht im Interesse der Künstler, der Autoren? Oder bekennen wir uns dazu, daß das etwas kostet?

Jeder, der eine Leistung erbringt, die, in welcher Form auch immer, von irgendeinem Teil der öffentlichen Hand, von irgendeiner Körperschaft in Anspruch genommen wird, hat ein Recht darauf, sein Entgelt dafür zu bekommen. Das gilt nicht nur für Private, sondern auch für die öffentliche Hand.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich nur noch einen kurzen Satz zur Frau Abgeordneten Rossmann sagen, die ich zwar nicht sehe, aber, wie ich annehme, ... (Rufe bei den Freiheitlichen: Da ist sie eh!) Wo ist sie? – Haigermoser hat Sie abgedeckt, Frau Kollegin. Ich bitte um Entschuldigung! Daher kann ich diesen Satz ... (Abg. Haigermoser: Herr Altklubobmann! Keine künstliche Aufregung!) Haigermoser! So alt nicht, jung genug! Aber ich spreche mit Frau Kollegin Rossmann, ich darf an sie noch einen Satz richten.

Frau Kollegin Rossmann! Sie müssen mißverstanden haben, daß irgend jemand gesagt haben solle, man dürfe keine Kopiergeräte aus dem Ausland beziehen. Das haben Sie mißverstanden. Ich bin nicht der Pflichtverteidiger der Frau Kollegin Fekter, aber das hat sie nicht gesagt. Dieses Ansinnen stellt auch niemand. Nur: Wenn argumentiert wird, daß es doch ganz schrecklich wäre, wenn da jetzt durch diese Abgabe Gelder, gutes österreichisches Geld, an irgendwelche obskuren Künstler im Ausland abfließen würden, dann muß erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß beim Erwerb von Kopiergeräten von jenen Firmen, die uns diese Inserate gewidmet haben, natürlich auch Geld ins Ausland fließt.


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Mein Gott, das ist halt im Sinne einer modernen Wirtschaftsverflechtung so, aber schließen wir die Künstler nicht aus. Machen wir nicht folgendes: Argumentieren wir nicht so, daß alles, was für Gewerbetreibende, für Selbständige recht ist, für andere, zum Beispiel für Künstler und Kulturschaffende, nicht billig ist, weil es irgend jemandem zu teuer kommt.

Liebe Frau Kollegin Rossmann! Wenn wir logisch die Beschwerde, die Sie als eine im Tourismus sehr engagierte Frau an uns gerichtet haben, nachvollziehen, muß ich sagen, daß jetzt mit den neuen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes auch eine sehr tourismusfreundliche Bestimmung eingeführt wird. Es wird jetzt etwas gestattet, was vorher nicht erlaubt war.

Von meinem Freund Rudolf Parnigoni, unserem Tourismussprecher, weiß ich, daß er sich schon lange für dieses Anliegen eingesetzt hat. Wenn wir das jetzt einführen, meine sehr geehrten Damen und Herren, verstehe ich nicht, warum sich Frau Kollegin Rossmann darüber aufregt, es sei denn, sie wollte haben, daß in jedem Wirtshaus Österreichs eine Filmleinwand angebracht wird. Also ich muß Ihnen ehrlich sagen, es ist fraglich, ob das für den Tourismusstandort Österreich so gescheit wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen: Ich glaube, daß all jene, die der heutigen Novelle des Urheberrechtsgesetzes nach dieser Debatte zustimmen werden, dies mit gutem Gewissen tun können, und zwar sowohl vom wirtschaftlichen Standpunkt her als auch im Interesse der Künstler und somit vom kulturellen Standpunkt her. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.42


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Abgeordneter Dr. Krüger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen dazu das Wort und bitte Sie, mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen, zu beginnen.

13.42

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann hat behauptet, ich hätte in irreführender Weise den Begriff "Kopiersteuer" verwendet.

Ich stelle dazu richtig, daß ich gerade diesen Begriff relativiert und ausdrücklich festgestellt habe, daß es um kein Steuereinhebungsrecht einer Gebietskörperschaft geht. Ich habe genau den Gesetzestext zitiert, sehr geehrter Herr Kollege Fuhrmann, nämlich daß es sich in diesem Falle um eine Reprographievergütung zugunsten der Autoren handelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann hat sich zu einer persönlichen Erwiderung zu Wort gemeldet. – Bitte, drei Minuten.

13.43

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke vielmals, ich werde die drei Minuten nicht brauchen.

Abgeordneter Krüger hat mich in seiner tatsächlichen Berichtigung persönlich apostrophiert und mir vorgeworfen, ich hätte ihn nicht korrekt zitiert.

Alle, die das Protokoll nachlesen werden, werden feststellen können, daß mein Vorwurf an ihn völlig korrekt war, und ich nehme auch kein Wort davon zurück. Ich habe klargestellt, daß er das beim ersten Mal, als er den Begriff "Steuer" genannt hat, relativiert hat, aber während seiner Rede mehrfach – ich glaube mich zu erinnern: zwei- bis dreimal – das Wort "Kopiersteuer" dann nicht relativiert verwendet hat. (Abg. Haigermoser: Glaubst du das, oder ist das tatsächlich?) Daher ist von diesem meinem Vorwurf auch nach der fälschlichen tatsächlichen Berichtigung des Abgeordneten Krüger kein Wort zurückzunehmen. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Redezeit: 18 Minuten.

13.44

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Ich glaube, ich brauche jetzt nicht zu wiederholen, was alles in der vorliegenden Urheberrechtsgesetz-Novelle geregelt ist. Erstens sollte es bekannt sein, zweitens wurde es von meinen Vorrednern zu einem gut Teil ausgeführt.

Ich glaube, daß es vor allem darauf ankommt, zu verstehen – das ist jedenfalls unser Verständnis dieser Novelle –, daß es ganz konkret um den Stellenwert des geistigen Eigentums geht. Das materielle Eigentum hat bei uns in Österreich – das ist zwar keine österreichische Besonderheit, aber gerade bei uns besonders ausgeprägt – einen Stellenwert, der wunderbar bezifferbar ist. Daher ist ja auch die Regelung der Verwertung materiellen Eigentums nie ein Problem gewesen. Es gibt finanzielle Spielregeln. Was das geistige Eigentum betrifft, mußten Regeln erst aufgestellt werden.

Wenn nun Kollegin Fekter zwar einen scheinbar ähnlichen Zugang zu den Dingen hat und das geistige Eigentum unter einem besonderen Blickwinkel beleuchtet, dann aber dazusagt, weil wir uns in einer Marktwirtschaft befinden, müsse man für das geistige Eigentum eben auch einen entsprechenden Marktwert finden, so halte ich das für eine bedenkliche Formulierung, und zwar deswegen, weil sie sich damit in einem Fahrwasser bewegt, das dahin geht, daß Dinge nur an ihrem Marktwert gemessen werden und als Maßstab, ob es nun Menschen oder andere Dinge betrifft, vor allem Zahlen gelten. Etwas hat erst dann seinen Wert, wenn sein Nutzen zu beziffern ist. Das alles führt eben dazu, daß nicht nur die Kulturpolitik nicht wirklich ernst genommen wird, sobald sie sich außerhalb des Marktwertes, wie von Ihnen erwähnt, bewegt. (Abg. Dr. Fekter: Was sind Marktwerte und Verwertungsbeiträge? – Das ist doch Markt!) Genau darum geht es ja, daß Sie meinen, daß das der einzige Maßstab sein sollte, um mit geistigem Eigentum umgehen zu können. Das geht dann eben so weit, daß man Menschen auch daran mißt, was sie wert sind, welchen Wert sie für eine Gesellschaft noch haben können, alte Menschen, Behinderte, Fremde und dergleichen mehr. Man muß die Zusammenhänge sehen.

Es mag schon sein, daß es Ihnen vielleicht lächerlich vorkommt, daß man den Bogen so weit spannt. Ich glaube aber, daß es sogar sehr wesentlich wäre, daß insbesondere Politiker ganzheitlich denken und dies auch formulieren. Man sollte die Zusammenhänge sehen und die Folgen, die sich daraus ergeben.

Wenn Ihrer Meinung nach dieses geistige Eigentum eben nur über den Marktwert zu messen sein sollte, dann, muß ich sagen, verweigere ich einfach eine Diskussion über eine solche Geisteshaltung, weil ich glaube, daß sich eine Gesellschaft auch Dinge leisten muß, ja fördern muß, die keinen Marktwert haben, daß sich eine Gesellschaft sogar Dinge leisten soll, die keinen "Nutzen" haben – wobei ich jetzt "Nutzen" deswegen unter Anführungszeichen setze, weil dieses Wort eben so gemeint ist, wie es landläufig in unserer Gesellschaft verwendet wird.

Das Urheberrecht ist zwar eine Materie, die im Justizausschuß zu verhandeln ist, es handelt sich aber eigentlich um Kulturpolitik. Es wäre so wichtig, diesen Zugang zu begreifen, nämlich daß es darum geht, daß wir etwas wollen, was nicht unmittelbaren materiellen Nutzen hat. (Beifall beim Liberalen Forum.) Aus diesem Zugang heraus werden wir Dinge anders entscheiden, und zwar geht das bis hin zu diesem Urheberrecht.

Ich komme noch auf die Kopierabgabe zu sprechen, von der Sie auch gesprochen haben und hinsichtlich derer Sie sich vorhin so stark gemacht und gemeint haben, man solle das noch in letzter Sekunde ändern. Die Affinität zur FPÖ ist keine neue, aber mir liegt daran, sie immer wieder auch in den Vordergrund zu stellen.

Daß die produzierende Kunst in Österreich der reproduzierenden gegenüber ganz klar benachteiligt ist, ist auch eine Tatsache. Nun weiß ich schon, daß wir über den Kunstbericht erst nachher reden werden, aber es ist notwendig, diesen Bezug schon beim Urheberrecht herzu


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stellen, um zu sehen, wie wichtig ein solches Gesetz ist, um die produzierende Kunst auch ein wenig aus ihrer mißlichen Lage herauszuholen.

Im Kunstbudget – das muß man sich bei jeder Gelegenheit vor Augen halten – erfolgt eine Aufteilung der Milliarden: 3 Milliarden gehen an den Bundestheaterverband, 1 Milliarde geht an die Museen, und nur 1 Milliarde geht an die produzierende Kunst, nämlich an die Kunstsektion, die dazu da ist, dieses Geld zu verteilen. Daran sieht man schon den Stellenwert. Dort ist es bedauerlicherweise noch dazu so, daß die großen Institutionen eigentlich den Rahm abschöpfen und somit für die freie Szene und für die Kulturinitiativen nur wenig Geld zur Verfügung steht.

Das alles sage ich deshalb eingangs, weil daraus verständlich wird, wie wichtig dieses Gesetz ist und wie wichtig es ist, daß man dann, wenn scheinbar wirtschaftliche Interessen entgegenstehen, wie durch diese eigenartige Inseratenkampagne formuliert, weiß, auf welcher Seite man steht. Entweder man steht auf der Seite der Kopienhersteller, wie Sie und Herr Krüger es hier artikuliert haben, oder aber man begreift, daß es in diesem Falle um Gelder geht, die an die Urheber, ist gleich die Kulturschaffenden, gehen.

Es ist wirklich kurios – irgendwer hat es schon gesagt –, daß es in Österreich überhaupt keine führenden Kopiererhersteller gibt; es handelt sich durchwegs um ausländische Firmen. Man kann natürlich auch sagen, wenn die Wirtschaft auch nur ein Inserat losläßt – in diesem Fall war es eine millionenschwere Kampagne –, dann interessieren uns die Interessen der Kulturschaffenden nicht mehr. Genau das würden Sie tun, wenn Sie etwas, was schon lange überfällig ist, nämlich diese Abgabe den Kulturschaffenden zugute kommen zu lassen, auf einmal wieder wegschieben, und zwar nur deswegen, weil Sie sich auf einem falschen Weg ein falsch verstandenes Wirtschaftsprofil erwerben wollen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Da wir als Redezeit zwei "Wiener Stunden" vereinbart haben und davon auf das Liberale Forum nur 18 Minuten entfallen, muß ich mich jetzt vor allem auf jene Bereiche konzentrieren, wo wir Abänderungsanträge einbringen werden. Die Debatte über die anderen Punkte wurde unter anderem auch im Ausschuß geführt. Kollegin Motter wird insbesondere auch noch über das Folgerecht sprechen.

Übrigens ist typisch, daß Sie vieles auf die EU abschieben. Sie dürfen sich wirklich nicht wundern, wenn es bei uns EU-Müdigkeit gibt, wenn Sie immer sagen: Wir täten es zwar gern anders, aber jetzt warten wir einmal auf die EU! – Die Leute haben das Gefühl, daß Österreich ... (Abg. Dr. Fekter: Das haben die Künstler selber nicht gewollt, Frau Kollegin Schmidt!) Das wird dann Kollegin Motter noch erörtern. Ich muß jetzt auf meine Redezeit achten.

Sie haben gesagt: Jetzt warten wir einmal auf die EU, und dann werden wir weiterreden!, anstatt mehr Selbstverständnis nicht nur als Person, nicht nur als Fraktion, sondern vor allem als Vertreter Österreichs zu haben. Das wäre meine Vorstellung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich werde einen Abänderungsantrag zu § 26 einbringen, dem wir einen § 26a anfügen wollen. Es geht um den sogenannten Bestsellerparagraphen. Es ist dies eine Bestimmung, die es in anderen Ländern schon lange gibt. Wir haben uns an der deutschen Formulierung orientiert. Ich entschuldige mich daher für eine Formulierung, die ich selbst nicht sehr schön finde. Allerdings ist in Deutschland ein langes Nachdenken vorausgegangen, und ich glaube, daß es Sinn macht, eine bewährte Formulierung zu übernehmen. Es geht dabei vor allem um junge Künstler, die bei Abschluß eines Vertrages noch nicht ahnen können, welchen überdurchschnittlichen Erfolg – wider Erwarten – vielleicht ihr Werk erzielt. Sie sollen aber im nachhinein durchaus daran teilhaben können.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

Die Ziffer 5 wird wie folgt geändert:


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"Nach § 26 wird ein § 26a eingefügt:

(1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, daß die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu einem anderen in einem groben Mißverhältnis zu den Erträgnissen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach angemessene Beteiligung an den Erträgnissen gewährt wird.

(2) Der Anspruch verjährt in zwei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Urheber von den Umständen, aus denen sich der Anspruch ergibt, Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren.

(3) Auf den Anspruch kann im voraus nicht verzichtet werden. Die Anwartschaft darauf unterliegt nicht der Zwangsvollstreckung; eine Verfügung über die Anwartschaft ist unwirksam."

*****

Ich glaube, daß der Inhalt aus dieser Formulierung so klar hervorgeht, daß ich keine weiteren Erläuterungen abgeben muß.

Ich komme nun zum nächsten Abänderungsantrag. Es geht darum, daß der Rolle der Schauspieler Rechnung getragen werden muß, was den Erfolg oder auch Mißerfolg eines Filmes ausmacht. Es ist zwar so, daß durch die richtige Auslegung der derzeitigen Bestimmungen die Schauspieler schon jetzt am finanziellen Erfolg beteiligt werden könnten. Tatsache ist allerdings, daß dies in der Praxis nicht der Fall ist und daß vor allem die Filmproduzenten es ablehnen. Und dazu kommt – auch das ist eine EU-Sache, vielleicht werden Sie dann soweit sein, wenn die EU uns hier zur Ordnung ruft –, daß dies auch den EU-Vermiet- und Verleihrichtlinien widerspricht. Ich will nicht warten, bis uns die EU zur Ordnung ruft, sondern ich glaube, daß es unser Selbstverständnis sein muß, den Schauspielern ein Recht zuzugestehen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

Die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 wird wie folgt geändert:

Der § 69 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

"22. § 69 Abs. 1 letzter Satz hat zu lauten:

Unabhängig davon besteht ein Anspruch auf einen angemessenen Anteil an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen des Filmherstellers oder eines Werknutzungsberechtigten; Art. VI Abs. 3 UHG-Novelle 1996 gilt entsprechend."

*****

Nun komme ich zum letzten Abänderungsantrag – Klara, wenn du deinen Antrag einbringst, mußt du auch so schnell reden, denn wir haben nicht mehr viel Zeit –: Es geht in diesem Falle – das wurde von den anderen Kollegen schon angesprochen – um eine – ich sage jetzt einmal – wirklich willkürliche Frist, wenn es um die Neuregelung des Film-Urheberrechtes geht. Hier hat sich der ORF offensichtlich sehr leicht durchgesetzt; die Verbindungen zwischen den Regierungsparteien und dem ORF sind ja gut. Der ORF konnte also eine Übergangsregelung durchsetzen, sodaß die Beteiligung der Filmschaffenden an den Erlösen erst für jene Filme gilt, die nach dem 1. Jänner 1970 produziert wurden. Ich will jetzt gar nicht die Ziffer nennen. – Sie können es sich selbst im Gesetz anschauen, wenn es Sie näher interessiert. Das ist völlig willkürlich und bedeutet eine Ungerechtigkeit jenen gegenüber, die vorher produziert haben. Wir glauben, daß die Frist überhaupt wegfallen soll. Daher unser Antrag.


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Jetzt habe ich aber einen großen Fehler gemacht, ich bitte die Grünen um Entschuldigung – das sage ich jetzt dazu. Jene drei Anträge, die ich vorlese, sind Anträge, die wir gemeinsam einbringen. Alle drei Anträge sind Anträge der Abgeordneten Stoisits und Schmidt. Ich bitte um Vergebung, ich habe es übersehen. Im Ausschuß haben wir das so beraten und gesagt, daß es effizienter ist, wenn nur einer seine Redezeit dafür verwendet. Ich tue dies hiemit. Das ist sozusagen meine Wiedergutmachung.

Ich bringe nun den letzten Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Schmidt und Stoisits:

Die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 wird wie folgt geändert:

Artikel VI lautet:

"(1) Die §§ 38 und 39 Urheberrechtsgesetz in der Fassung dieses Bundesgesetzes gelten für gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke."

Abs. 2 entfällt. Der bisherige Abs. 3 erhält die Nummer 2 und lautet:

" (3) Gestattet der nach § 38 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz berechtigte Filmhersteller oder ein Werknutzungsberechtigter gegen Entgelt anderen die Benutzung der Filmwerke zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung mit Hilfe von Leitungen, so haben der Produzent und die Filmurheber Anspruch auf einen Anteil an diesem Entgelt."

*****

Ich bitte Sie, diese Anträge zu unterstützen. – Ich bedanke mich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Alle drei von der Frau Abgeordneten Dr. Schmidt vorgetragenen Abänderungsanträge sind geschäftsordnungsgemäß ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Als nächste hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

13.57

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Die Urheberrechtsgesetz-Novelle ist von allen, die jetzt vor mir gesprochen haben, in ihrem Gehalt und Inhalt bereits relativ detailliert erörtert worden. Darum möchte ich das nicht mehr wiederholen.

Frau Dr. Schmidt hat am Ende ihrer Rede gesagt, daß wir gemeinsame Abänderungsanträge eingebracht haben. Frau Kollegin Motter wird noch einen Abänderungsantrag einbringen. Ich will daher im Sinne der Effizienz nicht dasselbe noch einmal wiederholen. Diese vier Abänderungsanträge sind uns ebenso wie den Liberalen ein ganz großes Anliegen, vor allem deshalb, weil sie in erster Linie auf Lücken dieser heute zu beschließenden Gesetzesnovelle hinweisen; Lücken insofern, als es sich um Diskussionsgegenstände handelt, die, zumindest seit ich Mitglied des Justizausschusses bin, permanent diskutiert wurden, auch schon bei der letzten Novelle. Vor allem möchte ich ganz besonders das im ersten Entwurf des Herrn Bundesministers noch enthaltene Folgerecht hervorheben, das leider nicht soweit gediehen ist, daß wir es heute auch verabschieden könnten. Nichtsdestotrotz ist es unabdingbar notwendig und richtig.

Es ist in der Öffentlichkeit im wesentlichen ein Argument gegen das Folgerecht vorgebracht worden, und zwar nicht nur von namhaftesten österreichischen bildenden Künstlern, sondern


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auch von Interessenvertretern beziehungsweise Galeristen vom Kunsthandel, nämlich das Argument, das Geschäft wird gestört. Ich sage es einmal so vereinfachend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In gewisser Hinsicht ist dieses Argument richtig. Das Geschäft jener wird gestört, die ausschließlich vom Fehlen eines Folgerechtes profitieren. Und das sind die, die mit dem geistigen Produkt und geistigem Eigentum eines Künstlers in der Folge viel Geld verdienen, viel Geschäft gemacht haben und noch machen werden.

Daß der Vorwurf, daß es für den Kunsthandel nicht besonders günstig wäre, nicht das Ende des Kunsthandels bedeuten muß, zeigen ja Beispiele aus anderen Ländern. In anderen europäischen Ländern gibt es das Folgerecht schon lange genug – etwa in Belgien, in Spanien, in Deutschland, in Dänemark, in Frankreich, in Italien und in Portugal ist es eingeführt worden –, und in all diesen Ländern gibt es einen zumindest ebenso blühenden Kunsthandel wie in Österreich, nur mit dem Unterschied, daß nicht nur eine kleine Gruppe, nämlich die der Kunsthändler und der Galeristen oder auch der Sammler und Weiterverkäufer natürlich, profitiert, sondern auch die diese Kunstwerke Schaffenden, wenn es beispielsweise um die bildende Kunst geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Lücke, die in Österreich klafft, ist wirklich dringend und schleunigst zu schließen, und in diese Richtung geht auch der von der nächsten Rednerin zu verlesende Abänderungsantrag. Den Stellenwert des geistigen Eigentums, der im Mittelpunkt des Urheberrechtsgesetzes insgesamt und dann natürlich auch jeder Novelle, so auch der heutigen, steht, sollte man – obwohl das nicht im Kulturausschuß, sondern als Zivilrechtsmaterie im Justizausschuß verhandelt wurde – wirklich nicht aus den Augen lassen.

Ich erspare es mir, die unwürdige Diskussion um eine mögliche Verschiebung des Termins des Inkrafttretens der Reproabgabe nicht noch einmal zu wiederholen. Ich muß aber sagen, ich bin froh, daß sich Frau Kollegin Fekter und in der Folge auch Herr Dr. Fuhrmann, der ja diese Absicht bis gestern um diese Zeit auch noch hatte, davon abbringen haben lassen, weil ich jetzt an ihre Einsichtsfähigkeit glauben kann, daß es beim Urheberrecht nicht um die Interessen ausländischer Kopiergerätehersteller geht, sondern in erster Linie um den Schutz der Interessen derer, die auch das Objekt dieser Novelle sind – und das sind Künstler und Künstlerinnen in Österreich und deren Schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von Frau Dr. Schmidt erwähnte Bestsellerparagraph wäre mir auch ein besonders großes Anliegen gewesen, und zwar gerade deshalb, weil der Bestsellerparagraph eine Gruppe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern trifft, nämlich die jüngsten oder die jungen, die dann, wenn sie überraschend Erfolg mit ihrer Arbeit haben, diesen in materieller Hinsicht nicht unmittelbar für dieses Werk nutzen können. Vielleicht könnte der Herr Bundesminister das als eine ganz, ganz wesentliche Anregung für die nächste Novelle des Urheberrechtsgesetzes mitnehmen.

Eine nächste Novelle, meine sehr geehrten Damen und Herren, muß es jedenfalls geben, denn in jeder Diskussion im Zusammenhang mit dem Schutz von geistigem Eigentum und geistigem Produkt kommen wir weiter in eine Zukunft, die sich ja überhaupt noch nicht abschätzen läßt. Ich halte den Komplex des Urheberrechts als einen Teilbereich des Medienrechtes insgesamt für einen der spannendsten, weil sich am schnellsten weiterentwickelnden, mit dem wir es im ganzen Zivilrechtsbereich überhaupt zu tun haben. Bei dem, was wir in den letzten Jahren allein an Geschwindigkeit von Neuentwicklungen erlebt haben, hält ja wirklich kaum jemand Schritt mit den gesetzlichen Regelungen.

Vor ein paar Jahren hat noch niemand eine CD-ROM gekannt. Heute sind CD-Rom, Internet und die virtuelle Welt insgesamt etwas, womit ja fast jeder schon konfrontiert wird. Da tut sich für die Legistik und somit auch für den Gesetzgeber eine Welt auf, in der es um den Rechtsschutz geht, die jedoch kaum noch faßbar und abschätzbar ist. Da wird vor allem auf die Damen und Herren vom Justizministerium in der Zukunft eine besonders große Herausforderung zukommen, und ich hoffe, daß auch wir – also wir hier im Nationalrat – diese Herausforderung – mit ihrer Hilfe selbstverständlich – bewältigen werden.


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Dabei wird uns die Europäische Union, die mit ihren Richtlinien – so ist es meiner Einschätzung nach – ganz generell betrachtet immer geradezu eine Vorreiterrolle spielt, vielleicht eine kleine Richtschnur geben können. Wir können uns, wenn wir uns rechtzeitig darauf einstellen, in Zukunft sicher auch als ein Vorreiter bei den Überlegungen zu diesen Neuregelungen behaupten. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Sinne werden die Grünen der Novelle insgesamt ihre Zustimmung geben, wiewohl wir glauben, daß die nächste Novelle so rasch wie möglich hier verhandelt werden sollte. (Beifall bei den Grünen.)

14.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr der Herr Bundesminister für Justiz. – Bitte, Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

14.06

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe kurz auf drei grundsätzliche, auch im Zusammenhang mit dieser Novelle relevante und heute schon angesprochene Aspekte des Urheberrechtes ein: auf seine Bedeutung im Rahmen der gesamten Rechtsordnung, sowohl was den Schutz der Urheber als auch das Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken beziehungsweise Leistungen anlangt, weiters auf den Einfluß der technischen Entwicklung auf das Urheberrecht und schließlich auf das Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht.

Daß das Urheberrecht im Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit kaum verankert und nur verhältnismäßig wenigen Fachleuten vertraut ist, steht in einem deutlichen Gegensatz zur tatsächlichen Bedeutung des Urheberrechts sowohl für das kulturelle als auch für das wirtschaftliche Leben unseres Landes.

Neben dem aus ideeller Sicht nicht gering zu achtenden Schutz der persönlichen Beziehung des Urhebers zu seinem Werk durch die Anerkennung des Urheberpersönlichkeitsrechtes sind die Verwertungsrechte, die dem Urheber die wirtschaftlichen Früchte seines geistigen Schaffens sichern sollen, von eminent praktischer Bedeutung. Erst ein starker urheberrechtlicher Schutz macht eine künstlerische Produktion, die möglichst unabhängig von öffentlichen oder privaten Mäzenen ist, möglich und ist damit ein wichtiges Element der Förderung der kulturellen Leistung eines Landes.

Es liegt in der Natur der Sache, macht aber die diesbezügliche Bedeutung des Urheberrechtes nicht weniger groß, daß seine kulturellen Auswirkungen nicht quantifizierbar sind. Die wirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts läßt sich hingegen mit Zahlen belegen, und die von Frau Abgeordneter Dr. Fekter erwähnte jährliche Wertschöpfung dieses Wirtschaftsbereichs in Österreich von mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beträgt, in Schilling ausgedrückt, immerhin mehr als 25 Milliarden.

Meine Damen und Herren! Der Gesetzgeber ist jedoch nicht nur verpflichtet, die Interessen der Urheber angemessen zu schützen, er muß auch auf die Interessen der Allgemeinheit am Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken und Leistungen entsprechend Rücksicht nehmen und zwischen diesen mitunter gegenläufigen Interessen einen ausgewogenen Ausgleich finden. Ich meine, daß der vorliegende Gesetzentwurf diesem Gedanken nicht nur verpflichtet ist, sondern damit zufriedenstellende Kompromisse gelungen sind.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist der heute angesprochene Einfluß der technischen Entwicklung auf das Urheberrecht, geschieht doch die dem Urheber grundsätzlich vorbehaltene Verwertung seines Werks in den überwiegenden Fällen mit Hilfe technischer Mittel.

Das österreichische Urheberrechtsgesetz hat den großen Vorteil – die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hat dies in den letzten Jahren in einigen Fällen eindrucksvoll bestätigt –, daß es so allgemein und flexibel gehalten ist, daß es verschiedenen technischen Entwicklungen auch ohne Intervention des Gesetzgebers gerecht werden kann. Soweit der Gesetzgeber dennoch reagieren und intervenieren muß, geht es in der Regel nicht um grundlegende Neue


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rungen, sondern um eine Feinabstimmung der bestehenden Regelung, so etwa durch eine Einschränkung von Ausschließungsrechten für einen bestimmten Bereich auf einen bloßen Vergütungsanspruch oder umgekehrt durch die Einschränkung einer bisher bestehenden freien Werknutzung auf bestimmte Fälle.

Die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltene, heute schon mehrfach diskutierte Reprographieregelung ist meines Erachtens hiefür ein ganz besonders gutes Beispiel. Sie verbindet beide Maßnahmen in einer, wie ich meine, die Interessen der vor allem österreichischen Urheber einerseits und der am Zugang zu den urheberrechtlich geschützten Werken interessierten Allgemeinheit andererseits ausgleichenden Art und Weise.

Im Zusammenhang mit der technischen Entwicklung scheinen mir einige Worte zu dem Thema angebracht, das derzeit nicht nur hier im Saal, sondern auf der ganzen Welt diskutiert wird, nämlich die Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in Datennetzen oder – um einen in den USA geprägten Begriff zu verwenden – in der globalen Informationsinfrastruktur. Es handelt sich tatsächlich um eine Entwicklung, die mannigfaltige urheberrechtliche Fragen aufwirft. Angesichts der schon erwähnten Offenheit des geltenden österreichischen Urheberrechtes für neue technische Verwertungsmöglichkeiten gilt auch hiefür, daß diese Fragen zunächst auf der Grundlage des geltenden Rechtes beantwortet werden können. Es besteht daher meines Erachtens – das entspricht auch der in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorherrschenden Haltung – derzeit kein dringender Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, und die Auswirkungen der Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken in Datennetzen können zunächst in Ruhe beobachtet werden, bevor übereilte gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen werden.

Zum Schluß noch ein Wort zum Einfluß des Gemeinschaftsrechts auf den Urheberrechtsbereich. Daß dieser beträchtlich ist, ist ja offensichtlich. Schon die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1993 hat zwei einschlägige Richtlinien umgesetzt, und auch mit der vorliegenden Novelle werden zwei Richtlinien umgesetzt. Die Aktivitäten der Gemeinschaftsorgane auf diesem Gebiet gehen durchaus weiter: Denken Sie etwa an die Überlegungen zum Schutz von Datenbanken oder zur Harmonisierung des, wie ich meine, sicherlich regelungsbedürftigen Folgerechts. Ich bin der Meinung, daß diese Einflußnahme des Gemeinschaftsrechts keineswegs zu beklagen, sondern hiezu im wesentlichen eine positive Sicht einzunehmen ist. Urheberrechtlich geschützte Werke kennen ja grundsätzlich keine Grenzen; sie werden in der Regel international verwertet.

Trotz internationaler Abkommen auf diesem Gebiet hat aber jedes Land seine eigenen urheberrechtlichen Regeln, die nicht nur im Schutzniveau, sondern auch in verschiedenen, aber durchaus wichtigen Details sehr unterschiedlich sind. Das kann die Verwertung über die Staatsgrenzen hinweg außerordentlich erschweren, teuer und kompliziert machen. Die Harmonisierung des Urheberrechts in der Gemeinschaft auf hohem Schutzniveau, dem Österreich durchaus schon gerecht wird, befriedigt somit ein echtes Bedürfnis und wird auch den österreichischen Urhebern sehr wesentlich zugute kommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Ofner .)

14.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen das Wort und mache Sie darauf aufmerksam, daß Ihre Redezeit noch 10 Minuten beträgt.

14.15

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Urheberrechtsgesetz ist ein weiterer Schritt zum Schutz des geistigen Eigentums. Eine Reihe von Wünschen des Salzburger Urheberkongresses wird mit dieser Novelle erfüllt.

Ich kann mich daran erinnern, daß die damalige Kultursprecherin der SPÖ und ehemalige Unterrichtsministerin Hilde Hawlicek nach diesem Kongreß die Kunst- und Justizsprecher der im Parlament vertretenen Parteien zusammengerufen und gemeinsam mit Künstlern, mit Vertretern


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der Verwertungsgesellschaften und anderen Interessierten die Ergebnisse dieses Kongresses besprochen hat, worauf wir damals erste Vorstellungen darüber entwickelt haben.

Es hat dann eine erste Novelle gegeben, die von eher eingeschränktem Inhalt war – in erster Linie wurden damals EU-Richtlinien übernommen –, mit der Bibliothekstantieme jedoch wurde zum Beispiel ein Schritt gesetzt, der nicht unumstritten war, der die Bibliotheken auch Geld gekostet hat, der aber andererseits den Forderungen der Künstler Rechnung getragen und ihnen einen Anteil an der Verwertung ihrer Werke gebracht hat.

Die Novelle, die heute vorliegt, ist, wie gesagt, ein zweiter Schritt. Hiermit werden weitere Wünsche dieses Urheberkongresses verwirklicht und zugleich auch Wünsche der Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen erfüllt, so etwa die Reprographievergütung, die in Form einer Gerätevergütung und einer Betreibervergütung eingehoben wird.

Auch diese Maßnahme ist – wie die meisten im Bereich des Urheberrechtes – nicht unumstritten. Im Falle der Reprographievergütung entstehen für Schulen, Hochschulen, Einrichtungen der Berufsbildung oder Erwachsenenbildung, Forschungseinrichtungen, Bibliotheken und so weiter zusätzliche Kosten, die bisher nicht aufgelaufen sind. Allerdings wird dadurch die Vervielfältigung und Verwendung von Werken – zum Beispiel im Unterricht – legalisiert. Ich halte das für eine sinnvolle Maßnahme. Ich denke, daß Schluß sein muß mit der in Wirklichkeit illegalen Verwendung von Kopien im Unterricht und daß es auch im Interesse des Lehrpersonals ist, wenn es eine klare Regelung gibt. Vor allem aber gehen wir im Bereich des Urheberrechts davon aus, daß die Urheber an den wirtschaftlichen Ergebnissen ihres Schaffens angemessen beteiligt werden sollen. Wenn man sich zum Schutz des geistigen Eigentums bekennt, dann müssen auch die damit verbundenen Kosten akzeptiert werden.

Es ist in der Debatte sowohl bei der vergangenen Novelle als auch jetzt über das Folgerecht gesprochen worden. Die nun vorliegende Novelle enthält keine diesbezüglichen Bestimmungen, da der Widerstand der verschiedenen Gruppierungen zu groß war. Ich gebe zu, daß es unbefriedigend ist, zu sehen, daß zum Beispiel ein Kunstsammler ein Bild eines Künstlers, der noch jung ist, um ein Butterbrot kauft und es dann, wenn der Künstler berühmt geworden ist, um einen sehr hohen Betrag verkaufen kann, der Künstler jedoch nichts davon erhält und nichts von dieser Entwicklung hat.

Ich bin sehr für die Förderung der jungen Künstler, bin mir aber nicht sicher, ob das Urheberrecht der geeignete Weg ist, diese Förderungen vorzunehmen. Das Urheberrecht dient der Regelung und der Gestaltung der Verwertung von Kunstwerken und eigentlich nicht der Abgeltung von Marktentwicklungen. Ich denke, wir sollten über diese Frage noch einmal nachdenken, und ich bekenne mich auch dazu, daß es wirklich wichtig ist, Künstler, vor allem junge Künstler zu fördern, ihnen die Möglichkeit zu geben, auszustellen, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auch Zeit für ihre Kunst zu nehmen. Ich weiß nur nicht, ob das der geeignete Weg ist.

Es zeigt sich beim Urheberrecht, daß immer wieder neue Novellen notwendig sind. Nicht nur anhand der Fotokopiergeräte, sondern auch in vielen anderen Bereichen sieht man, daß die Entwicklung des Urheberrechts sehr stark mit der technischen Entwicklung verbunden ist. Wenn es neue Entwicklungen gibt, ist es immer wieder notwendig, das Urheberrecht im Interesse der Produzenten anzupassen.

Durch die leichte Kopierbarkeit von Texten, Werken der bildenden Kunst, Computerprogrammen und Musikstücken war es notwendig, immer wieder Abhilfe zu schaffen und dem Urheber zu seinem Recht zu verhelfen.

Wie schwierig das ist, zeigt sich im Bereich der Informationstechnologien – das ist heute schon mehrfach angesprochen worden –, und auch ich möchte mich jetzt ein bißchen auf diese Frage konzentrieren, weil ich anhand des Grünbuches der Europäischen Kommission und an ähnlichen Diskussionen sehe, daß hier ein Problem vorliegt, das nur sehr schwer in den Griff zu bekommen ist.


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Die Netze werden durch den Einsatz digitaler Kommunikationstechnologien bereits für gewerbliche, Bildungs- und Forschungszwecke genutzt. Die Netze haben sich im wesentlichen unter Anwendung offener Kommunikationsnormen entwickelt, und der Inhalt, der über sie ausgetauscht wird, wird zurzeit nur zum Teil durch geistige Eigentumsrechte geschützt.

Da der Fluß der Daten immer mehr zunehmen wird, ist ihr rechtlicher und technischer Schutz von großer Bedeutung. Einerseits soll die Nutzung der Datennetze nicht behindert werden, andererseits aber soll die Urheberschaft an geistigem Eigentum geschützt werden.

Das ist auch eine wirtschaftliche Frage, denn der Schutz der Urheberrechte ist zu einem wesentlichen Bestandteil des für die Wettbewerbsfähigkeit der Kulturindustrie erforderlichen Rechtsrahmens geworden. Die Industrie investiert nur dann in die verschiedenen schöpferischen Tätigkeiten, wenn sie ihre unrechtmäßige Verwertung verhindern und in den Genuß der Erträge der Investitionen kommen kann.

Produktion und Wertschöpfung in diesem Bereich verzeichnen ein sehr hohes Wachstum. So wies zum Beispiel der audiovisuelle Sektor in den letzten Jahren eine jährliche reale Wachstumsrate von 6 Prozent auf. Durch die beachtliche Speicherkapazität für Werke und Daten im Bereich der Daten-Highways werden sowohl traditionelle Werke als auch Leistungen der Multimediakunst, das heißt eine Kombination von Daten und Werken unterschiedlicher Natur – Bildtext, Musik und Software – erfaßt.

Bei der Analyse des bevorzugten Inhalts für die Herausgabe von CD-ROMS in Europa zeigt sich ein beachtliches Wachstum in den meisten relevanten Bereichen. Beispielsweise weist der Bereich Kultur und Unterhaltung von 1993 auf 1994 ein Wachstum von über 73 Prozent auf, Kunst und Altertumswissenschaft: 62 Prozent, Werbung, Design und Marketing: 53 Prozent, Computerprogramme: 47,8 Prozent, und und und.

Es gibt zwar in den Staaten der Europäischen Union nur in 0,5 Prozent der privaten Haushalte CD-ROM-Geräte, in den USA sind es aber bereits 3,1 Prozent. Das bedeutet: Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten.

Es dürften als Reaktion auf diese Entwicklung allerdings keine tiefgreifenden Änderungen des Urheberrechts erforderlich sein – der Herr Bundesminister hat das schon angesprochen –, es besteht nicht die Notwendigkeit, jetzt sofort aktiv zu werden und drastische Maßnahmen zu setzen. Es geht aber um Anpassungen, und daher wird die nächste Reform, die bereits in Sicht ist, den Rechtsschutz von Datenbanken enthalten müssen. Es liegt dazu auch ein Richtlinienentwurf der Europäischen Union vor. Das bedeutet, daß wir uns wohl in absehbarer Zeit wieder mit den Fragen des Urheberrechts befassen müssen, daß wir Maßnahmen setzen müssen, die den Entwicklungen entsprechen, und daß auch künftig Urheberrechtsgesetz-Novellen notwendig sein werden.

Auf jeden Fall stellt die jetzt vorliegende Novelle einen positiven Schritt dar. Sie ist eine eigenständige Entwicklung, nicht nur ein EU-Vollzug. Und ich denke, auf diesem Weg des Konsenses, der gemeinsamen Entwicklung, des gemeinsamen Fortschritts sollten wir weitergehen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr noch Frau Abgeordnete Motter gemeldet. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen das Wort und mache Sie darauf aufmerksam, auf die Kürze der Redezeit bei der Verlesung allfälliger Abänderungsanträge Rücksicht zu nehmen.

14.25

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident, ich werde mich bemühen.

Meine Damen und Herren! Meine Wortmeldung bezieht sich auf einen Abänderungsantrag, der das Folgerecht zum Inhalt hat – ich darf ihn ganz kurz begründen.


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Das Folgerecht ermöglicht einem bildenden Künstler, dessen Werke im Laufe der Zeit an Wert gewinnen, an dieser Wertsteigerung mitzuverdienen. Diese Regelung existiert bereits in Deutschland, Frankreich und Belgien. Letztendlich wird sie in der gesamten EU eingeführt werden.

Das Folgerecht ermöglicht österreichischen Künstlern, bei Auktionen oder in Galerien in Österreich am Verkauf ihrer Bilder zu verdienen und nicht nur in Deutschland oder Frankreich. Natürlich sollte dies auch für ausländische Künstler gelten, wenn Ihre Bilder in Österreich verkauft werden.

Wir Liberalen sind der Ansicht, daß wir nicht auf die gesamteuropäische Lösung warten sollten, sondern durchaus berechtigt sind, hier eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

Frau Kollegin Hlavac! Wenn ich Ihren Ausführungen richtig gefolgt bin, dann können Sie heute vielleicht ohne weiteres unserem Antrag die Zustimmung geben, den ich nun einbringe:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz und die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1980 geändert werden (Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 – UrhgG-Nov 1996)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 wird wie folgt geändert:

Es wird ein § 16c eingefügt:

§ 16c hat zu lauten:

"(1) Wird das Urstück eines Werkes der bildenden Künste, dessen Verbreitung nach § 16 Abs. 3 zulässig ist, weiter veräußert und hieran ein Kunsthändler oder Versteigerer als Veräußerer, Erwerber oder Vermittler beteiligt, so hat der Urheber gegen den Kunsthändler oder Versteigerer einen Vergütungsanspruch in der Höhe von 5 Prozent des Veräußerungserlöses; sind mehrere Kunsthändler oder Versteigerer beteiligt, sind sie zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig. Der Veräußerer und der Erwerber haften für die Zahlung der Vergütung jedenfalls wie ein Bürge und Zahler.

(2) Der Vergütungsanspruch nach Abs. 1 ist unverzichtbar und unter Lebenden unübertragbar; er kann nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Die Verwertungsgesellschaften haben sämtliche Ansprüche wahrzunehmen und an ihre Bezugsberechtigten zu verteilen; innerhalb der Frist des § 90 Abs. 2 1. Satz sind bei der Verteilung auch Anspruchsberechtigte zu berücksichtigen, die erst nach Entstehen des Anspruches Bezugsberechtigte geworden sind.

(3) Abs. 1 gilt nicht für Urstücke von Werken, der in § 16 Abs. 4 beschriebenen Art und der angewandten Kunst (des Kunstgewerbes).

(4) Ansprüche nach Abs. 1 bestehen zugunsten des Urhebers für die Dauer von 70 Jahren nach seinem Tod. An allen anderen Werken stehen die Vergütungsansprüche der Verwertungsgesellschaft (Abs. 2) zu. Diese hat die Vergütungen insoweit sozialen Zwecken und kulturellen Zwecken dienenden Einrichtungen zuzuführen.

(5) § 87a gilt mit der Maßgabe entsprechend, daß Glaubhaftmachung des Vergütungsanspruchs genügt. Bei Verletzung der Rechnungslegungspflicht nach § 87a Abs. 1 beträgt die Vergütung das Doppelte des in Abs. 1 festgelegten Anteils."

*****


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Meine Damen und Herren! Ich glaube, dieser Antrag ist dazu berechtigt, auch Ihre Zustimmung zu bekommen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Abgeordnete. Der Antrag, den Sie verlesen haben, ist ausreichend unterstützt, er ist in die Verhandlungen miteinbezogen.

Ich habe keine Wortmeldung mehr vorliegen und schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich bitte, jetzt die Plätze einzunehmen, da wir einige Abstimmungen durchzuführen haben.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 40 der Beilagen unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter vorgetragenen Druckfehlerberichtigung.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht. Die Abgeordneten Dr. Schmidt, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag sowie Abänderungsanträge eingebracht. Ich werde daher über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung eines § 16c in Artikel I bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Mag. Stoisits und Genossen bezieht sich auf Artikel I Z 5.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Artikel I Z 5 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Textteil ist in der Fassung des Ausschußberichtes angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der Z 6 in Artikel I zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Krüger sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse jetzt über Artikel I Z 6 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen bezieht sich auf Artikel I Z 8.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 8 aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Ich komme sogleich zur Abstimmung über Artikel I Z 8 in der Fassung des Ausschußberichtes und ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Textteil ist in der Fassung des Ausschußberichtes angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 15 § 56d Abs. 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Artikel I Z 15 § 56d Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die der Fassung des Ausschußberichtes zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 22 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag hat nicht die erforderliche Zustimmung gefunden.

Ich lasse nunmehr über Artikel I Z 22 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen. Wer dafür ist, möge das durch ein entsprechendes Zeichen kundtun. – Diese Bestimmung ist in der Fassung des Ausschußberichtes einstimmig angenommen. (Abg. Dr. Schmidt: Besser als nichts!) – Bitte? (Abg. Dr. Schmidt: Das war meine Begründung!) – Danke.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen bezieht sich auf Artikel VI Abs. 1.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Schmidt, Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel VI Abs. 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist nicht angenommen.

Ich lasse sogleich über Artikel VI Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen. Wer dafür ist, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Dieser Textteil ist mit Mehrheit in der Fassung des Ausschußberichtes angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Schmidt, Mag. Stoisits und Genossen je einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung des Abs. 2 in Artikel VI bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für die Streichung sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über Artikel VI Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Schmidt, Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel VI Abs. 3 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Ich lasse sogleich über Artikel VI Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen. Wer dafür ist, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Diese Bestimmung ist in der Fassung des Ausschußberichtes mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang – unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter vorgebrachten Druckfehlerberichtigung – in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für diesen Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

4. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Kunstbericht 1994 der Bundesregierung (III-3/50 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Kulturausschusses über den Kunstbericht 1994 der Bundesregierung.

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schwemlein. Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, die Debatte mit der Berichterstattung zu eröffnen.

Berichterstatter Emmerich Schwemlein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Kulturausschusses über den Kunstbericht 1994 der Bundesregierung (III-3/50 der Beilagen).

Der Kunstbericht 1994 bringt eine Aufstellung dessen, was zeitgenössische österreichische Kunst und österreichische Künstler/innen zu leisten vermögen, wie sehr sie sich in den internationalen Diskurs einbringen können, und was das vergangene Jahr an bedeutenden künstlerischen und literarischen Leistungen aufzuweisen hat.

Der Kulturausschuß hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 26. Februar in Verhandlung gezogen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Kulturausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Kunstbericht 1994 der Bundesregierung zur Kenntnis nehmen.

Herr Präsident! Ich bitte, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.

Für diese Debatte wurde eine Redezeitbeschränkung von 10 Minuten pro Redner vereinbart, wobei nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung einem Redner jeder Fraktion eine Redezeit von 20 Minuten zur Verfügung steht.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Herr Abgeordneter! Sie haben das Wort.

14.39

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Jeder, der sich ernsthaft mit Kunstförderung befaßt, wird erkennen, daß es da und dort Mißstände gibt.


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Ich zitiere, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst den ehemaligen Leiter der Wiener Galerie Pakesch, Herrn Peter Pakesch, der in einem im "profil" Nr. 45 vom 6. November 1995 abgedruckten Interview über die österreichische Kunstbürokratie geklagt hat. Er hat nicht nur über die Kunstbürokratie geklagt, sondern auch, sehr geehrter Herr Minister, über die Lobbys, die sich um die Subventionen reißen.

Herr Peter Pakesch ist mittlerweile Leiter der Kunsthalle von Basel. Er ist also jemand, der vom Kunstbetrieb, insbesondere in der bildenden Kunst, wirklich eine Ahnung hat, was die Praxis anlangt.

Er sagt hier, daß in Österreich alle Kunstaktivitäten mehr mit der Staatsbürokratie als mit dem Publikum zu tun haben. Es gibt, beklagt er weiters, keine Kunstöffentlichkeit, sondern Lobbygruppen, die sich um staatliches Geld reißen.

In dieselbe Kerbe, Herr Bundesminister, schlägt der bekannte bildende Künstler Wolfgang Zinggl, wenn er sich in einem Interview in der Tageszeitung "Die Presse" vom 9. November 1995 darüber beklagt, daß nach bestimmten Kriterien, die nicht offenliegen, gefördert wird. Da spielen "Connections", medialer Druck eine Rolle, sagt er.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht zuletzt beklagt auch Elfriede Jelinek die derzeitige Situation der Kunstschaffenden sowie die Kunstförderungspolitik in Österreich. Sie führt aus, daß die Situation der Künstler einer "kernfauligen Mozartkugel" gleicht. Ich bin weit davon entfernt, Künstler herabzusetzen. Dieses Zitat bezieht sich offensichtlich – und ich trete diesem Zitat bei – auf die Situation der Bundeskunstförderung.

Elfriede Jelinek führt weiters aus, daß die steuerlichen Anreize ja alles andere als optimal sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von den Freiheitlichen vertreten seit geraumer Zeit die Auffassung, daß wir uns vom Bundeskunstmonopol des Staates langsam zumindest zum Teil wegbewegen sollten in Richtung Anerkennung von Ausgaben für zeitgenössische Kunst als Sonderausgaben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur dadurch wird es zu einer entsprechenden Verbreitung des Kunstangebotes und einer breiteren Palette von Geschmacksrichtungen kommen. Jetzt ist die Situation so, daß dem Ministerium – monokratisch selbstverständlich, nach dem Bundesministeriengesetz – ein Minister vorsteht, dem zwar Entscheidungsgremien unterstellt sind, aber letztlich bleibt die Ministerverantwortung erhalten. Das heißt, daß ein Minister, auch wenn er sich seiner Beiräte bedient, doch die Möglichkeit hat, auch seinen eigenen Maßstab an die Kunstförderung anzulegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird niemand ernstlich die Mißstände in dieser Bundeskunstförderung bestreiten, welche ja letztlich im Kulturförderungsbericht des Bundes dokumentiert sind. Ich denke da etwa an den Verein für Gegenkultur, sehr geehrter Herr Minister, der gefördert wurde, und dessen Obmann kein geringerer als einer der Ebergassing-Attentäter, nämlich Gregor Thaler, war.

Man findet allerdings auch noch eine Vielzahl anderer kurioser Dinge, wenn man den Kunstförderungsbericht durchblättert. Ich denke da etwa an einen Verein, der sich wie folgt nennt – und das, Herr Minister, muß man sich auf der Zunge zergehen lassen –: Es handelt sich nicht um den Verein für Gegenkultur des Herrn Thaler, wo ja schon im Vereinsnamen die Kunst- und Kulturfeindlichkeit zum Ausdruck kommt, nein. Dieser Verein, den ich keinesfalls in einen Topf werfen will mit dem unseligen Verein des Terroristen Gregor Thaler, heißt wörtlich: Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen. – Herr Bundesminister! Ich will dem Verein ja nicht nahetreten. Aus dem Bundesförderungsbericht geht ja nicht mehr hervor als die Tatsache, daß der Verein gefördert wurde, sodaß wir in diesem Stadium – ohne Anfragebeantwortungen zu haben beziehungsweise entsprechende Anfragen eingebracht zu haben – auf die Interpretation des Namens angewiesen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ist das ein Karnevalsverein, ein Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen? (Abg. Mag. Stoisits: Herr Abgeordneter Krüger! Sie können sich nicht


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vorstellen, daß man Gedankenüberschüsse haben kann!) Frau Kollegin Stoisits! Ihre Gedankenüberschüsse kennen wir nur zu gut, also behalten Sie sich das vielleicht für eine eigene Wortmeldung vor. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Frau Kollegin Stoisits! Sie sagen, Sie haben Gedankenüberschüsse. Suchen Sie doch auch einmal um eine Kunstförderung an, wenn diese so vielfältig und so kreativ sind!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundeskunstförderung ist in der Zeit von 1990 bis 1994 um 80 Prozent gestiegen: von 615 Millionen Schilling im Jahr 1990 auf 1 120 Millionen Schilling im Jahr 1994. Vordergründig wird das aus der Sicht der Künstler als positiv betrachtet werden können – wohlgemerkt, Herr Bundesminister: nur vordergründig. Denn ich habe bereits im Kunstausschuß die These vertreten, daß die Abhängigkeit umso größer ist, je höher die Subvention ist. Das ist überhaupt keine Frage. Das ist auch kein Vorwurf an die Künstler, sondern es ist generell im Leben so, daß sich aus dem Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses natürlich eine Zwangslage ergeben kann, die unter Umständen entsprechend ausgenutzt wird. (Abg. Anschober: Ja, ja!)

Ich war deshalb im Kunstausschuß wirklich überrascht, als die These von dieser Korrelation zwischen der Höhe der Subventionen und der Abhängigkeit in Abrede gestellt wurde. Ich weiß nicht, warum man sich hier den logischen Denkgesetzen nicht anschließt, mir ist das jedenfalls unverständlich, weil es eindeutig so ist. Es gibt ja auch das alte Sprichwort: Wes Brot ich eß, des Lied ich sing.

Daß das nicht auf alle Künstler zutrifft, ist überhaupt keine Frage. Ich will auch niemandem nahetreten, aber wenn Künstler sich nach der Decke strecken müssen, wenn sie am Rande der Armut leben, dann sind sie naturgemäß doch geneigt – auch im Interesse ihrer bürgerlichen Existenz –, sich den Geschmacksrichtungen des Staates, der staatlichen Bundeskunstförderung zu unterwerfen, um in den Genuß der Mittel zu kommen.

Herr Bundesminister! Sie können noch so feingliedrige Förderungsrichtlinien aufstellen: Letztlich ist Kunst nicht definierbar. (Abg. Öllinger: Feinsinnig!) Auch der Verfassungsgesetzgeber hat Kunst nicht definiert, sondern Kunst als etwas Selbstverständliches vorausgesetzt. Hier sehe ich die Gefahr, daß manche Künstler geneigt sind, sich nicht aus Opportunismus, sondern ganz einfach, um ihre bürgerliche Existenz zu sichern, nach Kriterien, die Sie und Ihr Ministerium vorgeben, zu richten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben diese Abhängigkeit von Subventionen im Kulturausschuß diskutiert. Ich möchte nicht verschweigen, Herr Bundesminister, daß ich Ihnen dort einen Vorwurf gemacht habe, den Sie in Abrede gestellt haben. Ich möchte ihn aber dennoch wiederholen, weil Ihr Standpunkt doch einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgemacht werden soll.

Im "profil" Nr. 47 vom 20. November 1995 wird unter der Überschrift "Scholtens Schneebälle" sinngemäß geschrieben, daß Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, im Zuge des Wahlkampfes für die Nationalratswahl 1995 eine Art Kettenbrief an Künstler gestartet haben, der sich gegen Blau-Schwarz gewendet hat. Und Sie haben laut dieser Berichterstattung, Herr Minister – Sie haben hier ja dann Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen –, angeblich dafür gesorgt, daß sich dieser Brief pyramidenartig beziehungsweise lawinenartig verbreitet hat.

Ich möchte aber allerdings auch nicht unerwähnt lassen – ich habe das auch im Ausschuß gesagt –, daß ich ganz durch Zufall auf der Fahrt von Linz nach Wien jemanden getroffen habe, der Adressat eines solchen Kettenbriefes war – ich weiß nicht, ob dieser Kettenbrief dezidiert von Ihnen war oder von einem Ihrer möglichen Erfüllungsgehilfen – und sich dem verweigert hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zeigt doch diese Abhängigkeit sehr deutlich; es zeigt auch, daß diese Abhängigkeit vor Mißbrauch nicht geschützt ist.

Es gibt eine Vielzahl von Unvereinbarkeiten in der Bundeskunstpolitik, so zum Beispiel die Interessengemeinschaft der Autoren: Der Vereinspräsident – ich weiß nicht, ob er schon


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zurückgetreten ist oder gerade im Begriff ist zurückzutreten – Milo Dor ist nicht nur Vereinspräsident der Interessentengesellschaft Autoren, sondern darüber hinaus auch SPÖ-Kuratoriumsmitglied für kulturelle Anliegen der SPÖ.

Gerade dieser Verein "IG Autoren" ist eine Institution, die sich immer wieder damit hervortut, den Freiheitlichen eines am Zeug zu flicken. Wir wissen, daß der Verein "IG Autoren" nahezu konkursreif ist, das wurde nach der Frankfurter Buchausstellung selber eingestanden. Aber ich habe keine Sorge: Mit Hilfe der "Connections" des Milo Dor zu Herrn Minister Scholten wird das Füllhorn des Steuerzahlers sicher wieder üppig ausgeschüttet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mir an der Bundeskunstförderung besonders mißfällt, ist die Knüpfung eines Netzes von Abhängigkeiten und der Versuch einer Gleichschaltung der Bundeskunstförderung. Nirgends tritt das mehr zutage als bei der Förderung der sogenannten freien Kulturinitiativen. Wir stehen auch vor dem Phänomen, daß es auf Landesebene einzelne lokale Kulturinitiativen gibt, die zusammengefaßt werden zu einer Kulturplattform, so wie es in Oberösterreich der Fall ist – und dann gibt es wieder einen Dachverband für ganz Österreich, die "IG Kultur" –, und diese Damen und Herren lassen sich halt dann in Wahlkampfzeiten sehr trefflich einspannen – das ist das Traurige daran.

Der Redakteur der Tageszeitung "Die Presse", Dr. Hans Haider, hat davon gesprochen, daß die SPÖ ein stalinistisches Förderungsmodell kopiert. Man will durchgängig von oben alles gleichschalten, von der "IG Kultur" bis hinunter. Und die Abhängigkeit besteht, denn die freien Kulturinitiativen werden jährlich mit insgesamt 50 Millionen Schilling subventioniert.

Wir wissen auch, sehr geehrter Herr Bundesminister, daß sage und schreibe ein Drittel dieser 50 Millionen Schilling nicht für kreative Arbeit, sondern für pure Verwaltung aufgeht. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Herr Kollege Öllinger! Soll ich jetzt Ihre Affinität zu einem Verein kommunistischer Prägung namens "Kanal Schwertberg" hier darlegen? Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrem Zwischenruf hier wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Es ist überhaupt keine Frage: Es kann jeder einmal irren, es kann jeder auch politisch irren, und ich billige Ihnen durchaus zu, daß Sie sich jetzt den demokratischen Werten dieses Landes verbunden fühlen.

Ich möchte aber doch auf den "Kanal Schwertberg" zurückkommen. Das Unschöne der Bundeskunstförderung für diesen Verein ist, daß der "Kanal Schwertberg" ein Teilverein der Kulturplattform Oberösterreich ist, und darüber geschaltet ist – wie bereits erwähnt – bundeseinheitlich die "IG Kultur", um nicht zu sagen, gleichgeschaltet. Dieser Verein "Kanal Schwertberg", kommunistisch unterwandert, ist die Vertriebsstelle des "TATblatt", bestens bekannt als Terroristenpamphlet. Herr Minister Einem hat ja diesem Pamphlet zu einiger Berühmtheit verholfen.

Es gibt selbstverständlich lokale Kulturinitiativen anderer Art, die sich vehement dagegen wehren, daß sie mit dem "Kanal Schwertberg" in einen Topf geworfen werden. Niemand will gerne mit einer Vertriebsstelle für Terrroristenblätter etwas zu tun haben. Herr Kollege Öllinger, Sie wissen es sicher: Es heißt ja auch "das Blatt für Täterinnen und Täter". Das Unschöne ist, daß sie aber nicht austreten können, weil sie auf die Förderung angewiesen sind, die sie sich im Wege der Kulturplattform auf der Länderebene und dann letztlich über die "IG Kultur" und über die Beiräte, die Sie eingerichtet haben, besorgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Grund, weshalb wir uns als Ausweg das Prinzip des Kultursponsorings wünschen – nicht nur im gewerblichen, sondern auch im privaten Bereich. Momentan ist die liberale Fraktion stumm (Abg. Motter: Wir haben nur Anstand, Herr Kollege! Wir wollen Sie nicht unterbrechen!) , das entspricht aber im übrigen, glaube ich, auch einer Überlegung der Liberalen, und das ist auch gut so. Ich leide nicht unter diesem Reflex, daß alles, was von Ihnen kommt, schlecht sein muß. Aber akzeptieren Sie bitte, daß die Anerkennung von Ausgaben für zeitgenössische Kunst als Sonderausgaben sicherlich sehr gut geeignet wäre, um von dieser Abhängigkeit, um von diesem unschönen feudalistischen Kulturmonopol wegzukommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mir von den 20 Minuten Redezeit noch ein paar Minuten aufheben, um möglicherweise später noch reagieren zu können. Ich möchte aber diese Rede schon auch, weil es um die Förderung der Kunst geht, dafür benützen, an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers, der zwar nicht zugegen ist, einige Worte zu richten hinsichtlich dessen, was sich der Herr Bundeskanzler bei den Trauerfeierlichkeiten anläßlich der Bestattung des Schauspielers Josef Meinrad geleistet hat, und zwar die Auslassungen gegen die FPÖ und gegen Jörg Haider. Es ist einfach unwürdig, pietätlos und taktlos, Herr Kollege Cap, eine Trauerfeierlichkeit für parteipolitische Agitation zu mißbrauchen. Das ist ein Tiefpunkt in den Auslassungen der SPÖ gegenüber der FPÖ. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber diese Geisteshaltung ist auch dem Herrn Bundesminister nicht fremd. Ich denke an seine Auslassungen gegen die Freiheitlichen bei den Salzburger Festspielen. Ich habe allerdings freudig festgestellt, daß sich der Applaus sehr in Grenzen gehalten hat. (Abg. Öllinger: Aber Ihrer jetzt auch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zum Schluß. Ich glaube, die Beispiele zeigen doch sehr eindrucksvoll, daß die sozialdemokratische Fraktion vom Grundsatz der Unverzichtbarkeit des Kulturressorts als Ideologieressort ausgeht. Wenn Sie jetzt wieder sagen, das ist eine Unterstellung, dann sage ich Ihnen: Nein, es ist die Wahrheit. Frau Dr. Ursula Pasterk, Kulturstadträtin von Wien, hat davon gesprochen, daß das Kulturressort ein unverzichtbares Ideologieressort ist, über das man, so hat sie sich wortwörtlich ausgedrückt, gewisse Dinge transportieren kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ihnen von der SPÖ geht es nicht um eine Förderung der Künstler, Ihnen geht es in erster Linie darum, daß Sie Ihre Ideologie via Künstler entsprechend transportieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

14.58

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Mir ist irgendwie nicht ganz klar, was eigentlich die Botschaft des Vorredners war, der sich selbst Kultursprecher der FPÖ nennt. (Abg. Öllinger: Welche Botschaft?) Wir wollten uns doch hier zusammenfinden, um über den Kunstbericht eine sehr analytische und tiefgreifende Diskussion zu führen. Er hat eher eine Selbstdarstellung seiner eigenen Psychostruktur geleistet und offensichtlich auch des aktuellen Kulturverständnisses, das die FPÖ-Fraktion im Moment hier im Haus repräsentiert.

Wenn man sich allein die Wortwahl ansieht, muß man sagen: Es war kein Beitrag zu einer wirklich gedeihlichen Debatte. Wissen Sie überhaupt, was Stalinismus ist? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wollen Sie uns eine gewisse Halbbildung mitteilen, oder Sie sind nicht imstande, einzuschätzen, was dieser Vorwurf stalinistisches Förderungsmodell bedeutet. Sie wissen, daß dieses System Millionen Tote zu verantworten hat. Wie können Sie eigentlich hier herausgehen und ein Förderungsmodell in einer demokratischen Republik als stalinistisches Förderungsmodell bezeichnen? (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es ist jedenfalls ein Riesenskandal, daß Sie so weit heruntersteigen und mit dieser Begrifflichkeit hier arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht hier im wesentlichen um die prinzipielle Debatte, wie man einer innovativen Kunst und Kultur gegenübersteht. Es geht um die prinzipielle Diskussion, ob man die Akzeptanzprobleme, die es in bezug auf die zeitgenössische Kunst gibt, für die Zwecke ausnützt, die Sie hier immer wieder darstellen, oder ob man bereit ist, einem liberalen Gesellschaftsmodell Rechnung zu tragen und aus einer prinzipiellen Überlegung heraus zeitgenössische Kunst zu unterstützen.

Dazu sind Sie nicht willens, dazu sind Sie nicht imstande. Für Sie ist alles, was Innovation ist, schon verdächtig, denn Sie unterstellen, daß das so etwas wie ein Staatskünstlertum ist: je mehr Förderung, desto mehr Staatskünstler. Das sei ohnehin ein totalitäres System, das es zu


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bekämpfen gilt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist Ihre Grundposition, die Sie einnehmen, über die wir wirklich noch genauer diskutieren sollten.

Dabei wissen Sie in Ihrer Halbgebildetheit ja gar nicht – und das ist der zweite Punkt –, was "Staatskünstlertum" wirklich bedeuten würde, oder Sie wissen es schon, dann ist das wiederum ein Riesenskandal. Sie haben sich im Kulturausschuß aufgepudelt, als ich gesagt habe, daß gemäß Ihrer Abhängigkeitsthese Staatskünstlertum für Sie offensichtlich bedeuten würde: Je größer der Subventionsbezug, desto kretinistischer ist die jeweilige Kunstgattung oder der jeweilige Künstler. Da haben Sie sich aufgepudelt, welche Sauerei das ist, daß ich Ihnen das vorwerfe. Aber das ist doch der zwingende Schluß! Staatskünstler sind diejenigen, die sich auch die ästhetischen Normen und das Kunstverständnis vorschreiben lassen, die sagen: Aha, ich bekomme eine Subvention, daher ordne ich mich jetzt irgendeiner – von Ihnen so böse beschriebenen – Kulturbürokratie unter, die außerdem noch normiert, was ich im Sinne des Staatsganzen und des Staatswohles künstlerisch zu produzieren habe. Sie denken das überhaupt nicht zu Ende, was Sie hier sagen! (Zwischenruf der Abg. Aumayr .) Kollegen Krüger konzediere ich, daß er das nicht zu Ende denkt, aber die meisten von Ihnen wissen, was sie damit sagen wollen. Sie wollen damit einfach einen Popanz aufbauen und sagen: Das ist ein verrottetes System, mit dem in Wirklichkeit nur Freunde und Freunderln mit irgendwelchen Lehen und Begünstigungen versorgt werden. Das hat mit Kunst und Kultur gar nichts mehr zu tun. – So reden Sie, aber in Wirklichkeit geht es Ihnen offensichtlich um etwas ganz anderes. (Zwischenrufe des Abg. Ing. Reichhold und des Abg. Haigermoser .)

Ich werde Ihnen jetzt einmal eine Möglichkeit von "Kunstverständnis" zitieren: "Die Kunst muß Verkünderin des Erhabenen und Schönen und damit Trägerin des Natürlichen und Gesunden sein." – Können Sie mit diesem Satz etwas anfangen? Wie finden Sie diesen Satz, Herr Kultursprecher? – Ich zitiere weiter: "Ist sie dies, dann ist für sie kein Opfer zu groß, und ist sie dies nicht, dann ist es schade um alles, was es dafür auszugeben gilt. Denn damit ist sie nicht ein Element des Gesunden und damit des Aufbaus und des Fortlebens, sondern ein Zeichen der Degeneration und damit des Verfalls." – Das ist offensichtlich Ihr "Kulturverständnis"! Und ich denke, daß es genau dieses "Kulturverständnis" hier zu bekämpfen gilt. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .)

Es geht nämlich darum, daß es uns gelingt, einen Rahmen zu bilden, damit es nicht zu einer Unterordnung unter die Marktlobby kommt, sondern daß wir Zugänge schaffen, damit sich die zeitgenössische Kunst wirklich entwickeln kann, und daß wir auch Subkulturen zulassen. Wir sollten imstande sein, möglichst vielen Kulturen zu ermöglichen, daß sie sich integrieren. Es muß einen Dialog geben, aufgrund der Subvention müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Kultur sich entfalten kann. Das ist ein liberales und soziales Gesellschaftsmodell, aber das ist kein totalitäres Gesellschaftsmodell, wie Sie es offensichtlich mit Ihren autoritären Konzeptionen in Ihrer Führergesellschaft ansprechen wollen. Das ist Ihr Konzept, aber nicht unser Konzept. Dieses Konzept gilt es hier zu bekämpfen.

Wenn Sie diese Polarisierung wollen, dann tragen wir das auch hier aus, aber ganz offen! Dann reden Sie aber nicht darum herum, sondern nehmen Sie dezidiert Stellung, wie Ihr Kulturbegriff diesbezüglich wirklich lautet!

Sie haben eine verräterische Sprache: Sie sagen: "Gleichschaltung", "feudalistisches Kulturmonopol" und – ich zitiere noch einmal – "stalinistisches Förderungsmodell". Und Sie sprechen ununterbrochen von "Staatskünstlern". – Damit wollen Sie nichts anderes sagen, als daß es sich hiebei um lauter bezahlte, nicht künstlerische Kretins handelt, die in Wirklichkeit nur die Laufburschen all derer sind, die den Blauen am Zeug flicken wollen. – Das ist Ihr ganz einfaches Modell!

Die verschärfte Variante sind Ihre Plakatbeispiele, mit denen Sie dann auch noch zum Denunzieren greifen: Sie stellen Künstler und Politiker an den Pranger und denunzieren sie, einfach so, wie man das halt in Ihrem Kunst- und Politikverständnis macht.


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Sie haben noch immer nicht gesagt, wie Sie das Zitat vorhin über das "Erhabene" und das "Schöne" gefunden haben. Wie finden Sie es? – Ganz akzeptabel, oder? – Haben Sie Probleme? Sie sagen nicht nein, Sie sagen gar nichts! – Es stammt im übrigen von Adolf Hitler und ist 1935 auf dem Nürnberger Parteitag gesagt worden. Deshalb hat es Ihnen offensichtlich die Sprache verschlagen Deshalb haben Sie nicht gesagt: Gar so übel ist der Ausspruch gar nicht. – Aber es ist nicht zeitgemäß, daß man sich dazu bekennt. Das ist aber offensichtlich das "Kunst-" und "Kultur"-Verständnis, mit dem Sie sich im Moment auseinandersetzen.

Ich möchte nun noch auf einen Aspekt zu sprechen kommen, der im Zusammenhang mit dem Kunstbericht ein ganz wichtiger ist. Es geht doch bitte nicht nur darum, über Förderungsprinzipien zu diskutieren. Dieser Kunstbericht ist doch eine Visitenkarte der Kulturpolitik! Dieser Kunstbericht zeigt auf, wo die Schwerpunkte liegen und wo kulturpolitische Standorte entwickelt werden. Ich glaube, daß im Vorwort da sehr gut und sehr klar Position bezogen wird, daß nämlich wirklich herausragende kulturelle Ereignisse beschrieben worden sind, die für Sie allerdings offensichtlich alle nicht interessant sind. – Aber wir können nicht dauernd über Feuer hüpfen und Sonnwendfeiern abhalten und diese möglicherweise noch durch Holzdeputate fördern, nur weil Sie das wollen. Wir können auch nicht eine Neubelebung der altgermanischen Sprache herbeiführen, nur weil Sie wollen, daß wir dann in diesem Plenarsaal alle unverständlich nuscheln. – Wenn das Ihr Kulturverständnis ist, dann sagen Sie das!, dann setzen Sie sich am besten irgendwelche Hörner auf, damit wir wissen, woran wir hier mit Ihnen sind! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger .)

Es ist nämlich ärgerlich, daß Sie hier unter dem Pseudonym von Interessenvertretern der Bevölkerung gegen die böse Kulturbürokratie auftreten, in Wirklichkeit aber nur verschleiern wollen, was Ihr wahres Ziel im Hintergrund ist.

Um das Ziel geht es aber. Wir haben im Kulturausschuß darüber diskutiert und auch sehr detailliert dazu Stellung bezogen. Ich glaube, daß es sehr wichtig ist, auch hier festzustellen, daß dieser Kunstbericht sehr umfassend ist, daß er in sehr deutlicher Weise sämtliche Förderungsmaßnahmen erfaßt und daß sehr präzise Erklärungen darin enthalten sind. Es wird, wie ich meine, darin wirklich in einer sehr guten Art und Weise dargestellt, was auf diesem Gebiet passiert.

Man kann bei der einen oder anderen Maßnahme unterschiedlicher Meinung sein. Man kann bei dem einen oder anderen Schwerpunkt unterschiedlicher Meinung sein. Wir sind da parteiintern auch nicht immer einer Auffassung. Aber wir haben einen gemeinsamen Grundkonsens, und zwar Kunst möglich zu machen, einen Rahmen dafür zu schaffen, sich nicht einzumischen, keine Normen vorzugeben, nicht einzugreifen und zu unterdrücken, und eben nicht so zu agieren, als ob es "Staatskünstler" seien.

Ich habe manchmal den Eindruck, daß bei Ihnen ein gewisses Bedauern darüber mitschwingt, daß erstens nicht Sie der Staat sind und zweitens, daß daher nicht Sie bestimmen können, wie Staatskünstlertum zu definieren ist. Diesen Eindruck habe ich, diese Haltung kommt manchmal ein bißchen bei Ihnen hervor. Das stelle ich auch bei Ihren anderen Wortmeldungen und Stellungnahmen in diesem Bereich immer wieder fest.

Was mich wundert, ist, daß wir den Bereich der Massenkultur gar nicht diskutiert haben. Das ist etwas, was ganz, ganz wichtig ist. Sie sagen immer: Reden wir auch über Bereiche, die keine Förderung brauchen. – Es ist selbstverständlich auch Gegenstand einer Kulturdebatte, daß man sich die Frage stellt, wie man sich mit diesen Phänomenen auseinandersetzt, die in der heutigen Zeit eine ganz, ganz große Rolle auch bei den gesellschaftspolitischen Entwicklungen spielen. Da gibt der Markt vor und entscheidet, was erfolgreich ist, und der Markt gibt auch den Preis an. Auch damit sollte man sich kritisch auseinandersetzen, aber nicht überheblich und nicht aus einer Hochnäsigkeitsposition heraus, weil das halt Massenkultur ist.

Ich denke, ein weiterer Aspekt spielt hiebei große Rolle, und zwar der gesamte Aspekt der neuen Medien. Möglicherweise spielt dieser Aspekt für Sie keine Rolle, aber allgemein und objektiv spielt er eine sehr wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang werden wir uns durch die


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Einführung der neuen Medien auch mit Fragen der Technik und Industrie, der neuen Marktgegebenheiten und neuen Kunstformen auseinanderzusetzen haben. Ich meine, daß das ein ganz, ganz wesentlicher Aspekt ist, wenn man auch in Zukunft diese Entwicklung unterstützen und fördern will.

Damit sind auch sehr viele demokratiepolitische Fragen verbunden, etwa die Frage: Wer hat dann Zugang zu diesen neuen Medien? Welche Kultur- und Lebensformen werden dann damit verbunden? Wir können den Kulturbegriff doch durchaus weiter fassen, als das immer getan wird, anstatt sich damit aufzuhalten, ob vielleicht 37 S falsch positioniert sind. Sie kommen nämlich dauernd und sagen: Wie sieht denn das vom Gesetz her aus? – Das war Ihr erster Kriminalisierungsanlauf, den Sie im Kulturausschuß gemacht haben. Sie haben gefragt: Haben Sie das Gesetz jetzt auch wirklich ganz genau eingehalten? – Das haben Sie in dem Wissen gesagt, daß die Vergabepraktiken öffentlich sind. All das wissen Sie, unterstellen aber immer, daß jedes Regierungsmitglied, wenn es nicht von der FPÖ ist, a priori mit einem Fuß schon im Kriminal stecken muß, quasi naturgegeben, weil es nicht von Ihrer Partei ist. – Das ist ein Stil der Auseinandersetzung, der eine Form in diese Kulturdebatte bringt, daß man sagen muß: Wir müssen offensichtlich nicht nur über Inhalte, sondern auch über die Form der Debatte genauer diskutieren.

Mich haben auch ein bißchen, das muß ich sagen, die Art und Weise und der Stil der Abgeordneten Rauch-Kallat in diesem Zusammenhang befremdet. Ich weiß schon: Es ist die Aufgabe von Abgeordneten, möglichst unangenehm und kritisch zu agieren. Ihre Ausführungen bekamen aber einen fast schon inquisitorischen Charakter, als ob bei der IG Autoren der Herr Minister und andere den Vorstand wählen und im Vorstand sitzen würden und dort als Troubleshooter auftreten müßten. Da gab es teilweise Annahmen, daß ich sagen möchte: Sie müssen Ihrem Klubsekretär sagen, daß er ein anderes Papier verfassen soll, denn es ist auf dieser Ebene wirklich absurd, so zu tun, als ob man, wenn man Subventionen vergibt, dort gleich anwesend wäre. Das würde nämlich dem Bild entsprechen, das die Freiheitlichen ganz gern haben: Es werden Subventionen vergeben, aber dann sitzt Kommissar Krüger im Vorstand und schaut, was mit diesen Subventionen geschieht, dann sitzt Kommissar Krüger im Vorstand und schreibt die Protokolle, dann sitzt Kommissar Krüger im Vorstand und sagt: Das sind die Guten und das sind die Schlechten, und die Schlechten müssen aus dem Vorstand raus und die Guten rein. Dann kämen die strammen Maxeln aus Ihren Verbindungen herein – tapp, tapp, tapp, tapp, tapp – und brächten die Kulturrevolution in Gang – selbstverständlich die Kulturrevolution, die Sie meinen. Das ist ja ganz klar, welche Form von Kulturrevolution dann von Ihnen ausginge. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger .)

Wie halten Sie das aus, Herr Abgeordneter Haupt? Sie wissen, daß das so ist. Sie schauen so nachdenklich. Sie wirken wie jemand, der sich gerade wieder vorwagt, um eigenständige Gedanken zu formulieren. Sagen Sie doch diesen Jungen endlich einmal Ihre Meinung, geben Sie ihnen doch einmal Saures! So kann das doch nicht weitergehen! Hauen Sie doch endlich einmal auf den Tisch! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Es muß doch endlich einmal eine Front der Vernunft entstehen! – Schauen Sie, er wird ganz nervös, er weiß, daß es so ist, er kennt das, er hat Angst vor Ihnen. Sie sollten das ausnutzen, da können Sie unter Umständen etwas bewegen, wenn er da so zittrig reagiert.

Ich glaube, daß es wirklich wichtig ist, daß wir diesen Kunstbericht in seiner ganzen Breite diskutieren. – Sie sind im übrigen ja auch Bestandteil der Kultur, das muß ich sagen, es hilft ja alles nichts! Wir haben wirklich eine beachtliche kulturelle Bandbreite, und in dieser Breite sind Sie sozusagen auch enthalten. Ich weiß allerdings nicht, in welcher Falte, in welchem Segment unserer parlamentarischen Kultur Sie sich verbergen. Sie sind die sogenannte historische Unvermeidbarkeit. Es war einfach nicht zu verhindern. Sie sind durch irgendeine Ritze in dieses Parlament gedrungen und haben die Kulturbreite hier erweitert, teilweise zu unserem Amüsement, teilweise zu unserem Schrecken. Sie werden diese Rolle aber auf alle Fälle nur zeitlich begrenzt spielen, dafür werden wir sorgen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

15.13


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Höbinger-Lehrer. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Redezeit: zehn Minuten.

15.13

Abgeordnete Dr. Liane Höbinger-Lehrer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt geglaubt, daß ich vom Herrn Kollegen Cap wirklich Aufklärung über diesen Kunstbericht bekommen werde. (Abg. Dr. Haselsteiner : Sie müssen ihn schon selbst lesen!)

Am Anfang hat Cap gesagt, Dr. Krüger habe nur polemischen Blödsinn geredet. Da habe ich mir gedacht: Jetzt wird er das sagen, was auch mich erleuchtet. (Abg. Dr. Haselsteiner : Das gibt es nicht!) Aber leider waren seine Ausführungen wieder nur polemisch, nur in die andere Richtung. Und so verhält es sich leider viel zu oft.

Frau Vorsitzende des Kunstausschusses! Ich erlaube mir, eine Bitte anzubringen: Sollten wir nächstes Jahr beim nächsten Kulturbericht noch in der selben Zusammensetzung sein – man weiß ja nicht, ob nicht wieder eine neue Legislaturperiode kommt oder ob jemand ausscheidet, zum Beispiel auch ich, das weiß ich nicht –, dann würde ich mir wünschen, daß wir für ein solches Werk, das immerhin 286 Seiten hat, in dem einige Dinge doch interessant und hinterfragenswert sind, ein bißchen mehr Zeit hätten. Man darf doch wohl sowohl als Opposition als auch als Koalitionspartner darum bitten, daß wir uns vielleicht zwei Nachmittage Zeit dafür nehmen! Ich weiß schon, daß jetzt alles besonders kurz abgehandelt wurde, weil wir die Unterlagen eben für das Plenum gebraucht haben. Aber zwei Stunden sind halt für einen so umfangreichen Bericht doch ein bisserl wenig. Natürlich können wir viele Anfragen an den Herrn Minister richten, aber das ist ja auch nicht angenehm, im persönlichen Gespräch geht es doch viel besser.

Aber zu meiner Auffassung vom Kunstbericht, die Herrn Cap sicherlich auch nicht passen wird, aber das macht nichts. Leider kann ich meine Anliegen nicht in so geschliffener Form vorbringen wie Herr Mag. Gudenus, der Ihnen sicher in besserer Form erwidert hätte.

Eines möchte ich gleich zu Beginn festhalten: Ich wende mich nicht gegen die Künstler. Nicht ein einziger, der subventioniert wird, wird von mir gerügt. Ich muß sagen: Wenn man dir gibt, dann nimm und arbeite damit!

Ich darf meine gesamte Rüge, wenn es eine geben sollte, nur an den Förderer richten, und zwar aus folgendem Grund: Ich hatte vor langer Zeit das Vergnügen, bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele anwesend zu sein. (Abg. Leikam : Wie lange ist das her, 30 Jahre?) Ob man bei dieser "Fidelio"-Aufführung von Vergnügen sprechen kann, darüber läßt sich streiten. Ich war aber jedenfalls sehr überrascht, daß Sie, Herr Minister – und das wird überleiten zu dem, was ich zum Kunstbericht sagen möchte –, in einer weltweit übertragenen Festspieleröffnung einen Angriff gegen uns Freiheitliche gestartet haben. Sie haben nämlich zur Gegenwehr aufgerufen. – Man höre und staune: "Gegenwehr"! – Das ist doch, glaube ich, ein Ausdruck, der laut Herrn Kollegen Cap lieber nicht vorkommen sollte. – Der Herr Minister hat jedoch dazu aufgerufen, Gegenwehr gegen jene zu üben, die das Wort "Freiheit" auf dem Schilde, in Wahrheit aber im Visier führen. – Und Sie kamen dann zu dem Schluß, daß es Ihnen lieber sei, wenn einem zu Unrecht, zehn Berechtigten aber nicht geholfen werde. – Da gebe ich Ihnen recht: Das ist die Kreiskysche Manier, wie man mit Mitteln, die einem im Rahmen des Budgets anvertraut sind, auch umgehen kann.

Ich darf eines dazu sagen: Ich billige den Angriff gegen Herrn Artmann nicht. Ich schätze ihn nämlich als Künstler sehr. Wenn Sie ihm geholfen haben, dann ist das allein Ihre Sache. Herr Artmann selbst ist für mich nicht so zu verurteilen, wie das von unserer Seite gemacht wurde, und ich habe das auch gesagt. Ich bleibe stets bei meiner Meinung.

Lassen Sie mich nun überleiten zu Ihrer Eröffnung, zum Vorwort zum Kunstbericht 1994. Ich bin zwar überrascht, aber ich hätte es vielleicht nicht sein sollen. Nach dem Vorwort 1993 und nach der Eröffnung der Bregenzer Festspiele hätte es mich nicht erstaunen sollen, daß Sie Ihr


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Kunstverständnis darin sehen, Kunst einzig und allein anzuerkennen, wenn sie provokant und tabuverletzend ist. – Ich glaube, es wurden ohnedies schon sehr viele – wenn auch nicht alle – Tabus verletzt.

Es kann aber doch auch ein Kunstverständnis anderer Art geben. Es muß nicht immer ein narzißtisch überhöhtes Kunstverständnis sein, aber für mich ist Kunst halt etwas, was mich freut oder was mich traurig macht, etwas, das mich zum Weinen bringt oder mich betroffen macht. Kunst muß für mich aber nicht unbedingt etwas sein, was sich in gewissen Niederungen ausdrückt.

Ich will nicht auf die vorjährigen Dinge eingehen, sie interessieren mich gar nicht mehr. Sie sagen aber: Auch im Namen der Kunst müssen alle Tabus verletzt werden, damit ein gesellschaftlicher Fortschritt erzielt wird. – Da frage ich Sie: Gibt es denn nichts, was wir an Tradition behalten wollen? Ich bin nicht gegen allen Fortschritt und gegen alles Neue. Ich bin für alles zu haben. Aber ein bißchen können wir die Tradition doch auch achten, ohne denjenigen, der sich dazu bekennt, sofort bis ins letzte zu mißachten. Das verstehe ich einfach nicht.

Es hat hier niemand davon gesprochen, was wo gefördert wurde. Ich sehe ein, daß den größten Brocken, der selbstverständlich ein Kulturbudget und Förderungen verschlingt, die großen Theater oder etwa die Salzburger Festspiele darstellen. Sie haben hier einiges beantwortet von meiner Frage, warum es eine Erhöhung von 49,11 Millionen Schilling auf 56,15 Millionen Schilling und dazu einen Sonderbauaufwand von 5,6 Millionen Schilling gab. Sie haben den Sonderbauaufwand erklärt. Ich danke Ihnen dafür, ich habe das im Ausschuß zur Kenntnis genommen.

Sie haben mir aber nicht gesagt, warum die Erhöhungen von 1993 auf 1994 so umfangreich waren. Ich glaube, das es sich dabei ein bissel um die Gagen für einige Herren wie etwa für Herrn Mortier und auch möglicherweise Peter Stein handelt, den ich als Regisseur enorm achte.

Ich verstehe jedoch einfach nicht ganz, warum er für die wenigen Worte, die er bei den diversen Schlegel-Tieck-Bearbeitungen von Shakespeare geändert hat, unbedingt 6 Millionen Schilling an Tantiemen bekommen muß. Ich weiß nicht, ob das aus dem Budget oder von anderswo gekommen ist. Das interessiert mich auch nicht so sehr. Ich meine aber, daß, wenn wir alle unseren Säckl enger schnallen müssen und jedem Staatsbürger etwas weggenommen wird, auch die Kunst ein bisserl – eine Spur, nicht viel! – weniger bekommen muß. Wenn wir alle weniger bekommen, dann muß auch die Kunst und die Kultur ein bisserl zur Kasse gebeten werden!

Sie werden mir sicher darauf erwidern, daß das Budget für 1996 ohnedies nicht erhöht wird und damit ein Einfrieren gegeben ist. – Ich hätte noch so viel zu sagen, aber ich habe natürlich keine Zeit, weil ich nicht der Erstredner bin.

Zum Ausgang möchte ich noch etwas sagen. Sie werden sicher alle Ephraim Kishon durchaus als einen Künstler betrachten. Er hat in seinem letzten Buch "Picassos süße Rache" etwas geschrieben, was mir köstlich gefallen hat und was ein bisserl zum heutigen Kunst- und Kulturverständnis paßt. Daher will ich Ihnen das nicht vorenthalten.

Er zitiert zuerst aus dem Nachlaß von Picasso, der gesagt hat: "Alle Wege stehen der intellektuellen Scharlatanerie offen. Ich bin nur ein Clown, der seine Zeit verstanden und alles herausgeholt hat aus der Dummheit, der Lüsternheit und Eitelkeit seiner Zeitgenossen."

Kishon hat das Problem der modernen Kunst anhand dieser Worte von Picasso wie folgt definiert: "Wenn Picasso gewollt hätte, hätte er wie Giotto oder Tizian malen können, doch er wollte nicht. Das heißt, er wollte nur so lange," – und wenn man die frühen Picasso-Bilder sieht, weiß man, was gemeint ist – "bis er das große Prinzip verstanden hatte, daß die Menschen keine eigene Meinung haben, daß sie das handwerkliche Können nicht mehr schätzen, daß sie vor Anomalien und an den Haaren herbeigezogenen Gimmicks auf die Knie fallen und sich einbilden, sie seien dadurch selbst etwas Besonderes geworden." – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.23


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8. Sitzung / Seite 81

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Redezeit 20 Minuten.

15.23

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der vorliegende Kunstbericht ist eindrucksvoller Beweis für die österreichische Kunstförderung, und die Österreichische Volkspartei bekennt sich zu dieser Kunstförderung. Sie weiß aber, daß gerade in der gegenwärtigen Situation für die Kunstverwaltung eine besondere Notwendigkeit der Legitimation für die ausgegebenen Förderungsmittel und daher das Gebot eines sorgfältigen Umgangs mit den vorhandenen Mitteln bestehen. Eine Tendenz, bei der bürokratische Apparate überleben, zugleich aber im Kreativbereich gespart werden müßte, kann jedoch sicher nicht unsere Zustimmung finden.

Daher ist es notwendig, eine permanente Diskussion über die Verteilung der Mittel zu führen, und das umso mehr, wenn die Zufuhr der Mittel, die der Staat zur Kunstförderung bereitstellt, stagniert oder leicht rückläufig ist.

Es darf nicht sein, daß wir vor zahlreichen Institutionen stehen – einem Literaturhaus, einem Filmhaus, dem Rosenhügel, jedenfalls wichtigen Institutionen –, und plötzlich die Situation eintritt, daß für die Kunst selbst kein Geld mehr übrig ist, weil die Organisationsapparate zu teuer sind.

Bundesminister Scholten hat in einem Interview mit der Austria Presse Agentur vom 7. Jänner 1996 selbst darauf hingewiesen – ich zitiere –: "Im Bereich der Organisationen liegen mit Sicherheit Rationalisierungsmöglichkeiten." Er spricht in diesem Interview auch von einer Neubewertung der diversen auch bürokratischen Organisationen, und Bundesminister Scholten hat recht, wenn er im gleichen Interview davon spricht, daß in Österreich zuwenig für die neuen Medien in der Kunst getan wird. Er selbst betont, daß es eine interessante und international gültige Szene gibt, die den Nachteil hat, im traditionellen Fördersystem zwischen den Sesseln zu sitzen.

Umso mehr hat mich die Stellungnahme des Ministers im Ausschuß überrascht, wenn er sich nun zum Beispiel bei der IG Autoren oder bei der Austria Film Commission auf den Formalstandpunkt zurückzieht, wonach es lediglich darum ginge, daß die Subventionen ordnungsgemäß abgerechnet würden. Von Evaluation und begleitender Kontrolle, von der er im Interview mit der Austria Presse Agentur gesprochen hat, war im Ausschuß leider nicht mehr die Rede.

Wir sind allerdings der Meinung, daß im Namen der Kunst und im Namen der Künstler und ihrem Anspruch auf Förderung sehr wohl Maßnahmen für ein lean management zu verlangen wären. Daß Sie diese in einem unabhängigen Verein nicht selbst setzen können, Herr Minister, ist durchaus verständlich. Ich glaube aber, und das ist ein wesentlicher Grundsatz bei allen Förderungen, daß hier auf einen geringen Verwaltungskostenanteil zu achten ist, und zwar zugunsten eines höheren Projektförderungsanteils.

Lassen Sie mich zu einem zweiten Punkt kommen: Gerade im Bereich des künstlerischen Nachwuchses – und besonders deutlich wird dies an den Kunsthochschulen – zeigt sich, daß wir Nachwuchsprobleme haben. Es gibt zuwenig hochqualifizierten künstlerischen Nachwuchs an den Hochschulen, insbesondere bei der Musik. Die österreichischen Neuaufnahmen an der Akademie sind an einer Hand abzählbar.

Kunstförderung beginnt im Bereich der Schule und der Vorschule. Auch wenn der Kunstbericht darauf hinweist, daß mangels Kompetenz auf diesem Gebiet keine entsprechenden Förderungen geleistet werden können, so erscheinen mir die dafür ausgewiesenen 600 000 S insgesamt doch als sehr gering.

Es wäre wichtig, in der Volksschule und in der Vorschule zu investieren. Es wäre wichtig, Projekte zu fördern. Im Kunstbericht sind insgesamt nur drei Projektförderungen in diesem Bereich ausgewiesen. Es wäre sicher eine Herausforderung, Herr Minister, gerade die Nach


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wuchsarbeit aus den Mitteln des Kunstbudgets zu fördern und bei Wettbewerben und Projekten Begabtenstipendien und entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen.

Ein weiterer Punkt betrifft die Flexibilität ausgelagerter Institutionen. Es scheint uns wesentlich zu sein, diese Flexibilität ausgelagerter Institutionen zu erhöhen. Gerade in manchen ausgelagerten Institutionen, die eigentlich dazu da sein sollten, jenseits der ministeriellen Kameralistik offensives Kulturmanagement zu betreiben, hat mittlerweile eine jeder Präsidialsektion eines Ministeriums zur Ehre gereichende Bürokratie Einzug gehalten.

Bestes Beispiel dafür ist das Österreichische Filminstitut unter seinen durchaus verdienstvollen Direktor Mag. Schedl. Wir sind der Meinung, daß die Direktoren der ausgelagerten Institutionen – über das ihnen vom Ministerium zugewiesene Budget hinaus – Sponsorgelder auftreiben sollten und könnten. Es geht dabei um nichts anderes als um eine Drittmittelfinanzierung für die ausgelagerten Institute, analog jener Drittmittelfinanzierung, wie sie in der Wissenschaft heute schon eine Selbstverständlichkeit geworden ist.

Nun ein paar Worte zu den Kunstkuratoren. Herr Minister! Selbst im Kunstbeirat des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst sind die Kuratoren zunehmend umstritten. Bei einem der beiden Kuratoren kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß er mitunter mehr die eigene Karriere organisiert, als sich der eigentlichen Aufgabe, nämlich die Kunstszene zu beleben, zu widmen. Die Subvention zahlreicher eigener Projekte spricht für sich – so nach dem Motto: Der betreffende Kurator zahlt Projekte, wo er selbst kuratiert – ein klassischer Fall von Unvereinbarkeit! Selbst Kollegen aus der Kunstszene und Galeristen bezeichnen dies als unerträglich. Da, Herr Minister, wären eine Aufgabenkritik und eine Aufgabenüberprüfung durchaus angebracht.

Kurz zu den Beiräten, Herr Minister: Die mit den Institutionen der Kunstförderung im Zusammenhang stehenden Beiräte haben eines gemeinsam: Sie sind alle wienlastig. Das langjährige Mitglied des Musikbeirates, Gunter Schneider, hat in einem Bericht über seine Beiratstätigkeit im vorigen Kunstbericht darauf hingewiesen, daß er der einzige Nicht-Wiener im Musikbeirat ist, und angemerkt, daß die schwache quantitative Präsenz der Bundesländer im Förderungsvolumen nicht in einer ablehnenden Haltung des Musikbeirates oder des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst begründet ist, sondern vielfach darin, daß viel zu wenige Betroffene in den Bundesländern, mit abnehmender Tendenz nach Westen, wissen, daß und wo sie Unterstützung für ihre Projekte finden könnten. Da besteht offensichtlich ein Informationsdefizit, das es zu beheben gilt.

