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40. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 2. Oktober 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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40. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 2. Oktober 1996

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 2. Oktober 1996: 11.02 – 23.05 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 289/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Bundesgesetz über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages, BGBl. Nr. 13/1952, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 376/1986, geändert werden

2. Punkt: Bericht über den Antrag 284/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht von Werk- und sogenannten freien Dienstverträgen

3. Punkt: Bericht über den Antrag 287/A der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 292/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Aussetzung der bestehenden Werkvertragsregelung und Frist für arbeits- und sozialrechtliche Regelung prekärer Arbeitsverhältnisse

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung geändert werden

6. Punkt: Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung; Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnungen (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit geändert wird

8. Punkt: Berufsbildungsbericht 1995 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten

9. Punkt: Bericht über den Antrag 161/A (E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend umfassende Attraktivierung der Lehre


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10. Punkt: Bericht über den Antrag 136/A (E) der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Abschaffung der Eintragungsgebühren in der Wirtschaftskammer

11. Punkt: Bericht über den Antrag 20/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Kraft-Wärme-Kopplungen

12. Punkt: Bericht über den Antrag 9/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Fritz Neugebauer 10

Angelobung des Abgeordneten Dkfm. DDr. Friedrich König 10

Personalien

Verhinderungen 10

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen, dem Bautenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 137/A (E) betreffend Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146 (Ennsnahe Trasse) gemäß § 43 Abs. 1 eine Frist bis 1. November 1996 zu setzen 28

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 28

Redner:

Andreas Wabl 107

Hannelore Buder 109

Dr. Karl Maitz 110

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 111

Mag. Thomas Barmüller 111

Mag. Doris Kammerlander 112

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 114

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 28

Wortmeldung des Abgeordneten Andreas Wabl betreffend Klub- und Platzwechsel des Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger 29

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zur Wortmeldung des Abgeordneten Andreas Wabl 29

Ersuchen des Abgeordneten Dr. Andreas Khol, nach Schluß der Sitzung eine Präsidialkonferenz abzuhalten 29

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zur Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol 29


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Aktuelle Stunde (6.)

Thema: "Krise an den österreichischen Universitäten"

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 11

Bundesminister Dr. Rudolf Scholten 12, 20

Dr. Alexander Van der Bellen 14

Dr. Ewald Nowotny 15

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 17

Dr. Michael Krüger 18

Dr. Friedhelm Frischenschlager 19

Karl Öllinger 21

Dr. Wolfgang Riedler 23

Mag. Dr. Alfred Brader 24

MMag. Dr. Willi Brauneder 25

Mag. Thomas Barmüller 26

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 10

Ausschüsse

Zuweisungen 27

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen betreffend eine beschäftigungs- und umweltpolitisch wirksame Steuerreform (1284/J) 72

Begründung: Dr. Friedhelm Frischenschlager 75

Bundesminister Mag. Viktor Klima 79

Debatte:

Dr. Volker Kier 85

Bundesminister Mag. Viktor Klima 86

Dr. Ewald Nowotny 87

Karlheinz Kopf 89

Hermann Böhacker 90

Ing. Monika Langthaler 92

Mag. Helmut Peter 94

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 96

Mag. Karl Schweitzer 98

Andreas Wabl 101

Mag. Thomas Barmüller 103

Mag. Gilbert Trattner 105

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Realisierung eines aufkommensneutralen ökologischen Steuersystems – Ablehnung 100, 107

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 289/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bau


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ern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Bundesgesetz über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages, BGBl. Nr. 13/1952, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 376/1986, geändert werden (325 d. B.) 29

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 284/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht von Werk- und sogenannten freien Dienstverträgen (326 d. B.) 30

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 287/A der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (327 d. B.) 30

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 292/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Aussetzung der bestehenden Werkvertragsregelung und Frist für arbeits- und sozialrechtliche Regelung prekärer Arbeitsverhältnisse (328 d. B.) 30

Redner:

Hermann Böhacker 30

Annemarie Reitsamer 32

Dr. Volker Kier 34

Dr. Gottfried Feurstein 38

Dr. Volker Kier (tatsächliche Berichtigung) 40

Karl Öllinger 40

Eleonora Hostasch 45, 68

Mag. Herbert Haupt 47

Bundesminister Franz Hums 49, 59

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 52

Dr. Hans Peter Haselsteiner 53

Heidrun Silhavy 5


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6

Theresia Haidlmayr 57

Karl Donabauer 60

Dr. Michael Krüger 61

Dr. Günther Leiner 63

Klara Motter 64

Edith Haller 65

Dr. Alois Pumberger 66

Elfriede Madl 71

Sigisbert Dolinschek 114

Mag. Doris Kammerlander 116

Annahme des Gesetzentwurfes in 325 d. B. 117

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 326, 327 und 328 d. B. 119

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eleonora Hostasch, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend Weiterentwicklung der Sozialversicherung – Annahme (E 24) 46, 118

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (318 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung geändert werden (329 d. B.) 119

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (89 d. B.): Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung; Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers (330 d. B.) 119

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (201 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnungen (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit geändert wird (331 d. B.) 119

Redner:

Rudolf Nürnberger 120

Mag. Dr. Josef Höchtl 121

Sigisbert Dolinschek 122

Dr. Volker Kier 123

Karl Öllinger 125

Erhard Koppler 126

Elfriede Madl 127

Mag. Helmut Peter 128

Sophie Bauer 129

Josef Meisinger 130

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 132

Annahme der Gesetzentwürfe in 329 und 331 d. B. 132, 133

Genehmigung des Übereinkommens Nr. 173 133

Kenntnisnahme der Empfehlung Nr. 180 133

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 133

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Berufsbildungsbericht 1995 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-11/67 d. B.) 133

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 161/A (E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend umfassende Attraktivierung der Lehre (332 d. B.) 133

Redner:

Sigisbert Dolinschek 134

Ingrid Tichy-Schreder 136

Mag. Helmut Peter 138

Eleonora Hostasch 140

Karl Öllinger 141

Mag. Franz Steindl 145

Helmut Haigermoser 146

Franz Riepl 148

Herbert Scheibner 149

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 150

Dr. Harald Ofner 152

Peter Marizzi 153

Edith Haller 154

Ridi Steibl 155

Günter Kiermaier 157


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Wolfgang Großruck 158

Emmerich Schwemlein 159

Walter Murauer 161

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 162

Kenntnisnahme des Berichtes III-11 d. B. 163

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 332 d. B. 163

10. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 136/A (E) der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Abschaffung der Eintragungsgebühren in der Wirtschaftskammer (246 d. B.) 163

Redner:

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 163

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 165

Mag. Helmut Peter 166

Dr. Kurt Heindl 167

Helmut Haigermoser 168

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 246 d. B. 170

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 246 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend eine Überprüfung der Kosten des Gewerbeantritts (E 25) 170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Dringlichkeit der Rückerstattung der zu Unrecht einbehaltenen Außenhandelsförderungsbeiträge – Ablehnung 164, 170

11. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 20/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Kraft-Wärme-Kopplungen (245 d. B.) 170

Redner:

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 170

Georg Oberhaidinger 171

Mag. Thomas Barmüller 171

Georg Wurmitzer 172

Andreas Wabl 173

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 245 d. B. 174

12. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 9/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich (233 d. B.) 174

Redner:

Dr. Volker Kier 174

Dr. Ilse Mertel 175

Karl Öllinger 176

Rosemarie Bauer 177

Edith Haller 179

Johann Schuster 179

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 180

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 233 d. B. 181


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40. Sitzung / Seite 7

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 27

319: Wiener Übereinkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken samt Anlage

321: Wasserrechtsgesetz-Novelle 1996 – WRG-Nov. 1996

323: Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden

324: Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997

Berichte 27

III-52: Erster Bericht über den Stand der Verwirklichung der Gleichbehandlung und Frauenförderung im Bundesdienst (Gleichbehandlungsbericht); Bundesregierung

III-53: Hochschulbericht 1996 (Band 1 und 2); BM f. Wissenschaft, Verkehr und Kunst

III-54: Technologiepolitisches Konzept 1996 der Bundesregierung; BM f. Wissenschaft, Verkehr und Kunst und BM f. wirtschaftliche Angelegenheiten

Anträge der Abgeordneten

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird (300/A)

Wolfgang Großruck und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert wird (301/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 433, 1996, geändert wird (302/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Erhöhung der Lehrveranstaltungszahl an den Universitäten (303/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Herausnahme der Leistungen der medizinisch-technischen Dienste aus der 80 Prozent Wahlarztregelung im § 131 Abs. 1 ASVG (304/A) (E)

Edith Haller und Genossen betreffend Schaffung einer "ewigen Anwartschaft" in der Arbeitslosenversicherung (305/A) (E)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (306/A)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (307/A)

Anfragen der Abgeordneten

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Artilleriekaserne Linz (1281/J)


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Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend allgemeine Geschäftsbedingungen bei Kreditaufnahmen (1282/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend allgemeine Geschäftsbedingungen bei Kreditaufnahmen (1283/J)

Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend eine beschäftigungs- und umweltpolitisch wirksame Steuerreform (1284/J)

Katharina Horngacher und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend notwendige Erhöhung des Bäuerinnenwochengeldes/Betriebshilfe (1285/J)

Katharina Horngacher und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend notwendige Erhöhung des Bäuerinnenwochengeldes/Betriebshilfe (1286/J)

Katharina Horngacher und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend notwendige Erhöhung des Bäuerinnenwochengeldes/Betriebshilfe (1287/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend hohe Kostenzuschüsse der schwer defizitären Träger der Krankenversicherung zur FSME-Impfung, erhebliches Einsparungspotential (1288/J)