Ein weiter Punkt: Die Beiräte – ich habe es nicht unternommen, die Namen durchzusehen – sind meist männerlastig, was sehr oft dazu führt, daß die Kunstförderung in einem überwiegenden Ausmaß männlichen Künstlern zugute kommt und weibliche Künstler benachteiligt werden. Ich will jetzt hier nicht über die Männlichkeit und die Weiblichkeit in der Kunst diskutieren. Ich jedenfalls habe in meiner Zeit als Mitglied des Wiener Gemeinderates und als Mitglied des dortigen Kulturausschusses immer wieder auch darauf gedrungen, bei der Neuzusammensetzung von Beiräten auch Frauen einen angemessenen Anteil an den Beiratssitzen zukommen zu lassen, damit auch da eine entsprechende Vertretung sichergestellt ist. Es wäre interessant, Herr Minister, zu wissen, ob es in der Frage der geschlechtlichen Verteilung der Beiratsmitglieder Aktivitäten gegeben hat, und ob Maßnahmen geplant sind, Beiratsmitglieder aus den Bundesländern verstärkt miteinzubeziehen.

Auch auf den Bericht der Bundestheater geht Bundesminister Scholten in seinem APA-Interview vom 7. Jänner ein und lobt deren wirtschaftliche Führung. Das mag durchaus berechtigt sein, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie immer noch den größten Brocken im Kulturbudget einnehmen. Die nun angestrebte Teilrechtsfähigkeit der Bundestheater könnte durchaus dazu führen, die Bundeszuschüsse in diesem Bereich zu verringern.

Für unhaltbar, Herr Bundesminister, halte ich aber die Tatsache, daß ein Mitglied dieses Hauses, Herr Abgeordneter Morak, im vergangenen Jahr vom Generalsekretär der Bundestheater in einem Interview mit einer Zeitung in einem Maße beschimpft wurde, das nicht nur den


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Anstand, sondern auch den notwendigen Respekt vor den Abgeordneten dieses Hauses vermissen läßt. Er hat damals Morak in seiner Eigenschaft als Politiker als jämmerliche Figur bezeichnet. Er hat gesagt, er sei so dumm, daß er nicht wisse, was er daherbrabbelt, und er sei infam, gehässig und dämlich.

Wer nun glaubt, daß diese Entgleisungen bereinigt worden wären, was zu wünschen gewesen wäre – es hat ja Herr Generalsekretär Springer in einem Interview mit der gleichen Zeitung im Oktober gesagt, er versuche gerade, diese Sache wie erwachsene Menschen zu bereinigen, er sei gerne bereit, das vom Tisch zu bekommen –, der wird eines Besseren belehrt. Der Herr Generalsekretär ist in keiner Weise bereit, das zu bereinigen, sondern er hat in der Zwischenzeit beim gerichtsanhängigen Verfahren mitgeteilt, er sei bereit, den Wahrheitsbeweis anzutreten. Herr Minister, das ist für uns eine unhaltbare Situation! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Die Zustimmung der ÖVP zum Kunstbericht 1994 bedeutet einen Vertrauensvorschuß auf eine Reformbereitschaft bei der Kunstförderung. Das heißt: Nicht Polarisierung soll mit der Kunstförderung erreicht werden, sondern Akzeptanz. Das heißt aber auch, daß eine Bereitschaft zu Strukturreformen in der Kunstverwaltung bestehen muß, die vor keinen Tabus haltmacht. Transparenz, ein schlankes Management, Effizienz und Förderung der Nachwuchsarbeit sollen die prioritären Kriterien der Kunstförderung sein.

Schließlich sei noch einmal erwähnt, daß gerade in einer Zeit, in der mit Steigerungen des Kunstbudgets nicht zu rechnen ist, die vorhandenen Mittel in der effizientesten Weise eingesetzt werden müssen, um auch in Zukunft eine erfolgreiche Kunstförderung in Österreich zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister Dr. Scholten hat sich nunmehr zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

15.37

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debattenbeiträge der FPÖ sind gekennzeichnet von einem häufigen Betonen: Wir schätzen ja die Künstler so, aber – und ich interpretiere jetzt – warum brauchen sie soviel Geld?, oder: Warum muß gerade jener Künstler, der ohnehin so geschätzt wird, auch noch Geld bekommen?

Ich würde Sie einladen: Sagen Sie das einmal Ihrem Zahnarzt! Sagen Sie ihm, Sie schätzen ihn zwar als Arzt, Sie verstehen aber nicht, warum Sie seine Rechnungen bezahlen sollen. Sagen Sie ihm das möglichst vor der Behandlung. Und dann möchte ich mir anschauen, wie mutig diese Dualität aufrechterhalten wird.

Ich hielte es für eine sich geradezu jeglichem logischen System verweigernde Haltung, wenn immer wieder betont wird, daß man die Künstler so schätzt, aber zugleich kritisiert, wie rückgratlos, wie prinzipienlos, wie kompromißhaft und korrupt sie de facto seien. Ich glaube, daß uns das auch tatsächlich unterscheidet.

Ich habe sehr wohl zwischen den Zeilen versucht herauszuhören, daß man sich in den heutigen Beiträgen um ein ausgewogeneres Bild bemüht hat. Aber tatsächlich unterscheidet uns, denke ich, einfach die Beziehung zum Individuum Künstler. Da stehen zwei Haltungen einander gegenüber: Die eine heißt Respekt vor dem Rückrat, vor der Kompromißlosigkeit, vor dem Individuum, vor dem sehr selbständigen, manchmal geradezu einsamen Agieren der Künstler, aber im Prinzip einmal Respekt vor dem Rückgrat. Demgegenüber steht eine Haltung, die heißt: Künstler sind käufliche, rückgratlose, ja de facto korrupte – denn das wäre das Ergebnis dessen – Schmarotzer, die sich ihre eigene Unfähigkeit noch vom Staat bezahlen lassen. Denn: Wenn es stimmt, daß öffentliche Mittel gleichzeitig sprachlos und haltungslos machen, wenn es stimmt, daß die Tatsache, daß man sich politisch engagiert, gleichzeitig bedeutet, daß man in seinem eigentlichen Fach, nämlich dem jeweiligen künstlerischen Schaffen, völlig wertlos und bedeutungslos geworden ist, und wenn es stimmt, daß jegliche Teilnahme an der gesellschaftlichen Debatte dieses Landes sofort zur Qualitätslosigkeit führen würde, dann wäre das


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Ergebnis, daß wir in den Künstlern eine Gruppe von, wie gesagt, rückgratlosen, kompromißhaften, de facto korrupten Menschen vor uns haben. Das leugne ich auf das vehementeste.

Wenn es so wäre – und es ist nun einmal Gott sei Dank alles andere als so –, daß all diese Haltungen auch tatsächlich vor diesem Hintergrund stattfinden, den Sie beschreiben, dann könnten wir uns wahrscheinlich auf einen einfachen Punkt einigen – in diesem Punkt werden wir uns wahrscheinlich tatsächlich finden –: Wenn Herr Zinggl und Frau Jelinek und Herr Pakesch Strukturen in diesem Lande kritisieren, inklusive der öffentlichen Kunstfinanzierung, so respektiere ich das, so setze ich mich damit auseinander und würde nie und nimmer auch nur im geringsten auf die Idee kommen, daß das irgendeinen Einfluß auf ihren de facto bestehenden Anspruch auf Anerkennung und damit auch auf Honorierung und damit auch auf Geld bedeutet. Es wird wohl niemand auch nur im Ansatz einen Fall finden können, wo irgend jemand, wie beispielsweise die Genannten – den Herrn Pakesch betrifft es im Moment nicht, weil er in der Schweiz tätig ist, aber nehmen wir den Herrn Zinggl und die Frau Jelinek her –, das öffentliche Kunstfinanzierungssystem kritisiert hätte und ich auf die Idee gekommen wäre zu sagen: Na ja, dann ist es aber eigentlich auch arg, wenn die Geld bekommen.

Wenn hingegen oberösterreichische Kulturinitiativen die FPÖ kritisieren, werden sie zum Stammgast jeder Kulturdebatte und zum Paradefall dessen, was man zu verhindern hat. Wenn im Wahlkampf Künstler Partei nehmen und sich öffentlich äußern, dann ist das sozusagen die mitgedachte Korruption. Wenn Künstler im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen – ich weiß gar nicht, ob der Herr Dor im Kuratorium sitzt, aber vielleicht stimmt es sogar – tätig sind, verlieren sie jeden Anspruch auf Respekt, weil sie sozusagen die Inkarnation der Unvereinbarkeit sind und so weiter und so fort.

Ich glaube, daß da wirklich zwei ganz grundsätzliche Standpunkte, die man beide verstehen kann – ich bin fanatischer Anhänger des einen Systems –, einander gegenüberstehen. Der eine Standpunkt heißt: Kritik muß nicht nur möglich sein, sondern darf nicht pönalisiert werden. Und das zweite System heißt: Wenn sich jemand kritisch äußert, dann soll er wenigstens jeden Anspruch auf Geld verlieren. Das sei sozusagen die geringste Form der Pönalisierung, die man ansetzen sollte, wenn schon nicht gar härtere.

Ich stehe nun einmal für ein System der Offenheit. In diesem Punkt muß ich kritisieren: Ich weiß jetzt leider nicht mehr, wer es gesagt hat, aber es fiel das Zitat, ich hätte gesagt, daß nur Tabuverletzungen Sinn machen. Ich habe hier wortwörtlich gesagt: Tabuverletzungen sind eine Herausforderung, die von der Gesellschaft angenommen werden muß. – Also ich bitte schon, mir zumindest ein geringes Maß an Verstehen zuzubilligen. So ganz in den Bereich des Blödsinnigen wage ich mich auch nicht vor.

Es stehen, wie gesagt, zwei Systeme einander gegenüber: das System des Respektes und das System der De-facto-Verachtung. Ich glaube, daß man sich auf diesen Punkt auch sozusagen als Trennlinie dieser Debatte wird einigen können.

Ich möchte ganz kurz noch auf ein paar andere Punkte eingehen, soweit das in der Geschwindigkeit hier möglich ist.

Ich bin sehr froh, daß wir über steuerliche Möglichkeiten, Kunstschaffen zu fördern, debattieren. Ich bin selbst jemand, der häufig darüber klagt, daß der privatwirtschaftliche Markt in vielen Sparten zu wenig ausgebildet ist. Ich habe kleine Zweifel, daß durch steuerliche Fördermaßnahmen dieser Markt herstellbar ist, weil ich mir von der Motivlage des einzelnen nicht ganz vorstellen kann, daß jemand sagt: Ich würde mich ja für Kunst interessieren und auch Geld dafür ausgeben, da ich es aber von der Steuer nicht absetzen kann, mache ich es nicht. Möglicherweise macht er es weniger. Aber im Prinzip bin ich schon sehr froh darüber, daß wir diese Debatte führen und auch intensivieren. Zugegeben: Es ist im Moment vermutlich nicht gerade die beste Zeit, steuerliche Begünstigungen zu verhandeln. Aber wir sollten diesen Punkt nicht aus den Augen verlieren. Also die Förderung des privaten Marktes ist eine Maßnahme, die mir durchaus wichtig ist.

Ein Fördermonopol des Bundes gibt es nun nachweisbar überhaupt nicht. Es haben Gott sei Dank im Laufe der Zeit die Bundesländer – auch die Stadt Wien, alle österreichischen


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Bundesländer – zum Großteil sehr respektable Beträge zur Kunstfinanzierung in ihren Budgets eingesetzt. Im übrigen: Die meisten der Beispiele, die hier genannt wurden, sind solche, die wir gemeinsam mit den Bundesländern finanzieren, in denen sich diese Organisationen befinden.

Ich lege im übrigen überhaupt keinen persönlichen Maßstab an, denn das unterstellt auch immer, daß man irgendwo sozusagen spätnächtens sitzt und sich so zehn Künstler vorführen läßt und sagt: Der kriegt was, der kriegt nichts, der kriegt was, der kriegt nichts. So spielt sich nun einmal dieses System nicht ab. Ich glaube, daß man diese unterschiedlichen Haltungen aus dem ableiten kann, was ich zuvor beschrieben habe. Mein System spielt sich so eben nicht ab.

Ich bestreite auch absolut die Formulierung, daß mehr Subventionen mehr Abhängigkeit nach dem Sprichwort – ich zitiere –: "Wes Brot ich eß, des Lied ich sing" nach sich ziehen, denn das unterstellt die Rückgratlosigkeit, die ich Künstlern nicht unterstelle. Gerade diese Haltung ist auch eine, die uns, denke ich, sehr klar voneinander trennt.

Ich habe im übrigen keinen einzigen Kettenbrief geschrieben. Ich habe mich im Wahlkampf aktiv betätigt und sehe darin auch überhaupt keinen Fehler. Ich sehe im übrigen auch überhaupt keinen Fehler darin, daß sich einzelne Künstler im Wahlkampf betätigt haben. Es gibt auch ausreichend Künstler, die mir sehr kritisch – auch parteipolitisch sehr kritisch – gegenüberstehen. Die haben mit Sicherheit davon keinen irgendwie gearteten Schaden genommen. Ich hielte ein derartiges System auch für absurd und für wert, mit viel Energie dagegen anzukämpfen.

Aber es ist nun einmal nicht so, daß sich jemand durch öffentliches Geld eigene Meinung abkaufen lassen kann und auch lassen wird.

Die Interessenskollisionen des Herrn Milo Dor habe ich schon angesprochen. Ich sehe in der Tatsache, daß er in einer freien Berufsvertretung tätig ist, wirklich überhaupt keine Interessenskollision. Sie können sagen, bei ihm kommt es zu der Kollision, daß er als Schriftsteller auch Wähler und politisch sehr aktiv ist. Er ist eben bei der IG Autoren, er ist offensichtlich im Kuratorium. Es muß mir nur jemand beschreiben, was davon man nicht sein darf, was davon dazu führt, daß man sagt: Gut, wenn er das ist, dann darf er das andere nicht sein. Also sein Wählertum werden auch Sie ihm nicht absprechen können. Sein politisches Engagement auch nicht. Daß die IG Autoren als Berufsvertretung ihn zum Vorsitzenden gewählt hat, ist wohl ihr Recht. Und im ORF-Kuratorium sitzt er, nehme ich an, auch nicht illegal. Im übrigen ist er ein sehr wertvoller und für unser Land sehr wichtiger Schriftsteller, dem wir – und da sind wir wieder am Ausgangspunkt – vielmehr Respekt schulden, als ihn sofort in die Kategorie der Rückgratlosen einzuordnen.

Genauso ist es bei der oberösterreichischen Kulturinitiativen-Plattform. Ja, die äußern sich politisch. Es gibt andere Plattformen, die sich politisch so äußern, daß es meine Meinung weniger trifft. Nur: Was ist die Reaktion darauf? – Also den einen haben wir die Subvention nicht gestrichen. Sie fordern ständig, daß sie den anderen zu streichen ist. Dagegen wehre ich mich! (Beifall bei der SPÖ.)

Im übrigen nur so kleine technische Korrekturen: Soweit ich das richtig verstanden habe, haben Sie bemerkt, daß der Herr Bundeskanzler für seine Rede bei der Trauerfeierlichkeit für Josef Meinrad wenig Applaus bekommen hat. Ich darf nur der Richtigkeit halber ... (Abg. Dr. Krüger : Die Rede in Salzburg!) Ah so, ich habe gedacht, Sie meinten diese. Also mich hat der Applaus gefreut, und es sei all jenen, die mir applaudiert haben, gedankt.

Die Rede des Bundeskanzlers im Burgtheater anläßlich der Trauerfeier für Josef Meinrad fand ich nicht nur wichtig, sondern auch geradezu selbstverständlich, an einem Platz einem Mann gegenüber, der sich gerade darum sehr bemüht hat, zu betonen, daß wir in diesem Land Einschränkungen dessen, was künstlerisches Schaffen hervorbringt, nicht zulassen werden.

Man soll wohl Verstorbene nicht übertrieben zu Zeugen von eigenen Meinungen machen, aber ich glaube, ohne Risiko sagen zu können, daß Josef Meinrad einem meinungseinschränkenden System nicht Zeugenschaft geboten hätte.


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Zur Bregenzer Übertragung: Es ist sehr nett, Frau Abgeordnete, wenn Sie diese als weltweit übertragen ansehen, aber da haben wir einen unterschiedlichen Begriff von Welt.

Zur Tradition: Häufig wird kritisiert, daß sogenannte traditionelle Organisationen in der Kunstförderung einen traditionell sehr hohen Anteil einnehmen. Also aus diesem Bericht abzuleiten, daß wir traditionelle Organisationen oder Organisationen, die sich mit traditioneller Kunst beschäftigen, schlecht behandeln, ist wohl, glaube ich, nicht möglich. Im übrigen halte ich diesen Begriff mittlerweile für ziemlich unsauber, weil das, was unter traditioneller Kunst verstanden wird, häufig dann in ihrer Wiedergabe sehr zeitbezogen wieder kritisiert wird, weil das, was als traditionelle Kunst verstanden wird, dann in der Interpretation häufig gerade jene, die sich gerne auf traditionelle Kunst berufen, stört. Also ich halte diesen Gegensatz ohnehin für weit überholt.

Ganz kurz noch zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Rauch-Kallat: Für eine Evaluation bin ich sehr. Bei einer unabhängigen Berufsvereinigung würde ich allerdings mit aller Vorsicht argumentieren. Ich habe im Ausschuß gesagt, die Korrektheit der Abrechnungen ist unbedingte Voraussetzung für Subventionen. Ich hielte es für eigenartig – lassen Sie es mich so sagen –, wenn wir begännen, vom Ministerium aus die große Reihe unabhängiger Berufsorganisationen nach ihrer Qualität, die sie im Sinne ihres Vereinszwecks, nämlich der Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder, haben, zu evaluieren. Was hieße das im Negativfall, wenn wir zum Ergebnis kämen, eine bestimmte Organisation leistet keine gute Arbeit? – Das hieße doch wohl nicht, daß wir die Berufsvertretung auflösen, und daß wir ihnen die Arbeit unmöglich machen, wohl auch nicht. Ich denke, daß wir da einfach vorsichtig sein müssen, und zwar – lassen Sie es mich so sagen – in beiden Richtungen: bei der Kontrolle, aber auch bei jedem Versuch – den ich hintanhalten möchte –, mich in Tätigkeiten von Berufsvertretungen einzumengen.

Anders schaut es bei der AFC aus. Das ist eine Organisation, die sehr wesentlich aus mehreren Drittmitteln, nämlich aus Mitteln der Wirtschaft, finanziert wird. Da ist es selbstverständlich, daß man zu überprüfen hat, ob sie ihre Arbeit gut macht. Wenn ja, soll sie weiterbestehen, wenn nein, muß sie sich entweder ändern oder soll nicht weiterbestehen. Aber, wie gesagt, bei Berufsvertretungen wäre ich sehr vorsichtig.

Die Musiknachwuchs-Diskussion führe ich mit Leidenschaft. Mir ist allerdings eines aufgefallen, und ich denke, daß wir uns da sozusagen wieder mehr auf dem Boden der tatsächlichen Problembezogenheit finden sollten: Buchstäblich bis zu meinem letzten Tag als Unterrichtsminister – im vorvergangenen Jahr; da ist diese Diskussion bereits virulent, auffällig und präsent geworden – lautete die Argumentation der ÖVP ungefähr wie folgt: Die Musikhochschulen sind großartig – ich übertreibe jetzt sprachlich –, wenn nur diese verdammten Schulen endlich etwas machen würden! – Es hat nicht einmal eine Woche gedauert, als ich vom Unterrichtsminister zum Wissenschaftsminister gewechselt habe, und auf einmal hat sich das umgekehrt, und man hat gesagt: Also diese Schulen leisten großartige Arbeit, wenn nur diese verdammte Hochschule endlich mehr gefördert würde!

Wahrscheinlich sollten alle zusammenhelfen. Im übrigen wünsche ich Ihnen die Hand nicht, die es Ihnen möglich machen würde, die Neuaufnahmen an ihr abzuzählen. Das wünsche ich Ihnen physisch nicht, Gott behüte. – Wie gesagt, bei der AFC bin ich zu jeder Evaluierung bereit.

Eines geht nicht, und zwar: keine Polarisierung, aber – wie Sie gesagt haben – Enttabuisierungen müssen möglich sein. – Das polarisiert nun einmal. Ich glaube auch, daß wir uns zu einer Grundhaltung finden sollten, die heißt, daß Polarisierung nicht Verlust an Streitkultur bedeutet, sonder vielleicht dann und wann sogar den Gewinn von Streitkultur, wenn wir nur mit den Polen der Polarisierung ordentlicher umgehen würden. Ich halte es ja in diesem Sinn für völlig in Ordnung, wenn wir auch, wie zum Beispiel Kollege Krüger und ich, ganz unterschiedliche Positionen vertreten. Wir haben das selbstverständlich zu respektieren und uns damit auseinanderzusetzen. Das ist Polarisierung! Ich würde mich nie und nimmer dagegen wehren, daß das stattfindet. Ich vertrete meine Position und kämpfe für sie. Damit bin ich sozusagen Teil dieser Polarisierung.


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Ich glaube, daß wir in Österreich vielleicht gerade in der Diskussion um Kunst diese Sorge, daß etwas polarisieren könnte, hintanstellen sollten, weil per se, solange wir – ich riskiere jetzt ein eigenartiges Wort – kultiviert damit umgehen, nichts Schlechtes daran ist. Ich würde mich sozusagen vor diesem Konflikt nicht fürchten. Wir sollten uns nur die buchstäblichen Formen des Umgangs mit diesem Konflikt überlegen und diesbezüglich vorsichtig sein.

Was die Auseinandersetzung mit Herrn Morak betrifft, so habe ich damals darauf gewirkt, daß es zu einem Zusammentreffen und zu einer – ich weiß nicht, ob man "Aussöhnung" sagen kann; aber ja, bleiben wir einmal dabei – Form des Umgangs kommt, die man teilen kann. Ich glaube, daß diese Gelegenheit auch noch nicht verloren ist. Vielleicht brauchen beide einen gewissen Ruck. Ich bin auf meiner Seite gerne bereit, da mitzutun. Ich halte diese Form der Auseinandersetzung auch nicht für gut, das möchte ich hier schon anfügen.

Zu allerletzt: Mit einem Punkt treffen Sie mich, und zwar wenn Sie mir sagen, daß wir die Beiräte unausgewogen gestaltet haben hinsichtlich der Parität der teilnehmenden Frauen und Männer und auch unausgewogen, was die Vertretung der Bundesländer betrifft. Bei aller Imperfektion des Systems und bei aller Wahrscheinlichkeit, daß, wenn man das jetzt 1 : 1 hier durchgeht, man vermutlich auf einzelne Beiräte kommt, wo diese Paritäten nicht richtig und nicht ausgewogen sind, glaube ich, ohne Risiko sagen zu können, daß es kein öffentliches Fördersystem gibt, das sich so sehr darum bemüht, daß eine entsprechend ausgewogene Vertretung der Frauen sichergestellt ist, daß es kein Fördersystem gibt, das sich so sehr darum bemüht, durch relativ rasche Veränderungen der Beirat-Mitgliedschaften auch regionale Ausgewogenheit herzustellen. Wenn Sie also sagen: Tut weiter auf diesem Weg!, sage ich Ihnen ja. Wenn Sie sagen: Fangen Sie an!, sage ich: Das haben wir vor langer Zeit getan. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr Frau Abgeordneter Dr. Preisinger das Wort. – Frau Abgeordnete, ich muß Sie aufmerksam machen, daß ich Sie um 16 Uhr zwecks Behandlung der dringlichen Anfrage unterbrechen muß. – Bitte.

15.56

Abgeordnete Dr. Susanne Preisinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich hätte natürlich jetzt sagen können: Ich verzichte im Augenblick auf meine Wortmeldung und werde sie dann zu späterer Stunde nachholen. Aber ich muß doch für diese paar Minuten noch die Gelegenheit ergreifen, folgendes zu sagen: Wenn Sie meinen, Sie wagen sich nicht zu jedem Blödsinn vor, so empfehle ich Ihnen, Herr Minister, sich diesen Satz, den Sie hier zitiert haben und der auch von uns genannt wurde, genauer durchzulesen. Er lautet: "Erst im Laufe der Zeit stellt sich die Einsicht ein, daß gerade diese Abseitigkeit, diese Tabuverletzungen eine Herausforderung sind, die von der Gesellschaft angenommen werden müssen." – Nicht die Herausforderung wird angenommen oder muß angenommen werden, sondern die Tabuverletzungen, sonst würde es grammatikalisch wohl anders heißen. Vielleicht ist es besser, sich das genau anzuschauen und etwas vorsichtiger mit den Aussagen zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vorworte wie dieses werden meist nicht gelesen. Im vorliegenden Fall des Kunstberichtes, wie schon beim letzten, 1993, lohnt es sich allerdings schon, genauer hinzusehen. Die Kritik der letzten Jahre am Kunstbericht generell, an seiner Gestaltung, wird offensichtlich nicht als Anreiz zur Verbesserung verstanden, Herr Bundesminister, sondern als ein unhaltbarer Vorwurf. Bessere Lesbarkeit des Berichts und größere Transparenz werden als Widerspruch gesehen und die Forderung in diese Richtung wird wortwörtlich als "unseriös" abqualifiziert, nach dem Motto: Kritik ist unerwünscht.

Daß Kritik auch in weiterer Hinsicht unerwünscht ist, generell Kritik an der Kulturpolitik, das haben wir ja schon mehrfach gesehen. Da wird von einem virulent gewordenen Neokonservatismus gesprochen, von einer überholten kulturpolitischen Ideologie, wobei das Wort "Kultur" bezeichnenderweise in Klammern gesetzt wird. Kritik wird als Polemik abgekanzelt und abgewertet. Kultur ist also das, Herr Bundesminister, wenn ich Sie richtig verstehe, was wir als


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solche zu betrachten haben. Und man läuft Gefahr, zum Kulturfeind abgestempelt zu werden, wenn man vom Kulturbegriff andere Vorstellungen hat als jene, zu denen wir unaufhörlich angehalten werden.

Der Begriff "Freiheit der Kunst", der immer wieder verwendet wird und zu dem ich mich auch voll bekenne, wird gerne ins Treffen geführt, um die Meinungsfreiheit zu unterlaufen. Ich frage Sie: Bedeutet nicht kulturelle Freiheit, seinen eigenen Kulturbegriff haben zu dürfen und dementsprechend auch eine andere Meinung haben zu dürfen? – Für mich sind das zwei Dinge, die unmittelbar und untrennbar miteinander verbunden sind.

Aber es gibt auch prominente Vertreter, die sich über diese Dinge Gedanken gemacht haben, wie zum Beispiel Dr. Thomas Chorherr in der "Presse". Ich darf ihn hier wörtlich zitieren: "Darf sich jeder seinen Kulturbegriff aussuchen, ohne als Banause abqualifiziert zu werden, oder sind alle, die Franz Xaver Kroetz und seinen ,Drang‘ nicht mögen, im besten Fall illiberal und im schlechtesten im rechten Eck zu finden?" – An anderer Stelle kommt er zu dem Schluß, "daß ein kulturfeindliches Klima überall dort gewittert wird, wo die kulturelle Zwangsbeglückung nicht akzeptiert werden will." – Er spricht sogar von "Kulturterrorismus".

Abschließend noch etwas zu den Tabuverletzungen. Wenn man sich den Kunstbericht anschaut, findet man darin wirklich ein besonderes Beispiel einer Subventionsvergabe. Und zwar findet man unter dem Kapitel "Galerienförderung" eine Subvention in der Höhe von 100 000 S an die Galerie Krinzinger, und zwar für die Ausstellung "Körpernah". Das ist beim ersten Hinschauen natürlich noch nichts Besonderes. Bei näherer Betrachtung und Hinterfragen, worum es sich dabei handelt, kommt man darauf, daß das eine Ausstellung war, die vom Verein der Freunde der Galerie Krinzinger im Jahr 1994 veranstaltet wurde, wo unter anderem bedeutende Werke von Aktionisten und auch Werke von Otto Mühl ausgestellt wurden, jenes Künstlers und Kommunengründers, der wegen Unzucht mit Minderjährigen und Vergewaltigung zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Aber das ist es ja noch nicht. Ich will jetzt nicht die künstlerische Person von Otto Mühl bewerten, um die geht es nicht. Es geht vielmehr darum, daß sowohl von seiten der Gemeinde Wien 150 000 S lockergemacht wurden als auch von seiten des Bundes Unterstützung für eine Ausstellung gegeben wurde, die den Zweck verfolgte, finanzielles Kapital aus diesem Urteil zu ziehen. (Abg. Dr. Schmidt : Es ist 16 Uhr! – Abg. Leikam : Hallo! Ende!)

Ich erinnere, wenn ich vielleicht noch kurz ausführen darf, an das Interview von Frau Dr. Ursula Krinzinger in der Zeitschrift "Art", Ausgabe 12/91, in dem sie selbst sagt, daß sie geschäftliches Interesse daran hat, jetzt, nachdem dieses Urteil gefällt wurde. Sie kann sich telefonischer Anrufe nicht erwehren und sie möchte damit ihr Geschäft ankurbeln. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – Darf ich noch einen Schlußsatz sagen?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, bitte, wenn es der letzte Satz ist; sonst müssen Sie dann nachher fortsetzen.

Abgeordnete Dr. Susanne Preisinger (fortsetzend): Es kommt der Schlußsatz. Ich meine daher zusammenfassend, ich halte es wirklich für verwerflich und für eine fehlgeleitete Subventionsvergabe, mit dem Leid der Kinder und auf dem Rücken der Betroffenen finanziellen Gewinn zu lukrieren und das Ganze noch mit öffentlichen Geldern und mit Steuergeldern zu subventionieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu sagen wir und dazu sage ich: Nein!, auch auf die Gefahr hin, von irgend jemandem von Ihnen als Kulturbanause abqualifiziert zu werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich unterbreche jetzt die Debatte über den Kunstbericht 1994.


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Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Mängel in der österreichischen Sicherheitspolitik (182/J)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der Anfrage 182/J. Diese ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Die dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation und dem Zerfall des Ostblocks werden völlig neue Anforderungen an die europäische Sicherheitspolitik gestellt. Alle Hoffnungen, daß sich damit in Europa ein Zeitalter von Frieden und Sicherheit einstellen würde, haben sich leider nicht erfüllt. Nach dem Wegfall der Gefahr eines großen Krieges zwischen den beiden Machtblöcken ist nun die Gefahr von regionalen Konflikten, die eine Bedrohung für Österreich bedeuten könnten, rapid gestiegen. Von internationalen Experten werden etwa 30 mögliche Konfliktherde in Europa lokalisiert, wobei sich mehr als 15 davon im unmittelbaren Nahbereich Österreichs befinden. Sichtbarstes Zeichen für diese labile Situation war 1991 die Slowenienkrise, wo unmittelbar an Österreichs Grenze ein bewaffneter Konflikt ausgetragen wurde. Zudem ist die weitere Entwicklung in Rußland völlig offen, und es ist derzeit nicht absehbar, ob sich dieses Land weiter auf dem Weg der Demokratie bewegen wird, oder ob von Rußland in Zukunft Sicherheitsrisiken für Europa ausgehen könnten.

Eine Vielzahl von Staaten haben entsprechend auf diese geänderten Umstände reagiert. Fast alle ehemaligen Ostblockstaaten wollen in die NATO. Der Westen diskutiert heftig eine Neuordnung sowohl eines internationalen Sicherheitssystems als auch der nationalen Heeresstrukturen. In Österreich war bisher weder eine Reform möglich, noch gibt es eine offene und ehrliche Diskussion über sicherheitspolitische Fragen. Durch das Festhalten am Begriff einer funktionslos gewordenen Neutralität begibt sich Österreich jeder Flexibilität. Daher sind Österreich bei der Suche nach den bestmöglichen Lösungen seiner sicherheitspolitischen Herausforderungen die Hände gebunden.

Die Neutralität hat in der Vergangenheit sicherlich einen großen Beitrag für die österreichische Sicherheit und Unabhängigkeit geleistet. Schließlich war sie auch Bedingung für den Staatsvertrag. Ebenso hat sie die Rolle Österreichs als Puffer zwischen den Blöcken definiert. Glücklicherweise mußte aber der Wahrheitsbeweis, wirklicher Schutz Österreichs im Aggressionsfall, nie angetreten werden. Die jüngst bekanntgewordenen Aufmarschpläne des ehemaligen Warschauer Paktes legen die Vermutung nahe, daß im Konfliktfall die österreichische Neutralität keine ausreichende Schutzwirkung entfaltet hätte. Eine ernst genommene Neutralität würde aber bedeuten, daß wir auch in Friedenszeiten eine konsequente Neutralitätspolitik gegenüber allen potentiellen Konfliktparteien beachten müßten. Dies würde aber zur völligen Isolierung Österreichs in der internationalen Staatengemeinschaft führen. Auch wären die Kosten für eine allein und isoliert organisierte glaubhafte Landesverteidigung kaum abschätzbar. Daher ist nicht die Isolation in der Neutralität, sondern die sicherheitspolitische Kooperation mit anderen Staaten das Gebot der Stunde. Die österreichische Bundesregierung verlegt sich hingegen auf die Rolle des Beobachtens, des Zuwartens und des naiven Hoffens, daß nichts passiert.

Der Beobachterstatus bei der WEU und die zögerliche Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden bringen keine zusätzliche Sicherheit für unser Land. Bei allen internationalen Veranstaltungen wird jedoch klar ausgesprochen, daß auf absehbare Zeit die NATO das einzig funktionierende Sicherheitsbündnis ist beziehungsweise bleiben wird. Alle künftigen Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen in Europa werden nur innerhalb der NATO oder zumindest gemeinsam mit der NATO entwickelt werden. Daher ist ein rascher NATO-Beitritt ein wesentlicher Faktor zur Gewährleistung der zukünftigen österreichischen Sicherheit.

Unabhängig davon muß selbstverständlich Österreich in der Lage sein, gewisse militärische Aufgaben durch das österreichische Bundesheer selbst erfüllen zu können. Bisher war man seitens der österreichischen Bundesregierung nicht bereit, die eigene Landesverteidigung dem


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entsprechend zu organisieren. Das Bundesheer wurde in den letzten Jahren regelrecht ausgehungert. Österreich liegt mit etwas mehr als 0,8 Prozent Anteil am BIP bei den Verteidigungsausgaben hinter Luxemburg an letzter Stelle in Europa. Überstundenkürzungen und ein unflexibles Beamtendienstrecht erschweren den Dienstbetrieb. Das schwere Gerät hat teilweise bereits Museumswert, und das Grundwehrdieneraufkommen wird durch die liberale Zivildienstregelung sowie durch Probleme bei der Werbung und Motivation der jungen Österreicher immer geringer. Dennoch gibt es im österreichischen Bundesheer, trotz widrigster Rahmenbedingungen, noch immer viele Soldaten, die sich aus vollstem Idealismus und mit Überzeugung ihrer Aufgabe, Österreich im Ernstfall zu verteidigen, widmen. Bei internationalen Leistungswettbewerben und bei UNO-Einsätzen haben sich unsere Soldaten stets bestens bewährt. Ebenso verrichtet das österreichische Bundesheer im Inland unbezahlbare Dienste. Grenzsicherung, Assistenzeinsätze und Hilfestellung im Katastrophenfall wären ohne unsere Soldaten kaum zu bewältigen. Bei allen Diskussionen über Einsparungen sollte auch hier der volkwirtschaftliche Nutzen berücksichtigt werden.

Bei der Unterstützung des österreichischen Bundesheeres durch die Politik muß aber ein besonderes Defizit konstatiert werden. Diskussionen wie etwa jene rund um das 40-Jahr-Jubiläum des österreichischen Bundesheeres und der dabei abgehaltenen Parade zeigen, wie manche Politiker in Österreich das Bundesheer für ideologische und parteitaktische Interessen mißbrauchen. Letztlich haben die Aussagen des Bundesministers für innere Angelegenheiten, Dr. Einem, der mit seiner Stimme im Ministerrat jede Heeresreform blockieren kann, gezeigt, welchen Stellenwert die österreichische Landesverteidigung bei manchen Spitzenrepräsentanten des Staates einnimmt und welche Geisteshaltung bei diesen Politikern vorherrscht.

Es wäre notwendig, daß in Österreich ein nationaler Konsens in der Frage der Sicherheitspolitik entsteht, um ohne parteitaktische Vorbehalte intelligente und kreative Lösungen zur Bewältigung der österreichischen sicherheitspolitischen Herausforderungen entwickeln zu können. International zeigt sich, daß der Weg eindeutig zu professionellen, gut ausgebildeten und entsprechend ausgerüsteten Freiwilligenarmeen geht, die durch eine Milizkomponente stark in der Bevölkerung verankert sind. Dies könnte auch für Österreich ein richtungsweisender Weg sein. Der Bundesminister für Landesverteidigung hat hier eine große Verantwortung zu übernehmen, da die Gewährleistung der Sicherheit eines Staates eine zentrale Aufgabe jeder Bundesregierung darstellen müßte.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung nachstehende

dringliche Anfrage:

1. Welche aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklungen, vor allem welche Gefahrenpotentiale sehen Sie auf europäischer und internationaler Ebene, die für Österreich kurz- beziehungsweise mittelfristig relevant werden können?

2. Welche internationalen Verteidigungsbündnisse oder Sicherheitssysteme können derzeit konkrete Sicherheitsgarantien für ihre Mitglieder geben?

3. Sind Sie der Auffassung, daß die Einbindung Österreichs in die Partnerschaft für Frieden einen ausreichenden Schutz gewährleistet?

4. Sind Sie der Auffassung, daß Österreich verglichen mit anderen PfP-Mitgliedern seine militärischen und sicherheitspolitischen Möglichkeiten im Rahmen der PfP maximal ausnützt?

5. Halten Sie die Vorbereitung des österreichischen Kontingents für den IFOR-Einsatz in Bosnien für ausreichend?

6. Welche Kosten entstehen beziehungsweise entstanden bereits dabei, und welcher sicherheitspolitische Nutzen ist dadurch für Österreich zu erwarten?


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7. Sind Sie für einen Beitritt Österreichs zur NATO?

8. Sind Sie für eine Vollmitgliedschaft Österreichs bei der WEU?

9. Ist Ihrer Auffassung nach eine WEU-Mitgliedschaft ohne gleichzeitige NATO-Mitgliedschaft möglich und welche Auswirkung hätte sie auf den Status der Neutralität?

10. Welchen völkerrechtlichen und sicherheitspolitischen Wert hat, Ihrer Meinung nach, die österreichische Form der "immerwährenden" Neutralität unter den geänderten geopolitischen Rahmenbedingungen?

11. Kann die österreichische Neutralität Schutz vor Aggressionen bieten?

12. Auf welche Höhe belaufen sich die Kosten einer international glaubwürdigen bewaffneten Neutralität, das heißt der Sicherheit Österreichs isoliert von anderen Ländern?

13. Auf welcher Höhe würden sich die reinen NATO-Beitrittskosten, unabhängig von einer notwendigen Modernisierung des österreichischen Bundesheeres, belaufen?

14. Können Sie ausschließen, daß es aufgrund des neuerlichen Belastungspakets der Bundesregierung zu einer weiteren Reduktion des Landesverteidigungsbudgets kommt?

15. Wie sieht das 10jährige Beschaffungsprogramm für die Infrastruktur des Bundesheeres aus?

16. Welche Prioritäten werden Sie im Zusammenhang mit der Drakennachfolge, den Kampf- und Schützenpanzern beziehungsweise den Hubschraubern setzen?

17. Wie hoch ist das gerätspezifische Durchschnittsalter bei den Luftstreitkräften (Fluggerät) und bei den mechanisierten Verbänden (Panzerfahrzeuge)? (Bitte um detaillierte Aufschlüsselung).

18. Inwieweit wurde das von Ihnen erstellte Kasernenstandortkonzept umgesetzt beziehungsweise welche Kasernen wurden bis jetzt veräußert und welche Geldbeträge konnten dadurch lukriert werden, die dem Bundesministerium für Landesverteidigung zuflossen?

19. Welche Maßnahmen zum Bürokratieabbau in den Kommanden, Ämtern und Dienststellen wurden im Zuge der HG-Neu im Bereich der Verwaltung konkret gesetzt, um so Kosten und Ressourcen einzusparen?

20. Wie hoch war das jährliche tatsächliche Grundwehrdieneraufkommen seit 1990 und wie hat sich seit diesem Zeitpunkt das Verhältnis von "Systemerhaltern" zu Soldaten, die der Einsatzorganisation zugeführt wurden, entwickelt?

21. Wie hoch war der Prozentsatz an Untauglichen und der vorzeitig Entlassenen am gesamten Wehrpflichtigenaufkommen/Grundwehrdieneraufkommen?

22. In welcher Form waren Sie in die Verhandlungen zur Neuregelung des Zivildienstes eingebunden und können Sie das Verhandlungsergebnis vollinhaltlich mittragen?

23. Sind Sie dafür, daß Frauen die Möglichkeit erhalten, auf freiwilliger Basis Dienst in Uniform beim Bundesheer zu machen beziehungsweise ab wann kann mit einer diesbezüglichen Einführung gerechnet werden?

24. Im Gegensatz zu manchen Politikern ist bei der österreichischen Bevölkerung das Bekenntnis zur Landesverteidigung nachweisbar groß. So wurde die Militärparade im Zuge der Gedenkfeiern zum 26. Oktober 1995 von der Bevölkerung begeistert mitgetragen. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß auch in Zukunft in der Bundeshauptstadt, aber auch in den Ländern vergleichbare Veranstaltungen durchgeführt werden?

Wenn ja, wann sind diesbezügliche Veranstaltungen geplant?


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25. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Wehrgedanken, die Integration des Bundesheeres in die Gesellschaft, die Gedanken der Verteidigungswürdigkeit der Heimat zu forcieren?

26. Welche Rolle kommt dabei der Schule zu und war Ihrer Meinung nach in der Vergangenheit die diesbezügliche Einbindung der Schulen optimal?

27. Sind Sie für die Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht und die Umwandlung des österreichischen Bundesheeres in ein Freiwilligenheer?

Wenn ja, in welchem Zeitraum soll dies erfolgen?

28. Werden Sie Ministerkollegen, die sich jüngst in umfassender Weise mit der Problematik der künftigen Landesverteidigung beschäftigt haben, zur kooperativen Mitwirkung und Mitarbeit einladen?

Wenn ja, haben Sie diesbezüglich Präferenzen?

29. Stehen Sie zu Ihrer Aussage, daß die sieben Thesen Ihres Ministerkollegen Einem "staatsschädigend" sind?

30. Sind Sie der Meinung Ihres Ministerkollegen, daß "die Ausbildung von Grundwehrdienern für das Berufskader lediglich eine lästige Pflicht" darstellt, daß "die Angehörigen des Bundesheeres dadurch von dummen Gedanken abgelenkt werden, daß man ihnen ständig Präsenzdiener zuführt ..." und daß "es im Kader ein großes Alkoholproblem gibt"?

31. Wie werden Sie im Ministerrat die nötige Einstimmigkeit für notwendige Maßnahmen zur Förderung der umfassenden Landesverteidigung mit einem Ministerkollegen herbeiführen, dessen Aussagen von Ihnen als "staatsschädigend" bezeichnet wurden und welcher linksextreme Bundesheergegner unterstützt hat?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 93 Abs. 4 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu verhandeln.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile Herrn Abgeordneten Scheibner als erstem Fragesteller zur Begründung der dringlichen Anfrage das Wort, wobei ich darauf hinweise, daß nach der Geschäftsordnung seine Wortmeldung nicht mehr als 40 Minuten betragen darf. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

16.03

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Danke, Herr Präsident! – Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist schon fast zu einem Ritual geworden, daß, wenn wir berechtigterweise dringliche Anfragen hier im Parlament einbringen, dann sofort Redner der anderen Fraktionen – leider nicht nur der Regierungsfraktionen, sondern auch der anderen, der kleineren Oppositionsfraktionen – hier herauskommen und die Frage stellen, ob denn diese Anfrage wirklich von so großer Dringlichkeit ist, ob man die Anfrage nicht auch anders stellen hätte können.

Meine Damen und Herren! Ich möchte allen Rednern, die nach mir kommen – Kollege Moser, auch du wirst hier noch Gelegenheit haben, deine Kapriolen zu erklären, die du in der letzten Zeit hier geschlagen hast –, jetzt schon vorgreifen und sagen: Ich glaube, an der Dringlichkeit dieser Frage, nämlich an der Dringlichkeit der Problematik unserer Sicherheitspolitik in Österreich, kann wohl heute überhaupt kein Zweifel bestehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht nur die internationale Entwicklung hat das gezeigt, nicht nur die Situation des österreichischen Bundesheeres – seit vielen Monaten und Jahren haben wir das kritisiert – zeigt diese Dringlichkeit. Nicht nur die aktuelle Diskussion rund um die Regierungsbildung, die wir


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zurzeit in den Zeitungen verfolgen können, zeigt diese Dringlichkeit, sondern auch ein sehr aktueller Umstand, der uns alle eigentlich stark zum Nachdenken anregen sollte.

Vor wenigen Tagen haben wir die Veröffentlichung einer Aussage eines Regierungsmitgliedes zur Kenntnis bekommen, und zwar nicht irgendeines Regierungsmitgliedes, sondern des Innenministers, der seine Thesen zur Zukunft der Landesverteidigung veröffentlicht hat.

Auf den ersten Blick könnte man sagen: Nun ja, er hat eben seine Ideen zur Abschaffung der Wehrpflicht – darüber kann man diskutieren, das wäre vielleicht sinnvoll – einmal dargelegt. Wenn man sich aber genauer mit diesen Thesen auseinandersetzt, dann merkt man erst, wes Geistes Kind hier zum Ausdruck kommt und was er wirklich mit diesen Thesen bewirken will.

Er möchte nicht nur die allgemeine Wehrpflicht abschaffen, sondern er möchte vor allem laut These 2 das Bundesheer abschaffen. Er möchte die militärische Landesverteidigung Österreichs abschaffen. (Abg. Dr. Haider: Ganz gefährlich!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, das hat es in dieser Zweiten Republik noch nicht gegeben. Herr Bundesminister Fasslabend! Sie werden das vielleicht besser wissen. Hat es in dieser Zweiten Republik schon einmal einen Minister beziehungsweise einen Innenminister gegeben, der diese wichtige Institution, der eine Grundfeste der österreichischen Sicherheit, eine Grundfeste des österreichischen Staates derart in Zweifel zieht? (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Meine Damen und Herren! Da kann man nur mit aller Kraft und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen protestieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er hat noch dazu in dieser These nicht nur die Abschaffung des Bundesheeres verlangt, sondern er hat auch gleich rundum alle Soldaten als Alkoholiker beschimpft. Er hat gemeint, die Grundwehrdiener seien ohnehin nur lästig, sie störten den ruhigen Betrieb im Bundesheer und man wäre eigentlich froh, wenn es gar keine Grundwehrdiener gäbe.

Meine Damen und Herren! Das ist doch wirklich eines Ministers dieser Republik unwürdig! Und er hat diese Thesen inzwischen sogar noch bekräftigt. Ich höre, daß er gestern bei einer Veranstaltung des Bundes Sozialistischer Akademiker auch gleich die umfassende Landesverteidigung in Frage gestellt hat, also wieder einen Pfeiler unserer Verfassung. Wenn wir schon die militärische Landesverteidigung abschaffen – schließlich ist alles, was mit Landesverteidigung zusammenhängt, furchtbar extremistisch und rechts –, dann schaffen wir doch gleich alles ab, was in Österreich möglicherweise in Uniform und mit Waffe herumlaufen und vielleicht diese linken Thesen des Herrn Ministers stören könnte.

Herr Bundesminister Fasslabend! Sie haben es sehr deutlich in der "Pressestunde" ausgedrückt. Sie haben gesagt: Diese Aussagen sind unverantwortlich und staatsgefährdend. – Ich stimme mit Ihrer Einsicht und auch der Einsicht etwa des Kollegen Maitz oder des Kollegen Khol völlig überein. Diese Aussagen sind staatsgefährdend und verantwortungslos! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich stimme mit Herrn Abgeordneten Khol – selten, aber doch! – auch in einer anderen Kritik und einer anderen Einschätzung, die er schon früher geäußert hat, überein, und zwar mit seiner Äußerung vom 24. Oktober, als er Minister wie Staribacher – der ist jetzt weg –, aber auch Caspar Einem als Gefahr für dieses Land bezeichnete. Er, der Klubobmann der Österreichischen Volkspartei, hat noch am 14. Dezember 1995 – es ist also noch nicht so lange her – gemeint: Wenn man uns Vranitzky, Staribacher und Einem vorsetzt, wird es keine ÖVP in dieser Regierung geben.

Herr Bundesminister Fasslabend! Vranitzky und Einem sind nach wie vor in der Regierung, und vor allem Einem hat jetzt durch seine Aussagen noch einmal bekräftigt, welcher Ideologie er anhängt. Sie haben gesagt: "staatsgefährdend", Khol hat gesagt: Mit diesen Leuten keine Regierung!

Herr Bundesminister! Wir erwarten uns heute eine Auskunft darüber, wie denn die künftige Regierung aussehen wird, der Sie als Verteidigungsminister vielleicht wieder zur Verfügung


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stehen werden. Wie werden Sie denn mit diesen Leuten umgehen? Wie wird denn diesem Versprechen, das von der Österreichischen Volkspartei gegeben worden ist, nachgekommen? Welche Maßnahmen werden Sie denn setzen, damit diese Leute nicht mehr in der künftigen Bundesregierung sein werden? – Auch darüber erwarten wir uns eine Auskunft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Es geht dabei nicht darum, daß wir sagen: Einem nicht oder Vranitzky nicht, sondern es geht – gerade bei Fragen der Landesverteidigung – darum, daß wir das Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat haben. Ein Minister kann mit seinem Veto jede Initiative – Herr Bundesminister, Sie werden hoffentlich in der nächsten Zeit auch welche setzen – blockieren. Bei solchen Aussagen von Minister Einem ist wohl damit zu rechnen, daß er in keinem Fall irgendwelchen Initiativen zustimmen wird, die dem Bundesheer zum Vorteil gereichen würden.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wir werden sehen, was die Zeit bringt und ob Sie wieder einmal umfallen werden, weil Sie sagen: Hauptsache, wir sind in der Regierung, Hauptsache, wir können unsere Machtpositionen noch halten. Da reden wir halt vor den Wahlen ein bißchen darüber und machen ein bißchen Druck und schauen, daß wir nach außen hin ein bißchen Stärke zeigen. Nachher, wenn es um die Positionen geht, ist das alles wieder vergessen, und wir treten mit den von uns so kritisierten Leuten wieder in eine Zusammenarbeit ein. – Wir werden es sehen. Die Bevölkerung wird es sehen. Die Verantwortung haben ja letztlich dann Sie zu tragen.

Meine Damen und Herren! Gerade diese Aussagen des Innenministers zeigen sehr deutlich, wie in diesem Land über Sicherheitspolitik diskutiert wird. Herr Bundesminister! Wir haben es ja nicht zustandegebracht – auch hier im Parlament nicht –, daß wir etwa über die Regierungskonferenz 1996, über die Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, über die Zukunft unserer Landesverteidigung, die durch diese europäischen Initiativen gefordert ist, ordentlich diskutieren.

Es hat im Vorjahr eine Enquete gegeben, die von seiten der Regierung sehr lustlos geführt wurde, wo man zwar Fragen stellen durfte, aber nur läppische Antworten bekommen hat, und wo man als Abgeordneter hier im Parlament nicht einmal die Möglichkeit gehabt hat, Zusatzfragen zu stellen. Das Ganze war in drei Stunden vorbei. – Das war der Beitrag des österreichischen Parlaments zu dieser wichtigen Regierungskonferenz.

Dabei werden wir ja gerade heute vor wichtige, neue Anforderungen in der Sicherheitspolitik gestellt. Dies gilt gerade für Österreich, das sich in einer geopolitisch so sensiblen Situation befindet.

Meine Damen und Herren! Die europäische Sicherheitsstruktur befindet sich im Wandel, und das erfordert Flexibilität und Elan. Herr Bundesminister! Elan und Flexibilität sind jetzt gefordert, nicht zuwarten, beobachten und schauen, ob sich von außen etwas auf uns zubewegt.

Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks haben wir alle – und da glaube ich, sind wir alle einer Meinung – gehofft, daß jetzt ein Zeitalter des Friedens und der Freiheit in Europa ausbrechen wird. Diese Hoffnungen sind nur allzu bald zerstört worden. Das Gefährdungspotential des großen Konflikts der beiden Machtblöcke wurde zwar beendet, aber dieses Gefahrenpotential wurde durch eine noch größere Gefährdung ersetzt, und zwar durch eine Vielzahl von regionalen Konflikten, die nun nach dem Zerfall des Ostblocks möglich geworden sind. Diese werden mit einer Brutalität geführt, die auch kaum von jemandem vorhersehbar war. Internationale Studien prognostizieren etwa 30 Konfliktherde hier in Europa. Etwa die Hälfte davon betreffen direkt österreichische Interessen.

Nehmen wir zum Beispiel die Situation in Rußland, Herr Kollege Moser, weil Sie den Kopf schütteln: Können Sie uns mit Ihrem wehrpolitischen Wissen garantieren, daß sich Rußland weiter auf dem Weg der Demokratie bewegen wird, und wenn nein, uns sagen, welche Anforderungen daraus entstehen würden und welche Auswirkungen das auf unsere Sicherheitspolitik hätte? – Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß sogar Präsident Jelzin, auf dem ja all unsere


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Hoffnungen nach wie vor liegen, im Zuge der Diskussion über die NATO-Osterweiterung gesagt hat, er warnt vor dieser Osterweiterung, denn dann würde wieder eine Flamme des Krieges über Europa kommen.

Meine Damen und Herren! Das ist eine offene Kriegsdrohung eines Staatsmannes aus Rußland, die sicherlich nicht zu negieren ist. Die Situation dort ist völlig offen. Die Staatengemeinschaft blickt sorgenvoll nach Moskau. Niemand weiß, welches Gefährdungspotential sich von dort aus ergeben kann. Trotzdem haben aber alle Staaten – alle Staaten außer Österreich! – auf die neuen Anforderungen in Europa reagiert. Finnland etwa hat schon 1990, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, den Vertrag mit diesem Staat gekündigt. Ein Großteil der Ostblockstaaten möchte als Schutz gegen Rußland in die NATO, und die westlichen Staaten diskutieren seit Jahren über eine Neuordnung der europäischen Sicherheitspolitik.

Österreich hat sehr spät und unzulänglich auf diese Situation reagiert. Herr Bundesminister! Nur einer hat die Zeichen der Zeit schon 1990 erkannt, und zwar unser Klubobmann und Bundesparteiobmann Jörg Haider. (Abg. Dr. Maitz: Wer sonst?!) Ich erinnere Sie daran – einmal muß das auch gesagt werden, Herr Kollege! –: Er war der erste, der nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gesagt hat: Wir sind jetzt in einer neuen Zeit, wir müssen unsere Sicherheitspolitik neu überdenken (Abg. Dr. Maitz: Fasslabend!), und er hat, Herr Kollege Maitz, die Neutralität als erster zur Diskussion gestellt.

Herr Kollege Maitz! Aber was war denn die Folge damals? – Ein Sturm der Entrüstung ist über ihn und über die Freiheitlichen hereingebrochen. Da hat man gesagt: Das ist staatsgefährdend – genau das waren die Aussagen –, das ist Landesverrat, das ist Verfassungsbruch, das ist verantwortungslos! – Meine Damen und Herren! All diese Dinge hat man damals Jörg Haider vorgeworfen: Instinktlosigkeit, üble Propaganda, gefährliches Gebräu von radikalen Ideen. Alles nur deshalb, weil ein Staatsmann hier in Österreich die Zeichen der Zeit richtig erkannt hat!

Meine Damen und Herren! Hätten wir schon damals die Weichen richtig gestellt, so wie es Dr. Haider schon damals gefordert hat, dann würden wir heute nicht das Schlußlicht in der europäischen Sicherheitspolitik darstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben natürlich durch diese Versäumnisse auch in der Bevölkerung ein Problem. Die Bevölkerung hat Ihnen, der Bundesregierung, geglaubt, daß im Prinzip alles so bleiben kann wie bisher, nach dem Motto: Wir waren immer neutral, wir werden auch neutral bleiben, das ist unsere Sicherheitsgarantie.

Bei der SPÖ ist das eine klare Linie. Sie ist zwar meiner Ansicht nach falsch, aber sie ist klar. Bei Ihnen, Herr Bundesminister Fasslabend, bin ich mir nicht so ganz sicher. Da hat es einmal geheißen: Naja, man muß über die Teilnahme an Sicherheitssystemen diskutieren. Ein anderes Mal wollen Sie die Neutralität neu definieren. Jüngst hat es wiederum geheißen, Sie wollen ein Solidaritätsgesetz machen, wonach wir innerhalb der Europäischen Union nicht mehr neutral sind, nach außen hin aber sehr wohl.

Herr Bundesminister! Das ist doch wirklich Unsinn. Das ist Unsinn, solange man die Neutralität als das sieht, was sie sein sollte, nämlich ein sicherheitspolitisches, völkerrechtliches Instrument, das dazu führen sollte, daß unsere Sicherheit gewährleistet ist. Was soll da die Neutralität gegenüber den Staaten, die nicht in der EU sind? Was soll denn das bedeuten, meine Damen und Herren? – Selbstverständlich hat die Neutralität eine große historische Bedeutung für Österreich gehabt. Sie war Voraussetzung für den Staatsvertrag, und sie war eine wichtige Zieldefinition in der Zeit des kalten Krieges, als Österreich Puffer zwischen den beiden Mächten war. Gott sei Dank hat sie jedoch nie den Wahrheitsbeweis dafür antreten müssen, ob sie uns im Ernstfall wirklich diese Sicherheit gewährleisten hätte können, die wir uns alle von ihr erwartet haben. Herr Kollege Wabl! Die Aufmarschpläne des Warschauer Paktes zeigen eher das Gegenteil.

Aber, Herr Bundesminister: Wie sieht es denn jetzt mit dieser Funktion aus? Wie sieht es jetzt mit der Funktion einer ernstgenommenen Neutralität aus? – Ich will jetzt gar nicht über die Anforderungen mit Überflugsgenehmigungen und diesen Dingen reden, da kann man alles


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mögliche herumdefinieren, aber einen Grundsatz einer ernstgenommenen Neutralität, den müssen Sie nach Ihrer Linie beibehalten, und zwar die Neutralitätspolitik. Neutralitätspolitik heißt, daß wir auch in Friedenszeiten jeder potentiellen Konfliktpartei gegenüber neutral eingestellt sein müssen. Wir müssen auch in Friedenszeiten signalisieren, daß wir uns an keinen Konflikten beteiligen und auch nicht Partei ergreifen werden.

Herr Bundesminister! Wie soll denn das umgesetzt werden, ohne sich völlig aus der westlichen Staatengemeinschaft zu verabschieden? Es heißt doch: Gleichbehandlung aller Gegner. Was hätte denn das – Gleichbehandlung aller Konfliktparteien – im ehemaligen Jugoslawien bedeutet? – Vor allem schützt uns das doch wohl niemals gegen Aggressoren, die Interesse daran haben, die Integrität Österreichs anzugreifen. Das ist doch völlig unsinnig, das muß doch auch von Ihnen zugegeben werden.

Man kann natürlich die Neutralität auch als Isolation verstehen, nämlich so, daß man sagt: Wir wollen unsere Sicherheitspolitik allein organisieren, damit wir keine Verpflichtungen für andere eingehen müssen. Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit, Herr Bundesminister! Ich halte sie nicht für sinnvoll, weil sie teuer wäre. Das würde nämlich bedeuten, daß wir auch das gesamte Abschreckungspotential selbst finanzieren müßten, so wie zum Beispiel die Schweiz. Es wäre auch völlig unsinnig, jetzt allein eine Riesenarmee aufzubauen, die all das bewältigen könnte.

Herr Bundesminister! Ich bin also gespannt, wie Sie das heute hier noch erklären werden. Ich glaube, daß in der Sicherheitspolitik das Gebot der Stunde die Kooperation mit anderen Staaten für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik sein sollte. Das ist so ähnlich wie bei einer Versicherung: Wenn man sich vor einem Schaden bewahren möchte, hat man grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder man spart selbst soviel Geld an, daß man den Schadensfall allein begleichen kann, oder man zahlt gemeinsam mit allen anderen solidarisch in eine Kasse ein, an Hand derer man dann auch gemeinsam jedem einzelnen Mitglied die Sicherheit geben kann. – Das, glaube ich, ist der Weg der Zukunft, und den sollten Sie endlich gemeinsam mit uns beschreiten, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Österreich geht leider einen ganz eigenen Weg, und zwar weder den der ernstgenommenen Neutralität – sprich Isolation, eigene Landesverteidigung –, noch den zweiten Weg, der für uns die sinnvollste Variante wäre, nämlich die Kooperation mit anderen Staaten, sondern den dritten Weg: die Vernachlässigung der eigenen Landesverteidigung, keine Kooperation mit anderen Staaten, also den Weg des Zuwartens, Beobachtens und Hoffens, daß nichts passiert. – Herr Bundesminister! Das ist verantwortungslos! Sie als Landesverteidigungsminister haben die Verantwortung dafür, das zu korrigieren, und da werden wir Sie nicht aus der Ziehung lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Es gilt hier auch ehrlich zu sein, wenn es darum geht, welche Partner, welche Verteidigungsorganisationen es in Europa derzeit gibt. Das ist ganz einfach: Wir alle haben dort jetzt Beobachterstatus, wir dürfen alle in der letzten Reihe sitzen und zuhören, wie Staaten wie Moldawien, wie Rußland, wie Albanien, wie Rumänien als gleichberechtigte Partner Antragsrecht und Rederecht haben. Wir dürfen mitanhören, was diese Staaten in der NATO-Vollversammlung alles diskutieren. Aber da hören wir ja wenigstens, in welche Richtung es geht. Und alle Experten sagen uns, daß nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in Zukunft die NATO das einzige funktionierende Verteidigungsbündnis in Europa darstellen wird, und daß die Westeuropäische Union dabei ist – das wäre sicherlich ein Ansatz –, ein europäischer Arm innerhalb der NATO oder gemeinsam mit der NATO zu werden.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Da brauchen wir hier nicht herumzureden, NATO oder WEU, weil nämlich das eine ohne das andere nicht gehen wird. Setzen Sie endlich die erforderlichen Maßnahmen, damit Österreich unter diesen Schutzschirm einer gemeinsamen Verteidigung kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Österreich geht auch hier wieder einen anderen Weg, wie bei der IFOR, Herr Bundesminister. Grundsätzlich: Selbstverständlich muß Österreich bei derartigen gemeinsamen Initiativen einen Beitrag leisten. Was aber machen wir? – Österreich übernimmt die Pflichten einer solchen


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Kooperation, nämlich die Beteiligung, noch dazu, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten, schlecht vorbereitet allein vom zeitlichen Ablauf her, indem man im letzten Moment noch das Gerät beschafft, das Gerät zusammenflickt und sich die Helme ausborgt von anderen Armeen oder ganz plötzlich zukauft. – Wie bitte? (Abg. Dr. Maitz: Die haben wir gekauft!) Aha! Sie haben sie gekauft, wunderbar.

Gut, bleiben wir gleich dabei. Jetzt frage ich Sie, Herr Kollege Maitz: Warum haben unsere Truppen in Bosnien mit Müh und Not jetzt die neuen Helme bekommen, während die Soldaten in Österreich noch immer diesen Helm hier haben (der Redner zeigt einen Stahlhelm), den ich natürlich nicht aufsetze, aber den ich hier herzeige? Das ist der Helm, den unsere Grundwehrdiener tragen. Dieser Helm ist ein Modell – er hat Weltkriegserfahrung! – aus dem Zweiten Weltkrieg, das später weiterentwickelt und im Koreakrieg verwendet wurde. Diesen Helm trägt der österreichischer Soldat, wenn er seiner Aufgabe, die österreichischen Grenzen und die Sicherheit unseres Landes zu verteidigen, nachkommen soll.

Herr Bundesminister! Sie haben zugegeben, daß unsere Soldaten unzureichend ausgerüstet sind. (Abg. Mag. Stadler: Der gehört ins Heeresgeschichtliche Museum!) Jetzt frage ich Sie: Seit 1985 versuchen wir, den Helm, den man jetzt für die IFOR-Truppen angeschafft hat, auch für unsere Soldaten in Österreich zu beschaffen. Warum hat man es seit 1985 nicht zuwege gebracht, unseren Soldaten diese Grundausstattung, die im Ernstfall Leben retten kann, zur Verfügung zu stellen? Das dürfte doch wirklich kein Problem darstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben uns auch über die Kosten des IFOR-Einsatzes noch nicht richtig informiert. Was kostet dieser Einsatz, an dem wir uns beteiligen und bei dem wir gute Leistungen bringen? – Unsere Soldaten sind gut ausgebildet. Unsere Soldaten zeigen hohe Einsatzbereitschaft, das haben wir auch bei allen anderen UNO-Einsätzen gesehen. Aber sie haben diese Einsatzbereitschaft und diese guten Leistungen nicht wegen dieser Infrastruktur und der ihnen gegebenen Unterstützung erbracht, sondern trotz dieser katastrophalen Rahmenbedingungen, unter denen sie diesen Dienst leisten müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Österreich braucht eine Sicherheitspolitik, die unser Land mit allen Pflichten, aber auch mit allen Rechten unter das Schutzschild der westlichen Verteidigungsstrukturen bringt. Wir brauchen aber auch die volle Unterstützung für unser Bundesheer, das wie in der Vergangenheit wohl auch in der Zukunft einen unabdingbaren Garanten für die Sicherheit unseres Landes darstellen wird.

Herr Bundesminister! Auch die Regierung hat diese wichtige Einrichtung vernachlässigt. Ich weiß schon, daß Sie guten Willens sind, daß Sie gute Ideen haben. Aber die Frage ist: Wie kann das umgesetzt werden?

Das Bundesheer klagt über die fehlende politische Unterstützung. Es klagt zu Recht über das finanzielle Aushungern, meine Damen und Herren! Seit Jahren haben Sie das Landesverteidigungsbudget anteilsmäßig gekürzt. Sie haben tatenlos dabei zugesehen, daß Österreich nach Luxemburg bei den Verteidigungsausgaben das absolute Schlußlicht in Europa ist. Nach Luxemburg ist Österreich das Land, das am wenigsten für die ordentliche Ausrüstung seiner Armee übrig hat. 6 S pro Tag wendet jeder Österreicher für die Landesverteidigung auf.

Herr Bundesminister! Es ist schon klar, daß es in Sparpaketzeiten schwierig ist, zusätzliches Geld zu lukrieren. Aber das Bundesheer leidet ja nicht an dem jetzigen Sparpaket, sondern es leidet an den Sparpaketen, die Sie diesem Heer schon in den letzten Jahren stets verordnet haben. Da gab es ja ein Sparbudget nach dem anderen! Das Bundesheer kämpft ja mit den Versäumnissen der Vergangenheit.

Das Heer hat eine museumsreife Ausrüstung, Herr Bundesminister! Wie sieht es denn aus, das schwere Gerät, von dem Sie nicht zugelassen haben, daß es am 26. Oktober bei der Parade der Bevölkerung präsentiert wird? 25 Jahre, 30 Jahre ist dieses Gerät alt. Der Kampfpanzer, den wir haben, das Aushängeschild unserer mechanisierten Truppe, der M-60 A 3, wird in seiner Grundkonfiguration in Amerika jetzt dazu verwendet, vor New York ein neues Atoll zu errichten.


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Dort hat man nämlich diese Panzer ins Meer geworfen beziehungsweise geschoben, und darauf soll jetzt ein Atoll entstehen. – Ich weiß schon, unser Panzer ist kampfwertgesteigert, aber die Grundkonfiguration ist dieselbe. Mit diesem Panzer sollen unsere Soldaten die österreichischen Grenzen verteidigen.

Herr Bundesminister! Betreffend die Abfangjäger: Was war denn das damals für eine schändliche Diskussion rund um den Ankauf der Abfangjäger Draken? Aber im Jahr 1991 haben all jene, die damals Mißtrauensanträge gegen den eigenen Minister gestellt hatten, applaudiert, als die Draken unsere Grenze geschützt haben – allerdings mit einer Bordkanone, die überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, wirklich entsprechenden Schutz zu geben, aber das sei nur nebenbei bemerkt.

Hinsichtlich Draken – das wissen Sie ganz genau – war geplant, daß wir heuer das Nachfolgemodell bekommen. Am 18. Februar dieses Jahres ist der Garantievertrag mit der Firma SAAB ausgelaufen. 1998 wird Schweden den letzten Draken außer Dienst stellen. Dann wird Österreich das Privileg haben, als einziges Land der Welt dieses 30 Jahre alte Fluggerät im Dienst seiner Armee zu haben.

Wir haben überhaupt noch nichts darüber gehört, wie denn der Beschaffungsvorgang weitergehen soll. Genauso schaut es nämlich mit den Radpanzern aus, Herr Bundesminister. Jetzt hat man sich dazu durchgerungen, die Radpanzer für den UNO-Einsatz zu organisieren. Schon wieder: Für den Auslandseinsatz wird das Gerät bereitgestellt, aber für die eigenen Leute hat man das nicht, da werden die Soldaten mit LKWs und mit Autobussen transportiert. (Bundesminister Dr. Fasslabend: Blödsinn!) Sie sagen Blödsinn. Wahrscheinlich sehen Sie das alles nur bei Truppenbesuchen, wie jüngst bei einer Jubiläumsfeier, wo man Ihnen halt den einzigen Radpanzer zur Verfügung stellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten sich aber vielleicht einmal erkundigen, wie das in der Realität aussieht. Das sind doch die Dinge, die hier zu kritisieren sind. – Und wenn wir schon beim IFOR-Einsatz sind: Woher sind denn diese guten LKWs genommen worden? Die sind ja aus der Truppe, aus der Einsatzorganisation herausgenommen worden. Herr Bundesminister! Was haben wir denn da jetzt noch bei uns in Österreich bei der Truppe? – Diese ebenfalls 30 Jahre alten Steyr-LKW haben wir, bei denen die Standschäden schon so groß sind, daß wir nicht mehr wissen, wie wir diese Fahrzeuge bewegen sollen. Diese wollen Sie jetzt nachrüsten lassen, dabei ist der Preis dieser Nachrüstung fast so hoch wie die Neuanschaffung derartiger LKWs. (Abg. Mag. Stadler: Ein Museum müssen Sie verwalten, Herr Minister!) Das kann doch wirklich nicht Sinn einer ordentlichen Rüstungspolitik sein!

Herr Bundesminister! Ich weiß schon, daß Sie auch Gefangener des Budgets sind. Kollege Maitz, der da jetzt wieder den Kopf schüttelt, hat ja die Lösung. Er hat eine Lösung angeboten. Er hat gesagt, im Budget werden wir das nicht unterbringen. Deshalb soll ab 1998 außerbudgetär ein eigenes Beschaffungsprogramm mit einem eigenen Budget aufgestellt werden. Herr Kollege Maitz! Sie kennen den Rüstungsbedarf doch so gut wie ich, und zwar aus Zeitungsmeldungen, denn es handelt sich ja um ein "Geheimpapier". Es ist ja so, daß wir als Abgeordnete dieser Republik das 10jährige Beschaffungsprogramm gar nicht offiziell kennen dürfen. Das ist ja auch eine Facette in der Landesverteidigungspolitik, Herr Bundesminister. Aber wir sind aus den Zeitungsmeldungen informiert und von Leuten, der Kragen platzt und die uns halt über die Probleme berichten. Herr Kollege Maitz! In diesem Programm ist doch der Finanzierungsbedarf festgehalten, nämlich 120 Milliarden Schilling in den nächsten zehn Jahren. Ich weiß aber auch, daß diese Summe mit jedem Tag höher wird, denn mit jedem Tag, an dem wir keine Beschaffung machen, wird der Bedarf für diese Finanzierung größer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie, Herr Kollege Maitz: Wenn die Regierung heute keine Vorsorge dafür trifft, wo will sie denn diese 120 Milliarden Schilling im Jahr 1998 hernehmen? Das ist doch wirklich eine Frage, die Sie uns hier beantworten müssen. Oder betreiben Sie auch da ein Hinausschieben der Probleme, so nach dem Motto: Versuchen wir noch zu flicken, was zu flicken ist, auch wenn


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letzten Endes dann alles gleichzeitig zur Nachbeschaffung ansteht, und wir nicht wissen, wo wir die Mittel dafür herbekommen sollen.

Herr Bundesminister! Ähnlich sieht es ja bei der Motivation des Personals aus. Sie haben aufgrund des letzten Sparbudgets die Überstunden gekürzt, und zwar Überstunden für ein Personal, das in ein Beamtendienstrecht eingebettet ist, das völlig untauglich ist, um auf die Anforderungen einer modernen Armee Rücksicht zu nehmen. Diese Überstundenkürzung hat bewirkt, daß Übungen jetzt nur noch zwischen 8 Uhr und 16 Uhr stattfinden. Um 16 Uhr wird die Übung beendet oder unterbrochen – so stattgefunden bei der letzten MILAK-Abschlußübung. Die Grundwehrdiener, die Soldaten, die da mit eingebunden sind, müssen entweder in den Schützengräben bleiben oder werden in ihre Quartiere geführt, weil die Ausbildner und die Offiziere keine Überstundenkontingente mehr haben.

Herr Bundesminister! Gott sei Dank gibt es noch so viele Idealisten, die sagen: Das ist doch unsinnig, daß wir jetzt quasi mitten im Gefecht die Übung abbrechen, nach Hause fahren und unsere Soldaten dort liegen lassen, wir machen auf freiwilliger Basis weiter. Aber das kann doch nicht Sinn eines Heeresdienstrechtes und Ihres Heeresbudgets sein, daß man es vom Goodwill der Ausbildner und der Offiziere abhängig macht, ob ein ordentlicher Dienstbetrieb funktioniert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie sieht es denn mit dem Grundwehrdieneraufkommen aus? – Sie haben in der Heeresgliederung Neu 34 000 Mann als Mindesterfordernis angeführt. Sie haben dann bei allen Budgetdebatten, bei denen wir das nachgefragt haben, gesagt: Es ist alles ausreichend vorhanden. Aber gerade das ist, wenn ich das sagen darf, ein generelles Problem, das wir mit Ihnen haben, Herr Bundesminister, und auch die Truppe hat es mit Ihnen.

Wir alle sehen die Schwierigkeiten, die es gibt, und wir sehen natürlich auch, daß Sie bei den Rahmenbedingungen einer Koalition keine Wunder wirken können. Das ist völlig klar! Aber die Leute und wir würden uns erwarten, daß Sie wenigstens zugeben, daß es diese Probleme gibt, und dann überlegen, wie man diese Probleme lösen könnte. Kollege Gaal hat ja aus seiner Sicht völlig recht. Wenn wir bei einer Podiumsdiskussion gemeinsam auftreten und die Leute über Probleme berichten, dann entgegnet er aus seiner Sicht völlig zu Recht: Was wollt ihr eigentlich? Euer Minister sagt: Es ist alles in Ordnung. Wir haben genug Grundwehrdiener. Das Budget könnte besser sein, aber es ist ausreichend, und mit der Ausrüstung kommen wir auch zurande. – Wieso soll er als Abgeordneter, als Regierungspartner etwas anderes glauben als das, was Sie anscheinend bei den internen Verhandlungen – und Sie sagen es uns ja auch hier im Parlament immer wieder – ausführen? Das ist auch eine Frage, die Sie uns beantworten müssen, Herr Bundesminister! Die Leute erwarten sich, daß Sie die Probleme zumindest zugeben.

Genauso war es auch bezüglich Grundwehrdieneraufkommen. Sie haben immer gesagt, Sie haben genug. Wir wissen aber aus den aktuellen Zahlen, daß dem überhaupt nicht so ist, daß Sie nämlich die Anzahl von 34 000 Mann nicht erreichen können. Sie bringen dann irgendwelche Zahlen, aber wir wissen, daß es zeitweise unter 30 000 gewesen sind. Sie haben auch das große Problem, daß die Leute zwar hinkommen zum Bundesheer, aber nach drei Tagen wieder nach Hause geschickt werden, weil auch merkwürdige Dinge bei den ärztlichen Untersuchungen passieren. Da gibt es zum Beispiel Sportler, sehr aktiv und wunderbar unterwegs, aber von den Heeresärzten werden sie wieder nach Hause geschickt.

Was ist mit dem heerespsychologischen Dienst, meine Damen und Herren? Wenn jemand sagt, er hat Platzangst, weil er in einer Kaserne ist, wird er nach Hause geschickt. Auch da hätte man Handlungsbedarf.

Die Zivildienstregelung möchte ich jetzt gar nicht mehr anführen. Auch in diesem Bereich hat man einer weiteren Liberalisierung in den letzten Jahren zugestimmt. Auch diesbezüglich hätte ich eine Frage an Sie, Herr Bundesminister, zu richten. Bei der letzten Verhandlungsrunde waren Sie ja überhaupt nicht eingebunden, das war anscheinend nur ein Gespräch zwischen den Klubobmännern. Ich kann mir das gut vorstellen, weil das Klima zwischen Ihnen und Herrn


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Minister Einem wird wahrscheinlich nicht das beste sein. Aber auch das zeigt, wie handlungsunfähig diese Regierung geworden ist. Der Zivildienst wird nicht mehr zwischen den verantwortlichen Ressortministern ausgehandelt, sondern zwischen den beiden Klubobmännern, die wohl – und dieser Verdacht sei mir gestattet – überhaupt keine Ahnung von der Materie haben. Die Hauptsache ist, man hat wieder ein Problem weg, sodaß man gemeinsam wieder eine Koalition bilden kann. Sie schauen zu, man hört von Ihnen nichts, aber vielleicht hören wir heute etwas Besseres. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Wir glauben, daß es Zeit wäre, der Realität ins Auge zu sehen und auch den internationalen Vorgaben Rechnung zu tragen. International geht der Weg in Richtung Professionalisierung der Armeen. Professionalisierung heißt nicht gleich reines Berufsheer, das sage ich auch dazu. Ein reines Berufsheer wäre eine Armee von Söldnern, die überhaupt nicht in der Bevölkerung verankert sind und sehr hohe Kosten erfordern würden. Wir Freiheitlichen wollen ein Mischsystem, das – so glaube ich – sinnvoll wäre. Wir wollen einen starken Berufskader, eingebunden in eine Freiwilligenarmee mit einem flexiblen Dienstrecht, im Rahmen derer sich jeder zu einem ordentlichen Dienst melden kann. Und zusätzlich wollen wir eine Freiwilligenmiliz, bei der sich die Leute freiwillig melden können, ihre Übungen, ihren Grundwehrdienst leisten können, bei der die Leute ordentlich entlohnt werden und bei der auch eine entsprechende Ausrüstung zur Verfügung gestellt wird.

Die allgemeine Wehrpflicht in der derzeitigen Form ist ja auch gar nicht mehr vorhanden. Seit Sie den Zivildienst derart liberalisiert haben, gibt es ja diese Wehrpflicht de facto nicht mehr. Es hat heute jeder die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob er Dienst mit der Waffe oder Zivildienst macht. Wir Freiheitlichen glauben, es wäre gescheiter, daß man endlich die allgemeine Wehrpflicht in eine allgemeine Dienstpflicht umwandelt, und zwar als Signal an die Bevölkerung, an die junge Bevölkerung, daß grundsätzlich jeder seinen Dienst für die Gemeinschaft machen muß, wir aber versuchen, so weit wie möglich Freiwillige für unsere Armee und unsere Landesverteidigung zu bekommen, weil diese natürlich wesentlich besser motiviert sind, um diese Aufgaben erfüllen zu können. – Auch das, Herr Bundesminister, haben Sie öfters diskutiert. Wir warten auf die Realisierung.

Die politische Unterstützung wird immer wieder eingemahnt und in Sonntagsreden auch immer wieder ausgeführt. Wo ist sie? Wo ist diese erkennbar an konkreten Maßnahmen? Ich wundere mich immer – jetzt auch an die Sozialisten gewandt –, wenn man an Angelobungen, an irgendwelchen Festakten teilnimmt, welche Reden man von sozialistischen Bürgermeistern hört. Da heißt es: Volle Unterstützung für die Landesverteidigung! Wir brauchen ein starkes Heer! Das erfordert mehr Geld! Da gehört eine gescheite Ausrüstung her! Skandalös, welche Zustände hier herrschen! Wenn es aber dann um die Umsetzung geht, wenn es konkret um die Realisierung dieser Forderungen geht – nicht nur in Sonntagsreden, wo es klaß ist, daß man wieder eine Angelobung vornimmt und eine schöne Rede hält –, dann merkt man nichts mehr von dieser Unterstützung.

Ich weiß, daß es auch in Ihren Reihen Leute gibt, die das anders sehen. Aber die Frage stellt sich jetzt auch für die SPÖ: Setzen sich Leute wie Kostelka, Einem, Scholten und wie sie alle heißen mögen, durch, denen die Landesverteidigung ein Dorn im Auge ist, oder setzen sich auch hier jene vernünftigen Leute durch, die sagen: Landesverteidigung ist ein wichtiger Pfeiler unserer staatlichen Integrität, wir müssen sie mit bestem Wissen und Gewissen fördern, damit sie ihre Aufgaben auch erfüllen kann? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen diesen nationalen Konsens in der Landesverteidigung. Wir brauchen auch endlich wieder die Gewißheit, daß die Werte, die diese Landesverteidigung umschließen, etwas gelten. Wem der Wert der Heimat, wem der Wert der Familie, wem der Wert des Schutzes dieser Heimat und der Familie nichts bedeutet, dem wird auch die Landesverteidigung nichts bedeuten. Aber für uns als Parlamentarier sollte es eine Verantwortung, eine Aufgabe sein, gerade diesen Werten in der Gesellschaft wieder zum Durchbruch zu verhelfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Da sind die Schulen gefordert, da sind die Medien gefordert, da sind aber in erster Linie wir Parlamentarier gefordert. Die Sicherheitspolitik soll keine ideologische Spielwiese sein. Handeln Sie endlich nach Ihrem Gewissen, handeln Sie endlich nach dem Auftrag, den Ihnen die Bevölkerung bei den Wahlen gegeben hat, oder treten Sie ab, denn so sind Sie eine Gefahr für dieses Land! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.38

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zur Beantwortung der Anfrage erteile ich nunmehr dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung das Wort. – Bitte.

16.39

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde ein weiter Bogen von Fragen hier gestellt. Allein die Tatsache, daß 31 Fragen aufgezählt wurden und ein ganzes Paket auch noch zusätzlich vorgebracht wurde, zeigt auf der einen Seite die Komplexität und auf der anderen Seite auch offensichtlich manche Informationsrückstände auf, die es lohnen, zusätzlich darauf einzugehen, weil ich glaube, daß selbstverständlich auch eine Oppositionspartei ein Recht darauf hat, entsprechend informiert zu sein und informiert zu werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Scheibner! Sie haben eingangs die Veränderung der geostrategischen Situation und die Frage der österreichischen Sicherheitspolitik angesprochen. Man kann zweifelsohne ohne Übertreibung sagen, daß der Umbruch des Jahres 1989 nicht nur die größte Veränderung im geostrategischen Bereich Europas im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte war, sondern darüber hinaus wahrscheinlich dieses Jahrhunderts, wenn nicht überhaupt der letzten Jahrhunderte.

Europa hat seine Funktion aus Hauptkonfrontationsfeld zwischen Ost und West verloren. Die beiden einander feindlich gegenüberstehenden Pakte haben diese Funktion nicht mehr beziehungsweise sind aufgelöst, die Rote Armee hat eine West-Ost-Verlagerung von 1 500 Kilometern durchgemacht, und es ist insgesamt eine völlige Veränderung durch den neuen Aufbruch in gesamt Ostmitteleuropa entstanden.

Was viele Experten vermutet oder von vornherein prophezeit haben, was vielleicht von einer großen Anzahl von Menschen anfangs nicht erkannt wurde, war die Tatsache, daß ein derartiger Umbruch von vornherein nicht mehr Sicherheit, sondern nur eine Verlagerung der Sicherheitsprobleme bringt, und zwar – in der Form, wie es Experten auszudrücken pflegen –: Es war der Übergang von einer "High Risk and High Stability"-Situation in eine "Lower Risk and Lower Stability"-Situation, das heißt, der Übergang von einer Situation hohen, enorm hohen Risikos, aber auch aufgrund des Gleichgewichts des Schreckens relativ hoher Stabilität (Abg. Mag. Stadler: Das brauchen Sie uns nicht zu erklären!), einer Friedhofsruhe, die vorhanden war (Abg. Mag. Stadler: Er hat solche Ideen zur Verteidigung!), in eine Situation erhöhter beziehungsweise sehr stark gestiegener Instabilität, die wir alle auch miterlebt haben am Beispiel des Ausbruchs des Krieges in Exjugoslawien und einer zunehmenden Instabilität auch in anderen Ländern.

Für uns stellte sich daher von vornherein die Frage: Was ist die richtige Antwort auf diese neue Situation? – Lassen Sie mich dazu folgendes festhalten. Für Europa hat es bedeutet, daß zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer eine ganze Reihe von Staaten ihre Souveränität erlangt hat, eine Souveränität, die aber durchaus mit sehr vielen Instabilitäten verbunden ist, weil es sich um Staaten mit Staatsgrenzen handelt, die teilweise oder zum größten Teil noch keine 80 Jahre alt sind, weil es sich dabei um Staaten handelt, die ein relativ geringes eigenständiges Bewußtsein und geringe eigenständige Erfahrung haben, die keine demokratische Tradition in den letzten 50 Jahren gehabt haben, und bei denen es auf der anderen Seite eine Fülle von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemstellungen und insbesondere auch nationalen Problemen gibt, die eine hohe Krisenanfälligkeit bewirken.

Das bedeutet, daß wir uns insgesamt diesem Problemkreis besonders zuwenden müssen. Und wenn wir uns fragen: Welche Möglichkeiten gibt es, um das zu verändern?, dann muß man sagen, daß zweifellos die alten Rezepte nicht dazu geeignet sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach


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kann man davon ausgehen, daß es insgesamt drei Möglichkeiten gibt, um für Ost- und Mitteleuropa Stabilität zu bringen – theoretisch gesehen: Es ist dies die Hegemonie eines oder mehrerer Staaten, es ist dies das Gleichgewicht von Kräften, und es ist dies die Integration.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Kontinents ergibt sich die Chance, daß dieser Bereich aus eigenem, das heißt nicht geformt durch die Hegemonie eines oder mehrerer Staaten, eine selbständige Ordnung aufbauen und erringen kann. Und das ist gleichzeitig wahrscheinlich auch für uns die entscheidende Frage. Das heißt, wenn man verhindern will, daß auch in Zukunft einzelne Mächte hegemonial vorgehen, dann kommt die erste Möglichkeit nicht in Frage, dann muß man andere Lösungen suchen.

Ein Gleichgewicht der Kräfte ist zweifellos nicht herstellbar, weil die Größenunterschiede so stark ausgeprägt sind, daß es einfach unmöglich ist, eine balance of power herzustellen, sodaß als echte, reale dritte Möglichkeit nur die Integration bleibt. Und es ist daher auch folgerichtig, daß wir alle Bemühungen daransetzen müssen, um diesen Bereich mittels der Integration auch auf sicherheitspolitischem Gebiet zu stabilisieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das erfordert insbesondere auch von Österreich, einem Land, das eine gemeinsame Grenze mit Staaten, die früher einmal kommunistisch regiert waren, im Ausmaß von 1 400 Kilometern hat und das insgesamt als einziger Staat Europas vier Nachbarn aus diesem ehemals kommunistischen Bereich hat, einen Beitrag zur Stabilisierung über den Weg der Integration. Und es war daher folgerichtig, daß wir neue Überlegungen angestellt haben, um die Sicherheitspolitik in Zukunft neu zu gestalten und insbesondere auch den europäischen Integrationsweg zu fördern.

Die Lösung, die sich dafür anbietet, ist zweifellos im politischen Bereich die Europäische Union. Brüssel ist das Integrationszentrum, und es gibt dort bereits ein politisches Gebilde, das in der Lage sein könnte, auch in Zukunft den gesamten Kontinent integrativ zu vereinen und damit auch Nationalismen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik möglichst zu überwinden. Andererseits muß man sagen, ist es noch lange nicht so weit, weil auch selbstverständlich ein hohes Ausmaß an Voraussetzungen dafür erforderlich ist. Das heißt, es wird einige Zeit dauern. Und es ist vor allem notwendig, in der Europäischen Union auch die sicherheitspolitische Komponente hinzuzufügen; und das geschieht jetzt.

Ab nächstem Monat findet die Regierungskonferenz 1996 statt, bei der sich die Mitgliedsländer der Europäischen Union damit auseinandersetzen, wie in Zukunft eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik erfolgen kann, die insbesondere verhindern soll, daß in Zukunft in Europa noch Kriege ausbrechen.

Die Europäische Union stößt dabei aber nicht auf ein Niemandsland, sondern sie geht selbstverständlich von zwei Organisationen aus, die bereits bisher bestimmte Leistungen erbracht haben beziehungsweise die Voraussetzungen besitzen, um auch tatsächlich diese Stabilisierung herbeizuführen: Das ist auf der einen Seite die Westeuropäische Union, die in der Zeit des kalten Krieges kaum eine Funktion hatte, aber in der Zwischenzeit von der Europäischen Union als der sicherheitspolitische Arm, als der verteidigungspolitische Arm der Europäischen Union definiert wurde und auch im Maastrichter Vertrag als ein integraler Bestandteil der Entwicklung der EU bezeichnet wurde. Das heißt, die sicherheits-, die verteidigungspolitische Entwicklung und Integration Europas wird oder soll in Zukunft überwiegend durch die Westeuropäische Union, die WEU, getragen und gefördert werden. Es ist daher selbstverständlich, daß das auch für uns erste Priorität hat. (Abg. Schieder: Stimmt nicht!)

Auf der anderen Seite ist es so, daß ... (Abg. Schieder: Sicherheitspolitisch steht es nicht drinnen! Verteidigungspolitisch steht es drinnen, sicherheitspolitisch steht es nicht drinnen!) Ich würde annehmen, Herr Abgeordneter Schieder, daß gerade ein Außenpolitiker wie Sie weiß, daß zur Verteidigungspolitik auch die Sicherheitspolitik dazugehört und diese nicht isoliert zu betrachten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Umgekehrt!) Sie können es auch umgekehrt sagen: Umso mehr gilt das, was ich dazu gesagt habe. (Abg. Schieder: Ich weiß, daß es umgekehrt ist!)


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Das zweite ist, daß die WEU nicht isoliert zu sehen ist, sondern daß selbstverständlich auch die dritte Organisation, die NATO, in der Zukunft für die Sicherheit Europas einen weiterhin sehr bestimmenden Einfluß haben und ein wesentlicher Faktor sein wird. Die WEU begreift sich daher ja durchaus auch als europäischer Pfeiler innerhalb der Transatlantischen Allianz. Aus diesen drei Organisationen, EU, WEU und NATO, wird sich die zukünftige Sicherheitsarchitektur Europas bilden. (Abg. Dr. Haider: Gibt es eine WEU-Mitgliedschaft ohne NATO-Mitgliedschaft?)

Jetzt ist die Frage gestellt worden, ob sich daraus auch eine Konsequenz etwa in der Verbindung ergibt. Man kann eines folgerichtig feststellen: Die höchste Priorität – beziehungsweise ist dort das größte Manko vorhanden – hat zweifellos der Bereich einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Diese Voraussetzung soll die WEU erfüllen, und dorthin ist selbstverständlich auch das Schwergewicht zu setzen. Andererseits ist sie nicht isoliert zu betrachten.

Ich glaube, daß ich ohne Übertreibung sagen kann, daß ich als erster in Österreich mit aller Konsequenz und von Anfang an einen Vollbeitritt zur Westeuropäischen Union verlangt habe und daß das für mich das wesentliche sicherheitspolitische Ziel darstellt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das heißt NATO-Beitritt!)

Daß damit in Verbindung auch die Frage des Verhältnisses zur NATO auftaucht, ist selbstverständlich. (Abg. Dr. Haider: Gibt es ein WEU-Mitglied, das nicht NATO-Mitglied ist?) Da gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. In Großbritannien etwa wird das überwiegend in der Richtung beantwortet, daß eine isolierte Mitgliedschaft nicht möglich sein sollte, in Frankreich vertritt man andere Ansichten. Das heißt, das ist durchaus eine Frage, die im Zuge der Regierungskonferenz und insbesondere im Falle des Auslaufens der WEU-Verträge 1998 auch beantwortet werden wird.

Für uns steht aber eines fest: Es ist zweifellos richtig, ein Naheverhältnis, eine möglichst vollständige und umfassende Kooperation mit der NATO aufzubauen, aber zweifellos wichtiger und zeitlich naheliegender ist für uns der Weg in die Westeuropäische Union. Und genau das streben wir mit eiserner Konsequenz auch an.

Es geht jetzt sicherlich auch darum – in den Gesprächen, bei den Regierungsverhandlungen über die zukünftige sicherheitspolitische Ausrichtung Österreichs –, daß wir die Möglichkeit wahren, in Zukunft in diesen Organisationen zu sein. Es ist sicherlich völlig falsch, einfach zu sagen: Warten wir, was bei der Regierungskonferenz herauskommt, warten wir, welches Modell uns von den anderen präsentiert wird. Wir sind einer jener Staaten, die das größte sicherheits- und verteidigungspolitische Interesse haben, und wir sind daher auch einer jener Staaten, die darauf einwirken sollen, daß möglichst viel von unseren Vorstellungen und Konzeptionen in die Neuformierung dieser Organisationen eingeht.

Es ist daher sicherlich wichtig, nicht nur rechtzeitig, sondern möglichst frühzeitig dort auch die Möglichkeit zur vollen Mitsprache und zur vollen Teilnahme zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Scheibner! Sie haben weiters die Frage der Neutralität angesprochen. Sie ist zweifellos ein Thema, das in Österreich in der Vergangenheit einen hohen Stellenwert hatte und auch heute noch teilweise starke Emotionen oder starke Reaktionen hervorruft. (Abg. Dr. Nowotny: Und gesetzliche Grundlage ist! Nicht nur Emotionen! Gesetz!)

Dazu ist folgendes zu sagen: Die österreichische Neutralität ist 1955 de facto der Kaufpreis für den Staatsvertrag gewesen. Die Begeisterung war anfangs nicht so stark, aber man muß dazusagen, Österreich hat sich auf diesen Status eingestellt. Es war keine frei gewählte, aber es war eine selbstgewählte Neutralität (Abg. Dr. Nowotny: Es war eine frei gewählte!), und wir haben uns dazu bekannt und bekennen uns selbstverständlich bis heute dazu. (Abg. Dr. Nowotny: Also doch!) Sie ist in unserer Verfassung verankert. (Abg. Dr. Nowotny: Eben! Eben!) Sie war ein Produkt des kalten Krieges und hat mit dem Ende des kalten Krieges natürlich auch weitgehend Funktionen eingebüßt.