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Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Altlasten in Oberösterreich (1289/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Beurteilung der Zweckmäßigkeit, Einsparungserfordernisse und sachliche Voraussetzungen der FSME-Impfung (1290/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Zulassung, Begutachtung, Bezuschussung des FSME-Impfstoffes "FSME-IMMUN Inject" der Firma IMMUNO AG, Kosten-Nutzen-Risiko-Abwägung und gesundheitspolitische Bedeutung der FSME-Impfung, Handhabung des Arzneimittelgesetzes (AMG), Weigerung zur Überprüfung der FSME-Statistik und Vertuschung von Impfnebenwirkungen (2 Todesfälle, Koma, Paralyse, Demenz, Hirnhautentzündungen, Lähmungen und so weiter), Förderungsmittel für die Firma IMMUNO AG und den Verein "Selbsthilfegruppe Zeckenopfer" (1291/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zivildienst bei der Polizei (1292/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Lehrtätigkeit des Tierpflegers und Biologen Erlung Kohl an der Meidlinger Berufsschule Längenfeld (1293/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Waldzustand in Oberösterreich (1294/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Endabrechnung der Pyhrn Autobahn (1295/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend unbefriedigende Anfragebeantwortung durch den Justizminister Nr. 7032/1 PR 1/96 zur Zahl 503/J-NR/1996 (1296/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Justizaffäre Löffler – Foco (1297/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend F. Dvorak – U-Haft in Deutschland (1298/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend anonyme Sparbücher des ÖGB (1299/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Ausnahmeregelung für einen BHI-Sparer (1300/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Jugendkriminalität (1301/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ankündigung von Terroranschlägen durch den linksextremen Journalisten Wolfgang Purtscheller (1302/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Neubau und Generalsanierung des Landesgerichts für Strafsachen Wien sowie der Justizanstalt Josefstadt (1303/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Folgen von Arbeitslosigkeit durch Konkurs des Arbeitgebers (1304/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend geplante Abschiebung eines in Österreich integrierten türkischen Staatsbürgers (1305/J)

 


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Beginn der Sitzung: 11.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf die Damen und Herren herzlich begrüßen und bitte, die Plätze einzunehmen. – Wir werden in Kürze eine Angelobung vornehmen.

Die 40. Sitzung des Nationalrates ist eröffnet.

Die Amtlichen Protokolle der 37. Sitzung vom 19. September sowie der 38. und 39. Sitzung vom 20. September sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Preisinger, Rosenstingl, Schöll, Kröll, Dkfm. Mühlbachler, Sauer, Dr. Stippel, Ing. Tychtl, Verzetnitsch und Schaffenrath.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, daß für diese Sitzung das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten beziehungsweise des den Herrn Bundespräsidenten vertretenden Bundeskanzlers betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht hat:

Der Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem wird durch Frau Bundesministerin Dr. Helga Konrad vertreten. Der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten wird an der Aktuellen Stunde teilnehmen und im Anschluß daran durch Herrn Bundesminister Franz Hums vertreten werden.

Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, daß dem Abgeordneten Dkfm. DDr. Friedrich König sein Mandat erneut zugewiesen wurde, wodurch das Mandat des Abgeordneten Fritz Neugebauer endet. Da der Wahlschein des Abgeordneten Dkfm. DDr. König bereits vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werden wir sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Frau Schriftführerin wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben. Frau Schriftführerin Parfuss wird die Gelöbnisformel verlesen. – Bitte, Frau Schriftführerin.

Schriftführerin Ludmilla Parfuss: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße Kollegen Dkfm. DDr. König herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Im Croquis steht: den "neuen" Abgeordneten – aber das hätte doch nicht ganz zugetroffen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:


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"Krise an den österreichischen Universitäten"

Als erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten.

11.04

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Krise an den österreichischen Universitäten zum Thema dieser Aktuellen Stunde gemacht, weil es uns gerade jetzt, wo auch andere innenpolitischen Themen teils sehr heftig diskutiert werden – wo offensichtlich auch in den Bankreihen für Sie momentan andere Themen wichtiger sind als die österreichische Hochschulpolitik –, sehr wichtig ist, auf die Situation der Hochschulen in Österreich aufmerksam zu machen und darauf hinzuweisen, daß in diesem Bereich die immer wieder abgegebenen Versprechungen der Regierung nicht nur nicht erfüllt werden, sondern daß wir uns eigentlich jeden Tag von einer modernen Bildungs- und Forschungspolitik in Österreich weiter entfernen.

Unserer Ansicht nach hat diese Krise der österreichischen Hochschulen drei wesentliche Aspekte: Zum einen die Funktionsfähigkeit der Hochschulen, ihre Fähigkeit, sich ihren ureigensten Aufgaben zu stellen, junge Menschen heranzubilden, ihnen eine möglichst gute Ausbildung zu bieten – und das in einer Art und Weise, daß der Betrieb effizient und reibungslos abgewickelt werden kann.

Der zweite Punkt: An den Universitäten arbeiten Menschen: Studierende, Lehrende und Forschende. Hinsichtlich der Gruppe der Personen, die an den Hochschulen tätig ist, verzeichnen wir Auswirkungen des Belastungspaketes, die diese Gruppe von Menschen weit härter trifft als alle anderen in der Bevölkerung. Und das, Herr Bundesminister, in Zeiten, wo die österreichischen Hochschulen dringenden Nachholbedarf haben, um mit den effizientesten Forschungsstätten in Europa und weltweit konkurrenzfähig bleiben zu können.

Der dritte wichtige Punkt betrifft die soziale Situation der Studierenden. Die soziale Situation der Studierenden hat sich in den letzten Monaten, bedingt durch das Belastungspaket, dramatisch verschlechtert – und das in einer Zeit, in der immer mehr Personen zum Opfer einer vom Zaun gebrochenen Sozialschmarotzer-Debatte werden. Auch im Zusammenhang mit den Studierenden hört man immer öfter: Wozu brauchen sie zu studieren? Sie studieren ja auf unsere Kosten. – Dieser Argumentation wird weder politisch noch mit einer effizienten Ausstattung in diesem Bereich entgegengewirkt.

Lassen Sie mich nun zu den einzelnen Punkten Stellung nehmen.

Die Bundesregierung, Sie Herr Bundesminister, haben diesem Haus in den letzten Tagen einen umfangreichen Bericht über die österreichischen Hochschulen und die dortige Situation vorgelegt.

In diesem Bericht kommt klar zum Ausdruck: Wir können bis zum Jahr 2000 – ich sage: Gott sei Dank – mit einer Zunahme der Zahl der Hörerinnen und Hörer rechnen. Verstärktes Interesse für ein Universitätsstudium ist in Österreich dringend notwendig.

Herr Bundesminister! Sie kennen die Zahlen so gut wie wir, Sie wissen, daß Österreich, was die AkademikerInnenquoten betrifft, leider im europäischen Schlußfeld liegt. In anderen Industriestaaten betragen die AkademikerInnenquoten um die 25 Prozent, das heißt, ein Viertel der Bevölkerung hat in jenen Staaten, die akademische Spitzenreiter sind, eine universitäre Ausbildung. In Österreich sind es bitte 7,9 Prozent. Hinter uns rangiert lediglich die Türkei in diesen Statistiken.

Wir sollten uns eigentlich sehr freuen, daß das Interesse für eine universitäre Ausbildung im Ansteigen begriffen ist. Nur: Wie ist Ihre Reaktion darauf, wie ist die Reaktion der Bundesregierung darauf? – Die Reaktion auf den erwarteten mindestens 10prozentigen Anstieg der Zahl der Studierenden ist eine 10prozentige Kürzung der Lehrveranstaltungen.

Herr Bundesminister! Wie soll denn das funktionieren? Sie wissen doch, daß in wichtigen Studienrichtungen heute schon die Hörsäle überquellen, daß es zu Mißständen bei den In


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40. Sitzung / Seite 12

skriptionen kommt, daß Studierende, um einen Platz zu ergattern, vor den Türen der Evidenzstellen übernachten müssen, und ähnliches. 10 Prozent Zuwächse bei den Studierenden, 10 Prozent Reduktion bei den Lehrveranstaltungen – das ist die Reaktion dieser Bundesregierung, eine Reaktion, die mit Sicherheit die Krise an den österreichischen Hochschulen verstärken wird, ja verstärken muß.

Da nützt es auch nichts, wenn dann so quasi als Notmaßnahme in einzelnen Studienrichtungen im Gnadenwege auf die 10prozentige Kürzung verzichtet wird. Das Gegenteil wäre doch angesagt, Herr Bundesminister: daß man es endlich an den Hochschulen ermöglicht, in kleineren Gruppen, also viel effizienter zu arbeiten. Die überlangen Studienzeiten resultieren vor allem daraus, daß die Betreuung der Studierenden nicht mehr optimal möglich ist. Das heißt, auch in Zeiten der Spar- und Belastungspakete müßte jetzt eine Ausweitung des Lehrangebotes und nicht eine dramatische Kürzung durchgeführt werden.

Zum zweiten Punkt, zur Situation des Mittelbaues: Die Effizienz, die Arbeitsfähigkeit der Universitäten steht und fällt auch mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Mittelbauebene. Genau diese Bevölkerungsgruppe ist durch das Belastungspaket nicht nur verunsichert, sondern geradezu in ihrer Existenz bedroht. Das, was uns über Jahre hin versprochen wurde, nämlich daß man diejenigen, die in ihrer beruflichen Sicherheit immer noch völlig in der Luft hängen, daß man insbesondere die sogenannten "Existenzlektoren" endlich einmal absichert, das ist nicht erfolgt. Im Gegenteil: Man hat die diesen ganzen Berufsstand nicht nur verunsichert, sondern man hat – und das in einer Art und Weise, daß Frauen besonders betroffen sind – dramatische Kürzungen durchgeführt. Gehaltseinbußen von über 20 Prozent wurden dieser Bevölkerungsgruppe aufgelastet – und das, wie gesagt, in einer Zeit, in der sie auch von den allgemeinen Belastungen, die alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger betreffen, genauso tangiert sind. Auf diesen Problemkreis wird mein Kollege Van der Bellen in der Folge noch im Detail eingehen.

Zum dritten Punkt, zur sozialen Lage der Studierenden: 50 Prozent der Studierenden in Österreich müssen mit monatlichen Einkünften von weniger als 6 000 S auskommen. Nunmehr, nach der Streichung der Freifahrt, betrifft das etwa die in Wien Studierenden mit einem Minus von knapp 500 S im Monat, und wenn man dann noch die Streichung der Familienbeihilfe und des Absetzbetrages dazurechnet, dann ergibt das insgesamt eine Einkommenseinbuße von über 2 500 S, also von 44 Prozent des Einkommens.

Herr Bundesminister! Es gibt keine andere Gruppe, der durch das Belastungspaket fast die Hälfte des monatlich zur Verfügung stehenden Geldes einfach weggenommen wird – und das, wie gesagt, in einem Land mit einer katastrophal niedrigen Quote von Akademikerinnen und Akademikern. Wie rechtfertigen Sie das, und wie gedenken Sie dem, Herr Bundesminister, in Zukunft entgegenzuwirken?