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Aber das heißt nicht, daß wir sie deshalb von heute auf morgen über Bord werfen müssen – dazu besteht überhaupt kein Anlaß –, sondern jetzt geht es für uns darum, zu definieren, was wir in der Zukunft tun müssen, um ein Maximum an Sicherheit für unseren Staat herbeizuführen. (Abg. Dr. Haider: Was wollen Sie jetzt konkret?) Und das heißt einfach Solidarität, das heißt Hineingehen in die WEU und das heißt volle Kooperation mit der NATO. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Was wollen Sie jetzt konkret?)

Was sind die Auswirkungen davon? – Als nächsten Schritt wollen wir den Beitritt zur Westeuropäischen Union. (Abg. Dr. Haider: Gut!) Das ist das Ziel, für das ich eintrete. (Abg. Schieder: Wer ist "wir", Herr Minister? Meinen Sie mit "wir" die Regierung, die Sie vertreten, oder meinen Sie mit "wir" jemand anderen? – Abg. Dr. Nowotny: Majestätsplural!)

Das kann ich Ihnen gerne sagen: Das sind jene Mitglieder der Bundesregierung, die für den außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Bereich zuständig sind (Abg. Mag. Stadler: Vernünftige Idee!), der Außenminister und ich (Abg. Schieder: Das ist der Kanzler auch!), und das sind auf der anderen Seite durchaus auch die führenden Mitarbeiter meines Hauses (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Nowotny: Lernen Sie die Verfassung! Lernen Sie die Verfassung!) sowie darüber hinaus auch eine große Anzahl von wesentlichen europäischen Politikern. (Abg. Schieder: Aber die vertreten Sie da nicht auf der Regierungsbank!)

Wir gehen im nächsten Monat, wie Sie wissen, in die Regierungskonferenz 1996, bei der über die Probleme und Fragen einer zukünftigen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik diskutiert wird. (Abg. Schieder: Da haben Sie Leitlinien, die etwas anderes sagen! – Abg. Mag. Stadler: Leitlinien sagen gar nichts!) Alle Diskussionsmodelle, die dort zur Debatte stehen, gehen davon aus, ein möglichst enges Verhältnis zwischen EU und WEU herzustellen – bis hin zu einer möglichen künftigen Verschmelzung. (Abg. Dr. Nowotny: Das hat die WEU abgelehnt!)

Jetzt geht es darum: Wenn das die generelle Tendenz ist, dann ist es zweifellos auch vernünftig, möglichst frühzeitig dort nicht nur den Status eines Beobachters zu haben, der nicht einmal Anträge stellen kann, sondern dort den Status eines vollberechtigten Mitgliedes zu haben, das selbstverständlich bei allen Aktivitäten nicht nur mitreden kann, sondern das von der Planung an bereits dabei ist und auch bei der Durchführung nicht den schlechtesten Platz bekommt, sondern möglichst den besten. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ich sehe schon ein, daß es manchmal schwierig ist, eine Tendenz rechtzeitig zu erkennen (Abg. Dr. Nowotny: Da haben Sie recht!) und auch die Konsequenz in vollem Umfang wahrzunehmen (Abg. Dr. Nowotny: Da haben Sie recht!), aber ich muß auch eines dazusagen: Alois Mock hat rechtzeitig erkannt, wie wichtig es ist, um im europäischen Geschehen mitbestimmen zu können, den Beitritt, den Vollbeitritt zur EU zu suchen, und es war damals für ihn schwierig, weil es so viele gegeben hat, die gesagt haben, das sei nicht möglich und das sei nicht vereinbar mit unserer Neutralität und verschiedenes andere mehr. Und heute sehen wir, es ist nicht nur vereinbar, sondern es ist sogar ein höchst förderlicher Beitrag für die Position Österreichs. (Abg. Dr. Nowotny: Unter der Bedingung der Neutralität!) Es hat nicht bedeutet, daß wir deswegen von einem Gesetz Abschied nehmen müssen. So wird es auch bei der WEU sein! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Nowotny: Unter der Bedingung der Neutralität!)

Es wird lange Diskussionen geben, aber wir werden dort früher oder später hineingehen. Wir werden am europäischen Integrationsprozeß teilnehmen (Abg. Mag. Stadler: Das ist wie mit der Anonymität des Sparbuches!), und wir werden sicherlich damit auch die Möglichkeit wahren, daß Österreich nicht darauf angewiesen ist, was ihm die anderen zuweisen, sondern daß Österreich selbst entsprechend mitbestimmen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir uns heute fragen: Was sind die Vorteile? Was sind die Nachteile?, dann muß man sagen, daß zweifelsohne Sicherheit in der Gemeinschaft wesentlich mehr Schutz für unseren Staat, für seine Bürger bringt, als wenn wir das nur alleine tun. Es bedeutet gleichzeitig auch, daß es wesentlich billiger ist. Gemeinsame Schutzeinrichtungen bedeuten einfach auch Kostengünstigkeit im Vergleich zu einer Situation, in der man alles selbst bezahlen muß. Es bedeutet


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gleichzeitig auch, daß von uns eine Signalwirkung auf andere ausgeht; es bedeutet gleichzeitig auch, daß wir einen positiven Beitrag zur Integration Europas leisten, daß wir vielleicht die Integration manch eines osteuropäischen oder ostmitteleuropäischen Staates durch unsere Teilnahme überhaupt erst ermöglichen.

Daher sehe ich es auf der einen Seite neben diesen Vorteilen und auf der anderen Seite neben der Tatsache, daß ein Beitrag eben nur Kostenvorteile bringt, als eine Notwendigkeit an, das auch konsequent zu verfolgen, und ich lade auch alle herzlich ein, diesen Weg mit uns zu gehen.

Unabhängig davon bedeutet selbstverständlich diese enorme sicherheitspolitische und verteidigungspolitische Änderung in Europa, dieser große geostrategische Umbruch auch unmittelbare Konsequenzen für uns selbst. Wir können hier wieder sagen, Herr Abgeordneter Scheibner: Wir waren die ersten in Europa, die darauf reagiert haben! Alle anderen sind gefolgt. Wir haben als erste ein Konzept, das darauf Rücksicht genommen hat, nicht nur vorgelegt und eingeleitet, sondern auch durchgeführt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Welches Konzept?)

Wenn ich gesagt habe, wir leben in einer Zeit des Umbruchs, dann bedeutet das auch folgendes: Ein derartig großer Umbruch ist zweifellos nicht in zwei oder drei Jahren erledigt, sondern da wird es wahrscheinlich noch so manche Turbulenzen geben. Da gibt es möglicherweise Phasen, in denen dieser Prozeß sehr stark fortschreitet, möglicherweise gibt es auch Perioden, in denen sich das Ganze wieder nach rückwärts wendet. Es ist mit vielen Unsicherheiten behaftet, und daher ist das wesentliche in einer derartigen Frage, daß man seinen Handlungsspielraum möglichst erweitert, daß man möglichst flexible Systeme hat und daß man innerhalb dieser flexiblen Systeme möglichst rasch darauf reagieren kann.

So haben wir auch als erste unser Verteidigungssystem umgestellt, sind vom System der Raumverteidigung auf ein grenznahes, einsatzorientiertes, rasch verfügbares, integratives und flexibles System übergegangen. Wir können heute sagen, daß es uns damit nicht nur gelungen ist, einige Ziele zu erreichen – und Sie wissen, wie stark es anfangs diskutiert wurde –, ja wir haben den Mobilmachungsrahmen unserer Armee, das, was heute andere unter großem Getöse machen, bereits 1992 durch Beschlußfassung der Bundesregierung von zirka 200 000 auf 120 000 reduziert. Damals hat es Kritik gegeben, heute stimmen alle mit mir überein, daß das ein absolut richtiger Schritt war. Heute gibt es keinen mehr, der diesen Schritt in Frage stellt, und genauso wird es auch in der Zukunft sein! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Die Rahmenbedingungen fehlen!)

Wir haben damit den organisatorischen Rahmen für eine flexible Landesverteidigung für die Gegenwart und die Zukunft geschaffen. Ein wesentliches Ziel war es, die Präsenzfähigkeit zu erhöhen. Es ist uns mit diesem System gelungen, auch tatsächlich – ständig, an jedem Tag des Jahres! – mehr als 10 000 Soldaten zur Verfügung zu haben, die mindestens eine solche Ausbildung haben, daß man sie mit den entsprechenden Aufgabenstellungen an die Grenze schicken kann, und die jederzeit auch in der Lage sind, einen derartigen Auftrag wahrzunehmen.

Wir haben darüber hinaus selbstverständlich auch in anderen Fragen – ausbildungsmäßig et cetera – reagieren müssen und reagiert – als erste in Europa!

Wir können heute sagen, daß wir auch die Ausbildungsstruktur entsprechend verändert haben, etwa durch eine Aufwertung der Militärakademie. Das Ziel ist aber noch nicht erreicht. Wir haben bereits ein Semester mehr, wir haben ganz neue Inhalte hineingebracht. Wir haben die ganze Unteroffiziersausbildung auf neue Beine gestellt, um dort entsprechende Verfügungen zu treffen.

Sie haben noch einen dritten Bereich angesprochen: den Bereich der Ausrüstung. Zweifelsohne hat Österreich gerade auf diesem Gebiet einen Aufholbedarf. Was haben wir in diesem Bereich gemacht?

Wir haben in den letzten Jahren ganz konsequent dort angesetzt, wo wir den größten Aufholbedarf gehabt haben, nämlich im Bereich der Lenkwaffen. Wir haben in den letzten fünf Jahren


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daher auch in den Systemen Boden-Boden, Boden-Luft und Luft-Luft-Lenkwaffen unsere größten Anschaffungen getätigt, und wir können heute sagen, daß das, waffentechnisch gesehen, der größte und bedeutendste Schritt seit Einführung des Bundesheeres war.

Wir haben uns aber nicht allein darauf beschränkt, sondern haben selbstverständlich auch in anderen Bereichen noch wesentliche Schwerpunkte gesetzt, etwa was die Führungsfähigkeit, was Kommunikation et cetera betrifft. (Abg. Scheibner: Herr Bundesminister! Kampfpanzer, Radpanzer, Abfangjäger!) Wir haben auf dem EDV-Sektor mit der Einführung des gesamten EDV-Systems ganz entscheidende Schritte gesetzt. Selbstverständlich aber hätte das noch nicht ausgereicht, um Gefahren aus eigener Kraft und mit entsprechender Stärke begegnen zu können.

Wir haben daher insbesondere auf dem Gebiet der schweren Waffen einen Schwerpunkt gesetzt, indem wir die Kampfkraft im Bereich der Artillerie und damit der schwersten Waffengattung nicht nur entscheidend verstärkt, sondern vervielfacht haben. Wir sind auch dort auf dem letzten Stand der Technik, bei den modernsten Systemen, die derzeit in Europa zur Verfügung stehen.

Zweifelsohne gibt es noch unerledigte Bereiche. Dazu gehört, daß in absehbarer Zeit die Drakennachfolge spruchreif wird. (Abg. Scheibner: Wann?) Ich habe daher bereits 1992 den entsprechenden Beschaffungsvorgang eingeleitet, und wir werden rechtzeitig, wahrscheinlich noch in diesem Herbst, eine entsprechende Vorlage bringen, welcher ein Zeitplan und die Abfolge der nötigen Beschaffung angeschlossen werden. Diesbezüglich wird es zu entsprechenden Beschlüssen des Landesverteidigungsrates und der Bundesregierung kommen müssen, weil jeder Beschaffungsvorgang im militärischen Bereich, insbesondere dann, wenn es sich um Großsysteme handelt, eine sehr lange Vorlaufzeit hat. Das alles sind eben Gegenstände, die nicht von heute auf morgen erworben werden können, die Realisierung der Beschaffung dauert in der Regel einige Jahre.

Ein zweiter Punkt ist der gesamte Bereich der mechanisierten Kräfte, also all das, was man normalerweise unter Panzertruppen versteht. Ohne Zweifel ist der Lebenszyklus des derzeitigen Kampfpanzers beziehungsweise des Schützenpanzers bereits sehr weit fortgeschritten. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Schön gesagt!)

Sie können davon ausgehen, daß nicht nur bereits die nötigen Planungen erfolgen, sondern selbstverständlich auch eine nüchterne Bestandsaufnahme vorgenommen wird. Unser M 60 war im Golfkrieg noch im Einsatz; die Amerikaner haben ihn damals noch verwendet.

Wenn hier vom "Atollbau" die Rede war, muß gesagt werden: Im High-Tech-Krieg am Golf war der M 60 in unserer Version A 3 im Einsatz, aber auf der anderen Seite muß man sehen, daß sich dort, im Vergleich zu anderen Systemen, der Lebenszyklus dem Ende zuneigt und daher Nachfolgeentscheidungen erforderlich sind. Er hat daher im Rahmen unserer großen Investitionsentscheidungen die Priorität eins, ebenso der Kampfschützenpanzer.

Noch wichtiger in der Priorität ist allerdings die Anschaffung von Radpanzern. Auch diesbezüglich sind wir nicht untätig, und es ist nicht richtig, wenn gesagt wird, der Radpanzer sei für die Vereinten Nationen. Selbstverständlich ist er auch für den Einsatz im Rahmen der Vereinten Nationen gedacht. Ein Teil von den 68 Stück, die im heurigen Jahr angeliefert werden, nämlich rund 20, werden für den UN-Einsatz weiß gestrichen. Alle übrigen stehen selbstverständlich primär für den Einsatz in Österreich beziehungsweise für Aufgabenstellungen in dieser Richtung zur Verfügung.

Es ist das eine erste Tranche, und selbstverständlich müssen weitere folgen. Wir werden sie gesondert ausschreiben, und wir werden in absehbarer Zeit in diesen Ausschreibungsvorgang einsteigen.

Sie haben hier einen Helm präsentiert, und es war an sich durchaus eindrucksvoll, wie Sie das getan haben. Wir wissen selbstverständlich, daß dieser Helm "abgelöst" werden soll. Aber wir wissen es nicht nur, sondern wir haben bereits im Vorjahr eine Ausschreibung durchgeführt,


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deren Bestimmungen von unseren Experten so streng gefaßt wurden, daß die Ausschreibung schließlich aufgehoben wurde. (Beifall des Abg. Wabl. ) Wir haben dann neu ausgeschrieben. (Abg. Scheibner: Seit 1985 ! Das sind elf Jahre!) Das Verfahren ist nun fast abgeschlossen, und wir werden Ende April beziehungsweise Anfang Mai auch den entsprechenden Zuschlag erteilen, was den Helm und den Splitterschutz betrifft.

Wir werden selbstverständlich bei jedem Einsatz, wo es darauf ankommt, nicht einmal diesen Zeitpunkt abwarten, sondern wir werden so rasch handeln, wie es eben notwendig ist. Das heißt, wir werden notfalls auch sofort zugreifen und sofort kaufen, wie wir das im Bosnien-Einsatz ja auch getan haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter! Sie haben auch die Vorbereitungen für den UN-Einsatz in Bosnien beziehungsweise den unter UN-Schirmherrschaft von der NATO durchgeführten Einsatz in Bosnien kritisiert. Da sind Sie gescheiter als die ganze NATO. Diese hat nämlich eine Expertengruppe zu uns geschickt, die alle Vorbereitungen überprüft hat: Organisation, Ausrüstung und Ausbildung unserer Soldaten. (Abg. Scheibner: Schon lange nichts passiert, Herr Minister!)

Und wissen Sie, wie das Ergebnis lautet? – Das Ergebnis, der NATO-Befund über unsere Truppen, die nach Bosnien geschickt wurden, lautet wortwörtlich: "meet or exceed NATO-standard", auf gut deutsch: Die Truppen, die von Österreich nach Bosnien gesendet werden, entsprechen dem NATO-Standard beziehungsweise übertreffen diesen sogar. Ich glaube, das ist durchaus als Kompliment zu werten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte Ihnen dazu folgendes sagen: Wir haben uns nicht darauf beschränkt, einfach das vorhandene Material nach Bosnien zu schicken, sondern wir haben Zusatzmaßnahmen getroffen, und zwar in ganz konkreten Bereichen. Wir statten alle Fahrzeuge mit einer Extra-Panzerung aus (Abg. Scheibner: Was wir verlangt haben! Vor Weihnachten, als wir das gefordert haben, haben Sie gesagt, das brauchen Sie alles nicht!) , weil wir davon ausgehen, daß unsere Leute ein Maximum an Sicherheit haben sollen. Nennen Sie mir andere Länder, die das haben! Außer der Bundesrepublik Deutschland verfügt fast keine der dort eingesetzten Truppen über ein derart hohes Maß an Sicherheit.

Wir gehen davon aus, daß unsere Soldaten, wenn sie in einer derart schwierigen und gefährlichen Situation ihren Dienst erfüllen sollen, auch Anspruch auf ein Maximum an Schutz haben sollen. Und diesen Schutz sind wir bereit zu geben, und dafür würden wir auch ganz kurzfristig und außertourlich Maßnahmen setzen, wenn es erforderlich wäre. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Jetzt auf einmal!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir werden diesen Weg konsequent weiterverfolgen. Ich weiß, daß es natürlich nicht einfach ist, das Heeresbudget immer auf einen wünschenswerten Stand zu bringen. Mir ist es in den letzten Jahren konsequent gelungen, das Beschaffungsbudget zu steigern, mit einer einzigen Ausnahme: Im Vorjahr hat es einen generellen Abschlag von 4 Prozent gegeben. (Abg. Dr. Haider: Ihre Generäle sagen, es ist gescheiter zuzusperren als weiterzumachen! Wenn sie nicht bald ein Geld kriegen, sperren sie zu!)

In den Jahren davor hat es anders ausgesehen. (Abg. Scheibner: So schaut das Budget aus: von 1,5 auf 0,8 Prozent!) In Ihrer Statistik! Ich kann Ihnen die entsprechenden Zahlen auswendig sagen: Es geht von 7,3 Milliarden auf 8 Milliarden. Das ist ein Faktum. Das heißt, wir kaufen ein von dem, was real zur Verfügung steht, und nicht von dem, was auf Ihrem Zettel aufscheint. Das ist einmal das eine. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden uns bemühen, das auch in Zukunft entsprechend durchzubringen. Ich sage aber auch hier in aller Deutlichkeit: Selbstverständlich wird in Zeiten eines Sparpakets, das alle Österreicher betrifft, auch das Bundesheer seinen Beitrag leisten müssen. Und wir haben bereits unseren Beitrag dazu geleistet. Wir waren die ersten, die eine Verwaltungsreform in Österreich durchgeführt haben, wo wir konsequent Verwaltungsstellen abgebaut haben. Ich möchte Ihnen gerne die entsprechenden Daten dazu präsentieren. (Abg. Dr. Haider: Ihr habt mehr Goldfasane installiert, aber dafür die Gruppenkommanden aufgelöst! Dafür habt ihr keine Soldaten mehr, keine Unteroffiziere! So ein Kasperltheater!)


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Ich habe mir, als ich das Ministerium übernommen habe – da ich aus der Privatwirtschaft komme –, auch das Ziel gesetzt, möglichst rationell vorzugehen. In der Privatwirtschaft ist es üblich, daß man alle zwei bis drei Jahre den gesamten Betrieb durchforstet, ja durchforsten muß, wenn man längerfristig Erfolg haben will. Und ich bin davon ausgegangen, daß das auch in diesem Bereich notwendig ist, wenn wir die entsprechenden Beträge für Ausrüstung und Ausstattung bekommen und dabei glaubwürdig bleiben wollen.

Ich habe daher auch in der Zentralstelle begonnen, nicht draußen. Ein halbes Jahr nachdem ich Minister geworden bin, war das erste, was gefallen ist, das Armeekommando und damit eine ganze Kommandoebene. Wir haben dann die Heeresorganisation Neu in die Wege geleitet, aber nicht draußen bei den Regimentern und bei den Bataillonen begonnen, sondern im Ministerium. Ich habe zehn Abteilungen im Ministerium aufgelöst – das heißt, insgesamt waren es sogar 15. (Abg. Scheibner: Wo sind die hingekommen?!) Da jedoch fünf neue notwendig waren, war der Nettoeinspareffekt zehn Abteilungen. Insgesamt wurden dadurch in der Zwischenzeit bereits 147 Planstellen eingespart. Selbstverständlich hat sich das auch in anderen Bereichen fortgesetzt. Den entsprechenden Unterlagen können Sie entnehmen, welche Einsparungen uns bei den Planstellen in den letzten Jahren gelungen sind. Wenn alle so gut eingespart hätten wie wir, dann wären wir sicherlich in vielen Bereichen schon viel weiter und hätten uns vielleicht das eine oder andere auch ersparen können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Wie ist das jetzt mit den Generälen?)

Ich weiß, daß man uns immer den Vorwurf macht, es wird alles in die Kommanden gesteckt. (Abg. Dr. Haider: Wie ist das mit den Generälen und den Brigadieren? Wir haben mehr als das amerikanische Heer!) Ja, ich kann es Ihnen sagen. Wir haben vier Generäle, und das ist durchaus auch der internationale Durchschnitt. (Abg. Dr. Haider: Wie viele Brigadiere?) Alle anderen bilden eine Pyramide, ähnlich wie in den anderen Staaten. (Abg. Dr. Haider: Wie viele Brigadiere haben wir denn?) Es ist hier sicherlich keine Aufblähung vorhanden. Aber ich kann Ihnen das eine sagen: daß wir von den Kommanden, die es draußen gegeben hat, mehr als die Hälfte eingespart haben. Wir haben über 30 große Verbände gehabt, die wir auf 15 reduziert haben. (Abg. Dr. Haider: Wie viele Brigadiere haben wir denn?) Das heißt also, den Schritt, den Sie verlangen beziehungsweise den Sie in der Vergangenheit verlangt haben, haben wir innerhalb von zwei Jahren getan. Wir können heute sagen, es war richtig so, und wir werden diesen Weg auch ganz konsequent fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben die Zivildienstproblematik beziehungsweise das Wehrdieneraufkommen angesprochen. Das ist zweifellos ein ganz interessanter Bereich, weil dort die Anzahl der Mannstärken pro Jahrgang in den letzten Jahren ungeheuer abgenommen hat, und zwar in einem Ausmaß, wie man das gar nicht glauben würde. Innerhalb von acht Jahren ist nämlich die Anzahl derer, die grundsätzlich pro Jahrgang zur Verfügung stehen, von über 63 000 auf 42 000 zurückgegangen, also um etwa ein Drittel.

Daneben hat es noch andere Entwicklungsschwierigkeiten gegeben, wie etwa im Bereich des Zivildienstes. Wir haben daher ganz konsequent darauf geachtet, daß das in Zukunft nicht mehr passieren kann. Wir haben, wie Sie wissen, mit den elf beziehungsweise jetzt auch zwölf Monaten eine Lösung gefunden. Wir haben die Zielsetzung, daß es in einem Jahrgang nicht mehr als 6 000 sein sollen, tatsächlich erreicht. Wir haben in den letzten beiden Jahren Zivildienstanträge jeweils in einer Größenordnung von ungefähr 5 500 gehabt. Und das ist die Größenordnung, die von uns eingeplant wurde und die auch dem längerfristigen Trend entspricht. (Abg. Scheibner: Haben Sie nur 34 000 Mann bei der Truppe?)

Wenn Sie sich die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich dazu ansehen, dann werden Sie sehen, wie erfolgreich unsere Maßnahmen auf diesem Gebiet waren. (Abg. Scheibner: Haben Sie nur 34 000 Mann in der Truppe?)

Zweifelsohne ist es so, daß man jede Neuregelung auch mit entsprechender Vorsicht beginnen und darauf achten muß, daß daraus nicht neue Unsicherheiten entstehen. Ich glaube, daß, wenn auch die Detailausformung so gelingt, wie das intendiert ist, das Aufkommen unseren Vorstellungen in etwa entsprechen wird. (Abg. Scheibner: Also haben Sie die 34 000 Mann?)


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Sie haben die Zahlen angesprochen. Ja, wir haben uns in der HG Neu ein Ziel gesetzt, das heißt: 34 000 Mann. Man kann sagen, wir haben dieses Ziel in den letzten beiden Jahren auch erreicht. Wir haben in einem Jahr die Zahl etwas überschritten, da waren es etwas über 37 000, und wir haben sie in einem Jahr etwas unterschritten, da waren es nur 32 000. Das heißt, wir haben die Größenordnung in beiden Jahren erreicht, und wir werden Sie auch in den kommenden Jahren erreichen.

Selbstverständlich muß jedes System auch eine gewisse Flexibilität aufweisen, weil die einzelnen Jahrgangsstärken nicht immer ganz gleich sind und weil zweifellos auch unterschiedliche Erfordernisse gegeben sind. Daß diese Gesamtumstellung, nämlich die Reduktion bei Jahrgangsstärken von 45 000 und 50 000 auf jetzt 34 000, im Bereich des Heeres natürlich nicht einfach zu verkraften ist, da gebe ich Ihnen absolut recht. Das ist eine gewaltige Umstellung. Denken Sie nur daran, welche Umstellungserfordernisse das etwa in einem Industriebetrieb, in einem Landwirtschaftsbetrieb oder in einem gewerblichen Betrieb bedeuten würde, wenn plötzlich ein Drittel der Grundkapazität nicht mehr vorhanden wäre. Das sind die Fragen und die Probleme, mit denen wir tagtäglich zu tun haben. Aber wir sind ja dazu da, um das zu lösen, und ich glaube, daß das bisher im Rahmen des Möglichen absolut gut gelungen ist.

Sie haben eine ganze Reihe von weiteren Fragen gestellt, und ich möchte hier selbstverständlich auch möglichst vollständig vorgehen und nichts vergessen. Ich glaube, daß ich die sicherheitspolitischen Fragen und Entwicklungen eingehend behandelt habe.

Vielleicht eine Frage noch, die Sie gestellt haben, nämlich die Frage drei, die Frage, ob die Einbindung beziehungsweise die NATO-Partnerschaft für den Frieden etwas bringt. Zweifellos bringt sie keinen unmittelbaren Schutz, aber an sich ist diese Entwicklung von größter sicherheitspolitischer Bedeutung nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa. Wir müssen eines bedenken: Vor kaum mehr als fünf Jahren sind diese Systeme einander feindlich gegenübergestanden. Heute gibt es zum ersten Mal eine gemeinsame Division aus Amerikanern und Russen, die in Bosnien Friedenseinsatz leisten und dort gemeinsam für Sicherheit sorgen. Und das ist die Leistung: daß eigentlich dieser Gegensatz, den es früher gegeben hat, schrittweise überwunden wird – nicht von einem Tag auf den anderen, das ist sicherlich ein Entwicklungsprozeß. Aber wenn wir uns vorstellen, daß kaum mehr als fünf Jahre nach dem Ende des kalten Krieges Russen und Amerikaner in einer Division gemeinsam dienen, so wird uns klar, daß das ein gewaltiger Fortschritt ist. Meiner Meinung nach muß man alles tun, um das zu unterstützen, und dazu gehört auch die Beitragsleistung Österreichs. (Beifall bei der ÖVP .)

Sie haben weiters Fragen gestellt nach den Prioritäten hinsichtlich der Draken-Nachfolge. Ich bin bereits kurz auf den Lebenszyklus et cetera eingegangen. Vielleicht eines: In jedem Staat, zumindest in jedem kleineren Staat Europas, ist es so, daß sehr große Projekte, wie etwa die Beschaffung von Kampfflugzeugen, isoliert von den normalen Budgets zu sehen und auch isoliert zu behandeln sind. Das war in der Schweiz so, das war in Schweden so, das war in Finnland so, und das wird auch bei uns so sein. Das heißt, selbstverständlich hat das keinen Einfluß auf die sonstigen Prioritäten. Die Priorität etwa, was Kampf- und Schützenpanzer betrifft, ergibt sich aus dem Lebenszyklus. Erste Priorität gilt für beide, und wir werden daher auch entsprechend vorgehen. (Abg. Scheibner: Da fehlen schon noch ein paar Fragen! Die Frage 14 zum Beispiel, die Frage 7!) Ja, ich werde gerne darauf eingehen.

Die Frage 14 lautet: "Können Sie ausschließen, daß es aufgrund des neuerlichen Belastungspakets der Bundesregierung zu einer weiteren Reduktion des Landesverteidigungsbudgets kommt?" – Ich werde mein Bestes dazu tun. Die Verhandlungen sind nicht ganz zu Ende, und wenn das Budget steht, werden Sie die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob es gelungen ist, dieser Zielsetzung gerecht zu werden. Ich werde für diese Zielsetzung bis zum letzten Moment kämpfen.

Ich werde die weiteren Fragen vielleicht der Reihe nach durchgehen: Zum zehnjährigen Beschaffungsprogramm für die Infrastruktur. – Wir haben hier ein Budget, das üblicherweise auch außerhalb des Betrachtungsrahmens bleibt, weil es sich im Bundesministerium für wirt


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schaftliche Angelegenheiten befindet, nämlich das gesamte Baubudget. Das ist eine Größenordnung von ein bis eineinhalb Milliarden Schilling für Investitionen im Bauprogramm.

Dazu gibt es noch einen Aufwand von zirka 450 Millionen Schilling für die Sicherung von Munitionslagern beziehungsweise für den militärischen Sonderbau. Hier hat der Sicherheitsaspekt eine ganz enorme Bedeutung, die in der Zukunft noch steigen und daher von uns auch entsprechend berücksichtigt werden wird.

Sie fragen weiters nach dem Durchschnittsalter. Darauf bin ich bereits eingegangen. Man muß dazu sagen, daß das Alter an sich kaum ein Anhaltspunkt ist. Die modernsten Waffensysteme im militärischen Bereich verfügen meist über ein Alter, das bereits zehn, 15 oder 20 Jahre beträgt. Das heißt, das kann man zweifellos nicht mit normalen Gegenständen des täglichen Lebens oder etwa des Investsektors im privaten Bereich vergleichen. Es kommt viel eher darauf an, aus welcher Generation die Dinge stammen und inwieweit sie – wie es in der Fachterminologie heißt – "kampfwertgesteigert" wurden oder nicht. Das ist bei uns meist der Fall, ändert aber nichts daran, daß dort, wo eben das Ende des Lebenszyklus in Sicht ist, auch entsprechend rechtzeitig mit den Nachfolgeplanungen begonnen werden muß.

Was den Bürokratieabbau betrifft, habe ich Ihnen gesagt: Armeekommando eingespart, dann zehn Abteilungen im Ministerium eingespart. Wir haben die Anzahl der Kommanden insgesamt auf unter die Hälfte herabgesetzt.

Grundwehrdieneraufkommen: haben wir gehabt.

Wie hoch ist der Prozentsatz der Untauglichen? – Es sind zirka 11 Prozent eines jeden Musterungsjahrganges untauglich, und in späterer Folge, bei der Einberufung, gibt es im Durchschnitt noch einmal zirka sechs bis acht Prozent, die vorübergehend untauglich sind, weil es irgendwelche Beschwerden gibt. Und wenn man da noch einen Maßstab anlegt, wieviel davon ausfallen, dann ist es üblicherweise eine Größenordnung von zirka 60 Prozent aus diesem Bereich der sechs Prozent. Das heißt, man kann davon ausgehen, daß zu den elf Prozent im Laufe der Zeit noch vier bis fünf Prozent dazukommen. Das ist international gesehen eine durchaus respektable beziehungsweise sogar niedrige Anzahl, heißt aber nicht, daß wir uns nicht bemühen, aus dem vorhandenen Grundwehrdieneraufkommen aufgrund der gesunkenen Grundwehrdienerzahlen noch Entsprechendes herauszuholen, weil wir durchaus glauben, daß einige von diesen die Tätigkeit als Funktionssoldat erfüllen können.

Selbstverständlich war ich in die Verhandlungen zum Zivildienst eingebunden. Aber wie Sie wissen, finden diese Verhandlungen auf den unterschiedlichsten Ebenen statt, in unterschiedlichen Gruppierungen. Und Sie können sicher sein, daß ich mich, wenn ich nicht mitgehen könnte mit etwas, was ausgehandelt wird, wenn ich gerade nicht dabei bin, entsprechend melden würde.

Die Frage 23 ist eine sehr aktuelle und wird immer wieder gefragt, und zwar: Sind Sie dafür, daß Frauen die Möglichkeit bekommen, freiwillig zum Bundesheer zu gehen?

Ja, ich bin dafür, und ich bin auch davon überzeugt, daß im Laufe dieser Gesetzgebungsperiode diese Möglichkeit eröffnet wird, weil es in keiner Weise einzusehen ist, daß etwa bei der Polizei Frauen auch bewaffnet durch die Straßen marschieren und unter gefährlichsten Aspekten etwas tun sollen und im Bereich des Bundesheeres eine Frau nicht einmal Sanitätsunteroffizier werden kann. Das heißt, ich bin nicht nur dafür, daß geöffnet wird, sondern auch dafür, daß grundsätzlich alle Funktionen für Frauen offenstehen sollen. Ich werde mich dafür einsetzen, daß es nicht nur im Laufe dieser Legislaturperiode, sondern auch möglichst frühzeitig passiert, weil ein durchaus positiver Effekt in mehrere Richtungen davon ausgeht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es gibt bereits eine Reihe von Frauen, die sich gemeldet haben, und es ist ganz interessant, einmal zu hören, was die werden wollen. Es ist wirklich ganz unterschiedlich. Eine will etwa im Bereich der Infanterie tätig sein, eine zweite will Hubschrauberpilotin werden, eine dritte möchte gerne Pionieroffizierin werden, weil sie im technischen Bereich große Interessen hat. Das heißt,


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es ist ein durchaus gemischtes Bild. Und ich glaube, man wird es in wenigen Jahren eigentlich geradezu absurd finden, daß man einmal den Frauen diesen Zutritt verwehrt hat. (Abg. Schieder: Für alle Funktionen?) Wissen Sie, wenn ich es so auslege wie Sie, dann nicht. (Abg. Schieder: Nein, ich frage: Für alle Funktionen im Heer?) Ach so. – Grundsätzlich sollen alle Wege und alle Funktionen für Frauen offenstehen. (Abg. Schieder: Da bin ich sehr froh! Militärgeistliche auch?) Ja, bei den Evangelischen wird das sicher möglich sein. (Abg. Schieder: Bei den Katholischen auch?) Das ist nicht meine Angelegenheit, sondern eine Frage der Kirche. Aber selbstverständlich auch als Militärgeistliche.

Aber ich möchte vielleicht, um das noch eindrucksvoll zu unterstreichen, folgendes Beispiel sagen. Auf unserem Transport von Sarajevo nach Visoko sind wir von einer britischen Einheit geführt worden. Chauffeur in unserem Auto war eine junge Britin, die seit sechs Jahren bei der britischen Armee ist und ganz selbstverständlich in Sarajevo ihren Dienst versieht. Ich habe sie auch gefragt, ob es Probleme gibt, wie sie eingebunden ist und welche Schwierigkeiten vorhanden sind. Sie hat eigentlich nur mehr darüber gelächelt, weil sie zwar diese Fragen immer wieder gewohnt ist, auf der anderen Seite es aber als ganz natürlich empfindet, daß – wie in vielen anderen Bereichen auch – sie selbstverständlich integriert ist, wie bei der Polizei oder wie etwa in der Verwaltung beim Bundesheer. Die Vorstellung, daß es in den Kasernen keine Frauen gibt, ist ja absolut falsch, weil wir weit über 2 000 weibliche Beschäftigte im Rahmen des Bundesheeres haben.

Daher: Wenn sich unser Regierungspartner dazu entschließt, auf diesen Zug aufzuspringen, rechtzeitig und bald aufzuspringen, dann bin ich sicher, daß wir bald eine Lösung haben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schieder: An der Spitze!) Herr Kollege Schieder! Kollege Cap will Ihnen gerade noch etwas ins Ohr flüstern. Er kennt möglicherweise besondere Geheimnisse. (Abg. Dr. Cap: Die Moser als Verteidigungsminister! Tauschen Sie mit der Moser!) Die Sonja Moser ist ohnehin dafür. Aber bei der Frau Konrad tu ich mir noch ein bisserl schwerer, die ist noch nicht ganz soweit, daß sie sich dazu durchgerungen hat. Ich glaube aber, auch das ist nur eine Frage der Zeit.

Zur Frage 24. Die Frage 24 betrifft die Militärparade. Und ich muß Ihnen dazu sagen: Ihre Ausführungen dazu, Herr Abgeordneter Scheibner, haben mich schon ein Lächeln gekostet. Wissen Sie, ich kann sagen: Es hat Jahrzehnte hindurch keine Parade des österreichischen Bundesheeres am Ring gegeben. Für mich war das eine Selbstverständlichkeit, daß im Jahr des 40. Jubiläums des Bundesheeres und des 50. Jubiläums der Republik eine derartige Parade stattfindet. (Beifall bei der ÖVP.)

Und wenn Sie nur halbwegs aufmerksam auch die öffentliche Diskussion verfolgt haben, dann werden Sie mir vielleicht zugestehen, daß es eine lange und teilweise heftig geführte Diskussion war, daß sie aber mit Konsequenz geführt wurde, auch mit der Konsequenz, daß ich durchaus dem Regierungspartner einen Schritt entgegengekommen bin, um eine Lösung zu ermöglichen. (Abg. Dr. Haider: Sie hätten gar nicht die Zustimmung der Regierung gebraucht!) Aber der Applaus, den die Bevölkerung für die abfahrenden Panzer gespendet hat, hat gezeigt, wie wichtig es ist, daß das ganze Heer auftritt. Und selbstverständlich haben wir auch eine Form gefunden, die das ermöglicht hat. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Scheibner. – Abg. Scheibner: Herr Minister, die Bevölkerung hat entschieden: Sie will eine Parade!)

Eines kann ich Ihnen sagen: daß die Konsequenz von mir bereits vorher gezogen war und daß das Ganze mit Konsequenz auch durchgezogen worden ist.

Und genauso werde ich das auch in der Zukunft tun. Ich bin nicht der Ansicht, daß wir jedes Jahr eine Parade machen müssen, aber ich bin durchaus der Ansicht, daß in bestimmten Abständen eine entsprechende Präsentation durch das österreichische Bundesheer stattfinden soll. (Abg. Scheibner: Wann wieder?) Ja, das werden sich unsere Herren überlegen und rechtzeitig auch damit hinausgehen.

Aber wir werden darüber hinaus auch noch andere Öffentlichkeitsarbeiten machen. Wir haben zum Beispiel im letzten Jahr auch einige Postwürfe gemacht. Manche Partner in diesem Haus


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kritisieren das, wenn wir das tun. Aber ich glaube, daß das notwendig ist. (Abg. Scheibner: Die Leute wollen keine Postwürfe, sondern Geräte sehen!) Ja, wir gehen noch darüber hinaus und machen zusätzlich Partnerschaften. Sie haben den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit angesprochen. Ich antworte jetzt auf diese Frage. Und Sie werden auch Paraden sehen, selbstverständlich. (Abg. Scheibner: Keine Postwürfe! Sie müssen den Kontakt herstellen!)

Wissen Sie, jetzt muß ich noch etwas sagen. Herr Abgeordneter Scheibner! Sie sind mir jetzt nicht böse, wenn ich Sie persönlich anspreche. Sie sind Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses. (Abg. Dr. Haider: Ein guter Vorsitzender!) Ein guter Vorsitzender, es spricht nichts dagegen. – Aber von Ihnen ist kein Vorschlag gekommen, eine Parade zu machen. (Abg. Scheibner: O ja!) Der war von mir, und zwar von mir persönlich, das muß ich schon sagen! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Aber ich gestehe eines zu: Ich bedanke mich für die Unterstützung, die Sie mir gewährt haben, als die Diskussion in der Öffentlichkeit entbrannt ist. (Abg. Scheibner: Ist in Ordnung!) Und ich muß sagen: Die veröffentlichte Meinung war nicht immer dafür, aber wir haben es durchgestanden! (Abg. Scheibner: Werden Sie am 26. Oktober 1996 wieder eine Parade abhalten, Herr Minister?) Also mit Vehemenz die Nachfolgeparade zu verlangen, das ist Ihr gutes Recht; aber es kann auch entsprechend beurteilt werden. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Weitere Maßnahmen, um den Wehrgedanken zu fördern. – Wir haben bereits mit 130 großen österreichischen Unternehmen und Institutionen Partnerschaften geschlossen, wo es möglich ist, das zivile Leben und das militärische Leben möglichst stark und intensiv miteinander zu verknüpfen und einen Meinungsaustausch zu pflegen. Wir werden das auch in Zukunft fortsetzen.

Es gibt ganz neue Entwicklungen. Wir sind zum ersten Mal in der Situation, daß sich etwa junge Grundwehrdiener zusätzlich zu den Präsentationen, "Tag der offenen Tür" in den Kasernen et cetera, etwas einfallen lassen. Ich habe daher erst vor wenigen Tagen auch die ehrenvolle Aufgabe übernommen, etwa einen Grundwehrdienertag in einer der größten Städte Österreichs mitzupräsentieren und mitzutragen, weil ich glaube, daß es wichtig ist, daß das von den Leuten selbst kommt. Und da gibt es zahlreiche Anregungen, die bereits durchgeführt werden.

Sie fragen nachher, in der Frage 26, welche Rolle dabei der Schule zukommt. – Zweifellos eine wichtige, die umfassend wahrgenommen werden sollte und die in der Vergangenheit sicherlich in unterschiedlicher Art und Weise wahrgenommen wurde. Ich hoffe, daß wir in der Zukunft noch mehr Schwerpunkte setzen können, und vertraue insbesondere auch auf meine Ministerkollegin Gehrer und ihre Mitarbeiter.

Die Frage 27 betrifft die Frage der allgemeinen Wehrpflicht, und dazu ist folgendes zu sagen: Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß für mich die Frage des Wehrsystems keine prinzipielle ist, sondern für mich an erster Stelle dabei die Frage steht: Wie wichtig oder wie gut ist ein System geeignet, ein Maximum an Sicherheit für ein Land herbeizuführen?

Das heißt, die Frage der militärischen Wirksamkeit muß an erster Stelle stehen. An zweiter Stelle steht die Frage der Kosten, und an dritter Stelle die Frage der Machbarkeit. Beides spricht dafür, daß wir das gegenwärtige flexible System mit einem hohen Berufsmilitärkaderanteil nicht nur beibehalten, sondern daß wir die Professionalisierung ausbauen, daß wir alle Arten von Zugängen auf Basis der Freiwilligkeit verstärken und daß wir aber vom System der allgemeinen Wehrpflicht zurzeit nicht abgehen, weil damit ein Risiko entstehen könnte, solange wir nicht einem effizienten europäischen Sicherheitssystem angehören und solange noch Gefährdungen aus dem östlichen Bereich Europas gegeben sind.

Zu allen weiteren Fragen in aller Kürze.

Ich werde auf die Thesen eines Ministerkollegen nicht weiter eingehen. Meine Stellungnahme dazu habe ich nicht nur in der Öffentlichkeit kundgetan, sondern selbstverständlich stehe ich auch dazu.


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Ich möchte auch hier an dieser Stelle vielleicht noch eines dazusagen: Die in der Folgezeit gemachten Äußerungen sehe ich als provokativ an und glaube, daß sie ehebaldigst und mit Konsequenz auch abgestellt werden könnten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß längere Zeit eine Situation aufrechterhalten wird, wo ein Regierungsmitglied pauschal einen Berufsstand bei jeder zweiten Diskussion abstempelt. Ich halte das für unvertretbar. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht hat die Diskussion gezeigt – das zeigen auch Diskussionen in anderen Ländern –, daß der Bereich der Landesverteidigung sicherlich nicht der einfachste ist, aber er ist ein ungeheuer wichtiger. Ich werde daher auch in Zukunft meine ganze Kraft dafür einsetzen, daß wir ein Maximum dabei herausholen und daß es auch ein Maximum an Sicherheit für die österreichische Bevölkerung gibt. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

17.32

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Bevor ich dem ersten Debattenredner das Wort erteile, gebe ich in Ergänzung zu den vor Eingang in die Tagesordnung gemachten Mitteilungen bekannt, daß mittlerweile seitens des Herrn Bundeskanzlers ein an den Präsidenten des Nationalrats gerichtetes Schreiben eingelangt ist. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, daß ich mich vom 28. Februar bis 3. März 1996 im Ausland aufhalten werde.

Da sich der gemäß Art. 69 Abs. 2 B-VG zu meiner Vertretung berufene Vizekanzler an diesen Tagen ebenfalls im Ausland aufhalten wird, kann er meine Vertretung nicht wahrnehmen.

Aus diesem Grund habe ich dem Herrn Bundespräsidenten vorgeschlagen, gemäß Art. 69 Abs. 2 B-VG für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers innerhalb des Zeitraums vom 28. Februar bis 3. März 1996 den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Dr. Rudolf Scholten mit meiner Vertretung zu betrauen."

Debatte über die dringliche Anfrage

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß geschäftsordnungsgemäß die Redezeit maximal 15 Minuten pro Redner beträgt.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Ich erteile es ihm. (Abg. Parnigoni: Kollege Haupt: Pro oder kontra?)

17.34

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Das gibt es bei einer Dringlichen nicht, Herr Kollege Parnigoni, das müßten Sie wissen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei Ihnen, Herr Bundesminister, dafür bedanken, daß Sie offensichtlich im Gegensatz zu vielen Angehörigen der beiden anderen Oppositionsparteien ein durchaus demokratiepolitisches Verständnis haben, daß Sie die Rechte des Parlaments und die Geschäftsordnung dieses Parlaments in der gültigen Fassung respektieren und nicht eine dringliche Anfrage der Opposition von vornherein abqualifizieren und als nicht dringlich betrachten.


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Ich glaube auch, daß die heutige dringliche Anfrage und ihre Beantwortung in der jetzigen Situation der Verhandlungen zur Neubildung der österreichischen Bundesregierung, aber auch zur Vorbereitung der Regierungskonferenz 1996 auf europäischer Ebene dringender denn je ist. Das österreichische Sparpaket auf der einen Seite und das Sparen beim Bundesheer in den letzten Jahren sind zwei Dinge, die hier und heute und rechtzeitig, aus der Sicht meiner Fraktion, durchleuchtet werden sollen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bin Ihnen durchaus dankbar, daß Sie zunächst einmal einen generellen Ausflug durch die sicherheitspolitische Landschaft in Österreich und die Entwicklung seit 1988 bis heute gemacht haben. Aber vergessen Sie bitte nicht, wenn Sie Ihren Stolz über die Einsparungen in Ihrem Ministerium hier artikulieren, daß auch eine Einsparung von ehemals 240 000 auf 120 000 beim Bundesheer erfolgt ist und es daher nur recht und billig ist, in entsprechender Form auch bei den ständigen Kadern des Heeres eine Einsparung durchzuführen.

Ich möchte durchaus auch andere Zahlen in die Diskussion werfen. Herr Bundesminister! Wenn 26 000, mit den Frauen, die beim Bundesheer beschäftigt sind, 28 000 Berufsoffizieren beziehungsweise Bediensteten des österreichischen Bundesheeres derzeit – 1995 – 34 000 Einberufungsbefehle gegenüberstehen, denen leider derzeit 10 Prozent nicht gefolgt sind, so möchte ich klar und deutlich die von Ihnen genannten Zahlen relativieren.

Sie haben gesagt, es waren einmal 37 000 und einmal 32 000, einmal knapp über unserem Ziel, einmal knapp unter unserem Ziel. Ich habe hier die Zahlen für 1995: Es gab 32 266 Einberufungsbefehle. Von diesen Einberufenen waren 10 Prozent im Laufe der ersten drei Monate untauglich oder wurden aus dem Dienst entlassen. Das macht netto nicht 32 000 Grundwehrdiener aus, sondern 29 000 – 29 000, die zur Verfügung stehen. (Bundesminister Dr. Fasslabend: Das stimmt nicht!)

Ich habe mir in den letzten 15 Monaten, als ich Dritter Nationalratspräsident war, eine Reihe von Angelobungsfeiern in Österreich angesehen, habe selbstverständlich auch an der Parade teilgenommen und sie sowohl am Heldenplatz bei der Angelobung als auch vor dem Parlament in voller Länge wirklich mit Genuß verfolgt – so wie Hunderttausende Österreicher an diesem Tag direkt in Wien und Millionen vor den Bildschirmen.

Ich glaube aber als Angehöriger einer Waffeneinheit, nämlich der Artillerie, die nicht über den Ring fahren durfte – ähnlich wie die Panzerwaffe –, daß der Ankauf der M 109 als durchaus taugliches Gerät für das heutige Zeitalter, auch noch über die Jahrtausendwende hinweg, der österreichischen Öffentlichkeit als Bewaffnungsschritt in der Artillerie dokumentiert hätte werden sollen. Ich und viele Angehörige unserer Waffengattung bedauern heute noch, daß wir an diesem wunderschönen Tag auf der Ringstraße nicht teilnehmen durften. Ich glaube, es wurde eine gute Chance auch für die schweren Waffengattungen und im Hinblick auf die Motivation der dortigen ausgezeichneten Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften an diesem Tag versäumt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dafür ist klar und eindeutig die sozialdemokratische Fraktion und niemand anderer in dieser Bundesregierung verantwortlich, und das sage ich auch klar und deutlich.

Und noch etwas, Herr Bundesminister: Ich erwarte mir auch, daß Sie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk einmal vorsprechen und energischer dort auftreten. Denn wenn jedes "Pimperl-Tennismatch" in dieser Republik aufgrund von Verlängerungen zu entsprechenden Verschiebungen im Programm des österreichischen Fernsehens führt, so ist es mir nicht einsichtig, daß die erste Parade des österreichischen Bundesheeres nach 40 Jahren den ORF nicht dazu veranlaßt hat, jenen Teil dieser Parade auch noch zu zeigen, diese letzten zehn Minuten, wo nach den Fahrzeugkolonnen endlich auch jene Menschen gekommen sind, die dieses Bundesheer mit Leben und mit Geist erfüllen. Ich glaube, daß hier in der Berichterstattung von unserem öffentlich-rechtlichen Medium eine schwere Sünde an dem Gedanken der umfassenden Landesverteidigung begangen worden ist – aus meiner Sicht eine Untat, die einer öffentlich-rechtlichen Anstalt wie dem Österreichischen Rundfunk mit Sicherheit nicht als Lob ins Stamm


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buch ihrer Annalen geschrieben werden darf. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe eine Reihe von Heereseinheiten in den letzten Jahren besucht. Wir haben einander selbstverständlich bei sehr vielen dieser Veranstaltungen gesehen. Manche sind auf Ihre Einladung gekommen, und manche sind auf Einladung des Landesverteidigungsausschusses gekommen.

Der Landesverteidigungsausschuß dieses Parlaments ist auch in Wahlkampfzeiten geschlossen, von allen Fraktionen besetzt, nach Allentsteig gefahren, um sich dort die Übung der 9. Panzergrenadier-Brigade anzusehen. Dort hatten wir auch die Gelegenheit, die aktuellen Zahlen kennenzulernen. Diese Einheit hat einen Bedarf von 2 500 Grundwehrdienern. Im November 1995 wurden knapp über 1 000 an diese Einheit abgestellt: 860 beim ordentlichen Einrückungstermin und die restlichen knapp über 290 bei den Einrückungsterminen im Sommer. Zur Systemerhaltung dieser Einheit allein im vollen Umfang der Heeresgliederung Neu wären im Sommer etwa 400 bis 500 Grundwehrdiener einzuberufen, und das Minimum, um diese Einheit auch in der Zukunft einsatzfähig und kampffähig in der Reserve zu halten, wären 1 600 Grundwehrdiener bei der Grundeinberufung. Zwei schwere Panzereinheiten – zwei Jagdpanzereinheiten – sind dort Potemkinsche Dörfer, stehen also nur auf dem Papier.

Die entsprechenden Stabseinheiten sind nicht ausgelastet, und ich meine, Herr Bundesminister, daß auch der Rechnungshofbericht über diese Einheiten bei Ihnen im Ministerium in einer Zeit der Einsparungen zum Nachdenken anregen sollte, was schleunigst zu Reparationen zu führen hat. Ich halte überhaupt nichts davon, der österreichischen Öffentlichkeit im Bereich der äußeren Sicherheit eine Sicherheit vorzugaukeln, die in manchen Einheiten, in Kerneinheiten dieses Bundesheeres nur auf dem Papier existiert und dann, wenn es zu großflächigen Übungen kommt, von anderen Einheiten aufgefüllt werden muß.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben die Pioniereinheiten im Zusammenhang mit dem Wunsch der Damen, die sich für das Bundesheer bewerben wollen, erwähnt. Sehen Sie sich das Gerät der Pioniereinheiten, das am Nationalfeiertag auf dem Ring am Parlament vorbeigefahren ist, an: Es ist erschütternd. Aluminiumtragwerke, die ehemals für 23 und 30 Tonnen Belastung ausgelegt waren, tragen heute nur 2 500 Kilogramm. Ein besserer Traktor ist schon zu schwer, um über diese Behelfsbrücken zu fahren. Das sind die Tatsachen! Ermüdungserscheinungen des Aluminiums sind vorhanden, da gibt es Nachbeschaffungsbedarf.

Herr Bundesminister! Sie und Ihre Nachbeschaffungsstäbe wissen, daß dieser Bedarf doppelt dringend ist, weil das Gerät auch bei Einsätzen in Österreich, bei Katastrophenfällen in der Vergangenheit sinnvoll eingesetzt wurde und in der österreichischen Bevölkerung auch ein wichtiges Argument dafür war, daß breite Teile der Bevölkerung auch heute noch, trotz einer gesteuerten linken Medienkampagne gegen das Bundesheer und die umfassende Landesverteidigung, hinter dem Bundesheer, hinter den Soldaten und hinter dem Auftrag, den das Bundesheer für diese Republik hat, stehen. Sie sind es unseren Pioniereinheiten schuldig, Prioritäten bei der Nachschaffung dieses Gerätes auch im Hinblick auf den Einsatz in Friedenszeiten und für Katastrophenfälle zu setzen, um nicht eine Imageschädigung zu riskieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe mir angesehen, als unsere Kärntner Pioniereinheiten in der Steiermark bei der Hochwasserkatastrophe in Voitsberg im Einsatz waren. Herr Bundesminister, ich halte es schlichtweg für eine Schande, daß bei Ihnen im Ministerium monatelang darüber diskutiert wird, ob eine Feldschmiede angeschafft werden soll, damit die Gerätschaften selbst nachgeschärft werden können, was einen zweistelligen Tausenderbetrag kosten würde, oder ob diese notwendigen Geräte, deren Preis sich in der Höhe von 30 000 S bewegt, dieser Einheit jetzt zur Verfügung gestellt werden, um im Katastrophenfall arbeiten zu können und einsatzbereit zu sein (Beifall bei den Freiheitlichen) und nicht in Leihwerkstätten ihre Gerätschaften, ihre Schaufeln und anderes nachbaggern zu müssen.


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Sie haben die Caterpillar gesehen, die auf dem Ring vorbeigefahren sind. Das älteste Modell war Baujahr 1948. Kollege Haselsteiner ist leider nicht hier, aber ich bin überzeugt davon, daß Sie in seinem Konzern eine solche Baumaschine mit Sicherheit nicht mehr finden werden. Sie wurden von der amerikanischen Armee in den Jahren 1955/56 wie die Militärdepots, die wir nunmehr ausräumen dürfen, dagelassen. Diese Einheiten sind dringend nachzubesetzen, auch dort, wo in Friedenszeit unser Bundesheer in Katastropheneinsätzen mit diesen Pioniereinheiten arbeiten soll. Ich halte nichts davon, wenn in der jetzigen Diskussion eine Zusammenarbeit einerseits auf internationaler Ebene, andererseits mit dem Militärspital und den Pioniereinheiten für Katastrophenfälle signalisiert wird, wenn wir wissen, daß wir in diesem Bereich dringenden Handlungs- und Nachschaffungsbedarf haben.

Ich gebe Ihnen recht, Herr Bundesminister, wenn Sie sagen, daß Sie in den letzten Jahren Einsparungen durchgeführt haben. Aber eines sage ich ganz klar, auch wenn Sie sich über den Zettel des Kollegen Scheibner lustig gemacht haben: Der Anteil des Wehrbudgets am Bruttoinlandsprodukt ist von 1,34 auf 0,994 abgesunken. (Der Redner zeigt ein Diagramm.) Diese Kurve ist klar. Ich habe hier mit einer grünen Linie, wie Sie sehen können, Herr Minister, die Zäsur eingezeichnet: 1986/87. Ich neige nicht dazu, Kollegen Frischenschlager häufig zu loben, aber nach dem Ende der Ära der Minister Frischenschlager und Krünes ist es bei diesem Budget zu Einsparungsmaßnahmen gekommen, die auch in Zeiten des Sparbudgets als eine Vorleistung zu rechnen sind, die aus meiner Sicht nicht mehr fortzusetzen ist. (Abg. Parnigoni: Sie haben doch nicht die sozialistische Koalition loben wollen?) Ansonsten stellt sich schon die Frage, wie sie auch in der Öffentlichkeit aufgetaucht ist: Sind dann die für das Heer aufgewendeten Mittel überhaupt noch sinnvoll? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Debatte über die Qualifikation unserer IFOR-Truppen. Ich war selbst in Graz und habe mir angesehen, wie sie verladen worden sind, wie sie spät in der Nacht abgerückt sind, auch weil Freiwillige aus meinem Bundesland und aus meinem Wahlkreis dabei waren. Ich habe mich auch davon überzeugt, weil das Übungsgelände in der Nähe der Autobahnabfahrt ist, wie sie dort vorbereitet wurden und wie dort geübt wurde. Herr Bundesminister! Ich bin glücklich darüber, daß Sie die Anregungen, die von freiheitlicher Seite als Bedenken bei diesem Einsatz schon im Hauptausschuß bei Beschluß der Entsendung formuliert worden sind – Nachrüstung der Fahrzeuge, Minensicherheit, Koordinierung der Ausbildung und all diese Dinge bis hin zu Mannschutz und zu den Helmen –, aufgegriffen und verwirklicht haben.

Aber eines sage ich auch klar und deutlich, Herr Bundesminister: Daß die Anschaffung von 400 Stück Helmen und Splitterschutzwesten zehn, zwölf, ja 14 Jahre gedauert hat, halte ich schlichtweg für einen Skandal des Beschaffungswesens des österreichischen Bundesheeres. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Daraus resultiert auch das Defizit, die Leute selbst in ihrem Innersten entsprechend zu motivieren.

Sie haben selbst schon über Frauen im Bundesheer gesprochen, Sie haben versprochen, daß das kommt. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich werde nunmehr zwei Entschließungsanträge einbringen und darf diese hier verlesen.


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner, Mag. Herbert Haupt, Dr. Harald Ofner, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für das österreichische Bundesheer

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Landesverteidigung werden aufgefordert, dem österreichischen Bundesheer den notwendigen politischen Rückhalt zu geben und umgehend vor allem die infrastrukturellen Rahmenbedingungen zu schaffen, die notwendig sind, um den verfassungsmäßigen Auftrag, die Sicherheit Österreichs zu gewährleisten, erfüllen zu können."

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner, Mag. Herbert Haupt, Dr. Harald Ofner, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Kollegen betreffend Setzung von Maßnahmen, um Frauen den freiwilligen Dienst im Bundesheer zu ermöglichen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert, so rasch wie möglich die legistischen und organisatorischen Vorbereitungen zu treffen, um Frauen den freiwilligen Dienst in Uniform in allen Bereichen des Bundesheeres zu ermöglichen."

*****

Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, daß beide Entschließungsanträge in den nächsten Tagen und Wochen tatsächlich umgesetzt werden, weil ich sie für notwendig und für eine wichtige Bereicherung im Bereich der äußeren Sicherheit Österreichs halte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.49

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden Entschließungsanträge der Abgeordneten Scheibner und Haupt sind geschäftsordnungsgemäß eingebracht, ebenso unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Gaal. Ich erteile es ihm.

17.49

Abgeordneter Anton Gaal (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn die Damen und Herren der FPÖ in ihrer dringlichen Anfrage von einer funktionslos gewordenen Neutralität sprechen und meinen, daß daher Österreich bei der Suche nach den bestmöglichen Lösungen seiner sicherheitspolitischen Herausforderungen die Hände gebunden sind, so erlauben Sie mir dazu einige grundsätzliche Feststellungen.

Wir wissen alle, daß die sicherheitspolitische Landschaft Europas zweifellos einem dynamischen Veränderungsprozeß unterliegt. Natürlich ist durch den Wegfall der Ost-West-Konfrontation die Gefahr eines Weltkrieges gebannt. Aber dennoch gibt es eine Vielzahl von Ursachen für gewaltsame Auseinandersetzungen – angefangen bei der klassischen Machtpolitik bis zu den Faktoren, die in wirtschaftlichen, sozialen, ethnischen und nationalen Bereichen liegen. Und eines ist auch ganz klar: Keine der neuen Risken, ganz gleich, wo ihre Wurzeln liegen, betreffen Österreich allein. Aber jedes Risiko kann unser Land betreffen, und auch ich bin der Auffassung, daß man diesen Risken besser gemeinsam als allein begegnen kann.

Meine Damen und Herren! Eines steht aber auch außer Zweifel: daß ein reines Militärbündnis schon lange nicht mehr in der Lage ist, Frieden und Stabilität zu sichern. Und daher gehen wir Sozialdemokraten von einem umfassenden Sicherheitsbegriff aus, der weit über den militärischen Bereich hinausgeht und der vor allem auch die wirtschaftlichen, die sozialen und die ökologischen Gegebenheiten umfaßt. Sicherheit und Stabilität können ja nur im Zusammenwirken aller Komponenten dauerhaft erreicht werden. Das heißt aber nicht, daß die militärische Dimension der Sicherheit künftig an Bedeutung verlieren wird. Ganz im Gegenteil: Die Einbettung des militärischen Bereiches in ein neues Sicherheitssystem gehört ja zu jenen Herausforderungen, die ein zusammenwachsendes Europa zu bewältigen hat. Natürlich ist das zentrale Problem die europäische Sicherheitspolitik, die Frage, wie wir die neue gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur organisieren.

Herr Bundesminister! Wenn Sie von der Vollkooperation mit der NATO sprechen, heißt das ja NATO-Beitritt – alles andere wäre Nebelwerferei. Und ich darf Ihnen auch klar und deutlich antworten: Sowohl die NATO als auch die WEU sind als reine, klassische Militärbündnisse nicht geeignet und vor allem gar nicht dafür vorgesehen, die präventiven Maßnahmen für die


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umfassende Sicherheit zu leisten. Die Lösung liegt daher in der Errichtung einer tragfähigen gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur, die den umfassenden, den unteilbaren und kooperativen Anforderungen entspricht.

In Europa gibt es derzeit eine Sicherheitsorganisation, der alle 15 EU-Staaten und alle übrigen Staaten angehören, die OSZE. Die Größe dieser Organisation – das wissen wir – ist gleichzeitig aber auch ihre Schwäche. Und für die Verwirklichung einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur wäre daher eine reformierte OSZE eine gute Basis, damit ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung gesetzt werden kann. Und was unsere österreichische Situation betrifft, so gibt es für Österreich keinen zwingenden sicherheitspolitischen Grund, der NATO oder der WEU beizutreten. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Jene, die für eine Mitgliedschaft Österreichs in diesen Militärbündnissen eintreten, begründen das immer wieder mit den Bedrohungen, denen unser Land angeblich ausgesetzt ist. Wir glauben, daß man dabei mit Täuschungsmanövern operiert, daß da Täuschungsmanöver betrieben werden. Denn niemand hier kann uns einen Staat nennen, der Österreich heute bedroht, und das alte Freund-Feind-Szenario gehört der Geschichte an. (Abg. Scheibner: Kollege! Hätten Sie 1990 noch geglaubt, daß ein Jahr später an unseren Grenzen gekämpft wird?) Sicherlich war das nicht vorauszusehen. Aber Sie können daraus nicht eine Bedrohung Österreichs ableiten und damit begründen, daß es wichtig und richtig wäre, der WEU und der NATO beizutreten, einem klassischen Militärbündnis des kalten Krieges. Dazu bekommen Sie von uns sicher keine Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Können Sie das garantieren?)

Kollege Schieder und ich haben immer wieder hier darauf hingewiesen – begründet hingewiesen, Kollege Scheibner –, daß, wie gesagt, keine Notwendigkeit besteht, diesen Militärbündnissen beizutreten. (Abg. Scheibner: Können Sie das garantieren?)

Meine Damen und Herren! Ein Beitritt zum jetzigen Zeitpunkt würde meiner Meinung nach zu keinem Mehr an Sicherheit führen, sondern nur unseren sicherheitspolitischen Spielraum verringern, weil damit überhaupt nur der militärische Bereich abgedeckt würde. Das sehen wir bei den einen oder anderen sicherheitspolitischen Vorkommnissen in Bosnien.

Die Folgen, meine Damen und Herren, wären erhöhte Rüstungsausgaben und Stationierungsverpflichtungen, die man ganz einfach nicht vergessen und nicht unterschätzen darf. Und daher werden wir auch dem Entschließungsantrag betreffend den Beitritt Österreichs zur WEU nicht unsere Zustimmung geben. Wir heißen vielmehr die Vorgangsweise, die zwischen Bundeskanzler und Vizekanzler vereinbart worden ist, gut und werden diesen hier vorgeschlagenen gemeinsamen Weg auch weitergehen.

Meine Damen und Herren! Die Partnerschaft für den Frieden hingegen ist ein nützliches Instrument der sicherheitspolitischen Kooperation auf internationaler Ebene. Wir nehmen an dieser Kooperation auch teil, und wir haben daher die Zusammenarbeit mit den NATO-Mitgliedstaaten und den übrigen Partnerstaaten hier ganz klar und eindeutig geregelt. (Abg. Scheibner: Kollege! Fragen Sie den Tychtl, wo wir sitzen! Wir sitzen in der letzten Reihe!) Sie bewegt sich im Bereich der Friedenserhaltung, der humanitären Missionen und internationalen Katastrophenhilfen.

Was die WEU betrifft, Herr Bundesminister, so ist die Diskussion über ihre zukünftige Orientierung, ihren Stellenwert in der Europäischen Union derzeit noch im Gange. Die Ergebnisse der Regierungskonferenz sind abzuwarten, an der wir – Sie haben es ja auch gesagt – als gleichwertiger Partner und aktiv teilnehmen, also unsere Ideen und konzeptiven Überlegungen einbringen müssen.

Meine Damen und Herren! Für die österreichische Verteidigungspolitik und das Bundesheer ergeben sich durch die geänderten sicherheitspolitischen Verhältnisse natürlich auch geänderte Aufgabenstellungen. Hauptaufgabe des Bundesheeres bleibt natürlich weiterhin die nationale Territorialverteidigung, doch entscheidende sicherheitspolitische Herausforderungen kommen natürlich auch aus dem internationalen Bereich im besonderen Maße auf uns zu. Ich denke


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dabei vor allem an Krisenmanagement und die Friedenssicherung im Rahmen der multinationalen Missionen im Auftrag der Vereinten Nationen oder der OSZE und Vorbereitungsmaßnahmen für multinationale Friedensmissionen im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden sowie an künftige Aufgaben im Rahmen der Europäischen Union, die sich möglicherweise aus der Regierungskonferenz auch ergeben werden.

Die Teilnahme am Bosnieneinsatz, meine Damen und Herren, zeigt, daß das österreichische Bundesheer militärisch relativ einfache Aufgaben wie das Aufstellen einer Transporteinheit nur sehr schwer bewältigen kann. Und damit wir in Zukunft bei internationalen Aufgabenstellungen rasch und treffsicher reagieren können, müssen wir die Verfügungsbereitschaft von Verbänden und Einheiten des Bundesheeres im erforderlichen Ausmaß erhöhen.

Was die Territorialverteidigung betrifft, so ist das Bundesheer – das kann sehr wohl gesagt werden – heute in der Lage, seinen Verteidigungsauftrag zu erfüllen. Und gerade jetzt – da gebe ich vielen recht – die Wehrpflicht und die Neutralität aufzugeben, wäre vor diesem Hintergrund geradezu absurd. Derzeit, meine Damen und Herren, geht es uns ja primär um die Sicherung der Grenzen: um einen Auftrag, den das Bundesheer tatsächlich erfüllen kann und womit es die Befriedigung unserer Sicherheitsinteressen gewährleistet. Die Sicherheitspolitik und die Fragen der Landesverteidigung sind zwei ernste Themen, mit denen man sich natürlich permanent zu beschäftigen hat, dabei darf aber auch sicher nichts tabu sein. Daher gibt es grundsätzlich gesagt, meine Damen und Herren, kein Nachdenk- und kein Diskussionsverbot. Und daher sind die heute einerseits ungeniert offen, auf der anderen Seite etwas versteckt vorgebrachten Anwürfe gegen den Innenminister unzulässig. (Abg. Dr. Puttinger: Sind Sie jetzt für den Vorschlag Einem oder sind Sie dagegen, Herr Abgeordneter?)

Meine Damen und Herren! Ich sage es Ihnen: Wir Sozialdemokraten bekennen uns ... (Abg. Dr. Puttinger: Vertreten Sie den Vorschlag Einem oder nicht?) Ich habe jetzt nicht inhaltlich darüber gesprochen, sondern ich habe hier vermerkt, daß es grundsätzlich kein Nachdenk- und Diskussionsverbot gibt, kein Verbot, sich mit Fragen der Sicherheit hier auseinanderzusetzen und zu beschäftigen. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Daher werden wir dem Mißtrauensantrag, der noch von Kollegen der Freiheitlichen Partei gegen den Herrn Innenminister eingebracht werden wird, nicht zustimmen. Ich kann Ihnen aber eines sagen: Wir Sozialdemokraten – und dafür stehe ich – bekennen uns zu einer effizienten und glaubwürdigen Landesverteidigung! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus sicherheits- und demokratiepolitischen Gründen gibt es – darauf habe auch ich immer wieder hingewiesen – keine Alternative zur Neutralität, aber derzeit auch keine Alternative zur allgemeinen Wehrpflicht, denn ein Berufsheer würde zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur höhere Kosten und weniger Sicherheit bringen, sondern eine Reihe von Folgeproblemen aufwerfen, die in der Diskussion bis dato nicht so beachtet worden sind und die man etwas vernachlässigt hat.

Aber wir werden uns mit der Gesamtproblematik weiterhin sehr intensiv zu beschäftigen haben, allerdings, wie gesagt, in großer Ruhe und nicht in der tagespolitischen Auseinandersetzung. Der sensible Bereich Sicherheitspolitik und Landesverteidigung ist ein ernstes Thema und eignet sich sicherlich nicht, wie ich schon gesagt habe, für tagespolitische Auseinandersetzungen, sondern wir werden uns sehr behutsam, mit Bedacht und großer Ruhe und verantwortungsbewußt weiterhin mit dieser Frage auseinandersetzen und beschäftigen und einen Beitrag zu einer glaubwürdigen Landesverteidigung leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

18.02

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Maitz. Ich erteile es ihm.

18.02

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Verteidigungsminister! Es ist schon interessant, daß Herr Kollege Gaal mit einem großen Bekenntnis zur Landesverteidigung endet, vorher aber sagt, daß ein Beitritt zu einem reinen Militärbündnis zuwenig ist und keine Probleme löst. Ja genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn alle Bemühungen der Diplomatie, der Politik,


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aller Organisationen, die Großartiges leisten in diesem Staat, in Europa und in der Welt, nicht mehr helfen können und die Durchsetzung mit militärischer Gewalt erforderlich ist, dann ist sie eben notwendig. Wer hat denn die Streitpartner in Bosnien-Herzegowina an den Verhandlungstisch zurückgeführt? Wer denn? – Nicht die Verhandlungen und die Friedensvermittler, sondern die NATO mit ihrer Durchsetzungsgewalt! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist auch erstaunlich, daß der Wehrsprecher der SPÖ die OSZE als das eigentliche Instrument preist, die NATO und die WEU jedoch ablehnt. (Abg. Gaal: Eine reformierte OSZE!)

Sie befinden sich, Herr Kollege Gaal, mit dieser Meinung im Gegensatz zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich Verteidigung, zur WEU, zur NATO, Sie befinden sich mit dieser Position auf der gleichen Ebene mit der Russischen Föderation. Niemand sonst nimmt diese Position ein als die Russische Föderation. – Das muß Ihnen doch zu denken geben. (Abg. Dr. Puttinger: Das ist die neue SPÖ!)

Was die Geschichte mit dem Ausritt des Herrn Bundesministers Einem betrifft, zu dem ich nicht mehr Stellung nehmen werde, weil ich das schon in der Öffentlichkeit getan habe, möchte ich Ihnen sagen: Nicht die Bösen von unserer oder anderen Fraktionen haben das als Schnapsideen bezeichnet, sondern der Herr Innenminister der Sozialdemokratie Löschnak war das. Und das ist ein Urteil eines Parteifreundes, nicht anderer. Da muß doch etwas dran sein! (Abg. Mag. Haupt: Sein Amtsvorgänger!)

Die Kernfrage der heutigen dringlichen Anfrage der Freiheitlichen ist, wie wir an einer europäischen Sicherheitsstruktur teilnehmen werden. Das ist eine ernste Frage, das ist eine aktuelle Frage, und es gibt natürlich ein Ringen um die Positionen in diesen Tagen, ich möchte fast sagen, in diesen Stunden. Über weite Strecken ist auch die Einbegleitung durchaus ein Sachverhalt, mit dem wir übereinstimmen. Das, was aber unserer Meinung nach offenbleibt, ist die Entscheidungsreife. Und deshalb kann man zu diesem Zeitpunkt nicht einfach sagen, jawohl, wir vollziehen diesen und jenen Beitritt, den dritten und den vierten, nur weil die Kollegen in dieser Frage ungeduldig sind. (Zwischenruf des Abg. Scheibner .) Ja ja, die Zieldefinition ist genau das, was ich jetzt ansprechen wollte. Wenn wir das Beste für Österreichs Sicherheit und die Bevölkerung erreichen wollen, dann brauchen wir Konsequenz, Geduld und Selbstbewußtsein. (Beifall des Abg. Scheibner .)

Für uns gilt, was Vizekanzler und Außenminister Wolfgang Schüssel vor zwei Tagen neuerlich ausdrücklich festgehalten hat und was Bundesminister Werner Fasslabend zielstrebig praktiziert – er redet nicht nur darüber. Zitat von Schüssel in der "Zeit im Bild 1" vor zwei Tagen:

Ich möchte haben, daß Österreich an allen Institutionen teilnimmt, wo für Österreich das Beste an Frieden und Sicherheit herausgeholt wird. Und ich meine – so Schüssel –, daß sich diese europäische Sicherheits- und Außenpolitik im Rahmen der EU, der WEU und der NATO letztlich abwickeln wird. "Ich bin dafür, daß am Ende dieses Prozesses eine Vollmitgliedschaft vor allem bei der WEU notwendig sein wird."

Meine Damen und Herren! Das ist eine klare Sprache, und für Österreichs Bevölkerung ist das Beste gerade gut genug. (Beifall bei der ÖVP.)

In ebensolcher Klarheit hat der Außenminister auch festgestellt: Die Abschaffung der Neutralität steht nicht zur Diskussion. – Unsere Lösung, meine Damen und Herren – und das ist inzwischen auch bekannt –, ist wirklich genial: Wir haben den Vorschlag gemacht, auf derselben Rechtsebene wie das bestehende Neutralitätsgesetz, nämlich im Verfassungsrang, ein Solidaritätsgesetz, das uns die Teilnahme an der neuen europäischen Sicherheitsstruktur ermöglicht, zu erlassen. 75 Prozent der Österreicher sind – nach seriösen Meinungsbefragungen – mit dieser Lösung auch einverstanden, und das werden sich die verantwortlichen Schreiber und Redner auch in der Sozialdemokratischen Partei noch sehr gut überlegen müssen.

Um im Rahmen der EU auch an den Verteidigungsaufgaben mitwirken zu können, müssen wir das Solidaritätsgesetz haben. Darüber hinaus gibt es weitere eingeschränkte Bereiche, in denen es trotzdem eine Neutralität geben kann. (Zwischenruf des Abg. Dr. Frischenschlager .) Nein,


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das kann parallel bestehen – im europäischen Bereich sind wir solidarisch, darüber hinaus gibt es einen weiteren Teil der Neutralität, der seine Wirkung haben kann. (Abg. Dr. Khol: Das ist völlig richtig! Das versteht der Frischenschlager nicht! Erklär es ihm noch einmal!)

Vielleicht geht es mit einem Bild: Diese Frage "Sicherheit durch Solidarität und Neutralität" wird zurzeit zwischen den Regierungsparteien wie ein Parallelslalom ausgetragen. Das mag für manche unbefriedigend sein – aber wissen Sie, wie das bei einem Parallelslalom ist? – Es gibt bei einem Parallelslalom zwei Pisten, aber ein gemeinsames Ziel. Und das haben wir, und das werden wir erreichen. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist immer noch ein Wert, den zu erhalten wir imstande sind. (Abg. Scheibner: Der sicherheitspolitische Nutzen ist doch nicht vorhanden!) Und dieses gemeinsame Ziel werden wir erreichen.

Ich möchte Ihnen dazu noch ein Zitat bringen, und zwar aus der gestrigen Sendung "Report", in der Außenminister Schüssel zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der Verteidigungspolitik gesagt hat: Gerade ein kleines Land muß daran interessiert sein, daß es Solidarität übt, damit wir auch in einem kritischen Fall, der uns betreffen könnte, die Solidarität der anderen bekommen.

Herr Kollege Gaal! Übernehmen Sie die Garantie dafür, daß Österreich in der weiteren Zukunft nie mehr einer militärischen Bedrohung ausgesetzt sein wird? Können Sie das? – Ich glaube, Sie können das nicht. Und deshalb ist die Einbindung in die europäische Sicherheitsstruktur eine absolute Notwendigkeit, auch von der Kostenseite her. (Beifall bei der ÖVP.) Denn auch was die Kosten betrifft, gilt "einsam oder gemeinsam", wie wir es gemeinsam vor dem Beitritt zur EU vertreten haben: "Einsam" kostet mehr, "gemeinsam" kostet weniger! Das ist die Realität. Das schließt auch die militärische Landesverteidigung mit ein, die Sie immer an den Rand zu drängen versuchen, und das ist nicht fair.

Ein Zitat von Herrn Bundeskanzler Vranitzky aus der heutigen Sendung des "Mittagsjournals": Neutralität oder WEU-Beitritt? – Dieses Thema werde man sich für die Abschlußverhandlung aufheben. Herauskommen muß eine gemeinsame Erklärung, die die Grundlage für eine Regierungsbildung und für Österreichs Position bei der EU-Regierungskonferenz in Turin zum Thema Sicherheit sein wird. – Ich bitte also die Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sich rechtzeitig auf ihren Vorsitzenden einzustellen, denn es gibt diesen Weg, der gemeinsam gegangen werden wird. (Zwischenruf des Abg. Gaal .) Einschließlich der militärischen Komponente, bitte!

Unser Ziel bleibt: Für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung ist das Beste gerade gut genug. Und ich wiederhole: Der Parallelslalom Neutralität und Solidarität ist zu fahren, das gemeinsame Ziel ist für Österreich notwendig. (Abg. Scheibner: Das sind eisige Pisten, Herr Kollege!) – Ich komme schon noch zu Ihnen, Herr Kollege Scheibner. Wir haben gerade Weltmeisterschaften im Schifahren gehabt, daher ist das Bild vielleicht leichter zu verstehen als eine Erläuterung im Detail. (Abg. Mag. Haupt: Da haben wir aber leider nicht gut abgeschnitten!) O ja, mit fünf Medaillen!

Die EU-Regierungskonferenz in Turin beginnt am 29. März. Sie wird fast ein Jahr dauern, sagen die Fachleute, und Ende 1998 steht die WEU mit ihrem Vertrag zur Erneuerung an. Das sind die Daten und Fakten, die wir zu beachten haben. Die NATO-Gremien diskutieren die Osterweiterung, ehemalige Oststaaten wollen in die NATO und werden vertröstet und im Vorzimmer gehalten, Österreich aber hat die Möglichkeit, beizutreten, und wird zum gegebenen Zeitpunkt zu entscheiden haben. Österreich wäre jederzeit willkommen und nicht – und das ist auch wieder ein Fehler der Kollegen – ...(Abg. Gaal: Eingeladen wurden wir aber nicht!) Na selbstverständlich! Erst jetzt hat der neue NATO-Generalsekretär Solana in einem Gespräch mit Außenminister Schüssel gesagt (Abg. Dr. Puttinger: Ein spanischer Sozialdemokrat!), Österreich sei sehr willkommen, und zwar nicht ausschließlich wegen der geopolitischen Lage, sondern auch wegen unseres Know-how. Das würde keine großen zusätzlichen Kosten verursachen, weil wir auch für das eigene Heer diese Kosten aufwenden müßten.


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Wir stehen voll und ganz zum Maastrichter Vertrag, und die EU ist als echte Schicksals- und Solidargemeinschaft ohne Verteidigungskomponente undenkbar. Und dort gehören wir dazu! (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Scheibner hat sich in seiner durchaus engagierten Rede zu einer Behauptung verstiegen, die ich nicht einfach stehenlassen möchte. Er hat gesagt, Herr Bundesminister Fasslabend kenne die Probleme nicht oder sei eine Gefahr fürs Land. (Abg. Scheibner: Das habe ich nicht gesagt!) Bitte, das ist die typische Art und Weise, Leute persönlich herunterzumachen! Wissen Sie, wer wirklich eine Gefahr ist? (Abg. Scheibner: Das habe ich nicht gesagt! Das ist eine Diffamierung!) Das ist so gesagt worden und nachzulesen! (Abg. Mag. Haupt: Herr Kollege! Nein! Nein!) Okay, dann nimmt er es jetzt zurück. Ich möchte ihm nur sagen, wer wirklich eine Gefahr fürs Land ist. (Abg. Mag. Haupt: Nein, er braucht nichts zurückzunehmen, weil er es nicht so gesagt hat!) Das ist wörtlich mitgeschrieben. (Abg. Mag. Haupt: Sie sollten die Anschuldigung zurücknehmen, weil sie falsch ist!) Nein, nein, das wurde wörtlich mitgeschrieben. Jetzt geniert ihr euch wieder für eure Ausritte! Das ist immer dasselbe! (Beifall bei der ÖVP.)

Gefahr für das Land sind jene, die alles schlechtmachen. Gefahr für das Land sind jene, die persönlich... (Abg. Scheibner: Zuerst informieren, dann zuhören und dann reden! Das wäre gescheiter!) Ich habe ja zugehört! Das war mir zuviel! So geht es nicht! Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses hat nicht zu sagen, dieser Minister ist eine Gefahr für das Land. Das hat er nicht zu sagen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Ich brauche mir von Ihnen nicht vorschreiben zu lassen, was ich zu sagen habe oder nicht!)

Suchen Sie in Ihren Reihen jene Leute, die alles schlechtmachen, die persönliche Untergriffe für ihre politische Propaganda machen, suchen Sie jene Leute! (Abg. Scheibner: Ich habe an und für sich den Einem gemeint mit der Gefahr für das Land!) Ich garantiere Ihnen, Sie haben reiche Ernte in Ihren Reihen. Man kann sie aufzählen – stundenlang! Stundenlang kann man die persönlichen Verunglimpfungen aufzählen. (Abg. Scheibner: So ein Unsinn!)

Lest es nach im Protokoll. Wenn du es jetzt zurücknimmst, ist mir das sehr recht. (Abg. Scheibner: Das Wort brauche ich mir von dir nicht verbieten zu lassen!)

Wer für die militärische Landesverteidigung in Österreich zurzeit sorgt, das sind Tausende Berufssoldaten und Zehntausende Milizsoldaten. Beide Gruppen leisten unter schwierigsten Bedingungen großartige Arbeit, und jeder von uns sollte sich davor hüten, diese Arbeit österreichischer Staatsbürger in Uniform herunterzumachen und pauschal lächerlich zu machen. Das ist auch dem Innenminister ins Stammbuch zu schreiben.

Berufs- und Milizsoldaten gebührt daher unser voller Dank, und wir sind auch sehr dankbar (Abg. Scheibner: Wie ist das mit den Beschaffungsbudgets? Das wäre interessant!) – ich sage das ganz ausdrücklich –, daß bei aller Notwendigkeit, nach Verbesserungen zu suchen, dieser Bundesminister Werner Fasslabend mit ruhiger, zielorientierter und konsequenter Art seine Aufgabe für die militärische Landesverteidigung vorbildlich und erfolgreich erfüllt, und daran wird auch ein inzwischen zurückgenommenes Wort des Herrn Obmannes des Verteidigungsausschusses nichts ändern. (Abg. Scheibner: Seid lieber konsequent bei den Koalitionsverhandlungen, anstatt hier große Reden zu schwingen!)

Wir brauchen keine Belehrungen des Herrn Kollegen. Wir haben eine erfolgreiche Verteidigungspolitik und einen erfolgreichen Verteidigungsminister. (Beifall bei der ÖVP.)

18.17

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. Ich erteile es ihm.

18.17

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Scheibner hat in der Begründung dieser... (Abg. Dr. Khol: Wie ist denn das mit der Pension? Das wollen wir schon wissen!)


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Herr Kollege! Kommen wir zur Sache! Solche Zwischenrufe habe ich mir eigentlich von Ihnen nicht erwartet.

Herr Kollege Scheibner hat in seiner Begründung zur dringlichen Anfrage einen sehr weiten Bogen gespannt in Fragen der österreichischen Sicherheitspolitik und Verteidigungspolitik und in Fragen des österreichischen Bundesheeres. Er hat eine breite Palette von Problemen angesprochen, und ich glaube, daß es wirklich notwendig sein wird, darüber, Herr Bundesminister, dem Parlament entsprechend Rechenschaft zu geben, und zwar in Form eines Zustandsberichtes, der längst fällig ist und der mit Vorrang dem Parlament vorzulegen sein wird. Wir Liberale werden daher einen entsprechenden Antrag einbringen, damit es endlich zu diesem Zustandsbericht kommt und wir über die Situation des Bundesheeres auch hier diskutieren können.

Herr Bundesminister! Sie haben heute sehr lang und sehr viel geredet, aber ich bedauere es, daß Sie auf die angesprochenen Punkte nicht wirklich eingegangen sind und Sie nicht klar und präzise auf die Fragen geantwortet haben, aber der Zustandsbericht wird Ihnen die Möglichkeit dazu geben, und wir werden dann auch die Möglichkeit haben, auch über eine Beurteilung des österreichischen Bundesheeres zu reden.

Im morgigen "Kurier" können wir lesen, daß der Präsident der Offiziersgesellschaft wieder einmal ausführt, daß das System der Landesverteidigung derzeit als eine Blutzollmaximierungsmaschinerie bezeichnet wird, denn das Bundesheer könne bei seinem derzeitigen, kümmerlichen Ausrüstungsstand keinen Staat schützen. – Herr Bundesminister, über diese Beurteilung Ihrer Offiziere betreffend den Zustand des Bundesheeres werden wir in diesem Hohen Hause sehr wohl noch zu diskutieren haben.

Ich glaube, daß es gerade am Vorabend der EU-Regierungskonferenz wichtig und notwendig ist, über Aspekte der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu diskutieren. Die Diskussion über die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist ja in der letzten Zeit etwas konfus und konzeptlos verlaufen, und es sind die tiefen, schier unüberbrückbaren Gräben zwischen den Regierungsparteien klar zutage getreten. Es wäre schon günstig, wenn wir hier endlich zu einer klaren Linie finden würden, damit die Positionen Österreichs bei der Regierungskonferenz entsprechend vertreten werden können.

Wie diese Diskussion gelaufen ist, möchte ich nur anhand einiger Beispiele zeigen. Die Sozialdemokratie hält fest an der Neutralität um jeden Preis. Daraufhin erklärt die Österreichische Volkspartei: Nein, die Neutralität muß weg! Jüngst haben wir einen skurrilen Vorschlag gehört, nämlich dieses berühmte Solidaritätsgesetz.

Der Bundeskanzler schlägt einen nationalen Sicherheitsrat vor – im Prinzip keine schlechte Idee –, Vizekanzler Schüssel lehnt ab und bezieht sich dabei auf den Verteidigungsrat und auf den Außenpolitischen Rat. – Meine Damen und Herren! Beide Räte tagen vielleicht zwei-, dreimal im Jahr, aber in Wirklichkeit haben sie noch zu keiner Linie gefunden.

Vertreter der Sozialdemokratie – so wie heute Herr Kollege Gaal – sprechen von einem umfassenden Sicherheitsbegriff. Offensichtlich vergessen Sozialdemokraten, daß wir seit 1976 das Prinzip der umfassenden Landesverteidigung haben, demgemäß auf breiter Basis nicht nur von militärischer Seite, sondern auch bis hin zur zivilen Seite alle Maßnahmen gesetzt werden und zu setzen sind im Hinblick auf die Abwehr einer Bedrohung.

Es wird vorgeschlagen, der WEU und der NATO beizutreten. Die Sozialdemokratie sagt nein und wartet auf ein europäisches Sicherheitssystem, das nicht kommen wird, wenn wir nicht entsprechend dafür eintreten.

Diese Diskussion, meine Damen und Herren, ist blamabel. Die Diskussion, wie sie in der Öffentlichkeit geführt wird, ist unverantwortlich und schadet dem Land. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher ist es notwendig, daß wir endlich zu einer sachlichen und gesamtheitlichen sicherheitspolitischen Diskussion kommen, weil wir – und das ist inzwischen allen klar geworden – eine


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Neuorientierung der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und damit auch eine Neuorientierung des österreichischen Verteidigungssystems brauchen.

Ich möchte nun auf einige Eckpunkte eingehen, weil ich glaube, daß wir diese heute im Rahmen dieser dringlichen Anfrage durchaus diskutieren müssen und auch sollen.

Wir müssen uns mit der Frage "Neutralität – ja oder nein" auseinandersetzen, damit, ob wir jetzt im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz 1996, mit der fortschreitenden Integration der Europäischen Union auch den Schritt in Richtung Westeuropäischer Union, in Richtung NATO gehen und was wir mit der allgemeinen Wehrpflicht machen. Es sind Fragen zu klären wie: Welchen Beitrag möchte Österreich sicherheitspolitisch überhaupt im Rahmen der Europäischen Union leisten? Welche Werte wollen wir verteidigen? Sind die Werte, die wir im Landesverteidigungsplan seinerzeit festgeschrieben haben, für uns noch gültig? – Ich sage ja, aber das ist eine Frage, die es auch für die zukünftige sicherheitspolitische Diskussion zu beantworten gilt. Welches Potential will Österreich bereitstellen, um nicht ein Vakuum in der Region darzustellen? Wie schaut dann die bestmögliche Lösung aus?

Diese Diskussion müssen wir führen. Ich glaube daher, daß es notwendig wäre, daß der Verteidigungsrat und daß der Außenpolitische Rat zu einer gemeinsamen Sitzung zusammenkommen, zu einer gemeinsamen Sitzung einberufen werden, um im Lichte der Notwendigkeiten einer klaren Abstimmung unserer Sicherheits- und Verteidigungspolitik am Vorabend der Regierungskonferenz eine eindeutige und klare Empfehlung abzugeben. Das wollen wir, das werden wir auch entsprechend vorschlagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Der Ausgangspunkt für die Diskussion – einige Kollegen sind bereits darauf eingegangen – ist die Frage der Bedrohung, die geänderte geostrategische Lage. Bedauerlicherweise haben sich die Kollegen von den Sozialdemokraten abgesetzt, ihnen wollte ich nämlich ein kleines Privatissimum geben.

Die Bedrohungssituation, wie sie vor 1989 gegeben war, ist nicht mehr da. Die Adressaten der Neutralität sind verlorengegangen, und zwar sowohl von militärischer als auch von politischer Seite. Die Neutralität kann also, weil sich das Umfeld ganz entscheidend verändert hat, nicht mehr die Antwort auf die sicherheitspolitische Herausforderung sein. Wir haben daher eine Antwort zu geben auf dieses geänderte Bedrohungsbild, das nicht mehr den gesamteuropäischen Konflikt und die gesamteuropäische Auseinandersetzung zur Grundlage hat, sondern sicherlich lokale und regionale Konflikte.

Meine Damen und Herren! Es muß auch einmal mit einer Mär der Bedrohung Österreichs aufgrund lokaler Konflikte aufgeräumt werden. Herr Bundesminister, Sie werden es mir bestätigen: Wenn es zu einer Auseinandersetzung in der Nachbarschaft kommt, dann ist es sicherlich nicht so, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen strategische Ziele in Österreich haben. Das heißt, die strategische Zielsetzung, wie sie in der Gesamtbedrohung vorhanden war, ist für Österreich nicht mehr gegeben. Daher wird man von diesem Bedrohungsszenario nicht mehr ausgehen können.

Wir meinen daher, daß es notwendig ist, die Konzeption unserer Sicherheitspolitik auf diese neuen Gegebenheiten einzustellen. Wir meinen auch, wie vorher schon gesagt, die Neutralität ist obsolet geworden, die Neutralität ist ein Anachronismus und ist nicht mehr das sicherheitspolitische Konzept, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Wabl: Woher wissen Sie das? Unsere österreichische Verfassung ist ein Anachronismus?!)

Lieber Herr Kollege Wabl! Wir im Parlament dürfen und sollen auch über Verfassungsgesetze diskutieren, wir dürfen und sollen auch Verfassungsgesetze in Frage stellen und sogar ändern. Wir dürfen Verfassungsgesetze sogar aufheben. Daher ist es unser legitimes Recht und auch unsere Verpflichtung, bestehende Verfassungsgesetze zu hinterfragen, auch die Frage der Neutralität.


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Meine Damen und Herren! Es hat sich aber nicht nur das Umfeld Österreichs geändert, sondern auch die Ausgangsposition Österreichs, was die Gestaltung der Sicherheitspolitik betrifft, weil wir Mitglied der Europäischen Union geworden sind und uns als Mitglied der Europäischen Union verpflichtet haben, an einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik teilzunehmen. Diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird aber unvollständig sein, wenn sie nicht auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik, so wie es auch im Vertrag von Maastricht festgelegt ist, beinhaltet und wenn man letztendlich nicht auch zu einer gemeinsamen Verteidigung kommt.

Daher haben wir diese Situation zur Kenntnis zu nehmen. Daher haben wir zur Kenntnis zu nehmen, daß die Westeuropäische Union der sicherheits- und verteidigungspolitische Arm Europas ist, und daher haben wir auch den Schritt zu setzen, daß wir die Chancen, die sich aus der Mitgliedschaft bei der Europäischen Union ergeben, auch sicherheitspolitisch nutzen. Ich meine, daß die beiden Regierungsparteien momentan Angst vor der eigenen Courage haben, einen weiteren Schritt in Richtung Europäischer Integration, nämlich einen Schritt in sicherheitspolitischer Hinsicht zu setzen.

Ich darf Sie nur an die Diskussion über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erinnern. Als wir bei der Bevölkerung dafür geworben haben, haben wir diese sicherheitspolitische Komponente, haben wir das Friedenswerk der Europäischen Union besonders in den Vordergrund gestellt. Und jetzt, da wir die Chance, die Möglichkeit hätten, an diesem Friedenswerk teilzunehmen, verweigern wir. Das halten wir für bedenklich, das halten wir für gefährlich, das ist der Sicherheit unseres Landes abträglich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube daher, daß es eine Alternative zur Neutralität gibt, und diese Alternative zur Neutralität ist aus unserer Sicht die Vollmitgliedschaft in der Westeuropäischen Union. Wir Liberale werden einen entsprechenden Antrag stellen, weil der Beobachterstatus, den wir derzeit haben, absolut unzureichend ist. Daher ist es notwendig, diesen ersten Schritt in die Westeuropäische Union endlich zu setzen, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Scheibner .) Herr Kollege Scheibner! Ich weiß, wir diskutieren immer über WEU und NATO.

Der erste Schritt ist die Mitgliedschaft bei der Westeuropäischen Union. Wir haben diesbezüglich bereits einen Selbständigen Antrag eingebracht. Wir haben unverzüglich die Beratungen, die Verhandlungen über die Mitgliedschaft aufzunehmen, und dann wird sich ergeben, in welchem Ausmaß ein Beitritt zur NATO tatsächlich verlangt wird. Herbert, du weißt ganz genau, daß es auch einen unterschiedlichen Status in der Mitgliedschaft der NATO gibt. Frankreich deckt nur den politischen Bereich mit ab. Mitglied ist auch Irland. (Zwischenruf des Abg. Scheibner .) Frankreich ist nicht in der Kommandostruktur der NATO integriert. Es gab eine Übergangsregelung für Deutschland; die Verbände der ehemaligen DDR waren der NATO-Struktur nicht unterstellt. Es gab auch die Übergangsregelung, daß dieses Territorium nicht als NATO-Territorium galt.

Das heißt, es gibt im Bereich der NATO-Mitgliedschaft, der Kooperation mit der NATO eine breite Palette von Zusammenarbeitsmöglichkeiten. Erster und prioritärer Schritt ist die Mitgliedschaft in der Westeuropäischen Union. Da haben wir unverzüglich die Verhandlungen aufzunehmen. Ich meine daher, daß wir damit einen ganz wesentlichen Beitrag in Richtung Verbesserung der Sicherheitssituation Österreichs leisten werden.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe daher auch nicht die Kritik, die immer wieder kommt, die dahin geht, daß wir nicht der WEU beitreten sollten – jüngst auch von Kollegen Gaal vorgebracht –, denn die WEU bedeutet ein Mehr an Sicherheit, abgeleitet aus Artikel 5 des Vertrages. Dort ist nämlich die Unterstützung, die Hilfe von außen völkerrechtlich garantiert. Laut letzter Meinungsumfrage des Gallup-Instituts vertrauen und warten 48 Prozent der Österreicher darauf, meine Damen und Herren.

Wenn dies völkerrechtlich nicht abgesichert ist, dann wird es nicht in vollem Umfang wirksam werden können, und es wird immer eine Unsicherheit vorhanden sein. Daher haben wir als ver


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antwortliche Sicherheitspolitiker sicherzustellen, daß dies auch garantiert ist, und garantiert ist es durch die Vollmitgliedschaft in der Westeuropäischen Union, die in ihrer vollen Tragweite, in ihrem vollen Umfang eine abschreckende Funktion hat, denn im Falle einer Aggression, im Falle einer Bedrohung gilt dies nicht für Österreich allein, sondern eine Bedrohung Österreichs stellt immer auch eine Bedrohung der gesamten Staatengemeinschaft dar. Das ist, glaube ich, ein ganz wesentlicher Aspekt.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß sich mit dem Beitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union für uns eine weitere Möglichkeit bietet, nämlich das Wehrsystem komplett umzustellen. Für uns vom Liberalen Forum steht die allgemeine Wehrpflicht zur Disposition. Die allgemeine Wehrpflicht ist in dem Ausmaß, wie wir sie derzeit haben, nicht mehr erforderlich. Daher sind wir der Auffassung, daß wir mit dem Beitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union auch die allgemeine Wehrpflicht aussetzen können und daß eine allgemeine Wehrpflicht nur noch im Fall einer umfassenden Bedrohung der Gesellschaft und des Staates vonnöten ist. Es wäre dann möglich, das Bundesheer und unser sicherheitspolitisches Instrumentarium umzustellen und ein Freiwilligenheer aufzustellen. Ein derartiges Freiwilligenheer ... (Abg. Scheibner: Sind in Ihrer Fraktion alle dieser Meinung?) Diese Auffassung wird von der Fraktion des Liberalen Forums voll getragen, meine Damen und Herren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dieses Freiwilligenheer findet auch entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung, denn immerhin sprechen sich 34 Prozent dafür aus. Frankreich stellt um, wobei sich dort laut Meinungsumfragen nur 20 Prozent dafür aussprechen. Daher sollten wir diesen Schritt gehen, der uns volkswirtschaftlich günstiger zu sein scheint und der uns mehr Sicherheit bringt. Es ist daher sinnvoll, mit dieser gesamtheitlichen Darstellung einen größeren und wesentlichen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes in der Zukunft zu leisten, weil wir damit in der Lage sind, den sicherheitspolitischen Herausforderungen auch gerecht zu werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.32

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Wabl. Ich erteile es ihm.

18.32

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Durch die Verschiebungen im Mandatsstand hat sich eine unglückliche Fügung ergeben ... (Rufe bei der ÖVP: Wirklich unglücklich!) Sie werden jetzt konfrontiert mit der chinesischen Kriegskunst 200 Jahre vor Christi von Sun-Zi. Ich habe allerdings das Buch noch nicht ganz fertig studiert. Aber welchen Krieg ich heute sehr gut studiert habe, das ist der Krieg zwischen SPÖ und ÖVP in der Sicherheitsfrage.

Meine Damen und Herren! Sehr mühsam haben Herr Scheibner und dann auch der Herr Minister eine Koalition in dieser Frage aufgebaut. (Abg. Schwarzenberger: Da ist die Ampelkoalition auch nicht so abgesprochen in der Sicherheitsfrage!) Und es war beeindruckend, wie der Applaus im Gleichklang stattgefunden hat. Daß sich dann noch das Liberale Forum mit seiner lichtblauen Koalitionslampe zu dieser schwarz-blauen Koalition hinzugesellt hat, ist noch ein übriges. Allerdings muß ich da Herrn Maitz, den Steirer, unfreiwillig loben. Er hat diese schwarz-blau-lichtblaue Koalition bravourös wieder zunichte gemacht und in guter Kriegsmanier zertrümmert. Herr Kollege Maitz verdient den Namen Wehrsprecher wirklich. Er hat in dieser Frage ganze Arbeit geleistet. Scheibner als Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses wurde bleich, und auch die Farbe des Verteidigungsministers hat sich verändert. (Abg. Auer: Das ist unmöglich!)

Meine Damen und Herren! Nun aber zur Bedeutung auf europäischer Ebene, insbesondere im Zusammenhang mit der Europäischen Union und den Maastricht-Verhandlungen. Diese Auseinandersetzung zwischen Sozialdemokraten und ÖVP dauert bereits fünf Jahre. Es fehlt eine gemeinsame Sicherheitspolitik dieser Regierung. Herr Minister Fasslabend, ich weiß nicht, ob Sie es als zweckdienlich erachten, wenn Sie beim Streben der Bundesregierung nach einer gemeinsamen Sicherheitspolitik die Mitglieder der Bundesregierung als staatsschädigend bezeichnen und das hier auch noch bekräftigen. Das ist Ihre Angelegenheit, damit werden Sie sich


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sicher noch zu befassen haben. Nur eines muß hier klargestellt werden: Wenn die österreichische Bundesregierung und die beiden Parteien, die offensichtlich wild entschlossen sind, in die Koalition zu gehen, keine gemeinsame Sicherheitspolitik entwickeln und diese auch einheitlich in der EU vertreten, dann halte ich das für einen sehr, sehr großen Schaden für dieses Land.

Meine Damen und Herren! Schauen Sie sich die Zitate an! Ihr Chef, Herr Kukacka ... (Abg. Mag. Kukacka: Krokodilstränen sind das jetzt, Herr Kollege!) Herr Abgeordneter Kukacka, ich habe eine etwas andere Auffassung von der umfassenden Landesverteidigung. Ich bin der Meinung, daß der militärische Teil immer mehr und mehr zurückgedrängt werden muß, weil er kontraproduktiv wird. Die Freude, das fast euphorische Applaudieren und fast Johlen Ihrer Fraktion im Zusammenhang mit den sehr lustbetonten Äußerungen Ihres Ministers Fasslabend im Rahmen der Disqualifizierung des Ministerkollegen Einem haben mich ein bißchen daran erinnert, was militärisches Denken bedeutet. Aber das ist eine andere Sache. Ich finde, man kann darüber sehr rational diskutieren, welche Maßnahmen letztendlich den tatsächlichen Sicherheitsbedürfnissen Österreichs entgegenkommen.

Aber eines kommt den österreichischen Sicherheitsbedürfnissen sicher nicht entgegen, wenn nämlich Herr Vizekanzler Schüssel meint – ich bringe jetzt ein Originalzitat, Herr Kiss möge bitte weghören –: "Ich bin dafür, daß ... eine Vollmitgliedschaft ... bei der WEU notwendig sein wird." – Originalzitat Schüssel, APA, 446, 26. 2. 1995.

Dann ein Satz, der natürlich folgerichtig nachkommt aufgrund der grammatikalischen Großleistung: "Die NATO kann sich daraus ergeben." – "Ich bin dafür" und "die NATO kann sich daraus ergeben."

Khol hat eine besondere Erfindung gemacht, die allen klarmacht, die ernsthaft über die Frage der Neutralität nachdenken, daß das, was vor dem EU-Beitritt und vor der Volksabstimmung versprochen worden ist und auch noch vom damaligen Außenminister auf einem Kongreß der Grünen sehr tolerant und klar vorgetragen wurde, nämlich das Versprechen der Neutralität und für den Fall, daß sich etwas ändern sollte, die Notwendigkeit einer Volksabstimmung, bereits ad acta gelegt ist.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ, auch heute wieder in der Person des Sicherheitssprechers der SPÖ Gaal, hat klar die Position vertreten, daß die Neutralität nach wie vor ein fester Bestandteil der österreichischen Verfassung ist und nicht ein Versatzstück, auch wenn Herr Moser heute darüber sehr schön diskutiert hat, der lichtblaue Fähnleinführer in dieser wichtigen Frage. Aber die SPÖ hat zumindest eine ganz klare Position in dieser entscheidenden sicherheitspolitischen Einschätzung. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser .) Nicht Sie, Herr Moser, sondern die SPÖ.

Ich weiß schon, daß der Herr Bundeskanzler die Sicherheitspolitik oft als Banker betrachtet und deshalb ein etwas anderes Verhältnis zu diesen Fragen hat, aber grundsätzlich scheint mir in diesem Falle die Konsistenz der SPÖ sehr gegeben zu sein. Was dann das Liberale Forum meldet, ist der Vollbeitritt Österreichs bei der WEU und in der Folge bei der NATO. Da gibt es aber noch ein Fragezeichen, hat mich der Herr Frischenschlager aufgeklärt; das ist noch nicht ganz fix. Er weiß noch nicht, wie stark er Einfluß nehmen kann auf die Entwicklungen der NATO. Er hat das noch nicht ganz genau analysiert, und deshalb läßt er sich diesen schwierigen Schritt noch offen.

Meine Damen und Herren! Die Position der FPÖ ist klar: Sie ist immer dafür eingetreten, daß Österreich der NATO beitritt. Das ist im Grunde genommen gemäß dem Verständnis von Sicherheitspolitik eine klare Position, denn die FPÖ sagt, wir müssen uns einem Bündnis anschließen, das zumindest in Europa das stärkste Bündnis ist.

Die Frage ist, meine Damen und Herren – und darüber, Herr Scheibner, sollten Sie nachdenken –, ob es tatsächlich vernünftig ist, wenn man sich dem einzig funktionierenden Bündnis in dieser Form anschließt, wie Sie es vorhaben, wobei Sie zugegebenermaßen kurzfristig mehr Sicherheit haben, weil Sie sich ja mit dem Stärksten verbünden. (Abg. Scheibner: Mit dem einzigen, den es gibt!) Sie berücksichtigen dabei aber nicht, daß die Sicherheit nicht nur eine Frage der


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großen militärischen Potentiale ist (Abg. Scheibner: Aber auch!) , sondern daß die Sicherheit wesentlich dadurch bestimmt wird, wie das Verhältnis jener Parteien zueinander ist, die möglicherweise gegeneinander Krieg führen könnten. Und dieses Verhältnis ist äußerst instabil, trotz der Auflösung der Warschauer-Pakt-Staaten, trotz ganz bestimmter Erosionserscheinungen im gesamten Osten. (Abg. Scheibner: Darum wollen wir ja in die NATO hinein! Wenn alle drinnen sind, gibt es keinen Krieg!)

Das Problem, das Sie nicht berücksichtigen, ist, daß ja die NATO nicht stärker wird durch unseren Beitritt, aber daß allgemein möglicherweise das Sicherheitsbedürfnis jener Länder in ein instabiles Verhältnis gerät, die ihren Weg in eine Demokratie ohnedies noch nicht ganz klar gefunden haben. (Abg. Scheibner: Nur dann, wenn sie von den NATO-Mitgliedern eine Gefahr ausgehen sehen, und die sehe ich nicht!)

Ich sehe – und das sage ich Ihnen auch ganz offen – auch bei der NATO eine Gefahr, solange sie nicht ganz klar jene Strukturen akzeptiert, die die UNO vorgibt – das ist ein langer Prozeß, das ist ein demokratischer Prozeß –, denn ich glaube, daß es notwendig ist, daß wir Sicherheitssysteme anstreben, die verallgemeinerbar sind. Und das findet in Ihrem Vorschlag nicht statt. (Abg. Scheibner: O ja!) Das ist ein ganz gewöhnlicher – zugegebenermaßen möglicherweise vernünftiger – Weg. (Abg. Scheibner: Darum meine ich, daß wir uns damit beschäftigen sollten!)

Meine Damen und Herren! Welche Spielräume eröffnen Sie sich denn, wenn Sie zur NATO beitreten? – (Abg. Scheibner: Sicherheit!) Sie sagen, dadurch gibt es weniger Ausgaben fürs Militär. Ich bin ja sehr froh, daß der Herr Bundesminister hier kundgetan hat, daß er ständig rationalisiert in seinem Bereich, wie viele Abteilungen er schon zugesperrt hat. Mir wäre lieber, wenn diese Rationalisierung etwas rascher ginge und bis in einen gewissen Bereich hinein, von dem der Herr Einem träumt – aber das ist eine andere Geschichte. (Abg. Scheibner: Das glaube ich! Das ist die Geschichte!)

Ich glaube, daß in Europa die Frage der Sicherheit nicht mehr durch die Qualität der Bündnisse im Zusammenhang mit der Stärke der Waffenarsenale bestimmt wird. Diese Frage muß ganz anders geklärt werden (Abg. Scheibner: Das haben die Slowenen auch geglaubt!) , und ich glaube, daß wir den Bereich der OSZE weiterentwickeln müssen, ebenso den Bereich der UNO. Gleichzeitig müssen wir, bis es solche Systeme gibt, unsere Position der aktiven Neutralität weiterhin ausbauen. (Abg. Scheibner: Da brauchen wir dann aber ein sehr starkes Heer!) Sie glauben immer, daß ein starkes Heer die Sicherheit erhöht. Das ist ein Irrtum. (Abg. Scheibner: Wenn wir nirgends dabei sind? Glauben Sie, daß wir mit mehr Transparenz das Bundesheer mehr zusammenhalten können?)

Herr Abgeordneter Scheibner! Wir könnten ganz rational darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, daß man sich bewaffnet, aber man kann auch durch Bewaffnung Unsicherheit erzeugen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Na, Österreich wird das schon zusammenbringen!) Ich weiß schon, daß Ihnen diese Denkansätze fremd sind und wir diese Debatte hier in diesem Haus oft sehr kontroversiell führen. Da gibt es die einen, die wollen das überhaupt abschaffen, und die anderen werden immer als jene gesehen, die Kriegstreiber sind, die aufrüsten wollen, die ständig Geld herausholen wollen, um die nächste Generation der Abfangjäger anzuschaffen. Als ich das von Herrn Fasslabend gehört habe, habe ich mir schon gedacht, jetzt muß ich wieder in ein Widerstandscamp hinein, jetzt müssen wir wieder ein Volksbegehren starten, um diese unsinnigen Anschaffungen zu verhindern. (Abg. Scheibner: Der Pilz hat 1991 ganz anders geredet!) Aber das wird Gott sei Dank – ich hoffe zumindest – in dieser Bundesregierung nicht passieren – aus verschiedenen Gründen nicht. Aber Sie, Herr Kollege Scheibner, sollten darüber nachdenken, was im Zusammenhang mit einer europäischen Sicherheitspolitik der vernünftigste Weg ist. (Abg. Scheibner: Das tue ich die ganze Zeit!)

Meine Damen und Herren! Die Grünen begrüßen den Diskussionsbeitrag des Innenministers Einem aus einem ganz einfachen Grund: Es geht nicht darum – und das hat ja Kollege Moser richtig gesagt –, daß jeder, der über die Verfassung nachdenkt, gleich staatsschädigend ist. (Abg. Scheibner: Nur wenn wir das machen, dann schon!) Herr Minister Fasslabend, das ist ein


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Problem, mit dem Sie selber fertigwerden müssen. Ich verstehe schon Ihre Aufregung, und ich wäre auch nicht erfreut, wenn die Leute darüber nachdenken würden, ob man meine Funktion abschaffen sollte, jedoch gleich mit dem Vorwurf der Staatsschädigung zu reagieren, ist vielleicht übertrieben, aber das werden Sie noch mit ihm ausmachen.

Wir haben diesen Ansatz deshalb begrüßt, weil es schon einmal einen Minister auf dieser Regierungsbank gegeben hat, der damals auch von den Freiheitlichen damit konfrontiert worden ist, daß er laut darüber nachgedacht hat, ob es ein Leben nach dem Bundesheer auch noch geben kann. Und auch Sie, Herr Scheibner, als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses sollten darüber nachdenken, ob es neue Formen der Verteidigung gibt, die nicht mit Hilfe von Panzern, Abwehrraketen, Revolvern oder sonstigem erfolgt. (Abg. Scheibner: Da sind wir d’accord, nur, Herr Kollege, solange so ein System nicht vorhanden ist, wird es nicht anders gehen!)

Ich glaube, daß Sie endlich zur Kenntnis nehmen sollten, daß das viele Geld, das in diesem Bereich, den Sie so lieben, eingesetzt wird, nützlicher in andere Bereiche der Verteidigung, die ganz andere Gesichter hat, ganz andere Formen der Entwicklung kennt, hineingesteckt werden könnte. Sie sollten darüber nachdenken, dann könnten wir oder zumindest die Regierung vielleicht wieder zu einer gemeinsamen Sicherheitspolitik in Österreich kommen. – Beim nächsten Mal werde ich Ihnen erzählen, was in diesem wertvollen Buch über die chinesische Kriegskunst steht. – Ich danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.46

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist nun der Herr Bundesminister für Landesverteidigung. – Bitte.

18.46

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Die Ausführungen der einzelnen Sprecher der Fraktionen haben sich im wesentlichen mit der Sicherheitspolitik auseinandergesetzt. Dazu einige Anmerkungen:

Ich glaube, daß das Verständnis der NATO oder der WEU als ein reines Militärbündnis aus dem kalten Krieg ein grundlegend falsches ist. Allein die Tatsache, aus welchen Mitgliedern sich diese Organisationen zusammensetzen, zeigt, daß es sich hier um den Kern und um den Stamm der weltweit ältesten und bewährtesten Demokratien handelt (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner ) , und deren Sicherheitsorganisation ist zweifellos ein Modell, das offensichtlich auch eine Attraktivität besitzt, die weit darüber hinausgeht. Denn es ist ja kein Zufall, daß ab dem Moment, wo in den ostmitteleuropäischen Ländern der Druck nachgelassen hat, wo dort das autoritäre kommunistische System den Boden verloren hat, der Wunsch der Bevölkerung und der Regierenden nach einem Beitritt zu diesen Systemen gekommen ist – Hand in Hand mit dem demokratischen Prozeß.

Wenn wir uns anschauen, welche der Organisationen die beste Voraussetzung besitzt, dann muß man auch sehen, daß sie alle im kalten Krieg entstanden sind: die OSZE, die NATO, die WEU; einige, wie etwa die WEU, haben ihre Ursprünge sogar schon davor.

Man kann sagen, daß sich die OSZE beim Abbau der Vorurteile im kalten Krieg einige Verdienste erworben hat, und zwar in einer Situation, in der der Sicherheitsdialog eigentlich auf Konferenzebene stattfinden mußte. Und dort liegt auch das Hauptgewicht. Nicht umsonst hat ja die OSZE bis vor wenigen Monaten "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit" geheißen, denn sie hat eigentlich immer nur eine Konferenz dargestellt, und das wird auch in der Zukunft so sein.

Überall dort, wo es um Substanz geht, muß man sicherlich nach anderen Lösungen suchen. Ich glaube, dabei sollte man durchaus auch von der Konzeption der Vereinten Nationen ausgehen. Ich lese Ihnen hier vor, was die "Agenda for Peace", das heißt die Agenda für den Frieden der Vereinten Nationen aussagt. Sie sagt nicht mehr und nicht weniger als: "Imposing peace is beyond the capacity of United Nations except on a very limited scale." Das heißt, Frieden herzu


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stellen ist sozusagen eine Angelegenheit, die über die Kapazität der Vereinten Nationen hinausgeht. Wenn man den Frieden herstellen will, bedarf es anderer Organisationen.

Wenn man sich auf der anderen Seite etwa das Statut der NATO anschaut, dann muß man auch konzedieren, daß das eine Organisation ist, die selbstverständlich von sich aus im Statut bereits festlegt, daß sie ausschließlich im Rahmen der Beschlüsse der Vereinten Nationen tätig wird und auch nur so lange, wie ein Mandat besteht oder bis die Vereinten Nationen eingreifen, sodaß das durchaus eine absolut ergänzende Organisation ist.

Das zweite ist nicht nur die Theorie, sondern die Praxis. Wenn wir uns anschauen, was wirklich passiert ist, dann müssen wir uns daran erinnern, daß wir hier in diesem Haus stundenlang darüber diskutiert haben, weshalb der Krieg in Bosnien, in Exjugoslawien kein Ende findet. Und wenn wir uns heute fragen, wieso es jetzt zum erstenmal dort eine Situation gibt, wo zumindest eine Chance auf Frieden besteht, dann lautet die Antwort: deshalb, weil die NATO – nicht für sich allein, sondern im Rahmen der Vereinten Nationen – dort tätig wird.

Deshalb gilt es auch, diesen Prozeß zu stärken, und insofern, glaube ich, sollten wir uns auch von den Vorurteilen der Vergangenheit aus der Zeit des kalten Krieges viel stärker entfernen.

Vielleicht noch ein kurzes Wort zur weiteren Vorgangsweise: Ich glaube, daß es wirklich von unerhörter Bedeutung ist, möglichst rasch in diesen Prozeß einzusteigen. Darauf zu warten, daß möglicherweise in 20, in 30 oder in 40 Jahren ein System vom Atlantik bis Wladiwostok und hinüber nach Amerika entsteht, das wird uns nicht helfen. Wir haben jetzt nach dieser gewaltigen Umbruchzeit auf der einen Seite die Instabilität in der gesamten östlichen Hälfte unseres Kontinents, die es zu bewältigen gilt. Da können wir nicht warten, ob möglicherweise in 30 oder in 40 Jahren etwas daraus entstehen könnte, sondern wir brauchen ein System, das in kurzer Zeit funktionieren kann. Das ist die WEU, und das ist auch die NATO.

Das zweite ist, daß wir wahrscheinlich auch eine historische Chance haben. Ich habe vorhin gesagt, der gesamte ostmitteleuropäische Raum ist immer unter der Hegemonie einer oder mehrerer Mächte gestanden. Zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt gibt es diese Chance, daß eine Ordnung entsteht, eine selbst gewählte und frei gewählte Ordnung aus diesen Staaten heraus, in Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Staaten. Zum ersten Mal in der Geschichte! Immer wurden diese Staaten unterdrückt, immer wurden ihnen andere Ordnungen, fremde Ordnungen auferlegt.

Ich glaube, daß es unsere Pflicht ist, diese historische Chance auch zu nutzen. Möglicherweise haben wir sie in zehn Jahren nicht mehr, vielleicht auch schon in kürzerer Zeit nicht mehr. Daher sollten wir jetzt handeln und keine Zeit versäumen, denn Österreich kann, weil uns diese Konflikt- und Gefahrenherde so nahe sind, weil bis vor kurzer Zeit nur 150 Kilometer von unserer Staatsgrenze entfernt Krieg geführt wurde und weil wir daher vielleicht einen stärkeren Bewußtseinszustand haben, die Lage vielleicht noch besser einschätzen als Länder, die 1 000, 2 000 Kilometer von jedem Gefahrenherd entfernt sind.

Wir sollten unsere Chance nutzen, auf diese Gefahren und auch auf die Möglichkeiten, hier friedliche Lösungen zu bringen, aufmerksam zu machen. Das sehe ich als unsere Rolle an, und das sehe ich als die konsequente Fortsetzung der früheren Neutralitätspolitik an. Wir versuchen einfach, dorthin den Frieden zu bringen, wir versuchen, zu vermitteln, wir versuchen, Europa zusammenzuführen, das aus unterschiedlichen Richtungen gekommen ist. Das ist die historische Aufgabe unseres Landes, und der sollten wir uns auch stellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.53

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte schön.

18.53

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dringliche Anfragen sind Glückssache. Man weiß vorher niemals, ob sie


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landen werden, was dabei herauskommt, ob sie sich zu einem Bumerang entwickeln oder ob es eine interessante Diskussion geben wird. Diese dringliche Anfrage ist – wie man so schön sagt – hineingegangen. Sie war nicht böse gemeint, sie war positiv-konstruktiv angelegt, und sie hat sich auch genau in diese Richtung entwickelt. Interessante Darstellungen, vor allem auch von seiten des Ressortministers, haben uns aufhorchen lassen, und interessant ist vor allem auch gewesen, daß sich die Auseinandersetzungslinie nicht zwischen Opposition oder konkret zwischen einer Oppositionspartei auf der einen Seite und dem Minister auf der anderen Seite entwickelt hat, sondern zwischen dem Bundesminister für Landesverteidigung einerseits und den Angehörigen seines Koalitionspartners andererseits. – Eine gute dringliche Anfrage also und ein guter Verlauf, den sie genommen hat.

Einige Wortmeldungen waren aber besonders interessant. Ich bin seit 38 Jahren verheiratet, und zwar mit derselben Frau. Ich schäme mich fast, wenn ich das sage, man ist ja unmodern, wenn man solche Sache bekennt (Abg. Dr. Lukesch: Nein, nicht mehr!) , aber eines habe ich gelernt in diesen 38 Jahren: Es ist eine gefährliche Angelegenheit, wenn man dem Partner recht gibt. Da ist er böse in aller Regel. Er will seine Auseinandersetzungslinien haben.

Und das trifft für Abgeordneten Maitz im Rahmen dieser Diskussion ganz besonders zu. Der Minister hat seinen Standpunkt dargelegt, die Freiheitlichen haben applaudiert; nicht nur einer, nicht nur ein paar, sondern alle oder zumindest die meisten, und das nicht nur einmal, sondern zu wiederholten Malen. Darüber war Kollege Maitz sehr böse, denn alles hätte er ausgehalten, nur nicht den Umstand, daß wir selbst vieles von dem, was Fasslabend uns gesagt hat, akzeptiert haben. Da war er wie eine Frau nach 38jähriger Ehe, das hat er nicht wollen, da hat er herauskommen und ordentlich auf den Tisch hauen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Das hat sich die Frau nicht verdient! – Abg. Auer: Das hat sich die Frau nicht verdient!)

Das zweite, was mir aufgefallen ist, ist die Problematik, die Wabl so deutlich erkennen hat lassen. Einem hat einen Standpunkt vertreten, der aufhorchen hat lassen im negativen Sinne, einen gefährlichen Standpunkt, mit dem ich mich noch auseinandersetzen werde. Wabl hat ihn dafür über den grünen Klee gelobt, und daran hat man einmal mehr deutlich erkennen können, mit welcher konkreten, gezielten Aufgabe die Sozialdemokratische Partei und ihr Parteichef und Kanzler genau diesen Einem in die Regierung befördert hat. Eine ganz bestimmte Zielgruppe ist anzusprechen gewesen, und das ist erfolgreich geschehen. Bei der Nationalratswahl haben die Grünen die Hosen verloren und die Sozialdemokraten haben einen, wenn auch bescheidenen, Erfolg erzielt, und das war bestimmt zum Teil darauf zurückzuführen, daß man genau in diese Richtung gegangen ist. (Abg. Dr. Cap: Minus 3 Prozent!) Wir haben uns im wesentlichen gehalten, aber wegen uns, Kollege Cap, damit er uns ködert, ist Einem nicht in die Regierung gekommen. Glauben Sie mir das! Aber jedenfalls haben die Grünen die Hälfte – glaube ich – verloren oder ein bißchen mehr (Abg. Dr. Cap: 2 Prozent!) , und genau in diese Richtung war Einem angesetzt, und das ist hineingegangen. Wenn daher Wabl sich da niederkniet und seine Hymnen auf Einem ausbreitet, dann sieht man, daß dieser Wechsel von Wählern von ganz links zu ein bißchen links noch lange nicht zu Ende ist.

Dann muß man natürlich schon auch ein bißchen etwas zum Herrn Bundesminister sagen. Es war interessant, was er zum Besten gegeben hat, aber er hat mich doch auch an das alte Scherzlied erinnert, wo der ungarische Gutsverwalter dem nach Hause kommenden Grafen auf seine Frage, was denn los ist, immer wieder erklärt: "Alles in Ordnung, gnädiger Herr!", und trotzdem kommt dann die eine oder andere Katastrophe nach. Man hat bei deinen Ausführungen, Herr Bundesminister, immer wieder den Eindruck gehabt, daß du eigentlich aus einem anderen Land berichtest, denn in Wahrheit ist es ja mit unserer Landesverteidigung keineswegs so gut bestellt, wie man, wenn man dir zugehorcht hat, glauben hätte können.

Ich möchte im Telegrammstil nur einiges von dem wiederholen, was ohnehin schon gesagt worden ist und was zeigt, daß es um das Heer und um die Landesverteidigung in Österreich schlecht bestellt ist:


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Wir haben zu wenig Wehrpflichtige. Jeder, der das Gegenteil behauptet, lügt sich einfach in die Tasche. Es ist so, daß bei den Manövern – das Manöver der Militärakademie in Tirol ist ja schon erwähnt worden –, früher aus zwei, drei Einheiten 5 000, 6 000 Übende zusammengebracht worden sind. Jetzt muß man zwei Dutzend Einheiten bemühen, um 2 000 Übende zusammenzubringen. Außerdem ist es so, daß dann, wenn der Abend heraufdämmert, wenn es vier Uhr wird bei diesen oder anderen Übungen, die Wehrpflichtigen und ein paar Milizionäre, die eigentlich aus anderen Berufen und nicht immer ganz freiwillig zu den Übungen kommen, allein in den Stellungen zurückbleiben, während die Berufssoldaten – Unteroffiziere und Offiziere – ihre Aktentaschen nehmen, wie es sich für einen österreichischen Beamten gehört, und sich zurückziehen. Ihre Arbeitszeit ist aus! Der einfache Soldat bleibt im Schützengraben, im Loch oder in der Stellung, und die anderen gehen nach Hause, denn für Überstunden ist kein Geld da.

Wir erleben es, daß einem bei Paraden – wie etwa bei der vorjährigen Parade anläßlich der Übernahme der Leutnante in die Armee in Wiener Neustadt – die erläuternden Offiziere auf der Galerie sagen: Schau her, diese Einheit hat genug Wehrpflichtige, da sitzen jene sechs oder acht Mann auf dem Schützenpanzer, die dort hinaufgehören, die andere hat so wenig, da sitzen nur zwei Leute oben. Das ist von weitreichender Konsequenz. Ich brauche es diesem Gremium nicht näher zu erläutern, wieso und warum, aber es war deutlich sichtbar: Es gibt einfach zu wenig Leute. Daran ist die Zivildienerproblematik schuld und anderes auch.

Es wird aber jedenfalls so sein, daß die Machohaltung, die viele an den Tag legen, die es partout verhindern wollen, daß Frauen zum Heer gehen, obwohl diese es wollen, auf die Dauer nicht durchstehbar sein wird. Es wird auf die Dauer so sein, daß sich die Frauen mit ihren berechtigten Anliegen durchsetzen werden – auch da! –, daß die Machos sich auf die Dauer dem nicht entgegenstellen werden können und daß das Heer die Frauen mit offenen Armen aufnehmen wird, weil es sie einfach braucht, weil es zuwenig Männer gibt.

Wir hören, daß die Abfangjäger, die Kampfflieger, die SAAB 35 ihre Ablaufzeit in einigen Jahren erreicht haben werden. Heute schon wird geklagt, daß man dann neue anschaffen wird. – Na hoffentlich bald und hoffentlich ordentliche! Jeder, der das nicht will, hat ein kurzes Gedächtnis.

Ich darf in Erinnerung rufen, daß vor ganz wenigen Jahren, als der Krieg unmittelbar an der österreichischen Grenze in Slowenien entbrannt war, ein Jagdflugzeug der jugoslawischen Luftwaffe bis nach Graz geflogen ist, offenbar ausprobierend, was man denn alles tun könne, was die Österreicher sich alles gefallen lassen. Das war am selben Tag, an dem man im Fernsehen beobachten konnte, wie unmittelbar jenseits der Grenze von eben diesen Maschinen mit Bordraketen Fahrzeuge abgeschossen wurden – zivile und womöglich auch andere. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Dann sind – gering in der Stückzahl – die österreichischen SAAB aufgetaucht, und weg war der Spuk von jugoslawischen Kampfmaschinen, und es war die Lage dort in einem sehr positiven Sinne bereinigt.

Wir kommen zu der Problematik der Parade. Die Parade zu verhindern, war ein Ziel gewisser Kreise, die auch hier im Haus stark vertreten sind. Es war psychologisch gut ausgetüftelt. Jede Einzelperson und jede Organisation hat das Bedürfnis, sich mit allem, was sie hat und was sie kann, hin und wieder darstellen zu können. Wenn man dem Heer, einer Struktur von Zehntausenden Personen, die Möglichkeit nimmt, sich einmal ordentlich darzustellen, dann trifft man es in seinem Selbstverständnis schwer. Und das war wohl auch die Absicht.

Die Parade selbst ist ein Triumph für das Heer geworden und für jene, die es gut mit ihm meinen. Hunderttausende haben die Ringstraße gesäumt und den Soldaten entsprechend Beifall gezollt. Allerdings haben böse Zungen damals behauptet – nämlich eher schon auf dem Heldenplatz –: Das Heer hat keine Kanone, die jünger ist als der Verteidigungsminister. Es wird Kanonen haben, die jünger sind als der Harald Ofner oder als der Kollege Gaal (Abg. Mag. Haupt: Ein Kompliment!), aber es wird keine Kanonen haben, die jünger sind als der Werner Fasslabend. Ich habe mich gefreut über die Parade. Ich habe mich vor allem über das Fuß


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treffen gefreut, denn das ist ja zeitlos modern. Ich habe mich aber geschämt am selben Abend, denn ich habe mir von Sender zu Sender im Kabelfernsehen die Berichterstattung über die Parade gesucht und auch gefunden. Das Ausland hat ausführlich darüber berichtet. Die Kommentatoren waren – im positiven Sinne – "weg" darüber, mit welcher Haltung und mit welcher Zustimmung das österreichische Heer unterwegs war. Sie waren aber abfällig entsetzt über das veraltete Material, das dabei transportiert wurde. Es war davon die Rede, daß es die Österreicher riskieren, das Leben und die Gesundheit ihrer Söhne aufs Spiel zu setzen, weil sie mit museumsreifem Material unterwegs seien. – Das muß man hören, und das muß man sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann kommt die Bosnien-Angelegenheit – und da kommt sehr schnell die Stunde des Offenbarungseides. Man hört, daß sich der Prozentsatz derer, die sich freiwillig gemeldet haben und nicht tauglich gewesen sind, bei 45 oder 50 Prozent eingependelt haben soll. Natürlich werden die meisten eben nur zu dick gewesen sein, aber Soldaten in verantwortlichen Funktionen sollen halt keinen Bauch haben, der sie daran hindert, sich entsprechend zu bewegen.

Es haben die Helme den Verantwortlichen nicht genügt, es haben die Splitterschutzwesten nicht genügt, es hat die Ausstattung der Transportfahrzeuge nicht genügt, und da haben partout über Nacht – zum Glück, aber viel zu spät – Helme und Splitterschutzwesten gekauft werden müssen; und nachgeschneidert hat man dann diese Kevlar-Zusatzpanzerungen gegen Minentreffer und ähnliches. Da kommt einem schon manchmal das etwas überzogene Geschichtsbewußtsein in den Sinn.

Seit Jahren gibt es im Heer die Diskussion , den Helm, der im westlichen Bereich derzeit üblich ist, den wir über CNN überall und ununterbrochen sehen können, der nicht zufällig bei den Amerikanern "Fritz" heißt, diesen Helm, der derzeit der beste Helm der ganzen Welt ist, auch in Österreich einzuführen. Das soll bisher daran gescheitert sein, daß aus einer ganz bestimmten Richtung gesagt wurde: Der schaut dem Helm der deutschen Wehrmacht so ähnlich! Den Österreichern kann man nicht zumuten, daß sie so etwas aufsetzen und daß sie sich so etwas anschauen! – Lieber einen Helm, der untauglich ist, der Tod und Verwundung bringen kann, als einen Helm, den man auf der ganzen Welt trägt und von dem einzelne behaupten, daß er dem Helm einer irgendwann einmal geschlagenen Armee vergangener Zeiten, die verbrecherischen Zielen gedient hat, ähnlich schaut! Aber dann kam die Stunde der Wahrheit, dann hat auf einmal der Helm da sein müssen, weil es die anderen verlangt haben, meine Damen und Herren.

Und dann sagen Politiker: Wir haben eine ungefährliche Aufgabe, nur der Transport ist zu bewerkstelligen. Sie übersehen dabei völlig, daß bei einer Bedrohungslage, wie sie sich in Bosnien ergeben kann, eine Transporteinheit wesentlich gefährdeter ist als eine präsumtive Kampfeinheit – mit der wird sich niemand anlegen, denn da gibt es nur blaue Augen. Aber bei einer Transporteinheit ist die Möglichkeit, sich zu wehren, relativ gering, und da gibt es etwas zu holen, denn jedes Fahrzeug, das man dort erbeuten, abzweigen, ausräumen kann, birgt Werte, die man vielleicht braucht.

Die Redezeit läuft mir davon. Ich möchte nicht schließen müssen, ohne mich mit dem Herrn Innenminister beschäftigt zu haben. Kollege Gaal hat erklärt, man dürfe ihm nichts vorwerfen. "Angriffe sind unzulässig", hat er erklärt, und man dürfe kein Diskussionsverbot verhängen. Daher möchte ich schon sagen: Der Innenminister der Republik ist nicht irgendwer. Eine Privatperson, auch ein Abgeordneter, kann zu Dingen, die sich – wie die Landesverteidigung – als tragende Säulen des Staates darstellen, sagen, was sie will, kann das wiederholen, und auch in der Öffentlichkeit. Aber wenn jemand Bundesminister, wenn jemand Mitglied der Regierung ist – und noch dazu Innenminister! –, dann hat er, wie ich die Dinge sehe, nur zwei Möglichkeiten: Entweder er bekennt sich zu den Säulen dieses Staates und seiner Existenz – und dazu gehören die Landesverteidigung und auch das Heer –, oder er zieht sich aus der Funktion des Ministers zurück. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich halte – im Gegensatz zu anderen in diesem Haus – Minister Einem nicht für den leibhaftigen Gottseibeiuns. Der ist er sicher nicht, ich kenne ihn von früher. Aber wenn er annimmt, daß er, aus welchen Gründen immer – weil er es selber glaubt oder weil er anderen gefallen möchte –,


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hier in Frage stellen darf, was wichtig ist für die Republik und für alle ihre Bürger, dann, kann ich nur sagen, ist er auf dem falschen Platz. Entweder er entschließt sich mitzutragen, was wir alle mittragen wollen und mittragen müssen, oder aber er zieht sich aus dieser Position zurück! – Das kann ich nur wiederholen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Tychtl. Er hat das Wort.

19.08

Abgeordneter Ing. Gerald Tychtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, festzuhalten, daß wir Sozialdemokraten uns zur militärischen Landesverteidigung bekennen, und zwar aus sicherheitspolitischen und aus demokratiepolitischen Gründen (Beifall des Abg. Dr. Ofner ), und dies auch weiterhin tun werden, nämlich uns zur militärischen Landesverteidigung nach dem Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht zu bekennen, und daher am Milizsystem festhalten werden.

Uns ist klar, daß der militärische Faktor in der Sicherheitspolitik nicht mehr dominierend ist, doch ist Sicherheitspolitik ohne Verteidigungspolitik auch für uns längerfristig nicht vorstellbar. Es geht daher nicht um militärische Einsätze im klassischen Sinn, also um Kampfeinsätze, sondern um den Nutzen der militärischen Organisation für Katastropheneinsätze und um die dabei geleisteten humanitären Maßnahmen. Das österreichische Bundesheer kann in dieser Hinsicht eine, so meinen wir, sehr leistungsfähige Organisation sein. Daher bekennen wir uns dazu, daß gerade dieser Teil weiter ausgebaut werden muß und soll, damit diese gestellten Aufgaben bewältigt werden können.

Auf Basis der gesetzlichen Bestimmungen bekennen wir uns daher auch zu einer gesellschaftspolitisch vertretbaren Symbiose zwischen Wehr- und Zivildienst, die die für die militärische Landesverteidigung erforderliche Anzahl von Grundwehrdienern sicherstellt, gleichzeitig aber auch die unzweifelhaft wichtige Tätigkeit der Zivildiener für das Gemeinwesen anerkennt. Ich glaube, darüber bestehen ja zwischen den Fraktionen nicht allzu große Auffassungsunterschiede.

Wir Sozialdemokraten fordern daher weitere intensive Reformen in den Bereichen der Ausbildung. Ich glaube, daß es gerade im Bereich der Ausbildung vornehmlich um organisatorische Sachen geht, die oftmals auch mit geringem finanziellem Einsatz bewerkstelligbar sind. Es gibt viele Beispiele in der Vergangenheit dafür, wo dies bereits geschehen ist. Diesbezüglich müssen wir tatkräftig fortschreiten.

Ich meine, daß in diesem Zusammenhang die kommunikative und motivierende Funktion der Teamarbeit stärker in den Vordergrund treten sollte, um Chancen für Kreativität und Selbstverwirklichung zu geben. Dies gilt natürlich auch für Chargen und für das Kaderpersonal.

Wir treten also für eine qualitativ hochwertige, den Erfordernissen der Zeit entsprechende Ausbildung ein, weil wir meinen, daß dies die Grundvoraussetzung für eine positive Menschenführung ist. Pädagogik und Didaktik müssen entsprechend vermittelt werden, damit geschultes Ausbildungspersonal zur Verfügung steht.

Durch eine obligatorische Dienstaufsicht sowie eine begleitende pädagogische Kontrolle müßte es möglich sein, in Zukunft einen modernen und zeitgemäßen Ausbildungsbetrieb sicherzustellen. Wir glauben, daß damit auch ein Beitrag dafür geleistet werden kann, die Attraktivität des Bundesheeres für unsere jüngeren Menschen zu erhöhen, sodaß das Bundesheer besser angenommen wird.

Ein umfassendes Führungs- und Trainingsprogramm für den Ausbildungskader soll durch eine qualifizierte pädagogische Schulung sichergestellt werden, sodaß die persönliche Entwicklung des Ausbildners gewährleistet ist und die soziale Kompetenz der Ausbildner gefördert wird. Es gibt genügend Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit dafür, wo diese soziale Kompetenz der Ausbildner sehr zu wünschen übriggelassen hat. Erst vor einigen Tagen ist ein sehr bedauerliches Beispiel dafür in den Medien bekanntgegeben worden.


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Ebenso wichtig ist für uns aber auch ein umfassendes Modernisierungsprogramm. Ich meine, daß es vor allem – diesbezüglich haben wir schon in der Vergangenheit einiges gefordert; ich möchte dies auch heute tun – um die Unterkünfte geht. Das ist ein Punkt, den wir immer wieder aufgreifen. Ich möchte auch diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne auf die Unterkünfte hinzuweisen, die zum Teil mit geringeren Mitteln, aber gutem Willen rasch so gestaltet werden könnten, daß unsere jungen, aber auch älteren Soldaten jene Voraussetzungen vorfinden, die sie für den Dienstbetrieb brauchen.

Dazu gehört aber auch – da komme ich zum militärischen Ausbildungsbereich –, daß die Anschaffung von Simulatoren, also Ausbildungsgeräten, fortgesetzt wird, weil wir damit Kosten sparen können. Wenn Kosten gespart werden sollen, dann sollte man diese Möglichkeit nützen.

Der Schwerpunkt sollte bei der Qualitätssteigerung im Bereich der Mannesausrüstung und des Schutzes des einzelnen Soldaten liegen. Mein Vorredner hat ja darauf hingewiesen, daß schon in der Vergangenheit immer wieder gefordert wurde, endlich Helme und Splitterschutzwesten anzuschaffen. Es ist schon bedauerlich, daß es eines Anlaßfalls wie des Einsatzes in Bosnien bedurfte, daß wir das endlich geschafft haben. Es war letztendlich so, daß die Helme und Splitterwesten erst gekauft wurden, als tatsächlich Soldaten auf dem LKW gesessen sind und sozusagen erstmals einem potenten Feind ins Auge geblickt haben. Herr Bundesminister! Ich würde mich freuen, wenn ich mich irrte; ich bin aber überzeugt davon, daß ich mich nicht irre. Wenn in Zukunft hier gesagt werden kann, daß dies kein Thema mehr ist, dann freut mich das umso mehr, nämlich für unsere Soldaten, die sich Sicherheit verdienen.

Ich meine aber auch, daß wir in einer Zeit, in der von Einsparungen geredet wird, versuchen sollten, die Aufträge wenn möglich an inländische Betriebe, die in der Lage sind, diese auszuführen, zu vergeben. Wir müssen den Faktor österreichische Wirtschaft besser nützen als bisher und gezielt Aufträge direkt an industrielle Kooperationen sozusagen anhängen. Wenn dies nicht möglich ist, müssen wir das Beschaffungsvorhaben im Ausland abwickeln; das ist schon klar.

Ich glaube, daß durch eine systematische und konsequente Politik ein wirtschaftlicher Ausgleich sichergestellt werden könnte, sodaß über die volkswirtschaftlichen Effekte eine indirekte Budgetentlastung erfolgen könnte. Das wird in den letzten Tagen ja immer wieder diskutiert.

Ein anderer Punkt, der mir am Herzen liegt, soll hier auch genannt sein: das Engagement, das wir seit Jahrzehnten für die Friedenspolitik erbringen. Österreichs Engagement bei den Vereinten Nationen soll unserer Meinung nach fortgesetzt und die Erfahrungen sollen aktiv eingebracht werden.

Im Vorjahr haben die Einsatzkräfte des österreichischen Bundesheeres in Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz in Wiener Neustadt gezeigt, was das Heer zu bieten hat, was es kann.

Wir können auch in Zukunft da einen Schwerpunkt setzen und zeigen, daß wir gewillt sind, alle friedlichen Mittel zur Streitbeilegung auszuschöpfen – einschließlich politischer und wirtschaftlicher Sanktionen, wenn dies notwendig ist. Wir sollten daher auch in Zukunft unter der Verantwortung der Vereinten Nationen an solch friedenserhaltenden Maßnahmen teilnehmen.

Die Teilnahme österreichischer Soldaten an derartigen Operationen ist unserem Verständnis nach aber weiterhin nur unter der Voraussetzung möglich, daß die Aufgabenstellung mit der defensiven Struktur der österreichischen Landesverteidigung vereinbar ist und das Freiwilligkeitsprinzip der Teilnahme beibehalten wird.

Die Mitarbeit Österreichs im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" der NATO in den Bereichen Friedenserhaltung, humanitäre Aktionen und Katastrophenhilfe dient dazu, Frieden und Freiheit in der internationalen Gemeinschaft verstärkt zu sichern. Dazu bekennen wir uns, das möchten wir auch für die Zukunft festgehalten haben. Wir glauben aber, daß wir dafür kein Solidaritätsgesetz brauchen. Wir sollten die neuen Sicherheitsstrukturen, die in der großen Regierungskonferenz festgelegt werden, abwarten, dann werden wir klarer sehen. Danach sollten wir uns damit beschäftigen und uns dieser Frage stellen.


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In diesem Sinn sollten wir in Zukunft für unser Bundesheer arbeiten. Es hat in der Vergangenheit oftmals mehr geleistet, als ihm zugetraut wurde. Wir sollten uns bemühen, die Strukturen, die Möglichkeiten für den einzelnen zu verbessern – dann mache ich mir auch um die Zukunft dieses Heeres keine Sorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. Er hat das Wort.

19.18

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zum Unterschied von anderen dringlichen Anfragen der Freiheitlichen Partei ist diese dringliche Anfrage tatsächlich dringlich, sie hat sich als solche bestätigt, und sie ist auch wichtig. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) "Zum Unterschied von anderen", Sie haben mir schon richtig zugehört. Es ist eher eine Seltenheit, daß eine dringliche Anfrage von Ihnen tatsächlich dringlich ist. Normalerweise dient sie nur den Auftritten der Freiheitlichen Partei mangels anderer Möglichkeiten.

Die Dringlichkeit hat sich deswegen so verdeutlicht, weil es dringend notwendig war, daß unser Verteidigungsminister Werner Fasslabend in aller Klarheit und Prägnanz den Stand der Verteidigungspolitik darstellt – er hat dies überzeugend getan. So mancher hat – und damit unterstreiche ich die Wichtigkeit – einen Nachholbedarf gehabt, um die Verteidigungspolitik zu erfassen und um nun alles zu wissen – bis hin zu unserem Vorsitzenden im Verteidigungsausschuß, Herrn Kollegen Scheibner, der anscheinend doch einige Informationsrückstände hat.

Meine Damen und Herren! Heute mußten wir bei dieser dringlichen und wichtigen Anfrage hören, daß wir in Zukunft ohne Verteidigungspolitik auskommen sollten – ich beziehe mich auf die Aussagen des Kollegen Wabl beziehungsweise auf bestimmte Intentionen der Sozialdemokraten, Gott sei Dank nicht der Mitglieder des Verteidigungsausschusses. Es zeugt schon von einem hohen Maße an Blauäugigkeit, zu meinen, alle Konflikte gingen an Österreich vorbei, wir bräuchten nichts zu tun, denn wir sind neutral, wir sind lieb, wir haben die Wiener Sängerknaben, wir haben Schönbrunn und ähnlich Wichtiges, niemand werde uns irgendwann irgend etwas zuleide tun. Deswegen brauchen wir auch für die Sicherheit Österreichs nicht einzutreten und müssen unser Militär nicht entsprechend rüsten. – Bitte, das ohne Österreichische Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Sicherheitspolitik unseres Landes hat den neuen Erfordernissen Rechnung zu tragen, das ist selbstverständlich. Minister Fasslabend hat ausführlich darüber berichtet, daß wir auch den neuen Gegebenheiten, nämlich der dezentralen Instabilität Rechnung getragen haben und zu den ersten europäischen Staaten gehören, die sich nach dieser neuen Situation, nach diesem neuen Bedrohungsbild gerichtet haben.

Jetzt wäre es natürlich leicht, zu sagen: Wir stehen vor geänderten verteidigungspolitischen und geopolitischen Verhältnissen, aber wir haben eine Antwort darauf, die die nächsten 40, 45 Jahre gilt. Meine Damen und Herren! Wir leben in einer äußerst rasanten, schnellebigen, bewegten Zeit, und es wird nicht möglich sein, darauf nur eine Antwort zu geben, sondern wir müssen Flexibilität an den Tag legen. Wir müssen uns ständig neuen Gegebenheiten anpassen, und deshalb haben wir auch ein flexibles System anzubieten.

Ich möchte daran erinnern, daß wir als Beitrag Österreichs zu dieser europäischen Sicherheitsarchitektur die HG-Neu eingeführt haben. Ich darf daran erinnern, daß Schwerpunkte in der Ausbildung sowie der Ausrüstung gesetzt wurden, daß der Feuerkraft Rechnung getragen wurde und daß der Forderung nach Modernisierung der Kommunikation auch entsprechende Investitionen gefolgt sind.

Meine Damen und Herren! Überall dort, wo das österreichische Bundesheer notwendig war und angefordert wurde, weil andere nicht die entsprechende Hilfe leisten konnten, hat das österreichische Bundesheer seinen Mann gestellt. Ob das Assistenzeinsätze waren, national oder inter


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national, ob es Katastrophenhilfe war – wir müssen jedem einzelnen Soldaten sowie dem gesamten Bundesheer hohe Anerkennung zollen und Dank aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit wir genügend Grundwehrdiener haben, um einer umfassenden Landesverteidigung auch gerecht werden zu können, war es natürlich notwendig, auch die Zivildienstregelung einer entsprechenden Reform zuzuführen. Die wesentlichen Positionen sind großkoalitionär vereinbart. Darüber bin ich froh, weil doch gravierende Unsicherheiten ausgeräumt werden konnten. Mit der 12monatigen Zivildienstleistung können wir, glaube ich, unser Auslangen finden und erreichen damit, daß genügend Präsenzdiener einrücken werden.

Wir haben die Möglichkeit der Entscheidung geschaffen, der Landesverteidigung zu dienen oder nicht. Der junge Staatsbürger ist nicht verpflichtet, nur zur Landesverteidigung zu stehen, sondern er kann auch Zivildienst leisten. Wir haben diese Entscheidungsmöglichkeit bis zur Einberufung ermöglicht; bis zur Einberufung kann sich der Grundwehrdiener entscheiden. Daß man natürlich zum Zeitpunkt der Einberufung dem nicht mehr Rechnung tragen kann, wenn der junge Staatsbürger das nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, weil er vielleicht nach Langenlebarn oder sonst wohin einberufen wurde, ist wohl selbstverständlich. Ein großer Vorteil meines Erachtens ist, daß dieses Papier mit unserem Verteidigungsminister Fasslabend und den beiden Klubobmännern ausgehandelt wurde, sodaß man sich darauf verlassen kann, daß dies auch entsprechend Gültigkeit für die Zukunft haben wird.

Einige Gedanken noch zur geistigen und umfassenden Landesverteidigung, weil mir dies persönlich ein Anliegen ist: nicht nur, weil sie in der Verfassung verankert ist, daß wir sowohl für eine militärische als auch für eine geistige Landesverteidigung, eine wirtschaftliche und eine zivile sorgen müssen, sondern weil Tendenzen zu spüren sind, denen wir entgegenwirken müssen. Wir haben hinsichtlich geistige Landesverteidigung nach wie vor Nachholbedarf, und es ist unsere Aufgabe, die Notwendigkeit und den gesellschaftlichen Wert des Bundesheeres in der Bevölkerung entsprechend zu fixieren.

Nun meint der zuständige Minister für innere Sicherheit, Herr Minister Einem, daß die Aufgabe des Bundesheers auch durch Polizei und Gendarmerie bewältigt werden könnte, daß Polizisten und Gendarmen vielleicht eine zweite Pistole und ein zweites Gewehr gegeben wird und sie dann die Landesverteidigung übernehmen könnten. – Untergräbt nicht der verantwortliche Minister für unsere Sicherheit die geistige Landesverteidigung? Gibt er ihr dadurch nicht einen Stellenwert, der äußerst bedenklich ist? – Sein Beitrag zur Landesverteidigung war die Diffamierung eines gesamten Berufsstandes! Meine Damen und Herren, eine solche Äußerung ist nicht nur bedenklich und skandalös; wir müssen durchaus betroffen sein.

Wenn ich nun überlege, daß im Innenministerium Gendarmerie, Polizei, Kriminalpolizei sowie die Grenzüberwachung, also all jene, die Uniform tragen, mit dem Bundesheer in einer Hand sein sollten, dann muß ich sagen, daß das auch demokratiepolitisch gefährlich ist. Ich entdecke hierbei eine interessante Parallele: Hat nicht auch neben dem, der sich linksaußen geäußert hat – nicht linksaußen: linkslinksaußen, Herr Bundesminister Einem –, sich einer ähnlich geäußert auf der rechten Seite? War nicht die Aussage des Herrn Haider eine ähnliche, daß er auch Innen- und Verteidigungsministerium zu einem Ministerium zusammengelegt haben wollte, wenn in er der Regierung beteiligt wäre? – Also hier treffen sich die linken und rechten äußeren Seiten beinahe. Das ist eine ganz interessante Entwicklung, meine Damen und Herren, der wir entgegenzuwirken haben.

Meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Kollege Ofner, du kannst auch applaudieren, deine 38 Jahre Ehe waren ein nettes Beispiel! Ihr habt den Ausführungen des Bundesministers applaudiert. Du hast aber vergessen, daß zuerst der Scheibner gesprochen hat, und da war nicht soviel Applaus (Abg. Dr. Ofner: Bei dir ist überhaupt keiner!) , denn der hat andere Geschichten erzählt. Er hat gesagt, daß diese 38 Jahre, von denen du heute gesprochen hast, nicht so friedlich und so nett waren. (Abg. Dr. Ofner: Bei dir ist gar kein Applaus! Geh, klatscht’s wer! – Ironischer Beifall bei einigen Abgeordneten der FPÖ.) – Ich danke dir.


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Meine Damen und Herren! Abschließend: Ich meine, daß die österreichische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik mit der HG-Neu und der Anpassung auf die neuen dezentralen Unsicherheitsfaktoren die notwendigen Konsequenzen getroffen hat. Mit dem Solidaritätsvertrag und der Devise GREIF – unser Bundesheer zu rüsten, es grenznah rasch verfügbar zu haben, es einsatzorientiert darzustellen, zu integrieren und entsprechend flexibel zu halten – ist der Sicherheitspolitik entsprechend Antwort gegeben. Wir von der Österreichischen Volkspartei lassen keinen Zweifel an der österreichischen Landesverteidigung aufkommen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. Er hat das Wort.

19.29

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Debatte zu dieser dringlichen Anfrage zur Sicherheitspolitik verläuft sehr kontrovers. Das ist überhaupt kein Schaden; es sind die Positionen wirklich beträchtlich unterschiedlich, nicht nur zwischen Regierung und Opposition, sondern es gibt auch unterschiedliche Vorstellungen zwischen den Oppositionsparteien.

Was aber besonders hervorsticht – und ich glaube, das muß man herausstreichen –, sind die massiven unterschiedlichen Grundsätze zwischen den beiden Regierungsparteien in der Frage der Sicherheitspolitik. Das ist ein äußerst negativer Befund, den man ausstellen muß; insbesondere weil wir knapp vor Beginn der Regierungskonferenz 1996 stehen und es immens wichtig wäre, daß Österreich in diese Regierungskonferenz mit einer einigermaßen abgesicherten konsensualen Sicherheitspolitik hineingeht.

Ich bedauere sehr, daß bis zur Stunde, bis wenige Tage vor der Regierungsbildung die Positionen der beiden Regierungsparteien in dieser zentralen Frage so weit auseinander liegen, wie sie heute artikuliert wurden. Wenn der Herr Bundesminister für Landesverteidigung sich heute ganz eindeutig und wiederholt – er sagte wortwörtlich: Wir wollen in die Westeuropäische Union, wir wollen in der Konsequenz die volle Kooperation mit der NATO! – in Richtung Vollmitgliedschaft der NATO ausgesprochen hat, dann steht dieses "wir" nicht für die Bundesregierung. Ich halte es wirklich für schwer erträglich, daß wir uns in dieser Situation mit solch konträren sicherheitspolitischen Grundlagen auseinandersetzen müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Genauso klar, wie sich der Herr Verteidigungsminister heute geäußert hat, was Westeuropäische Union und NATO betrifft, sind die Positionierungen seitens der Sozialistischen Partei, nicht nur des Wehrsprechers, der das ja heute auch klar gesagt hat. Es geht noch viel weiter. Ich zitiere: "SPÖ wirft dem Heer geheime Vorbereitungen auf NATO vor." – Das war eine Schlagzeile in den "Salzburger Nachrichten" vor nicht allzu langer Zeit.

Kollege Schieder: Auf europäischer Ebene wisse er genau, was er nicht will, nämlich "den Beitritt zur Westeuropäischen Union oder NATO in der gegenwärtigen Form."

Bundeskanzler Vranitzky, der in regelmäßigen Abständen überhaupt am liebsten ein Diskussionsverbot in dieser Frage hätte, meint – nein, ich spare mir das jetzt. Sie alle kennen das.

Sie sehen, daß wir es in dieser Frage mit zwei extrem konträren Positionen zu tun haben. Wir dürfen uns daher auch nicht wundern, daß letzten Endes bis in die Verteidigungspolitik hinein und im Heer selbst eine massive Verunsicherung über die sicherheitspolitische Zukunft Österreichs zu konstatieren ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich etwas demokratiepolitisch sehr Interessantes herausstreichen. Daß diese Kontroverse vorliegt, ist ja nicht zu verdecken. Und wie reagiert der Bundeskanzler? Wie möchte er das lösen? – Er schlägt einen Sicherheitsrat vor. Nun ist ein Sicherheitsrat ein Instrument, das in anderen Staaten dazu dient, Exekutiveffizienz herzustellen, um rasch reagieren zu können, wenn eine Krisensituation eingetreten ist. Der Herr Bundeskanzler


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schlägt nun einen Sicherheitsrat vor, bestehend aus Regierungsmitgliedern und Spitzenbeamten. Aber was sollen diese tun? – Sie sollen das sicherheitspolitische Konzept erarbeiten!

Das möchte ich ganz klar zurückweisen. Insbesondere in grundlegenden Fragen der Sicherheit müßte es selbstverständlich sein, daß die parlamentarische Ebene unter Einbeziehung der Opposition an der – hoffnungsvoll vielleicht konsensualen – Willensbildung in Richtung eines österreichischen Sicherheitskonzeptes arbeitet. Ich halte es wirklich für einen Schlag gegen parlamentarische Usancen, wenn Grundlagenfragen in eine Geheimpolitik, in Geheimgremien abgeschoben werden und nicht dort behandelt werden, wo sie hingehören, in der parlamentarischen Öffentlichkeit, damit die österreichische Bevölkerung sich ein Bild machen kann. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

In diesem Zusammenhang halte es ich es auch für schwer erträglich, daß wir aus der Zeitung erfahren müssen, daß der Herr Außenminister im Zusammenhang mit der NATO-Partnerschaft für den Frieden verkündet, zu welchen militärischen Übungen, zu welchen potentiellen Kontingentstellungen wir uns verpflichten, ohne daß hier in diesem Hause vorher darüber gesprochen wurde. Und das in einer derart sensiblen Situation und zu einem derart sensiblen Thema! Und dann wundern wir uns, daß die österreichische Öffentlichkeit genau in diesen Fragen massiv verunsichert ist, weil Diskussions- und Konsensarbeit verweigert wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Nun zu den inhaltlichen Fragen. Ich möchte damit beginnen, daß insbesondere seitens der Sozialdemokraten, aber auch der Grünen ein Sicherheitsbegriff an die Spitze gestellt wird, der die Situation eher verdunkelt als erhellt. Es wird kritisiert, daß die Leute von Sicherheit sprechen und damit immer nur die militärische meinen, wo es doch so viel andere Sicherheitsbedürfnisse gibt: ökologische, wohlfahrtsstaatliche et cetera. Das ist alles wahr. Es ist aber nicht der Kern des Problems, das wir hier diskutieren.

Selbstverständlich wissen wir, daß Sicherheit etwas ist, was auf das Militärische als Ultima ratio zurückgreifen können muß, daß lange vorher die präventive Sicherheitspolitik im Vordergrund steht, die danach trachten muß, Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen, die versuchen muß, auf friedlichem, politischem Weg und vielleicht auch mit entsprechendem politischem Druck ausgebrochene Konflikte wieder einzudämmen et cetera. All das ist eine völlig klare Geschichte. Aber wir sollten nicht diesen sehr weiten Sicherheitsbegriff und diese sehr weit gefaßten sicherheitspolitischen Maßnahmen hineinpressen in den Bereich der militärischen Sicherheitspolitikdebatte, weil diese ist eben eine Ultima ratio, die wir auch brauchen: als letztes und hoffentlich nicht einzusetzendes Instrument zur Friedenssicherung und zur Souveränitätsbewahrung. Das möchte ich ganz deutlich herausstreichen.

Ich habe manchmal den Eindruck, daß man von allen möglichen Sicherheitsbedürfnissen, die es real durchaus gibt und die auch ihre Berechtigung haben, redet, damit man das, über was wir heute konkret reden, möglichst nicht diskutieren muß, weil es unangenehm und unpopulär ist. Das ist einmal der erste Punkt.

Ich meine daher, als nächsten Schritt müssen wir uns als Vertreter der Republik Österreich darüber klarwerden, daß wir uns tatsächlich vor einer sicherheitspolitischen Weggabelung befanden, als wir vor der Frage standen, ob wir der Europäischen Union beitreten oder nicht. Das war der Zeitpunkt, zu dem wir zu entscheiden hatten – auch in der Sicherheitspolitik –, welchen Weg wir gehen: Gehen wir einen in Richtung gemeinschaftliche, auch solidarisch zu nennende Sicherheitspolitik, wo wir uns zusammentun mit anderen, um gemeinsam diese Sicherheitslasten zu tragen, oder bleiben wir bei der einzelstaatlichen, im konkret österreichischen Fall bei einer Neutralität aufbauenden Sicherheitspolitik?

Diese Weggabelung hat existiert, und wir sind den Weg in Richtung Europäische Union gegangen. Und es ist noch immer nicht der Mut da, in aller Klarheit der österreichischen Bevölkerung zu sagen, daß Österreich sich mit dem Beitritt zur Europäischen Union zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bekannt und sich auch verpflichtet hat, sich der Finalität dieser Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, ihrer politischen Zielsetzung in Richtung militäri


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sches Sicherheitsinstrument der Europäischen Union, nicht querzulegen. Dazu hat sich Österreich verpflichtet. Daher ist die gesamte Debatte um die Neutralität eine, die im Grunde nicht mehr zu führen ist.

Es ist ein Kunststück, eine ideologische Akrobatik, die wir in Österreich fast tagtäglich erleben, daß die einen sagen – da spreche ich jetzt eher die Sozialdemokraten an –, an der Neutralität wird natürlich festgehalten und es ändert sich gar nichts; die anderen, die von der Österreichischen Volkspartei, sagen hingegen: Freilich, wir werden zur Westeuropäischen Union gehen. Es gibt sogar schon – ich habe sie leider jetzt in der Eile nicht gefunden – eine Aussage des Herrn Verteidigungsministers, daß es, auch wenn wir der NATO beitreten, durchaus irgendwie mit der Neutralität vereinbar ist. Das ist natürlich alles ideologisches Brimborium, denn die Wahrheit ist: Wenn eine solidarische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gemacht wird, dann ist für Neutralität kein Platz mehr. Das ist die Realität; das sollten wir zur Kenntnis nehmen und auch offen sagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wie gesagt: Die Entscheidung ist in dem Augenblick gefallen, als wir uns für die Europäische Union entschieden haben.

Da Herr Bundesminister und Nationalratskollege Einem zugegen ist, möchte ich die Gelegenheit zu einer Stellungnahme ergreifen, da es hier um diese Grundsatzfragen geht. Ich meine, daß seine Aussagen nicht staatsgefährdend sind – so schwach ist die Republik gottlob nicht, daß sie aufgrund eines Artikels im "profil" in den Grundfesten erschüttert würde. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Peter: Der Verteidigungsminister hat es doch gesagt! )

Nur glaube ich, daß seine Thesen überwiegend grundfalsch sind. Das ist der zentrale Punkt, und darauf möchte ich im einzelnen eingehen.

Sein Grundirrtum besteht darin – und ich nehme an, Herr Kollege, daß dieser Artikel im "profil" wirklich authentisch ist –, daß er sagt: Es gibt zwei Muster, mit Konflikten umzugehen: entweder man schaut zu, oder man greift ein – eine These, die überlegenswert ist. Nur: Der Neutrale ist nämlich derjenige, dem rechtens die Hände gebunden sind und der inaktiv zu sein hat. Selbstverständlich! Ich bringe Ihnen ein Beispiel.

Nehmen wir an, Ungarn oder ein anderes Land – ich betone ausdrücklich: ein theoretischer Fall – gerät in einen Konflikt. Was geschieht in diesem Fall, wenn wir die Neutralität hochgenagelt behalten? – Dann ist Österreich zur Gleichbehandlung verpflichtet und ist daher in diesem Fall inaktiv oder kommt in Irak-Iran-Schwierigkeiten. Erster Irrtum. (Abg. Dr. Einem nickt.)

Zweiter Irrtum: Es gibt jetzt das Luxemburgsyndrom. Das geistert herum. Österreich sagt – und ich unterstelle auch in diesem Fall dieses Vorurteil –: Unser Land ist ja so wunderbar gelegen, wenn jetzt womöglich auch die Slowakei und Ungarn zur NATO gehen, na herrlich! Wir sind ja wie Luxemburg ein Binnenland. Wunderbar, damit ist der Fall für uns erledigt. Auch Kostelka hat das in einem "Presse"-Interview so schön gesagt: Na das wäre eine schöne Perspektive. Nur: Das ist natürlich ein Grundmißverständnis der Integration. Es ist doch völlig klar, daß wir auch als europäisches Binnenland wie Belgien, wie Holland selbstverständlich unseren Teil der Lasten – der politischen wie der finanziellen, der materiellen und der militärischen – einer gemeinsamen Sicherheitspolitik mittragen müssen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Einem. ) Doch, habe ich. Nein, das steht nicht drinnen.

Da komme ich gleich zu Ihrem nächsten Irrtum. Sie sind der Ansicht, man könne mit der Sicherheitspolizei das Problem zunächst einmal lösen. (Abg. Dr. Einem schüttelt den Kopf.) Das ist natürlich insofern ein Irrtum, als wir nie wissen, wie stark das Sicherheitsbedürfnis ist und wie notwendig die Anstrengungen sind. Und da ist eine bisserl bessere Sicherheitspolizei überhaupt eine Vorstellung, die ein Grundmißverständnis mit sich bringt, nämlich jenes, daß wir in der Lage wären, mit derartigen Einheiten solche Konfliktsituationen zu bewältigen. Militärische Aktionen dauern in der Regel sehr lang und bedürfen einer langen Vorbereitungszeit.


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Schließlich: Ein ganz wesentlicher Irrtum ist es, zu glauben, eine schnelle Eingreifgruppe ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Einem. ) Ja selbstverständlich. Aber das bedeutet militärische Strukturen von einem beträchtlichen Umfang. Das muß man auch zur Kenntnis nehmen.

Beim Berufsheer sind wir wieder einer Meinung. Abschließend möchte ich sagen: Die Aussagen von Einem sind ein sehr gutes Beispiel, um aufzuzeigen, worin die grundsätzlichen Irrtümer bestehen. Es tut mir leid, daß es ein Regierungsmitglied betrifft, aber ich glaube, in diese Diskussion sollten wir eintreten.

Notwendig ist, daß wir erstens den sicherheitspolitischen Konsens in diesem Land herstellen, zweitens, daß wir aktiv an der europäischen Sicherheitsstruktur mitarbeiten, sie mitgestalten und nicht warten, bis sie fertig ist, und dann sagen: Ja leider, jetzt müssen wir!, was ja in der EU-Politik momentan sehr oft passiert.

Wenn wir das geklärt haben, dann wissen wir auch, welche militärischen Strukturen wir brauchen, welche Wehrverfassung wir brauchen, wie stark wir sein müssen und welche Notwendigkeiten sich konkret für das Bundesheer ergeben. In dieser Reihenfolge sollten wir die Dinge angehen, und wenn wir heute diese Diskussion als Gelegenheit wahrnehmen, uns dieser Notwendigkeiten bewußt zu werden, dann hat sie ihren Zweck und ihren Sinn erfüllt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.44

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einen


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8. Sitzung / Seite 142

Entschließungsantrag einbringen, der uns sehr wichtig ist. Es betrifft eine Personengruppe, die im Zusammenhang mit dem Wehrdienst in Österreich immer noch kriminalisiert wird. Es handelt sich dabei um Mitglieder der Zeugen Jehovas.

Ich sage vorweg, daß ich keinerlei Sympathien für irgendwelche Sekten hege, auch nicht für die Zeugen Jehovas. Doch ich sehe noch einen deutlichen Unterschied zu gefährlichen Strukturen, zu Institutionen wie etwa Scientology, die ich weder für eine Religion noch für eine Sekte, sondern für einen Wirtschaftskonzern halte, der mit psychologischen Managementmethoden agiert.

Aber, wie gesagt, auch für die Zeugen Jehovas hege ich als Gruppe oder als Sekte keinerlei Sympathie. Dennoch halte ich es für unerträglich, daß diese Personen aufgrund ihrer Überzeugung inhaftiert werden, kriminalisiert werden, und das in einem Europa, in dem das nur noch in Griechenland passiert, sonst in keinem anderen europäischen Staat.

Ich glaube, Österreich sollte sich nicht an dieser Tradition messen, sondern mit den demokratischen Gepflogenheiten Schritt halten: daß man eben ein sehr hohes Maß an Toleranz walten läßt und daß man mit Religionen, mit Glaubensgemeinschaften, ob sie einem passen oder nicht, in einer toleranten Art und Weise umgeht, daß man ihnen ermöglicht, ihre zentralen Glaubensgrundsätze umzusetzen.

Dieses Recht wird den Zeugen Jehovas in Österreich verweigert. Im vergangenen Jahr wurden 48 Mitglieder der Zeugen Jehovas einberufen. Alle weigern sich, diesem Ruf zu folgen, und alle waren konfrontiert mit strafrechtlicher Verfolgung.

Ich möchte einen Entschließungsantrag einbringen, und ich ersuche Sie, da es sich um eine wirklich kleine Personengruppe handelt, diesem zuzustimmen. Ich glaube, gerade wenn man gegen das Sektenwesen ist, sollte man diese Bereiche nicht aufwerten, indem man Personen kriminalisiert. Dadurch macht man sie nur zu Märtyrern.

Ich stelle den

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Wabl, Dr. Volker Kier, Freundinnen und Freunde betreffend gesetzliche Regelung für die Zeugen Jehovas.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Landesverteidigung, wird ersucht, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das Wehrgesetz 1990, BGBl. Nr. 305/90, durch eine Bestimmung in der Weise geregelt wird, daß die Mitglieder der Zeugen Jehovas von Wehr- und Zivildienst dann befreit werden, wenn sie einen Dienst leisten, der dem allgemeinen Besten dient und während eines durchgehenden Zeitraumes von 13 Monaten ausgeübt wird, der ähnlich belastend ist wie der Wehrdienst.

*****

Ich wollte es an sich bei diesem Entschließungsantrag bewenden lassen, die vorangehende Debatte veranlaßt mich aber, doch auch ein paar Worte dazu anzuführen.

Herr Dr. Frischenschlager hat gemeint, man solle nicht die an sich sicherlich bestehenden ökologischen und sozialen Konfliktbilder mit den klassisch militärischen Fragen vermischen. Das mag schon stimmen. Ohne Zweifel ist die Bevölkerung insbesondere dadurch verunsichert und gefährdet – und diese Einschätzung teilt ja auch die Landesverteidigungsakademie –, daß ökologische Katastrophen drohen können, daß Nationalitätenkonflikte eskalieren können und daß Personen aufgrund existentieller Armut oder politischer Verfolgung veranlaßt werden, auch in größerer Zahl ihre Heimatstaaten zu verlassen, und dadurch vielleicht auch ein Gefühl der Verunsicherung bei den Aufnahmestaaten auslösen.

Daneben gibt es die klassische militärische Diskussion.

Nun meine ich zwar, daß die ökologisch sozialen Gefahren bei weitem überwiegen und daß der andere Bereich dramatisch überbetont wird, aber ich will mich dennoch auch diesem Bereich widmen. Ich glaube nämlich, daß gerade der Krieg in Exjugoslawien, der Krieg in Bosnien dazu benutzt wurde, um das zu erreichen, was, wie ich glaube, gerade die Jugend nicht mehr will.

Frischenschlager hat gemeint, militärische Strategien und militärische "Lösungen" – unter Anführungszeichen – könnten ja für jeden vernünftigen Menschen ohnehin nur Ultima ratio sein. Ich glaube, der Bosnienkrieg mußte dazu herhalten, um militärische Lösungen aus dieser Restgröße der Ultima ratio herauszuholen und wieder zur Prima ratio zu machen.

Man hat sehr lange zugewartet, man hat in extenso über die Greueltaten berichtet, und man hat auch wirklich diesen Krieg dazu benutzt, Aufrüstung und militärische Strategien wieder salonfähig zu machen und sie aus der Situation, in der sie für viele junge Menschen schon waren, nämlich daß sie wirklich schon Ultima ratio waren, wieder hervorzuholen.

Ich persönlich glaube auch, daß es Situationen geben kann, in denen eine gewisse Art der Gewaltanwendung vielleicht das kleinere Übel sein kann. Aber wenn diese Strategien dazu verwendet werden, wirtschaftliche Sanktionen, soziale Beobachtungen, die Beobachtung der Menschenrechte nicht mehr stattfinden zu lassen, dann wird es gefährlich – dann wird es gefährlich für die Sicherheit in ganz Europa!

Gerade der Krieg in Bosnien wurde dazu benutzt, um sehr bewußt nur mehr von der Aufwertung von Organisationen und Strukturen wie der WEU und der NATO zu sprechen und um zu sagen: OSZE, UNO, die sind noch nicht reif, die können das ja nicht. Die sagen ja selbst, daß sie dazu nicht in der Lage sind.

Man hat sie ganz bewußt nicht in die Lage versetzt, die Ultima-ratio-Funktion mit einer polizeilich-militärischen Einheit – vielleicht auch Gewalt – leisten zu können. Man hat sie ganz bewußt nicht in die Lage versetzt, diese Aufgabe zu erfüllen, um sagen zu können: Ja wir brauchen


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wieder die klassischen, die großen, die hochgerüsteten Armeen. – Das erachte ich für die eigentliche Sicherheitsgefahr in Europa!

Sie sagen, diese Organisationen seien ja gar keine reinen Militärorganisationen mehr. Das mag schon stimmen. Aber warum wertet man nicht Organisationen auf, bei denen ganz klar ist, daß sie primär zivile Organisationen sind und allenfalls, wie die UNO, auch eine militärische Restgrößenfunktion haben können? (Beifall bei den Grünen.)

Sie sagen auch, der Beweis dafür, daß das Ganze so demokratisch ist, ist die Tatsache, daß die ältesten Demokratien Europas Mitglied sind. Das ist, Herr Bundesminister, gar kein Beweis. Sie finden in allen Demokratien, auch in den ältesten, Strukturen, die reichlich undemokratisch sind, ob das jetzt Teile des Schulwesens in Großbritannien oder der Strafvollzug in einzelnen Staaten sind. Überall gibt es Dinge, die wir aus unserer Sicht vielleicht als demokratiepolitisch rückschrittlich betrachten. Trotzdem: Das sind alte Demokratien.

Ein Kriterium wäre, über den NATO-Beitritt und auch über die Frage einer allfälligen Aufgabe der österreichischen Neutralität ein Referendum durchzuführen. Das wäre eine demokratische Vorgangsweise! (Beifall bei den Grünen.)

Um noch einmal auf Bosnien oder auf Exjugoslawien zu sprechen zu kommen: Ich bin froh, daß jetzt einmal vorläufig weniger gemordet, weniger geschlachtet wird, als es der Fall war. Aber ich befürchte, wenn nicht sehr bald eine echte Friedensarbeit durch Organisationen wie die OSZE, durch eine gemeinsame europäische, durch eine weltweite Anstrengung einsetzt, dann wird das bestenfalls ein längerer Waffenstillstand sein, aber kein Frieden.

Es wurden so viele Menschen vertrieben, Menschen aus der Posavina, Serben aus dem Raum von Sarajevo und viele, viele andere mehr, und die haben nicht vergessen, was passiert ist. Sie wissen ja aus der Geschichte Österreichs, Sie wissen aus der Geschichte der Staaten, die in den Zweiten Weltkrieg involviert waren, wie schwer es ist und wie viele Jahre und Jahrzehnte es braucht, einigermaßen über das hinwegzukommen, was einem widerfahren ist. Daher glaube ich, es wäre eine vordringliche Aufgabe, eine vornehme Aufgabe für Österreich, sich der echten Friedensarbeit zu widmen, und es wäre ein hervorragender Anschluß an die Arbeit, die Österreich in Exjugoslawien bereits geleistet hat, nämlich an die humanitäre Hilfe, für die jeder und jede in Bosnien wirklich dankbar war und ist.

Herr Bundesminister! Die Grünen stehen nicht grundsätzlich jedem kollektiven Sicherheitssystem ablehnend gegenüber. Aber die Art und Weise, wie es jetzt passiert und wie es mein Vorredner aufgezeigt hat, ist unerträglich: daß in einer Art Hickhack zwischen den Regierungsparteien scheibchenweise die Neutralität demontiert wird.

Ich kann mich noch erinnern – das waren die ersten Tage und Monate, die ich in diesem Hohen Haus verbracht habe –, als wir über den Golfkrieg diskutiert haben, über die Durchfuhrgenehmigungen für Waffen. Es war eine ganz gespenstische Sitzung. Während dieser Debatte kam die Meldung, daß die ersten Bomben fallen und gefallen sind. (Abg. Dr. Lukesch : Sie haben die Regierung bei der Staatsanwaltschaft angeklagt!) Wir wissen, daß sich dort, Herr Abgeordneter Lukesch, nichts zum Besseren gewendet hat. Sie wissen, Herr Abgeordneter Lukesch, daß dort ein Diktator fester im Sattel sitzt denn je, daß er jeden Tag neue Menschenrechtsverletzungen begehen kann, daß Kurden, Schiiten bedroht sind, daß das ökologische Desaster ein enormes war und daß auch in Kuwait nicht wirklich demokratische Zustände eingekehrt sind.

Was, frage ich Sie, hat dort eine klassische militärische Strategie bewirkt? – Sie hat nicht wirklich Frieden geschaffen. Sie hat eine sehr, sehr labile Situation geschaffen. Aber sie hat vielleicht gerade den Ruf, den Bedarf nach neutralen Staaten geweckt. Denn Konfliktbilder der Zukunft, die ich sehe, das Auseinanderdriften der sogenannten westlichen Welt und der islamischen Welt, die Nationalitätenspannungen in der ehemaligen Sowjetunion, das alles würde viel, viel mehr neutrale Staaten, und zwar nicht passive neutrale Staaten, sondern aktiv für die Menschenrechte eintretende neutrale Staaten erfordern als nur Österreich.


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Ich glaube, es wäre unsere Aufgabe, in der Europäischen Union für differenzierte Rollen innerhalb eines kollektiven Sicherheitssystems Werbung zu machen. Warum soll es dort nicht auch Mitglieder eines Militärbündnisses geben und solche, die spezielle Krisenvermittlungsaufgaben übernehmen?

Überall in der Wirtschaft sind wir uns dessen bewußt, daß es spezialisierter Aufgabenteilungen bedarf. Nur im Bereich der Sicherheitspolitik nicht, da gibt es die einheitliche Panzerideologie, die nach wie vor ein Pseudosicherheitsbild vorgaukelt.

Wir sind bereit, über ein kollektives Sicherheitssystem zu reden – dann, wenn es strukturell angriffsunfähig ist, wenn es Platz hat für Neutrale und wenn es primär zur Vermeidung von Krisen und Konflikten dient, das heißt, sich der sozialen und der Menschenrechtsfrage verpflichtet fühlt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.59

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich hatte vor einigen Tagen die Gelegenheit, bei der Verabschiedung der Transportkompanie in Gratkorn dabeizusein. Es waren unheimlich viele Ehrengäste dort, fast mehr als Zuverabschiedende. (Ruf beim Liberalen Forum: Hat es Würstel gegeben?) Die Idee wäre gut gewesen, aber es war ein Löffelgericht, wie man beim Militär sagt. Aber es war sehr vornehm. (Ruf bei der ÖVP: ... auch die Familienangehörigen?) Es waren auch die Familienangehörigen dort. Man hat den Eindruck gehabt, es ist ein geschichtsträchtiger Moment. Das Bundesheer ist in der Auslage gestanden. Aber ich möchte das mit der Auslage eines Antiquitätengeschäftes vergleichen, wo man in die Auslage die besten Stücke gibt, um sie dort zu präsentieren, und im Geschäft sind die Antiquitäten und Raritäten.

Die Leute, die dort verabschiedet wurden, waren sehr gut ausgerüstet. Sie waren sehr gut ausgerüstet: mit dem modernen Helm, mit der modernen Splitterweste.

Aber wenn man weiß, was die verbleibenden Soldaten an Ausrüstung haben, dann macht das schon betroffen. Man hatte den Eindruck, daß dort alles zusammengekratzt worden war, was dem heutigen Standard entspricht, während, wie gesagt, die Ausrüstung und die Bewaffnung der zurückbleibenden Einheiten veraltet ist. Während die verabschiedeten Soldaten den modernen Helm trugen, haben die anderen – unser Kamerad Scheibner hat das ja gezeigt – buchstäblich den "Scherben" auf, und das noch für die nächsten Jahre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beispiele für die Überalterung unserer Ausrüstung wurden schon genannt. Es gibt in der letzten Zeit in den Medien viele Hilferufe von Offizieren. Ich habe hier eine Zeitungsmeldung vom 29. Mai vorigen Jahres, in der Offiziere sagen: "Kampfkraft entscheidend geschwächt. Die qualitativen und quantitativen Mängel in allen Bereichen der schweren Waffen des Bundesheeres haben ein Ausmaß erreicht, welches die Kampfkraft unseres Heeres entscheidend beeinträchtigt." – Das sagt zum Beispiel die Offiziersgesellschaft. Und in der "Presse" steht: "Politiker, die weiterhin beim Bundesheer sparen wollen, gefährden den Schutz von Demokratie, Frieden und Freiheit in Österreich und somit die Sicherheit unserer Bevölkerung und geben uns der internationalen Lächerlichkeit preis."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß der Inhalt dieser Artikel sehr ernst zu nehmen ist. Die mittelfristig geplanten Beschaffungen beziehungsweise die Beschaffungspläne sind ja so "geheim", daß man vom 120-Milliarden-Schilling-Nachbeschaffungspaket für die nächsten zehn Jahre aus "NEWS" erfahren mußte, wobei sich natürlich die Prioritäten, was wirklich zuallererst zu beschaffen wäre, ständig ändern, was der Verwirrung freilich noch weitere Nahrung gibt.


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Das Bundesheer hat sich einen Slogan vorgegeben, den hat Herr Kollege Murauer heute schon angezogen: "Schützen und helfen, wenn andere nicht mehr können." – Aber ich frage Sie: Wer hilft und schützt dann, wenn das Bundesheer aufgrund der mangelhaften Ausrüstung beim besten Willen auch nicht mehr kann? – Darum müssen die Beschaffungen getätigt werden, vor allem im Sinne und zum Schutz des höchsten Kapitals des Bundesheeres, der österreichischen Jugend. Wenn sich in den letzten Tagen aufgrund mangelhafter Ausrüstung und aufgrund mangelhafter Schulung – hier steht es in der Zeitung – zwei Soldaten Gliedmaßen abgefroren haben, so stellt das der Mannesausrüstung des österreichischen Bundesheeres beim besten Willen kein gutes Zeugnis aus!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die EU-Regierungskonferenz steht ins Haus. Einer der wesentlichsten Verhandlungspunkte wird die Diskussion und Beschlußfassung über eine Säule der zukünftigen EU, und zwar die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, sein. Von Experten und Exponenten der EU wird häufig auf die Schaffung eines funktionierenden Sicherheitssystems hingewiesen, und es wird dies auch von Österreich konkret gefordert. Ich zitiere Prof. Dr. Stürmer, der einen Vortrag in Graz gehalten hat, ein Mitglied der Expertenkommission für die Vorbereitung der GASP, der sagt: "Das Maß des Erfolges für die Regierungskonferenz 1996/1997 wird nicht die Anzahl der Fußnoten sein, die dem Maastricht-Vertrag hinzugefügt werden. Die wirkliche Frage ist, ob Europa ein internationaler Akteur werden kann oder ob sich herausstellt, daß GASP nichts anderes war als eine Schönwetteridee, die keinen Frost aushält. Wenn dem so wäre, dann würden die Europäer von den Amerikanern jenen Schutz verlangen müssen, den die Amerikaner nicht mehr geben wollen, oder, noch besser, sie werden die Bedrohungen, die längst unterwegs sind, bitten müssen, sich noch ein wenig zu gedulden."

Oder: Herr Schneider sagt: "Mit der russischen Karte ist kein Stich zu machen. Österreichs Neutralität wird der Solidarität weichen müssen."

Und sogar Kommissar Fischler, der eigentlich, soweit ich weiß, für Landwirtschaft zuständig ist (Abg. Dr. Graf: Fischler ist für alles zuständig!), macht sich Sorgen um das Sicherheitssystem und sagt in einem Interview: "Auf Dauer kann es sich Österreich sicher nicht leisten, der WEU und der NATO fernzubleiben."

Ein weiterer Artikel sagt: "Neutralität bedeutet Schwarzfahren."

Wir Freiheitlichen sind daher der Meinung, daß es wirklich an der Zeit ist, eine klare Linie zu wählen, einen klaren Weg zu gehen und die Entscheidung zur Vollmitgliedschaft in der WEU – und in weiterer Folge in der NATO – zu treffen.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner, Mag. Herbert Haupt, Dr. Harald Ofner, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Kollegen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit den Vertragspartnern des Nordatlantikvertrages über einen Beitritt Österreichs zur NATO sowie mit den Vertragspartnern des WEU-Vertrages über einen Beitritt Österreichs zur WEU

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend in Kooperationsgespräche mit der NATO und der WEU einzutreten, mit dem Ziel, Österreich so rasch wie möglich als Vollmitglied in den beiden Sicherheitsorganisationen zu integrieren."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 44 Prozent der Bevölkerung sind für ein modernes Heer, und 48 Prozent vertrauen auf die Hilfe der Nachbarn. Letzteres ist eine Illusion, die seinerzeit ausgestreut wurde. Ich kann mich erinnern: Ich war selbst als einjährig Freiwilliger gerade


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beim Bundesheer, da wurde uns erzählt, daß während der Tschechenkrise in Deutschland bereits Phantomjäger vorbereitet gewesen wären, die angeblich mit dem österreichischen Hoheitszeichen versehen waren, das sollte heißen, das Ausland hätte uns im Ernstfall verteidigt. – Im nachhinein hat sich herausgestellt: Das waren Gerüchte, die man uns präsentiert hat, um uns in Sicherheit zu wiegen.

Genau diese Illusion ist bis heute in weiten Teilen der Bevölkerung erhalten geblieben. 48 Prozent der Bevölkerung glauben auch heute noch, die Nachbarn würden uns im Ernstfall verteidigen. Ich halte diese Illusion für obsolet. Kollege Maitz hat gesagt, daß WEU und NATO unseren Beitritt wollen. Ich denke, daß sie das sicherlich nicht wegen der guten Substanz an Waffen und Ausrüstung, die wir in diese Organisation einbringen, wollen, sondern aufgrund unserer strategischen Lage und aufgrund dessen, daß wir im Verständnis unserer Nachbarn ein integrierter Bestandteil eben dieser europäischen Zone, dieses europäischen Sicherheitssystems sein müssen, und weil man schon lange erkannt hat, daß die Neutralität obsolet ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend muß auch ich mich mit den sieben Thesen des Herrn Innenministers befassen, der eine Diskussion ohne Scheuklappen gefordert hat und der mit seinem Interview, das man aber vielleicht nicht überbewerten sollte – obwohl seine Ideen in den eigenen Reihen zum Teil als "Schnapsideen" bezeichnet wurden –, bei den Exponenten des Bundesheeres und allen, denen eine seriöse und ernstzunehmende Landesverteidigung am Herzen liegt, eine Welle der Entrüstung ausgelöst hat.

Da sind Worte gegen ihn gefallen, die sehr hart sind, zum Beispiel "staatszersetzend". Minister Einem wurde als Sicherheitsrisiko bezeichnet und als verantwortungslos mit seinen Äußerungen. – Nur für den Herrn Bundeskanzler haben diese Äußerungen keine Relevanz. Er sagt, das war ein Beitrag für eine interne Kommission – wahrscheinlich ist das eine ähnliche Kommission wie die Privilegienabbaukommission, über die wir gestern diskutieren durften –, also ein Beitrag für eine SPÖ-interne Kommission, ohne aktuelle Relevanz. – Das ist umso gefährlicher, weil es zeigt, daß es sich um langfristige Ziele handelt, daß die SPÖ ganz konsequent langfristig die Aushöhlung und die Abschaffung der österreichischen Landesverteidigung betreibt.

Diese Äußerungen, diese Thesen von Minister Einem sind ja kein einmaliger Ausrutscher. Da steckt ja System dahinter. Das hängt alles zusammen. Das ist ein ideologisch fundiertes System, beginnend mit den Förderungen für das "Tatblatt", den weiten Bogen spannend bis zur Unterminierung der Landesverteidigung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aus diesem Grund sehen wir die Notwendigkeit – und ich glaube, wir müssen auch die ÖVP hier einbeziehen, die harte Worte über den Minister gefunden hat –, daß wir diesem System der Zersetzung unserer Landesverteidigung durch einen Minister, durch einen hochrangigen Exponenten der österreichischen Bundesregierung, Einhalt gebieten müssen.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für innere Angelegenheiten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Dem Bundesminister für innere Angelegenheiten wird gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen entzogen."

*****

Ich lade alle diejenigen ein, denen es mit der Landesverteidigung wirklich so ernst ist, wie Sie es hier gesagt haben, mit diesem Antrag mitzugehen und dem Herrn Minister Einem das Vertrauen zu versagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich möchte schließen mit einem Zitat von Bundeskanzler Dr. Vranitzky, das allerdings aus einer Rede stammt, die er am 26. 10. 1995 aus Anlaß der so erfolgreichen Parade gehalten hat. Da sagte er: "Ich weiß, daß es für das österreichische Bundesheer nicht immer leicht ist, gegen Vorurteile, Anfeindungen und auch finanzielle Mängel zu kämpfen. Die Antwort darauf muß aber sein: Effizienz, Sparsamkeit, Motivation und Organisation, denn am Grundbekenntnis kann ja wohl kein Zweifel bestehen. Wer Österreich als unabhängigen Staat, wer Österreichs Neutralität bejaht, muß auch für ein einsatzfähiges Bundesheer sorgen."

Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Bundesregierung! Ich glaube, dem sollte nichts hinzuzufügen sein. Sorgen Sie für ein einsatzfähiges, für ein gut gerüstetes Bundesheer, damit die Landesverteidigung Österreichs in Zukunft aufrechterhalten werden kann! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß der im Verlaufe dieser Debatte eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl, Kier und Fraktion betreffend gesetzliche Regelungen für die Zeugen Jehovas ausreichend unterstützt ist und mit in Verhandlung steht.

Gleiches gilt für den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner, Mag. Haupt und Kollegen betreffend Aufnahme von Verhandlungen über einen Beitritt Österreichs zur NATO und zur WEU.