Herr Bundesminister! Wir bringen aus diesem Grund heute Anträge ein, und zwar einen Antrag gerichtet auf die Wiederherstellung zumindest des Status quo, was die soziale Absicherung der Studierenden betrifft, das heißt Wiedereinführung der Freifahrten und eine Beibehaltung der Familienbeihilfen bis zum 27. Lebensjahr. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wir fordern von Ihnen hier und heute eine Ausweitung des Lehrangebotes statt der in verantwortungsloser Weise vorgenommenen Kürzung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme gelangt Herr Bundesminister Dr. Scholten zu Wort. – Bitte sehr.

11.15

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Petrovic! Sie haben am Schluß das Wort "verantwortungslos" verwendet. – Ich meine, verantwortungslos ist es, in so unglaublich leichtfertiger Form mit einem solch ernsten Thema umzugehen.


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Ich nenne Ihnen einige Beispiele: Sie haben gemeint, die sogenannten Existenzlektoren wären von diesem Paket besonders betroffen. – Diese bilden eine der wenigen Gruppen, die überhaupt nicht betroffen sind, denn sie wurden vor zwei Jahren angestellt und haben keine Lehraufträge mehr.

Sie haben weiters gemeint – und das steht auch in einem Papier der Grünen –, 30 Prozent der Studienbeihilfenbezieher würden durch den Wegfall der Familienbeihilfe betroffen sein. Kein einziger Studienbeihilfenbezieher kann vom Wegfall der Familienbeihilfe betroffen sein, da bei einem Studienbeihilfenbezieher das Gesetz ausdrücklich vorsieht, daß die Familienbeihilfe zu kompensieren ist – und dies bereits seit langem so vorsieht. Das ist gar keine Neuigkeit. Das heißt, das, was Sie so apodiktisch für 30 Prozent der Studienbeihilfenbezieher behaupten, kann überhaupt nicht eintreten.

Sie sagten weiters, statistisch gesehen käme hinter uns, was die Akademikerquote anlangt, nur die Türkei. Wenn man in der Statistik der Grünen hinter Österreich nur mehr die Türkei anführt, dann kommt hinter uns tatsächlich nur mehr die Türkei. Aber Sie wissen ganz genau – und wenn Sie es nicht wissen, dann sage ich es Ihnen –, daß bei dem Land, das diesbezüglich den höchsten Wert hat, sämtliche höhere Schulen eingerechnet sind. Wenn Sie mir jetzt das "Bildungsparadies" USA hier vorhalten wollen, dann sage ich Ihnen: Beides probiert, kein Vergleich.

Wenn wir 27,4 Prozent Akademikerquote erreichen wollen, so wie die USA, – und das ist der Spitzenplatz Ihrer Liste –, heißt das, daß wir die höheren Schulen einrechnen und damit die Akademikerquote – wenn ich es "künstlich" nenne, ist es den höheren Schulen gegenüber unfair, also mutwillig – in die Höhe treiben. Das wäre kein Problem. Sie würden nur dann zu Recht sagen – und ich wäre dabei auf Ihrer Seite –, daß das statistische Spielerei ist.

Alle Länder, die hier angeführt sind – bis auf Japan, da weiß ich es nicht –, auf jeden Fall aber Großbritannien und die Niederlande, haben eine lange Tradition von Fachhochschulen oder fachhochschulähnlicher Lehrgänge, die in die Akademikerquote eingerechnet sind. Dazu kommt noch, daß Sie rein statistisch davon ausgehen können, daß die gemäß Ihren Ausführungen ins Astronomische wachsende Zahl der Studierenden dazu führen muß, daß die Akademikerquote ansteigt. Zu diesem Punkt komme ich aber später noch.

Wir haben in Österreich – das sage ich hier zur Information, es ist das dem Hochschulbericht im Detail zu entnehmen – eine im internationalen Vergleich immer noch relativ geringe Akademikerquote, gemessen am Durchschnitt der Bevölkerung.

Wir haben aber, was die Neustudierenden im Verhältnis zu ihrem Jahrgang betrifft, eine Akademikerquote, die durchaus gut im internationalen Maßstab, ja sogar leicht über dem Durchschnitt liegt. Das heißt, man kann davon ausgehen, daß im Laufe der Jahre diese deutlich steigende Quote der Neustudierenden automatisch dazu führen wird, daß die durchschnittliche Akademikerquote in der Bevölkerung entsprechend zunehmen wird.

Ich komme zurück auf den "seriösen" Umgang mit der Wahrheit. Frau Kollegin Petrovic! Sie haben ziemlich wortwörtlich gesagt, wir hätten bei den Lehraufträgen Kürzungen vorgenommen, nämlich in den Entgeltsätzen. Sie meinten weiters, es sei notwendig, daß wir konkurrenzfähig sind. Nennen Sie mir, Frau Abgeordnete, ein Land in Europa, das derart – ich will nicht "großzügig" sagen, denn das würde so klingen, als ob sie es nicht verdienten – hohe Beträge pro Stunde Lehrauftrag ausgibt, wie das in Österreich der Fall ist. Zeigen Sie mir ein einziges Land auf Ihrer Liste! – Die USA mit Sicherheit nicht, Japan – das sage ich leichtfertig – mit Sicherheit auch nicht, Großbritannien mit Sicherheit nicht, Niederlande definitiv nicht, Deutschland definitiv nicht. Was die Türkei betrifft, muß ich sagen, weiß ich es nicht.