Auch der Antrag der Abgeordneten Scheibner und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für innere Angelegenheiten ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zum letztgenannten Mißtrauensantrag liegt ein Verlangen nach § 66 Abs. 3 vor, die Abstimmung in Form einer namentlichen Abstimmung durchzuführen. Dieses Verlangen ist ebenfalls ausreichend unterstützt, und es wird daher in diesem Sinne vorgegangen werden.

Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Ich erteile es ihm.

20.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Ofner hat in seiner Wortmeldung gemeint, es sei eine hochwertige Debatte, weil die dringliche Anfrage von den Freiheitlichen positiv angelegt und ausgeführt wird. Nach der Wortmeldung des Kollegen Schöggl, glaube ich, sollte Abgeordneter Ofner hier herauskommen und eine tatsächliche Berichtigung durchführen, denn ich sehe nicht, was da positiv oder konstruktiv sein sollte, wenn bei dieser Gelegenheit gegen den Innenminister ein Mißtrauensantrag gestellt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Kollege Scheibner! Sinngemäß hast du auch gemeint, es soll keiner der Nachredner an der Notwendigkeit dieser Dringlichen zweifeln, und ich will das auch nicht tun. Natürlich ist diese Dringliche notwendig, nur etwas anders, als Sie von den Freiheitlichen das sehen. Ich glaube nämlich, das ist der letzte taktische Versuch der Freiheitlichen, einen Keil in die Endphase der Koalitionsverhandlungen zu treiben. Taktisch vielleicht nicht schlecht angelegt, aber ihr wart schon einmal besser, zu Zeiten, als ihr noch Obersten gehabt habt. Aber Oberst Gudenus hat sich verabschiedet, und Oberst Moser hat es sich selbst gestattet, wieder denken zu dürfen. (Abg. Aumayr: ... und in Pension zu gehen!) Daher, glaube ich, daß die Taktik falsch liegt und fehlgeschlagen ist. Dieser Kampfplan, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, geht nicht auf.

Der Abgeordnete Ofner hat es auch notwendig gefunden, das Wahlergebnis zu kommentieren – natürlich nur das der anderen Parteien, das eigene nicht. Trotzdem: Es wird Ihnen nichts nützen, meine Damen und Herren! Sie werden mit diesem Wahlergebnis in der XX. Gesetzgebungsperiode leben müssen, und Sie werden mit dieser Bedeutung, die Ihnen der Wähler zugebilligt hat, 40 Mandate minus zwei, hier in dieser XX. existieren müssen und nicht mit einer


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Bedeutung, die Sie sich vielleicht durch andere Parteien erhofft haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Aber eine Meinung dürfen wir schon noch haben und äußern!)

Trotzdem ist das Thema "Sicherheit" ein diskussionswürdiges. Es ist laufend unsere Pflicht, meine Damen und Herren, an Verbesserungen der Sicherheit dieser Republik zu arbeiten. Die Betonung liegt hier auf arbeiten. Sehr viele in diesem Hohen Haus tun das, andere aber ergötzen sich einzig und allein an der Demagogie. (Abg. Dr. Krüger: Wer?) Andere! Denken Sie Ihre Interpretationen selbst!

Für uns ist die Sicherheit wesentlich mehr als die militärische Sicherheit. Der Abgeordnete Gaal hat darauf eindringlich hingewiesen, und der Herr Minister hat auch die geostrategische Position umrissen. Und diese geostrategische Position muß nüchtern und sachlich analysiert werden. Das ist unsere Aufgabe. Ich glaube, es steht doch außer Zweifel, daß sich die Bedrohungen geändert haben. Es ist heute nicht mehr das Thema, ob Panzerdivisionen versuchen könnten, möglichst rasch in den Raum München oder in den Raum Mailand vorzudringen. Wenn wir nämlich unsere geostrategische Position analysieren, so wird vielleicht ein größeres Problem entstehen. Bei einem Kippen von Rußland rechnet man mit einer möglichen Anzahl von 20 Millionen Flüchtlingen. (Abg. Kiss: Wer ist das, der damit rechnet? Unglaublich! Makaber! 20 Millionen!) – Daraus entsteht Handlungsbedarf, und zwar politischer und strategischer Handlungsbedarf.

Unser Heer ist notwendig, das ist keine Frage. Unser Heer ist in vielfacher Hinsicht notwendig. Ihre Aussage in der Begründung der Dringlichen: "Bei internationalen Leistungswettbewerben und bei UNO-Einsätzen haben sich unsere Soldaten stets bestens bewährt. Ebenso verrichtet das österreichische Bundesheer im Inland unbezahlbare Dienste: Grenzsicherung, Assistenzeinsätze und Hilfestellung im Katastrophenfall wären ohne unsere Soldaten kaum zu bewältigen. Bei allen Diskussionen über die Einsparungen sollte auch hier der volkswirtschaftliche Nutzen berücksichtigt werden." – Das kann ich nur voll unterstreichen. Es enthebt uns aber nicht der folgenden Frage – und ich zitiere weiter –: "Die Frage kann also nicht lauten, ob wir überhaupt noch Streitkräfte im klassischen Sinn brauchen, sondern welche Streitkräfte die zweckmäßigen sind, mit denen Österreich den Herausforderungen der überschaubaren Zukunft gerecht werden kann." – Das ist aus dem "Truppendienst 1/96", also ziemlich neu, verfaßt von ObstdG Karner. Immerhin ist der "Truppendienst"-Medieninhaber die Republik Österreich. – Diese Feststellung trifft den Nagel auf den Kopf. Welche Ausrüstung, welches Gerät ist am zweckmäßigsten? Dabei soll man von einer Beurteilung der Lage ausgehen und danach das Gerät auswählen und anschaffen.

Manchmal, Herr Minister, habe ich schon den Eindruck, wir machen es umgekehrt. Wir suchen uns zuerst das Gerät aus, das schön und auch nützlich ist, das gebe ich schon zu, und konstruieren uns danach die Lage.

Du hast in deiner Anfragebeantwortung auf die Artillerie hingewiesen. Du hast also hingewiesen, daß es dir gelungen ist, die Kampfkraft der Artillerie zu vervielfachen. – Es sei mir gestattet, hier von diesem Pult aus darüber zu philosophieren, ob das notwendig ist. Wozu brauchen wir bei unserer geostrategischen Lage die Artillerie? Was wollen wir damit tun? – Ich nehme doch nicht an, Herr Bundesminister, daß wir vielleicht die Artillerie gegen Flüchtlingsströme einsetzen! Mir fehlt heute ein Szenario, wo ich einen vernünftigen Auftrag für eine österreichische Artillerie sehe. Wenn du also einen Auftrag hast, wenn du einen Befehl weißt, den du einem Artilleriebataillon geben könntest, dann bitte ich, ihn mir zu sagen.

Wir brauchen aber auf alle Fälle – und das sei außer Diskussion – mechanisierte Kräfte. Es kann nicht sein – wir haben es beim Bosnien-Einsatz auch gesehen –, daß schwach bewaffnete Kräfte unsere Soldaten ausschalten. Das heißt also, Mechanisierung ist notwendig. Ich stehe voll hinter deiner Entscheidung, die Radpanzer anzukaufen. Ich hoffe, daß die ersten 68 Stück bald ausgeliefert werden, und kann mich auch mit einer Ausweitung auf 200 Stück durchaus anfreunden. Ich glaube auch, es ist effizienter und sicher sinnvoller, die Lenkwaffen – wie du es auch erwähnt hast – statt Panzerbataillone in den Gegenstoß zu schicken.


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Die Diskussion ist natürlich auch über die personelle Ausstattung unseres Heeres zu führen. Der Personalbedarf von 34 000 Mann beziehungsweise 120 000 Mann muß an den Aufgaben ausgerichtet werden. Jeder Kompaniekommandant, jeder Zugskommandant, jeder Dienstführende wünscht sich natürlich mehr Jungmänner ins Heer. Das ist verständlich, aber oft nicht erfüllbar.

Dieser personelle Wunsch dürfte auch einer der Gründe für die Freiheitlichen gewesen sein, einen Mangel in der Sicherheitspolitik zu entdecken, der dringend behoben gehört. Die Kollegen Scheibner und Haupt glauben, mit einem Entschließungsantrag so rasch wie möglich die legistischen und organisatorischen Vorbereitungen veranlassen zu können, die den Frauen den freiwilligen Dienst in Uniform in allen Bereichen des Bundesheeres ermöglichen.

Das, meine Damen und Herren, ist so dringlich, daß der Abgeordnete Gaal bereits vor einem Monat dazu seine Stellungnahme abgegeben hat. Ich möchte diese hier in Erinnerung rufen, weil sie eine Stellungnahme der Sozialdemokratie war. (Abg. Scheibner: Den Antrag haben Sie abgelehnt!)

Worauf kommt es uns bei dieser Entscheidung an? – Wir können uns grundsätzlich vorstellen, daß das Heer für Frauen geöffnet wird, wollen aber vorher einige Randbedingungen geklärt haben.

Der Wehrdienst für die Frauen soll von einer großen Mehrheit der österreichischen Frauen gewünscht werden. (Abg. Scheibner: Freiwillig!) Sicher, Herr Minister, es gibt die eine oder die andere Frau – ich komme dann noch darauf zurück –, die das will. Es gibt aber auch sehr viele, die das nicht wollen (Abg. Scheibner : Das ist ja freiwillig, Herr Kollege!), und es gibt außerdem auch sehr viele, die glauben, es wäre ein Anfang vom Müssen.

Mit dem freiwilligen Militärdienst für Frauen darf es für uns auch zu keiner Infragestellung der allgemeinen Wehrpflicht und des Milizsystems kommen. Auch das ist zu bedenken. (Abg. Scheibner: Sagen Sie das dem Einem!)

Schließlich und endlich sollen und müssen die Frauen bei einer Öffnung des Zugangs zum Heer auch in alle Führungsebenen des Bundesheeres einsteigen können.

Es gibt da sehr engagierte Frauen, eine davon ist Frau Scherzer. Ich kenne die Frau Scherzer persönlich. Sie ist aus Mistelbach, genauso wie ich. Ich kenne sie also wesentlich länger, als seit sie in der Republik berühmt wurde. Ich schätze ihr Engagement. (Abg. Scheibner: Sie will Vizeleutnant werden!) Darauf komme ich noch. Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, wie Kollege Scheibner schon erwähnt hat, Vizeleutnant zu werden. Ich habe den Eindruck, Herr Minister, daß diese Aktivitäten, zumindest teilweise, durch das Heer und das Ministerium auch gefördert wurden.

Im "Kurier" vom vergangenen Wochenende war eine lange Reportage. Darin wird behauptet, daß sie fünf Wochen lang an der Ausbildung teilgenommen hat. Nach meinen Informationen – nachdem ich das, wie gesagt, auch fast live erlebt habe – waren es 14 Tage. Trotzdem ergibt sich die Frage: Auf welcher gesetzlichen Grundlage kann die Frau Scherzer 14 Tage in Mistelbach dienen? (Abg. Scheibner: Das ist wirklich eine Frage!) – Sie hat dort auch Vergünstigungen bekommen – das ist genau das, was wir bei der Frau beim Bundesheer eigentlich nicht wollen. Der Truppenübungsplatz von Mistelbach ist ungefähr drei Kilometer von der Garnison entfernt, das geht also ein Neunzehnjähriger in 25 Minuten. Der Frau Scherzer wurde das Rückengepäck zu den Übungen am Truppenübungsplatz nachgeführt, denn der Frau Scherzer war es nicht zumutbar, dieses Rückengepäck zu tragen. (Abg. Böhacker: Das ist


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allerhand!) – Frau Scherzer wurde auch einmal angehalten, das Maschinengewehr in der Art eines MG-Schützen 2 zu tragen. Auch das hat sie abgelehnt, und zwar mit der Begründung: Dazu ist sie nicht da. Sie will schließlich und endlich Vizeleutnant werden. (Heiterkeit.)

Herr Bundesminister! Aus all dem ergibt sich schon die Frage: Welchen Status hat Frau Scherzer? (Abg. Mag. Stadler: Nomen est omen – ein Scherz!) – Etwa im Oktober ist sie hier im Parlament in Uniform herumgelaufen; Kollege Maitz und ich, wir sind mit ihr an einem Tisch gesessen. (Abg. Scheibner: Aha!) Vielleicht bin ich erzkonservativ. (Abg. Böhacker: Das ist allerhand!) Als ich selbst fünf Wochen Ausbildung hatte und das Treuegelöbnis ablegen mußte, hat es lange gedauert, bis ich überhaupt das erstemal in Uniform aus der Kaserne hinaus durfte. Aber Frau Scherzer läuft hier im Hohes Haus in Uniform herum. Da frage ich mich schon: Welchen Status hat sie?, vielleicht auch: Woher hat sie diese Uniform?

Wir glauben also, daß dieser Weg der falsche Weg für die Frauen ins Bundesheer ist. Wir wollen eine durchdachte Regelung. Wenn ich dann auch noch lese, daß Frau Scherzer ihren Beruf aufgegeben hat, bereit ist, ihr Haus zu verkaufen, nur um Frau Vizeleutnant zu werden – erwähnen möchte ich noch, daß sie drei Kinder hat –, dann meine ich: So kann es nicht gehen! (Abg. Scheibner: Seit einem Jahr haben wir das liegen, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren der Freiheitlichen! Da unserer Meinung nach diesbezüglich viel zu viele Fragen offen sind, sind wir für diese Ho-ruck-Partie, für diesen Entschließungsantrag der Freiheitlichen nicht zu haben. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Günther Platter. – Er hat das Wort.

20.28

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte diese dringliche Anfrage zum Anlaß nehmen, um zuerst ein paar Gedanken zum Verteidigungsbudget überhaupt einzubringen.

Wenn man den internationalen Vergleich zum Wehrbudget hernimmt, so liegen wir in Österreich zweifellos hinten, das braucht man nicht wegzudiskutieren. Wenn man die beliebten Prozentpunkte, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, hernimmt, so liegen wir mit 0,8 Prozent an letzter Stelle.

Ich mache kein Hehl daraus, daß ich persönlich für die Sicherheit und für den Schutz von Demokratie, Frieden und Freiheit in unserem Lande beim Wehrbudget zweifellos eine Besserstellung befürworten würde, und bezeichne den Finanzrahmen, den wir haben, als einen minimalsten. Jedoch darf man nicht vergessen, daß wir als Binnenland natürlich sehr schwer mit anderen Ländern vergleichbar sind. (Abg. Scheibner: Mit der Schweiz!) Ja, die Schweiz gibt es auch, das ist richtig. Außerdem muß man beim Vergleich des Bruttoinlandsproduktes äußerst vorsichtig vorgehen, weil Österreich natürlich trotz des dringend notwendigen Sparpakets zu den reichsten Ländern zählt und daher ein Vergleich oft sehr schwer möglich ist.

Aber trotz des Sparkurses beim Wehrbudget möchte ich auf die beachtlichen Verbesserungen im Bereich der militärischen Landesverteidigung in den letzten Jahren hinweisen. Bei gleichbleibenden Mitteln konnte zweifellos eine Reihe von Modernisierungszielen erreicht werden. Durch Einsparungen von Dienststellen und Dienstposten in den zentralen Verwaltungen sind notwendige Investitionen ermöglicht worden. Darüber hinaus ist es zweifellos gelungen, deutliche Verbesserungen für Zeitsoldaten zu erreichen, aber auch eine Verbesserung für Grundwehrdiener, indem die Entschädigung um 900 S monatlich erhöht wurde.

Außerdem ist es meiner Meinung nach ganz besonders erfreulich – wie es bereits der Herr Minister und Kollege Murauer gesagt haben –, daß beim Zivildienst eine vernünftige Lösung gefunden werden konnte, und zwar eine Lösung, der man guten Gewissens – ohne Gewissensprüfung, denn die fällt ja dann weg – zustimmen kann. Das ist zweifellos eine vernünftige Lösung, die da im Bereich des Zivildienstes angestrebt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen und Wochen ist freilich Bewegung in die Debatte über das Bundesheer gekommen, und zwar deshalb, weil der für die innere Sicherheit zuständige Bundesminister Dr. Einem seine Thesen, seine persönlichen Gedankengänge zur Verteidigungspolitik öffentlich bekanntgegeben hat.


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Ich war über diese Aussagen – das möchte ich doch hier sagen – des Innenministers zur Verteidigungspolitik, um es sehr vorsichtig auszudrücken, doch sehr überrascht. Ja, ich war eigentlich verärgert und kann diese Standpunkte zweifellos nicht teilen.

In meiner Funktion als ÖVP-Exekutivbetreuer wurde ich von vielen Kollegen kontaktiert, die den Innenminister für diese Thesen zweifellos hart kritisiert haben. Diese Kollegen – sei es beim Bundesheer, bei der Gendarmerie oder bei der Polizei – fragen sich, warum ein Innenminister gegen Sicherheitsorgane argumentiert, warum ein Innenminister die Existenz des Bundesheeres in Frage stellt und wie er die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht verlangen kann, sie fragen sich also, wie ein Innenminister solche verantwortungslosen Äußerungen überhaupt machen kann.

Die Kollegen der Exekutive kritisieren darüber hinaus, daß der Innenminister durch solche Gedankengänge das Vertrauen der Bevölkerung nicht zurückgewinnen kann, das er durch die "TATblatt"-Affäre zweifellos äußerst strapaziert hat.

Diese Kritik an den Gedankengängen, an den Thesen Einems zur Verteidigungspolitik kommt sehr massiv von der Personalvertretung, von den Gewerkschaften – sei es vom Bundesheer, Polizei oder Gendarmerie –, aber nicht nur von der Seite der Volkspartei und von den Freiheitlichen, sondern sie ist auch deutlich von der sozialdemokratischen Ecke hörbar.

Ich glaube, anstatt einen ganzen Berufsstand zu diffamieren, wäre es weitaus wichtiger, Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität zu setzen, weil wir ja wissen, daß wir dort eine Steigerung von 25 Prozent zu verzeichnen haben.

Dringender Handlungsbedarf – und das erscheint mir ganz besonders wichtig – besteht gerade im Bereich der Suchtgiftkriminalität. Wenn man sich den nun vorliegenden Sicherheitsbericht 1994 anschaut, so muß man bei den Drogenopfern eine neuerliche Steigerung von 11 Prozent feststellen. Um 11 Prozent mehr Drogentote haben wir vom Jahre 1993 auf 1994 zu verzeichnen. – Ich glaube daher, daß im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung, der Suchtgiftbekämpfung, der Reform der Stapo und dergleichen genug Betätigungsfeld für den Innenminister gegeben ist.

Zur Landesverteidigung abschließend: Es ist meiner Meinung nach ungemein wichtig, daß man das Bundesheer nicht schlechtmacht, aber auch nicht krankjammert, sondern daß man zum Bundesheer, das von der österreichischen Bundesverfassung beauftragt wurde, die Belange der militärischen Landesverteidigung zu besorgen, ganz klar und deutlich steht (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen) und daß gerade in den nächsten Jahren die vom Herrn Bundesminister Dr. Fasslabend genannten Schritte und Rahmenbedingungen im Interesse der Sicherheit unseres Landes gesetzt werden. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Er hat das Wort.

20.35

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich über die Worte des Kollegen Ofner, die er in seinem Debattenbeitrag deponiert hat, gefreut.

Eigentlich ist es ja nicht so selbstverständlich, daß ein Abgeordneter einer Partei, die eine dringliche Anfrage gegen einen Minister einbringt (Abg. Mag. Stadler: Wir bringen keine Dringliche gegen den Minister ein!) – beziehungsweise gegen die Inhalte, die der Minister zu vertreten hat –, für den Minister hier am Pult Partei ergreift. Das ist eher außergewöhnlich, und dafür sage ich danke, weil Kollege Ofner auch das Richtige getan hat. Fasslabend hat hier überzeugt, und das war das Wesentliche an diesem Tag. (Beifall bei der ÖVP.)

Verteidigungsminister Fasslabend hat – wie es zu Recht von einigen meiner Vorredner betont wurde – durchaus auch eine andere Meinung eingebracht, als sie dann die Redner der SPÖ zu


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den gesamten Fragen der Sicherheitspolitik, vor allem in bezug auf die äußere Sicherheit Österreichs deponierten. Er ist durchaus auch im Widerspruch zu dem gestanden, was in so manchen Wortmeldungen, in Zwischenrufen von Kollege Schieder gekommen ist. Aber ich glaube, daß auch das rechtens ist, daß man in einer Koalitionsregierung versucht, einen gemeinsamen Weg zu gehen, zu einem Konsens zu kommen, Ansichten zu vertreten, von denen man überzeugt ist.

Ich bin der Auffassung, daß Minister Fasslabend und mit ihm die ÖVP die agilere, die aktivere Kraft vertritt, nämlich jene, die in die Zukunft schaut, während in der SPÖ die systemimmanenten Kräfte vorzufinden sind. Wir werden uns mit unserer Linie – davon bin ich überzeugt – durchsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zu zwei Aspekten, die etwas zu kurz gekommen sind. (Abg. Schieder: Ob die NATO ein solches Zukunftsprogramm oder eher auch ein Relikt des kalten Krieges ist, sollten Sie auch überlegen!) – Kollege Schieder! Vor sechs Jahren hätten Sie das sicher noch nicht gesagt, daß einige wenige Monate später möglicherweise der Ostblock in sich zusammenstürzt und die Kommunisten den Bach hinunterschwimmen. Seien Sie also mit solchen Prognosen für die Zukunft bitte vorsichtig, Kollege Schieder! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Nowotny: Sie haben aber die Prognose aufgestellt!) – Ich habe nur die Prognose aufgestellt, daß wir die fortschrittlicheren Thesen vertreten. Kollege Nowotny! Wir alle miteinander werden den Wahrheitsbeweis ja noch erleben.

Zu zwei Bereichen, die etwas zu kurz gekommen sind, einige Anmerkungen meinerseits, gerade aus meiner Sicht als burgenländischer Abgeordneter: Das österreichische Bundesheer steht derzeit im sechsten Jahr der Grenzraumüberwachung an der EU-Außengrenze. Festzustellen ist, daß das burgenländische Element bei diesen gesamten Problemen nie zu kurz gekommen ist, weil die burgenländische Bevölkerung weiß, daß sie auf das Bundesheer angewiesen ist. Bei uns gilt das Bundesheer etwas. Bei uns ist die Bevölkerung stolz darauf, daß das Bundesheer den Grenzraum sichert und damit zum Sicherheitsgefühl beiträgt. Das soll an dieser Stelle im sechsten Jahr der Grenzraumüberwachung gesagt werden, nachdem in diesem Zeitraum durch das Bundesheer 26 417 Aufgreifungen von Illegalen stattgefunden haben. Deponieren wir das hier, vergessen wir das in dieser Debatte nicht. Das Bundesheer dient also damit auch dem inneren Schutz Österreichs. (Beifall bei der ÖVP.)

Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen alle aus den verschiedensten Bundesländern und registrieren ja, was das Bundesheer in Katastrophenfällen an Hilfseinsätzen leistet. Ich habe hier eine Aufstellung der Operationsabteilung des Bundesheeres vor mir, und da lese ich beispielsweise – wieder, um die burgenländische Facette einzubringen –: Es sind im Jahr 1994 1 870 unentgeltliche freiwillige Stunden von Bundesheersoldaten im Katastropheneinsatz im Burgenland geleistet worden.

In der Steiermark waren es sogar noch wesentlich mehr. Dort hat das Bundesheer beispielsweise bei diversen Verklausungsarbeiten, bei der Beseitigung von Windbruchschäden, bei der Beseitigung von Vermurungen insgesamt 21 263 Stunden absolviert – im Interesse der Bevölkerung, für die steirischen Menschen! (Beifall bei der ÖVP.) – In Tirol sind es 15 474 Stunden gewesen, in Salzburg 12 182. Diese Zahlen ließen sich fortsetzen.

Für all jene Maßnahmen, für die es keine andere Organisation gibt, ist das Bundesheer da. Dafür gilt unserem Verteidigungsminister, gilt unserem Bundesheer, gilt unseren Soldaten ein aufrichtiges Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe mit der Freiheitlichen Partei und dem Dank an Kollegen Ofner begonnen. Aber ich wäre nicht ich, würde ich nicht abschließend zumindest mit einem leichten Schlenzer die Freiheitliche Partei auch ein bißchen attackieren. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Kollege Schöggl hat hier in bewährter Weise – wir kennen das ja, es ist sattsam bekannt, wurde oft wiederholt und von uns immer wieder belächelt – wieder einmal einen Mißtrauensantrag eingebracht. Diesmal ist der Adressat Innenminister Einem. (Abg. Scheibner: Der Minister ist staatsgefährdend!)


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Um in der Sprache des Bundesheeres zu sprechen: Das ist ein Manöver, und sogar ein plumpes Manöver. Für Manöver dieser Art steht die ÖVP selbstverständlich nicht zur Verfügung. Wir können diesem Mißtrauensantrag natürlich nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

20.41

Präsident Dr. Heinz Fischer : Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Ich erteile ihm das Wort.

20.41

Abgeordneter Mag. Johann-Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal sei dem Abgeordneten Kiss mitgeteilt, daß wir keinen Mißtrauensantrag gegen einen Minister einbringen, der sich auf dem Boden der Verfassung dieser Republik befindet. Es ist dies nicht der erste Mißtrauensantrag, den Herr Minister Einem von uns erlebt, sondern der zweite. Ich werde Ihnen gleich in Erinnerung rufen, wie sich die Österreichische Volkspartei bei unserem ersten Mißtrauensantrag verhalten hat.

Und wir bringen schon gar keine Dringliche "gegen" einen Minister ein. Wenn Sie das Interpellationsrecht dieses Hohen Hauses aufmerksam studieren, dann werden Sie wissen, daß eine Dringliche zur Klärung bestimmter dringlicher Angelegenheiten an ein zuständiges Mitglied der Bundesregierung eingebracht wird und nicht gegen ein zuständiges Mitglied der Bundesregierung. Aber Ihre Haltung zeigt in etwa auf, wie empfindlich Sie schon auf dringliche Anfragen der Freiheitlichen reagieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! – Ich nehme nämlich nicht an, daß die linke Seite dieses Hauses heute daran denkt, sich einmal etwas intensiver mit der Problematik der Aussagen und der Problematik der Person dieses Innenministers auseinanderzusetzen. Es ist ja einer ihrer Gesinnung, er trägt ja ihre Gesinnung lupenrein! – Ich richte mich daher zunächst einmal an die Österreichische Volkspartei. Ich darf Sie daran erinnern, wie Kollege Platter, der zu den hochanständigen Vertretern der Österreichischen Volkspartei gehört, die hier auch den Mut haben ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Entschuldigung! Ich hoffe, es schadet ihm nicht, wenn ich ihn jetzt einmal lobe. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Er gehört nämlich zu jenen, die den Mut haben, hier auch zu sagen, worüber sie sich bei diesem Innenminister empören, und das auch heute, morgen und auch das nächste Mal noch tun werden und nicht wie Kollege Kiss eine 180-Grad-Wendung gegenüber der Haltung von vor der Nationalratswahl vornehmen.

Herr Kollege Platter hat zu Recht auf die "TATblatt"-Spende hingewiesen, meine Damen und Herren. Ich erinnere Sie daran: Es war die Spende eines Innenministers, dessen Aufgabe es wäre, die Polizeikräfte dieses Landes in Schutz zu nehmen vor jeder linksradikalen und linksextremen Szene, die sich regelmäßig mit der Polizei prügeln möchte. – Lediglich heuer beim Opernball waren sie ein bisserl harmloser. – Aber dieser Innenminister hat aus der privaten Tasche für diese "TATblatt"-Szene gespendet, weil es ihm ein Anliegen ist, daß die radikalen, extremen und gewaltbereiten Gedanken, die in dieser "TATblatt"-Szene vertreten und über das "TATblatt" unter die Leute gebracht werden, auch tatsächlich gefördert werden und unter die Leute kommen.

Ich erinnere Sie daran, daß im Zuge dieser Debatte seinerzeit im Mai des vergangenen Jahres offenkundig wurde, wie die Verflechtung des Innenministers Caspar von Einem – ich nenne ihn so, denn im Grundbuch läßt er sich mit dem Adelsprädikat führen –, wie weit zurück diese Verflechtung des Herrn von Einem mit der Terrorszene reicht, nämlich bis in seine Kommunen Friedersbach und Waldhäusel im Waldviertel, wo RAF-Leuten Unterschlupf gewährt wurde, wobei sich dann weiters herausgestellt hat, daß dieser Innenminister mit einem der beiden getöteten Attentäter von Ebergassing in persönlichem Kontakt, und zwar in mehrfachem persönlichen Kontakt, gestanden ist.

Ich erinnere Sie daran, daß dieser Innenminister Caspar von Einem es nach dem Anschlag in Ebergassing tagelang geleugnet hat, daß es einen politischen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und der Täterschaft gegeben hat. Tagelang hat er das geleugnet! Und er hat tagelang


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im Wissen um die Täter und im Wissen darum, daß diese Täter ihm persönlich zumindest zum Teil bekannt sind, die Namen dieser Attentäter verschwiegen, weil er nicht wollte, daß die Öffentlichkeit über diese Dinge erfährt.

Ich erinnere Sie daran, daß dieser Innenminister es ermöglicht hat, daß der gesuchte dritte Attentäter, Bassam al Thaher, untertauchen konnte, wobei der Herr Innenminister in einer beispiellosen Desinformationskampagne versucht hat, mich dafür verantwortlich zu machen, daß dieser Mann bereits 13 Tage vor meiner Pressekonferenz ins Ausland abhauen konnte. Ich erinnere Sie daran, daß dieser Innenminister im Wissen darum, daß dieser Mann schon 13 Tage vorher weg war, versucht hat, in der Öffentlichkeit mit gezielten Falschbehauptungen von den tatsächlichen Umständen abzulenken.

Ich erinnere Sie daran, daß dieser Innenminister von seinen eigenen linken Freunden in der Szene beschuldigt wurde, daß sie zur Entlastung des Innenministers, weil er in Schwierigkeiten war, einen Täter hätten herbeischaffen sollen, der gar nicht der echte Täter hätte sein müssen, man hätte nur für die Öffentlichkeit einen "Täter" gebraucht.

Meine Damen und Herren! Das Ganze hat er über seine linken Szenen-Freunde inszeniert, etwa über den Rechtsanwalt Prader, den ehemaligen grünen Mandatar, der als anwaltlicher Vertreter von kurdischen Terroristen bekannt ist, der bekannt dafür ist, daß er einen Dev-Sol-Aktivisten – Dev-Sol ist eine terroristische, kommunistische Organisation in der Türkei – verteidigt hat, der mit der Ebergassinger Attentäter-Szene wiederum in direktem Kontakt gestanden ist, meine Damen und Herren. – All das ist nachzulesen in der Strafanzeige des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich an die Staatsanwaltschaft in Wien.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie daran, daß der Herr Innenminister über diesen Anwalt und über den sehr obskuren Journalisten Purtscheller versucht hat, einen "Täter" herbeischaffen zu lassen, um sich in der Öffentlichkeit entlasten zu können!

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Ich erinnere Sie daran, daß erst vor wenigen Wochen der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, und zwar zum zweiten Mal, öffentlich beklagt hat, daß man der Polizei bei der Aufklärung der Briefbombenattentate ideologische Scheuklappen angelegt hat. – Dafür ist dieser Innenminister verantwortlich, dem Sie heute die Stange halten wollen, dem Sie heute zum zweiten Mal die Stange halten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie werden damit direkt für das Versagen des Ministers und für die skandalösen Umstände und Ereignisse, die sich rund um den Herrn Innenminister Caspar von Einem zutragen, mitverantwortlich! Sie tragen die politische Mitverantwortung, ob es Ihnen paßt oder nicht. Wer diesem Innenminister zweimal die Stange hält, hat jedes Recht verspielt, gegen diesen Innenminister in der Öffentlichkeit aufzutreten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Besonders bedeutsam und bezeichnend war deswegen heute die Rede des Abgeordneten Kiss, die ich mit größter Aufmerksamkeit verfolgt habe. Dieser Abgeordnete Kiss geniert sich überhaupt nicht für seine 180-Grad-Wendungen, die nicht sensationeller sein könnten! (Abg. Haigermoser: Er dreht eine Pirouette!)

Meine Damen und Herren! Drei Tage vor der Nationalratswahl, am 14. Dezember 1995, gab Abgeordneter Kiss eine Pressekonferenz. Er kritisierte dort zu Recht – ich zitiere Sie, Herr Kollege – "das skandalöse Vorgehen des Innenministers, der durch Weisung dafür gesorgt hat, daß die bereits durch den OGH als terroristisch festgestellte Organisation der Kurden, die PKK, und ihre Tochterorganisation, der ERNK, die das besondere Wohlwollen der Sozialisten genießt, nicht mehr observiert werden".

Meine Damen und Herren! Die Begründung dafür war, daß man weitere Nachforschungen einstelle, bis es weitere Terroranschläge gibt, die sich eindeutig auf dieses Büro zurückführen lassen. – Das heißt, man muß in Österreich ordentlich Bomben legen und ordentliche Terroranschläge verüben, bis der Innenminister wieder auf die Idee kommt, terroristische Organisationen, die der OGH bereits in Urteilen als solche festgestellt hat, der polizeilichen Observation zu unterziehen.


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Damit erfüllt der Innenminister nach Aussage des Abgeordneten Kiss in seiner Pressekonferenz vom 14. 12. des Vorjahres den Tatbestand des Amtsmißbrauches nach § 302 StGB. – Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt wortwörtlich aus der entsprechenden Pressenotiz zitiert. Ich habe sie hier.

Herr Abgeordneter Kiss verlangt folgerichtig, daß die Staatsanwaltschaft die Verfolgung des Innenministers wegen des Verdachtes der Begehung strafbarer Handlungen aufnimmt, meine Damen und Herren! – Das muß man sich vor dem Hintergrund dessen, was er heute gesagt hat, wirklich auf der Zunge zergehen lassen. In diesem vom Abgeordneten Kiss verfaßten Presseblatt heißt es – ich zitiere –: "Die einzig sinnvolle Lösung erscheint daher sein sofortiger Rücktritt." – Ende des Zitates, meine Damen und Herren.

Und dieser Mann geht heute hier heraus und erklärt dem Hohen Haus, daß man den Innenminister halten müsse, daß man den Mißtrauensantrag gegen den Innenminister aus Koalitionsräson abschmettern müsse! Drei Tage vor der Nationalratswahl spricht er von Rücktritt, Amtsmißbrauch und Strafverfolgung gegen Caspar von Einem, einige Wochen nach der Nationalratswahl, weil gerade eine Regierungsbildung stattfindet, fordert er hingegen dazu auf, ihm die Stange zu halten und den freiheitlichen Mißtrauensantrag abzulehnen, und zwar zum zweiten Mal.

Herr Abgeordneter Kiss! Sie sollten sich langsam fragen, ob Sie überhaupt noch vom Wähler ernst genommen werden wollen! Ich frage Sie: Für wie dumm wollen Sie den Wähler verkaufen, Sie und alle in der Österreichischen Volkspartei? – Sie schimpfen bei jeder Versammlung wie die Rohrspatzen über diesen Innenminister! Ich habe das selbst von ÖVP-Abgeordneten erlebt, wie sie sogar in den Medien über ihn geschimpft haben. Der Innenminister war der Lieblingsreibebaum der ÖVP-Abgeordneten. – Nach der Wahl hingegen geht man her und hält diesem Innenminister die Stange und weist zum zweiten Mal einen Mißtrauensantrag der Freiheitlichen ab, meine Damen und Herren! Können Sie sich noch in den Spiegel schauen? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie werden erleben, daß wir Ihnen und den Wählern diesen Mißtrauensantrag – deshalb haben wir auch eine namentliche Abstimmung verlangt – immer wieder unterbreiten werden als Beweis für die Doppelbödigkeit und die Doppelzüngigkeit der Österreichischen Volkspartei, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie dürfen sich außerdem darauf verlassen, daß dieser Innenminister Caspar von Einem in Verbindung mit Ihrem kläglichen Versagen für uns Gold wert ist. Er ist für uns Gold wert! Dieser Innenminister auf der Regierungsbank ist unter diesem Gesichtspunkt für uns unbezahlbar. Halten Sie ihn weiter, er ist für uns unbezahlbar! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen auch, warum: Denn dieser Innenminister wird Ihnen jedes halbe Jahr einen ordentlichen Korken liefern, und wir werden Ihnen nach jedem ordentlichen Korken bei seinen eigenartigen und obskuren Kontakten in die Szene einen neuen Mißtrauensantrag präsentieren! (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Sie werden nach jedem ordentlichen Korken über den Innenminister schimpfen, wie etwa der ehemalige Innenminister Löschnak, der gesagt hat, daß die wehrpolitischen Aussagen des Innenministers Schwachsinn sind, oder wie der Minister für Verteidigung, der sagt, daß das staatsgefährdend ist. – Es ist aber offenbar nicht so staatsgefährdend, daß man einen Mißtrauensantrag gegen den Innenminister unterstützt!

Dieser Innenminister wird Ihnen jedes halbe Jahr die Peinlichkeit aufzwingen, daß Sie sich schützend vor ihn stellen müssen! Meine Damen und Herren! Sie tun mir aber überhaupt nicht leid: Schimpfen Sie nicht gegen den Innenminister, wenn Sie ihn halten wollen! Aber wenn Sie schimpfen, dann servieren Sie ihn auch ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Das wäre politische Haltung – falls Sie wissen wollen, was die Österreichische Volkspartei zu tun hätte, um überhaupt noch ernst genommen zu werden!


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Meine Damen und Herren! Ich fordere Sie auf, wenn Sie Ihre eigene Politik gegen Herrn von Einem ernst nehmen, wenn Sie sich selbst ernst nehmen und wenn Sie Ihre eigenen Minister ernst nehmen, die von Staatsgefährdung reden – zumindest einige wenige Anständige unter Ihnen, lieber Herr Kollege Platter! –, sich doch endlich einmal ein Herz zu fassen und sich nicht vergattern zu lassen ... (Abg. Dr. Maitz: Sie werden nicht bestimmen, wer anständig ist!) Sie habe ich nicht gemeint! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz. ) Hören Sie zu, Herr Kollege Maitz! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Maitz! Jetzt bitte ich um Fraktionsdisziplin! Ihr Klubobmann hat gestern gesagt: Wenn der Stadler redet, dann macht keine Zwischenrufe, sondern laßt ihn abstinken! – Halten Sie sich an das, was Ihr Klubobmann gesagt hat, meine Damen und Herren! Halten Sie sich daran! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Sonst ist Ihnen Andreas Khol böse, sonst werden Sie noch weiter zurück versetzt. Es gäbe noch weiter hinten einen Platz für Sie, meine Damen und Herren! (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.) Halten Sie sich an die Fraktionsdisziplin!

Halten Sie sich aber nicht an die Fraktionsdisziplin, wenn es heute darum geht, diesem Innenminister das Mißtrauen auszusprechen! Fassen Sie sich ein Herz! Fühlen Sie sich dem Wähler und nicht Herrn Khol verpflichtet, geben Sie dem freiheitlichen Mißtrauensantrag Ihre Unterstützung, und sprechen Sie Herrn von Einem Ihr Mißtrauen aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Es liegen Anträge vor. Ich bitte, die Plätze einzunehmen!

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung , die ich über jeden Antrag getrennt vornehme.

Wir gelangen als erstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für das österreichische Bundesheer.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen als nächstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen betreffend Setzung von Maßnahmen, um Frauen den freiwilligen Dienst im Bundesheer zu ermöglichen.

Auch hier darf ich bitten, daß jene Damen und Herren, die mit diesem Antrag einverstanden sind, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen als nächstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl, Dr. Volker Kier und Genossen betreffend gesetzliche Regelungen für die Zeugen Jehovas.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit diesem Antrag einverstanden sind, um ein Zeichen. – Dies ist gleichfalls die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit den Vertragspartnern des Nordatlantikvertrages über einen Beitritt Österreichs zur NATO sowie mit den Vertragspartnern des WEU-Vertrages über einen Beitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union.

Ich bitte auch hier jene Damen und Herren, die für diesen Antrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.


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8. Sitzung / Seite 157

Schließlich stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Herrn Bundesminister für innere Angelegenheiten gemäß Artikel 74 Abs. 1 der Bundesverfassung.

Da zu einem solchen Beschluß des Nationalrates nach Art. 74 Abs. 2 die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich zunächst fest, daß dieses Quorum gegeben ist.

Weiters ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Dieses Verlangen ist von 20 Abgeordneten unterstützt, und es ist daher so vorzugehen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in Ihren Pulten und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja" – das sind graue Stimmzettel – und "Nein" – das sind die rosafarbenen. Ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel sind für die Abstimmung gültig.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem Mißtrauensantrag zustimmen, "Ja"-Stimmzettel abzugeben, und jene, die den Mißtrauensantrag ablehnen, "Nein"-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Ludmilla Parfuss, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Jakob Auer wird sie zu gegebener Zeit ablösen. – Bitte, Frau Schriftführerin. (Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Parfuss und den Schriftführer Auer werfen die Abgeordneten den Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Schriftführerin und dem Herrn Schriftführer.

Alle haben ihre Stimme abgegeben, damit erkläre ich die Stimmabgabe für beendet.

Die Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen. – Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 21.08 Uhr unterbrochen und um 21.13 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinrich Neisser (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Es wurden 158 Stimmen abgegeben; davon waren 34 Ja-Stimmen und 124 Nein-Stimmen.

Der Antrag ist somit abgelehnt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Namen der Abgeordneten werden unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Aumayr;

Bauer Holger, Blünegger, Böhacker;

Dolinschek;

Graf, Grollitsch;

Haigermoser, Haller, Haupt, Höbinger-Lehrer, Hofmann;

Koller, Krüger;


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8. Sitzung / Seite 158

Lafer;

Madl, Meisinger, Mentil;

Ofner;

Partik-Pablé, Povysil, Preisinger, Pumberger;

Reichhold, Rosenstingl, Rossmann;

Salzl, Scheibner, Schöggl, Schöll, Stadler;

Trattner, Trenk;

Wenitsch.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Anschober, Antoni, Auer;

Barmüller, Bartenstein, Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Brader, Brix, Buder, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Ditz, Donabauer;

Eder, Ederer, Edler, Elmecker;

Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Fischer, Freund, Frischenschlager, Fuhrmann;

Gaal, Gartlehner, Gatterer, Gehrer, Grabner, Gradwohl, Großruck, Guggenberger;

Hagenhofer, Haidlmayr, Haselsteiner, Heindl, Hlavac, Horngacher, Hostasch, Huber, Hums;

Jäger;

Kaipel, Kaufmann, Keppelmüller, Khol, Kier, Kiermaier, Kiss, Klima, Konrad, Kopf, Koppler, Kostelka, Krammer, Kräuter, Kröll, Kummerer, Kurzbauer;

Lackner, Leikam, Leiner, Lukesch;

Maitz, Marizzi, Mertel, Mock, Molterer, Moser Sonja, Motter, Müller;

Neisser, Neugebauer, Niederwieser, Nowotny, Nürnberger;

Oberhaidinger, Onodi;

Parfuss, Parnigoni, Peter, Petrovic, Platter, Posch, Puttinger;

Rada, Rasinger, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riepl;

Schaffenrath, Schieder, Schlögl, Schmidt, Scholten, Schrefel, Schuster, Schwarzenberger, Schwemlein, Schwimmer, Seidinger, Sigl, Silhavy, Stampler, Steibl, Steindl, Stoisits, Stummvoll;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wabl, Wallner, Wimmer, Wurm, Wurmitzer.

*****


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8. Sitzung / Seite 159

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Rudolf Anschober, Mag. Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend chaotische Zustände in der Elektrizitätswirtschaft am Beispiel Lambach (183/J)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 183/J. Diese Anfrage wurde ebenfalls an alle im Saal befindlichen Abgeordneten verteilt. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich daher.

Die dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Chaos in der Elektrizitätswirtschaft: Der energiewirtschaftlich völlig unnotwendige Bau des Kraftwerks Lambach an der Traun durch die Oberösterreichische Kraftwerke AG (OKA) ist ein Zeichen für das Chaos und die fehlende Koordination in der österreichischen Elektrizitätswirtschaft. Obwohl die Verbundgesellschaft (VG) mit erheblichen Stromüberschüssen kämpft, bauen die Landesversorger munter weiter Kraftwerke. Da aber der Stromabsatz der Landesversorger stagniert, wird statt dessen der Strombezug von der Verbundgesellschaft weiter reduziert, womit sich die dortige Überschußsituation noch weiter verschärft. Die Kraftwerke der Verbundgesellschaft stehen zunehmends still beziehungsweise arbeiten zu Schleuderpreisen für den Export – beides kann aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll sein. Der Wirtschaftsminister muß daher endlich die ihm zustehende Koordinierungskompetenz wahrnehmen.

Yes, Minister! Zwischen Verbundgesellschaft und Landesversorgern tobt ein Wirtschaftskrieg zum Schaden der heimischen Volkswirtschaft. Doch die Öffentlichkeit soll davon nichts erfahren. "Der Minister hat uns gebeten, unseren Kampf nicht in der Öffentlichkeit auszutragen", appellierte Verbundvorstand Dr. Herbert Schröfelbauer erst vor wenigen Tagen an die Verschwiegenheit seiner Branchenkollegen. Auch der zuständige Sektionsleiter im Wirtschaftsministerium, SC Dr. Bruno Zluwa, ist in Fragen der Elektrizitätswirtschaft ein scheues Reh: "Über die Energieorganisation spreche ich nur mit meinem Minister – und sonst niemand!" Womit Verbundvorstand Schröfelbauer und SC Zluwa in der Branche sicher auf Verständnis stoßen, denn allzuviel Öffentlichkeit war unter den Monopolisten noch nie gefragt.

Koordination der Kraftwerksbauten durch den Wirtschaftsminister: Um eine Koordination der Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu gewährleisten und um volkswirtschaftliche Schäden zu vermeiden, wird der Bundesregierung beziehungsweise dem Wirtschaftsminister im Elektrizitätswirtschaftsrecht (2. Verstaatlichungsgesetz) eine koordinierende Kompetenz beim Bau von Großkraftwerken eingeräumt. Aufgrund der bestehenden Überkapazitäten und der negativen Auswirkungen weiterer paralleler Kraftwerksausbauten muß der Wirtschaftsminister von dieser Kompetenz Gebrauch machen. Als dringlicher erster Schritt zur unmittelbaren Schadensbegrenzung ist der OKA die Berechtigung zum Bau des Wasserkraftwerks Lambach zu entziehen. Daß es sich bei Lambach um ein "Großkraftwerk" im Sinne des 2. Verstaatlichungsgesetzes handelt, wird auch indirekt immer wieder vom oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer betont, der ständig stolz darauf hinweist, daß Lambach unter den 1 600 österreichischen Laufkraftwerken zu den 100 größten zählt.

Dramatische Überkapazitäten: Daß in Österreich erhebliche (und teure) Überkapazitäten bei der Strombereitstellung bestehen, ist offensichtlich. Erst vor kurzem bekräftigte Verbund-Vorstandsdirektor Hans Haider, daß es " ... im Moment aber sicher so (ist), daß wir keinen weiteren Kraftwerksbedarf haben". Die Verbundgesellschaft sieht sich insbesondere in den Sommermonaten gezwungen, überschüssigen Strom aus Wasserkraftwerken zu Billigsttarifen auf den internationalen Spotmärkten zu verschleudern. Kein Wunder, daß die Draukraft AG, eine Tochtergesellschaft der Verbund, vor wenigen Tagen auf den Ausbau der Oberen Drau endgültig verzichtet hat.

Exportstützung für Strom aus Lambach: Im Jahr 1995 lag der österreichische Exportüberschuß bei Strom bei 2 455 Millionen kWh. Das ist die 34fache Energiemenge des Kraftwerkes Lambach (71 Millionen kWh.) Aufgrund der europaweiten Überkapazitäten sind die Erlöse, die mit dem Stromexport erzielt werden können, denkbar gering. Nach Aussagen der Verbundge


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sellschaft kann auf den internationalen Spotmärkten ein Preis von 20 bis 25 Groschen/kWh erzielt werden. Da der Bau des Kraftwerks Lambach den sommerlichen Stromüberschuß weiter verschärfen würde, müßte mehr Strom ins Ausland exportiert werden, will man das Wasser nicht ungenutzt über die Wehr laufen lassen. Die Differenz aus den Gestehungskosten in Lambach (etwa 75 Groschen) und Exporterlös (etwa 20 bis 25 Groschen) würde jedoch eine Art "Exportstützung" notwendig machen, die von den österreichischen Stromkunden zu finanzieren wäre.

Stagnierender Stromverbrauch: Die bestehenden Überkapazitäten im österreichischen Kraftwerkspark sind die Folge einer bis zuletzt überzogenen Investitionstätigkeit der Elektrizitätsversorgungsunternehmen aufgrund zu "optimistischer" Stromverbrauchsprognosen. Seit Anfang der neunziger Jahre stagniert der Stromverbrauch in Österreich. Im Bereich der öffentlichen Elektrizitätsversorgung stieg der Absatz zwischen 1991 und 1995 nur mehr um bescheidene 1,7 Prozent. 1992 und 1994 sank der Stromverbrauch jeweils gegenüber dem Vorjahr sogar um 1,7 Prozent beziehungsweise 0,3 Prozent. 1993 und 1995 stieg der Verbrauch um 0,7 beziehungsweise 3 Prozent auf zuletzt 43 909 Millionen kWh (ohne Pumpspeicherung).

Unrealistische Verbrauchsprognosen: Doch man könnte meinen, die Elektrizitätsversorger – und insbesondere die Landesversorger – haben aus den überhöhten Stromprognosen der achtziger Jahre nichts gelernt. In der "Koordinierten Planung 1995" legen die Elektrizitätsversorger ihren Ausbauplänen trotz Stagnation des Stromverbrauchs im Bereich der öffentlichen Versorgung einen deutlich überhöhten jährlichen Verbrauchszuwachs von 2,2 Prozent in den nächsten zehn Jahren zugrunde. Und das, obwohl bereits in der Periode 1980 bis 1989 der durchschnittliche jährliche Stromverbrauchszuwachs nur mehr 2,7 Prozent betrug.

Kraftwerksbau nach Eigeninteressen: Die Vorlage einer gemeinsamen "Koordinierten Planung" der Elektrizitätsversorgungsunternehmen ist somit – wie die Vergangenheit und Lambach zeigen –, keine Garantie, daß es zu einer volkswirtschaftlichen Optimierung des Kraftwerksbaus kommt. Die "Koordinierte Planung" besitzt auch keine rechtliche Relevanz.

In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom 6. September 1995 (1631/AB) teilte Wirtschaftsminister Johannes Ditz dazu mit: "Die ,Koordinierte Planung 1995’ ist eine Planungsgrundlage eines Wirtschaftszweiges, die aufgrund eigener Bedarfs- und Deckungsszenarien erstellt wurde. Weder die Bundesregierung noch der Wirtschaftsminister ist befugt, in irgendeiner Weise einzugreifen, Vorgaben zu machen oder das Programm zu genehmigen oder abzulehnen." Da die Elektrizitätswirtschaft den Kraftwerksbau nicht volkswirtschaftlich optimiert, sondern Eigeninteressen vorherrschen, ist die koordinierende Hand der Politik gefordert. Nimmt jedoch Wirtschaftsminister Ditz auch weiterhin seine Kompetenzen im Rahmen des 2. Verstaatlichungsgesetzes nicht wahr, so drohen aufgrund der suboptimalen Abstimmung der Kraftwerksbauten und der überzogenen Stromprognosen weitere milliardenschwere Fehlinvestitionen, die von den österreichischen Stromkunden zu zahlen sein werden.

Rückläufiger Stromabsatz der OKA: Besonders "dramatisch" ist die Bedarfsentwicklung in Oberösterreich, wo die OKA seit Jahren mit rückläufigem Stromabsatz "kämpft". Nach einem Höchststand im Jahre 1991 sank die OKA-Stromabgabe kontinuierlich bis 1994 um etwa 4 Prozent. Verursacht wird diese Entwicklung vor allem durch den industriellen Strukturwandel und die zunehmende Eigenproduktion von Strom in Industrieunternehmen. In den nächsten Jahren wird sich dieser Trend fortsetzen, da weitere Industrieunternehmen – etwa die VOEST Linz – große Eigenerzeugungsanlagen (Cogeneration-Anlagen) in Betrieb nehmen werden.

Chauvinistische Energiepolitik zum Schaden Österreichs: Trotz der rückläufigen Stromabgabe und der zunehmenden Eigenerzeugung elektrischer Energie hält die OKA am Kraftwerk Lambach fest. Das eigentliche Motiv für den weiteren Kraftwerksausbau ist nicht die "Reduktion der Auslandsabhängigkeit", wie Landeshauptmann Pühringer fälschlicherweise immer wieder behauptet, sondern die Reduktion des Strombezugs der OKA von der VG. Ziel der OKA ist es, den derzeitigen Verbundstromanteil von 50 Prozent auf ein Drittel zu reduzieren. Dazu ist im naturschutzrechtlichen Bescheid zum Kraftwerk Lambach zu lesen: "Es (ist) eines der wesentlichen Unternehmensziele der OKA; die über Jahrzehnte gehaltene Fremdbezugsquote von rund 1/3 wieder zu erreichen." Da aber die VG bereits jetzt erhebliche Stromüberschüsse


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aufweist, entsteht durch eine derartige chauvinistische Energiepolitik ein erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden, den der Wirtschaftsminister durch Wahrnehmung seiner Kompetenzen zu verhindern hat.

Wasserkraftüberschuß in Oberösterreich: Wie es tatsächlich um die "Auslandsabhängigkeit" Oberösterreichs bei elektrischer Energie bestellt ist, zeigt ein simpler Vergleich. 1993 betrug allein die Stromerzeugung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen aus oberösterreichischen Wasserkraftwerken 9 964,4 Millionen kWh. Der gesamte Stromabsatz im Bereich der öffentlichen Versorgung betrug in Oberösterreich hingegen nur 7 562,8 Millionen kWh. Oberösterreich weist damit eine Überdeckung des Stromabsatzes allein durch Wasserkraft (ohne kalorische Kapazitäten) um 32 Prozent (!) auf. Doch der Preis für diese Überschußsituation ist hoch: Oberösterreich weist bereits einen Ausbaugrad der Fließstrecken von 91,4 Prozent auf.

Zerstörung einer der letzten freien Fließstrecken: Das Wasserkraftwerk Lambach ist aus energiewirtschaftlicher Sicht nicht nur unnotwendig, sondern auch mit umfangreichen Naturzerstörungen der Trauauen verbunden. Im naturschutzrechtlichen Gutachten ist zu lesen: " ... das bedeutendste derartige Ökosystem in Oberösterreich ... hier auftretende Tierarten sind bedroht und in ihrem Bestand gefährdet ... Der Erhalt eines derartigen Fließgewässerabschnitts, der noch einer weitgehend unbeeinflußten Dynamik unterliegt, besitzt daher große Bedeutung ... die Errichtung der Staustufe Lambach (muß) aus naturschutzfachlicher Sicht abgelehnt werden ...".

Entzug der Verfahrenskompetenz: Um trotz dieses negativen Gutachtens den Bau des Kraftwerks zu ermöglichen, hat Landeshauptmann und Eigentümervertreter Josef Pühringer der zuständigen oberösterreichischen Naturschutzlandesrätin Barbara Prammer gegen ihren Willen die Verfahrenskompetenz entzogen und einen positiven naturschutzrechtlichen Bescheid erstellen lassen. Einer VwGH-Prüfung würde dieser Bescheid nicht standhalten, doch eine Beeinspruchung ist nicht möglich. Naturschutzaspekte sprechen somit eindeutig gegen den Bau des Kraftwerks. Doch die Bundesregierung hat es auch diesbezüglich verabsäumt, klare Worte gegen den Bau dieses unsinnigen Kraftwerks zu finden. Auch Umweltminister Martin Bartenstein hält es offenbar nicht für notwendig, sich eindeutig gegen die Zerstörung dieser einzigartigen Fluß- und Aulandschaft auszusprechen. Er hat damit jegliche Glaubwürdigkeit als Umweltminister eingebüßt.

Lambach ist unwirtschaftlich: Lambach ist nicht nur unnotwendig und naturzerstörend, sondern auch als Einzelprojekt unwirtschaftlich. Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen kämen deutlich günstiger. Die aktuelle Studie "Least-Cost-Planning in Österreich" der Energieverwertungsagentur (E.V.A.) und des Wifo zeigt, daß in Österreich Energiesparpotentiale in der Höhe von zumindest 5 600 Millionen kWh bestehen, deren Nutzung wirtschaftlich günstiger käme als der Bau weiterer Kraftwerke. Die Strommenge des Kraftwerks Lambach könnte somit deutlich umweltfreundlicher – und billiger – bereitgestellt werden, wenn lediglich 1,3 Prozent dieses Energiesparpotentials genutzt werden würde.

Windkraft statt Wasserkraft: Die Kosten alternativer Energieerzeugungsformen – insbesondere jene von Windkraftanlagen – sind inzwischen so weit gesunken, daß sie mit Wasserkraftprojekten wie jenes in Lambach bereits konkurrieren können. Im burgenländischen Zurndorf ist beispielsweise ein Windpark mit einer Leistung von 6 Megawatt in Planung, der bei einem Investitionsaufwand von 90 Millionen Schilling jährlich eine Energiemenge von 10 Millionen kWh "ernten" wird. Umgelegt auf die Größe von Lambach heißt dies, daß heute bereits mit Investitionen von 630 Millionen Schilling in Windkraftanlagen die gleiche Energiemenge wie in Lambach, bei annähernd gleichen Investitionskosten (Lambach: 600 Millionen Schilling), erzeugt werden kann. Doch die Windkraft besitzt einen entscheidenden weiteren Vorteil. Strom aus Windkraftanlagen fällt überwiegend im Winterhalbjahr an, jener von Wasserkraftanlagen überwiegend im Sommer. Windkraftanlagen wären somit eine ideale Ergänzung zu den bereits bestehenden Wasserkraftanlagen. Ein weiterer Ausbau der Wasserkraft würde hingegen nur die sommerlichen Stromüberschüsse weiter verschärfen.

Diskriminierung der Alternativenergien: Doch der Wirtschaftsminister ist auch hinsichtlich der notwendigen Rahmenbedingungen für Alternativenergien untätig. Obwohl vor Jahren ein Pilot


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programm für die Markteinführung von Windkraftanlagen versprochen wurde (siehe Energiebericht 1993 der Bundesregierung), ist nichts geschehen. Im Gegenteil: Die derzeitige Regelung der Einspeisetarife von Strom aus Windkraftanlagen ins öffentliche Netz ist äußerst unbefriedigend und muß als prohibitiv eingestuft werden. Anstatt seine Kompetenzen wahrzunehmen und attraktive Einspeisetarife zu verordnen, die der Diskriminierung von Windkraftanlagen durch die meisten Elektrizitätsversorgungsunternehmen ein Ende bereiten würde, hat der Wirtschaftsminister seine Kompetenzen an die Landeshauptleute delegiert und mit der Elektrizitätswirtschaft lediglich ein freiwilliges Übereinkommen zur "Förderung" unter anderem von Windkraftanlagen abgeschlossen. Dieses Übereinkommen, das jedoch in seiner restriktiven Ausgestaltung ("Förderung" von Anlagen mit maximal 1 MW Leistung, "Förderung" auf drei Jahre begrenzt, Anlage muß primär der Eigenversorgung dienen, et cetera) kaum eine Verbesserung darstellt, läßt jedenfalls beispielhaft den wahren energiepolitischen Geist erkennen, der im Wirtschaftsministerium bei Alternativenergien offenbar noch immer vorherrscht.

Energiepolitik gescheitert: Die eklatanten Mängel der Energiepolitik des Wirtschaftsministers und seines Vorgängers Wolfgang Schüssel haben Umweltminister Martin Bartenstein vor wenigen Wochen zu der für ihn mutigen Aussage bewogen, Österreichs Energiepolitik sei gescheitert. Österreich muß nach den Worten von Minister Bartenstein in der Energiepolitik völlig neue Wege gehen, "die bisherigen Maßnahmen zur Einsparung von Energie reichen nicht aus, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen."

Vorbild Dänemark: Ein energiepolitisches Vorbild könnte Dänemark sein. Dort ist es gelungen, den Gesamtenergiebedarf zwischen 1980 und 1992 um 0,6 Prozent zu senken, während er in Österreich im gleichen Zeitraum um 10,4 Prozent gestiegen ist. Dänemark kann aber auch Vorbild im Hinblick auf die Koordination der Elektrizitätswirtschaft und die Nutzung der Stromsparpotentiale sein. 1994 wurde das Prinzip des Least-Cost-Plannings verbindlich in der Elektrizitätswirtschaft eingeführt. In zweijährigen Abständen muß nun ein Integrierter Ressourcenplan erstellt werden, mit dem leitungsgebundene Energieträger abgestimmt und Sparpotentiale erschlossen werden.

Energie-Koordinierungsbehörde notwendig: Die Ereignisse um Lambach haben offenbar auch bei Bundeskanzler Franz Vranitzky die Einsicht reifen lassen, daß es um die Koordination der Elektrizitätswirtschaftsunternehmen in Österreich nicht optimal bestellt ist. "Ich bin überzeugt, daß generell eine bessere Abstimmung der Energiegesellschaften untereinander notwendig wäre", führte Vranitzky erst kürzlich aus. Vranitzky greift damit eine langjährige Forderung der österreichischen Umweltbewegung auf und schlägt " ... eine unabhängige Behörde zur Energiekoordination vor, die die Koordination der Ausbauprogramme, die Vergabe der Konzessionen, die Entscheidung über neue Kapazitäten ..." übernehmen könnte. Ergänzend zu den Vorschlägen von Kanzler Vranitzky ist zu fordern, daß die unabhängige Koordinierungsbehörde Kraftwerksbauten nur dann ausschreibt und gestattet, wenn keine günstigere Möglichkeit zur Bereitstellung der Energie durch Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen vorhanden ist.

Energiepolitik ist mehr als der Bau von Wasserkraftwerken: Trotz der offensichtlichen Defizite des Schüssel-Ditz-Kurses in der Energiepolitik der vergangenen Jahre hat Österreich gute Voraussetzungen für eine moderne, zeitgemäße Energiepolitik. Die enormen Energiesparpotentiale bieten ein breites Gebiet für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Auch abseits der Wasserkraft besteht in Österreich ein großes Angebot in alternativen, erneuerbaren Energiequellen, die genutzt werden könnten, ohne die letzten freien Fließstrecken unserer Flüsse zu ruinieren. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten müssen jedoch erst unter Beweis stellen, daß sie in der Lage sind, sich zum Wohle Österreichs vom Gängelband der etablierten Energieversorgungsunternehmen zu lösen und eine moderne, ökologisch orientierte Energiepolitik zu gestalten.

Aufgrund der anstehenden, dringend notwendigen Entscheidungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten im Hinblick auf den Bau des Kraftwerks Lambach stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende


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dringliche Anfrage:

1. Verbund-Vorstand Herbert Schröfelbauer und andere Vertreter der Elektrizitätswirtschaft sprechen von einem "Kampf" zwischen den Unternehmen.

Was werden Sie unternehmen, um diesen "Kampf" im Interesse der österreichischen Volkswirtschaft ehebaldigst zu beenden?

2. Bundeskanzler Franz Vranitzky meinte vor wenigen Tagen: "Ich bin überzeugt, daß generell eine bessere Abstimmung der Energiegesellschaften untereinander notwendig wäre." (OTS103, 14. 02.1996)

Teilen Sie die Meinung von Bundeskanzler Vranitzky? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

3. Bundeskanzler Vranitzky hält die Einführung einer unabhängigen Energie-Koordinierungsbehörde für notwendig, " ... die die Koordinierung der Ausbauprogramme, die Vergabe der Konzessionen, die Entscheidung über neue Kapazitäten ..." übernehmen soll.

Halten Sie die Einführung einer unabhängigen Energie-Koordinierungsbehörde für notwendig? Wenn ja, welche Aufgaben soll diese Behörde besitzen? Wird eine Energie-Koordinierungsbehörde Teil des "modernen Energieorganisationsgesetzes" sein, das im Arbeitsübereinkommen 1994 der Bundesregierung angekündigt wurde?

4. Halten Sie es für zweckmäßig, daß künftig bei (größeren) Kraftwerksbauten von den derzeitigen Genehmigungsverfahren auf Ausschreibungsverfahren übergegangen wird? Wenn nein, warum nicht?

5. Die Verhandlungen zur Schaffung eines europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes gehen zwar schleppend voran, die Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte wird jedoch früher oder später mit Sicherheit kommen.

Wie wollen Sie die österreichische Elektrizitätswirtschaft auf die Liberalisierung vorbereiten, und wie wollen Sie verhindern, daß es zu umfangreichen Atomstromimporten zum Beispiel aus Bayern oder Frankreich kommt?

6. Für wie realistisch halten Sie die Prognosen der E-Wirtschaft, daß der Stromverbrauch in den nächsten zehn Jahren im Bereich der öffentlichen Versorgung (!) jährlich um 2,2 Prozent steigen wird, obwohl bereits in den achtziger Jahren der Stromverbrauch nur mehr um durchschnittlich 2,7 Prozent wuchs und derzeit beinahe europaweit stagnierende Märkte zu beobachten sind?

7. Verbund-Vorstandsdirektor Hans Haider meinte erst vor kurzem, daß es " .. im Moment aber sicher so (ist), daß wir keinen weiteren Kraftwerksbedarf haben"?

Teilen Sie die Meinung, daß im Bereich der Verbundgesellschaft derzeit erhebliche Überkapazitäten hinsichtlich der verfügbaren Strommengen bestehen und daher in absehbarer Zeit keine weiteren Kraftwerksbauten notwendig sind?

8. Auf welche Summe belaufen sich die Kosten, die im Bereich der Verbundgesellschaft durch die überhöhten Strombedarfsprognosen entstanden sind (Investition in teuere Wasserkraftwerke, ungenützte kalorische Kapazitäten, Abschluß überzogener Kohlelieferverträge und Stromimportverträge et cetera)?

9. Der Stromabsatz der OKA stagniert seit mehreren Jahren beziehungsweise ist sogar rückläufig. Der weitere Bau von industriellen Eigenerzeugungsanlagen wird diese Situation weiter verschärfen. Dennoch ist es Unternehmensziel der OKA; durch zunehmende Eigenproduktion Strombezug von der Verbundgesellschaft zu substituieren, obwohl im Bereich der VG erhebliche Überkapazitäten bestehen.


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Teilen Sie die Meinung, daß im Hinblick auf den gesamtösterreichischen Stromverbund Landesversorger wie die OKA auf weitere Kraftwerksbauten verzichten sollten, solange im Bereich der VG erhebliche Überkapazitäten bestehen?

10. Landeshauptmann Pühringer betont immer wieder, daß es sich bei der Staustufe Lambach mit einem Regelarbeitsvermögen von 71 Millionen kWh durchaus um ein Großkraftwerk handle. Er verweist darauf, daß Lambach unter den 1 600 österreichischen Laufkraftwerken zu den 100 größten gehören würde.

Ist es richtig, daß das Kraftwerk Lambach unter den österreichischen Laufkraftwerken zu den größten 10 Prozent gehört, also für österreichische Verhältnisse und im Sinne des 2. Verstaatlichungsgesetzes als Großkraftwerk zu bezeichnen ist?

11. Das 2. Verstaatlichungsgesetz bietet Ihnen beziehungsweise der Bundesregierung die Möglichkeit, koordinierend in den Kraftwerksausbau der Elektrizitätswirtschaft einzugreifen. § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG sieht vor, daß die Bundesregierung – beziehungsweise der für die Vollziehung des Gesetzes zuständige Wirtschaftsminister – nach Anhörung der Verbundgesellschaft unter Bedachtnahme auf energie- und wasserwirtschaftliche Rücksichten entscheidet, ob ein Kraftwerksprojekt durch Landesversorger errichtet werden darf.

In welcher Form gedenken Sie von dieser Kompetenz Gebrauch zu machen? Wurde eine Anhörung der Verbundgesellschaft hinsichtlich des Kraftwerks Lambach durchgeführt? Wenn nein, warum nicht und wann wird eine Anhörung durchgeführt? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis wurde die Anhörung durchgeführt? Wurde die Entscheidung in Übereinstimmung mit der Verbundgesellschaft gefaßt? Wenn nein, warum nicht?

12. Die niederösterreichische EVN plant den vollständigen Neubau von Block B des kalorischen Kraftwerks Theiß. Die Leistung von Block B soll um etwa 200 MW auf 450 MW aufgestockt werden.

Teilen Sie die Meinung, daß es sich beim Neubau von Block B des Kraftwerks Theiß um die Errichtung eines Großkraftwerks handelt?

13. Die Verbundgesellschaft wäre nach eigenen Angaben jederzeit in der Lage, etwa die Hälfte der Jahresproduktion des Atomkraftwerks Krsko durch Ersatzstromlieferungen aus dem Kraftwerk Voitsberg 3 (330 MW) bereitszustellen.

Wurde im Hinblick auf den Neubau von Block B des Kraftwerks Theiß eine Anhörung der Verbundgesellschaft nach § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG durchgeführt? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

14. Zu welchen sonstigen Kraftwerksprojekten wurden bislang Anhörungen nach § 4 Abs. (5) 2. VerstaatlG durchgeführt? Wann wurden diese Anhörungen durchgeführt und mit welchen Ergebnissen? Wurden die Entscheidungen in Übereinstimmung mit der Verbundgesellschaft gefaßt?

15. Welche Maßnahmen gedenken Sie in Zukunft generell im Interesse einer besseren Koordination des Kraftwerkparks zu setzen?

16. Die Studie "Least-Cost-Planning in Österreich" der Energieverwertungsagentur (E.V.A.) und des Wifo, die auch vom Wirtschaftsministerium mit in Auftrag gegeben wurde, zeigt, daß in Österreich erhebliche Energiesparpotentiale in der Höhe von zumindest 5 600 Millionen kWh bestehen, deren Nutzung volkswirtschaftlich günstiger käme, als der Bau weiterer Kraftwerke.

Wie beurteilen Sie die vorliegenden Ergebnisse? Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um Least-Cost-Planning zu einem fixen Bestandteil der österreichischen Energiepolitik zu machen? Wie wollen Sie die aufgezeigten Energiesparpotentiale erschließen?


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17. Vor wenigen Wochen wurde von Ihnen mit der Elektrizitätswirtschaft ein neues Preisaufsichtsystem vereinbart, das Sie von der lästigen Strompreisfestsetzung entbindet und den Elektrizitätsversorgern eine fixe Monopolrente garantiert.

Warum sind in diesem neuen Strompreisverfahren keine Least-Cost-Planning-Mechanismen vorgesehen, die die konsequente Nutzung der Energiesparpotentiale durch die EVUs vor weiteren Kraftwerksbauten gewährleisten würde?

18. In der Vergangenheit hat man sich zumindest offiziell bemüht, der Privilegienwirtschaft in der E-Wirtschaft ein Ende zu bereiten. Dennoch stiegen die durchschnittlichen Monatsgehälter und -löhne auch in den letzten Jahren. Das Medianeinkommen (inklusive Sonderzahlungen) lag 1994 bei 36 000 S im Gegensatz zu 29 000 S im Jahre 1990 (plus 24 Prozent!). Damit liegt der Medianverdienst (50 Prozent verdienen mehr und 50 Prozent verdienen weniger) in der E-Wirtschaft 1994 um rund 65 Prozent über der Gesamtwirtschaft.

Wie erklären Sie diese deutlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen in den vergangenen Jahren? Meinen Sie, daß der Privilegienabbau in der Elektrizitätswirtschaft erfolgreich war?

19. Mit der Förderung von Alternativenergien ist es auf Bundesebene schlecht bestellt. Wann ist mit der Umsetzung des im Energiebericht 1993 versprochenen Pilotprogramms für Windkraftanlagen zu rechnen, und welchen Umfang wird es haben?

20. Das 1994 mit der E-Wirtschaft geschlossene Generalübereinkommen zur "Förderung" der Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien ins öffentliche Netz läuft in wenigen Monaten aus.

Welche Regelung wollen Sie in Hinkunft treffen, um für die Stromerzeugung aus Alternativenergien angemessene und nicht-diskriminierende Tarife für die Stromeinspeisung ins öffentliche Netz zu gewährleisten?

21. Die Landeshauptleute haben von der an sie delegierten Kompetenz zur Regelung der Einspeisetarife kaum Gebrauch gemacht.

Halten Sie es aufgrund dieser Situation nicht für zweckmäßig, diese Kompetenz wieder auf Bundesebene wahrzunehmen? Wenn nein, warum nicht?

22. Die EVN, die erst gar nicht dem Generalübereinkommen zur "Förderung" der Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien beigetreten ist, verlangt neuerdings von den Betreibern von Windkraftanlagen eine sogenannte Netzbereitstellungsgebühr im Umfang von 375 S pro Kilowatt für Anlagen über 0,1 MW. Für viele niederösterreichische Windkraftprojekte war diese Gebühr das endgültige wirtschaftliche Aus.

Wie beurteilen Sie diese "Windkraftverhinderungsgebühr" der EVN, und auf welcher gesetzlichen Regelung beruht sie?

23. In der Oststeiermark haben sich betroffene Gemeinden in einer Abstimmung deutlich gegen den Bau der 380-kV-Leitung der Verbundgesellschaft ausgesprochen.

Halten Sie es für sinnvoll, daß die VG mit dem Bau der 380-kV-Leitung zwischen Wien-Südost und dem Südburgenland beginnt, solange die Möglichkeit einer Verlängerung in die Steiermark (UW Kainachtal) ungeklärt ist?

24. Ihr Parteifreund und Regierungskollege Umweltminister Martin Bartenstein behauptet doch tatsächlich, Österreichs Energiepolitik sei gescheitert. Im Hinblick auf die mäßigen Erfolge führt er aus, "die bisherigen Maßnahmen zur Einsparung von Energie reichen nicht aus, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen." ("Der Standard", 29.11.1995)

Teilen Sie die Meinung von Umweltminister Martin Bartenstein? Wenn ja, welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um zumindest in Hinkunft sicherzustellen, daß die vorgeschriebenen Ziele erreicht werden?


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25. In Dänemark sank der Gesamtenergieverbrauch laut OECD zwischen 1980 und 1992 um 0,6 Prozent – in Österreich stieg er im gleichen Zeitraum um 10,4 Prozent.

Worauf führen Sie diesen Unterschied zurück?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage zum frühestmöglichen Zeitpunkt verlangt.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile zur Begründung der Anfrage Herrn Abgeordneten Anschober das Wort und mache ihn darauf aufmerksam, daß nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung seine Wortmeldung 40 Minuten nicht überschreiten darf. (Abg. Dr. Khol: Der Haider hat ihm nicht das Mißtrauen ausgesprochen! Glückwunsch, Herr Minister Einem! Der Haider hat dir nicht das Mißtrauen ausgesprochen! – Weitere Zwischenrufe.) – Herr Abgeordneter! Bitte beginnen Sie mit Ihrem Beitrag. Sie sind zur Begründung der Anfrage berufen, sonst niemand.

21.14

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann nicht mit Rosen dienen, ich kann Ihnen aber die Geschichte von 50 Tagen erzählen; 50 Tage sind es nämlich mittlerweile, die in Lambach an der geplanten Kraftwerksbaustelle sich friedliche, gewaltfreie Naturschützer darum bemühen, daß dieses Unsinnsprojekt nicht realisiert wird. Seit 50 Tagen riskieren diese friedlichen, gewaltfreien Naturschützer ihre Gesundheit. Seit 50 Tagen versuchen sie, hier öffentliche Aufklärung zu betreiben. Seit 50 Tagen spüren sie unglaubliche Solidarität der Bevölkerung. (Abg. Dr. Fekter: Besitzstörer! Bezahlte Besitzstörer!) Seit 50 Tagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird dieser Widerstand aufrechterhalten, und seit 50 Tagen wird eines der schützenswertesten Gebiete, eine der letzten naturnahen Fließstrecken Oberösterreichs vor dem Zugriff von Bautrupps erfolgreich geschützt.

Zu Ihren "bezahlten Besitzstörern", Frau Bauunternehmerin, Betonmischerin Maria Fekter, komme ich noch. Aber das wird dann ein bißchen konkreter und detaillierter.

Ich war gestern im Mogengrauen zu Besuch bei diesen friedvollen Naturschützern in Lambach und habe mit den Naturschützerinnen und Naturschützern, aber natürlich auch mit den Bauarbeitern und den Gendarmeriebeamten gesprochen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dort eine Gruppe von Hausfrauen aus Stadl Paura vorgefunden, die ein friedliches Frühstück – das leider Gottes direkt auf der Baustellenzufahrt ausgetragen wurde – in der oberösterreichischen Landestracht zubereitet hatten. – Frau Fekter! Sie müßten ja hinsichtlich einer solchen Aktion applaudieren. Diese Frauen haben, bestückt mit Goldhauben, dargestellt, wo, in welchem Lager die regionale Bevölkerung Oberösterreichs steht.

Ich habe gesprochen mit den Bauarbeitern, aber auch mit den Gendarmeriebeamten, die sich in diesen sieben Wochen, in diesen 50 Tagen vorbildlich verhalten haben, die immer wieder auf Deeskalierung hingewirkt haben, die immer wieder versucht haben, Emotionen zu beruhigen und zu vermeiden, daß es zu einer Eskalierung kommt. Ich kann Ihnen daher bestätigen, daß das, was in den heutigen Medien steht, stimmt: daß nach 50 Tagen die Situation vor Ort in Lambach tatsächlich zu eskalieren droht. Ein Beispiel: Gestern ist ein LKW-Fahrer, der offensichtlich die Nerven weggeschmissen hatte, auf eine Gruppe von Naturschützern mit seinem LKW losgefahren und konnte erst im letzten Moment von einem besonnen OKA-Bediensteten gestoppt werden. (Abg. Mag. Kukacka: Das sind die, die rechtswidrig auf der Fahrbahn gesessen sind!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kukacka! Vielleicht mag es Sie nicht interessieren, aber mich interessiert es sehr wohl, ob es bei dieser politischen Auseinandersetzung Ver


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letzte gibt, ob es zu einer Eskalation kommt oder nicht. Ich bin der Meinung, daß es die Aufgabe der Politik ist, die absehbare Gefahr einer Eskalation zu vermeiden, alles zu tun, was diese Eskalation vermeiden kann. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Dann sollen sie sich an die Gesetze halten!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Spätestens nach 50 Tagen und spätestens in der Situation, in der man ganz genau spürt, daß es nur mehr eine Frage der Zeit ist, bis irgend jemand vor Ort die Nerven wegschmeißt – ich sage gar nicht, von welcher Seite; das kann mittlerweile auf jeder Seite passieren –, hat dieses Parlament die Pflicht, dazu Stellung zu beziehen und Lösungen zu suchen, die eine politische Konfliktlösung ermöglichen. Dies war am Montag, nachdem sich der Landeshauptmann von Oberösterreich kurzfristig aus seiner Position der Gesprächsunfähigkeit, der Gesprächsverweigerung herausgelöst und einen Lambach-Gipfel einberufen hatte, leider nicht möglich. Ich glaube, daß es deswegen auf der nächsten Stufe, nämlich auf parlamentarischer Ebene, den Versuch geben muß, eine politische Streitlösung, eine Streitschlichtung, eine Kompromißsuche voranzutreiben. (Beifall bei den Grünen.) Ein derartiger Kompromiß ist machbar, ist realisierbar.

Herr Kukacka! Kommen Sie doch mit mir auf die Baustelle. Frau Fekter, schicken Sie nicht immer nur die LKWs Ihrer Firma hin, sondern kommen Sie einmal selbst auf die Baustelle und schauen Sie sich an, wieviel Beschäftigung dort derzeit gesichert wird. – Acht Menschen arbeiten derzeit dort. Das ist die große Beschäftigungsoffensive! Acht Menschen!

Eine Streitschlichtung, ein Kompromißlösungsversuch, Herr Kukacka, würde vielleicht vier Monate dauern – vier Monate, in denen es keine Bautätigkeit vor Ort geben könnte. Aber ist es das nicht wert, eine Streitschlichtung in diesem Sinn zu versuchen angesichts der Situation, daß es dort zu einer Eskalierung kommen kann und, wie ich befürchte, auch kommen wird, wenn die Politik weiterhin tatenlos zusieht?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hausfrauen von Stadl Paura haben unter anderem auch Leibchen in Auftrag gegeben (der Redner zeigt ein Leibchen mit Aufdruck) – Herr Kukacka, das gilt auch für Sie –: "Lambach braucht Dich" ist der Slogan. – Frau Fekter, nicht Ihre LKWs, nicht Ihren Beton, nicht Ihren Kies, sondern Sie, und zwar Sie mit dem Versuch, eine politische Lösung zu ermöglichen, einen Ausweg aus dieser politischen Sackgasse zu realisieren. Lambach braucht jeden Politiker, jeden Politiker, der sich dafür einsetzt, daß die Ursachen für dieses Chaos, nämlich die Konflikte in der E-Wirtschaft, die ungeklärte Situation in der österreichischen E-Wirtschaft, beseitigt werden. Denn das ist ja der eigentliche Kern dieser Auseinandersetzung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lambach wird heute Sie brauchen mit einer mutigen, ehrlichen Abstimmung. Etwa die Sozialdemokraten wird Lambach heute brauchen; die Sozialdemokraten, von denen ich hoffe und erwarte, daß sie heute so wie ihre engagierten Kollegen im oberösterreichischen Landtag abstimmen werden; die Sozialdemokraten, von denen ich erwarte, daß sie den eigenen SPÖ-Landtagsbeschluß, den wir heute hier als Antrag auch einbringen, nicht niederstimmen werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lambach braucht in dieser Situation Ihr Engagement und Ihre ehrliche, mutige Abstimmung heute nacht. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lambach ist ein Symbol, und ich hoffe, daß wir heute mit dem Wirtschafts- ist gleich Energieminister über die Grundsätze der Energiepolitik und über die Probleme, in denen die österreichische Energiepolitik steckt und die die eigentlichen Ursachen für diesen Konflikt sind, ausführlich und intensiv diskutieren werden. (Bundesminister Dr. Ditz blättert in der "Kronen-Zeitung".) Er blättert ja mittlerweile in der richtigen Zeitung; darin steht immer sehr viel über Lambach, und es werden die energiepolitischen Mängel dieser Bundesregierung sehr genau – ich muß sagen, in diesem Fall richtig – angesprochen. (Bundesminister Dr. Ditz: Das ist eine Fachzeitung!) – Der Herr Minister sagt, es sei bereits eine Fachzeitschrift. Gut, dann blättern Sie weiter, Herr Minister, vielleicht wird das in der heutigen Nacht in dieser ausführlichen, langen Debatte noch einen Gesinnungsumschwung bewirken; wir werden sehen.


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Wir haben in Österreich eine chaotische Energiepolitik. Wir haben in Österreich eine völlig unkoordinierte Energiepolitik. Wir haben in Österreich mittlerweile die Situation, daß wir zwar bundesweit eine Stromschwemme haben, in der der Verbundkonzern mit großen volkswirtschaftlichen Schäden massiv exportieren muß, weil diese Exporte gestützt werden müssen – die gleiche Situation wie beim Butterberg oder beim Milchsee, ein Stromberg auf Bundesebene –, und gleichzeitig Landesgesellschaften, die in dieser unkoordinierten Situation gegen den Verbundkonzern agieren, die eine offene Auseinandersetzung mit ihm führen und in dieser Situation durch zusätzliche Eigenproduktionen dafür sorgen, daß der Verbundkonzern noch mehr wird exportieren müssen, als ohnedies bereits der Fall ist; wie gesagt, mit schweren volkswirtschaftlichen Schäden.

Herr Kollege Kukacka! Ich glaube, ich kann mich Ihnen in der heutigen Debatte länger widmen. (Abg. Mag. Kukacka: Aber bitte mit mehr Niveau!) Herr Kukacka! Ich habe Ihre Rede noch gar nicht gehört, also kann ich Ihr Niveau in dieser Debatte nicht beurteilen. (Abg. Mag. Kukacka: Aber ich höre Ihre Rede!) Ich kenne nur Ihre Presseaussendungen, und diese sind leider Gottes aus der untersten Schublade. Es gibt aber in der Oberösterreichischen Volkspartei durchaus auch vernünftige Leute – etwa den Umweltlandesrat, der mit diesen Entwicklungen alles andere als Freude hat. Hätte er nicht zu viel Parteidisziplin und wäre er zuerst Umweltlandesrat und erst in zweiter Linie ÖVP-Parteipolitiker, dann hätte er in dieser Landesregierung nie für dieses Projekt stimmen können und dürfen. Ich weiß, daß das weder seine Einstellung noch seine Gesinnung ist. Aber dazu später.

Es wird immer behauptet, daß wir das Kraftwerk Lambach brauchen, weil wir die Auslandsabhängigkeit verringern müssen. Sie wissen genauso wie ich, daß dieses Kraftwerk Lambach den Strom, den es produziert, zu allererst in den Sommermonaten erzeugt, also zu einer Situation, zu der – das werden nicht einmal Sie von der ÖVP bestreiten – wir einen enormen Stromüberschuß haben. Und in den Zeiträumen, in denen es manchmal tatsächlich Versorgungsprobleme und Importe aus dem Ausland gibt, nämlich in den Wintermonaten, wird dieses Kraftwerk Lambach aufgrund der extrem geringen Wasserführung der Traun extrem wenig Strom abwerfen. – Das ist das Unsinnige an diesem Projekt! Deswegen müßte man auf andere Art, nämlich mit Priorität in Richtung Wintermonate, Strom erzeugen, wenn es Ihnen tatsächlich um die energiepolitische Frage ginge. Aber das bezweifle ich.

Ich zitiere Ihnen aus dem neuen Bundeslastverteiler, der zur Energiesituation Österreichs 1995 folgendes sagt – etwas trocken, aber sehr korrekt –:

Der physikalische Stromaustausch mit dem Ausland gestaltete sich bei physikalischen Nettoexporten in Höhe von 2 456  Gigawattstunden wesentlich günstiger als in den vergangenen Jahren. Zuletzt wurden in den Jahren 1988 und 1989 ähnlich hohe Nettoexporte verzeichnet, während 1991 und 1992 Österreich sogar zum Nettoimporteur elektrischer Energie wurde. Die Stromimporte sanken 1995 um 11,5 Prozent. Die Stromexporte stiegen um 7,8 Prozent.

Österreich hat also einen respektablen Stromüberschuß, nämlich in einer Größenordnung von 2 456 Gigawattstunden. 2 456 Gigawattstunden! – Herr Kukacka, wissen Sie, wie hoch die Produktion von Lambach gewesen wäre, wenn es gebaut worden wäre? (Abg. Mag. Kukacka: Es wird gebaut!) Ich glaube, Sie kennen die Zahlen nicht. Es wären 71 Gigawattstunden! 71 Gigawattstunden bei einem Exportüberschuß von derzeit 2 456 Gigawattstunden! Und Sie wollen der Öffentlichkeit tatsächlich erklären, daß wir dieses Kraftwerk aus energiepolitischen Gründen brauchen, daß wir dieses Kraftwerk zur Verringerung der Auslandsabhängigkeit brauchen? (Abg. Mag. Kukacka: Wir beziehen Atomstrom!) Sie kommen jetzt wieder mit dem Atomstrom. Das ist ein Zeichen dafür, daß Sie in diesem Zusammenhang wirklich nichts gelernt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Situation energiepolitisch argumentieren zu wollen, ist unmöglich, weil es der Realität widerspricht, und deswegen müssen Sie in Richtung Polemik gehen, wobei einfache Hausfrauen, Naturschützer vor Ort, Bürger aus Lambach und Stadl Paura vom oberösterreichischen Landeshauptmann als Berufsdemonstranten, als bezahlte Demonstranten und Protestierer denunziert werden, und ein bißchen noch als Kommuni


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sten etikettiert werden. Ein bißchen wird dann die "TATblatt"-Szene noch dazugegeben und schon haben wir das Gebräu fertig – und Sie glauben, daß der Bürger darauf reinfällt. (Abg. Mag. Kukacka: Das ist nicht erfunden! Das ist alles nachweisbar!) Aber dieses Ablenkungsmanöver, Herr Kukacka, geht so nicht auf. Sie machen das ja nur, weil Sie in dieser Angelegenheit energiepolitisch keine Argumente mehr haben – ich verstehe dies sehr, sehr gut.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der österreichischen Elektrizitätswirtschaft ein totales Chaos. Wir haben eine Verbundgesellschaft mit erheblichen Stromüberschüssen, und gleichzeitig bauen die Landesversorger munter weiter Kraftwerke. Es gibt ja Zeugen direkt aus dem Zentrum dieser Energiewirtschaft.

Wissen Sie, was vor nicht einmal einem Monat, vor gut zwei Wochen, der Verbundvorstand Dr. Herbert Schröfelbauer auf die Frage, wie denn das mit der Auseinandersetzung zwischen OKA und Verbundkonzern ist, gemeint hat? Er hat gemeint (Abg Mag. Klima unterhält sich laut mit Fraktionskollegen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – die energiepolitische Lage Österreichs ist vielleicht auch für einen Finanzminister ein ganz interessantes Thema –: "Der Minister hat uns gebeten" – nicht der Finanzminister, der Wirtschaftsminister –, "unseren Kampf nicht in der Öffentlichkeit auszutragen." – Das ist die Lage! Es gibt einen Kampf zwischen Verbundkonzern und Landesgesellschaften, es gibt eine Auseinandersetzung um die Marktanteile. In einer Situation, in der wir einen enormen Stromüberschuß haben, wird von den Landesgesellschaften ein völlig widersinniges, unsinniges Kraftwerksprojekt realisiert.

Herr Dr. Zluwa, der ja hinsichtlich der Elektrizitätswirtschaft im Haus des Wirtschaftsministers durchaus das Sagen hat, hat dazu bei derselben Veranstaltung am 7. Februar gemeint: "Über die Energieorganisation spreche ich nur mit meinem Minister – und sonst niemand!" (Abg. Wabl: Ein sehr loyaler Beamter!)

Jetzt spricht der Herr Minister, so hoffe ich, zu uns. Er wird uns hoffentlich darüber aufklären, wie es mit diesem Kampf zwischen Verbundkonzern und den Landesgesellschaften tatsächlich aussieht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat vor nicht einmal zwei Wochen ein Gespräch der Auschützer, der oberösterreichischen Energieexperten mit dem Bundeskanzler stattgefunden. Und genau dieser Punkt war im Endeffekt der Punkt, auf den man sich einigen konnte: nämlich daß alles zu unternehmen ist, um diesen Konflikt in der österreichischen Energiewirtschaft zu klären, daß alles zu unternehmen ist, daß diese Auseinandersetzung koordiniert wird, daß alles zu unternehmen ist, daß man die Ausbaupläne und die energiewirtschaftlichen Stoßrichtungen von Verbundkonzern und Landesgesellschaft miteinander vereinbart.

Der Bundeskanzler hat am Schluß dieser Unterredung die Errichtung einer Energie-Koordinierungsbehörde vorgeschlagen. Ich halte das für einen hervorragenden Vorschlag. Das ist das, was auch die Grünen verlangen. Das ist das, was etwa auch die Energieverwertungsagentur verlangt. Das ist das, was eigentlich alle NGOs verlangen. Das ist das, was endlich diesen unsinnigen Konflikt zwischen Landesgesellschaften und Verbundkonzern beenden könnte.

Der Bundeskanzler hat am Schluß dieses Gesprächs am 14. Februar, vor zwei Wochen, gemeint: "Ich bin überzeugt, daß generell eine bessere Abstimmung der Energiegesellschaften unbedingt untereinander notwendig wäre." Und weiter: "Bei einer besseren Koordinierung des Bedarfs, der Investitionen, also von Kraftwerken, und Leistungen oder der Beschaffung könnten wahrscheinlich viele Probleme im Ansatz vermieden werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die Aussagen des Bundeskanzlers für uns Grüne selbstverständlich keine leeren Worte, sondern sehr häufig – zumindest aber in diesem Fall! – ein direkter, unmittelbarer politischer Auftrag sind, geben wir Ihnen in diesem Hohen Haus die Chance, diese Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers hier und heute dingfest zu machen und zu beschließen. Wir bringen deswegen in dieser heutigen dringlichen Anfrage folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

betreffend Schaffung einer unabhängigen Energie-Koordinierungsbehörde

Der Nationalrat wolle beschießen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, dem Parlament bis Mitte 1996 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Schaffung einer unabhängigen Energie-Koordinierungsbehörde vorsieht, deren Aufgabe

– die Koordinierung der Ausbauprogramme,

– die Vergabe der Konzessionen,

– die Entscheidung über neue Kraftwerkskapazitäten

ist."

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So einfach ist es, dem Willen des Bundeskanzlers endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Ich bin ja doch beinahe der Überzeugung, daß die sozialdemokratische Fraktion hier in diesem Hohen Haus ihren Bundeskanzler nicht desavouieren wird und uns selbstverständlich helfen wird, den Willen des Bundeskanzlers der Republik Österreich umzusetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht aber um mehr, nämlich um die gesamte Neuorganisation der Energiewirtschaft in Österreich. Wir alle wissen – ich merke am Kopfnicken, diesbezüglich herrscht relativ breiter Konsens –, daß es eine Neustrukturierung der Energiewirtschaft in Österreich geben muß mit einer Präzisierung der Aufgabenfelder, mit neuen gesetzlichen Definitionen der Aufgaben. Es kann nicht sein, daß die E-Wirtschaft de facto nur im Bereich der Versorgungssicherheit gesetzlich beauftragt wird. Wir glauben, daß man weit darüber hinaus gehen muß. Auch darüber erhoffen wir uns heute vom Wirtschaftsminister einige sehr konkrete Aussagen.

Aber entscheidend ist die Frage: Wie kann die Bundesregierung im wirklich akuten Fall Lambach einen ganz konkreten Beitrag liefern? – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt in Österreich einen Gesetzespassus, nämlich im österreichischen Verstaatlichungsgesetz, der hier definiert, daß bei größeren Kraftwerksprojekten die Bundesregierung koordinierend eingreifen und die Genehmigungskompetenz an sich ziehen kann. (Abg. Dr. Fekter: Aber es ist ja schon bewilligt!) Es ist allerdings, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht konkret definiert, ab wann ein Kraftwerk ein Großkraftwerk ist.

Da die Grünen gläubige Menschen sind – nicht nur in bezug auf Aussagen des Herrn Bundeskanzlers; sondern sie vertrauen manchmal auch dem Landeshauptmann von Oberösterreich –, haben wir mit großem Interesse vernommen, daß Herr Landeshauptmann Pühringer gemeint hat, Lambach zähle von den 1 600 Laufkraftwerken Österreichs zu den 100 größten. – Wenn dem so ist – ich zweifle überhaupt nicht daran, daß dem so ist –, dann handelt es sich doch um ein großes Kraftwerk. (Abg. Wabl: Auf jeden Fall ein großer Blödsinn!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Definition fällt Lambach unter das Verstaatlichungsgesetz, und die Bundesregierung wäre ohne weiteres dazu ermächtigt, die Kompetenz in Sachen Lambach an sich zu ziehen. Das hätte eine ganz interessante Auswirkung: Das wäre nämlich eine Möglichkeit, um aus diesem Konfliktfall Lambach herauszukommen, um diese Genehmigungsfrage aus dem parteiischen Bereich des Landeshauptmannes von Oberösterreich herauszunehmen.