Sie fordern, daß wir konkurrenzfähig bleiben sollen, indem wir Sätze nicht senken dürfen, die es in anderen universitären Gesellschaften überhaupt nicht gibt. Wir sollen konkurrenzfähig sein, indem wir ein Einkommen neben dem Grundeinkommen nicht senken dürfen, weil wir sonst in die Hinterhand zu anderen universitären Entlohnungssystemen kommen würden, während das, was wir senken, zu 100 Prozent in den anderen Ländern überhaupt nicht existiert.


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Also ich bitte Sie schon – bei aller Lust zur Polemik –, der Wahrheit wenigstens Restposition zu geben.

Sie sagten, die steigende Zahl der Studierenden wäre begleitet von Personalabbau. – Das Gegenteil ist wahr. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Erstens einmal müssen wir für das Studienjahr 1996/97 die tatsächliche Zahl der Studierenden abwarten.

Der Grazer Rektor hat mir gestern mitgeteilt, daß es derzeit in Graz um fünf Studenten mehr gibt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Aber wir werden sehen. Die Zahl jener, die an den Universitäten beschäftigt sind, hat zugenommen.

Ich bin sehr daran interessiert, daß wir eine reformorientierte, eine sich an den Problemen orientierende Diskussion über die Universitäten führen. Aber ich möchte dieses Thema ernst genommen wissen und will nicht, daß es leichtfertig polemisch behandelt wird. Man muß die Universitäten ernster nehmen, um mit ihnen seriös umgehen zu können. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP und den Grünen.)

11.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen weitere Wortmeldungen vor. Die Redezeit beträgt jetzt jeweils 5 Minuten.

Als nächster gelangt Herr Abgeordneter Van der Bellen zu Wort.

Nicht nur, aber auch weil die Aktuelle Stunde im Fernsehen übertragen wird, bitte ich, den Geräuschpegel etwas niedriger zu halten.

Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

11.21

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich einmal Bundesminister Scholten dafür danken, daß er hier ist. Er hat eine Auslandsreise vorgehabt; er hätte sich entschuldigen und vertreten lassen können. We appreciate that. Ich weiß nicht genau, wie man das auf deutsch sagt. (Allgemeine Heiterkeit.) Wir anerkennen das. – Das ist vielleicht eine angemessene Formulierung.

Wir haben jetzt eine Aktuelle Stunde, Herr Bundesminister. Bei dieser Gelegenheit darf ich nach ganz aktuellen Dingen fragen: Wie stehen jetzt die Dinge – Beispiel Dienstrechtverhandlungen mit den Assistenten?

Soweit ich informiert bin, ist im Grunde genommen seit Juni dieses Jahres nicht sehr viel geschehen. Es wurden zwar Meinungen ausgetauscht. Die BUKO hat ein Positionspapier vorgelegt. Aber gibt es auch eine Dienstgeberposition zu diesen Dingen? Soweit mir bekannt ist, ist zumindest Ihr Gegenüber, also die Vertretung des wissenschaftlichen Personals, nicht ausreichend über die Dienstgeberposition in einer solch wichtigen Angelegenheit informiert.

Auf die Dauer muß man den Eindruck bekommen – ich drücke mich sehr vorsichtig aus –, daß eine gewisse Hinhaltetaktik vorerst einmal eingerissen ist. Aber wie lange soll das anhalten? Ich erinnere Sie daran, Herr Bundesminister, daß die Ablehnung der ersten Vorschläge der Assistenten damit begründet wurde, daß diese Vorschläge zu teuer seien. – Gut, soll sein, sind sie eben zu teuer. Es wurde das Bundesrechenamt gebeten, auszurechnen, was die Vorschläge im Detail kosten, nicht nur bei den Aktiven, sondern natürlich muß man auch immer berücksichtigen, was das einige Zeit später im Pensionsalter bedeutet. Diese Berechnungen liegen meines Wissens noch nicht vor. Ist es nicht möglich, diese Berechnungen vorzulegen? Warum liegen sie nicht vor? Und wann kommt die Position des Ministeriums in dieser wichtigen Angelegenheit? Die Aussetzung bis zum Wiederinkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes wird das Ministerium ja hoffentlich nicht wollen.

Nächster Punkt: Lehrauftragskontingente. Wir wissen alle, daß die Lehraufträge, also die Zahl der Stunden, aus budgetären Gründen in Summe im Schnitt um 10 Prozent gekürzt wurden; an


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einzelnen Fakultäten mehr, an anderen weniger. Ich habe den Eindruck, daß die Universitäten bestrebt sind, das Wintersemester einigermaßen, so gut es eben geht, mit Ach und Krach über die Bühne zu bringen, auch mit Goodwill der Betroffenen, muß ich sagen, die bereit sind, zum Teil unentgeltlich oder eben nicht mit remunerierten Lehraufträgen zu lesen. Dieses Mal, im Wintersemester, weil verhandelt wird, weil unklar ist, wie die Sache ausgehen wird. Aber wie wird es weitergehen? Was wird im Sommersemester sein?

Die Lehrauftragskontingente für das Sommersemester sind derzeit nicht bekannt. Das ist unüblich. Früher war es möglich, zumindest ein Studienjahr einigermaßen im voraus zu planen, indem die Kontingente zu Beginn des Wintersemesters bekanntgegeben wurden, und zwar auch für das kommende Sommersemester. Das ist derzeit nicht der Fall. Wie soll eine vernünftige Planung unter diesen Bedingungen stattfinden?