Ist es ein Zufall, daß ein Landeshauptmann als angeblich unabhängige Genehmigungsbehörde in der "Zeit im Bild 2" auftritt mit den ersten vier Worten: "Wir von der OKA"? – "Wir von der


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OKA"! Er hat danach nicht dementiert oder sich korrigiert, er ist dabei geblieben: "Wir von der OKA". Das soll eine unabhängige Genehmigungsbehörde sein? Das soll in uns nicht zumindest den Verdacht entstehen lassen, daß es eine unglaubliche Verfilzung der größten Partei in Oberösterreich, der Österreichischen Volkspartei, mit dem Landesenergieversorgungsunternehmen OKA gibt, daß es eine unglaubliche Verfilzung zwischen Landeshauptmann-Partei und Energiekonzern gibt? Da sollen wir glauben, daß das ein unabhängiges Genehmigungsverfahren war?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Konfliktlösung würde in erster Linie dadurch ermöglicht, daß diese Bundesregierung die Kompetenz an sich zieht, sich auf das Verstaatlichungsgesetz beruft und ein neues faires, tatsächlich unabhängiges Genehmigungsverfahren durchzieht. Um dies zu ermöglichen, bringen wir hier folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschießen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten werden aufgefordert, die ihnen zustehende Kompetenz zur Koordinierung des Kraftwerksausbaus der Elektrizitätsversorgungsunternehmen wahrzunehmen und zu überprüfen, ob es sich beim Kraftwerk Lambach um ein Großkraftwerk gemäß § 4 Abs. 5 des 2. VerstaatlG 1947 handelt."

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist nur ein Prüfungsauftrag. Das ist noch kein Beschluß dahin gehend, daß die Bundesregierung dies tun muß. Also der Bundesregierung den Auftrag zu geben, diese Frage zu überprüfen, um zu klären, ob dieses Gesetz in dieser Frage zutreffend ist oder nicht, müßte eigentlich eine ganz logische Vorgangsweise in diesem Parlament sein. (Abg. Dr. Fekter: Wir sind nicht für Zentralismus!)

Frau Kollegin Fekter! Dieser Zwischenruf ist ja interessant, aber ich erlebe die Politik der Österreichischen Volkspartei genau umgekehrt. Es schaut in der Realität eigentlich ganz anders aus.

Der Punkt ist ja, daß Lambach ein Symbol für diese Koordinierungsschwäche der Republik Österreich und ihrer Energiewirtschaft ist. Daß ein Kraftwerksprojekt Lambach eine der letzten intakten naturnahen Fließstrecken ruinieren würde, ein ökologisches Gebiet von europäischem Charakter, ist mehrfach bestätigt.

Es ist schade, daß der Umweltminister nicht mehr im Haus ist. Ich werde dann nämlich noch eine Anfragebeantwortung zitieren, in der er sich als Vorkämpfer für diese Ökolandschaft festgelegt und unsere ökologische Bewertung, genauso wie seine Vorgängerinnen Feldgrill und Rauch-Kallat, vollkommen geteilt hat, auch die Bewertung des Umweltlandesrates von Oberösterreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lambach ist ein Symbol für die Verfilzung einer Partei mit der E-Wirtschaft, in diesem Fall mit der OKA, und Lambach ist auch ein Symbol für politische Unkultur in einem Land. Denn wenn ein Landeshauptmann bei einem tiefen, ernstzunehmenden Konflikt sechseinhalb Wochen hindurch jedes Gespräch verweigert, dann spreche ich von politischer Unkultur. Wenn ein Landeshauptmann so weit geht, daß er de facto feststellt: Landtags-Mehrheitsbeschlüsse eines Bundeslandes sind mir Wurscht!, dann ist das ein Zeugnis für extreme politische Unkultur. Wenn ein Landeshauptmann die fachzuständige Landesrätin für Naturschutz entmündigt, indem er ihr die Kompetenz über die Genehmigungsfrage entzieht und diese Frage zu einer Mehrheitsfrage in das Gremium delegiert, wo er die Mehrheit hat, nämlich die Regierung, so ist dies wirklich der Gipfelpunkt der politischen Unkultur! (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Insofern ist die Diskussion um Lambach symbolisch, auch für einen Landeshauptmann, dem es nicht um ein Kraftwerk, sondern um einen politischen


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Kraftakt geht. Es handelt sich betreffend Lambach nicht mehr um eine Kraftwerksdiskussion, sondern es geht um die Frage: Kann sich ein Mann gegen die Mehrheit der Meinungen in seinem politischen Gremium mit einem politischen Kraftakt durchsetzen und profilieren?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Hauptpunkt in der Frage Lambach und darüber hinaus muß sein, daß man mit der Koordinierung der österreichischen Energiepolitik ernst macht und mit dieser Schrebergartenmentalität aufhört. Es bestreitet heute keiner mehr, daß wir österreichweit kein Stromversorgungsproblem haben. Es wird aber argumentiert, daß die OKA weniger Strom vom Verbund zukaufen möchte.

Die OKA selbst stellt in ihrer Stellungnahme im naturschutzrechtlichen Bescheid folgendes fest: "Es ist eines der wesentlichen Unternehmensziele der OKA, die über Jahrzehnte gehaltene Fremdbezugsquote" – ich merke an, vom Verbundkonzern – "von rund 1/3 wieder zu erreichen." – Von der 50prozentigen Fremdbezugsvariante herunterzukommen auf ein Drittel.

Kann es denn tatsächlich politisch Sinn machen, daß auf Bundesebene und auf Landesebene völlig entgegengesetzt und gegeneinander gearbeitet wird? – Das ist doch politischer, volkswirtschaftlicher und energiepolitischer Unsinn, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Nun zum letzten Punkt in dieser energiepolitischen Frage: Es wird immer wieder argumentiert und darüber berichtet, daß Oberösterreich seine Auslandsabhängigkeit im Strombereich reduzieren müsse. – Wir haben uns das sehr genau durchgerechnet. Wissen Sie, wie diese angebliche Auslandsabhängigkeit Oberösterreichs tatsächlich aussieht? Wissen Sie, wieviel Strom in Oberösterreich aus Wasserkraft produziert wird? (Abg. Mag. Kukacka: Relativ viel!) "Relativ viel!", sagt Herr Kukacka. Damit ist er schon ziemlich nahe dran. Das war schon ein ziemlich guter Treffer, Herr Kukacka! – In Oberösterreich wird an Wasserkraft die stolze Menge von 9 964,4 Millionen Kilowattstunden erzeugt. Herr Kollege Kukacka, nun frage ich Sie: Wie hoch ist Ihrer Meinung nach der Strombedarf des Bundeslandes Oberösterreich? Höher oder niedriger? – Er ist bedeutend niedriger als das, was Oberösterreich aus der Wasserkraft erzeugt. Das Bundesland Oberösterreich hat einen Strombedarf von 7 562,8 Millionen Kilowattstunden. (Abg. Schwarzenberger: Aber Sie wissen schon, daß Donaukraftwerke der OKA gehören?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Oberösterreich hat also 32 Prozent weniger Bedarf, als es erzeugt. Dieses Bundesland kann sich derzeit also autark mit Wasserkraft erhalten. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Herr Kollege Kukacka! Da Sie argumentieren, daß ich die Verbundproduktion in Oberösterreich miteinkalkuliert habe, sage ich Ihnen: Natürlich, weil ich österreichweit denke und diese Betriebsschrebergartenmentalität ein Ende haben muß. Denn genau diese ist es, die uns in ein volkswirtschaftliches Desaster bringt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die OKA hat rückläufige Verkaufsdaten. Der Stromabsatz der OKA ist entgegen dem angenommenen Wachstum um 2,5 Prozent pro Jahr in den letzten Jahren gesunken. Schauen Sie sich die Statistik an! Im Gegensatz zu den Prognosen geht es in den letzten Jahren steil bergab. Die OKA verkauft bedeutend weniger Strom, und zwar aus folgenden einfachen Gründen:

Erstens – diesbezüglich bin wahrscheinlich ganz an Ihrer Seite – ziehen einige Energiesparvorschläge und Finanzierungen im Bundesland Oberösterreich, diese werden von den Leuten durchaus angenommen. Es gibt sinnvolle Maßnahmen auch seitens der oberösterreichischen Landesregierung. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Zweitens – das ist der Hauptgrund; schauen Sie sich die Quantitäten an – ist ein Teil der Großindustrie in die Energieselbstversorgung gegangen, mit durchaus sinnvollen Projekten, etwa mit Kraftwärmekupplungen, wie zum Beispiel die VOEST oder Steyrermühl. Da gibt es – wie gesagt – sinnvolle Projekte, und deswegen sinken die Möglichkeiten auf dem Strommarkt für die OKA derzeit sehr massiv.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden immer gefragt: Was sind denn eure Alternativen? – Die Alternativen liegen in diesem Zusammenhang in der Luft. (Abg. Dr. Fekter: Oberösterreich ist vorbildlich! Denken Sie an das Eberschwanger Projekt!) Frau Kollegin Fekter! Ich


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glaube, ganz sattelfest sind Sie in diesem Bereich nicht, aber vielleicht in anderen Bereichen, etwa was die Versorgung – nicht die Versorgungssicherheit – des Kraftwerksprojektes mit Schotter und Beton betrifft. Darüber, glaube ich, sind Sie sehr gut informiert!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin über jedes Projekt froh, das im Alternativenergiebereich mit unterstützt wird. – Wir hätten da Ressourcen und Kapazitäten, die gigantisch sind. Schauen Sie sich die offiziellen Aussagen an! Gerade heute gab es folgende Aussage der Energieverwertungsagentur: Nur 5 Prozent des Biomassepotentials in Österreich werden derzeit ausgeschöpft – nur 5 Prozent! Können Sie sich vorstellen, was an Ressourcen da brachliegt, was auch an Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich der österreichischen Landwirtschaft brachliegt? (Abg. Dr. Fekter: Welche Bundesländer sind am besten? – Oberösterreich und die Steiermark!)

Zweiter Bereich: Windenergie. Es gibt derzeit österreichweit zwei sinnvolle Projekte im Bereich der Windenergie, nämlich das Eberschwanger Projekt im Innviertel und das burgenländische Projekt Zurndorf. Das sind von der Quantität her die zwei wichtigsten Projekte.

Im burgenländischen Zurndorf befindet man sich derzeit in der Planungsphase für einen Windkraftpark – dieser ist hochinteressant – mit einer Produktion von 6 Megawatt und einem Investitionsaufwand von 90 Millionen Schilling. Mit 90  Millionen Schilling wird eine Energiemenge von 10 Millionen Kilowattstunden erzeugt. Wenn Sie das auf der Basis umrechnen, daß Sie die gleiche Energiemenge wie in Lambach erzeugen wollen, dann kommen Sie zu dem Resultat: Sie hätten diese Möglichkeit mit zirka dem gleichen Kapitaleinsatz, aber mit einem ganz wesentlichen Unterschied, daß nämlich die Strommenge aus der Windkraft in erster Linie dann anfällt, wenn der Strom gebraucht wird, nämlich in den Wintermonaten.

Das wäre energiepolitisch interessant, und deswegen ist es so unverständlich, daß für einzelne Lobbyprojekte für eine ganz kleine industrielle Sparte, für einen ganz kleinen Bereich der Bauindustrie öffentliche Kraftakte gesetzt werden, während solche Kraftakte dort, wo Alternativenergie sich längst rechnet, immer wieder ausbleiben!

Die reale Situation ist, daß es in Österreich nach wie vor eine Diskriminierung der Alternativenergien gibt. Das hat auch der Umweltminister vor einigen Wochen festgestellt, indem er gemeint hat: Im Bereich der Energiesparpotentiale ist die Energiepolitik dieser Bundesregierung bisher nicht aufgegangen, ist sie bislang gescheitert. – Er hat recht! Die riesengroßen brachliegenden Bereiche der Alternativenergien werden kaum ausgeschöpft, die notwendigen günstigen und fairen Einspeisetarife werden nicht gegeben. (Abg. Dr. Fekter: Die OKA hat die mit Abstand besten!)

Sie wissen ganz genau, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Wirtschaftsminister im Endeffekt klein beigegeben hat, als er in der mittlerweile vorletzten Legislaturperiode – es handelte sich um den Vorgänger von Herrn Minister Ditz – diese Kompetenzen an die Landeshauptleute delegiert und mit der Elektrizitätswirtschaft ein im Endeffekt wirkungsloses freiwilliges Übereinkommen zur Förderung geschlossen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dazu hat Umweltminister Bartenstein vor wenigen Wochen gesagt – ich zitiere wörtlich –: " ... die bisherigen Maßnahmen zur Einsparung von Energie" – auch im Bereich der Alternativenergien – "reichen nicht aus, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen."

Daß es machbar wäre, die riesigen Ressourcen im Bereich umweltfreundlicher Technologien und Energieversorgungseinrichtungen zu lukrieren, beweisen uns etliche europäische Länder. Das beweist uns etwa Dänemark, meine sehr verehrten Damen und Herren! In Dänemark konnte der Gesamtenergiebedarf ... (Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Hören Sie doch einmal auch zu! Ich höre Ihnen auch gerne zu! Vielleicht sind ein paar Argumente dabei, die auch Ihnen als logisch erscheinen. Wir haben jetzt zu dieser Stunde ohnedies nicht die große Öffentlichkeit, wieso agitieren wir einander dann so vehement an? Vielleicht


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könnten wir doch irgendwann einmal im energiepolitischen Bereich auf einen grünen Zweig kommen in diesem Zusammenhang!

Der Gesamtenergiebedarf in Dänemark ist von 1980 bis 1992 um 0,6 Prozent gesenkt worden. Im selben Zeitraum ist er in Österreich um über 10 Prozent gestiegen. Das bedeutet, es gibt Vorbildprojekte, es gibt Länder in Europa, die durch Investitionen im Bereich der Alternativenergien und durch eine umfassende Koordination der Elektrizitätswirtschaft die möglichen Stromsparpotentiale und die neuen umweltfreundlichen Energieerzeugungsmöglichkeiten tatsächlich realisiert haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden in der heutigen Debatte auch einen Antrag auf verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen zur forcierten Nutzung der Windenergie einbringen, um das Thema Lambach auch für notwendige und wichtige Reformen zu nutzen.

Wir könnten jetzt noch lange diskutieren, etwa über den Bereich der Wärmedämmung und die dortigen Potentiale. Wir könnten darüber reden, was dort an Beschäftigungschancen besteht. Wir könnten ferner darüber reden, daß es eine neue aktuelle Studie von der TU in Wien gibt, die genau diese Beschäftigungsmöglichkeiten mit enormen Chancen beschreibt und klarstellt, daß mit ähnlichen Investitionen wie in das Unsinnsprojekt Lambach ein Vielfaches an Beschäftigung und ein Mehr an eingesparter Energie realisiert werden könnten.

Wir könnten auch über die Enns-Kraftwerke diskutieren, darüber, daß es bei den Enns-Kraftwerken durch eine Modernisierung der bestehenden Anlagen auch enorme Möglichkeiten der Effizienzsteigerung geben kann. (Abg. Murauer: Bravo!) Ja, aber es muß investiert werden, Herr Kollege Murauer! Sie machen ja nichts für die Region! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. – Abg. Schwarzenberger: Je länger Sie reden, desto mehr sind wir überzeugt, daß Lambach gebaut werden muß!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte Ihnen zur Frage des ökologischen Wertes dieser Region viel vorlegen. Ich könnte Ihnen viele Zitate der ÖVP-Umweltminister über die ökologische Sensibilität dieser Region liefern. Wir könnten hier den Naturschutzbescheid zitieren, der festlegt, daß es hiebei um eine Flußlandschaft von europäischer Einzigartigkeit geht! Wir könnten den offiziellen Bescheid des Landes Oberösterreich, in dem dies festgestellt wird, zitieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie am Thema als solchem und an der Lösung der energiepolitischen Frage auch nur ein Minimum an Interesse hätten, könnten wir sinnvolle Initiativen und Beschlüsse in der heutigen Debatte setzen. Ich habe aber das Gefühl, daß man sich seitens der Oberösterreichischen Volkspartei in einen Justamentstandpunkt eingegraben hat (Abg. Dr. Fekter: Wir stehen auf dem Rechtsstandpunkt!) – aus welchem Grund auch immer, sei es die Frage des Wohlergehens von der Partei nahestehenden Baufirmen, sei es die Frage von diversen Geldflüssen, sei es aber auch nur die Frage, daß ein Landeshauptmann einen politischen Kraftakt setzen will, um sich zu profilieren. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Und das tragische in dieser Situation ist, daß sich das rein machtpolitische Kalkül durchzusetzen droht gegenüber der ökologischen und energiepolitischen Sinnhaftigkeit. Ich hoffe, daß Sie dies im Rahmen dieser Debatte noch überdenken. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich Herrn Bundesminister Ditz um die Beantwortung bitte, möchte ich, Herr Abgeordneter Anschober, auf folgendes hinweisen: Sie haben in Ihren Ausführungen Entschließungsanträge vorgetragen. Ich mache darauf aufmerksam, daß der Begründer einer Anfrage einen Entschließungsantrag rechtswirksam nicht einbringen kann, da dies nach § 55 Abs. 1 GOG nur im Zuge der Debatte erfolgen kann. Die Debatte beginnt bei einer dringlichen Anfrage nach der Beantwortung des Ministers. Wenn die grüne Fraktion den Entschließungsantrag hier behandelt und abgestimmt haben will, muß sie ihn im Laufe der kommenden Debatte noch einmal vortragen und einbringen.


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Bitte, Herr Bundesminister, Sie sind nun eingeladen, die Beantwortung der Anfrage vorzunehmen.

21.56

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist überhaupt keine Frage: Die österreichische Energiepolitik steht vor neuen Herausforderungen, und es geht darum, Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte in einem völlig neuen Wettbewerbsumfeld sicherzustellen.

Ich möchte hier aber doch klar festhalten, daß ich glaube, daß Energiepolitik mehr sein muß als Verhinderungspolitik. Es wäre ein Trugschluß, zu glauben, daß man den Bau von Kraftwerken verhindern kann, ohne andererseits die Abhängigkeit von Importstrom zu erhöhen. Ich glaube, daß es nur schwer möglich ist, zu klassifizieren, ob der importierte Strom aus Atomkraftwerken oder anderen Kraftwerksquellen kommt.

Ich trete dafür ein, daß sämtliche Energiesparpotentiale ausgeschöpft werden. Ich trete dafür ein, daß die erneuerbaren Energieträger forciert werden. Und ich trete dafür ein, das im Lichte des Kriteriums der Konkurrenzfähigkeit auf seiten der Energieversorger und auch der Kostengünstigkeit für den Energiekonsumenten vorzunehmen. – Natürlich verhält es sich öfters so, daß die Gesichtspunkte der betriebswirtschaftlichen und der volkswirtschaftlichen Optimierung nicht identisch sind. Man muß sicher darüber nachdenken, wie eine diesbezügliche Koordinierung verbessert werden kann.

Zu den einzelnen Fragen im Detail.

Zu den Fragen 1 bis 3:

Wir stehen vor dem Faktum, daß Träger der österreichischen Elektrizitätsversorgung eine Reihe von Unternehmen sind, deren Organisationsstruktur im Laufe der Jahrzehnte historisch gewachsen ist. Ein weiteres Faktum ist, daß diese Unternehmen privatrechtlich organisiert sind und nach kaufmännischen Grundsätzen vorzugehen haben. Dazu kommt noch, daß aus meiner Sicht an und für sich ein Mehr an Wettbewerb in der Elektrizitätswirtschaft durchaus wünschenswert ist.

Allerdings ist nicht zu leugnen, daß es in jüngster Zeit insbesondere zwischen der Verbundgesellschaft und den Landesgesellschaften zu gewissen Friktionen gekommen ist. (Abg. Wabl: Das ist aber sehr nett ausgedrückt!) Herr Kollege Wabl! Ich würde aber nicht von einem Chaos sprechen.

Es gilt, das Zusammenspiel der Träger der österreichischen Elektrizitätswirtschaft, das lange Jahre gut funktioniert hat und in weiten Bereichen durchaus heute noch gegeben ist, unter dem Aspekt der neuen Situation auf den europäischen Strommärkten – das ist, um Beispiele zu nennen, etwa die Revolution, die die neuen Gasturbinentechnologien bewirkt hat, aber auch ein Überangebot von billigen Stromimporten – organisch weiterzuentwickeln. Hüten sollten wir uns aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor Zentralplanungsgedanken und Ideologien, die die Verantwortung von den Unternehmen auf die staatlichen Bürokratien überwälzen wollen. (Beifall bei der ÖVP.) Gerade dieser Weg der Energiepolitik hat bei unseren östlichen Nachbarn in die Sackgasse geführt.

Ich werde aber unabhängig davon, wie die Diskussion über den Energiebinnenmarkt in der EU abläuft, versuchen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den erhöhten Anforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Elektrizitätswirtschaft Rechnung tragen und mehr Wettbewerbselemente in diesem Zusammenhang mit Aufsichts-, Kontroll- und Koordinationsmechanismen des Wirtschaftsministeriums verknüpfen.

Daß mehr Wettbewerb und verstärkte behördliche Aufsichtsmechanismen durchaus vereinbar sind, beweist, glaube ich, das neue Energieaufsichts- und Strompreisaufsichtssystem. Da gilt es, die klassischen Energieaufsichts- und Kontrollmechanismen weiterzuentwickeln und insbe


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sondere an die EU-Wettbewerbsregeln anzupassen, also zum Beispiel neben der Strompreiskontrolle Instrumente wie die Konzessionierung für Versorgungsgebiete und das Anlagengenehmigungsverfahren für die Stromerzeugung einzubringen. Wobei man durchaus darüber diskutieren kann, ob man das Verfahren nicht nur auf Landesebene, sondern bis auf Bundesebene durchzieht. Weitere derartige Instrumente sind etwa Erteilung von Bewilligungen für die Ein- und Ausfuhr von Strom, Auskunftsverpflichtungen für EVUs und Einschaumöglichkeiten und/oder die Kontrolle und Genehmigung von allgemeinen Versorgungsbedingungen. Insgesamt müssen jene öffentlichen Verpflichtungen der Elektrizitätswirtschaft garantiert sein, die im Entwurf der EU-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie unter dem Begriff "public service obligations" zusammengefaßt sind.

Ich hoffe, mit diesen einleitenden Ausführungen Ihre Fragen eins bis drei beantwortet zu haben. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Kommentierung von Äußerungen an und für sich nicht Gegenstand parlamentarischer Anfragebeantwortungen ist, halte aber fest, daß es übertrieben ist, bei klagloser Stromversorgung und einem in überwiegendem Ausmaß guten Zusammenspiel der Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft von Kampf und Chaos zu sprechen. Es wird eine der zentralen Aufgaben der nächsten Legislaturperiode sein, den regulatorischen Rahmen der Elektrizitätswirtschaft zu verbessern, wobei nach meiner Vorstellung die bessere Koordination und die Konzentrierung von Aufsichtsmechanismen im Wirtschaftsministerium eine zentrale Rollen spielen sollten.

Zur Frage 4:

Offensichtlich ist das hier angeführte Ausschreibungsverfahren im Zusammenhang mit der laufenden Diskussion zum Vorschlag einer Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie zu sehen. Da diese Verhandlungen noch in Fluß sind, sehe ich bis zu einem Abschluß der Verhandlungen zur Binnenmarktrichtlinie keinen Grund, von der bestehenden österreichischen Rechtslage abzugehen.

Zur Frage 5:

Die Arbeiten für eine Verstärkung der Wettbewerbselemente in der österreichischen Elektrizitätswirtschaft gehen zügig voran, wobei darauf geachtet wird, daß der bewährte thermohydraulische Verbundbetrieb weiterhin beibehalten werden kann und somit eine weitgehende stromwirtschaftliche Autonomie und damit die Vermeidung von Atomstromimporten bestmöglich gewährleistet ist.

Insbesondere wurde auf Initiative Österreichs im Richtlinienentwurf zum Elektrizitätsbinnenmarkt vorgesehen, daß die erneuerbaren Energieträger und somit auch die Wasserkraft im angestrebten Elektrizitätsbinnenmarkt prioritär eingesetzt werden können. Im übrigen verweise ich auf die Aktivitäten Österreichs mit dem Ziel eines kernenergiefreien Mitteleuropa.

Zur Frage 6:

Ich habe nicht die Absicht, die von der Elektrizitätswirtschaft erstellten Prognosen über den Stromverbrauch zu kommentieren. Ich möchte darauf verweisen, daß der Stromverbrauch sehr stark mit technologischen Entwicklungen und vor allem auch mit der Wirtschaftsentwicklung korreliert.

Zu den Fragen 7 und 8:

Bei den Fragen, ob im Bereich der Verbundgesellschaft derzeit erhebliche Überkapazitäten hinsichtlich der verfügbaren Strommengen bestehen beziehungsweise auf welche Summe sich die Kosten, die im Bereich der Verbundgesellschaft durch die erhöhten Strombedarfsprognosen entstanden sind, belaufen, geht es um den Bereich der Orientierung der Geschäftspolitik der Verbundgesellschaft, also eines privaten Rechtsträgers, auf die der Wirtschaftsminister keinen Einfluß zu nehmen hat.


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Zur Frage 9:

Wie ich bereits zu den vorhergehenden Fragen ausgeführt habe, kann Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage nur eine Angelegenheit der Vollziehung aus dem Zuständigkeitsbereich meines Bundesministeriums sein. Da die Frage weiterer Kraftwerksbauten durch die OKA an mich weder im Rahmen von Verwaltungsverfahren herangetragen wurde noch Gegenstand einer Entscheidung meines Bundesministeriums im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ist, kann ich im Rahmen des parlamentarischen Interpellationsrechtes zu dieser Frage nicht Stellung nehmen.

Zur Frage 10:

Die Frage, ob das Kraftwerksprojekt Lambach im Vergleich mit bereits bestehenden Laufkraftwerken als großes Kraftwerk einzustufen ist oder nicht, ist energiewirtschaftlich nicht eindeutig determiniert. Eine quantitative Einstufung hängt maßgeblich von energiewirtschaftlichen Kriterien wie etwa dem jährlichen Regelarbeitsvermögen, der Nennleistung oder Einzugsgebiet oder ähnlichem mehr ab. – Wird das Regelarbeitsvermögen als Einstufungskriterium herangezogen, was aber nicht das alleinige Kriterium ist, so läge das Kraftwerksprojekt Lambach an zirka 65. Stelle der österreichischen Laufkraftwerke. Energiewirtschaftlich wäre es als ein Laufkraftwerk mittlerer Größe einzustufen.

Zur Frage 11:

Mir ist keine Bestimmung des 2. Verstaatlichungsgesetzes bekannt, die es mir ermöglichen würde, koordinierend in den Kraftwerksausbau der Elektrizitätswirtschaft einzugreifen. Das sogenannte 2. Verstaatlichungsgesetz ist seit der Novelle 1987 nur mehr das Organisationsstatut der österreichischen Elektrizitätswirtschaft, das insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen Verbundgesellschaft, Landesgesellschaften und den fünf großen landeshauptstädtischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen regelt und sich an der föderalistischen Struktur Österreichs orientiert. In diesem Rahmen haben sich zwischen den Trägern der österreichischen Elektrizitätswirtschaft sehr wohl Koordinationsinstrumente entwickelt, etwa das koordinierte Ausbauprogramm, aber auch Koordinierungsverträge und das Forschungsprogramm der Elektrizitätswirtschaft.

Eine Möglichkeit zum Eingriff in die Unternehmenspolitik seitens der Bundesregierung oder des Wirtschaftsministeriums kann hingegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht entnommen werden. Auch die energiewirtschaftliche sowie verfassungs- und verwaltungsrechtliche Literatur des 2. Verstaatlichungsgesetzes und die Judikatur der Höchstgerichte interpretieren in das Gesetz keine Lenkungs- und Regulierungsbefugnisse einer zentralen Bundesinstanz. Wenn Sie letzteres wollen oder wenn man das will, dann muß man Änderungen der derzeitigen Gesetzeslage herbeiführen.

Aus § 4 Abs. 1 des 2. Verstaatlichungsgesetzes muß gefolgert werden, daß Großkraftwerke im Sinne dieses Gesetzes Kraftwerke sind, die nicht zur Erfüllung der Aufgabe der Landesgesellschaften bestimmt sind und nicht als Eigenversorgungsanlagen unter § 1 Abs. 2 lit. b fallen. Gemäß § 4 Abs. 5 entscheidet die Bundesregierung nach Anhörung der Verbundgesellschaft unter Bedachtnahme auf energie- und wasserwirtschaftliche Belange, ob ein Kraftwerk als Großkraftwerk im oben erwähnten Sinn anzusehen ist.

Hinsichtlich der Frage, wann es zu einem Verfahren gemäß § 4 Abs.  5 kommt, gilt folgendes: § 3 Abs. 2 des 2. Verstaatlichungsgesetzes weist die Durchführung der Allgemeinversorgung mit elektrischer Energie im Bereich der einzelnen Bundesländer den Landesgesellschaften als Aufgabe zu. Diese Aufgabe umfaßt insbesondere auch die Erzeugung von elektrischer Energie. Gemäß § 5 Abs. 4 lit. d 2. Verstaatlichungsgesetz obliegt der Verbundgesellschaft die Aufgabe, den Bau und den Betrieb von Großkraftwerken durch bestehende oder zu errichtende Sondergesellschaften zu veranlassen. Bei der Auslegung von § 4 Abs. 5 des 2. Verstaatlichungsgesetzes ist also davon auszugehen, daß eine Erklärung zu einem Großkraftwerk nur in jenen Fällen zu erfolgen hat, in denen der Bau eines Kraftwerkes durch eine Sondergesellschaft von


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der Verbundgesellschaft veranlaßt wird oder veranlaßt werden soll. Da dies bei dem Kraftwerksprojekt Lambach nicht der Fall ist, waren auch die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz zur Großkraftwerkserklärung nicht gegeben. Eine Anhörung der Verbundgesellschaft erübrigt sich daher.

Im übrigen ist es nicht verwunderlich, daß die Verbundgesellschaft das Projekt Lambach nicht für eine Sondergesellschaft reklamiert hat. Es wird im letzten koordinierten Ausbauprogramm der gesamten österreichischen Elektrizitätsunternehmen der Landesgesellschaft OKA zugeordnet, was offensichtlich in Übereinstimmung mit der Verbundgesellschaft erfolgt ist.

Zur Frage 12:

Ich verweise auf meine Beantwortung der Frage 10, wonach es überhaupt schwierig ist, nach energiewirtschaftlichen Kriterien eine Quantifizierung nach der Größe vorzunehmen. Wenn Sie nunmehr kalorische Kraftwerke ansprechen, so ist überdies festzuhalten, daß die Jahreserzeugung von thermischen Kraftwerken entscheidend von deren Einsatzcharakteristika und externen Rahmenbedingungen abhängt, sodaß eine Größeneinstufung des Kraftwerkprojekts Theiß nach diesem Einstufungskriterium oder nach der Nennleistung nicht möglich ist.

Zur Frage 13:

Wie bereits unter Frage 11 erwähnt, ist ein Verfahren gemäß § 4 Abs. 5 des 2. Verstaatlichungsgesetzes nur in jenen Fällen einzuleiten, in denen die Veranlassung der Errichtung von Großkraftwerken durch die Verbundgesellschaft zu Beeinträchtigungen von Aufgaben der Landesgesellschaften führen kann. Hingegen sind bei der Errichtung von Kraftwerken, die im wesentlichen zur Erfüllung der Aufgaben der Landesgesellschaften bestimmt sind, die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetzes nicht gegeben. Eine Anhörung der Verbundgesellschaft im Hinblick auf den Neubau von Block B des Kraftwerkes Theiß war daher gegenstandslos.

Zur Frage 14:

Die erste formelle Erklärung zum Großkraftwerk gemäß § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz ist im Jahre 1949 für das Reißeck-Kraftwerk erfolgt. Die Daten der darauf folgenden Anträge gemäß § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz, die zu unterschiedlichen Projekten eingebracht wurden, können gegenwärtig nicht erhoben werden.

Mit Schreiben vom 9. September 1981 an das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie hat die Donaukraftwerke AG einen Antrag auf Entscheidung der Bundesregierung gemäß § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz gestellt, daß das Kraftwerk Greifenstein und die weiteren künftig auszubauenden Donaukraftwerke als Großkraftwerke im Sinn des § 4 Abs. 1 2. Verstaatlichungsgesetz anzusehen sind. Die Anhörung der Verbundgesellschaft ist auf schriftlichem Wege erfolgt. Die Antwort der Verbundgesellschaft mit Schreiben vom 4. November 1981 hat die Zustimmung enthalten. Die Genehmigung der Bundesregierung ist in der 110. Sitzung des Ministerrates am 25. November 1981 erfolgt.

Die Tauernkraftwerke AG hat mit Schreiben vom 6. Juli 1983 an das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie einen Antrag auf Erklärung des Kraftwerkprojektes Oberpinzgau zum Großkraftwerk eingebracht. Zu diesem Antrag wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine mündliche Verhandlung am 20. Jänner 1984 ist erfolgt. Im Rahmen dieser Verhandlung erfolgte die Anhörung der Verbundgesellschaft. Anläßlich dieser Anhörung war bereits klar, daß dieses Projekt nicht mehr im koordinierten Ausbauprogramm 1983 aufscheinen wird.

Seitens der Osttiroler Kraftwerke GesmbH wurde mit Schreiben vom 28. März 1986 an die österreichische Bundesregierung der Antrag gestellt, die Bundesregierung möge das Speicherkraftwerk Dorfertal-Matrei zum Großkraftwerk erklären. Dieser Antrag wurde nicht in Behandlung genommen.


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Zur Frage 15:

Ich verweise zunächst auf meine einleitenden Bemerkungen, in denen ich ein Programm zur Verstärkung der Aufsichts- und Koordinationsmechanismen im Bereich der Elektrizitätswirtschaft skizziert habe. Ich warne aber noch einmal vor überzogenen Energieplanungsgedanken und verweise auf die gegebene Verfassungsrechtslage. Entsprechend der föderalistischen Struktur der österreichischen Elektrizitätsversorgung weist Artikel 12 Bundes-Verfassungsgesetz auf dem Gebiet des Elektrizitätswesens dem Bund lediglich die Zuständigkeit zur Grundsatzgesetzgebung zu, während die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung eine Angelegenheit der Länder darstellen. Schon aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Kompetenzsituation sind mir Eingriffe auf dem Gebiet der Kraftwerksplanung nicht möglich.

Ungeachtet dessen möchte ich auch festhalten, daß es sich bei der Koordination der Kraftwerksplanung vorwiegend um eine Aufgabe handelt, die von den betroffenen Unternehmungen im Einklang mit den Wettbewerbsvorschriften wahrzunehmen sind. Auch kann es nicht Aufgabe einer koordinierten Kraftwerksplanung sein, allfällige Fehleinschätzungen einzelner Unternehmungen im künftigen Energieabsatz zu Lasten anderer Unternehmen auszugleichen. Dirigistische Ad-hoc-Eingriffe von Zentralstellen lehne ich in diesem Zusammenhang jedenfalls ab.

Im übrigen bin ich der Ansicht, daß die österreichischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen ihre Koordinationsfunktion durchaus in verantwortungsvoller Weise wahrnehmen, was sich besonders im koordinierten Ausbauprogramm der Verbundgesellschaft, der Landesgesellschaften sowie der landeshauptstädtischen Unternehmungen manifestiert. Ein koordinierter Ausbauplan bedeutet nicht, daß Überkapazitäten oder auch zu geringe Versorgungskapazitäten in allen Fällen vermieden werden können, zumal – und auch das muß gesagt werden – Investitionsentscheidungen beziehungsweise Entscheidungen über langfristige Lieferverträge in der Regel zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem sich dies nicht exakt abschätzen und immer ganz klar definieren läßt.

Zur Frage 16:

Die in der Anfrage angesprochene Studie Least-Cost-Planning ist von den auftraggebenden Bundesministerien noch nicht approbiert. Die Frage einer allfälligen Implementierung des LCP-Instruments, eines erweiterten Ansatzes Integrated-Ressource-Planning sowie Maßnahmen in dieser Richtung können aber nach Abschluß der Studien diskutiert und erörtert werden. Ich glaube, daß man diese Instrumente in das elektrizitätswirtschaftliche Bewilligungsverfahren von Stromerzeugungsanlagen integrieren muß, und es ist zu klären, auf welcher Ebene dies erfolgen soll.

Zur Frage 17:

Eingangs stelle ich klar, daß durch das neue Strompreisaufsichtssystem der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten weder von der Strompreisfestsetzung entbunden wird noch den Elektrizitätsversorgern fixe Monopolrenten einräumt. Entschieden muß ich mich dagegen aussprechen, daß ich die "lästige" Strompreisregelung ablegen möchte. Vielmehr verhält es sich so, daß ich die bisherige Strompreisregelung durch ein modernes und flexibles Aufsichts- und Informationssystem vereinfacht und Reste, wie ich meine, einer obrigkeitsstaatlichen bürokratischen Lenkungsideologie damit beseitigt habe. Wenn es notwendig und erforderlich ist, werde ich mich aber nicht scheuen, amtswegige Strompreisverfahren einzuleiten und mit Bescheid abzuschließen.

Was Ihre Auffassung betrifft, daß das neue System Renten garantiert, bitte ich, jene ausführlichen Unterlagen zu studieren, die ich anläßlich der Vorstellung des neuen Systems der Öffentlichkeit unterbreitet habe. Klar ist, daß eine flächendeckende Elektrizitätsversorgung in einem bestimmten Gebiet jene Elemente enthält, die in der Volkswirtschaftstheorie als natürliches Monopol bezeichnet werden. Aber gerade hier bringt das neue System mehr Transparenz, die das alte, formalisierte Behördenverfahren nicht hatte. Von einer Rente könnte man höchstens sprechen, wenn sich der zulässige Preis etwa nur am Verbraucherpreis orientieren würde. Dem ist aber nicht so, es gibt nicht nur den stringenten Price-Cap nach


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angloamerikanischem Modell, sondern zusätzlich einen Produktivitätsabschlag. Die Höhe beider Abschläge und das Verfahren überhaupt sind von renommierten Universitätsexperten überdies gründlich durchleuchtet und bestätigt worden.

Zur Frage 18:

Die Kollektivverträge der Elektrizitätsversorgungsunternehmen Arbeiter/Angestellte, Arbeitsordnungen sowie diverse Betriebsvereinbarungen hinsichtlich Zulagen und Sonderleistungen fallen in die Tarifautonomie der jeweiligen Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Bereits in der Vergangenheit wurden auf Initiative des Wirtschaftsministers die Elektrizitätsversorgungsunternehmen angehalten, wirksame Maßnahmen insbesondere in Richtung Senkung der Personalkosten – Stichwort: quantitative Einsparungsziele, Pensionsreformen et cetera – vorzunehmen. Diese werden nunmehr auch vom Rechnungshof anerkannt, wie beispielsweise im jüngsten Ergebnisbericht der bei der Verbundgesellschaft durchgeführten Gebarungsprüfung. Aufgrund der Verstärkung des Wettbewerbs insbesondere im Kontext mit dem angestrebten Elektrizitätsbinnenmarkt sowie weiteren Privatisierungsschritten ist aber klar, daß es einen erheblichen Rationalisierungsdruck gibt, der zu einer weiteren Reduktion der Personalkosten und auch zu strafferen Personalstrukturen führen muß und führen wird.

Zur Frage 19:

Tatsache ist, daß sich das im Energiebericht 1993 unter Maßnahme M 52 angesprochene Förderungsprogramm bereits in Umsetzung befindet. Ich möchte hier vor allem auf die bereits 1955 vom Öko-Fonds geförderten Windkraftwerke mit einer elektrischen Leistung von über 11 MW verweisen, für die bereits über 48 Millionen Schilling zugesagt wurden.

Darüber hinaus wurde unter dem Titel "Windkraft für Österreich" im Rahmen des EU-Altener-Förderungsprogrammes das Projekt, das federführend von der Umweltberatung Österreichs durchgeführt wurde, von der öffentlichen Hand gefördert. Begleitend dazu hat die Energiesektion meines Hauses eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich vertiefend mit tariflichen Maßnahmen zur Forcierung der erneuerbaren Energieträger, im besonderen der Windenergie, auseinandersetzt.

Zur Frage 20:

Bezüglich des mit der Elektrizitätswirtschaft im Februar 1994 aufgrund einer diesbezüglichen Nationalratsentschließung vereinbarten Generalübereinkommens zur Förderung der Stromeinspeisung aus Photovoltaik-, Windkraft- und Biomasseanlagen halte ich es für zweckmäßig, aufgrund der Erfahrungswerte die Förderzuschläge gemäß dem Übereinkommen einer Neubewertung zu unterziehen und diese in das angestrebte Windenergieprogramm einfließen zu lassen.

Zur Frage 21:

Die Festsetzung von Mindestpreisen für Stromeinlieferungen, die Bundesländergrenzen nicht überschreiten, soll im Sinne des Föderalismus von der mit den örtlichen Begebenheiten vertrauten Instanz bestimmt werden. Eine Entscheidung über diese Einspeissituation auf Landesebene gewährleistet daher eine bestmögliche Widerspiegelung regionaler Kostenstrukturen.

Zur Frage 22:

Die Frage, inwieweit die von Ihnen angesprochene Netzbereitstellungsgebühr im Sinn des §  4 NÖ-EWG angemessen ist, fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, sondern ist eine Angelegenheit, die der Niederösterreichischen Landesregierung zur Besorgung zugewiesen ist.

Zur Frage 23:

Zum gegenwärtigen Stand teile ich Ihnen mit, daß die Verbundgesellschaft das generelle Projekt einer 380-kV-Leitung zwischen dem bestehenden Umspannwerk Kainachtal in der weststeirischen Gemeinde Zwaring und dem geplanten Umspannwerk Südburgenland in der Gemeinde


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Rotenturm an der Pinka ausgearbeitet hat. Im Verlauf dieser Leitung soll auch ein Umspannwerk in der Oststeiermark errichtet werden. Für dieses 380-kV-Leitungsprojekt führt mein Ressort das sogenannte Vorprüfungsverfahren nach dem Starkstromwegegesetz durch. Im Zuge dieses Verfahrens wurde ein internationales Gutachten der Universitätsprofessoren Edwin, Aachen und Glavitsch, Zürich, über die energiewirtschaftliche Notwendigkeit dieser Leitung ausgearbeitet. Dieses Gutachten habe ich der Verbundgesellschaft zur Wahrung ihres verfahrensrechtlichen Parteiengehörs übermittelt. Alle weiteren Verfahrensschritte hängen von der Reaktion der Verbundgesellschaft ab. Die Frage, welchen Teilabschnitt dieser Leitung, die sich in ihrer Gesamtheit von Kainachtal bis nach Wien erstrecken soll, die Verbundgesellschaft zuerst errichten wird, muß grundsätzlich im eigenen unternehmerischen Entscheidungsbereich dieser Gesellschaft beantwortet werden.

Abgesehen davon ist der Teilabschnitt zwischen Südburgenland und Wien aus energiewirtschaftlicher Sicht als vordringlich zu bezeichnen, weil es derzeit im Burgenland nur sehr alte und nicht besonders leistungsfähige 110-kV-Leitungen gibt. Über diese schwachen 110-kV-Leitungen kann das Burgenland, das über keine nennenswerte eigene Elektrizitätserzeugung verfügt und nahezu den ganzen benötigten Strom von der Verbundgesellschaft bezieht, nicht mehr, würde ich sagen, ausreichend und sicher versorgt werden.

Zur Frage 24:

Es ist zwar nicht meine Aufgabe, dementierte Pressemeldungen zu kommentieren. Ich stehe aber nicht an, Ihnen meine grundsätzlichen Überlegungen zu Klimaschutz und Energiepolitik mitzuteilen. Die Reduktion von Treibhausgase-Emissionen ist eine Aufgabe, die unbeschadet einer hohen energierelevanten Komponente über den Energiesektor hinausgeht. Sie fällt auf Bundesebene in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Umwelt, der entsprechend einer Entschließung des Hohen Hauses den österreichischen Klimaschutzbericht erstellt hat. Auf dem Energiesektor gibt es zwei zentrale Maßnahmen: die Einsparung von Energie und die Substitution fossiler Energieträger durch erneuerbare.

Dies fügt sich in die generelle Linie der österreichischen Energiepolitik, deren Ziel neben der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung die Umwelt- und soziale Verträglichkeit wie die Nutzung heimischer Ressourcen ist. Entsprechend umfassen die 97 Maßnahmen des Energiekonzeptes 1993 schwerpunktmäßig die genannten Bereiche. Zu diesen umwelt- und energiepolitisch gleicherweise wichtigen Maßnahmen gehört aber auch der Ausbau der Wasserkraft.

Österreich strebt eine vorbildliche Rolle in der Gemeinschaft der Industriestaaten an, muß aber auch die Grenzen des Handelns im internationalen Rahmen akzeptieren. Als Beispiel möchte ich den verstärkten Tanktourismus nennen, der nach der Erhöhung der Mineralölsteuer eingesetzt und sowohl die umwelt- als auch die finanzpolitischen Effekte gedämpft hat. Ich glaube aber, daß die weitere Vorgangsweise im Bereich der Energiesteuer, die die neue Bundesregierung plant, auch weitere Schritte in die richtige Richtung bedeuten wird.

Ich stimme mit Ihnen im Erfordernis der Forcierung erneuerbarer Energien überein. Ihr Anliegen ist aber offenbar, darüber hinaus gewisse erneuerbare Primärenergieformen bindend vorzugeben, derer sich die Energiewirtschaft zu bedienen hat.

Mir scheint die Wahl zwischen erneuerbaren Primärenergieformen eine Entscheidung zu sein, die einerseits weitgehend dem unternehmerischen Ermessen der Versorgungsunternehmen, andererseits im Sinne des kooperativen Föderalismus dem Regelungsbereich der Länder zugeordnet bleiben sollte.

Zu Frage 25:

Auch das scheint mir noch wichtig zu sein: die vom Herrn Abgeordneten Anschober zitierte OECD-Studie. Ich möchte davor warnen, energiepolitische Diskussionen auf die Betrachtung weniger oder gar eines einzigen Parameters zu verkürzen. Als signifikantes Beispiel möchte ich anführen, daß insbesondere die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung in Dänemark seit Ende der


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siebziger Jahre auf einem sehr hohen Kohleeinsatz beruht, der entsprechend sehr hohe CO2-Emissionen mit sich brachte. In der umweltpolitisch bedeutenden Maßgröße der CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr liegt Dänemark mit 11,4 Tonnen deutlich schlechter als Österreich, dessen 7,1 Tonnen jedem Vergleich in der Gruppe der Industriestaaten standhalten.

Daß Dänemark als bedeutender Produzent von Gas gegenwärtig andere Möglichkeiten hat, in diesen CO2-günstigen, aber freilich nicht CO2-neutralen Energieträger zu gehen, als beispielsweise Österreich, ist unbestritten, zeigt aber auch ein bißchen die Fragwürdigkeit der Gegenüberstellung.

Wenn Sie aber schon auf den Primärenergieverbrauch abgestellt haben, dann möchte ich doch dazu bemerken, daß in der Periode 1980 bis 1994 der Energieverbrauch in Dänemark um 2,2 Prozent zugenommen hat, in Österreich um 8,6 Prozent. Unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zeigen sich beim relativen Energieverbrauch – Energieverbrauch je Einheit Bruttoinlandsprodukt, der, glaube ich, in diesem Falle das bessere Bild gibt – folgende Rückgänge: Dänemark minus 22,9 Prozent, Österreich minus 19,1 Prozent. Der Unterschied bei der Verbesserung der Energieeffizienz ist somit keineswegs so hoch, wie Sie es hier dargestellt haben. Im EU-Raum liegt Österreich hinter Luxemburg, Irland und Dänemark an vierter Position.

Betrachtet man einen längeren Zeitraum seit dem ersten Ölpreisschock 1973, so zeigt sich nach aktuellen Daten der internationalen Energieagentur sogar eine parallele Entwicklung beider Staaten. Sowohl Dänemark als auch Österreich benötigten 1994 pro 1000 Einheiten Bruttoinlandsprodukt rund 0,15 Öleinheiten an Gesamtenergie. Zwischen 1973 und 1994 erzielten beide Staaten einen Rückgang des relativen Energieverbrauches um rund 29 Prozent. Beim Pro-Kopf-Verbrauch schneidet Österreich mit 3,3 Tonnen Öleinheiten sogar deutlich besser ab als Dänemark mit 4,02 Tonnen Öleinheiten. Die geringfügig besseren Daten Dänemarks für die Periode 1980 bis 1994 erklären sich vor allem aus dem niedrigen Anteil der Industrie am Energieverbrauch – Dänemark hat 20 Prozent, Österreich hat 30 Prozent – sowie dem erwähnten Ausbau der Fernwärmeversorgung vorwiegend auf Kohlebasis.

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Nach der Geschäftsordnung darf kein Redner länger als 15 Minuten reden.

Ich erteile als erster Rednerin der Frau Abgeordneten Dr. Petrovic das Wort. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Ich brauche gar keine Debatte mehr! Ich weiß alles! Ditz hat alles gesagt!)

22.30

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn einzelne ÖVP-Abgeordnete, selbst der Klubobmann, die Debatte für entbehrlich halten, so glaube ich doch, für Österreich ist sie wichtig. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter .) Das ist umso trauriger, Frau Abgeordnete Fekter, denn das zeigt Ihre umweltpolitische und energiepolitische Ignoranz. Das ist etwas, was für Österreich wirklich volkswirtschaftlich von Schaden ist. Es sollte Ihnen die Energiepolitik – auch wenn Ihnen die Umweltgesichtspunkte und die drohende Eskalation in Lambach offenbar egal sind –, die Österreich für morgen ansteuert, nicht egal sein.

Meine Damen und Herren! Es ist ohne Zweifel so, daß Österreich im Prinzip sehr günstige Voraussetzungen hat, sehr ökologisch Energie zu produzieren. (Abg. Mag. Kukacka: Mit der Wasserkraft!) Teilweise auch aufgrund der Wasserkraft, sicherlich!

Nur: Es ist sicher eine Güterabwägung durchzuführen zwischen der Wasserkraft, dem weiteren Ausbau, dem ohnehin nur mehr in ganz, ganz kleinen Bereichen möglichen weiteren Ausbau der Wasserkraft und ökologischen Anliegen. Das sind mittlerweile, meine Damen und Herren, auch ökonomische Anliegen. Denn gerade wenn es darum geht, einen ökologisch oder vielleicht den ökologisch bedeutendsten Auraum in Oberösterreich zu schützen, dann sind das Interessen, die


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sehr wohl auch ökonomisch von Bedeutung sind, etwa im Bereich der Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Aber da wird mit Engstirnigkeit und Borniertheit vorgegangen – das beweisen auch Ihre Zwischenrufe –, Sie sind überhaupt nicht bereit, diese Güterabwägung ernsthaft in Betracht zu ziehen und dementsprechend zu handeln. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Das ist doch nur ein Maisfeld!)

Der Herr Bundesminister hat viele Details gebracht und sehr ausführlich geantwortet. Aber eines kam aus seiner Beantwortung summa summarum heraus: daß er eigentlich nicht anstrebt, wirkliche Energiepolitik in Österreich zu machen. Und er denunziert das. Frau Abgeordnete Fekter! Er denunziert das sofort. Energiepolitik, eine wirklich effiziente, tunlichst nicht in einzelne Projekte eingreifende Energiepolitik denunziert er als Dirigismus, als Planungswirtschaft. Und was er dabei in seiner Beantwortung macht, kommt in vielen Punkten dirigistischen Mechanismen und Eingriffen in marktwirtschaftliche Prozesse weit näher. Ich habe ihm sehr genau zugehört: Er hat eingangs sehr wohl, zwar etwas verdeckt, aber doch gesagt (Abg. Wabl: Friktionen!), daß es gröbere Unstimmigkeiten gibt. Er sprach von gewissen Friktionen. In Wahrheit – erlauben Sie mir, daß ich das so salopp formuliere – wissen wir alle, es fliegen die Fetzen zwischen dem Verbund und den Landesgesellschaften. Er spricht etwas moderater von "gewissen Friktionen". Die Rechnung für diese gewissen Friktionen zahlen die österreichischen Stromkonsumentinnen und Stromkonsumenten. Denn wenn die Kilowattstunde von Lambach etwa 75 bis 80 Groschen kosten wird (Abg. Dr. Fekter: 65 Groschen!), wir aber Strom um 20 oder 25 Groschen exportieren, dann frage ich Sie: Wer zahlt denn die Differenz, wenn nicht die österreichische Bevölkerung? Und das ist etwas, was auf Dauer sicher unerträglich ist. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Sie sprachen von historisch gewachsenen Strukturen. Ja natürlich, das stimmt! Es war in der Nachkriegszeit notwendig, die Energiewirtschaft aufzubauen. Es war sicherlich auch notwendig, den Ländern Kompetenzen zu geben. Doch heute ist das mit Sicherheit zu überdenken. Wenn Sie da einfach nicht bereit sind, in irgendeiner Art und Weise eine sinnvolle Energiepolitik, eine zentrale Energiepolitik zu machen, dann ist es nicht so, daß da wirklich mehr freier Wettbewerb herrscht, sondern es gibt Landesgesellschaften, die die Endverbraucher versorgen und dabei sehr gute Erlöse erzielen und teilweise eben auch die Einspeisungstarife so gestalten können, daß sie gewisse erneuerbare Energien einfach aus dem Wettbewerb hinausdrängen. Das ist nicht freier Wettbewerb, sondern das ist blanker Dirigismus, den Sie durch Ihre Untätigkeit und durch Ihre offenbare energiepolitische Abstinenz bewußt dulden. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. – Abg. Wabl: Keine Zwischenreden!)

Andererseits gibt es die Verbundgesellschaft, die teilweise sehr, sehr billigen Strom produziert, auch weil sie das Glück hat, die Donaukraftwerke zu betreiben. Diese Verbundgesellschaft hat aber ein großes Problem: Sie kommt nicht an die Endabnehmerinnen und Endabnehmer. Daher haben Sie Landesgesellschaften, die sehr wohl ein Abgabemonopol haben und teilweise auch ein Monopol bei der Tarifregelung zur Einspeisung, und Sie haben eine Verbundgesellschaft, die zwar sehr billigen Strom produziert, aber nicht an die Konsumentinnen und Konsumenten herankommt und diesen Strom im Ausland verschleudern muß. Und das ist eine Situation, die volkswirtschaftlich sicher unerträglich ist und die dazu führt, daß auch weitere ökologische Zerstörungen möglich sind. Denn wenn jede Landesgesellschaft diesen Kantönligeist entwickelt und sagt, wir wollen unabhängig sein, und zwar nicht vom Ausland, wie Sie gesagt haben, Herr Bundesminister, sondern unabhängig von der eigenen Verbundgesellschaft, von der österreichischen Gesellschaft, dann führt das eben dazu, daß man wirklich auf Teufel komm raus auch die letzten Aulandschaften, die letzten freien Flußstrecken zerstören muß. (Abg. Schwarzenberger: Kommt denn das Kraftwerk nicht in ein Maisfeld?)

Zu den Instrumenten, die Sie vorgeschlagen haben: Wenn Sie dann von der Anlagengenehmigung sprechen, wenn Sie dann auch davon sprechen, daß es notwendig sein könnte, weiters amtswegige Strompreisverfahren durchzuführen – ich habe genug selbst an derartigen Verfahren teilgenommen und weiß, wie betriebs- und volkswirtschaftlich unseriös das läuft –, dann, Herr Bundesminister, frage ich Sie: Was ist denn das, wenn nicht Dirigismus und letztlich ein Element zentraler Planung? Sie sagen, es gibt da eine Studie über das Least-Cost-Planning!


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Sie wissen ja genau, was da drinnen steht, nämlich daß es viel leichter und viel billiger, das heißt, viel marktwirtschaftlicher wäre, auch in der Causa Lambach dieselbe Menge an Strom durch Wärmedämmungsmaßnahmen, durch andere Maßnahmen einzusparen, als dieses Kraftwerk um 600 Millionen Schilling zu bauen. Das wissen Sie, daß das da drinnen steht. Und dann sagen Sie hier allen Ernstes, die Studie ist nicht approbiert. Was ist das für ein hoheitliches Verständnis von Wissenschaftspolitik oder von Umgang mit gutachterlichen Äußerungen? Ist es wirklich so, daß wir die Äußerungen von Fachleuten aus dem Energiebereich mit der Autorität des Ministers approbieren müssen? Das ist, glaube ich, blanker Dirigismus, und so etwas will ich nicht. Ich will freie Wissenschaft und Studien, die dann auch von der Politik zur Kenntnis genommen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Und selbst in der Frage des 2. Verstaatlichungsgesetzes scheinen Sie einer Auslegung zu folgen, die sicherlich eine mögliche Auslegungsform ist: abzustellen auf die Sondergesellschaften und zu sagen, ansonsten können wir nicht. (Abg. Mag. Kukacka: Das ist gesetzlich notwendig!) Nein, nein, so ist es nicht. Es ist eine gesetzliche Möglichkeit. Aber dieser Bundesminister will offenbar die geringstmögliche Kompetenz haben. (Abg. Dr. Fekter: Es ist nicht ideal!) Dieser Bundesminister will offenbar nicht gestaltend im Sinne eines Least-Cost-Planning eingreifen. Ich glaube auch nicht, daß es die ideale Vorgangsweise ist, zu warten, bis irgendeine Gesellschaft ein Projekt vorlegt, vielleicht sogar relativ teure Planungsarbeiten fertig hat, und dann zu sagen, das paßt mir aber nicht, jetzt erkläre ich das zum Großprojekt und streiche es vielleicht. Aber das würde ja den ernsthaften Willen zu einer echten, zu einer gestaltenden Energiepolitik voraussetzen. Bei den Inhalten geht es nicht um Nichteingriffe in einzelne Projekte, tunlichst nicht einzelne Anlagengenehmigungen außerhalb der normalen Bau- und sonstigen Verfahren und tunlichst auch nicht um alle möglichen amtswegigen Verfahren, geschweige denn um die hoheitliche Approbierung von Studien, da geht es vielmehr zunächst einmal um energiepolitische Prinzipien, etwa die bundesweite Verankerung des Least-Cost-Planning-Prinzips oder die Verankerung des Prinzips, daß der gesamte Kraftwerkspark optimal zu nutzen ist, daß insbesondere der billige Verbundstrom zu nutzen ist, auch wenn das für die Herrschaften in den Landesgesellschaften relativ geringere Quoten bedeutet. Das heißt auch, insgesamt abzustellen auf einen optimalen Mix der verschiedenen Arten der Produktion.

Wenn Sie sagen, Sie mischen sich nicht in die Entscheidung ein, welche Arten erneuerbarer Energie von den einzelnen Gesellschaften forciert werden, dann muß ich sagen: Auch das zeugt von Ihrer mangelnden Bereitschaft zu einer echten Energiepolitik. Denn es kommt nicht darauf an, irgendwelche Formen der erneuerbaren Energie zu wählen, sondern es kommt darauf an, auf die österreichische Situation zu reagieren. Und diese ist gekennzeichnet von einem gewaltigen Überangebot im Sommer und einer gerade ausreichenden und ökologisch sicher verbesserbaren Situation im Winter. Deswegen müßte im Rahmen eines ökologisch und auch volkswirtschaftlichen fundierten Energieprogramms sehr wohl der Wirtschaftsminister dazu Stellung nehmen, welche Art der erneuerbaren Energie auszubauen ist. Und das kann nur eine Art der Energie sein, die vor allem im Winter und nicht im Sommer hohe Leistungen erbringt, wenn wir im Strom schwimmen und ihn verschleudern müssen.

Daher muß man insbesondere an die Windkraft denken und in deren Nutzung relativ mehr investieren. Es wurde die Größenordnung 48 Millionen genannt, die in den Ausbau der Nutzung der Windkraft investiert wurden. In Anbetracht dessen sage ich: Allein Lambach, das vom Herrn Bundesminister nicht als Großprojekt, sondern als Projekt mittlerer Größe eingestuft wird, kostet gemäß Voranschlag 600 Millionen. In Wahrheit wird es viel mehr kosten, sollte es gebaut werden. Daher kann man feststellen, daß es ein extremes Ungleichgewicht der Inputs in die verschiedenen Energiearten gibt. Für ein mittleres Kraftwerk sind Sie bereit, mehr als zehnmal soviel auszugeben als für den Bereich der Förderung sinnvoller Winterenergien wie der Windkraft.

Herr Bundesminister! Genau das kennzeichnet die Situation, in der wir uns befinden. Daher bringe ich jetzt zwei Entschließungsanträge ein und hoffe, daß es zur Vermeidung des Konflikts um Lambach doch eine Bereitschaft gibt, darüber nachzudenken. Ich hoffe, daß insbesondere die Sozialdemokraten die Haltung ihrer oberösterreichischen Landeskolleginnen und -kollegen


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unterstützen, denn ich glaube, daß diese Anträge wirklich geeignet sind, eine bessere Energiepolitik für Österreich herbeizuführen.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, dem Parlament bis Mitte 1996 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Schaffung einer unabhängigen Energie- Koordinierungsbehörde vorsieht, deren Aufgabe die Koordinierung der Ausbauprogramme, die Vergabe von Konzessionen, die Entscheidung über neue Kraftwerkskapazitäten ist."

*****

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten werden aufgefordert, die ihnen zustehende Kompetenz zur Koordinierung des Kraftwerksausbaus der Elektrizitätsversorgungsunternehmen wahrzunehmen und zu überprüfen, ob es sich beim Kraftwerk Lambach um ein Großkraftwerk gemäß § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz 1947 handelt."

*****

Es ist insgesamt traurig, wenn der Nationalrat den Bundesminister auffordern muß, Kompetenzen wahrzunehmen. Ich würde mir einen Wirtschaftsminister wünschen, der diese Kompetenzen aktiv, gestaltend und in einer ökologischen Art und Weise ausübt. Am besten wäre es allerdings, diese Kompetenz wäre in Zukunft überhaupt nicht im Wirtschaftsministerium, denn dort war sie in der Vergangenheit schlecht aufgehoben, und es zeigt sich, daß sie offenbar auch jetzt dort schlecht aufgehoben ist. Diese Kompetenz gehört eigentlich als eine zentrale Kompetenz ins Umweltressort. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden von der Frau Abgeordneten Dr. Petrovic vorgetragenen Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt. Sie werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

22.45

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wer so wie die meisten von Ihnen weit weg von Lambach ist, wird sicher bei den Darlegungen des Kollegen Anschober nach dem Taschentuch gegriffen haben, weil er so ergriffen war von der Darstellung der Geschichte der 50 Tage – wie Anschober es formulierte – des friedvollen Widerstandes in Lambach. Nach seiner Darstellung seien die Naturschützer jene, die nur das Nette, Schöne und Unwiederbringbare im Auge haben. – Ein Geschichtenerzähler ist aber meistens auch ein Märchenerzähler, und so verhielt es sich bei seiner Rede, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt – und das ist unbestritten – unter diesen Demonstranten oder Naturschützern durchaus einige, die aus Überzeugung dabei sind. Gegen diese gibt es nichts einzuwenden. Das sind aber sehr, sehr wenige. Dagegen gibt es sehr viele, die aus Wien und aus anderen Gegenden


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unseres Landes herangekarrt werden, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Fekter: Die brauchen wir dort nicht!) Und die brauchen wir dort nicht.

Es sei dort der letzte schützenswerte Bereich der Traun vorzufinden. – Meine Damen und Herren! Entweder die Brillen vom Anschober sind so schlecht, dann müßte er zum Optiker gehen, oder er ist tatsächlich nicht an Ort und Stelle gewesen. Ich selbst bin aus der Nachbargemeinde, meine Damen und Herren, ich bin aus der Nachbargemeinde! (Abg. Wabl: So schauen Sie nicht aus!) Wer in diesem Zusammenhang von einem Naturschutzgebiet und vor allem von einer Au spricht, der versteht nichts, weiß nichts oder war nie dort, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Naturschutzgebiet Fischlhammer Au gehört zufällig zum Gebiet von meiner Gemeinde, es liegt aber einige Kilometer flußabwärts. Und diese Au lebt nur von dem Rückstau des Kraftwerkes Wels, ansonsten wäre diese Au längst gestorben, denn eine Au braucht entweder Überschwemmungsmöglichkeiten oder einen entsprechend hohen Grundwasserspiegel. Das sollten Sie, Herr Kollege Wabl, schon länger wissen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das interessiert ihn doch nicht!)

Wenn Sie von "so friedvollen Demonstranten" sprechen, dann kommen mir die Tränen. Die Demonstranten bemächtigen sich fremder Grundstücke von Kleinlandwirten, errichten Hütten, schlagen Nägel in Bäume ein, stören die Zufahrten, stören die Zufahrtsmöglichkeit. (Abg. Dr. Khol: Das ist Besitzstörung!) Meine Damen und Herren! Sie bedrohen den Grundbesitzer Hartner – ich nenne ihn wörtlich – mit dem "Hoamdrahn!" (Abg. Wabl: Was ist das?) Das sollen friedvolle Demonstranten sein?

Meine Damen und Herren! Zufällig, ganz zufällig werden in Lambach bei jenen Geschäften, deren Besitzer sich eindeutig zum Ausbau des Kraftwerkes bekennen, mit Superkleber die Türschlösser zugeklebt, ganz zufällig!

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit diesen so friedvollen Demonstranten kann man etwa lesen: "Dr. Wailands Karrierepool: Gesucht werden von Global 2000 für die Unterstützung gegen die Aktion des Kraftwerkes Lambach junge, engagierte, kommunikative Mitarbeiter, die mittels Informations- und Werbetätigkeit dem österreichischen Umweltschutz helfen wollen, redegewandt, mindestens 18 bis 30 Jahre alt. Geboten werden Einkommen und flexible Arbeitszeiten bei gutem Arbeitsklima." Und dasselbe lese ich im "Standard". Wiederum wird gesucht. Meine Damen und Herren! Das sind die friedvollen Naturschützer, die Umweltschützer, die Demonstranten!

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wabl! Ich bin der einzige Abgeordnete, der bei allen wasserrechtlichen, forstrechtlichen, naturschutzrechtlichen, energierechtlichen und anderen Überprüfungen und Verhandlungen dieses Kraftwerkes dabei war. Denn beide geplanten Kraftwerke, nämlich das Kraftwerk Saag und das Kraftwerk Lambach, wurden in einem verhandelt. Und das Kraftwerk Saag mit dem geplanten Rückstau, der jetzt nicht kommt, weil die OKA erklärt hat, daß sie verzichtet, hätte sich in meiner Gemeinde befunden, aber nicht in Ihrem Gesichtsfeld, das offensichtlich so eng und so schmal geworden ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist phantastisch, mit welch traurigen Bildern verkündet wird, wie es auf der Baustelle zugeht: "Nach Baggerkampf im Traunfluß soll nun das Parlament entscheiden." – Eines würde mich dabei interessieren: Wie ist dies technisch möglich, wenn ein Bagger, der flußabwärts in der Traun fährt – wie man hier so lesen kann – einen Wasserschwall vor sich hintreibt? Das möchte ich einmal sehen, meine Damen und Herren! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das passiert nicht einmal in Ihren Geschichten, Herr Kollege Anschober! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe schon: Medien haben nun einmal die Tendenz, schöne Bilder zu Papier zu bringen. Dafür muß man Verständnis haben. Aber daß Sie sich dazu hergeben und hier mittun, das ist etwas, was unverständlich ist!

Meine Damen und Herren! Wer in diesem Zusammenhang von einer Au spricht, der spricht wider besseres Wissen. Es gibt hier keine Au, es ist keine Au betroffen. Es handelt sich um ein


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Maisfeld. Wenn Sie nicht erkennen, daß es sich dort, wo das Kraftwerkshaus gebaut werden soll, um die abgeernteten Maisstengel handelt, die auf dem Feld vorzufinden sind, das voriges Jahr abgeerntet wurde, dann muß man tatsächlich an Ihrer Kenntnis des Naturschutzes zweifeln, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Frau Kollegin Dr. Petrovic! Ich verstehe schon, daß Sie in Schwierigkeiten sind. Aber ich sage Ihnen eines: Ihre operative Hektik kann Ihren politischen Stillstand auch nicht ausgleichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dann kommen Sie zu Besuch: Wabl, Petrovic, Anschober und so weiter. (Abg. Schwarzenberger: Lauter Bezieher von arbeitslosen Einkommen!) Wabl kommt zu Besuch. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Das ist tatsächlich begrüßenswert und lobenswert, meine Damen und Herren. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Er kommt mit der Bahn. Das ist auch lobenswert. Aber der Rückweg zum Bahnhof war ihm zu weit. Da bittet er die Gendarmerie, daß ihn das Auto zurückbringen möge. Meine Damen und Herren! Dazu fällt mir ein: Jeder will zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß. (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dieses geplante Kraftwerk wurde mehr als zehn Jahre lang verhandelt, umgeplant, und man hat wirklich versucht, aus ökologischer Sicht das Bestmögliche zu machen. Über 2 000 Parteien wurden zu den Verhandlungen geladen, und ganze zwei Einsprüche an den Verwaltungsgerichtshof sind übriggeblieben, weil zwei Anrainer – die übrigens weiter als einen Kilometer entfernt leben – die Befürchtung hegen, daß ihr Trinkwasser in Gefahr kommen könnte, obwohl die OKA sich ausdrücklich und schriftlich verpflichtet hat, eine entsprechende Trinkwasserversorgung für den Fall der Fälle sicherzustellen.

Diese geringe Einspruchszahl würde ich mir beim Kraftwerk Freudenau wünschen, meine Damen und Herren, von dem einmal verkündet wurde, daß es nicht beeinsprucht und es somit akzeptiert worden sei. Eine derartige Akzeptanz wie im gegenständlichen Fall, bei dem von 2 000 betroffenen Parteien zwei Einsprüche übrigbleiben, würde ich mir bei allen Vorhaben in Österreich wünschen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dann wird von hier aus bekannt gegeben, der Verbund könnte den Strom liefern, er hätte Überschuß genug. (Abg. Dr. Kier: Hat er nicht!) – Ich lese hier: "Stromlieferungen aus Ungarn entwickeln sich für den Verbund zum Fiasko." (Abg. Dr. Frischenschlager: Richtig!) – Ah da schau her! Der Verbund hat sich verpflichtet, aus dem Kraftwerk Nagymaros Strom zum Preis von 70 Groschen pro Kilowatt indexgesichert zu übernehmen. Daher soll offensichtlich das Kraftwerk Lambach nicht gebaut werden, jenes Kraftwerk, das heute schon Strom zum Preis von 77 Groschen pro Kilowatt bei sinkender Tendenz, weil die Zinsenlast wegfällt, liefern würde. Lambach ist objektiv gesehen, eines der billigsten Kraftwerke der letzten zehn Jahre, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Dann gibt es die Meinungen der verschiedenen Parteien. Zu den Grünen habe ich mich schon geäußert. Die Freiheitliche Partei, so vernehme ich, ist auch gegen dieses Wasserkraftwerk. Meine Damen und Herren! Ich zitiere das Positionspapier "Energie 90" zur Energiepolitik der Freiheitlichen Partei: "Nach wie vor bildet strömendes Wasser die sauberste Energiequelle." (Abg. Tichy-Schreder: Na geh!) "Wasserkraft bleibt unverzichtbar. Die Freiheitliche Partei tritt für den weiteren maßvollen Ausbau der Wasserkraft unter sorgfältiger Bedachtnahme auf Landschaft und Ökosystem ein." Das ist lobenswert! "Kleinen und mittleren Wasserkraftwerken ist der Vorzug zu geben. Laufkraftwerke sind wichtiger als Großspeicher." – Lobenswert, lobenswert!

Ich zitiere weiter: "Wasserbauten sollen grundsätzlich als Mehrzweckbauten angelegt werden: Hochwasserschutz, Fischerei, Freizeiteinrichtungen und anderes." Lobenswert! All das trifft auf Lambach genau zu! (Abg. Dr. Khol: Das ist eine Beschreibung für Lambach!) Meine Damen und Herren! Das ist die beste Beschreibung des Projektes Lambach! (Beifall bei der ÖVP.)

Die SPÖ-Oberösterreich ist in einem fürchterlichen Zwiespalt. Ich lese hier, daß der Kollege Koppler – dankenswerterweise – massiv dafür eintritt, ferner sind Kollege Freyschlager aus


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Oberösterreich und der Vorsitzende der Gewerkschaft Wipplinger dafür. (Abg. Dr. Khol: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch viele, die hier zu nennen wären. Der Altbürgermeister von Stadl Paura und die SPÖ-Fraktion von Lambach sind dafür und so weiter. Das wurde übrigens noch unter einem SPÖ-Bürgermeister verhandelt. Jetzt gibt es einen ÖVP-Bürgermeister in Lambach.

Meine Damen und Herren! All die Genannten sind dafür. Aber die importierten Demonstranten sind dagegen.

Meine Damen und Herren! Dann gibt es den Vorwurf an Landeshauptmann Pühringer, er hätte einen Wasserrechtsbescheid an sich gezogen, um ihn positiv zu machen, er hätte den Naturschutzbescheid an sich gezogen, um ihn sozusagen positiv zu gestalten.

Ich stelle klar: Die Fachabteilung des Amtes der Landesregierung wollte einen positiven Wasserrechtsbescheid erlassen. Den hat ihr dann der zuständige Landesrat Achatz untersagt. – Ah da schau her! Das ist also jene Nichteinflußnahme von politischer Seite, die sonst immer gepredigt wird! – Die Erstbehörde der Naturschutzabteilung, die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, erläßt einen positiven Naturschutzbescheid. Dieser wird von der Oberbehörde beeinsprucht. Das ist bemerkenswert. Zufällig ist die Oberbehörde die zuständige Kollegin Pramer – eine sehr ehrenwerte Person, das möchte ich festhalten –, die sich mit Stöckelschuhen und Pelzmantel im Augebiet, das sie gerne suchen würde, nicht zurechtfindet, weil es sich gar nicht finden läßt, meine Damen und Herren!

Zufällig ist auch der zuständige Referent der Erstbehörde, der Naturschutzabteilung bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, ein SPÖ-Beamter, der einen positiven Bescheid erläßt. Aber weil es den politischen Verantwortlichen oben nicht gefällt, muß ein negativer Bescheid her. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Das sind Vorgänge, die zu beleuchten sind! Ich bin froh, daß Landeshauptmann Pühringer dafür gesorgt hat, daß in dieser Frage objektiv, weisungsfrei und tatsächlich im Sinne der Behörden, der Anrainer und der Ökologie vorgegangen wird, und der dafür sorgt, daß dieses Kraftwerk gebaut wird. (Abg. Wabl: Ist Pühringer der Eigentümer der OKA?)

Lieber Herr Kollege Wabl! Seien wir froh, daß es noch Leute gibt, die dafür eintreten, daß ein Rechtsstaat Rechtsstaat sein kann, und die nicht wegen 20 Demonstranten, von denen die Mehrzahl aus Wien herbeigekarrt wird, ein derartiges Projekt in Frage stellen! (Beifall bei der ÖVP.)

23.00

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. Ich erteile es ihm.

23.00

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eines stimmt mich in dieser Debatte, seit sie geführt wird, sehr bedenklich: Daß die, die den Bau Kraftwerks Lambach vertreten, in ihren Argumenten nicht besonders überzeugend sind, daß sie dafür aber sehr lautstark argumentieren. Das ist eine Tonlage, die sich anscheinend vom Landtag in Oberösterreich direkt hier ins Parlament überträgt. Mein Vorredner, Kollege Auer, den ich sonst sehr schätze – wir haben die Kraftwerksfrage des öfteren miteinander besprochen –, ist genau in die Tonlage seiner Kollegen im oberösterreichischen Landtag verfallen.

Kollege Auer! Wundert es dich, daß die Anrainer, die um ihre Brunnen und um ihre Wasserversorgung fürchten, den Versprechungen der OKA so wenig Glauben schenken? Ich als betroffener Welser erinnere mich noch heute an das Versprechen ... (Rufe und Gegenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Kollegen, ich habe euch zugehört. Vielleicht könnt ihr auch einmal ein bißchen zuhören! Wir müssen ja nicht unbedingt auf Jahrmarktstimmung


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machen. Vielleicht ist bei meinen Ausführungen das eine oder andere Argument dabei, das für eure Überlegungen durchaus auch interessant ist!

Die OKA hat den Welsern beim Stau in Wels Wassergüte 2 versprochen. Bewirkt hat sie nichts. Das einzige, was sie bewirkt hat, war, daß die Oberliegen-Betriebe mit einem Millionenaufwand, der vom Land vorgeschrieben wurde, ihre Abwasserwerte entsprechend bereinigen mußten: Das ist eine Situation, die sich wahrscheinlich auch in dieser Frage für den einen oder anderen Betrieb mit sehr hohen Kosten auswirken wird. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Ich werde, Frau Kollegin Fekter, daran erinnern, wenn die Betriebe zu uns kommen und über die hohen Auflagen jammern, weil sie unter Umständen deswegen sogar zusperren müssen.

Wenn Frau Kollegin Petrovic als eine Vorrednerin den Kantönli-Geist oder eine stärkere Entwicklung des Kantönli-Geistes in der Energiewirtschaft in Österreich befürchtet, dann kann ich ihr sagen, daß sie die Zeichen der Zeit etwas übersehen hat. Sie braucht so etwas nicht zu befürchten. Der Kantönli-Geist steht in der Energiewirtschaft in Österreich bereits in voller Blüte. Und ich nenne Ihnen ein Beispiel, weswegen ich unter anderem dieser gesamten Diskussion, wie sie hier abgeführt wird, so mißtrauisch gegenüberstehe.

Ich habe voriges Jahr im Mai das Kraftwerk Dürnrohr besucht. Mai ist eine Zeit, in der die Donau jede Menge Wasser führt. Die Blöcke der EVN, der Energieversorgung Niederösterreichs, liefen auf Vollbetrieb. An den Kraftwerksblöcken des Verbundes wurden hingegen Revisionsarbeiten geleistet. Ich habe dann einmal ein bißchen hinterfragt, wie viele Revisionsstunden für die Verbundblöcke aufgewendet werden und wie viele Betriebsstunden die EVN-Blöcke haben, und erfuhr, daß ein genau umgekehrtes Verhältnis besteht: Was die einen das ganze Jahr revisionieren, das fahren die anderen im Vollbetrieb, und das zu einer Zeit, zu der die Donau voll wasserführend ist, das Wasser die Donau hinunterrinnt und nicht genutzt werden kann, weil die EVN den Strom nicht vom Verbund beziehen will, sondern zur selben Zeit Strom in einem kalorischen Kraftwerk erzeugt. – Meine Damen und Herren! Wenn das wirtschaftlich sinnvoll sein soll, bitte, dann müssen Sie sich andere Argumente suchen. Mich kann man damit nicht überzeugen!

Meine Damen und Herren! Leider sind für das konkret angesprochene Projekt in Lambach weder die Bundesregierung noch der Nationalrat im erforderlichen Ausmaß zuständig. Wie stark oder wie wenig stark die Zuständigkeit in dieser Frage ausgeprägt ist, wurde uns in den letzten Wochen drastisch und sehr klar vor Augen geführt: Es hat der Intervention dreier sehr prominenter politischer Persönlichkeiten bedurft. Es intervenierten unser Nationalratspräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Vranitzky und Bundespräsident Dr. Klestil, nur damit es zu einem Gespräch zwischen dem Landeshauptmann, dem Betreibervertreter der OKA, den klar deklarierten Gegnern und jenen, die nur eine Nachdenkpause befürworten, kommt. Letztere sprechen sich gar nicht einmal endgültig gegen den Bau dieses Kraftwerkes aus. Die treten nur für eine Nachdenkpause ein. Dreier Interventionen bedurfte es, um ein Gespräch zustande zu bringen und das Ergebnis haben Sie ja den Medien entnommen. Es war im Grunde genommen gleich Null. Es gab einige bedeutungslose "Behübschungen", aber es wird uneingeschränkt und ohne Pause weiter gebaut.

Meine Damen und Herren – auch von der ÖVP! Wenn Sie sich die Forderungen des oberösterreichischen Landtages, die dort zweimal hintereinander, und zwar in einem doch ziemlich großen zeitlichen Abstand, mit Mehrheit beschlossen wurden, ansehen, dann werden Sie feststellen, daß diese angesichts der energiewirtschaftlichen Situation in Österreich durchaus vertretbar sind. (Abg. Schwarzenberger: Arbeitsplätze sind Ihnen anscheinend überhaupt kein Anliegen!) Herr Kollege, zu den Arbeitsplätzen komme ich noch! Dazu gibt es gerade in diesem Zusammenhang jede Menge zu sagen.

Aber damit Ihnen die Forderungen bewußt werden, möchte ich sie kurz zur Kenntnis bringen.

Es ging darum, einen aufschiebenden Stopp zu verfügen, um die offenen Fragen der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, der umstrittenen Zulässigkeit des Baus nach den EU-Naturschutzrichtlinien und des offenen Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses bezüglich des Wasserrechtes abzuklären. Die Forderungen, die in diesem Zusammenhang an den Landes


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hauptmann gerichtet wurden, waren, die OKA zu einem sofortigen Baustopp aufzufordern und einen Aufschub der weiteren Vorbereitungsarbeiten für das Kraftwerk Lambach solange zu veranlassen, bis die offenen Fragen endgültig geklärt sind. Gleichzeitig sollte ein Arbeitsprogramm für die Bauwirtschaft in der Weise beschlossen und umgesetzt werden, daß bereits projektierte Bauvorhaben des Landes und der OKA im Umfang der für Lambach vorgesehenen Investitionen sofort vorgezogen und umgehend realisiert werden.

Weiters wurde gefordert, die OKA dahin gehend anzuweisen, daß sie im Bereich ihrer bestehenden Anlagen unverzüglich ein umfassendes Sanierungs- und Optimierungsprogramm durchführt, welches sowohl den Ersatz alter technischer Anlagen durch neue als auch bauliche Sanierungsmaßnahmen zu enthalten hat.

Der erste Beschluß wurde gefaßt zu einer Zeit, als dieser Baustopp ohne wirtschaftlichen Schaden für die OKA durchaus noch zu rechtfertigen gewesen wäre. Dem wurde jedoch nicht nähergetreten, sondern man hat die politische Linie, auf die man sich einmal geeinigt hat, einfach weiter durchgezogen.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, sind wir Sozialdemokraten auch weiterhin für die Nutzung der Wasserkraft, weil wir meinen, daß sie nach wie vor einen der umweltschonendsten Energieträger darstellt, aber nur einen und nicht den einzigen und nicht um jeden Preis. Ich gebe daher folgendes zu bedenken: In Oberösterreich werden bereits 90 Prozent der in Frage kommenden Wasserkraft genutzt. In Österreich liegen wir damit an der Spitze. Die verbleibenden zehn Prozent sollten unserer Meinung nach nur dann genützt werden, wenn dies energiewirtschaftlich unumgänglich notwendig ist. Es muß daher jedes Kraftwerksprojekt aus österreichweiter energiewirtschaftlicher Sicht gründlichst auf seine Effizienz und Umweltverträglichkeit geprüft werden.

Dieser Prüfung hat das Kraftwerk Lambach nicht standgehalten. Nach der im oberösterreichischen Naturschutzgesetz vorgesehenen Interessensabwägung – in Oberösterreich ist eine Interessensabwägung gesetzlich vorgesehen – lag das Naturschutzinteresse klar vor dem Öffentlichkeitsinteresse. Das ist angesichts der energiewirtschaftlichen Situation, wie sie sich zurzeit darstellt, ja nicht weiter verwunderlich. (Abg. Schwarzenberger: Warum tritt dann Koppler dafür ein?) Herr Kollege! Lassen Sie sich ein bisserl Zeit! Alle Fragen werden, soweit es möglich ist, beantwortet. Außerdem kommen nach mir auch noch einige Redner.

Das genannte Ergebnis hat Landeshauptmann Pühringer jedenfalls bewogen, der zuständigen Referentin – sie wurde heute bereits zitiert: Frau Landesrat Pramer – die Kompetenz zu entziehen und die gesamte Landesregierung mit dem Bescheid zu befassen.

Kollege Auer hat sich mokiert über das Verhalten des Landesrats Achatz in der Wasserrechtsfrage. Umgekehrt wurde einer Referentin gleich die Kompetenz entzogen und ins Kollegialorgan verlagert. Und es war ja naheliegend, daß die ÖVP-Mehrheit einen positiven Bescheid erlassen wird.

Heute wurde schon ein paar Mal gesagt, es wurde zehn Jahre nachgedacht. In Wahrheit, meine Damen und Herren, wurde zehn Jahre gestritten! Es wurde zehn Jahre umgeplant, bis aus einem leistungsfähigen Kraftwerk die größte Klospülung Europas geworden ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) – Dieser Ausspruch stammt nicht von mir, sondern ich habe einen anerkannten Fachmann aus der Energiewirtschaft zitiert. Es ist dies der in der Zwischenzeit in Pension gegangene langjährige Verbundspräsident Dr. Fremuth. Prof. Dr. Walter Fremuth hat diese Äußerung getan. Ich glaube, er hat keine Schwierigkeiten, aus energiewirtschaftlichen Überlegungen auch heute noch dazu zu stehen.

Dieses Kraftwerk Lambach ist zurzeit energiewirtschaftlich nicht sinnvoll. Das wurde vom Kollegen Anschober bereits angesprochen. (Abg. Dr. Fekter: Aber das stimmt ja nicht!)

Frau Kollegin Fekter! Schauen Sie sich das wirklich einmal an, nicht nur aus der Schottersicht, nicht nur aus der Sandsicht, sondern eventuell auch einmal aus energiewirtschaftlicher Sicht. Dann werden Sie draufkommen, daß in dem Kraftwerk genau dann Strom produziert wird, wenn


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wir ohnehin genügend Strom haben, und daß wir genau dann den Strom aus dem Kraftwerk nicht haben, wenn wir ihn leider Gottes – und im "Bundeslastverteiler" ist das in der Statistik jederzeit nachzulesen – um verhältnismäßig teures Geld importieren müssen.

Es ist ja offensichtlich, daß die OKA für ihr Kraftwerk in Lambach einen kalorischen Zwilling braucht. (Abg. Dr. Fekter: Das ist doch nicht wahr! Das Projekt mit dem kalorischen Kraftwerk ist doch von vorgestern!) Wenn man sich den Ausbauplan Timelkam anschaut: Das Kraftwerk Timelkam sollte im Jahre 1999 auf Gas umgestellt werden. Damit sollte eine Leistung von 70 Megawatt erreicht werden. Das ist nachzulesen, bitte, das ist nicht meine Erfindung! Das Kraftwerk könnte die Konzeption ohne kalorischen Zwilling überhaupt nicht erfüllen.

Dieselbe OKA, meine Damen und Herren, versucht uns mit großem Werbeaufwand klarzumachen, daß mit dem Kraftwerk Lambach die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern überflüssig wird. Das wäre auch ohne Lambach möglich. Sie brauchen den Strom nur vom Verbund beziehen, und wir brauchen keine fossilen Energieträger einsetzen. (Ruf bei der ÖVP: Der Strom kommt aus der Steckdose!)

Ja, ja! Das wissen wir alles. Die Weisheiten kennen wir. Wir wissen aber auch, wie er in die Steckdose kommt. (Ruf bei den Grünen: Es gibt auch Solarsteckdosen!) Auch damit haben wir uns befaßt. So einfach habe ich mir das wirklich nicht gemacht. Das ist auch nicht meine Art, daß ich mich so oberflächlich, wie Sie das tun, mit diesen Problemen auseinandersetze. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Leider habe ich nicht genügend Redezeit, um Ihnen das hier darzulegen, aber schauen Sie sich bitte die Importaufzeichnungen an, die es vom Verbund jederzeit nachzulesen gibt, wo wir zum Beispiel wirklich Strom gegen Entgelt einkaufen. Dieser Strom ist lediglich aus Polen – aus Polen! –, und dort gibt es kein einziges Kernkraftwerk, dort gibt es nur kalorische Kraftwerke (Abg. Dr. Fekter: Besonders saubere! Mit Braunkohle!), zurückzuführen auf langfristige Verträge, die vor vielen, vielen Jahren abgeschlossen wurden.

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch eine Reihe von Argumenten in diesem Zusammenhang aufzuführen, auch das arbeitsplatzpolitische Argument. Hätte man in Adaptierungen investiert, hätten wir mindestens so viele Beschäftigte wie hier in diesem Kraftwerk.

Abschließend muß ich leider sagen, daß meine Fraktion, weil wir im Parlament für dieses konkrete Projekt keinerlei Zuständigkeit haben, den von den Grünen eingebrachten Entschließungsanträgen nicht zustimmen wird. Wir sind der Meinung, daß politische Unzuständigkeit nicht auch noch durch zahnlose Beschlüsse unterstrichen werden sollte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Was sagt der Abgeordnete Koppler zu dieser Rede? – Abg. Koppler: Das kann ich Ihnen sagen! Er kann ja sagen, was er will! Hier ist der Unterschied! – Heiterkeit.)

23.15

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder : Zum Wort gemeldet ist nun der Herr Abgeordnete Dipl.-Ing. Hofmann. Ich erteile es ihm.

23.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Worte Grundsätzliches – da dies ja auch vom Kollegen Auer angesprochen wurde – zur freiheitlichen Energiepolitik sagen.

Es ist richtig – und es ist nachzulesen –, daß wir nicht gegen Wasserkraft sind. Nichtsdestotrotz sollte uns das nicht daran hindern, ein unsinniges, ein ökologisch und ökonomisch unsinniges Projekt auch als solches zu werten und diesem Vorhaben unsere Zustimmung zu verweigern.

Es ist sehr einfach, Herr Bundesminister Ditz, wenn Sie die Worte eines meiner Vorredner damit beantworten, daß Sie sagen, Energiepolitik ist mehr als Verhinderungspolitik. Ich glaube, daß der Bürger das Recht hat, Unsinnigkeiten aufzuzeigen. Das ist hier in Lambach passiert und passiert auch weiterhin. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Sie haben von der Konkurrenzfähigkeit der Versorger gesprochen. Das ist auch richtig. Und nun sind es offensichtlich die Bürger, die das Energieversorgungsunternehmen OKA daran hindern müssen, eine ökonomisch unsinnige Kraftwerksprojektierung in die Realität umzusetzen, wobei es ja nicht auf Risiko der OKA geht, sondern letztlich dem Bürger und dem Stromkunden in die Tasche gegriffen wird, um dieses Projekt und den teuren Strom aus dem geplanten Kraftwerk Lambach zu finanzieren; Energiekosten, die nur der Verbraucher trägt, dem man insofern aber auch ein Mitspracherecht einräumen muß.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß auch, daß eine Landschaft schön gestaltet werden kann, so wie das hier auf dieser Photomontage passiert ist: herrliches Grün rund um das Kraftwerk. Möglicherweise wird in einiger Zeit dann noch der Angler oder die Anglergruppe dazu per Photomontage installiert, um aufzuzeigen, welch gute Sache das für die Umwelt ist. Ich glaube, das ist etwas zu einfach.

Aber lassen Sie mich zu einigen Fakten kommen. Das geplante Kraftwerk mit einer Leistung von 14 Megawatt hat laut OKA-Broschüre einen Output von immerhin 71 Millionen Kilowattstunden, und das wird gleichgestellt mit einem Jahresbedarf von 17 000 Haushalten. Jeder von uns weiß, daß es natürlich nicht möglich ist, mit diesem Kraftwerk tatsächlich 17 000 Haushalte das Jahr über zu versorgen. Es wurde von meinem Vorredner auch angesprochen, daß selbstverständlich ein Zwilling erforderlich ist, um auch die Stromspitzen beziehungsweise in jenen Zeiten den Bedarf zu decken, in denen die Wasserkraft nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht.

Aber wenn hier angeführt wird, daß 17 000 Haushalte mit dem Strom aus der Wasserkraft aus Lambach versorgt werden können, so gestatten Sie mir auch zu sagen, daß wir mit jenem Exportüberschuß, den wir in Österreich produzieren und den wir um billiges Geld an das Ausland abgeben müssen, immerhin die stolze Zahl von rund 570 000 Haushalten versorgen können. 570 000 Haushalte, das ist jenes Maß an Energie, das wir als Überschuß in Österreich produzieren. (Abg. Mag. Kukacka: Im Sommer!) Selbstverständlich im Sommer. Herr Kollege! Wir erhöhen diesen Überschuß durch dieses Kraftwerk Lambach weiterhin. (Abg. Mag. Kukacka: Lesen Sie die Energiestudie! Wir haben im Jahr 2005 einen Kraftwerksbedarf! – Das ist eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes! Damit sollten Sie sich einmal beschäftigen!) Nein, Sie sollten sich vor allem einmal damit beschäftigen, was letztlich das Ergebnis der Untersuchungen des Verbundes war, was das Ergebnis der Untersuchungen der OECD war, die sich auch damit beschäftigt hat. (Abg. Dr. Fekter: Wenn der Verbund in Ungarn unwirtschaftlich einkauft, ist das nicht das Problem der OKA!) Nein, das soll es nicht sein. Aber selbst gegenüber diesem Preis, zu dem der Verbund in Ungarn einkauft, Frau Kollegin Fekter, ist der Strom, der aus dem Kraftwerk Lambach produziert werden wird, so es gebaut wird, teurer als der Bezugsstrom aus dem Ausland. (Abg. Dr. Fekter: 70 Groschen kostet die Kilowattstunde!)

Wissen Sie, es ist halt nicht besonders glaubwürdig, wenn in der Sendung "Zur Sache" behauptet wird, wir müssen das Kraftwerk bauen, um den Atomstrom zu reduzieren, den wir aus dem Ausland beziehen, um den Anteil, den die OKA vom Verbund bezieht, von 50 Prozent auf 30 Prozent zu reduzieren. (Abg. Dr. Fekter: Das ist ein legitimes Recht!) Ein legitimes Recht! Nur, Frau Kollegin Fekter, Sie werden mir erklären müssen, warum dann, wirksam seit dem Jahr 1994, ein Vertrag zwischen OKA und Verbund zustande gekommen ist. Mit diesem Vertrag verpflichtet sich die OKA, 50 Prozent vom Verbund abzunehmen, Frau Kollegin Fekter! (Abg. Dr. Fekter: Das war im Jahr 1994!) Seit 1994, während früher der Bezug aus dem Verbund in etwa bei 30 Prozent gelegen ist. (Abg. Dr. Fekter: Weil es die Steyrermühl gibt und weil die VOEST eine eigene Anlage hat!)

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Hofmann! Sie sind sozusagen ausschließlich am Wort, Sie müssen sich Ihre Redezeit nicht mit anderen Abgeordneten teilen.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (fortsetzend): Ich teile mir die Redezeit gerne mit Frau Kollegin Fekter. Sie wird natürlich ihre Ansichten auch noch kundtun – zumindest nehme ich an, sie wird es noch tun –, aber ich möchte Ihnen trotzdem sagen: Atomstrom wird


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damit nicht reduziert, und es ist unglaubwürdig, wenn die OKA das behauptet und gleichzeitig 30 Prozent ihrer Anteile an die Bayern-Werke verkaufen will. Das ist im Gespräch, und das wissen Sie auch. Ich nehme an, Sie wissen auch, daß gerade die Bayern-Werke ein Atomstromproduzent par excellence sind, also ist die Glaubwürdigkeit auch diesbezüglich in Frage zu stellen. (Abg. Mag. Kukacka: Darum wollen wir ja die Wasserkraft!)