Ich verstehe nicht ganz, warum das ein großes Problem ist. Denn wenn ich richtig verstanden habe, tritt das neue Dienstrecht ohnedies erst im Wintersemester 1997 in Kraft, sodaß man nicht argumentieren kann, daß man erst die Dienstrechtsverhandlungen und die budgetären Auswirkungen dieser Verhandlungen abwarten muß, bevor man über die Lehraufträge reden kann.

Herr Bundesminister! Wir wissen alle, daß Sie unter extrem schwierigen budgetären Bedingungen zu arbeiten haben. Aber das Ziel des Wissenschaftsministers kann sich ja nicht darauf beschränken, unter diesen widrigen Bedingungen Budgetanpassung zu betreiben – da zu kürzen, dort zu kürzen – und in Summe irgendwie die Gemüter trotzdem einigermaßen ruhig zu halten. Das kann doch nicht alles sein.

Ich weiß auch nicht, ob es Ihnen gelingen kann, bei konstanten nominellen Budgetzahlen einerseits, aber steigenden Studentenzahlen andererseits dieses "Werkl" am Leben zu erhalten. Denn die steigenden Studentenzahlen, Herr Bundesminister, habe nicht ich erfunden, haben nicht die Grünen erfunden, sondern diese stehen ja in dem soeben von Ihnen vorgelegten Hochschulbericht, in dem auch für die nächsten Jahre Prognosezahlen enthalten sind. Soweit mir bekannt ist, ist jetzt im laufenden Wintersemester bereits eine erhebliche neuerliche Steigerung der Studentenzahlen zu beobachten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Das Ballett der Professoren!)

11.26

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Van der Bellen hat fair begonnen. Ich möchte das auch in aller Fairneß anerkennen, daß es eine gewisse Berechtigung hat, sich mit dem Thema Krise der Universitäten zu Beginn des Semesters zu befassen. Ich glaube nur, wenn man versucht, das Ganze objektiv anzugehen, so muß man sagen: Von einer Krise der Universitäten zu sprechen, ist zum Teil richtig und zum Teil falsch.

Richtig ist, daß wir derzeit eine große Diskussion haben, die in diese Richtung geht. Also wenn etwa ein Buch mit dem Titel "Ist die Uni noch zu retten?" herauskommt, so muß ich sagen, daß das natürlich ein Indiz für eine Krise der Universitäten ist. Nur möchte ich darauf hinweisen, daß sich dieses Buch mit den Universitäten in Deutschland befaßt.

Es gibt eben eine Diskussion, die in diese Richtung geht, die im Prinzip das gesamte Universitätsleben der Industriestaaten betrifft. Es stellt sich die Frage, wie dieses System unter Strukturwandlungen weitergehen soll. Das ist ein relevantes Thema. Nur möchte ich jetzt in dieser kurzen Zeit nicht darauf eingehen.

Der zweite Aspekt betrifft den konkreten österreichischen Alltag. Da gibt es natürlich eine Fülle von Fragen. Ich glaube aber, es ist notwendig, in dieser Frage doch einen klaren und nüchternen Blick zu behalten.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen hier einfach einen Bericht aus der Praxis der Wirtschaftsuniversität geben, also der Universität, in der ich arbeite. Es handelt sich dabei sicherlich um eine der am meisten belasteten Universitäten Österreichs. Es gibt ja daneben auch durchaus idyllische Hochschulbereiche.

Ich glaube, dieser Bericht aus der Praxis sieht etwas anders aus als jener Bericht, den Frau Kollegin Petrovic gegeben hat, deren Praxisbezug offensichtlich doch inzwischen deutlich nachgelassen hat. Ich möchte hier nicht meine eigenen Beobachtungen wiedergeben, sondern ich stütze mich auf die Zeitschrift der Österreichischen Hochschülerschaft an der Wirtschaftsuniversität, in der in jener Nummer, die zu Semesterbeginn erschienen ist, steht: "Im Gegensatz zu den Prophezeihungen ... läuft alles planmäßig an, keine Spur von einem Zusammenbruch der Lehre".

In einem Leitartikel des Vorsitzenden der Österreichischen Hochschülerschaft, der bekanntlich, wie an der WU nicht anders zu erwarten ist, meiner Partei überhaupt nicht nahesteht, steht folgendes zu lesen: "Über 90 % der Lehrveranstaltungen konnten für das nächste Jahr gesichert werden und fast alle offenen Assistentenstellen werden nachbesetzt. Im Klartext bedeutet dies, daß es keine Kürzung im Bereich der Diplomprüfungstermine geben wird und keine endlosen Wartelisten für die Betreuung von Diplomarbeiten."

In diesem Leitartikel steht weiters – das muß ich der Fairneß wegen dazusagen –: "Wir" – gemeint ist die ÖH – "waren also erfolgreich."