Im übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, daß ein Kraftwerksbau bei niedriger werdendem Stromverbrauch, so wie es derzeit seit Jahren bei der OKA gegeben ist, unwirtschaftlich ist. Seit Jahren nimmt in Oberösterreich der Bedarf an Strom ab, und zwar im Jahr 1992 um 2,7 Prozent, 1993 um 1,2 Prozent und auch im Jahr 1994, wenn auch weniger. Die Ursache hiefür ist nicht das Auflassen der Aluminiumproduktion in Ranshofen – das ist bekannt –, denn dort hat man auch seinerzeit direkt vom Verbund bezogen, also hat das keinerlei Auswirkungen auf den Stromverbrauch in Oberösterreich, der von der OKA gedeckt wird. (Abg. Dr. Fekter: Der Stromverbrauch in Oberösterreich steigt!) Frau Kollegin, jetzt wird es mir doch etwas zu knapp mit der Redezeit, wenn Sie sie immer in Anspruch nehmen, aber Sie können ja dazu nachher sprechen.

Tatsache ist, daß nach dem Geschäftsbericht der OKA der Stromverbrauch seit dem Jahr 1992 abnimmt, und das ohne Ranshofen. Sicherlich gibt es mehrere Gründe dafür. Einer der Gründe ist einmal das Nutzen von Einsparpotentialen, und ein weiterer Grund ist, daß etliche der Industriebetriebe mittlerweile zur Eigenstromversorgung übergegangen sind. Daher wird natürlich auch das Aufkommen seitens der OKA für die Versorgung geringer.

Wir haben bereits gehört, daß in Oberösterreich von den ausbaubaren Flüssen zur Nutzung der Wasserkraft immerhin bereits 92 Prozent genutzt sind. Das heißt, es bleibt zum Beispiel bei der Traun noch ein kleiner Rest, eine kleine Fließstrecke von 22,5 Kilometer – eben dort, wo jetzt dieses Kraftwerk entstehen soll.

Herr Umweltminister Bartenstein hat ja im Zusammenhang mit den Problemen, mit dem Beginn des Baus des Kraftwerkes Lambach, davon gesprochen, es müsse und solle eine ökologische Bauaufsicht ausgeführt werden. Herr Minister Bartenstein! Sie waren ja nach Aufnahme der Bauarbeiten nicht besonders gesprächsbereit. Sie haben sich dann einmal kurz dazu geäußert und haben einen Rodungsstopp verlangt, der dann, nachdem bereits gerodet war – aber offensichtlich noch nicht alles –, trotzdem wieder aufgenommen wurde. Vielleicht könnten Sie noch sagen, wie Sie sich diese ökologische Bauaufsicht vorstellen. (Abg. Dr. Bartenstein: Die gibt es ja! Das ist der Herr Dr. Wittmann!) – Herr Dr. Wittmann macht die ökologische Bauaufsicht. Es spielt keine Rolle, was der oberösterreichische Umweltanwalt kundgetan beziehungsweise festgestellt hat. Es ist auch heute schon angesprochen worden: Recht muß Recht bleiben. Nachdem Sie das ja so verteidigen, was hier passiert, und Recht Recht bleiben muß, weil es angeblich ja alle gültigen Bescheide gibt, möchte ich Ihnen dazu sagen, daß die Kompetenz für den Wasserrechtsbescheid, als er im Konzept vorlag und ein negativer Bescheid zu werden schien, von Herrn Landeshauptmann Pühringer an sich gezogen wurde.

Und es ist auch schon gesagt worden: Mit Frau Kollegin Pramer ist genau dasselbe passiert mit dem Naturschutzbescheid. Da war es auch der Herr Landeshauptmann, der plötzlich die Kompetenz an sich gerissen hat, und – man stelle sich vor – es hat überhaupt keine Rolle gespielt, wie der oberösterreichische Landtag darüber abgestimmt hat. Der oberösterreichische Landtag hat es vorläufig abgelehnt, das Projekt zu verwirklichen; nichtsdestotrotz war es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Landesregierung dann für Herrn Landeshauptmann Pühringer möglich, dieses Projekt in der Form, wie es sie sich nun darstellt, durchzuziehen.

Und es spielt Ihnen, Frau Kollegin Fekter, offensichtlich auch keine Rolle, daß auch ÖVP-Bürgermeister, die im Oberliegerbereich der Traun liegen, ihre Bedenken angemeldet haben, zum Beispiel jene aus Vöcklabruck, zum Beispiel aus Regau, die sich dahin gehend geäußert haben – neben einigen SPÖ-Bürgermeistern, die ihre Bedenken angemeldet haben –, ob die Betriebe, die im Oberliegerbereich angesiedelt sind, damit zu rechnen haben, daß sie entsprechende Umweltauflagen erfüllen müssen. (Abg. Auer: Da ist der Bescheid! Es war niemand eingeladen! Wenn jemand 30 Kilometer von der Baustelle entfernt ist, kann er nicht


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einfach alles verhindern! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP, insbesondere der Abg. Dr. Fekter. – Abg. Dr. Ofner: Du hast doch ein Mikrofon! Schrei die doch nieder!) Herr Kollege Auer, Sie wissen ja selbst, welche Umweltauflagen beispielsweise die Lenzing AG in den letzten Jahren erhalten hat. ( Abg. Wurmitzer: Bescheide werden einfach umgestoßen, und es wird verhindert!) Nein, ich wollte nur sagen, es sind Ihre ÖVP-Bürgermeister, die sich dagegen ausgesprochen haben. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Natürlich! Aber man fährt dann einfach drüber, weil Recht Recht bleiben muß.

Selbstverständlich! Bescheide werden umgestoßen, und es wird einfach das, was kommt, "geschmissen". (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist die Vorgangsweise! Das ist das Demokratieverständnis der Österreichischen Volkspartei, das ist das Demokratieverständnis des Herrn Landeshauptmannes von Oberösterreich. – Er wird ja sehen, ob er das in dieser Weise weiter fortführen kann.

Meine Kollegin Aumayr wird nach mir einen entsprechenden Entschließungsantrag einbringen, und ich kann Ihnen sagen, daß Sie sich und der Bevölkerung mit dem Durchziehen dieses Projektes auf die Art und Weise, wie Sie das in Oberösterreich mit Ihren Parteigenossen machen, keinen guten Dienst erwiesen haben. Das wird sich auch noch in Zukunft, zumindest bei den nächsten Wahlen, entsprechend herausstellen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.29

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Ich erteile es ihm.

23.29

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Lautstärke der Debatte, insbesondere die weitere Diskussion zwischen dem Herrn Abgeordneten Auer und dem Herrn Abgeordneten Hofmann, läßt wohl vermuten, daß es heute um wirklich Wichtiges geht.

Wenn Sie, Herr Abgeordneter Hofmann, sich heute da herstellen und als Einleitung gleich einmal sagen, die Geschichtenerzähler sind Märchenerzähler, dann frage ich mich, warum Sie loslegen und dann erzählen ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Das war nicht der Hofmann, das war der Auer!) Verzeihung! Abgeordneter Auer! Entschuldige! Das war jetzt nur eine Verwechslung des Namens im Ärger darüber, daß sich Herr Abgeordneter Auer da herstellt und seine Rede damit beginnt, daß er sagt, es sind die Geschichtenerzähler doch gleichzeitig auch Märchenerzähler, und dann Geschichten auftischt, wie daß den armen Geschäftsleuten in Lambach von irgendwelchen Bösewichten ihre Schlösser mit Superkleber versaut werden.

Ich sage Ihnen, Herr Abgeordneter Auer, es ist nicht richtig, wenn das wirklich geschehen ist! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Frau Abgeordnete Fekter! Hören Sie doch einmal fertig zu! Aber was hat denn das mit der Grundproblematik zu tun, um die es in diesem Fall geht? Die Grundproblematik ist doch die, ob es in Oberösterreich sinnvoll ist, bei einem Ausbaugrad von über 90 Prozent, wo es um die Wasserkraft geht, hier weiter Mittel zu investieren, und etwa die Windkraft, die doch wohl schon genauso konkurrenzfähig ist wie die Wasserkraft in diesem Bereich, und die einen Ausbaugrad von null Prozent hat, völlig zu vernachlässigen.

Ich frage mich, warum uns der Herr Abgeordnete Auer – nicht der Herr Abgeordnete Hofmann – damit konfrontiert, daß es da ja sowieso nur um ein paar Woazstengel geht, um ein paar Maisstauden, die da irgendwo herumstehen und die interessanterweise in Oberösterreich mit der Motorsäge umgeschnitten werden. Wahrscheinlich stehen dann die Bauern davor und schreien: Achtung, Holz!, wenn sie umfallen.

Ich sage Ihnen, in der Südsteiermark ist das nicht der Fall. Ich nehme daher an, daß das auch nur eine Geschichte ist, die Sie erzählen. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Herr Abgeordneter Auer! Es ist schon auch eines interessant. Es ist interessant, daß Sie für sich als Qualitätsmerkmal herausstreichen, daß Sie in der Nähe von Lambach wohnen. (Abg. Dr. Fekter: Waren Sie schon dort?) Jetzt lassen Sie mich einmal ausreden! Keifen Sie nicht immer dazwischen! Reden Sie nicht immer dazwischen, Frau Abgeordnete. – Entschuldigung!

Es ist einfach unverständlich, daß Sie sich hier herstellen und selbst für sich in Anspruch nehmen, besonders kompetent zu sein, weil Sie in dieser Gegend wohnen, aber für alle anderen Abgeordneten, die vor Ort waren, um sich mit dieser Problematik auseinandersetzen, nur Spott und Hohn übrig haben. Ich sage Ihnen, warum Sie das tun: Weil Ihnen genau in dieser Sache die Argumente längst ausgegangen sind. Sie wissen es auch, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kukacka, das beziehe ich auf Sie und auch auf Sie, Frau Abgeordnete Fekter. Es wundert mich, daß Sie sich hier ganz zu Anfang schon dahin gehend geäußert haben, daß diese dringliche Anfrage von vornherein ein Flop ist, völliger Blödsinn, da geht es doch offenbar nur um Unsinnigkeiten!

Wenn man sinnvollerweise, wie Sie das auch immer wieder einfordern, die wirtschaftliche Betrachtungsweise, Frau Abgeordnete Fekter, in den Vordergrund stellt, dann werden Sie mir doch auch zugestehen, daß es sinnvoll ist, einen Blick über die Grenzen zu werfen und einmal zu erkennen, daß die österreichische Struktur in der Energieversorgung eine wirklich zwergenhafte ist im Vergleich zu den Konkurrenten, denen wir im europäischen Markt gegenüberstehen.

Hier wird sich sinnvollerweise etwas ändern müssen, und das wird man natürlich auch in diesem Hause diskutieren müssen. Da wird man mit Lambach nicht wesentlich weiterkommen, weil Lambach genau jenes Problem verstärkt, das die österreichische Energieversorgung im Bereich der Elektrizität doch schon sehr stark hat. Wir haben ein sehr stark saisonales Problem in diesem Bereich, und wir werden es nicht in den Griff bekommen, wenn wir dieses saisonale Problem mit solchen Wasserkraftwerken weiter verstärken.

Frau Abgeordnete Fekter und Herr Abgeordneter Kukacka! Es ist auch längst nicht mehr das Problem, so viel wie möglich zu produzieren, sondern es ist doch nur noch sinnvoll, mit dem, was wir an vorhandener Energie haben, möglichst effizient umzugehen. Wenn im Vordergrund steht, daß wir mit den investierten Mitteln möglichst viel an Energie und auch möglichst viele Arbeitsplätze sichern sollen, dann verstehe ich nicht, meine Damen und Herren, warum seit über einem Jahr, etwa von seiten der Wärmedämmungsindustrie, jene Studie vernachlässigt und nicht einmal diskutiert wird (der Redner zeigt diese Broschüre) , die längst aufzeigt, daß man mit denselben Mitteln, die in Lambach investiert werden, doppelt so viele Arbeitskräfte auf dieselbe Zeit sichern könnte, als das derzeit mit Lambach der Fall ist. Und da ist nicht einmal noch eingerechnet, Frau Abgeordnete, was wir uns an Energie einsparen würden und wo das anderweitig eingesetzt werden könnte.

Also: Wenn wirklich eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund steht, dann hätte das von Ihrer Seite längst zu einem Thema gemacht werden müssen. Und das sage ich auch, weil der Herr Bundesminister Bartenstein hier sitzt: Das wäre auch etwas gewesen, was ihm in seiner Position, in seiner Verantwortung angestanden wäre, hier im Hause einzubringen.

Da braucht man nicht im Plenum schon wieder mit solchen Geschichten aufwarten, wie es der Herr Abgeordnete Auer, nicht der Abgeordnete Hofmann, gemacht hat, sondern es wäre an der Zeit, sachlich darüber zu reden, daß wir in der Energiepolitik einen Weg fortschreiten sollen, der erfolgreich gewesen ist, aber der einfach beginnt, in die andere Richtung umzuschlagen. Das wäre es, was wir von seiten des Liberalen Forums uns an Diskussion wirklich wünschen würden.

Wenn Herr Bundesminister Ditz sagt, daß die Energiesparpotentiale aktiviert gehören und daß er auch dafür ist, das zu tun, dann frage ich mich, warum auch er auf diese Studie bisher nie zurückgegriffen hat, obwohl sie vorgestellt worden ist, obwohl sie von der Wärmedämmungsindustrie wirklich gewünscht und auch an ihn herangetragen worden ist. Sie wurde einfach nicht zur Kenntnis genommen! Warum? – Weil in der Energiepolitik – und das hat auch die Diskussion bewiesen, die heute hier geführt worden ist – Lobbyismus vor einer sinnvollen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung steht.


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Wenn Herr Bundesminister Ditz sagt, er ist für erneuerbare Energieträger, er will, daß sich erneuerbare Energieträger durchsetzen: Warum hat er gegenüber den schwarzen Ländern, als schwarzer Wirtschaftsminister, nicht seine Möglichkeiten genützt (Bundesminister Dr. Ditz: Was hat das mit "schwarz" zu tun?), um die erneuerbaren Energieträger besser durchsetzen zu lassen, etwa mit den Einspeiseregelungen, auf die wir die ganze Zeit warten? – Es stimmt doch überhaupt nicht, meine Damen und Herren, daß der Föderalismus in diesem Gebiet die Kostenstruktur widerspiegelt. Das einzige, was in diesem Zusammenhang stimmt, ist, daß hier versucht wird, Wettbewerb zu verhindern, und zwar von jenen Energieversorgungsunternehmen, die sich doch längst schon diesem Wettbewerb entzogen haben. Wir dürfen uns doch nicht hier herstellen und so tun, als hätten wir in Österreich Wettbewerbsbedingungen im Energiemarkt. Sie wissen doch genau, daß das nicht der Fall ist. Daher müssen wir auch im politischen Bereich Vorsorge treffen, daß, wenn schon erkannt wird, daß andere Energieversorgungsmechanismen Platz greifen sollen, sie auch von der politischen und von der rechtlichen Seite her einen Ansatzpunkt haben.

Das ist Aufgabe einer sinnvollen und zukunftsweisenden Energiepolitik. Herr Bundesminister Ditz! Das hat nichts mit einem Zentralplanungsgedanken zu tun. Die erneuerbaren Energieträger sind eine dezentrale Produktion. Das ist wesentlich besser als die stark zentralisierte, die wir derzeit haben oder an die wir etwa mit Atomkraftwerken oder sogar mit Kernfusion – auf diesem Gebiet wird in der Europäischen Union derzeit sehr viel geforscht – hingehen. Faktum ist, meine Damen und Herren: Von seiten jener Energieanbieter, die wir derzeit in Österreich haben und die dieses Gebiet völlig untereinander unter Vermeidung von Wettbewerb aufgeteilt haben, wird Wettbewerb nach wie vor nicht gewünscht. Ich lege Ihnen als Beleg dafür nur einen Brief vom 19. Feber 1996 vor, der wahrscheinlich auch an Sie gegangen ist. Er ist an den Parlamentsklub der Liberalen gegangen. Er kommt von der steirischen STEWEAG. Da heißt es doch glatt – das sagt die STEWEAG –: Schon bei der derzeitigen Preissituation haben wir, die STEWEAG, große Probleme, Eigenerzeugungsanlagen der Industrie durch günstige Stromangebote aus dem Netz hintanzuhalten.

Das heißt, die STEWEAG schreibt uns im Parlament, bitte macht eine Politik, daß wir auch weiter diesen Markt beherrschen können und nicht gezwungen sind, Eigenversorgungsanlagen in der Industrie zuzulassen, daß wir die Möglichkeiten haben, mit den Energiepreisen, die die Umweltlasten nicht berücksichtigen, die Eigenerzeugungsenergieanlagen in der Industrie hintanzuhalten.

Es wird immer wieder, meine Damen und Herren, damit argumentiert, daß etwa Einspeisungen, sei es von seiten der Industrie, was leichter ist, weil es um größere Mengen geht, oder von einzelnen kleineren Einspeisern, besondere Probleme im Netz mit sich bringen würden. Ich wundere mich, daß es etwa im Fernwärmenetz in Wien überhaupt kein Problem ist, daß hier von allen möglichen Seiten in dieses Netz eingespeist wird. Und wenn das für den Bereich der Fernwärme möglich ist, dann lasse ich mir nicht einreden, daß die Spezialisten und die besonders gut geschulten Personen im Bereich der Elektrizitätswirtschaft technisch nicht in der Lage wären, dieses Problem zu lösen. Sie wollen es nicht, weil es Wettbewerb bedeutet und weil sie diesen Wettbewerb nicht haben wollen, sondern den Markt ohne besonderen Wettbewerb unter sich aufgeteilt sehen wollen. Das ist der Grund, warum einfach von seiten der Politik und hier auch von seiten des Herrn Bundesministers Ditz zuwenig an konstruktiver Politik gemacht wird. Auch die Geschichten, die der Herr Abgeordnete Auer uns hier erzählt hat, können nicht darüber hinwegtäuschen.

Es ist es aber auch wert, meine Damen und Herren, Lambach von der ökologischen Seite zu beleuchten. Ich kann hier dem, was der Herr Abgeordnete Anschober gesagt hat, nur zustimmen. Aber ich möchte auch darauf hinweisen, daß das eigentliche politische Sprengkapital in dieser Geschichte im Umgang des Herrn Landeshauptmannes Pühringer mit der Landesrätin, Naturschutz betreffend, liegt. Es geht nicht an, meine Damen und Herren, daß aus einem Anlaßfall, einem einzelnen Anlaßfall heraus die Kompetenzen geändert werden, um einen negativen Bescheid sicher in einen positiven zu verwandeln. (Abg. Mag. Kukacka: Da sind überhaupt keine Kompetenzen geändert worden! Das steht in der Landesverfassung! Das ist ganz legal!)


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Natürlich, ich habe ja nicht gesagt, daß es illegal ist, Herr Abgeordneter Kukacka. Ich sage nur: Wenn man diese Kompetenz in einem ganz konkreten Fall nutzt, um diesen einen ganz konkreten Fall zu beeinflussen, dann ist das Machtmißbrauch und nicht demokratisches Vorgehen, wie es normal in einer Demokratie üblich wäre. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Das ist schon oft vorgekommen, nicht nur einmal!)

Ich sage Ihnen, warum das Thema außerdem noch brisant ist: Der Landeshauptmann ist in dieser Frage auch gleichzeitig Eigentümervertreter bei der OKA. Wenn er Eigentümervertreter ist und in diesem konkreten Fall für die OKA Kompetenzen an sich zieht, die ihm üblicherweise nicht zustehen ... (Abg. Dr. Fekter: Es hat einen positiven Naturschutzbescheid in erster Instanz gegeben!)

Natürlich hat die Landesregierung entschieden, Frau Abgeordnete! Und wer hat in der Landesregierung die Mehrheit? (Rufe und Gegenrufe beim Liberalen Forum und bei der ÖVP. – Zwischenrufe des Abg. Mag. Kukacka. ) Sie werden nicht darüber hinwegkommen, daß es um einen Anlaßfall geht Herr Abgeordneter! Die ganze Aufregung, die Sie hier produzieren, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich um einen Regelbruch handelt. Würde dieser Regelbruch bei einer anderen Partei vorkommen, dann würden Sie zu Recht darauf hinweisen, sich aufregen und sagen: Das kann so nicht gehen! – Messen Sie also im Hinblick auf Ihre eigenen Fälle nicht mit zweierlei Maß. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Lambach zeigt, daß der Paradigmenwechsel, der eigentlich durch Hainburg eingeleitet werden hätte sollen, längst noch nicht vollzogen worden ist. Und wenn hier auch vom Herrn Bundesminister Ditz gesagt wird, daß die Verhinderungspolitik in diesem Bereich wieder Platz greift, dann ist ihm entschieden zu widersprechen. Denn es geht nicht darum, daß hier nur etwas verhindert wird, sondern es geht darum, meine Damen und Herren, daß endlich zur Kenntnis genommen wird, daß Österreich eine Chance hat, gerade sein saisonales Problem, etwa durch verstärkte Investitionen in die Windkraft, zu bereinigen. Wir können das Problem des Mißverhältnisses zwischen der Stromproduktion im Sommer und der Minderstromproduktion im Winter, das wir derzeit durch kalorische Kraftwerke oder durch Stromimporte bewältigen müssen, etwa durch Investitionen in die Windkraft entschärfen.

Es stimmt, daß sich die Nutzung der Windkraft derzeit immer noch mit etwas höheren Preisen zu Buche schlägt, als sie etwa mit einem Wasserkraftwerk auf sehr lange Zeit gerechnet erzielt werden können. Aber eines ist doch auch klar: Wenn in Oberösterreich bereits ein Ausbaugrad der Fließgewässer von über 90 Prozent besteht, dann muß doch irgendwann jeder wirtschaftlich denkende Mensch zu dem Schluß kommen: Das, was ich hier noch erreichen kann, ist einfach mit höheren Kosten belastet – und seien es auch Umweltkosten und jene Kosten, die sich nicht unmittelbar zu Buche schlagen – als etwa eine verstärkte Investition in die Windkraft, die in Österreich derzeit noch zu null Prozent ausgebaut ist.

Herr Bundesminister Ditz hat sich allerdings vehement auch heute wieder hier dafür eingesetzt, daß man diese ausbaut. Daher bitte ich Sie, meine Damen und Herren von der Volkspartei, unterstützen auch Sie Ihren Minister in seinem Bemühen, der Windkraft in Österreich zum Durchbruch zu verhelfen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

23.43

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordnete Dr. Van der Bellen. – Bitte.

23.43

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Kurzcharakteristik des Kraftwerkes Lambach.

Erstens glauben wir, daß es sich hiebei aus demokratiepolitischer Sicht um eine Zumutung handelt. Ich möchte gar nicht wieder darauf eingehen, wer wann welches Verfahren an sich gezogen hat. Ich sage nur: Ich hätte auch gern ein Unternehmen, in dem ich mir meine eigenen


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Bescheide ausstellen kann. – Das nenne ich nun wirklich freie Marktwirtschaft! (Beifall bei den Grünen.)

Vom Standpunkt des Naturschutzes und der Ökologie ist es das Ganze auf jeden Fall eine Tragödie. Macht es aber wenigstens wirtschaftlichen Sinn, daß man sagen kann: Na gut, es steht trotz allem dafür? – Nein! Es macht auch wirtschaftlich Unsinn! Darauf gehe ich jetzt gar nicht mehr im Detail ein, das haben meine Vorredner schon zu Genüge getan. Ich möchte meine folgenden Bemerkungen kurz unter drei Stichworte stellen, die der Wirtschaftsminister heute genannt hat.

Diese drei Stichworte sind: Erstens haben wir in der E-Wirtschaft neue Herausforderungen und ein neues Wettbewerbsumfeld. – Das stimmt. Zweitens ist betriebswirtschaftliche Optimierung nicht gleich volkswirtschaftliche Optimierung. Das stimmt auch. Drittens haben wir gewisse Friktionen zwischen Landesgesellschaften und Verbundgesellschaft. – Das war wahrscheinlich das Understatement des Monats. Denn diese Friktionen gibt es in der Tat.

Was spielt sich da ab? – Wir haben eine Menge von Landesgesellschaften, die noch ein Lambacherl und noch ein Lambacherl verbauen und noch ein Kraftwerkerl und noch ein Kraftwerkerl bauen, und das in Anbetracht der gesamtösterreichischen Überschußsituation.

Von einer optimalen Nutzung des Kraftwerkparks in Österreich kann seit Jahren gar keine Rede sein! Studieren Sie die Gutachten, die mein Kollege Humer aus Innsbruck oder der Kollege Kok aus Salzburg gemacht haben: Von optimaler Nutzung kann gar keine Rede sein. Es wird in der Stromproduktion nicht jeweils jenes Kraftwerk zugeschaltet, das die geringsten Kosten aufweist, sondern es wird nach wie vor im Sommer von den Landesgesellschaften teilweise mit kalorischen Kraftwerken gefahren, und das in einer Situation, in der die Verbundgesellschaft gleichzeitig zu Schleuderpreisen den Strom ans Ausland verkaufen muß! Die Energieversorgungsunternehmen, die wir haben, bleiben die gleichen Zwergerln im internationalen Vergleich, die sie immer waren. Und das ist die Vorbereitung auf die Liberalisierung innerhalb der EU!

Der Wirtschaftsminister weiß das alles, darüber gibt es gar keine Frage. Aber was passiert in der österreichischen Energiepolitik? Meine Hoffnungen auf den Vorgänger von Herrn Minister Ditz habe ich längst aufgegeben. Von Herrn Minister Ditz hingegen erwarte ich mir nach wie vor mehr als einen Verweis auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen! Aber was passiert derzeit? – Es sind nicht nur die Bayernwerke, die sich bei der OKA und bei der SAFE die Klinke in die Hand geben. Auch die Electricité de France hat schon Vorgespräche geführt. Sind das die Perspektiven für die OKA und die SAFE? (Abg. Dr. Fekter: Eben nicht!) Nein, eben nicht? Und dagegen wollen Sie sich mit einem solchen Kraftwerkerl schützen? Das schaue ich mir an, Frau Kollegin Fekter!

Die Chancen, die zum Aufbau eines österreichischen Stromkonzerns bestanden haben oder vielleicht immer noch bestehen, werden leichtfertig vertan. Denn ein solcher Stromkonzern muß eine gewisse Größenordnung haben, damit er international eine Rolle spielen kann. Weder die OKA noch die TIWAG oder die SAFE befinden sich im entferntesten in dieser Größenordnung, Frau Kollegin Fekter!

Was steht einer Koordinierung entgegen? Die Eifersüchteleien der Landeshauptleute untereinander, die Eifersüchteleien zwischen den Ländern, die Eifersüchteleien zwischen den Landesgesellschaften und der Verbundgesellschaft.

Ich möchte ausdrücklich sagen: Die Verbundgesellschaft hat sehr wohl auch Butter am Kopf in dem ganzen Prozeß! (Abg. Wabl: Ranzige Butter!) Denn wie ist es möglich, daß die Verbundgesellschaft der OKA angeblich den Strom zu 80 Groschen pro Kilowattstunde anbietet und ihn gleichzeitig um 20 Groschen im Ausland verkauft? Die Verbundgesellschaft hätte es theoretisch – nehme ich an – in der Hand gehabt, der OKA Stromlieferungen zu diesen Bedingungen anzubieten. Dann hätte es die OKA ein bißchen schwerer gehabt, zu begründen, warum sie ein Kraftwerk bauen muß, wenn der Strom von dort viermal so teuer ist wie der Strom von der Verbundgesellschaft, zumindest im Sommer. – Aber sie hat es nicht getan.


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8. Sitzung / Seite 199

Wir wissen natürlich alle, was da noch dahintersteht: Die Landeshauptleute haben ihre kleinen Machtbereiche. In der Regel sind es ÖVP-Bereiche, abgesehen von Wien. Und die Verbundgesellschaft ist fest in sozialdemokratischer Hand. – In diesem Geflecht der langjährigen politischen Traditionen kann ein österreichischer Energiekonzern, der diesen Namen verdient, selbstverständlich nicht zustande kommen! Hiebei handelt es sich nicht um kooperativen Föderalismus, Herr Bundesminister, wie Sie gesagt haben. Das ist etwas ganz anderes! Das ist die Verhinderung von wettbewerbsfähigen Strukturen auf längere Sicht! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Die Beseitigung dieser Unbeweglichkeit und Trägheit in der österreichischen Energiepolitik wäre nun wirklich eine wirtschaftspolitisch interessante Aufgabe, der sich der Energieminister widmen sollte und müßte. Das Wirtschaftsministerium ist sowieso kein weiß Gott wie interessantes Ministerium von seinen Kompetenzen her, das muß man ehrlich zugeben. Ein Mann wie Minister Ditz – sage ich jetzt einmal – müßte sich in diesem Ministerium eigentlich fast unterfordert fühlen. Es gibt dort aber eine interessante Sektion, und das ist die Energiesektion.

Die Grünen bringen zwei Entschließungsanträge ein, die ich jetzt gleich verlesen werde. Zuvor möchte ich aber noch betonen, daß mich natürlich der letzte Schlenker des Kollegen Oberhaidinger ein bisserl enttäuscht hat. Ihre Rede, Herr Kollege, hätte ich von A bis Y – fast hätte ich gesagt bis Z –: unterschreiben können. Ihr letzter Schlenker in den letzten fünf Sekunden, daß Sie diesen Anträgen leider nicht beitreten können, hat mich dann jedoch etwas enttäuscht. – Das hat mich an Gutachten an der Universität erinnert: Bei Dissertationen oder dergleichen kommt es manchmal vor, daß der Gutachter ein absolut negatives Gutachten verfaßt, zum Schluß aber unter die Arbeit "genügend" schreibt. Oder er schreibt erst positiv, und die Note entspricht dann dem Gutachten nicht.

Sie stehen natürlich derzeit auch unter politischen Zwängen. Ich verstehe das vollkommen. Es muß ein gewisses Bauernopfer gebracht werden. Mehr brauchen wir dazu wahrscheinlich nicht zu sagen.

Der erste


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8. Sitzung / Seite 200

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anschober, Freundinnen und Freunde betrifft die Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur forcierten Nutzung der Windenergie in Österreich und lautet:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert

1. das im Energiebericht 1993 der Bundesregierung (Maßnahme M 52) vorgesehene Förderprogramm für die Windenergienutzung bis spätestens Mitte 1996 umzusetzen,

2. einen Entwurf für ein Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz zu erstellen und dem Nationalrat bis spätestens Mitte 1996 zu übermitteln. Das Gesetz soll in Anlehnung an die deutsche Regelung die Erzeugung elektrischer Energie aus Wind und Photovoltaik mit 90 Prozent, jene aus Biomasse, Deponie- und Klärgas mit 75 Prozent des Durchschnittserlöses je Kilowattstunde des jeweiligen Elektrizitätsversorgers, in dessen Netz eingespeist wird, vergüten,

3. sich dafür einzusetzen, daß die EVN keine prohibitiven "Netzbereitstellungsgebühren" für die Stromeinspeisung ins öffentliche Netz verrechnet."

*****

Der zweite Entschließungsantrag der Abgeordneten Anschober, Freunde und Freundinnen ist sehr kurz. Er betrifft die verbindliche Einführung von Least-Cost-Planning in der Elektrizitätswirtschaft:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, einen Gesetzesentwurf zur verbindlichen Vorschreibung von Least-Cost-Planning in der Elektrizitätswirtschaft zu erstellen und dem Nationalrat bis spätestens Ende 1996 zu übermitteln."

*****

Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

23.52

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden eingebrachten Entschließungsanträge sind geschäftsordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Ich erteile es ihm.

23.52

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich einleitend ein bißchen mit der rechtspolitischen Dimension des Falles Lambach beschäftigen.

Kollege Anschober hat zu Beginn sein T-Shirt gezeigt, auf dem steht: "Lambach braucht Sie." Und er hat gemeint: Ja, auch Politiker braucht Lambach. – Damit hat er gemeint, daß wir sozusagen in diesen Konflikt eingreifen sollten. Darauf sage ich Ihnen, Herr Kollege Anschober: Jawohl, Lambach braucht Politiker, und zwar Politiker, die sich an die Gesetze halten, die sich auf die Seite des Rechtes stellen und nicht auf die Seite der Rechtsbrecher. Darum geht es in erster Linie! (Beifall bei der ÖVP, beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Wabl: Sagen Sie das Pühringer!) Dazu komme ich noch, Herr Kollege Wabl, und auch zu Ihrer Rolle, die Sie bei diversen Großprojekten spielen, von der Pyhrn-Autobahn bis hin zum Kraftwerk Lambach.

Ein Wort noch zum Antrag der Grünen, die gemeint haben: Die Bundesregierung soll prüfen, ob es sich hier nicht um ein Großkraftwerk handle, bei dem auch die Bundesregierung eine entsprechende Kompetenz hätte, denn das Verstaatlichtengesetz sehe ja vor, daß die Regierung dann die Genehmigungskompetenz an sich ziehen könnte.

Halten wir ganz klar fest, worum es geht:

Es geht erstens um die Tatsache, daß es sich hier um ein Kraftwerksprojekt handelt, das bereits genehmigt ist, für das alle entsprechenden Genehmigungen und Bescheide schon vorliegen.

Zweitens ist dieses Kraftwerk Lambach seit langen Jahren im koordinierten Ausbauprogramm der Landesgesellschaften, des Verbundes und der Bundesregierung enthalten.

Drittens ist Lambach kein Großkraftwerk und fällt deshalb nicht in die Kompetenz des Verbundes, sondern ausschließlich in die Kompetenz einer Landesgesellschaft und deshalb des Landes.

Das sind die Voraussetzungen, von denen wir ausgehen müssen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube tatsächlich, daß in der Fülle der Argumente für das Kraftwerk Lambach gerade in dieser Phase die Frage des Rechtsstaates und der Rechtsstaatlichkeit im Vordergrund stehen müssen. Es hat ja eine zehnjährige Diskussion, mit Bürgern und in allen politischen Gremien gegeben, es sind alle Verfahren durchlaufen und es liegen für alle Bereiche die Genehmigungen vor. (Abg. Wabl: Ja! Sprich mit Pühringer ein ernstes Wort!) Herr Kollege Wabl! Sie verstehen das heute noch nicht. Es liegen die wasserrechtlichen, die forstrechtlichen, die baurechtlichen, die naturschutzrechtlichen und die energierechtlichen Genehmigungen vor. Das ist die


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Wahrheit, und deshalb ist auch rechtskonform mit diesem Bau begonnen worden. (Abg. Wabl: Fischler hat das genehmigt, genau!)

Diese Verfahren haben nicht vor einem oder vor einem halben Jahr begonnen, als Sie endlich draufgekommen sind, daß hier offensichtlich ein Kraftwerk gebaut werden soll, sondern seit zehn Jahren werden die Argumente besprochen und haben die Entscheidungen den Instanzenzug durchlaufen, sind auf Herz und Niere geprüft worden. Deshalb ist auch jede Unrechtmäßigkeit auszuschließen. Es ist klar, daß all diese Entscheidungen und Bewilligungen rechtsgültig und rechtskräftig sind! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sie haben gesagt: Wir verlangen eine UVP! – Halten wir einmal fest, daß, als diese Verfahren gelaufen sind und die Genehmigungen bereits vorlagen, das UVP-Gesetz noch gar nicht in Kraft war. Und selbst wenn es dieses UVP-Gesetz bereits gegeben hätte, wäre Lambach nicht darunter gefallen, weil UVPs erst für Kraftwerke ab 15 Megawatt verpflichtend vorgeschrieben sind und Lambach nur 14 Megawatt produziert. (Abg. Wabl: Sie sprechen schon vom UVP-Gesetz und nicht von einem ÖVP-Spenden-Gesetz!) Das ist die Wahrheit! Lambach würde also gar nicht unter das UVP-Gesetz fallen, aber auch das wissen Sie offensichtlich leider nicht! (Abg. Wabl: Aber unter das ÖVP-Spenden-Gesetz!)

Ein Wort zum Wasserrechtsbescheid und wie die Sache vom Kollegen von der FPÖ dargestellt wurde: Wir halten fest, daß Herr Landesrat Achatz seiner Abteilung den Auftrag gegeben hat, einen Wasserrechtsbescheid zu erstellen. Durch die Fachabteilung, also durch die zuständigen Beamten, wurde ein positiver Bescheid erstellt. Der Herr Landesrat hat aber dann durch sein Büro aufgrund einer politischen Weisung einen negativen Bescheidantrag stellen lassen und an die Landesregierung gerichtet. Dieses Vorgehen hat der Herr Landeshauptmann, im übrigen mit Zustimmung der Sozialdemokraten, abgelehnt. Er hat nicht zugelassen, daß eine politische Entscheidung getroffen wird, sondern veranlaßt, daß, wie vorgesehen, eine Fachentscheidung durch die zuständigen Beamten und durch die zuständige Abteilung getroffen wird. Das, meine Damen und Herren, ist die Wahrheit, das sind die Tatsachen! (Abg. Mag. Stadler: Es waren rein zufällig lauter schwarze Beamte!)

Zum Naturschutzbescheid und zu der Art und Weise, wie dieser hier dargestellt wurde: Man muß auch in diesem Fall sagen, daß es in erster Instanz einen positiven Bescheid durch die Bezirkshauptmannschaft gegeben hat. Das Naturschutzgesetz sieht vor, daß dieser Naturschutzbescheid, wenn ein Landesregierungsmitglied es will oder wenn es das Kollegialorgan Landesregierung will – das ist selbstverständlich in einer so wichtigen Sache wie bei einem Kraftwerk –, von der ganzen Landesregierung gefällt werden kann. Und genau das ist in diesem Fall rechtskonform geschehen, wie das schon in vielen anderen Fällen geschehen ist!

Ich finde, es ist wichtig und richtig, daß sich über eine so wichtige Sache wie ein Kraftwerk eine ganze Landesregierung den Kopf zerbricht, eine Entscheidung fällt oder einen Bescheid erläßt, und nicht nur ein einzelnes Regierungsmitglied. Und genau das ist in diesem Fall geschehen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Anschober: Wie ist das jetzt mit dem ÖVP-Spenden-Gesetz?)

Meine Damen und Herren! Ein Wort zu den Demonstranten: Herr Kollege Wabl und Herr Kollege Anschober, passen Sie auf! Wir haben selbstverständlich höchsten Respekt vor jenen, die in ihrer Freizeit aus Idealismus auf eigene Kosten Opfer auf sich nehmen und entsprechend ihrer Überzeugung ihren Protest anmelden und demonstrieren. Aber ich halte wenig davon, wenn das bundesweit organisiert wird, wenn dafür in Zeitungsinseraten geworben wird und wenn dafür sogar noch bezahlt wird. Dafür gibt es eine NGO-gemäße Bezahlung, so ist das in den Inseraten von Global 2000 gestanden! – Auch das können Sie nicht leugnen, meine Damen und Herren, das ist nachzulesen. Selbst das "TATblatt" spottet in diesem Fall über Global 2000 und die Methoden, die angewendet werden. Auch das ist ein Faktum, das Sie nicht widerlegen können! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Sind Sie "TATblatt"-Leser?) Selbstverständlich lese ich das "TATblatt"! Ich lese auch immer die Kommentare des Herrn Öllinger, der Gastkommentator beim "TATblatt" ist, was mich nicht wundert, denn seine geistige Verwandtschaft mit den Herausgebern des "TATblatt" ist sowieso für jeden in diesem Haus erkennbar. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Ich bin auch etwas befremdet darüber, daß der Herr Bundeskanzler Vranitzky die Vertreter von Global 2000 empfangen hat. Das steht ihm selbstverständlich zu. Aber wenn er schon Vertreter von Kraftwerksbesetzern empfängt, dann hätte ich von ihm erwartet, daß er ein klares und mahnendes Wort hinsichtlich der fortgesetzten Aufrufe zum Rechtsbruch durch diese Organisation sagt. Denn es ist ein Faktum, daß Global 2000 und die übrigen Kraftwerksbesetzer sich nicht um die vorliegenden Bewilligungen kümmern, daß sie widerrechtlich in gesperrte Gebiete eindringen, daß sie Bauarbeiter bei ihrer Arbeit behindern, daß sie fremdes Eigentum mißachten, daß sie Baufahrzeuge besetzen und fremde Traktoren requirieren. Wenn man darüber schweigt, meine Damen und Herren, dann leistet man auch der fortgesetzten Aushöhlung unseres Rechtsstaates Vorschub, und dagegen treten wir ganz entschieden auf! (Beifall bei der ÖVP.)

Die große Mehrheit der Bevölkerung, Herr Kollege Wabl, erwartet jedenfalls von ihren Politikern die Befolgung rechtsstaatlicher Normen und nicht deren Aushöhlung durch Schweigen, durch taktisches Verhalten oder gar durch Unterstützung von Rechtsbrechern! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, daß der Einsatz der Exekutive auch viel Geld kostet. Bereits 4,5 Millionen Schilling hat der Einsatz der Exekutive aufgrund der anhaltenden Besetzungsaktion gekostet. Angesichts des Sparpaketes wird das von vielen Bürgern, gerade von denen vor Ort, bereits als Hohn und als Schlag in das Gesicht unseres Rechtsstaates gesehen, und auch dagegen treten wir ganz entschieden auf! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Wabl! Herr Kollege Anschober und alle anderen, die das so gar nicht ernst nehmen wollen! Mir persönlich ist es unverständlich, daß auf die Verfassung und die Gesetze vereidigte Abgeordnete das illegale und widerrechtliche Treiben der Kraftwerksbesetzer nicht nur rechtfertigen, sondern sogar unterstützen. Das ist jedenfalls eine Politik, die wir als Volkspartei ganz sicher nicht mittragen werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Nicht der Landeshauptmann ist verantwortlich für die aus der Besetzung resultierenden Konflikte, sondern, meine Damen und Herren, ausschließlich die Kraftwerksbaustellenbesetzer und die sie unterstützenden Kräfte. Die Räumung der rechtswidrigen Besetzung ist deshalb rechtspolitisch durchaus gerechtfertigt. Denn in einem Rechtsstaat kann man es letztlich nicht zulassen, wenn eine kleine Gruppe von Demonstranten mit rechtswidrigen Mitteln eine gesetzlich gedeckte und von den Behörden genehmigte Baumaßnahme verhindert. Alles andere hieße, den Rechtsstaat auf den Kopf zu stellen, und das werden wir nicht zulassen! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn die Grünen also an einer Entschärfung des Konfliktes tatsächlich interessiert sind, dann sollten sie die Besetzer auffordern, das Baugelände zu verlassen und außerhalb des Baugeländes von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen. Das steht ihnen selbstverständlich zu. (Abg. Wabl: Danke!) Damit könnten sie aber auch einen wichtigen Beitrag zur Entschärfung der Situation leisten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte klarmachen, daß wir weiterhin auf der Durchsetzung der rechtsstaatlichen Position beharren werden, und wir wissen, daß die große Mehrheit der oberösterreichischen Bevölkerung hinter uns steht. Dessen können Sie sicher sein. Auch die jüngsten Umfragen, die auf dem Höhepunkt des Konfliktes stattgefunden haben, zeigen, daß über 60 Prozent der Oberösterreicher hinter dem Bau des Kraftwerkes und hinter der Position des oberösterreichischen Landeshauptmannes stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

0.06

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Brix. Ich erteile es ihm.

0.06

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es hat mich als Nichtoberösterreicher sehr interessiert, wie es in Lambach aussieht, und daher habe ich mir erlaubt, gemeinsam mit meinem Freund Peter Keppelmüller den Ort zu besuchen und mich selbst zu überzeugen. Und ich muß ehrlich sagen: Ich habe eine wunder


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schöne Flußlandschaft vorgefunden (Abg. Auer: Au haben Sie aber keine gefunden?), eine Flußlandschaft, überlagert von zwei schönen Orten, und eigentlich sehr viele freundliche Menschen, ganz egal, auf welcher Seite sie gestanden sind.

Ich sage einmal gleich vorweg: Ich stellte fest, daß sich unter den Demonstranten nicht nur Gegner des Projekts befunden haben. Es kamen auch andere Oberösterreicher hin, die keine Demonstranten waren, die sich mit der Baustelle aber auch nicht anfreunden konnten und die auch keine besondere Sinnhaftigkeit in diesem Projekt gesehen haben.

Auch ich war und bin noch immer nicht von der Sinnhaftigkeit des Projektes überzeugt. Wenn man Daten zur Hand nimmt, beginnt man zu zweifeln: Es gibt entsprechende Unterlagen von der OKA, in denen ausgeführt wird, daß das Kraftwerk, wenn es in Betrieb ist, eine Leistung von 14 Megawatt bringt. Es gibt aber ein anderes Projekt der OKA, wonach an vier Orten eine Kraft-Wärme-Kupplung errichtet werden könnte, was im Vergleich zu diesen 14 Megawatt – die in Wirklichkeit geradezu lächerlich sind – 78 Megawatt bringt, also ein Fünfeinhalbfaches von dem, was später einmal das Kraftwerk Lambach leisten kann. In Anbetracht dessen frage ich mich, ob es wirklich notwendig ist, dieses Kraftwerk zu erbauen. (Beifall bei der SPÖ, dem Liberalen Forum und den Grünen.)

Ich glaube, man sollte sich wirklich überlegen und den Dialog darüber suchen, was für Österreich sinnhafter ist: eine moderne, nutzbare und vor allem umweltfreundliche Energiequelle wie etwa diese Kraft-Wärme-Kupplung zu suchen oder unbedingt diese wirklich sehr schöne Flußlandschaft mit einem Kraftwerk zu versehen, wenn man es wirklich besser machen könnte?

Meine Damen und Herren! Was mich als Wiener besonders grantig gemacht hat, ist, daß wir mehr als zehn Jahre nach Hainburg nichts daraus gelernt haben. Wir haben durch den Fall Hainburg nichts gelernt, wir haben nicht versucht, mit den Menschen rechtzeitig darüber zu sprechen. – Heute ist von Kollegen Auer schon das Kraftwerk Freudenau angesprochen worden. Die Vorgangsweise, als das Kraftwerk Freudenau errichtet wurde, halte ich für demokratiepolitisch richtig, vornehm und anständig. Gerade die Wienerinnen und Wiener neigen dazu, sehr kritisch zu sein, und sie sind ja bekannt und verschrieen als die "Raunzer" schlechthin. Auch die Wiener standen diesem Kraftwerk Freudenau sehr, sehr kritisch gegenüber. Nur, zum Unterschied zu der Vorgangsweise in Lambach hat man vor dem Bau des Wiener Kraftwerkes Freudenau zuerst das Projekt präsentiert. Man konnte in die Studien einsehen und man konnte darüber diskutieren. Und danach hat man die Wienerinnen und Wiener befragt; es gab eine Volksbefragung darüber. Und bei dieser Volksbefragung haben sich fast 75 Prozent der Frauen und Männer dieser Stadt für das Kraftwerk Freudenau ausgesprochen.

Heute entsteht dort wirklich ein Großkraftwerk, das eine Jahresproduktion von 1 037 Gigawattstunden leisten wird, ein Großkraftwerk, das mit seiner Leistung 270 000 österreichische Haushalte versorgen können wird. Es wird uns zwar mit Finanzierungskosten von 12,6 Milliarden Schilling – auf Basis September 1991 – belasten, aber es wurde auch darangegangen, wirklich alle Auflagen des Naturschutzes zu erfüllen, nämlich insgesamt 384 Auflagen der wasserrechtlichen Grundsatzgenehmigung sowie 200 Auflagen in Umweltfragen. Durch die Einhaltung aller ökologischen Auflagen entspricht dieses Kraftwerk auch den Vorschriften des Naturschutzgesetzes.

Dieses Kraftwerk trägt auch zur Verbesserung der Schiffahrt bei, weil die Schiffahrtrinne besser ausgebaggert werden konnte und der Eintiefung Einhalt geboten wird. Außerdem – und das liegt mir besonders am Herzen – ist dieses Großkraftwerk Freudenau das letzte Kraftwerk, das an der Donau vor der österreichischen Staatsgrenze errichtet wird. Danach gibt es eine freie Fließstrecke der Donau.

Ich wollte diesen Vergleich deswegen bringen, weil das Kraftwerk Freudenau ein Beispiel dafür ist, wie man heute mit solch sensiblen Fragen der Umweltpolitik umgehen kann: Man überzeugt zuerst die Bevölkerung, befragt sie danach, und erst dann wird zur Tat geschritten. In Lambach


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hat man die Bevölkerung nicht gefragt, man hat ganz einfach gebaut und damit diese Proteste provoziert. Das war sicherlich demokratiepolitisch nicht richtig, im Gegenteil.

Man sollte auch heute wieder danach trachten, daß es zu einem Dialog kommt und daß man abwägt, ob es sinnhaft ist, dieses Kraftwerk zu errichten. Wenn eine Basis zum Dialog gefunden wird, könnte man endlich damit beginnen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.13

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. Ich erteile es ihr.

0.13

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Eines ist mir bei dieser heutigen Debatte schon aufgefallen: Sie von der ÖVP geben sich immer als die großen Europäer, Sie sind für die freie Marktwirtschaft, aber Sie sind nicht in der Lage, innerhalb Österreichs (Zwischenruf des Abg. Haigermoser ) – danke, Herr Kollege Haigermoser – eine Energiepolitik zu betreiben, die wirklich Sinn macht. Da gibt es Kämpfe zwischen OKA und Verbund. Man kann sich vorstellen, daß es so etwas in grauen Vorzeiten gegeben hat, aber heute noch an so einem System festzuhalten, ist wirklich unverständlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und weil von der Demokratie gesprochen worden ist: Frau Kollegin Fekter und Herr Kollege Kukacka! Jeder Häuselbauer und jede Firma müssen Bescheide zur Kenntnis nehmen. (Abg. Mag. Kukacka: Die OKA auch!) Die OKA – "wir, die OKA", das macht der Herr Ratzenböck –, erteilt sich ihre Bescheide nach Belieben selber. Das ist Ihr Demokratieverständnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch eines, sehr geehrte Kollegen von der ÖVP: Für die ÖVP sind die Naturschützer linke Chaoten. Aber ich erinnere Sie daran: Wenn es darum geht, Demonstrationen gegen die Freiheitliche Partei zu organisieren, dann sind Ihnen diese linken Chaoten, auch wenn sie aus Wien kommen oder aus dem Ausland oder woher auch immer, immer recht. Ich erinnere Sie an die Lichterkette in Linz, wo der Herr Landeshauptmann Ratzenböck Hand in Hand mit diesen linken Demonstrierern marschiert ist.

Je nachdem, wie es Ihnen beliebt, holen Sie sie hervor, und wenn Sie sie nicht mehr brauchen oder wenn sie gegen Ihre Politik auftreten, dann sind sie wieder linke Chaoten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie unterliegen mit Ihrem Festklammern am überflüssigen Bau des Kraftwerkes Lambach der Anziehungskraft des alten Denkens. Längst gibt es zu den Wasserkraftwerken Alternativen. Längst! Die Biomasse wäre so eine.

Für die Kosten des Kraftwerkes Lambach könnten wir 25 Biomasseheizwerke bauen. Das würde Arbeit bis ins letzte Dorf, dezentralisierte Energiepolitik bedeuten, und wir hätten Energie, wenn wir sie brauchen, nämlich im Winter. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber die Politik verteidigt mit Zähnen und Klauen ihre geschützten Bereiche. Und die OKA – und das ist der Grund, warum Sie sie so verteidigen – ist so ein geschützter Bereich.

Das zeigt sich ja auch daran, wie sich Herr Landeshauptmann Pühringer mit der OKA identifiziert: "Wir, die OKA." (Abg. Mag. Firlinger: Meine OKA!) Ja, meine OKA.

Der ÖVP-Politiker Pühringer und die OKA sind eins. Und die OKA war und ist ein Auffanglager für unliebsam gewordene Politiker. Ich erinnere an den ehemaligen Landeshauptmann Wenzl. Wo ist er hinverfrachtet worden, nachdem er unangenehm geworden ist, aus welchen Gründen auch immer? – In die OKA. Ich erinnere an Herrn Fridl. Wo ist er hingekommen? – In die OKA. Und die Herren leben dort auf Kosten der Strombezieher wie im Schlaraffenland. (Abg. Haigermoser: Wie die Maden im Speck! – Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Bei der OKA werden zu den 15 Zulagen, die aufgrund des Kollektivvertrags gewährt werden, weitere 29 Zulagen freiwillig gewährt. Die Dienstnehmer und die Pensionisten beziehen auch heute noch kostenlos oder extrem verbilligt Strom. (Abg. Haigermoser: Das ist ja ein Privilegienstadel!) Ein Privilegienstadel par excellence! 2 000 Dienstnehmer kosten im Jahr 1,2 Milliarden Schilling. Und die Kosten für die Pensionszahlungen 1987 – aus diesem Jahr ist der Rechnungshofbericht – betrugen sage und schreibe 132 Millionen Schilling. Sechs ehemalige Vorstandsmitglieder beziehen eine Pension von 6,4 Millionen Schilling. (Abg. Haigermoser: Wieviel?) Sechs ehemalige Vorstandsmitglieder beziehen eine Jahrespension von über 6 Millionen Schilling! Und die Bezüge für die Vorstände – und das ist auch ganz interessant – betrugen pro Vorstand vierzehnmal 500 000 S. (Abg. Haigermoser: Wahnsinn!)

Sozialer Zusatzaufwand von aktiven Dienstnehmern und Pensionisten – das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Zusatzaufwand, nicht Lohnkosten; Zusatzaufwand für Dienstnehmer und Pensionisten –: 321  Millionen Schilling im Jahr. Das ist die Hälfte der Kosten für das Kraftwerk Lambach, was in einem Jahr allein für den Zusatzaufwand ausgegeben wird. (Abg. Schwarzenberger: So billig ist das!) So billig ist das, Herr Kollege Schwarzenberger. Wissen Sie, die Rolle des Bauernbunds beim Kraftwerk Lambach ist wie immer eine erbärmliche! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben den Befehl erteilt bekommen, Sie müssen für das Kraftwerk Stellung nehmen, und Sie haben das natürlich gemacht.

Hier im Plenum reden Sie von der Biomasse, Herr Kollege Schwarzenberger. Dort könnte man es jetzt verwirklichen. Um 600 Millionen Schilling, die das Kraftwerk Lambach angeblich kostet – es ist ja komisch, jeden Monat wird es ein bisserl weniger, aber sagen wir einmal, 600 Millionen –, könnten 20 Biomasse-Heizkraftwerke gebaut werden. Aber wir legen die Flächen still, degradieren die Bauern zu Subventionsempfängern, und die Herrschaften in der OKA können weiterwurschteln. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzböck: Sie können Ihr Biomasse-Heizwerk bauen! Ich habe eines gebaut!)

Noch kurz zum Gehaltsschema in diesem Privilegienstadel OKA, den Sie ja unter allen Umständen erhalten wollen: Die Bezüge der Arbeiter der OKA betragen im Jahr rund 300 000 S, während ein Industriearbeiter im Jahr rund 217 000 S verdient. Ein Angestellter der OKA bekommt rund 512 000 S, während ein Industrieangestellter 374 000 S bekommt. Ich verstehe, daß Sie diese geschützten Bereiche erhalten wollen. Alle wirklich belegbaren Argumente wischen Sie einfach vom Tisch. Ich habe dort hinten wirklich zugehört und mir diese Zwischenrufe angehört. Es ist unbeschreiblich: Jedes Argument, das vorgebracht worden ist, ob von den Grünen, von den Liberalen, von den Sozialisten oder von den Freiheitlichen – es wird einfach weggewischt. Wie Beton in den Köpfen ist mir das vorgekommen, das muß ich ehrlich sagen. (Abg. Ing. Reichhold: Stahlbeton!) Ja, Stahlbeton!

Um das Geld der Steuerzahler, Frau Kollegin Fekter, ist Ihnen wirklich nichts zu teuer. Die Strombezieher müssen das sowieso bezahlen. Sie können es sich gar nicht aussuchen. Sie finanzieren mit dem Geld der Strombezieher Ihre Privilegien, und jetzt wollen Sie auch noch dieses Kraftwerk bauen, das wirklich kein Mensch braucht, das ökologisch und ökonomisch unsinnig ist.

Wie weit dieser Freudsche Versprecher des Herrn Landeshauptmannes Pühringer geht – "wir, die OKA", "meine OKA" –, hat sich beim Runden Tisch gezeigt, zu dem der Herr Landeshauptmann dann endlich eingeladen hat. Es ist ihm ein Schreiben folgenden Inhalts vorgelegt worden – das muß man sich einmal vorstellen –: Da hat ein holzverarbeitender Betrieb aus Stadl Paura einen Auftrag in Millionenhöhe für das Kraftwerk Lambach bekommen. Und jetzt hat er ein Schreiben von der OKA bekommen, daß der Auftrag der Firma entzogen worden ist. Wissen Sie, mit welchem Argument? – Weil alle Gemeinderäte in Stadl Paura gegen das Kraftwerk gestimmt haben. Jetzt bekommt die Firma den Auftrag nicht, weil die so böse sind. Ein Kollege von mir hat dieses Schreiben bei dem Gespräch Herrn Landeshauptmann Ratzenböck gezeigt, und wissen Sie, wie die Reaktion des Landeshauptmannes Ratzenböck (Ruf bei den Freiheitlichen: Pühringer!) – Pühringer – war? Er hat dieses Schreiben genommen, es dem Herrn Generaldirektor Windtner von der OKA hingeworfen und gesagt: Erledig das! – "Wir, die OKA." Da können Sie stolz drauf sein, das kann ich Ihnen wirklich sagen!


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Wissen Sie eigentlich – das ist interessant, auch für die Menschen in Oberösterreich –, daß die Vorstandsmitglieder zwei Monatsbezüge als Bauprämie beziehen, wenn ein Kraftwerk fertiggestellt worden ist? So gesehen ist es ja klar, daß die Herrschaften auf Biegen und Brechen dafür sind, daß Kraftwerke gebaut werden. Es ist ihnen völlig egal, ob sie wirtschaftlich sind – der Stromkunde muß zahlen.

Sie sind keinem einzigen Argument – keinem einzigen! – zugänglich. Der Mythos von der sauberen Wasserkraft ist wirklich ein Mythos. Ich erlebe das in meiner unmittelbaren Umgebung. Da war ursprünglich, bevor das Kraftwerk Wilhering gebaut worden ist, eine wunderschöne Aulandschaft, wo die Donau wirklich frei geflossen ist. Dann wurde das Kraftwerk gebaut. Die Donau und die Aschach wurden in Betonwände eingezwängt, und jetzt fließt – "fließt" kann man eigentlich gar nicht mehr sagen – die Donau ganz träge dahin, ein graubraunes Band. Auf Kilometerlänge ist eine Asphaltstraße gebaut worden, und dort fahren die Radfahrer wie die Rennfahrer. Kein Mensch kann mehr in der Au oder an der Donau spazieren gehen, so wie es früher einmal war.

Energiegewinnung aus Wasserkraft, Herr Kollege Kukacka, hat sicher ihren Sinn gehabt. Aber ich sage: gehabt! Es gibt mittlerweile bessere Alternativen. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie, wir und ich können es auf keinen Fall verantworten, wenn es andere Alternativen gibt, zum Beispiel Biomasse, Herr Kollege Kukacka ... (Abg. Dr. Bartenstein: Aus der Biomasse kann man doch keinen Strom erzeugen! – Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Ist ja klar, da gibt es halt keine Vorstandsgehälter, Sozialaufwendungen oder Superpensionen, Herr Kollege Kukacka, das kann ich mir schon vorstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Biomasse können Sie doch nicht verstromen, Frau Kollegin!)

Das Wasserkraftwerk Lambach erzeugt Sommerstrom, den wir um Groschenbeträge exportieren und verschleudern. Das macht Ihnen nichts aus, das zahlt der Stromkunde. (Abg. Schwarzenberger: Ich habe selbst ein Biomassewerk! Sie können auch eines bauen!) Herr Kollege Schwarzenberger! Ich verstehe nicht, daß Sie sich nicht zu Wort melden und auch der Biomasse das Wort reden. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Ja, Herr Kollege Schwarzenberger, aber Sie wissen ganz genau, daß für eine neue Energieform ohne Unterstützung der Politik niemals eine Chance besteht. Niemals besteht da eine Chance!

Es geht um nichts anderes, als daß die Vorstandsmitglieder der OKA wieder Bauprämien kassieren wollen. Es geht um nichts anderes, als daß geschützte Bereiche erhalten werden sollen, und da sind Ihnen die Umwelt und die Wirtschaftlichkeit völlig egal! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.28

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

0.28

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Debatte ist in ihrer gesamten Struktur und ihrem Ablauf eigentlich wieder nur ein Beweis dafür, wohin man kommt, wenn man Reformen jahrzehntelang vor sich herschiebt. Wir hätten den gesamten Problembereich Lambach, OKA und all den Facetten, die von meinen Vorrednern, insbesondere von der Opposition, aber auch von der Sozialdemokratie beleuchtet worden sind, nicht, wenn wir eine dem Ende des 20. Jahrhunderts gemäße elektrizitätswirtschaftliche Struktur geschaffen hätten.

Der Herr Bundesminister hat sogar mit Vorsicht und ganz behutsam angedeutet, daß er das auch so sieht. Ich zitiere nochmals, was mein Vorredner Van der Bellen zitiert hat: "gewisse Friktionen zwischen dem Verbund und den Landesgesellschaften". – Das ist die höflichste aller möglichen Formen, aber es ist für jemanden, der sich mit diesem Gebiet vertieft befaßt, ein Alarmzeichen, wenn der Bundesminister bereits so etwas sagt, obwohl unglaublich starke politische Implikationen drinnen hängen, insbesondere die Implikation Bund-Länder, die Implikation Bund-verschiedenfärbige Länder, das Spannungsverhältnis zwischen Landeshauptleuten, die Allein- oder Hauptaktionäre ihrer Landesgesellschaften sind, und einem Bundesminister, der


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eine Verbundgesellschaft vis-à-vis hat, die verunglückt, aber doch teilweise privatisiert ist. All diese Spannungsverhältnisse sind ganz klar herausgestrichen, wenn er sagt: "gewisse Friktionen zwischen Verbund und Landesgesellschaften."

Nur, diese gewissen Friktionen, die vielleicht, wenn die Vorstände sich unterhalten, eben gewisse Friktionen sind, oder, wenn sie beim Herrn Bundesminister vorsprechen, sich vielleicht im Rahmen eines gepflegten Gespräches bewegen, die kumulieren dann in der Au bei Lambach als eine Auseinandersetzung von demonstrierenden Bürgern mit einer wildgewordenen Landesbürokratie.

Das haben wir nicht notwendig. Das ist kein Mittel, den Rechtsstaat zu verteidigen, sondern das ist ein Mittel, den Rechtsstaat zu beschädigen. Denn wenn der Rechtsstaat sich so vorführt wie in Lambach, wenn er dieses Schauspiel abgibt, daß Rechtsstaatlichkeit offenbar mit Hilfe der Exekutive durchgesetzt werden muß, obwohl es sich eigentlich um wirtschaftliche Abläufe ganz vernünftiger Art handeln sollte, dann zeigt sich eben (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka ), Herr Kollege Kukacka, daß ein wesentliches Element verlorengegangen ist. Der Rechtsstaat lebt davon, daß ihn die Bürger als funktionierend akzeptieren, und wenn sie demonstrieren gehen, dann heißt das, daß sie ihn nicht mehr als funktionierend erleben. Das ist ja auch kein Wunder, wenn der Interessenkonflikt nicht nur auf der Hand liegt, sondern in einer Person kumuliert, nämlich in diesem Fall in der Person des Landeshauptmannes Pühringer! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das ist natürlich austauschbar. Es ist nur ein historischer Zufall, daß der betreffende Landeshauptmann Pühringer heißt. Wäre nämlich der Spatenstich ein paar Monate oder Jahre vorher gewesen, hätte er Ratzenböck geheißen, und es wäre ganz genau dasselbe gewesen. Das ist keine Frage des persönlichen Psychogramms des Landeshauptmannes, sondern das ist die Falle der Unvereinbarkeit. Deswegen ist auch diese Aufgeregtheit des Kollegen Kukacka verständlich. Auch Kollege Auer, der hier extemporiert hat, war deswegen so aufgeregt, weil es natürlich unangenehm ist, wenn sich plötzlich herausstellt, daß Fraktionen, die sonst gelegentlich in schweren Konflikten stehen, auf einmal einen Punkt gemeinsam fokussieren. Jeder mit anderen Argumenten, aber im Prinzip läuft es immer wieder darauf hinaus, daß ein Kraftwerk mit "rechtsstaatlicher" Gewalt durchgesetzt wird, das niemand braucht! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die wirtschaftliche Dimension ist, daß mehrere hundert Millionen Schilling fehlinvestiert werden. In einer Zeit, in der sich die Bundesregierung bemüht – nach unserer Meinung nicht ganz richtig, aber immerhin –, dort 100 Millionen, da 500 Millionen, da 30 Millionen und dort eine Milliarde zu erbeuten, um das Budget einigermaßen ins Lot zu bekommen, werden ganz locker 500 Millionen fehlinvestiert. Wenn das in einem funktionierenden elektrizitätswirtschaftlichen System geschähe, wären die Vorstände, die das zu verantworten haben, längst abberufen, die Aufsichtsräte längst in ihre Haftung genommen, und die Aktionäre würden aufschreien. In diesem Fall aber ist es der Aktionär, der geradezu Weisungen erteilt, der sagt: "meine OKA", der einem Generaldirektor, der an und für sich als Vorstandsmitglied weisungsfrei ist, einen Brief hinwirft, wie Kollegin Aumayr es schön dargestellt hat, und sagt: Erledig das! (Abg. Mag. Firlinger: Darum bekommt er die Vorstandsprämie!) Ein Vorstandsdirektor von einigermaßen Reputation läßt sich das auch von seinem Aktionär nicht gefallen, sondern er stellt im Aufsichtsrat die Vertrauensfrage. Wenn er aber darauf angewiesen ist, dort Vorstandsdirektor zu bleiben, weil er in einem anderen Wirtschaftsunternehmen niemals auch nur Prokura bekäme, dann läßt er es sich gefallen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie wissen ganz genau, daß die OKA einige schwere Fehlentscheidungen, die sie in früheren Jahren getroffen hat, jetzt mit Lambach zu kaschieren versucht. Ich erinnere Sie nur an den kleinen Konflikt mit der ESG, wo man die Bezugsverträge verhaut hat – das waren die Vorgänger des jetzigen Generaldirektors, ich gebe Ihnen das schon zu –, sich von der ESG Gasturbinen vor die Nase setzen ließ und dadurch plötzlich Mengeneinbrüche gehabt hat, also Absatzverluste erlitten hat. Vor diesem Hintergrund brauchen Sie Lambach? Und Sie, Kollege Kukacka, wissen das ganz genau, denn Sie sind oberösterreichischer Insider. Wenn Sie nicht


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Insider wären, würden Sie sich auch nicht so aufregen! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Kukacka: Weil ich mich auskenne im Gegensatz zu den meisten anderen!) Ja sicher!

Herr Kollege Kukacka! Weil Sie sich auskennen, weil Sie Insider sind, regen Sie sich ja so auf, aber nicht deswegen, weil Sie sich im Recht fühlen, sondern weil Sie sich ertappt fühlen! (Beifall beim Liberalen Forum.) Sie zeigen das ganz klassische Verhalten eines Menschen, der ertappt worden ist und der hofft, daß er die Debatte einigermaßen durchsteht, wenn er aggressiv ist, und der außerdem hofft, daß nicht alle soviel wissen wie er selber.

Aber es gibt einige Leute, die wissen annähernd soviel wie Sie, und viele wissen sogar mehr als Sie. Sie wissen ganz genau, daß es sich da um eine Frage der Selbstgefälligkeit der OKA handelt, ausgelöst durch ihren Hauptaktionär, das Land Oberösterreich, und in diesem Fall daher um einen klassischen Fall von Unvernunft und Unvereinbarkeit! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich hätte gehofft, daß, wenn schon der Herr Bundesminister sagt, es gibt gewisse Friktionen, Sie in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben hätten, daß Sie diesen Konflikt, den er damit gemeint hat, wenigstens für auflösungsbedürftig halten. Aber Sie sind auf diesen Konflikt OKA – Verbund – Landesgesellschaften – Strukturreform – überregionale Netze – unbundeling nicht einmal annähernd eingegangen, sondern Sie haben einfach nur so getan, als ob es sich hier um ein Kraftwerk handelte, das erstens einmal hervorragend ist, zweitens wirtschaftlich ist, drittens dringend benötigt wird und viertens in einer Landschaft gebaut wird, die soundso offenbar nur eine Gstätten war oder ein Maisfeld, wie der Herr Kollege gesagt hat, das mit Motorsägen gefällt wird. Auf die eigentlichen Fragen sind Sie überhaupt nicht eingegangen! Und auch das ist typisch für das Verhalten von jemandem, der sich ertappt fühlt, der versucht, abzulenken. Oder er benimmt sich wie das Rumpelstilzchen, das mit dem Fuß aufstampft und sagt: Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich OKA-Zwergerl heiߒ! (Beifall beim Liberalen Forum.)

In diesem Sinne, sage ich Ihnen, wird die Reform der Elektrizitätswirtschaft, die wir brauchen, nicht gelingen. Aber wenn der Bestemmstandpunkt derartig überwiegt und wenn die Vernunft derartig hinter Parteiegoismus zurückgestellt wird, dann wird die Reform, die sehr schwierig sein wird, nicht gelingen.

Es wird nicht einfach sein, das Land Tirol davon zu überzeugen, daß es einen Beitrag leisten muß für die überregionalen Netze, es wird nicht einfach sein, das Land Niederösterreich davon zu überzeugen, daß Generaldirektor Gruber nicht ständig mit den Bayern-Werken und mit der EdF verhandelt, sondern daß er sich endlich einmal an die österreichischen Tische setzen sollte. Das wird nicht einfach werden. Es wird auch nicht ganz einfach werden, in der STEWEAG eine Ordnung herzustellen, die sie wieder wirtschaftlich macht. Der Kollege Barmüller hat hier verlesen, daß sich die STEWEAG davor fürchtet, daß in der Industrie Eigenerzeugnisanlagen investiert werden, die, obwohl sie neu investiert werden müssen, offenbar günstiger operieren als die STEWEAG mit Dumping-Tarifen. Das zeigt, daß irgend etwas in der STEWEAG ganz schiefläuft, weil dort gibt es alte, abgeschriebene Wasserkraftwerke, und trotzdem ist die STEWEAG offenbar nicht mehr in der Lage, mit neuinvestierten Eigenanlagen der Industrie zu konkurrenzieren. Oder glauben Sie, daß ein Industrieunternehmen in eine elektrische Eigenerzeugungsanlage investiert, wenn das teurer ist als der Zukauf aus der STEWEAG?

All diese Probleme werden wir über kurz oder lang lösen müssen, weil sonst werden wir als kleine Zwergerln nach Bedarf der Spielball der Bayern-Werke, des RWE, der EdF, der Preussag – Sie können sich durch den Kalender der Elektrizitätswirtschaft durchlesen – sein. Dann wird es dem Herrn Windtner nichts mehr nützen, daß der Landeshauptmann sein Freund ist, dann wird die Wirtschaft in ihrer Realität über ihn hinwegrollen, und ich sage Ihnen eines: Man fragt sich manchmal, ob das nicht sogar besser wäre, wenn man nicht an Österreich denken würde dabei, weil die Bayern-Werke hätten in Lambach nicht investiert, glauben Sie mir das, die hätten mit dem Rechenstift nachgeschaut. (Abg. Dr. Fekter: Die liefern ja Atomstrom!)

Frau Kollegin Fekter! Wenn Sie glauben, daß Sie mit einem kleinen polemischen Untergriff hier den Atomstrom einbringen können, muß ich Ihnen sagen: Das ist nicht das Thema in diesem Fall. Das Thema ist, daß ich gesagt habe, die Bayern-Werke hätten in Lambach nicht investiert,


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weil die können rechnen und sind nicht darauf angewiesen, eines schönen feierlichen Tages dem Herrn Landeshauptmann ein Band zu präsentieren, das er durchschneiden kann bei der Eröffnung – das ist eine weitere Facette von Lambach. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das aktienrechtliche Verständnis des Herrn Landeshauptmannes Pühringer ist für mich deckungsgleich mit seinem demokratiepolitischen Verständnis. Nur bei der Aktiengesellschaft funktioniert es gerade noch, wenn der Vorstandsdirektor sich nicht dessen bewußt ist, daß er weisungsfrei ist. Bei der Bevölkerung funktioniert das nicht. Pühringer glaubt, Oberösterreich gehört ihm. Die Wähler sehen das anders und werden es zunehmend anders sehen, und er kriegt eine andere Quittung als in der Hauptversammlung, wo er nämlich selber für sich allein mit 100 Prozent abstimmen kann.

In der Demokratie funktioniert es nicht so. Sein demokratiepolitisches Verständnis ist aber so, denn wenn jemand innerhalb der Landesregierung von seiner fraktionellen Mehrheit Gebrauch macht, um für einen einzigen Anlaßfall die Kompetenzen zu verändern ... (Abg. Dr. Lukesch: Es ist die Mehrheit!) Wenn jemand die Mehrheit in der Landesregierung dazu benützt, um für einen Einzelfall die Kompetenzen zu ändern, dann hat er das demokratiepolitische Verständnis eines Alleinaktionärs, der mit seinen Vorstandsmitgliedern Schlitten fährt! (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

Mit keinem Wort habe ich gesagt, daß er von der Mehrheit nicht Gebrauch machen kann! Ich habe von seinem demokratiepolitischen Verständnis gesprochen; man nennt so etwas üblicherweise Anlaßgesetzgebung. Es ist im übrigen durchaus so, daß die Kompetenzverteilung dazu da ist, um einer solchen Willkür vorzubeugen, damit ein Kollegialorgan, wie die Landesregierung eines sein sollte, eben kollegial arbeiten kann.

Ich weiß aber nicht, ob es kollegial ist, wenn man dann, wenn man es gerade für sich braucht, die Kompetenzen im Einzelfall umverteilt. Kollege Auer findet es großartig. Das ist interessant und freut mich deswegen, weil dadurch meine Meinung, die ich mir aufgrund seines heutigen Debattenbeitrages von ihm gebildet habe, noch einmal bestätigt wird: Auch er hat ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie. – Ich danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

0.42

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Wabl. Ich erteile es ihm.

0.42

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! (Abg. Haigermoser: Du mußt Hunderter verteilen, nicht Zwanziger!) Grüß Gott, Herr Haigermoser! Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister! Heute war wieder eine reiche Lehrstunde für mich! Herr Auer hat mir erklärt, was "Goldhaube" noch alles sein kann. Bisher habe ich immer geglaubt, "Goldhaube" ist dieses Radar-Überwachungssystem beim Bundesheer. Seit heute weiß ich, daß es auch importierte DemonstrantInnen in Lambach sein können, denn Herr Auer hat gesagt, alle Demonstranten und Demonstrantinnen wären importiert worden, nur einige wenige seien anständig und ehrlich wie der Herr Auer selbst, der dort war und für den Rechtsstaat demonstriert hat. – Bezüglich Goldhaube und diesen militärischen Dingen kenne ich mich aber nicht so gut aus, da ist Herr Fasslabend sicher viel besser.

Bezüglich der landwirtschaftlichen Dinge habe ich aber auch wieder einmal viel gelernt. Offenbar hat eine ganz neue Bewirtschaftungsmethode in Oberösterreich Einzug gehalten. Herr Schwarzenberger wird sicher ganz erfreut sein, daß dort eine ganz neue Maisanbaumethode entwickelt worden ist: Zuerst einmal versucht man, den Mais richtig zu bewässern. Das ist nicht so einfach, denn dafür muß man Staumauern errichten. Um den Mais dann zu ernten, brauchen wir Kettensägen, weil es offensichtlich im Kukacka-Geheimlabor bereits gentechnologische Geheimzüchtungen gibt, nämlich Mais mit ganz dicken Stämmen. Schwarzenberger wird Freude haben, daß in Oberösterreich so effizient gewirtschaftet wird. Ich habe das nicht gewußt. – Sie müssen dann halt entscheiden, wo die Demonstranten die Nägel hineingeschlagen haben, in Maisstämme oder in Holzstämme. Das müssen Sie irgendwann einmal entscheiden! Aber das


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werden Sie schon noch herausfinden bei Ihrer besonderen Bewirtschaftungsmethode. Landwirtschaftsminister Molterer wird Ihnen dabei helfen, vor allem dann, wenn er die Verordnung aufgrund des wunderschönen Entschließungsantrages, der heute hier eine Mehrheit finden wird, aufhebt. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. )

Meine Damen und Herren! Ich habe mir gedacht, daß es Herrn Kukacka, da er in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Umweltministerin sitzt, vielleicht interessiert, was diese seinerzeit, als sie noch an die Umwelt gedacht hat, über dieses Kraftwerk in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung verlauten ließ. Diese hat ihrem Nachfolger Herrn Bartenstein nämlich sehr große Schwierigkeiten bereitet. (Abg. Dr. Frischenschlager: Das interessiert mich jetzt!) Ich weiß, daß die Frau Umweltministerin jede Anfragebeantwortung selber geschrieben hat, im Gegensatz zu mir, denn ich lasse manchmal Anfragen von Referenten verfassen. Sie hat aber sicher jede Anfragebeantwortung selber verfaßt, und in diesem Fall sagte sie: "Obwohl von meinem Ressort keine Eigenerhebungen durchgeführt wurden, läßt sich dennoch aus den mir vorliegenden Unterlagen ableiten, daß das Projektierungsgebiet ein sehr hohes Artenpotential aufweist und ökologisch sehr wertvoll ist."

Wahrscheinlich meint sie damit die hohen Maisstengeln, die niederen Maisstengeln, die halbhohen Maisstengeln, die dicken Maisstengeln, die dünnen Maisstengeln. Das meint sie wahrscheinlich damit. Sie meint den Maiszünsler und all diese vielen Dinge, die im Maisanbau so vorkommen.

Außerdem gibt sie sogar ein Urteil ab über die Wirtschaftlichkeit. Ich weiß nicht, ob Sie das interessiert, Herr Kukacka!? Interessiert es Sie, wie Ihre ehemalige Umweltministerin und jetzige Generalsekretärin das einschätzt? Sie steht nämlich wie eine Frau hinter Pühringer, hinter OKA-Pühringer und hinter Landeshauptmann Pühringer. Sie hat wahrscheinlich genau verstanden, worum es hier geht, nämlich um das große ÖVP-Verfahren. Das haben Sie heute als Ersatz für das UVP-Verfahren kreiert. Das UVP-Verfahren ist etwas zu kompliziert für Sie, das verstehe ich schon: Da kommen die Bürger daher, stellen lästige Fragen, sie wollen große Kraftwerke, kleine Kraftwerke, und dann wollen sie überhaupt keine Kraftwerke mehr. Das ist ja lästig! Ein ÖVP-Verfahren ist da viel einfacher. Da kommt Herr Landeshauptmann Pühringer, begrüßt den OKA-Eigentümervertreter Pühringer und sagt: Grüß Gott, Herr Pühringer, wie geht es Ihnen? Wir machen ein ÖVP-Verfahren. Sind unsere Parteikassen gefüllt, ja oder nein? – Die Antwort ist: Ja, was unterstehen Sie sich, Herr OKA-Vertreter, wir sind nicht bestechlich! Wir machen unsere Verwaltungsverfahren korrekt und sauber! (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums. – Abg. Mag. Kukacka: Warum machen Sie kein Volksbegehren?)

Wenn dieses ÖVP-Verfahren endgültig abgeschlossen ist, klopft Herr Pühringer bei der Generalsekretärin der ÖVP an und sagt: Wir haben jetzt ein sehr langwieriges Verfahren gehabt, aber, liebe Maria, du bist nicht mehr Umweltministerin, da kannst du dem Verfahren getrost zustimmen. Vergessen wir, was du früher einmal gesagt hat. Jetzt muß Rechtsstaat Recht bleiben. (Abg. Mag. Kukacka: Recht muß Recht bleiben!)

Und was macht Kukacka? – Kukacka kommt ans Rednerpult und sagt: Recht muß Recht bleiben, und ÖVP soll lange, lange ÖVP bleiben. (Abg. Mag. Kukacka: Recht muß Recht bleiben! – Abg. Kiss: Was ist daran unrecht? – Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Herr Abgeordneter Kukacka! Herr Oberhaidinger und Herr Koppler erinnern sich noch ganz genau daran, wie die Verfahren bezüglich Hainburg waren. Es sind ganz genau dieselben Reden hier geführt worden: Rechtsstaat muß Rechtsstaat bleiben, die Verfahren sind alle gültig, alles muß durchgezogen werden, wir können nicht zulassen, daß eine Handvoll importierter Berufsdemonstranten den Rechtsstaat aushöhlt. – Genau dieselben Sätze haben Sie damals schon gesagt, Sie wiederholen sie heute wieder.

Ich glaube, daß innerhalb der SPÖ die Lernfähigkeit wesentlich größer ist. Herr Koppler denkt natürlich auch an seine Arbeiter, und ich verstehe es irgendwie, daß er da ein etwas gespaltenes Bewußtsein hat. Aber so, wie er jetzt dreinschaut, wird es nicht mehr lange dauern, bis er versteht, daß innerhalb der verstaatlichten Industrie Anlagen wesentlich kostengünstiger


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und mit wesentlich größerer Energieausbeute gebaut werden können. (Zwischenruf des Abg. Koppler. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Rudi Anschober hat mir viele Entschließungsanträge mitgegeben, deshalb muß ich sie jetzt einmal vorlesen. Vielleicht habe ich dann noch ein bißchen Zeit, um mich um das Energieverständnis von Frau Fekter ein bißchen anzunehmen, die nicht genau weiß, was man mit Biomasse alles machen kann. Aber zuerst die Entschließungsanträge, und zwar von Abgeordnetem Anschober.


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Anschober, Freundinnen und Freunde betreffend Baustopp und Nachdenkpause beim Wasserkraftwerk Lambach

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Umwelt sowie der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten werden aufgefordert, auf die oberösterreichische Landesregierung sowie die Oberösterreichische Kraftwerke AG (OKA) dahin gehend einzuwirken, daß der Bau des Kraftwerkes Lambach vorerst gestoppt und eine einstweilige Nachdenkpause verfügt wird.

Die Nachdenkpause soll zur Einrichtung einer unabhängigen Ökologie-Kommission genutzt werden, die folgende strittige Fragen prüft: Fristenverkürzte Umweltverträglichkeitsprüfung" – damit meine ich nicht die ÖVP-Prüfung – "zur Klärung der Natur- und Umweltauswirkungen, Bedarfsprüfung zur Beurteilung der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeitsprüfung des Kraftwerkes unter Least-Cost-Planning-Gesichtspunkten."

*****

Ferner bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Anschober, Freundinnen und Freunde betreffend keine weitere Wasserkraftnutzung der Traun unterhalb des Traunsees, Verzicht auf die Wasserkraftwerke Saag und Riesenberg

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird aufgefordert, die Verordnung vom 24. Juni 1964 (BGBl. Nr. 48/1964) gemäß § 54 Wasserrechtsgesetz 1959, mit der eine wasserwirtschaftliche Rahmenverfügung für die Wasserkraftnutzung der Traun unterhalb des Traunsees erlassen wird, aufzuheben."

*****

Ich bin davon überzeugt, daß der Herr Landwirtschaftsminister an seine Bauern und an die Biomasseerzeugung denkt. Es ist ja im Rechnungshofbericht exakt gestanden, was die Bauern alles auf diesem Sektor leisten könnten, und er wird sich sicher darum kümmern.

Der dritte Entschließungsantrag, dem mir mein sehr geschätzter Lambachkämpfer Anschober auf den Weg mitgegeben hat, betrifft demokratiepolitische Mindeststandards in der Organisation der Landesverwaltung. (Zwischenruf des Abg. Elmecker. ) Elmecker! Ist irgend etwas nicht verständlich? Dann lese ich langsamer. Denn Sie sind auch Mitglied des Nationalrats, und auch Sie sind damit gemeint.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Anschober, Freundinnen und Freunde betreffend demokratiepolitische Mindeststandards in der Organisation der Landesverwaltung

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundeskanzler wird aufgefordert, in Verhandlungen zur Reform des Bundesstaates den Ländern anzubieten, daß die Festlegung der Verteilung der Geschäfte innerhalb der Landesregierung nicht länger durch Verordnung der Landesregierung, sondern durch ein eigenes Landesgesetz erfolgt. Dadurch soll eine transparente und rechtsverbindliche Zuständigkeitserklärung für die Landesregierung geschaffen werden."

*****

Das war der dritte Antrag. Ich bin schon fast am Ende. Ich wollte noch über das neue Verständnis der freien Marktwirtschaft sprechen. Auf Frau Fekter wollte ich auch eingehen von wegen Biomasse. Da hat sich doch Frau Aumayr erdreistet, hier etwas von Biomasse zu sagen. Sie haben hinuntergerufen: Wir brauchen Strom! Strom wollen wir, Strom, nicht Biomasse! Da habe ich mir gedacht: Frau Fekter war eine sehr intelligente, sehr umsichtige Staatssekretärin, sie versteht wahrscheinlich sehr viel vom Schottergeschäft. Aber sie sollte sich vom Herrn Landwirtschaftsminister oder von Herrn Schwarzenberger und Herrn Schwarzböck einmal erzählen lassen, daß man Biomasse auch verstromen kann! (Abg. Dr. Fekter: Erklären Sie mir, wie viele Biomasse-Anlagen es in Österreich gibt, die Strom erzeugen!)

Das ist tatsächlich möglich! Ich habe es auch nicht geglaubt! Dann habe ich mir diese Anlage in Oberösterreich angesehen. In Oberösterreich gibt es eine wunderbare Anlage. Da kann man aus Biomasse Strom gewinnen, und die OKA nimmt ihn glatt ab! (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Fekter! Sie als Vertreterin der freien Marktwirtschaft haben mir gemeinsam mit Herrn Kukacka und Herrn Auer hier die fünf Freiheiten der freien Marktwirtschaft erklärt. Freie Marktwirtschaft bedeutet, wenn sie durch ein richtiges ÖVP-Verfahren gegangen ist, erstens: frei von Vernunft, zweitens: frei von rechtsstaatlichen Prinzipien, drittens: frei von Konkurrenz, viertens: frei von Skrupeln bei der Auszahlung von Gehältern und Pensionen, und fünftens: frei von volkswirtschaftlichen Überlegungen. Frau Fekter! Ich weiß jetzt, was freie Marktwirtschaft ist. – Ich danke schön. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

0.54

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Die drei verlesenen Entschließungsanträge sind geschäftsordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Ich erteile ihr das Wort.

0.54

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Nach den kabarettistischen Einlagen unseres Kollegen Wabl um 1 Uhr wieder zurück zur energiewirtschaftlichen Debatte. Für alle, die noch nüchtern sind und zuhören können, möchte ich nämlich sachlich werden. (Zwischenrufe.)

Herr Kollege Kier hat hier vom Kraftwerk gesprochen, das niemand braucht. Einige Vorredner von der Opposition und auch Kollege Oberhaidinger haben über die Überkapazität an Stromerzeugung gesprochen und mit der Feststellung, daß ohnehin genug Strom in Österreich vorhanden ist, argumentiert, daß wir in Lambach ein Kraftwerk bauen, das niemand braucht.

Daher habe ich mich intensiver damit auseinandergesetzt, wie es denn wirklich mit dem Strombedarf aussieht: Was steht im Energiebericht? Was sagen die Experten? – Es gibt dazu eine sehr junge Studie des Wifo, verfaßt von den Universitätsprofessoren Dr. Jansen und Dr. Musil


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unter dem Titel "Aufbringung und Bedarf von elektrischer Energie in Österreich bis zum Jahr 2005". Darin habe ich die vermeintliche Diskrepanz gefunden, warum die einen sagen, daß ohnehin so viel Strom erzeugt wird, daß wir ihn gar nicht verbrauchen können, und die anderen sagen, daß wir sehr wohl ein Kraftwerk brauchen. – Unter der bewährten Annahme zur Reservehaltung für eine mit hoher Sicherheit bereitstellbare Stromversorgung besteht derzeit keine Überkapazität, meinen die Verfasser der Studie. Diese Reservehaltung dient der Überbrückung von Konjunkturschwankungen, Niederwasser, Kraftwerksausfällen. Sie wird in den meisten Staaten der EU in ähnlichem Umfang praktiziert. Eine verminderte Reservehaltung reduziert die Versorgungssicherheit, gefährdet unter Umständen den Wirtschaftsstandort, könnte aber sehr wohl auf andere Nationen abgewälzt werden, etwa auf die Bayern-Werke et cetera.

Herr Kollege Hofmann! Ist er noch da? – Nein, er ist nicht mehr da. Er hat nämlich Zahlen betreffend die Stromproduktion und den Verbrauch in Oberösterreich gebracht. In der genannten Reservehaltung liegt jedoch die Diskrepanz. Ich bin politisch dafür, daß wir Österreicher sehr wohl diese Reservehaltung von uns aus pflegen, wozu wir uns auch international verpflichtet haben. Daher gibt es keine Überkapazität, und wir brauchen dieses Kraftwerk sehr wohl. Das im Energiebericht gezeichnete Trendszenario läßt nämlich trotz Verwirklichung von Sparpotential ein Wachstum der Stromnachfrage erwarten. Wenn man weiß, wie lange man für die Errichtung eines Kraftwerks braucht, dann ist es unseriös, für einen Kraftwerksbau, der 1996 beginnt, vom Strombedarf von 1994 auszugehen. Sie wissen ganz genau, daß Sie im Hinblick darauf, wie die Stromnachfrage sich entwickeln wird, 10 Jahre und länger voraus planen müssen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Frischenschlager. – Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es ist im Energiebericht auch festgeschrieben, daß mit der gesamten Energiepolitik in Österreich der hydrothermische Verbund verfolgt wird, daß es nämlich zwei Drittel Wasserkraftwerke und ein Drittel kalorische Kraftwerke geben soll. Damit kann auch das Argument vom "Zwilling", das immer wieder angeführt wird, als Falschargument ausgeräumt werden. Oberösterreich orientiert sich an dieser Vorgabe: zwei Drittel Wasserkraft und ein Drittel kalorische Kraftwerke.

Die Struktur der österreichischen Stromerzeugungs- und -versorgungsbetriebe ist durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Verbund und Landes-EVUs gekennzeichnet, auch wenn – wie heute hier schon mehrmals erwähnt – diese Zusammenarbeit nicht immer friktionsfrei abläuft. Die festgelegte Aufgabenteilung funktioniert dennoch. Das heißt, der Subsidiarität wird durch die föderale Struktur Rechnung getragen, und die zentrale Struktur der Verbund AG koordiniert und sichert Transport- und Reservehaltung. Die Produktions- und Verkaufsfunktion tragen überwiegend die Landesgesellschaften. Und für diese Aufgabe, nämlich Produktion und Verkauf, baut die OKA Lambach. Damit sind Kundennähe und Effizienz gewährleistet, und das soll auch so bleiben. Dieses System hat sich bisher ausgezeichnet bewährt, und durch noch engere Kooperation oder auch gegenseitige Verschränkung – Herr Kollege Van der Bellen ist jetzt nicht da – wird man sich für die künftige Liberalisierung des europäischen Marktes rüsten können. Ich bin nicht für den Ausverkauf. Herr Kollege Van der Bellen und der Kollege Kier haben das angeschnitten. Sie rauchen gerade eine Zigarette, ich hoffe, Sie genießen es.

Ich bin nicht für den Ausverkauf der österreichischen E-Wirtschaft an die Bayern oder an die Franzosen. Ich will nicht, daß Österreich zu einer Enklave der Atomlobby wird. Österreichische Interessen müssen gewahrt werden! (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube auch nicht, daß sich die OKA als Landesgesellschaft durch den Bau des Kraftwerks Lambach allein konkurrenzfähig im internationalen Feld wird bewegen können. Dazu brauchen wir Verschränkungen und engere Kooperationen. Ob mit oder ohne Elektrizitäts–richtlinie der EU werden wir das 2. Verstaatlichungsgesetz durch eine Neuregelung ersetzen müssen, ein neues Energieorganisationsgesetz schaffen, das mehr Markt bringen wird, das aber auch – nach meinem politischen Verständnis – Dezentralisierung bringen muß.

Österreich verfolgt in seiner Energieliberalisierung ein modifiziertes Single-Buyer-Modell. Als Großabnehmer begrüße ich das. Das heißt: Nicht nur der Verbund darf importieren und


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exportieren, sondern auch die Landesgesellschaften dürfen das. Für künftige optimale Kooperation und Koordination wird eine gegenseitige Verschränkung zwischen EVUs und Verbund der geeignetste Weg sein, damit die Versorgungsicherheit gewährleistet ist, der Kraftwerksbau optimiert werden kann und wettbewerbsfähige Strompreise erzielt werden.

Herr Kollege Van der Bellen und Herr Kollege Kier! Auf diese Weise wird österreichische Umweltpolitik auch in der E-Wirtschaft verfolgt werden können, von der Forcierung der erneuerbaren Energieträger ganz abgesehen. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Frau Kollegin Aumayr! Ich gebe Ihnen ein bißchen Nachhilfe zum Thema Biomasseenergie. Daraus wird primär Wärme erzeugt. Sie wird auch überwiegend zur Fernwärmeversorgung, also zum Heizen verwendet. Eine Stromerzeugung mit Biomasseanlagen ist zwar technisch möglich, wirtschaftlich aber noch nicht rentabel. Es gibt in Österreich keine einzige Biomasseanlage, die in Co-Generation funktioniert und auch Strom erzeugt. (Beifall bei der ÖVP.)

1.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurt Eder. – Bitte sehr.

1.03

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute hier im Rahmen dieser dringlichen Anfrage zum Kraftwerk Lambach diskutieren, sollten wir auch die energiewirtschaftlichen Hintergründe dieses Kraftwerkbaues beleuchten. Landeshauptmann Pühringer und Generaldirektor Winter haben es meiner Ansicht nach klar und deutlich gesagt: Die OKA möchte ihren Eigenerzeugungsanteil ganz einfach erhöhen und damit die Zukäufe von der Verbundgesellschaft reduzieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das mag aus unternehmensstrategischer und betriebswirtschaftlicher Sicht der OKA durchaus berechtigt sein, ob allerdings dieser Kraftwerkbau im Lichte der gesamtösterreichischen Energiepolitik sinnvoll ist, muß jedoch wirklich noch genauer überlegt werden. Sicherlich: Das Kraftwerk Lambach ist im koordinierten Ausbauprogramm enthalten. Das koordinierte Ausbauprogramm ist ein Instrumentarium, bei dem sich die verschiedenen Energieversorgungsunternehmen hinsichtlich geplanter Kapazitätserweiterungen und koordinierter Vorgangsweise absprechen. Diese Koordination ist im Hinblick auf den dreigliedrigen Aufbau der österreichischen Elektrizitätswirtschaft – Verbundgesellschaft, Landesgesellschaften und kommunale Gesellschaften – erforderlich, weil ein Wettbewerb gegeneinander statt einer gemeinsamen Vorgangsweise unter den Wettbewerbsbedingungen der europäischen Binnenmarktes mittelfristig dazu führen würde, daß eine in sich zerstrittene österreichische Energiewirtschaft zum großen Teil in ausländische Hände gerät. – In diesem Punkt teile ich die Meinung des Kollegen Kier.

Die österreichische Energiewirtschaft zusammengenommen ist wirklich ein Zwerg im Vergleich zu führenden europäischen Stromkonzernen wie der Preussag, RWE oder der Electricité de France. Dessen sollten wir uns bei all den Diskussionen, die wir hier führen, immer bewußt sein, dies vor allem auch vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um das heute diskutierte Kraftwerk Lambach.

Umso notwendiger ist ein neues Energieorganisationsgesetz, wie es schon im letzten Regierungsübereinkommen vorgesehen war, welches aber infolge der Auflösung des Nationalrates nicht mehr zustande gekommen ist. Dabei müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die der Elektrizitätswirtschaft die Möglichkeit geben, innerösterreichisch auf den stärker werdenden Wettbewerbsdruck zu reagieren und sich organisatorisch auf die zu erwartende Elektrizitäts-Binnenmarktrichtlinie vorzubereiten.

Eine Analyse des österreichischen Strommarktes zeigt, daß der Stromverbrauch im Bereich der öffentlichen Elektrizitätsversorgung stagniert oder teilweise sogar rückläufig ist. Die Stagnation der Stromabnahme bei den Landesgesellschaften und dadurch auch bei der Verbundgesellschaft resultiert vor allem aus der steigenden Eigenversorgung der Großabnehmer sowie der Erhöhung des kostengünstigen Eigenversorgungsanteils durch Kraft-Wärme-Kopplungen in den Kommunen. Da zu erwarten ist, daß sich dieser Trend fortsetzt, besteht sowohl aus der


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österreichischen Marktentwicklung heraus, aber auch wegen des Wettbewerbkonzeptes der Europäischen Union die Notwendigkeit, die Organisationsstruktur der Elektrizitätswirtschaft den veränderten Marktgegebenheiten anzupassen.

Gefordert ist ein Konzept, das es ermöglicht, den öffentlichen Auftrag zu sichern und qualitativ hochwertige Stromversorgung mit einem geordneten Wettbewerb zu verbinden.

Das Binnenmarktkonzept der Kommission sieht vor, den Großabnehmern ab 100 Gigawatt-Stunden Jahresstromabnahme und den Verteilunternehmer den Direktbezug beim Lieferanten ihrer Wahl zu ermöglichen, wobei es den Einzelstaaten überlassen bleibt, in welcher Weise sie das Wettbewerbskonzept verwirklichen.

Die öffentliche Diskussion vermittelt den Eindruck, es wäre mit einer weiteren Privatisierung der E-Wirtschaft bereits die Anpassung an die kommenden Herausforderungen bewerkstelligt und der Markt würde schon alles regeln. Meine Damen und Herren! Allein ein Größenvergleich mit den europäischen Mitbewerbern EdF, RWE, ENEL, Bayernwerk, Preussag et cetera, die jeder für sich in Wirklichkeit größer sind als alle österreichischen EVUs zusammen, zeigt, daß diese jedes zum Verkauf anstehende österreichische Elektroverarbeitungsunternehmen kaufen und ihrer Marktstrategie unterordnen könnten.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es wichtig ist, daß es uns in Zukunft gelingt, die Bereitstellung kostengünstiger Energie als wichtigen Bestandteil der wirtschaftlichen Infrastruktur zu betrachten, zu realisieren, daß wir für Versorgungssicherheit aufzukommen haben und Störausfälle verhindern und vor allem die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich auch durch eine gezielte Energiepolitik gewährleisten müssen.

Die österreichische Umweltpolitik – zum Beispiel die Erreichung des Toronto-Ziels – darf nicht durch Öko-Dumping, zum Beispiel durch Import von billigem Strom aus Anlagen, deren Betrieb in Österreich verboten wäre – ich denke in diesem Fall an Kernkraftwerke – unterlaufen werden. Dies gilt sowohl für inländische als auch für ausländische Energieanbieter.

Ich hätte noch eine Reihe anderer Vorschläge gemacht, aber aufgrund der vorgeschrittenen Zeit möchte ich nur mehr zusammenfassen, daß Energiepolitik schon seit geraumer Zeit viel mehr als ein Kraftwerksbauprogramm ist. Schon längst erfolgen Optimierungen und Effizienzverbesserungen. Schon längst gibt es Zusammenarbeit mit der Industrie und den Haushalten, um den Energieverbrauch zu minimieren – und als weitere wichtige Aufgabe die internationale Vernetzung. Mit dem EU-Beitritt sind auch Fragen der Wettbewerbsfähigkeit unserer Infrastruktur virulent geworden. Wer sich angesichts dieser Probleme nur auf eine Auseinandersetzung Kraftwerksbau: ja oder nein? versteift, muß sich zu Recht vorwerfen lassen, an den wesentlichen Fragen österreichischer Energiepolitik vorbeizugehen. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

1.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Elfriede Madl. Ich erteile es ihr.

1.09

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Anläßlich der dringlichen Anfrage der Freiheitlichen im Bundesrat betreffend den Kraftwerksbau in Lambach hat ein SPÖ-Bundesrat den Appell an den Landeshauptmann von Oberösterreich gerichtet, er solle doch von seiner Demonstration der Stärke abgehen, weil dies ein Zeichen von Sturheit, Unbelehrbarkeit und Ignoranz sei.

Ich gehe sogar noch etwas weiter und behaupte, daß diese Sturheit so weit geht, daß in Oberösterreich ein Kraftwerk entsteht, daß aus betriebswirtschaftlicher, aus volkswirtschaftlicher und auch aus arbeitsmarktpolitischer Sicht ein Flop ist, daß so gutes Geld der Stromverbraucher bedenkenlos verschleudert wird – und dies aus einer Profilierungssucht eines Landeshauptmannes heraus, der verzweifelt versucht, bis zu den nächsten Landtagswahlen im Jahr 1997 aus dem Schatten seines Vorgängers zu treten.


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Meine Damen und Herren von der ÖVP! Das ist der einzige Grund, warum dieser Kraftwerksbau in Lambach so einbetoniert ist: Weil dieser Landeshauptmann versucht, aus dem Schatten seines Vorgängers zu treten, denn er kann sich nicht profilieren, findet keine Linie und glaubt daher, durch Einbetonieren eines Kraftwerkbaues ein Macho-Gehabe an den Tag legen zu müssen, damit er so der Bevölkerung vielleicht Führungskompetenz vermittelt. Das ist doch der einzige Grund! (Abg. Schwarzenberger: Wirklich?)

Es wird auch nicht davor zurückgeschreckt, Bescheide, die nicht genehm sind, einfach nicht zu erlassen und den zuständigen Ressorts die Kompetenz zu entziehen. Man hat das ja heute schon mehrfach gehört! Dieser Landeshauptmann spricht von: "wir, die OKA" – und er schämt sich nicht einmal, das im Fernsehen zu sagen –, sozusagen: "wir, die Republik". Er hat also im Pluralis majestatis gesprochen, und er lehnt sogar Gutachten ab, und zwar Gutachten von Universitätsprofessor Dr. Rainer Schauer, der sagt:

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lassen sich aus diesen Varianten des Kraftwerkbaues weder eindeutige Vorzüge noch eindeutige Nachteile dieser Varianten folgern. Die Entscheidung über Lambach müßte sich daher aus ökonomischer Sicht auf volkswirtschaftlich relevante Entscheidungskriterien gründen.

Die Studie von Mag. Markus Wiedermann vom Institut für Wirtschaftstheorie in Innsbruck besagt:

"Obwohl die Berechnungen mit einem hohen Grad von Unsicherheit belastet sind, erscheint mir jedoch die Aussage, die Laufkraftwerke Lambach und vor allem Saag seien schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht rentabel, als wahrscheinlich richtig. In noch stärkerem Maße trifft dies auf die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit dieser Investitionen aus volkswirtschaftlicher Sicht zu. Der Sachverhalt einer sich abzeichnenden Nichtgenehmigung des Schwellbetriebes und der Unterwassereintiefung durch die Behörden festigt diese These zusätzlich." – Das heißt also, daß die geforderte Betrachtung laut Mag. Wiedermann aus volkswirtschaftlicher und aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Negativbeurteilung ergeben haben.

Auch in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht ist dieses Kraftwerk nicht so, wie man es immer hinstellen möchte. Der Kraftwerksbau beschäftigt pro 1 Milliarde Schilling Umsatz direkt etwa 1 043 Mitarbeiter; der Adaptierungsbau, die Revitalisierung oder Wärmedämmung hingegen 1 945. Das heißt, daß der Kraftwerksbau unter 25 Prozent der Arbeitsintensität der Bauwirtschaft, das Adaptierungsgewerbe hingegen um 50 Prozent darüber liegt.

Wenn man dann noch die Beschäftigungseffekte der im vorgelagerten Bereiche Tätigen zu diesen Direkteffekten hinzuzieht, so kommt man im Kraftwerksbau auf je 1 Milliarde Schilling Investition im Jahr und auf Beschäftigungseffekte von 1 300, im Adaptierungsbau von jedoch 2 200, das sind also um 70 Prozent mehr. Dieser Vergleich beweist, daß rein vom Beschäftigungseffekt her gesehen eine nachfrageseitige Energiepolitik für den Elektrizitätsbereich deutlich mehr Arbeitsplätze schaffen beziehungsweise erhalten kann als eben der Kraftwerksbau.

Herrn Kollegen Auer fielen gerade vier Leute ein, die für Lambach sind. Ich werde Ihnen jetzt ein paar aufzählen, die gegen das Kraftwerk Lambach sind, so zum Beispiel sämtliche Umweltschutzorganisationen, WWF, Global 2 000, die "Bürgerinitiative Traun" ist dagegen, Greenpeace, das Österreichische Ökologieinstitut, der Oberösterreichische Naturschutzbund, die Österreichische Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz, der Umweltdachverband ÖGNU, sämtliche Umweltschutzorganisationen sind dagegen.

Auch Gemeinden sind dagegen, und sie haben Resolutionen unterschrieben haben – und nicht nur eine oder zwei, wie Sie aufgezählt haben, sondern: Es ist die Gemeinde Vöcklabruck dagegen, mit einem ÖVP-Bürgermeister – den haben Sie wahrscheinlich nicht auf Linie gebracht, dagegen auch Attnang-Puchheim. Timmelkamm hat eine Resolution gegen Lambach eingebracht. Regau, auch ein ÖVP-Bürgermeister, den haben Sie auch nicht an die Strippe bekommen.


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Weiters sind dagegen: Schörfling, Seewalchen und Lenzing. – Insgesamt sind es 46 286 Einwohner, deren Bürgermeister eine Resolution gegen Lambach unterschrieben haben.

Aber nicht nur Gemeinden, sondern auch Großbetriebe sind gegen den Bau dieses Kraftwerks eingetreten, weil sie es als Gefährdung der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit der Unternehmen sehen. SCA Laakirchen: 600 Beschäftigte wären dort gefährdet, Steyrermühl Papierfabrik und Verlags-AG, auch 600 Beschäftigte, Lenzing: 3 100 Beschäftigte. Das heißt, insgesamt wären 4 000 bis 5 000 Arbeitsplätze gefährdet, sollte dieses Kraftwerk gebaut und die Wassergüte der Traun hinsichtlich des Rückstaus schlechter werden.

Aber das interessiert ja Sie von der ÖVP nicht, Sie haben ja diesbezüglich einen Justamentstandpunkt eingenommen! Es kümmert Sie auch nicht, daß mit dieser geplanten Bausumme Alternativen möglich wären, so zum Beispiel die Optimierung der bestehenden Wasserkraftwerke, wie das etwa der Rechnungshof vorgeschlagen hat, oder eine verstärkte Förderung von Windkraftanlagen sowie gerechte Einspeistarife.

Eberschwang hat im ersten Betriebsmonat ein Drittel der Stromernte eingebracht, der berechneten Jahresernte eingefahren. Ein Drittel schon in einem Monat! Sie können sich vorstellen, wie das Ergebnis nach einem Jahr Laufzeit aussieht.

Es ist sogar so weit, daß Berechnungen aufgestellt wurden, daß bei der Leistung von zwei solchen Windkraftwerken wie vom Typ Eberschwang – bei den geringen Leistungen, die das Lambach-Kraftwerk im Winter bringen wird – diese Zahl genügen würde, um die Leistung Lambachs im Winter zu ersetzen.

Als Alibiaktionen hat die OKA einige Pilotprojekte genehmigt. – Ich war selbst bei einer solchen Diskussion dabei und habe mir anhören müssen, wie dort wirklich mit Nägeln und Krallen die Position der OKA verteidigt wurde.

Oder: Es könnte eine verstärkte Energieberatung – nach dem Prinzip, wie es in Amerika geschieht – gemacht werden. Dort gehen sie den umgekehrten Weg, nämlich den der Stromeinsparung, weil man weiß, daß jeder Kraftwerksbau zu Lasten des Strompreises geht. Dort werden Großunternehmen und sogar auch private Haushalte dazu angehalten, Strom zu sparen. Es werden auch Serviceleistungen im Energiebereich angeboten, denn dadurch kann garantiert werden, daß ein günstiger Strompreis für alle Abnehmer erhalten bleibt. Amerika wird ja sonst immer in vielen Bereichen von Ihnen als Vorbild angeführt. Warum machen Sie es nicht diesmal so und gehen eben den umgekehrten Weg? – Aber wahrscheinlich hat man dann Angst, da dann an gewissen Direktorenposten kein Bedarf mehr besteht. Es kommt mir so vor, als ob der nach den letzten Landtagswahlen abgetakelte Landeshauptmann schon einen Versorgungsposten für sich warm hält, damit auch er später sein Auskommen finden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Interessant ist auch noch, wie mit dem Geld der Strombezieher bei der OKA teilweise umgegangen wird. Das kann ich Ihnen anhand eines Beispiels schildern: Sie wissen ja, daß 50 Prozent des Strombedarfes beim Bund konsumiert werden müssen. Dazu sind natürlich Anmeldeleistungen notwendig, die immer ein Jahr im vorhinein gemacht werden. Natürlich kann man nicht wissen: Wieviel Leistung werde ich brauchen? Man weiß ja nicht, wie der Winter wird: Wird er kalt, wird er warm, ist er regenreich, ist er schneereich? – Man weiß nicht, wie die Wasserkraftleistung im nächsten Jahr ausschauen wird. Und da kommt es natürlich auch vor, daß Unterschreitungen stattfinden. Was macht man dann mit dem Strom, den man abnehmen muß, den man aber übrig hat? – Man schickt ihn nicht zurück, denn dann würde man einen niedrigeren Tarif dafür bekommen, sondern man pumpt Wasser in Speicherkraftwerke – egal, ob es dort benötigt wird oder nicht –, damit der Strom, der letztendlich laut Vertrag bezahlt werden muß, verbraucht wird. So geht man mit den Geldern der Stromverbraucher um und so wird auch mit der Energie umgegangen.

Deswegen treten wir Freiheitlichen gegen dieses unwirtschaftliche und völlig unnötige Kraftwerk auf. Ich bringe daher folgenden


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Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Kollegen betreffend einen aufschiebenden Stopp der Bauarbeiten zum Kraftwerksprojekt Lambach und die Durchführung einer diesbezüglichen Umweltverträglichkeitsprüfung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Umwelt und der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten werden im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit ersucht, dahin gehend auf die oberösterreichische Landesregierung einzuwirken, daß ein einstweiliger Stopp der Bauarbeiten zum Kraftwerksprojekt Lambach erfolgt und der damit verbundene Zeitgewinn zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und zur Klärung aller noch offenen Fragen – wie Einhaltung der EU-Naturschutzrichtlinien, Verwaltungsgerichtshoferkenntnis bezüglich des Wasserrechts, Beurteilung der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen – durch eine Wirtschaftlichkeits- und Bedarfsprüfung unter Einbindung der Verbundgesellschaft und unabhängigen Experten genutzt wird.

*****

Ich hoffe, daß dieser Entschließungsantrag hier eine Mehrheit finden wird, damit man endlich ein Ziel setzt – und nicht daß die Vorgänge in Oberösterreich die Zukunft für unser Land und für die Energiepolitik sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht daher mit in Verhandlung und dann zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. Er hat das Wort.

1.21

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bin auch kein Freund des Kraftwerkprojektes Lambach, um das einmal milde auszudrücken, aber nicht aus den Überlegungen heraus, die die Aubesetzer haben. Ich war auch mehrmals dort, unter anderem mit dem Kollegen Brix. Wir haben fast keine Au in diesem Bereich gefunden. Man tut sich wirklich schwer, wenn man sich dort umschaut, das Naturschutzargument ins Spiel zu bringen. Viel zutreffender und ehrlicher wäre es, tatsächlich die ökonomische Seite dieses Kraftwerkes zu betrachten. Daher ist der erste Teile der Begründung der dringlichen Anfrage der Grünen meiner Ansicht nach weitgehend zu unterstreichen.

Ich habe allerdings den Verdacht, daß die Wahrheit hier von vielen Seiten – wieder vorsichtig ausgedrückt – gebogen wird. Die Grünen – diesen Eindruck habe ich ein bißchen – versuchen, ihre Wahlniederlage gemeinsam mit ihrer noch einigermaßen vorhandenen Vorfeldorganisation, nämlich Global 2000, ein bißchen umzumünzen. Global 2000 hat Probleme mit der Finanzierung. Es ist ja bezeichnend, daß Greenpeace sich diesbezüglich sehr still verhält. Vermutlich sind die zu Tode beleidigt, daß sie nicht selber auf die Idee gekommen sind.

Andererseits muß ich sagen: Ich habe Verständnis für Landeshauptmann Pühringer, der ein politisches Kalkül da miteingebracht hat. Das hat schon etwas mit den Fußstapfen zu tun, in die er treten soll, das ist ganz klar. Pühringer wollte sich so als durchschlagskräftiger Politiker darstellen, und das ist ja legitim. Nur: Er hat halt dabei leider Gottes ein Projekt erwischt, das ihm große Schwierigkeiten bereitet. Ich hätte ja Verständnis gehabt für das ursprüngliche Projekt. Da hat es sogar mehrere gegeben. Die größeren Projekte sind, glaube ich, bis zu 70 MW gegangen sind, durchaus auch mit einem beachtlichen Verbrauch an Natur, wo man dann hätte abwägen können. Dieses Projekt hat man aber innerhalb der ÖVP, und zwar aus politischen Überlegungen heraus, vor Jahren bereits sterben lassen – und übriggeblieben ist wirklich ein Kleinkraftwerk mit 2 bis 14 MW.


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Diesbezüglich teile ich auch die Meinung des Kollegen Kanjak, der ja wirklich ein Energieexperte ist, der meint, das Projekt Lambach macht vielleicht für die OKA betriebswirtschaftlich Sinn, aber aus volkswirtschaftlicher Sicht sollte man es nicht bauen. – Und das ist der eigentliche Kern; da brauchen wir nicht groß herumzureden.

Es wäre sicherlich möglich, mit dem Geld, das hierfür ausgegeben wird – und die Zahlen stehen meiner Überzeugung nach noch nicht fest, wenn es plötzlich 600 Millionen sind, so glaube ich, daß das nicht in der Endabrechnung ist –, sehr viel mehr zu tun, sicherlich auch auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplungen.

Da auch wieder mein Hinweis an die Grünen: Das ist halt auch diese Grünäugigkeit. Da müßte man auch wieder Kraft-Wärme-Kopplungen zum Beispiel auf Basis von Müllverbrennung akzeptieren. Das ist auch etwas Sinnvolles. Sie nennen in Ihrer Anfrage immer wieder Dänemark als Musterland, verschweigen jedoch, daß die Dänen permanent ihren Müll verbrennen und das natürlich auch zur Energiegewinnung nützen.

Ich bin übrigens sehr dankbar für diese dringliche Anfrage der Grünen, weil das mir für meine Händel mit der Kollegin Aumayr wieder einige Munition geliefert hat. Ich würde den Kollegen Dipl.-Ing. Hofmann bitten – er ist meiner Ansicht nach da doch Experte –, Kollegin Aumayr zu erklären, daß man eben mit Biomassekraftwerken ein Wasserkraftwerk nicht ersetzen kann. (Abg. Aumayr: Ich habe nicht gemeint Strom, sondern Energie!)

Sie hat gemeint, daß man Lambach, ein Kraftwerk, das Strom liefert, durch vier Biomassekraftwerke ersetzen kann. Das wird ein Problem! Aber Sie könnten Sie ein Patent anmelden, wenn es Ihnen gelingt, aus einem Biomassekraftwerk elektrische Energie zu erzeugen. Aber vielleicht hilft Ihnen Kollege Hofmann dabei; das wäre ein interessantes Patent.

Kolleginnen und Kollegen! Ich kenne seit etwa 1975 den Lauf von Ager und Traun sehr gut, denn damals war Lenzing noch sauschlecht, und da haben wir Wasserproben genommen, und zwar bis Ebelsberg. Ich kenne also diese Augebiete. Ich halte es daher auch, gelinde gesagt, für eine Frechheit, wenn durchaus seriöse Organisationen wie der WWF plötzlich Aussendungen machen, in denen es heißt: "die letzte freie Au-Fließstrecke". – Ich bin gerne bereit, mit denen einmal das ganze Ager- und auch das Traun-Ufer abzugehen. Dann zeige ich Ihnen, was wirklich eine Au ist. Das muß man sich einmal anschauen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich bin aber trotzdem gegen das Kraftwerk Lambach, weil das ein ökonomischer Blödsinn ist. – Das ist das eine. (Abg. Dr. Khol: Keppelmüller, schauen Sie doch auf die Uhr!)

Herr Kollege Khol! Ich möchte auch einmal meine Argumente darbringen; ich werde mich da von Ihnen sicherlich nicht einbremsen lassen. Sie können das vielleicht in Ihrer eigenen Partei machen, dafür sind Sie ja als Klubobmann bisher "berühmt" gewesen. Mir können Sie diesbezüglich keine Vorschriften machen, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Um nun wieder diese teilweise Verlogenheit der Debatte aufzuzeigen: In meine Wiener Wohnung habe ich einen Brief von Global 2000 bekommen (der Redner zeigt einen Brief vor): gedruckt, schön! Und da steht:

Sehr geehrter Herr Keppelmüller! Ich schreibe Ihnen diese Zeilen unter großem Zeitdruck. Ich sitze hier in der Au von Lambach. Die klirrende Kälte macht meine Finger ganz steif, schreiben wird zur Kraftanstrengung!

Halten uns die für deppert? Einen gedruckten Schnorrbrief senden die? Das ist doch unseriös, meine Damen und Herren! – Wenn, dann muß man wirklich die richtigen Argumente anführen. Daß uns dieses Kraftwerk dann, wenn wir es brauchen, nämlich im Winter, nichts bringt, ist klar. Da, Herr Minister, glaube ich schon, daß Sie alle Anstrengungen unternehmen sollten, denn mir ist auch klar: Früher saß der Verbund auf einem sehr hohen Roß – und jetzt zahlen es ihm die Landesgesellschaften heim.

Schauen wir uns das Problem genauer an: Niederösterreich, Kraftwerk Dürnrohr, ein Wahnsinnsprojekt; mit der Wärme "füttert" man die Donau. Da gibt es zwei 350 MW-Blöcke. Herr


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Minister! Schauen Sie sich einmal die Fahrzeiten dieser Blöcke an. Schauen Sie sich die Fahrzeiten des Verbundblockes an und schauen Sie sich den Block des niederösterreichischen Energieversorgungsunternehmens an. Da werden Sie draufkommen, daß man da den Verbund ausbremst. Das ist volkswirtschaftlich absolut unsinnig, den Strom im Sommer zu exportieren – und im Winter muß der Verbund liefern.

Bekennen wir uns doch vielleicht einmal dazu, daß wir den Verbund der Landesgesellschaften schenken. Dann sollen die sich das untereinander ausmachen, und dann kommt vielleicht etwas Besseres heraus.

Kollegin Madl! Das mit den Bürgermeistern möchte ich auch noch richtigstellen. Ich bin dafür, daß man hier fair vorgeht und daß man auch nicht Bürgermeister, auch wenn sie von der ÖVP und aus meinem Bezirk sind, in die Pfanne haut. Kollegin Madl, Sie sind ja aus dem Nachbarbezirk. Ich kann Sie hier aufklären: Diese Bürgermeister haben eine Resolution geschrieben, um die Industriebetriebe zu unterstützen, weil die Gefahr bestand – und das muß man auch sagen –, daß, wenn die Wassergüte nicht die Klasse II beträgt, die Betriebe noch einmal nachrüsten müssen. Das ist aber klargestellt – muß ich auch fairerweise sagen –. Die Betriebe brauchen diesbezüglich nichts zu tun.

Ich zeige Ihnen einmal, was Wassergüte II bis III bedeutet. Kommen Sie mit mir nach Vöcklabruck zur "Maidult". Dann gehen Sie mit mir über das Brückerl und schauen Sie in die Vöckla hinein, an der kein Betrieb – außer eine einzige Molkerei – liegt. Da schwimmen dicke fette Fische drinnen. Das ist Wassergüte II bis III! Man muß da schon bei der Wahrheit bleiben!

Aber noch einmal: Ich bitte, den Bau dieses Kraftwerkes Lambach zu überdenken. Ich verstehe Landeshauptmann Pühringer, daß er politisch etwas erreichen will. Ich bin überzeugt davon: Wenn er es erreicht, wird er oberhalb und unterhalb der Traun diesbezüglich nichts mehr tun. Das ist mir völlig klar. Da kann es noch so gute Gründe geben: Er wird sich vor weiteren Kraftwerksbauten hüten wie der Teufel vor dem Weihwasser.

Um das Geld für dieses Kraftwerk tut es mir leid. Es gibt ja Projekte in Oberösterreich, Kraft-Wärme-Kopplungen bei Industriebetrieben, wobei der Betrieb die Wärme verwenden kann, wo es genügend Strom zum Auskoppeln gibt. Da ließe sich viel mehr machen.

Ich sage Ihnen folgendes: Wenn wir an der Ager die bestehenden Kleinkraftwerke – da gibt es zum Teil uralte Anlagen, zum Teil sind sie eingestellt – mit neuesten Turbinen ausrüsten würden, mit kleinen Eingriffen im Unterwasser, wo es aber fast keine Eingriffe in die Natur gibt, dann werden wir ziemlich sicher dieselbe Leistung dort erreichen, die das Kraftwerk Lambach bringen würde.

Ich bitte wirklich, das noch einmal vernünftig zu überlegen. Das Kraftwerk Lambach sollte nicht deshalb gebaut werden, weil man politisch irgendetwas erreichen will. Es sollte auch nicht verhindert werden, indem man irgendwas vorspiegelt, was nicht da ist, wie diese Au, sondern es sollte vernünftig überlegt werden, was man mit dem Geld – nicht dem Geld der OKA, sondern es ist das das Geld der Oberösterreicher – vernünftiger und auch verbunden mit der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen machen könnte. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

1.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Es sind Anträge eingebracht worden, wir gelangen daher zu den Abstimmungen.

Als erstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Anschober und Genossen betreffend Schaffung einer unabhängigen Energiekoordinierungsbehörde.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag Anschober eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.


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Wir stimmen weiters ab über den Antrag Anschober und Genossen betreffend Prüfung des Kraftwerkes Lambach gemäß § 4 Abs. 5 des 2. Verstaatlichungsgesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit diesem Antrag einverstanden sind um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag, den gleichfalls der Abgeordnete Anschober eingebracht hat, betreffend Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur forcierten Nutzung der Windenergie in Österreich.

Ich bitte jene Damen und Herren die diesem Antrag Anschober beitreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über einen weiteren Entschließungsantrag Anschober betreffend verbindliche Einführung von Least-Coast-Planning in der Elektrizitätswirtschaft.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit und ist damit abgelehnt.

Der nächste Antrag des Abgeordneten Anschober betrifft Baustopp und Nachdenkpause beim Wasserkraftwerk Lambach.

Auch hier darf ich bitten, für den Fall der Zustimmung sich von den Sitzen zu erheben. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit. Er ist abgelehnt.

Wir gelangen als nächstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Anschober betreffend keine weitere Wasserkraftnutzung der Traun unterhalb des Traunsees, Verzicht auf die Kraftwerke Saag und Riesenberg.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit diesem Antrag einverstanden sind, um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit, ist daher abgelehnt.

Der nächste Antrag, gleichfalls vom Abgeordneten Anschober, betrifft demokratiepolitische Mindeststandards in der Organisation der Landesverwaltung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen als nächstes ab über den Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Aumayr betreffend aufschiebenden Stopp der Bauarbeiten zum Kraftwerksprojekt Lambach und Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

Auch hier darf ich bitten, im Falle der Zustimmung sich von den Sitzen zu erheben. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit. Er ist daher abgelehnt.

Damit haben wir alle Anträge zu diesem Punkt abgestimmt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir setzen die Debatte über den Kunstbericht 1994 fort. Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Heide Schmidt. Ich erteile es ihr.

1.35

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Darf ich bitten, feststellen zu lassen, ob der Herr Minister die Absicht hat, der Debatte über den Kunstbericht zu folgen. Ich will deswegen nicht unterbrechen, ich fange durchaus an, aber ich bitte nur, feststellen zu lassen, ob Herr Bundesminister Dr. Scholten anwesend ist. Ich sehe ihn noch nicht. (Ruf bei der SPÖ: Er ist schon da!) Woher haben Sie Ihre Information? (Bundesminister Dr. Einem nimmt auf der Regierungsbank Platz.) Das nenne ich Solidarität.


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Ich gestehe, es macht auch mir keine besondere Freude, um halb zwei Uhr in der Nacht die Debatte über den Kunstbericht wiederaufzunehmen. Ich werde mich daher auf einige Schlaglichter beschränken, vor allem auch deswegen, weil es nicht nur eine Frage der Freude, sondern auch eine Frage des Sinnes ist, und ich sehe auch nicht sehr viel Sinn darin. Ich muß aber schon sagen, daß ich es sehr bedaure, wenn es wirklich so wäre, daß Herr Minister Scholten nicht mehr kommt, weil er nämlich etwas getan hat, was ich ihm eigentlich nicht zugetraut hätte, nämlich von parlamentarischen Usancen abzugehen, insbesonderer von jener Usance, daß sich ein Regierungsmitglied üblicherweise erst dann zu Wort meldet, wenn die Wortmeldungen aus allen Fraktionen abgegeben wurden.

Ich sage das auch deswegen – nicht, weil ich es bin, sondern überhaupt –, weil noch nicht einmal die Vorsitzende des Ausschusses vorher eine Wortmeldung abgegeben hatte. Das heißt, wenn sich der Herr Minister trotzdem vorher schon zu Wort meldet – und nach der Dringlichen nicht einmal mehr herkommt –, so wäre das eine besondere Verletzung parlamentarischer Usancen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte jetzt etwas vorbringen, was ich bei jeder Debatte, wenn es um Kulturpolitik geht, sagen und unterstreichen möchte, nämlich die Tatsache, daß von unserem Kulturbudget rund vier Fünftel fix gebunden sind.

Wir sprechen heute, wenn wir über diesen Kunstbericht diskutieren, über die Verwendung von 1,1 Milliarden Schilling; das ist ein Fünftel des Kulturbudgets. 3 Milliarden Schilling sind fix gebunden für den Bundestheaterverband, 1 Milliarde Schilling ist fix gebunden für die Museen, 1 Milliarde Schilling ist zur freien Verfügung. Und bei dieser freien Verfügung schaut es dann auch noch so aus, daß diese Mittel überwiegend an große Theater oder Festspiele gehen. Wenn ich es richtig zusammengerechnet habe, bleiben 85 Millionen Schilling, die für Kulturinitiativen und die freie Szene verwendet werden. Das ist wirklich eine falsche Orientierung der Kulturmittel. Ich halte das daher auch für eine falsche Kulturpolitik, denn die Mittel sind Ausdruck auch der Kulturpolitik. Ich werde nicht aufhören, das zu monieren, solange sich da nichts ändert.

Weil das so ist, möchte ich auch auf einen Punkt zu sprechen kommen, den ich zwar bereits im Ausschuß erwähnt habe ... (Bundesminister Dr. Scholten nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Ich freue mich sehr, Herr Minister, daß Sie doch noch hergefunden haben. Ich sage Ihnen jetzt etwas, was Sie schon im Ausschuß gehört haben, aber ich sage es deswegen hier noch einmal, weil ich möchte, daß es im Protokoll festgehalten ist, und weil ich hier vor diesem Plenum an Sie appellieren möchte, in diesem Zusammenhang eine Änderung herbeizuführen.

Es gibt aus dem Jahre 1986 eine Vereinbarung zwischen der Stadt Wien und dem Bund, in der sich der Bund verpflichtet, die Wiener Privattheater zu unterstützen. Dazu gehört die Josefstadt, das Theater der Jugend und und und. Dazu gehörte auch einmal das Raimundtheater. Ich halte das grundsätzlich für eine durchaus gute Vereinbarung, nur: Das Raimundtheater ist kein Privattheater mehr, sondern das gehört jetzt zu den Vereinigten Bühnen Wien. Das gehört der Wiener Holding, das gehört daher der Stadt Wien.

Ich sehe wirklich nicht ein, daß von diesem knappen Kulturbudget sage und schreibe 27 Millionen Schilling weiterhin ans Raimundtheater gehen. Das ist etwas, wo ich sagen muß: Das Geld könnten wir viel besser einsetzen, das Geld würde man sonst viel wichtiger brauchen. Meine Bitte an Sie geht dahin, nicht zu sagen, das ist halt irgendwie historisch gewachsen und dann haben die irgendeine Konstruktion gewählt, damit man es ja noch zahlen muß, sondern sich das wirklich einmal anzuschauen.

Erstens einmal bezweifle ich, daß eine Verpflichtung tatsächlich dazu gegeben ist, eben aufgrund dieser neuen Konstruktion, aber wenn dem tatsächlich so wäre, dann muß man halt verhandeln, daß sich das ändert. Tatsache ist, daß das Raimundtheater kein Privattheater mehr ist, sondern von der Stadt Wien kontrolliert wird, und da habe ich überhaupt keine Lust, daß wir – noch dazu für eine Bühne, die unseren kulturpolitischen Zielsetzungen nach auch nicht unbedingt einen Schwerpunkt verdienen würde – 27 Millionen Schilling zahlen. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Ich sage das, weil die Verwendung des Geldes für die freie Szene und für Kulturinitiativen viel wichtiger wäre.

Wenn ich schon vom Geld rede, dann möchte ich jetzt etwas noch einmal relevieren: Davon wird auch sehr oft gesprochen, aber es wird nicht gehandelt, und es wird nicht nur nicht gehandelt, sondern es geht auch die Diskussion über diesen Punkt nicht hinaus, und das halte ich für ein wenig zu wenig. Daher unternehme ich jetzt einen weiteren Vorstoß.

Wenn es um die Verteilung der Gelder geht, wäre es – so meine ich – besser, Fachleute zu Rate zu ziehen und diese Entscheidung von der Beamtenebene wegzubringen. Das ist jetzt kein Mißtrauen gegen Beamte, aber ich glaube, daß es gerade in der Kulturpolitik sehr sinnvoll wäre, sich anderer Instrumentarien zu bedienen, die auch andere Möglichkeiten, was die Budgetierung betrifft, eröffnen. Ganz konkret meine ich das Stiftungswesen.

Für dieses Stiftungswesen gibt es erstens einmal bereits Modelle – man müßte sich daher nicht mit der Erfindung des Rades auseinandersetzen –, und dieses Stiftungswesen hat auch sonst noch mehrere Vorteile.

Zum einen: Bund und Länder sollten jeweils Stiftungen gründen, in die die öffentlichen Gelder eingezahlt werden. Es sollten allerdings auch – das ist mir ganz wichtig, das ist ein weiteres Anliegen von uns – private Sponsoren dazu gebracht werden, ebenfalls in die Kulturszene zu investieren. (Diskussionen in den Bänken der Freiheitlichen.) Es wäre schön, wenn Sie Ihre Gespräche etwas leiser oder wenigstens weiter hinten führen könnten, wo Sie normalerweise Ihren Platz haben, Herr Haigermoser! Es gehört nämlich auch zu den parlamentarischen Usancen, daß man die anderen jedenfalls nicht in dieser Form stört, wenn man vorne sitzt. (Abg. Scheibner : Belehren Sie uns nicht!) Daß Sie mit Zwischenrufen stören, bin ich ohnedies gewohnt.

Diese Verteilung über Stiftungen hätte den Sinn, daß man das Geld nicht im Laufe des Budgetjahres für den Bund ausgeben müßte, sondern daß die Stiftungen damit nach ihrem Ermessen wirtschaften und sich ihre Budgetjahre selbst setzen könnten. Das bedeutet, daß man auch vorausplanen und den Budgetzeitraum verlängern könnte. Und das ist in der Kulturszene noch viel wichtiger als in anderen Bereichen, in denen man auch darüber nachdenkt, den Budgetzeitraum zu verlängern. In anderen Bereichen ist das auch wichtig, aber in der Kulturszene ist es so wichtig wie ein Bissen Brot, und durch ein solches Stiftungswesen könnte man das ermöglichen.

Dazu kommt, daß – als ich davon sprechen wollte, wurde ich unterbrochen – durch die Stiftungen auch durch privates Sponsoring aufgebrachte Gelder lukriert werden könnten. Wir haben sowohl in der vergangenen Legislaturperiode – es ist aber dann nicht mehr zur Verhandlung gekommen – als auch in dieser Legislaturperiode einen Antrag im Finanzausschuß eingebracht, nach dem es ermöglicht werden soll, das Einkommensteuergesetz so zu ändern, daß es beim Sponsoring nicht mehr nur auf die werbliche Wirkung ankommt, sondern daß es jemandem unbenommen sein und er es auch steuerlich geltend machen können soll, in die Kultur zu investieren. Diesbezügliche nähere Spielregeln müßten geregelt werden.

Daher richte ich den Appell an Sie, diese Antrag möglichst bald in den Ausschuß zu nehmen. Weiters appelliere ich an Sie, in diesem Finanzausschuß einen Unterausschuß einzusetzen, an dem auch die Abgeordneten aus dem Kulturausschuß teilnehmen und mitberaten können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte noch einen weiteren Vorteil dieses Stiftungswesens erläutern: Man könnte die Leitung von den politisch Verantwortlichen entkoppeln, indem man Ausschreibungen macht und indem man diejenigen, die sich für die Intendanz einer solchen Stiftung bewerben, mit einem Konzept für die Position auswählen kann. Das hätte den unglaublichen Vorteil, daß man weiß, worauf man sich einläßt – und eine leitende Position nicht politisch vergeben wird, denn in letzterem Fall muß man Glück haben, wenn der Betreffende dann überhaupt einen Begriff von Theater oder von einem Buch hat. Wir kennen das ja von Politikern – jetzt schaue ich in diese Richtung (die Rednerin blickt in die Reihen der ÖVP) –, daß es einige gibt, die sich sogar damit


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rühmen, in ihrem Leben nicht mehr als ein Buch gelesen zu haben. Jetzt muß man sich vorstellen, daß jemand, der sich damit brüstet, vielleicht sogar einmal Kulturlandesrat hätte werden können! Das weiß man vorher nie!

Daher: Mit einer Stiftung, wie ich sie beschrieben habe, könnte man derartige Dinge vermeiden, man wüßte, worauf man sich einläßt, hätte einen längeren Investitionszeitraum und so weiter. Daneben sollte es durchaus Fachbeiräte geben, die ein eigenes Budget haben, auf die der Intendant keinen Zugriff hat. – Auf diese Weise hätten wir mehrere Schienen für eine andere Art der Kulturpolitik gelegt! Das ist die Bitte, die ich Ihnen mitgeben möchte – man kann sie auch nachlesen –: Auf diese Weise könnten wir vielleicht wirklich einmal in eine interessantere und ernsthaftere Diskussion einsteigen, damit auf diesem Gebiete wirklich etwas weitergeht und man nicht immer nur sagt: Das ist ein schlechtes Modell!, womit es sich dann auch schon hat.

Ich werde auch nicht müde, in diesem Zusammenhang – obwohl er auf den Kunstbericht nicht unmittelbar, aber doch zumindest mittelbar Bezug hat – den Bundestheaterverband anzusprechen, und zwar deswegen, weil dort die Gelder gebunden sind, die uns abgehen und dann nicht im Kunstbericht aufscheinen können. Daher mahne ich wieder, endlich darüber nachzudenken, diesen Bundestheaterverband umzuwandeln in eine GesmbH, um auf diese Weise Gelder freizumachen. Denn ich bin der festen Überzeugung bin, daß die derzeitige Art des Wirtschaftens nicht effizient ist und daher nicht der Kultur an sich dient, sondern zu einem gut Teil bereits zum Selbstzweck geworden ist.

Wenn wir übrigens gerade bei Neuregelungen sind, die angestrebt werden, möchte ich auch auf eine Neuregelung Bezug nehmen, die wir nicht angestrebt haben, die wir aber vermutlich in den nächsten Wochen – oder wann auch immer – beschließen werden: Ich meine die Neuregelung über die Werkverträge.

Dieses Instrumentarium ist für die Kulturszene ebenfalls wichtig wie ein Bissen Brot. Die freie Kulturszene und Kulturinitiativen, um die es mir in erster Linie geht, können ohne Werkverträge überhaupt nicht mehr existieren. Ich habe betreffend Werkverträge eine völlig andere Auffassung, als sie Kollegin Petrovic im Kulturausschuß artikuliert hat. Ich schätze jene Lösung, die ursprünglich im Gespräch war, daß man nämlich sagt: Sozialversicherung ja, wenn einer jedoch ohnedies schon irgendwo eine – freiwillige – Versicherung hat, dann nein. Diese Lösung hätte ich für vernünftig gehalten, und zwar deswegen, weil ich der festen Überzeugung bin, daß es auch im Interesse eines Kulturschaffenden sein muß, irgendwo eine Versicherung zu haben. Wir können doch nicht glauben, daß es in deren Interesse ist, nie eine Versicherung zu haben und dann eines Tages, wenn es darauf ankommt, möglicherweise von der Allgemeinheit versorgt werden zu müssen. Das ist sicherlich nicht das Selbstverständnis der Kulturschaffenden.

Daher halte ich es für eine unnötige Bevormundung, sie durch irgendeine Sozialversicherung schützen zu wollen. – Ich möchte sie vor der Belastung einer Mehrfachversicherung schützen, dann wenn dies notwendig wird, dann wird die ganze Szene nämlich wirklich den Bach hinuntergehen. Das befürchte ich angesichts der gegenwärtigen Situation, denn jetzt hat man die ursprüngliche Regelung, die ich eben erwähnt habe, die wir befürworten, wieder fallen gelassen und gesagt: Bei den Werkverträgen soll es keine Einbeziehung in die Sozialversicherung geben, es sei denn, es ist ein unechter Werkvertrag. Dazu muß ich sagen: Das klingt zwar sehr schön, aber einen unechten Werkvertrag dürfte es eigentlich gar nicht geben. Ein "unechter Werkvertrag" hat gefälligst ein Dienstvertrag zu sein.

Daher frage ich: Welches Damoklesschwert – ich sage das jetzt für die Kulturszene, das gilt aber auch für alle anderen – wird jetzt wieder aufgehängt, daß man wieder abhängig sein muß von irgendeiner Judikatur, die man nicht abschätzen kann, und darauf angewiesen ist, daß man zu irgendeinem Finanzbeamten ein gutes Verhältnis hat oder nicht, ob er öfter prüfen kommt oder nicht und ähnliches mehr. Das kann doch nicht der Sinn der Rechtssicherheit sein, die Sie angeblich anstreben!

Nächster Punkt: Transparenz. – Die mangelnde Transparenz des Kunstberichtes wird seit Jahren releviert. Wir haben vergangenes Jahr einen Antrag eingebracht, in dem wir gebeten


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haben, daß künftig dem Kunstbericht eine Liste angeschlossen wird, aus der ersichtlich ist, wer angenommen und wer abgelehnt wurde. Dieser Antrag wurde dann nicht verhandelt. Jetzt gestehe ich, daß gar nicht mehr glaube, daß er wirklich vernünftig war. Ich habe mich nämlich von den Argumenten des Ministers und seiner Beamten überzeugen lassen, die sagen, daß es eigentlich mehr der Diskriminierung dienen würde, wenn sich ein Kunstschaffender, der öfter abgelehnt wird, jedesmal in irgendeiner Liste findet. Das kann dem Künstler selbst nicht angenehm sein kann. Und ich weiß auch nicht, ob es einen Sinn hat, wenn das anonymisiert wird.

Wir haben uns daher jetzt ein anderes System überlegt, das dem Kulturschaffenden nützen und ihn nicht diskriminieren soll. Wir werden dann einen entsprechenden Antrag einbringen: Ich bringe ihn nicht jetzt ein, denn ich will nicht, daß darüber abgestimmt, sondern daß darüber im Ausschuß verhandelt. Wir bringen ihn daher als einen selbständigen Antrag ein.

In diesem Antrag geht es darum, daß man dem Kunstbericht eine Liste anschließt, und zwar folgendermaßen: Es soll eine Art Drei-Kategorien-System für abgelehnte Förderungsanträge eingeführt werden, zum Beispiel: a) die finanziellen Mittel der Abteilung waren zum Zeitpunkt der Antragstellung schon aufgebraucht, b) die Abteilung ist nicht zuständig, c) der Förderungsantrag wurde aus Qualitätsgründen abgelehnt.

Einer solchen Liste könnte man sämtliche Ansuchen auf Förderung gegenüberstellen. So hat man einen Überblick darüber, was überhaupt an Förderungsbedürfnissen da ist, was abgelehnt wird und aus welchen strukturellen Gründen es abgelehnt wurde. Ich glaube, daß eine solche Lösung auch das ständige Argument: "Wir brauchen mehr Transparenz!" zu befriedigen in der Lage wäre.

Einen Punkt muß ich noch anführen: Herr Minister! Ich bin der Meinung, Sie messen der Kunstvermittlung einen zu geringen Stellenwert zu. Sie sind dafür verantwortlich. Sie verteilen die Gelder. (Zwischenruf des Bundesministers Dr. Scholten. ) Ich freue mich, wenn Sie mir recht geben damit.

Ich nehme an, daß Sie die Konsequenz daraus ziehen und sich dafür einsetzen werden, daß künftig gerade auf diesem Gebiet mehr Mittel freigemacht werden. Wenn ich mir das ansehe, dann stelle ich fest, daß zum Beispiel das Österreichische Kulturservice 27,7 Millionen Schilling bekommt. Vorhin habe ich vom Raimundtheater gesprochen; es bekommt auch 27 Millionen. (Bundesminister Dr. Scholten : Das Kulturservice betrifft nicht mein Ministerium, sondern das Unterrichtsministerium!) Das ändert nichts daran, daß das Kulturservice aber ein Instrumentarium der Kulturvermittlung ist. (Weiterer Zwischenruf des Bundesministers Dr. Scholten .) Das ist schon richtig, aber Sie müssen zugeben, daß diese Relation nicht im Lot ist und daß Sie die Verantwortung dafür tragen, daß wir die Instrumentarien stärken, die einen wichtigen Beitrag leisten für ein Klima in diesem Land, in dem Kunst überhaupt möglich gemacht wird. Darum geht es doch! Wir wissen alle, wovon wir reden, ich will mich jetzt gar nicht mehr darauf einlassen. Ich habe die Unterlagen gar nicht bei mir, die sich mit dem Kulturverständnis der Freiheitlichen auseinandersetzen, weil mir wirklich um zwei Uhr nacht die Zeit dazu zu schade ist.

Dieses Kulturservice könnte zum Beispiel einen wichtigen Beitrag zur Erstellung von Programmen für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und aktuellen Tendenzen der Jugendkultur und all das leisten. Daher glaube ich, daß vor allem der Kunstvermittlung auch in Ihrem Bereich ein höherer Stellenwert zugemessen werden sollte. In diesem Sinne bitte ich, daß Sie Ihr Kopfnicken auch in Taten umsetzen! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

1.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt als nächste Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Ich erteile es ihr.

1.52

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der vorgerückten Stunde möchte ich einige Worte zum Kunstbericht sagen.


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Stenographisches Protokoll
8. Sitzung / Seite 226

Der Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern, mit Kulturschaffenden, ist immer ein Spiegelbild dafür, wie tolerant oder wie repressiv eine Gesellschaft insgesamt ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Vorgänge in Nigeria erinnern, an Ken Saro Wiwa, der für seine mutige Haltung und für sein Auftreten gegen rein kommerzielle Interessen und gegen politische Willkür ermordet wurde. Ich möchte gerade jetzt, wenige Tage nach dem siebenten Jahrestag der Fatwa, also dem siebenten Jahrestag der Lebensbedrohung für den Schriftsteller Salman Rushdie, darauf aufmerksam machen, daß diese Vorgänge uns immer wieder daran erinnern sollten, wie wichtig es ist, ein Klima der Offenheit gegenüber Kunst und Kultur zu fördern und aktiv zu unterstützen.

Nun verhält es sich in Österreich ohne Zweifel so, daß wir weit davon entfernt sind, daß hier Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende derart an Leben und Gesundheit bedroht sind. Dennoch ist in den letzten Jahren doch eine gewisse Ignoranz zu spüren. Es gab und gibt immer wieder ein Klima der Kulturstürmerei, das vor allem von der Freiheitlichen Partei ausgelöst wird. Es ist aber auch bei den Behörden eine Vorgangsweise bemerkbar, die dem Geist und den Idealen der Freiheit von Kunst und Kultur nicht gerecht wird.

Ich möchte Ihnen trotz der vorgerückten Stunde, insbesondere da der Herr Finanzminister anwesend ist, eine kleine Anekdote erzählen, wie es einem österreichischen Schriftsteller ergeht, der kein übermäßiges Einkommen hat, sondern wirklich sehr moderat gerade über die Runden kommt. Ihm hat das Finanzamt in bezug auf rechnungsmäßig belegte Bücher für etwa 30 000 S im Jahr mitgeteilt, daß das für einen Schriftsteller nicht notwendig sei: Er schreibe doch, er brauche nicht zu lesen. – Dieser Schriftsteller ist dann auf eine gute Idee gekommen und hat eine andere Rechnung für einen Ausstattungsgegenstand für sein Büro, nämlich für einen Teppich, in etwa der gleichen Höhe eingereicht: Und diese hat man ihm dann durchaus anerkannt. – Ich glaube, diese kleine Anekdote zeigt, daß es noch viel gibt, was man im Zusammenhang mit der Haltung gegenüber Künstlern und Kulturschaffenden verbessern könnte.

Das bezieht sich auch auf Handlungen der Finanz. Immer wieder wird Künstlern und Kulturschaffenden etwa Einkommensteuer für Förderungen abverlangt, die sie von den zuständigen Stellen in den Ministerien bekommen haben, obwohl die Finanzämter eigentlich wissen sollten, daß diese Förderungen steuerfrei sind. – Das zeigt, welchen Stellenwert Künstlerinnen und Künstler haben, und ich glaube, man sollte das ändern, wenn es Österreich daran gelegen ist, wirklich die Kulturnation, als die wir uns international gerne darstellen, zu sein.

Es gäbe aber auch im Kulturbereich im engeren Sinn viel zu verbessern. Wenn etwa die IG Autoren seit 25 Jahren Bibliothekstantiemen verlangt, dann ist es zwar immerhin anerkennenswert, daß diese auf Bundesebene gewährt wird, es ist aber wirklich eine Schande, daß diese in den Ländern nicht gewährt werden. Ich glaube, wir sollten gemeinsam darauf drängen, daß diese auch in den Ländern gewährt wird und daß es nicht als selbstverständlich erachtet wird, daß Menschen Werke erbringen und um den Nutzen dieser Werke letztlich geprellt werden.

Oder denken Sie etwa an die Rufmordkampagnen, die es immer wieder gibt, etwa im Zusammenhang mit H.C. Artmann. Ich glaube, es wäre noch wichtiger und noch notwendiger, daß nicht nur die Kultursprecherinnen und -sprecher ihre Stimme erheben, sondern daß dieses Haus insgesamt sich dagegen verwahrt, daß derartige Übergriffe, in diesem Fall einer politische Fraktion, nämlich der Freiheitlichen, hier kritiklos zur Kenntnis genommen werden.

Die Ignoranz und Haltung gegenüber Kunst und Kultur in diesem Land läßt sich auch daran erkennen – und das betrifft das Ministerium im engeren Sinn –, daß der Kunstbericht in den Zeitungen bereits im November diskutiert wurde, diesem Haus aber erst im Jänner zugegangen ist. Ich glaube, solche Kleinigkeiten könnten wirklich vermieden werden, wenn wir uns allesamt bemühen, und das Klima könnte dadurch eindeutig verbessert werden.

Ich habe im Ausschuß schon einiges gesagt, ich werde mich nicht wiederholen. Selbstverständlich sollte man ein Mehr an Transparenz herstellen. Herr Bundesminister! Es sollte zumindest ermöglicht werden, daß die im Ausschuß viel diskutierten Beiratsprotokollen, wenigstens den Interessenvertretungen der Künstlerinnen und Künstler, etwa der IG Autoren und anderen


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Interessenvertretungen zugestellt werden, damit nämlich auch eine Überprüfung möglich ist, was der Beirat empfohlen hat und in welchen Fällen das Ministerium davon abgewichen ist. Ich glaube, das wäre ein Minimum an Transparenz, wenn man schon – aus teilweise verständlichen Gründen – diese Protokolle nicht vollinhaltlich publiziert.

Zur Frage Werkverträge: Frau Dr. Schmidt! Ich bin nach wie vor der Meinung, daß das Kriterium, daß, wer schon sozialversichert ist, bei einem Werkvertrag jedenfalls nicht mehr versichert zu werden braucht, ein falsches ist. Denn entweder ein Werkvertrag ist ein solcher, das heißt, der Inhaber des Vertrages erfüllt ihn selbstbestimmt, dann ist das selbstverständlich kein klassischer Fall für Sozialversicherung. Dann müßte man eine eigene Versicherungspflicht statuieren. Oder es handelt sich letztlich um einen Dienstvertrag – und dann ist ohnedies jetzt schon die Versicherungspflicht gegeben.

Für den Fall, daß man das Kriterium einführt: Versicherungspflicht nur dann, wenn jemand noch nicht versichert ist, befürchte ich sehr stark, daß wir diejenigen, die gar keine Versicherung haben, letztlich überhaupt aus dem Geschäft hinausboxen, denn dann würde jeder Arbeitgeber, auch im Kunst- und Kulturbereich, selbstverständlich lieber jemanden im Rahmen eines Werkvertrages beschäftigen, der bereits irgendeine Art von Versicherung hat, weil diese Person dann schlicht und einfach billiger kommt. Ich glaube, das Anliegen, das wir alle haben, daß möglichst niemand ganz ohne Versicherung ist, könnte damit nicht verwirklicht werden.

Das ist sicherlich eine diffizile Frage, und wir müssen auch danach trachten, übermäßige Kosten von den Organisationen im Rahmen von Kunst und Kultur fernzuhalten. Trotzdem glaube ich, daß wir uns nach einem tauglicheren Abgrenzungskriterium umsehen müssen. Wir müssen anderweitig versuchen, zumindest eine Minimalversicherung sicherzustellen, dürfen jedoch nicht die Gefahr heraufbeschwören, daß schließlich nur mehr jene beschäftigt werden, die ohnehin schon irgendwo wenigstens ein bißchen etwas haben.

In diesem Sinne möchte ich angesichts der vorgerückten Stunde meine Ausführungen beenden und an dieses Haus dringend appellieren, wirklich vehement gegen die doch wahrnehmbaren Anzeichen einer Zurückdrängung der Freiheit von Kunst und Kultur aufzutreten. Die demokratischen Kräfte in diesem Land müssen sich dem in aller Form und mit aller Kraft widersetzen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

2.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters wird nicht beantragt. Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-3 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Kunstberichtes eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Kunstbericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen .

5. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1 der Beilagen): Tiertransportgesetz-Luft – TGLu (44 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (17 der Beilagen): Protokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 26. Oktober 1990 (45 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit kommen wir zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung: Es sind dies die Berichte des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage: Tiertransport


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gesetz Luft (44 der Beilagen) sowie über die Regierungsvorlage: Protokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 26. Oktober (45 der Beilagen).

Zum fünften Punkt berichtet Abgeordneter Dietachmayr; nach ihm referiert Abgeordneter Sigl zum sechsten Punkt. – Bitte, Kollege Dietachmayr.

Berichterstatter Helmut Dietachmayr: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1 der Beilagen): Bundesgesetz über den Transport von Tieren im Luftverkehr (Tiertransportgesetz-Luft – TGLu).

Ziel des gegenständlichen Gesetzentwurfes ist der Schutz der Tiere vor Gefahren, die sich bei einem Transport mit Luftfahrzeugen ergeben können.

Der Verkehrsausschuß hat die Regierungsvorlage in seiner Sitzung vom 7. Februar 1996 der Vorbehandlung unterzogen.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung von Abänderungsanträgen der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Mag. Helmut Kukacka einstimmig angenommen. Ein Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Stefan Salzl zu § 20 fand nicht die Mehrheit des Ausschusses.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem dem schriftlichen Ausschußbericht angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, in die Debatte einzusteigen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals.

Abgeordneter Sigl, bitte.

Berichterstatter Robert Sigl: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (17 der Beilagen): Protokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 26. Oktober 1990.

Der Verkehrsausschuß hat das vorliegende Protokoll in seiner Sitzung am 7. Februar 1996 der Vorbehandlung unterzogen und einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses des gegenständlichen Staatsvertrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll über die Änderung des Artikels 50 lit.a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 26. Oktober 1990 (17 der Beilagen) wird genehmigt.

2. Die authentischen Texte des Protokolls in russischer und spanischer Sprache sind gemäß Art. 49 Abs.2 B-VG dadurch kundzumachen, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufgelegt werden.

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, ersuche ich Sie, in die Debatte einzugehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke für die Einleitung zu den Beratungen.

Redezeiten: maximal drei Redner, einer 20 Minuten, die übrigen maximal 10 Minuten.


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8. Sitzung / Seite 229

Erster Redner ist Kollege Schwemlein. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Im Telegrammstil, bitte! Nur die Überschriften!)

2.05

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In Entsprechung des geäußerten Wunsches des Kollegen Schwarzenberger spreche ich in aller gebotenen Kürze. Ich glaube, daß Sie alle – im Ausschuß wurde ja quer durch alle Fraktionen Zustimmung signalisiert, – erkannt haben, daß Österreich mit diesem Gesetz beim Tiertransport eine Vorreiterrolle einnimmt.

Österreich ist bereits Vertragspartner des Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport. Des weiteren gelten andere Regelungen, wie zum Beispiel die Live Animals Regulations, die die IATA, die internationale Airtransport Association, erstellt hat, die aber keine verbindlichen Rechtsvorschriften darstellen. Daher ist es sicherlich notwendig, diese gesetzlichen Regelungen nun zu treffen, weil im Falle eines Zuwiderhandelns keine Sanktionen möglich gewesen wären. Schließlich gibt es auch eine EU-Richtlinie, die wir mit diesem Tiertransportgesetz im wesentlichen übernehmen.

Ich glaube, daß wir mit diesem Tiertransportgesetz-Luft überaus sinnvolle und sehr tierfreundliche Gesetzesbestimmungen schaffen. Es wird zum Beispiel die Transportfähigkeit eingeschränkt, es wird des weiteren vorgeschrieben, daß erfahrene, geschulte Begleitpersonen den Transport überwachen müssen, daß eine möglichst schonende Route gewählt werden muß und daß Transportbehälter unter anderem an die Bedürfnisse der jeweiligen Tiere angepaßt werden müssen. Das heißt, daß sinnvolle Sicherungsmaßnahmen und strenge Strafbestimmungen dieses Gesetz ergänzen.

Meine Damen und Herren! Ich darf im Zuge meiner kurzen Ausführungen einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Genossen einbringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Transport von Tieren im Luftverkehr (TGLu), 1 der Beilagen der Stenographischen Protokolle des Nationalrates, XX. GP, in der Fassung des Ausschußberichtes (44 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Im § 19 Abs.1 Z 2 wird die Zitierung "§ 7 Abs.4" durch die Zitierung "§ 7 Abs.5" ersetzt.

*****

Es handelt sich bei diesem Abänderungsantrag um eine Korrektur, was die Strafbestimmungen betrifft. Ich darf Sie alle einladen, Ihren Zusagen im Ausschuß auch im Hohen Haus Folge zu leisten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

2.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben referierte Antrag steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Abgeordneter Kukacka.

2.08

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Der heutige Beschluß ist ein zweiter Schritt, Mißstände, die es beim Transport von Tieren gibt, gegeben hat oder auch geben kann, wirksam abzustellen. Das ist ein zweiter Schritt: Das sage ich, weil es vor rund einem halben Jahr einen ersten gegeben hat. Am 6. Mai des Vorjahres haben wir das Tiertransportgesetz-Straße verabschiedet und mit diesem ebenfalls maßgeblich dazu beigetragen, daß Probleme, die es auf diesem Gebiet gegeben hat, in Zukunft beseitigt werden.


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8. Sitzung / Seite 230

Wie beim Tiertransport auf der Straße verhält es sich auch beim Tiertransport in der Luft: Österreich hat in diesem Bereich eine Vorreiterrolle übernommen, es ist das erste Land in der Europäischen Union, ja in ganz Europa, das die Transportrichtlinie in gesetzmäßiger Weise umgesetzt hat.

Nun fehlt noch ein Gesetz, das den Tiertransport auf der Bahn regelt. Denn: Das Eisenbahnbeförderungsgesetz sieht nicht einmal ansatzweise jene Kriterien vor, die beim Tiertransport auf der Straße oder beim Tiertransport in der Luft umgesetzt wurden. Wir glauben also, daß auch bezüglich des Tiertransportes auf der Bahn entsprechender Handlungsbedarf besteht. Tiere können überall unter schlechten Transportbedingungen leiden, nicht nur bei deren Transport auf der Straße, nicht nur beim Luftransport, sondern auch beim Schienentransport. Deshalb sollten wir auch dieses Problem rasch angehen.

Ansonsten stimmen wir selbstverständlich diesem heutigen Gesetzentwurf zu. (Beifall bei der ÖVP.)

2.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Abgeordneter Rosenstingl.

2.10

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Tierschutz ist das Tiertransportgesetz-Luft äußerst wichtig. Herr Bundesminister! Es muß uns aber klar sein, daß das noch nicht der große Wurf ist, den wir uns von einem Tierschutzgesetz erwarten. Es ist lediglich ein erster Schritt, dem noch weitere Schritte folgen müssen.

Entscheidendes Manko bei diesem Gesetz sind die zahllosen Gummiparagraphen und die Tatsache, daß dieses Gesetz im Ausland kaum durchgesetzt werden kann, aber die Transporte natürlich in vielen Fällen von dort aus erfolgen.

Viele Paragraphen enthalten Formulierungen wie zum Beispiel die Ausdrücke "tiergerecht" oder "geeignete Weise untergebracht". Die Praxis wird zeigen, daß diese Formulierungen zu Auslegungsschwierigkeiten führen werden. Im § 5 wird zum Beispiel von "geeigneten Begleitpersonen" gesprochen. Auch da fehlt eine konkrete Definition. Hinweise sind zwar gegeben, etwa der, daß diese Begleitpersonen geschult und erfahren sein müssen. In den Erläuterungen steht wieder ein Hinweis, und zwar bezogen auf die EU-Richtlinien. Herr Bundesminister! Wenn man sich diese EU-Richtlinien anschaut, so wird man feststellen können, daß darin überhaupt keine Erklärung enthalten ist, was mit "geschult" oder "erfahren" gemeint ist.

Man muß auch berücksichtigen, daß dieses Gesetz auch für den Transit angewendet werden soll. Wir haben schon im Ausschuß festgestellt – Sie haben mir dort zugestimmt –, daß damit das Überfliegen kaum gemeint sein kann, weil man das nicht überprüfen kann. Es wird die Praxis zeigen, daß bei der Zwischenlandung Überprüfungen nur schwer möglich sein werden und es bei nicht gesetzeskonformem Transport keine Konsequenzen geben wird. Es wird überhaupt schwierig sein, da Überprüfungen durchzuführen.

Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, daß die Kritik, die bei der Begutachtung geäußert wurde, berücksichtigt wurde und im Gesetz ihren Niederschlag gefunden hat. Dem ist nicht so. Es ist überhaupt nichts von dieser Kritik im Gesetz bisher eingebaut worden, daher wird es zu weiteren Novellen kommen müssen. Es ist aber wichtig, daß dieses Gesetz beschlossen wird, daher werden wir Freiheitlichen auch zustimmen. Verbesserungen müssen aber noch durchgeführt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

2.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Firlinger.

2.12

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister für Verkehr und Finanzen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich angesichts der vorgeschrittenen Stunde kurz fassen und nur zur Sache selbst


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Stellung beziehen, obwohl natürlich die Materie Tiertransport in ihrer Gesamtheit doch einiges an Diskussionsstoff hergeben würde.

Das Tiertransportgesetz-Luft ist eine von drei Gesetzesmaterien betreffend die Beförderung von Tieren. Sie alle wissen, daß es vor rund einem halben Jahr doch eine Reihe von Friktionen im Zusammenhang mit dem Tiertransport auf der Straße gegeben hat. Da hat es Dinge gegeben, die sicher vermeidbar gewesen wären, hätte es eine bessere Koordination zwischen dem österreichischen Nationalrat und den Behörden in Brüssel gegeben. Ich rechne das zu den Anfangsschwierigkeiten, die es da gegeben hat. Ich hoffe nicht, daß diese Schwierigkeiten auch noch anhalten werden, wenn wir uns dem dritten Teil zuwenden werden.

Im Gegensatz dazu hat aber die nunmehr vorliegende Regelung im Bereich des Luftverkehrs einen anderen Hintergrund. Sie basiert auf weitestgehend freiwilligen Regelungen, die im Zuge des IATA-Abkommens jetzt schon in der Tat praktiziert worden sind. Es handelt sich dabei praktisch um eine Aufnahme dieser unverbindlichen Regelung in eine nationale Gesetzesmaterie. Sie wurde sozusagen gesetzlich legitimiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich festhalten, daß im Zuge der Entstehung dieses Gesetzes die Austrian Airlines eine wichtige Vorreiterrolle übernommen haben, denn dieses Luftfahrtunternehmen hat schon seit vielen Jahren einen hohen Standard unter Beweis gestellt, wie man es mit dem Lufttransport machen soll. Andere Luftfahrtunternehmen hinken erheblich nach, und ich stehe nicht an, den Austrian Airlines dafür auch meinen gebührenden Dank zu zollen.

Die dritte Stufe – um einen gesamtheitlichen Vollzug aller drei Teilbereiche zu ermöglichen – wird der Bereich des Bahntransportes sein. Ich befürchte, daß der Tiertransport auf der Bahn nicht ganz so astrein und so friktionsfrei über die Bühne gehen wird. Es existiert eine EU-Richtlinie im Vorfeld, die entsprechend umgesetzt werden muß. Ich rege an, daß im Sektor Bahntransport eine ähnliche Vorgangsweise gewählt wird wie jetzt beim Lufttransport, nämlich daß Fachunternehmen ihre Erfahrungen einbringen und bisherige freiwillige Regelungen sozusagen auch in den Gesetzeswerdungsprozeß miteinbezogen werden.

Ansonsten möchte ich nur sagen, daß unsere Fraktion dieser Vorlage gerne die Zustimmung erteilen wird. Ich hoffe, daß es auch beim Bahntransport einen ähnlich breiten Konsens geben wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum).

2.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Dr. Petrovic.

Kollege Frischenschlager hat offenbar ein Problem damit, wie ein Luftfahrtunternehmen nachhinken kann.

2.16

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Das Tiertransportgesetz-Luft ist eine konsequente Fortsetzung der begonnenen Regelungen im Bereich der Tiertransporte. Es gibt zwar eine Reihe von kleinen Kritikpunkten, die die Tierschutzorganisationen daran anzubringen haben, insbesondere was die Bestimmtheit der Begriffe betrifft, dennoch werden die Grünen dieser Regelung selbstverständlich zustimmen.

Allerdings möchte ich, Herr Bundesminister, schon mit großem Nachdruck darauf hinweisen, daß es – ich glaube, Sie wissen es – nach wie vor große Defizite bei der Vollziehung des Tiertransportgesetzes-Straße gibt. Daher befürchte ich, daß auch im Bereich der Lufttransporte eine ähnlich laxe Überwachung einreißen könnte.

Es ist Medienmeldungen zu entnehmen, daß etwa auch bei den besonders grausamen Tiertransporten über See, etwa in den Libanon, Tiere aus Österreich mittransportiert werden. Das dürfte an sich nicht sein. Das wird aber von den Behörden im Libanon bestätigt, und es ist auch den Medienmeldungen zu entnehmen, daß auch Rinder aus Österreich angeliefert werden. Ich


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glaube, man sollte derartigen Medienmeldungen nachgehen und überprüfen, welche Unternehmer derartig dreist und vor allem für die Tiere derartig quälerisch das Gesetz verletzen.

Herr Bundesminister! Sie wissen um die Beanstandungen, die es immer wieder von Tierschützerinnen und Tierschützern gibt. Ich selbst war bei verschiedenen Anlässen mit dabei, wo wir uns davon überzeugen konnten, daß völlig gestreßte, teilweise verletzte und offensichtlich schon weit länger, als es das Gesetz erlaubt, transportierte Tiere in LKWs zusammengepfercht anzutreffen waren.

Ich nenne nur einige Fälle – Sie kennen sie –: St. Michael, Fälle aus Salzburg, Fälle aus Arnoldstein. Das sind wirklich nur Stecknadeln im Heuhaufen. Diese Fälle werden nur bekannt, wenn zufällig Tierschützer draufkommen, daß solch ein Transport unterwegs ist. Die Transporte, die illegal ablaufen und die von niemandem entdeckt werden, sind sicher viel, viel zahlreicher. Daher möchte ich an Sie appellieren, trotz der bald in Kraft tretenden EU-Regelung – der schlechten EU-Regelung – jetzt das österreichische Gesetz zu vollziehen, denn ich glaube, daß die Erfahrungen aus dem Vollzug dieses Gesetzes ein wichtiger Beitrag sein könnten, auch im Bereich der Europäischen Union zu einer Neuregelung zu gelangen.

Wenn man sich parlamentarische Anfragen betreffend die Zahl der Beanstandungen in den ersten Monaten nach Inkrafttreten des Tiertransportgesetzes anschaut, dann kann man feststellen, daß es in vier Bundesländern überhaupt keine Beanstandungen gab. Insgesamt gab es nur 10 Beanstandungen. Ich glaube, Sie teilen meine Meinung, daß die Zahl der Übertretungen viel, viel, viel höher ist und daß daher entsprechende Verbesserungen beim Gesetzesvollzug, insbesondere auf Landesebene, aber auch, was die Kontrolle von der Bundesseite her betrifft, dringend geboten wären.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie: Sorgen Sie für einen besseren Vollzug des Tiertransportgesetzes-Straße und lassen Sie bei dem jetzt zu beschließenden Tiertransportgesetz-Luft nicht zu, daß es ähnlich lax vollzogen wird, wie dies bei den Bestimmungen über den Tiertransport auf der Straße bisher der Fall war. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

2.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordnete Wallner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

2.21

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Selbstverständlich werde auch ich mich kurz fassen. – Ich möchte feststellen, daß man den Wert einer Gesellschaft sicherlich auch daran erkennen kann, wie sie unter anderem mit den Tieren umgeht, auch bei Transporten. Da Meinungsumfragen uns sagen, daß für 85 Prozent der Bevölkerung der Tierschutz ein Anliegen ist, glaube ich – das ist heute schon zu Recht mehrfach erwähnt worden –, daß wir Österreicher im Bereich des Tiertransports eine Vorreiterrolle innehaben.

Auch unsere Fraktion wird heute nach dem Tiertransportgesetz-Straße dem Tiertransportgesetz-Luft die Zustimmung geben. Sicherlich werden diesem auch Gesetze betreffend den Tiertransport auf der Bahn und auf dem Wasser folgen müssen.

Meine Damen und Herren! Eines möchte ich aber schon herausheben: Der Tiertransport in der Luft unterscheidet sich sicherlich von der Kapazität her wesentlich vom Tiertransport in anderen Bereichen. Im Jahr 1994 waren es 100 Tiere, die per Luftfahrzeug befördert wurden. Es handelt sich dabei unter anderem mehrheitlich eher um exotische Tiere und nicht um Nutztiere, die in späterer Folge zum menschlichen Verzehr vorgesehen sind. Kurz: Das Repertoire reicht vom Reptil bis zu Bienenstöcken.

Aber im Vordergrund dieser gesetzlichen Maßnahme steht, meine Damen und Herren, sicherlich der Schutz der Tiere und vor allen Dingen auch die Sicherheit der Luftfahrt. Erlauben Sie mir, noch ganz kurz beim Schutz der Tiere etwas verweilen zu dürfen. Ich glaube, es ist wichtig, daß die Tiere während des gesamten Transportes, also auch bei Zwischenlandungen und dann, wenn sie auf dem Zielflughafen sind, so verwahrt sind, daß sie keinen Schaden erleiden, daß sie


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anständig behandelt werden, daß sie versorgt werden, daß sie gefüttert werden und daß sie sich nicht verletzen. Das ist sehr wichtig, und das wird mit diesem Gesetz gewährleistet.

Schlußendlich darf ich sagen, daß dieses Gesetz auch wesentliche Bestimmungen enthält, mit welchen gewährleistet wird, daß unser Land vor einer etwaigen Seuchengefahr geschützt wird. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

2.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

2.24

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon seit Jahren beschäftigt sich dieses Hohe Haus mit dem Problem der Tiertransporte, und gerade wir Freiheitliche haben diesbezüglich Initiativen gesetzt und haben von Anfang an verlangt, daß neben dem Bereich Straße vor allem auch die Bereiche Schiene, Wasser und auch Luft geregelt werden müssen. Wir haben auch darauf hingewiesen, daß dies noch vor dem EU-Beitritt zu geschehen hätte und daß man diese Gesetzesmaterien dann bei den EU-Verhandlungen miteinbeziehen sollte.

Da man dies verabsäumt hat, werden wir uns nach Meinung vieler Experten teilweise von unseren weitaus besseren Tiertransportbestimmungen verabschieden müssen. Wahrscheinlich werden wir bereits im Jahre 1997 Anpassungen vornehmen müssen und eventuell nur in Österreich strengere Bestimmungen aufrechterhalten können.

Das ist auch die Meinung des Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, die dieser am Tierschutzkongreß vertreten hat. Er hat dort als Vertreter der größten europäischen Tierschutzorganisation auch gesagt, daß die EU eine volle Harmonisierung bei den Tiertransporten anstrebt, und gemeint, es sei eine Mogelpackung gewesen, als man den Österreichern vor dem EU-Beitritt versichert hat, daß sie das Tiertransportgesetz in dieser Form beibehalten können. (Zwischenruf.) "Mogelpackung" hat er gesagt. – Sie haben in diesem Bereich, so wie in vielen anderen Bereichen, die Österreicherinnen und Österreicher bemogelt, meine sehr verehrten Damen und Herren!

In Wirklichkeit wird Österreich diese beispielhaften Bestimmungen im Alleingang nicht beibehalten können, denn in der EU zählen hauptsächlich wirtschaftliche Überlegungen und weniger tierschützerische Aspekte; die haben dort eine eher untergeordnete Rolle. Auch wenn Bundesminister Klima bei der Eröffnung dieses Tierschutzkongresses angekündigt hat, wir werden der EU trotzen, wir werden eventuell auch dann keine Anpassungen vornehmen, wenn es die EU will, so glaube ich ihm das in diesem Fall nicht. Denn zu viel wurde bereits vor der EU-Abstimmung und vor den Wahlen versprochen, aber sehr wenig davon wurde wirklich gehalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde mich natürlich freuen, wenn wir diese Bestimmungen auch tatsächlich beibehalten könnten, aber die Wirklichkeit sieht wahrscheinlich anders aus.

Das Gesetz, das wir heute hier beschließen werden und dem wir auch gerne unsere Zustimmung geben, weist mehrere Mängel auf. Es regelt aber in Österreich einen eher unproblematischen Bereich, nämlich den des Luftverkehrs, und da sind nur wenige Tiere betroffen: vereinzelt Turnierpferde, des weiteren Bienen, aber keine Bienenstöcke, wie es mein Vorredner hier gesagt hat, sondern es handelt sich dabei um künstlich besamte Bienenköniginnen. Trotzdem wurden im Ausschuß massive Änderungen beantragt, meistens noch zusätzlich auf Kosten des Tierschutzes. Zum Beispiel wurden beim Transport von trächtigen Tieren keinerlei Einschränkungen bezüglich der Trächtigkeitsdauer beschlossen. Es wurden auch die Bestimmungen über Transportroute und Zwischenlandungen nur sehr diffus formuliert. Das größte Problem, das sich ergeben hat – vor allem aus fachlicher Sicht –, war, daß man den Passus bezüglich Reinigung und Desinfektion der Transportbehältnisse ersatzlos streichen wollte.


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8. Sitzung / Seite 234

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie in jeder Fachliteratur nachzulesen ist und wie jeder Experte bestätigen wird, ist gerade die fachgerechte Reinigung und Desinfektion der Transportbehältnisse eines der wichtigsten Kriterien, um die Einschleppung von Tierseuchen zu verhindern. Die Folge von Tierseuchen haben wir in Österreich bereits des öfteren erlebt: mit enormem volkswirtschaftlichem Schaden, mit unsäglichem Leid für die Tiere selbst und womöglich auch mit gesundheitlichen Schäden für den Menschen verbunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Drängen von uns Freiheitlichen ist daher der Passus bezüglich der fachgerechten Reinigung und Desinfektion in der Regierungsvorlage erhalten geblieben. Leider Gottes ist er aus den Strafbestimmungen verschwunden, und ich bringe daher einen diesbezüglichen Abänderungsantrag ein, damit auch in den Strafbestimmungen diesem wichtigen Passus Rechnung getragen wird.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl, Mag. Herbert Haupt, Peter Rosenstingl und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über den Transport von Tieren im Luftverkehr.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

Im § 19 Abs. 1 Z 2 wird die Zitierung "§ 7 Abs.4" durch die Zitierung "§ 7 Abs. 4 und Abs. 5" ersetzt.

*****

Weiters sollten meiner Meinung nach die eingehobenen Strafgelder für Verwaltungsübertretungen zweckgewidmet jenen Einrichtungen zur Verfügung stehen, die tatsächlich für die transportgeschädigten Tiere aufkommen, die die transportgeschädigten Tiere übernehmen und betreuen. Auch dazu darf ich einen Abänderungsantrag einbringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl, Mag. Herbert Haupt, Peter Rosenstingl und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über den Transport von Tieren im Luftverkehr.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

§ 20 samt Überschrift lautet wie folgt:

"Widmung von Strafgeldern"

§ 20. Die eingehobenen Strafgelder fließen dem Land zu, in dem die Verwaltungsübertretung geahndet wurde, und sind zur Hälfte für behördlich anerkannte und kontrollierte Einrichtungen zur Übernahme und Betreuung transportgeschädigter Tiere zu verwenden."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tiertransporte spielen, wie bereits gesagt, im Flugverkehr eine eher untergeordnete Rolle. Eine wesentlich wichtigere Rolle werden die Transporte im Bereich der Schiffahrt und vor allem im Bereich des Schienenverkehrs spielen. Da passiert täglich unsägliches Leid. Es werden auch in und durch Österreich jährlich Tausende Tiere auf der Bahn und auf dem Wasser transportiert.

Herr Bundesminister! Ich fordere Sie daher auf: Regeln Sie so rasch wie möglich diese Tiertransportbereiche! Wir Freiheitliche werden da gerne mittun, wir werden da gerne mithelfen.


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8. Sitzung / Seite 235

Seien Sie nicht säumig, Herr Bundesminister! Die Tiere werden es Ihnen danken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

2.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Anträge, die Herr Abgeordneter Dr. Salzl vorgetragen hat, stehen mit zur Verhandlung und auch zur Abstimmung.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Ausschußanträge getrennt durchgeführt werden. Ich bitte die Plätze einzunehmen.

Als erstes stimmen wir aber über den Entwurf betreffend Tiertransportgesetz-Luft samt Titel und Eingang in 44 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Salzl und Genossen Abänderungsanträge eingebracht.

Es wird zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betroffenen Teile und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abgestimmt.

Dr. Salzl hat einen Abänderungsantrag betreffend § 19 Abs.1 Z 2 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist nicht die Mehrheit. Das ist abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 19 Abs.1 Z 2 eingebracht.

Ich darf auch da jene Damen und Herren, die dafür eintreten, bitten, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Abgeordneter Dr. Salzl hat einen Abänderungsantrag betreffend § 20 samt Überschrift eingebracht. Auch da bitte ich im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist nicht die erforderliche Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 20 samt Überschrift in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem § 20 in der Fassung des Ausschußberichtes zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Somit ist die zweite Lesung beendet, und wir kommen jetzt zur dritten Lesung.

Ich darf jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen ersuchen. – Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung mit Mehrheit beschlossen wurde.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 26. Oktober 1990 (17 der Beilagen) die Genehmigung zu erteilen.


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8. Sitzung / Seite 236

Ich bitte jene Damen und Herren, die diese Genehmigung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist einstimmig beschlossen.

Ich danke vielmals.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, daß die authentischen Texte des Protokolls in russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Auch da darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen bitten. – Ich stelle fest, daß dies vom Nationalrat einstimmig genehmigt wurde.

Damit haben wir die Tagesordnungspunkte 5 und 6 erledigt.

7. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (8 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Benützung zweier Teile des slowenischen Staatsgebietes im Bereich des Skigebietes "Dreiländereck" (35 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Benützung zweier Teile des slowenischen Staatsgebietes im Bereich des Schigebietes "Dreiländereck" (35 der Beilagen).

Frau Abgeordnete Jäger hat die Berichterstattung übernommen. Sie wird die Debatte einleiten.

Berichterstatterin Inge Jäger: Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (8 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Benützung zweier Teile des slowenischen Staatsgebietes im Bereich des Skigebietes "Dreiländereck".

Das gegenständliche Abkommen bezweckt die Errichtung eines grenzüberschreitenden Skigebietes auf österreichischem und slowenischem Staatsgebiet samt der erforderlichen Infrastruktur sowie die Erlaubnis zur Benützung dieses Skigebietes durch österreichische und slowenische Staatsbürger sowie Staatsangehörige von Drittstaaten, die weder in der Republik Österreich noch in der Republik Slowenien der Sichtvermerkspflicht unterliegen.

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 31. Jänner 1996 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Im vorliegenden Fall hält der Außenpolitische Ausschuß die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfülllung des Staatsvertrages für entbehrlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Benützung zweier Teile des slowenischen Staatsgebietes im Bereich des Skigebietes "Dreiländereck" (8 der Beilagen) wird genehmigt.


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8. Sitzung / Seite 237

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, ersuche ich, in die Debatte einzugehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Berichterstatterin für ihre Ausführungen.

Es liegen Wortmeldungen vor. Der Beschluß des Nationalrates lautet: maximal 2 Redner pro Fraktion, einer 10 und einer 5 Minuten maximal.

Erste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Edeltraud Gatterer. – Bitte sehr.

2.38

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Das vorliegende Abkommen, das einstimmig zur Annahme empfohlen wird, zeigt einerseits die immer besser werdende Beziehung zwischen Slowenien und Kärnten, aber es zeigt auch, daß es wichtig und notwendig ist, mit diesem Abkommen einen wirtschaftlichen Impuls in der Grenzregion Arnoldstein zu setzen. Sie können sich an unsere Diskussionen hier im Zusammenhang mit der BBU vielleicht noch erinnern. Aufgrund der verlorengegangenen Arbeitsplätze im Bereich Arnoldstein ist es dringend notwendig, hier neue wirtschaftliche Impulse zu setzen. Ein wichtiger Impuls wäre eben der Tourismus.

Deshalb ist das vorliegende Abkommen, mit dem es in Zukunft für Schifahrer zwischen 15. November und 15. April möglich sein wird, die Grenze im "Dreiländereck" ohne die üblichen Formalitäten zu überschreiten, ein ganz wichtiger Beschluß. Ich nehme an, daß dieses Abkommen angenommen wird.

Ich möchte Sie aber in diesem Zusammenhang auch um die Unterstützung in einer zweiten Angelegenheit bitten, in einer Angelegenheit, die ebenfalls das "Dreiländereck" betrifft. Wie Sie wahrscheinlich wissen werden, haben sich die drei Länder Kärnten, Julisch Venetien und Slowenien für das Jahr 2006 um die Olympischen Spiele beworben. Sie haben sich für das Jahr 2002 auch schon beworben, aber diese Bewerbung ist an den üblichen Bedingungen gescheitert. Jetzt ist es möglich, denn seit 1991 gelten andere Richtlinien. Die Idee, grenzüberschreitend eine Olympiade zu veranstalten, ist eigentlich ein großer olympischer und ein großer europäischer Gedanke. An der Bruchlinie der drei großen europäischen Kulturen, der germanischen, der romanischen und der slawischen, Olympische Spiele zu veranstalten, ist, glaube ich, eine Idee, die unsere Unterstützung braucht. Sie ist diese auch wert.

Vor allem darf nicht außer acht gelassen werden, daß diese Olympischen Spiele auf die Infrastruktur dieser drei Länder Einfluß hätten und daher umweltfreundliche und auch kostengünstige Olympische Spiele wären.

Als Kärntnerin bitte ich Sie sehr herzlich, nicht nur dem Abkommen, sondern auch dieser Idee und diesem großen Ziel Ihre Unterstützung zu geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums.)

2.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Kärntner, der zu Wort kommt, ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

2.41

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat schon in aller Kürze die Wichtigkeit dieses Tagesordnungspunktes, der erst zu morgendlicher Stunde aufgerufen wurde, erwähnt. Ich darf mich auch sehr, sehr kurz fassen.

Das Schigebiet "Dreiländereck" ist bei in- und ausländischen Gästen ein sehr beliebtes Schigebiet, es wird vor allem von sehr vielen slowenischen und italienischen Schifahrern besucht.

Das Problem, das dort bestand, ist die Tatsache, daß im Bereich der Bergstation die Staatsgrenze zwischen Slowenien, Italien und Österreich verläuft. Es ist dort immer wieder zu Grenzverletzungen gekommen. Die Sportler wollen dort aber auch grenzüberschreitend den Sport ausüben, und das hat, wie bereits erwähnt, immer wieder zu Problemen geführt.


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8. Sitzung / Seite 238

Es ist verwunderlich, daß es beinahe 18 Jahre gedauert hat, bis man eine Einigung zwischen Österreich – in diesem Fall zwischen Kärnten und Slowenien – zustande gebracht hat. Am 21. September des vergangenen Jahres ist es zu einem entsprechenden völkerrechtlichen Abkommen gekommen, und man kann es der Hartnäckigkeit der Kärntner Verhandler verdanken, daß dieses Abkommen zustande gekommen ist. Es muß nun vom österreichischen Nationalrat noch ratifiziert werden. Das soll heute mit diesem Beschluß in dieser Sitzung geschehen, und ich darf auch bitten, dieser Ratifizierung zuzustimmen und damit die Attraktivität des Schigebietes "Dreiländereck" noch zu heben.

Ich möchte mich auch dem, was meine Vorrednerin gesagt hat, anschließen: Wir wollen natürlich auch die Unterstützung der Republik Österreich für unsere Olympia-Bewerbung. Ich habe sehr aufmerksam zugesehen und festgestellt, daß auch die Tiroler und die Salzburger und auch die Steirer eifrig mitgeklatscht haben, und ich sehe das als Zustimmung für die Kärntner Bewerbung um die Olympischen Spiele an. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

2.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reichhold. – Ich erteile ihm das Wort.

2.43

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Die wesentlichen Argumente für die Zustimmung zu diesem Abkommen wurden wirklich von meinen Vorrednern bereits angeführt. Es wird aufgrund dieses Abkommens sicherlich zu einer Verbesserung des Schibetriebes im "Dreiländereck" kommen, und es könnte vielleicht auch der Grundstein für eine wirtschaftliche Belebung dieser Region sein, sollte auch das bekannte Schigebiet Kranjska Gora in Slowenien angebunden werden können. Das ist ein großes Ziel. Ob es machbar ist, das wird man sehen, denn es wären dann auch noch viele Infrastrukturverbesserungen notwendig, um die Olympischen Spiele auch attraktiv genug abwickeln zu können. Auch ich darf um die Zustimmung bitten.

Auch die freiheitliche Fraktion wird natürlich diesem Abkommen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

2.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 8 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte all jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.

8. Punkt

Erste Lesung des Antrages 29/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit kommen wir zum nächsten Tagesordnungspunkt: Erste Lesung des Antrages 29/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird.

Redezeitregelung: Maximal zwei Redner oder Rednerinnen pro Fraktion, ein Redner 15 Minuten, einer 10 Minuten beziehungsweise eine Rednerin 15 Minuten, eine 10 Minuten.

Wir gehen in die Debatte ein.


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8. Sitzung / Seite 239

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

2.45

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ablauf des heutigen Tages hat gezeigt, daß eine Geschäftsordnungsreform diesem Haus sehr gut täte. (Beifall bei ÖVP und SPÖ und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

2.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Er hat das Wort.

Die Redezeit beträgt gleichfalls nicht länger als 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

2.46

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Eine Geschäftsordnungsreform müßte allerdings davon ausgehen, daß es weder dem Parlamentarismus noch der Opposition dient, wenn die Sitzungen zu lange dauern, unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden und das, was das Parlament vermitteln will, niemandem vermittelt werden kann. Eine geordnete Tagesordnung und eine geordnete Redezeit sind daher nicht etwas, was der Opposition schadet, sondern etwas, was auch der Opposition nützt – weil es dem Parlament insgesamt nützt und sich das Parlament damit selbst aufwertet. Deshalb glaube ich, daß all die Vorschläge betreffend Redezeitverkürzung und bessere Ordnung der Sitzungen dem Parlament als Ganzem und damit auch der Opposition Hilfe leisten.

Zweitens: Wir brauchen dringend auch Bestimmungen für den EU-Hauptausschuß. 30 bis 40 Prozent unserer früheren Tätigkeiten laufen jetzt über die EU ab. In ein paar Jahren wird es vielleicht die Hälfte sein. Wir müssen daher dasselbe an Personal, Zeit und Organisation für die Mitbestimmung an den EU-Angelegenheiten vorsehen, was wir in diesem Bereich für Plenum und Ausschüsse vorgesehen haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

2.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. – Er hat das Wort.

2.47

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Hohes Haus! All das und vieles mehr werden wir im Geschäftsordnungsausschuß zu behandeln haben, und ich freue mich darauf. (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ und ÖVP.)

2.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl; er ist aber nicht anwesend. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Daher teile ich als nächstem Redner Herrn Abgeordneten Mag. Stadler das Wort.

2.48

Abgeordneter Mag. Johann-Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Heiterkeit, mit der die Geschäftsordnungsdebatte offensichtlich eingeleitet wird, deutet nur darauf hin, daß man sich offensichtlich bei den anderen Fraktionen bereits darüber geeinigt hat, die Rechte der Opposition zu schmälern, wie wir das in der Tageszeitung "Die Presse" nachlesen konnten, und zwar mit eigenartigem Hintergrund. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. ) Die Liberalen mögen bitte den Mund halten! Ich rede von der Opposition! (Heftige Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter Stadler! Hier hat niemand den Mund zu halten. Ein solches Wort darf nicht von einem Redner an die Adresse der anderen gehen!

Abgeordneter Mag. Johann-Ewald Stadler (fortsetzend): Herr Präsident! Ich rede von der Opposition und nicht von jenem Regierungsanhängsel, das sich in die Regierung hineindienen


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8. Sitzung / Seite 240

möchte, indem permanent mit Unterstützung des Liberalen Forums Oppositionsrechte beschnitten werden sollen – etwa was die Einberufung der Sondersitzungen anlangt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Er hat keine Manieren!)

Ich halte es für unerträglich, daß sich eine Oppositionsfraktion dafür hergibt, die Rechte der anderen Oppositionsfraktionen schmälern zu wollen, meine Damen und Herren, nur weil sie selber nicht zum Zug kommt (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller ), nur weil sie selber etwa vor kurzem auf dem Sitz einer anderen Oppositionsfraktion im Europarat gegen eben diese Oppositionsfraktion agiert und sich dann beklagt hat, daß sie den Sitz dieser Oppositionsfraktion nicht mehr einnehmen darf. Nun ist sie flugs bereit, die Rechte dieser Oppositionsfraktion, die, wie ich behaupte, die einzige Oppositionsfraktion dieses Hauses ist, zu schmälern, indem sie dazu beiträgt, wie in der Tageszeitung "Die Presse" vom 27. Feber zu lesen ist, daß in Zukunft die Einberufung von Sondersitzungen massiv erschwert werden kann, meine Damen und Herren – von Sitzungen, die samt und sonders Ergebnisse gebracht haben wie etwa die gestrige Sitzung dieses Hohen Hauses, bei der ... (Zwischenrufe beim Liberalen Forum sowie bei SPÖ und ÖVP.) Haben Sie Ihren eigenen Antrag nicht gelesen, bevor Sie ihn beschlossen haben?

Dank der Bemühungen der freiheitlichen Fraktion wurde die Regierung endlich dazu gezwungen, im Bereich des Privilegienabbaus wiederum einen kleinen Schritt in die richtige Richtung zu setzen, von dem ich behaupte, daß er nie getan worden wäre, wenn die Freiheitlichen ihn nicht erzwungen hätten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch alle anderen Sondersitzungen, meine Damen und Herren, haben Ergebnisse gebracht, die jedenfalls ganz im Sinne der Intentionen des Bürgers liegen. Daher lassen wir Freiheitlichen es nicht zu, daß an der Geschäftsordnung zu Lasten der Opposition gebastelt wird. Auch wenn sich Grüne und Liberale dazu hergeben, um sich insbesondere bei den Sozialisten beliebt zu machen: Wir werden unter gar keinen Umständen bereit sein, daß an den essentiellen Rechten des Hohen Hauses, insbesondere an den Rechten der Opposition, etwas geschmälert wird.

Sehr geschätzte Kollegen aus dem Geschäftsordnungsausschuß, der leider von einem Liberalen als Vorsitzenden vertreten wird! Man muß das auf der Zunge zergehen lassen: Kollege Frischenschlager ist Obmann dieses Unterausschusses gewesen, der die Geschäftsordnungsberatungen hätte vorbereiten sollen. Und der Obmann dieses Unterausschusses geht her und sagt, er freue sich schon darauf, daß man die Oppositionsrechte schmälern kann! Lieber Kollege Frischenschlager! Mit dieser Haltung werden wir jedenfalls die Debatte über die Geschäftsordnung nicht führen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

2.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Frischenschlager gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt und den tatsächlichen einander gegenüberzustellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

2.52

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Hohes Haus! Abgeordneter Stadler hat gesagt, ich hätte gesagt, ich freue mich darauf, daß die Oppositionsrechte geschmälert werden. (Abg. Mag. Stadler: Das steht in der "Presse"!)

Du hast behauptet, ich hätte gesagt, ich freue mich auf eine Reduzierung der Oppositionsrechte. Das ist, wie sich alle Anwesenden überzeugen konnten, einfach nicht wahr. Kollege Stadler hat hier bewußt die Unwahrheit gesagt! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP.)

2.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Ich weise den Antrag 29/A dem Geschäftsordnungsausschuß zu.


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8. Sitzung / Seite 241

Damit ist die Tagesordnung dieser Sitzung erledigt.

Ich gebe bekannt, daß in dieser Sitzung die Selbständigen Anträge 110/A (E) bis 125/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 182/J bis 224/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die vereinbarungsgemäß für geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen einberufen wird, berufe ich für 2.54 Uhr ein. Das heißt, sie findet im unmittelbaren Anschluß an diese Sitzung statt.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 2.54 Uhr