Das möchte ich auch gar nicht bestreiten. Ich möchte aber doch in aller Bescheidenheit anfügen: Diese Erfolge wären wohl nicht möglich gewesen ohne den Einsatz der Minister Scholten und Klima, wobei man vielleicht doch in aller Offenheit sagen muß, gerade Minister Scholten hat sich in der Frage der Verteidigung der Interessen der Universität in einer schwierigen Zeit in aller Zurückhaltung, in aller Stille als ein überaus geschickter, dynamischer und letztlich auch erfolgreicher Verhandler erwiesen. Das sollte hier auch einmal anerkannt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Zitierung dieses Artikels noch weiter fortfahren. Wie gesagt: Es handelt sich um den Leitartikel des Vorsitzenden der ÖH an der WU:

"Dennoch, der Sparkurs der Regierung wird nicht spurlos an uns vorübergehen, denn irgendwo müssen die Millionen auch bei uns aufgebracht werden." – Ich gebe zu, eine solche Aussage findet man wahrscheinlich eher von WU-Studenten als von Studierenden an anderen Hochschulen, die sich dieser Realität noch etwas verweigern.

Weiters heißt es in diesem Artikel:

"Hier bietet sich eine effizientere Nutzung der Verwaltung an, wodurch" – der Autor nennt ganz konkrete Beispiele – "ein Semester Durchschnittsstudienzeit eingespart werden könnte." Dies in Verbindung mit einer Studienreform.

Ich glaube, das sind die Dinge, um die es geht. Es hat überhaupt wenig Sinn, hier jetzt so allgemeine Klagelieder anzustimmen. Was notwendig ist, und zwar sowohl für die Gesetzgebung, für die Verwaltung als auch für die Universitäten selber, ist, konkrete Schritte in Richtung Verbesserung zu setzen. Man sollte nicht immer nur fragen: Was tut quasi der Staat für mich? Was tun die Steuerzahler für mich?, sondern wichtig ist die Fragestellung: Was sind die Möglichkeiten der Universitäten selber? Hier werden konkrete Beispiele genannt.

Für uns Sozialdemokraten ist es dabei von zentraler Bedeutung, zu sagen: Wie sieht das unter dem Aspekt einer sozialen Chancengleichheit aus? Wie können wir diese sichern und wahren? Ich glaube, wenn wir von diesen Prinzipien ausgehen, können wir sagen, daß die Universitäten auch in schwierigen Zeiten ein wirkungsvolles und leistungsfähiges Instrument in Österreich sein werden. (Beifall bei der SPÖ.)

11.32


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40. Sitzung / Seite 17

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Die nächste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Dr. Lukesch vor. – Bitte sehr.

11.32

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte, so wie das Kollege Van der Bellen und Kollege Nowotny vor mir getan haben, zunächst einmal zum Ausdruck bringen: Eine Krise an den österreichischen Universitäten haben wir nicht. Das Wintersemester hat begonnen, die Vorlesungen finden statt – und das eben dank der Mitarbeit, der Liebe und des Engagements der Mitarbeiter, der Professoren und Assistenten an den Universitäten. Ich möchte den Mitgliedern der Universitäten dafür danken. (Abg. Dr. Khol: Und den Funktionären der ÖH! – Beifall bei der ÖVP.)

Ich lokalisiere allerdings eine Krise in der Hochschulpolitik und in der Hochschulkonzeption der Grünen. Diese rufen zwar eine Krise aus, aber sie haben überhaupt keine Antworten darauf, jedenfalls keine Antworten, die funktionieren können. Denn wie reagieren Sie, Frau Petrovic, auf die Tatsache, daß immer noch zu viel Studierende zu lange das Falsche studieren? Wir von der ÖVP wollen eine Studieneingangsphase zur Selbstüberprüfung der Studenten, um diese Desorientierung zu beenden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie reagieren die Grünen auf die Herausforderung eines Budgetkonsolidierungskurses, die ja auch vom Kollegen Van der Bellen durchaus als solche anerkannt wird, die auch die Universitäten effizienter, schlanker und beweglicher machen soll? Wir von der Universität wollen die Spielräume für das Sparen auf den Universitäten nutzen, und zwar durch eine entsprechende Verstärkung der Hochschulautonomie und der Verantwortung der dort Entscheidenden für ihre Entscheidungen.

Wie reagieren Sie, Frau Kollegin Petrovic, auf die Konzentration etwa der Sozialtransfers für die Studierenden auf diejenigen, die effektiv studieren und die das auch sozial notwendig haben? – Eigentlich nur mit dem Konzept, daß alles beim alten bleiben muß, so wie es früher war, wo nur um 2 oder 3 Milliarden Schilling mehr ausgegeben werden müssen. Das ist kein positives Konzept, glauben Sie mir! Das muß irgendwann einmal zu Ende gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine aber auch, daß die Reformarbeit an unseren Universitäten – und da wende ich mich an den Herrn Bundesminister – beschleunigt werden muß. Herr Bundesminister! Wir müssen das Tempo der Strukturänderungen, so wie wir es eigentlich vereinbart haben, beschleunigen. Das betrifft die Umsetzung des Organisationsrechtes, das betrifft das Studienrecht, das betrifft das angemahnte Hochschullehrer-Dienstrecht, das nicht im "Bermudadreieck" zwischen Finanzministerium, Bundeskanzleramt und Wissenschaftsministerium untergehen darf. Das sollte noch im heurigen Jahr in Grundzügen vorgelegt werden. Herr Minister! Da muß intensiv verhandelt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Petrovic! Möglicherweise habe ich Sie falsch verstanden, und der Ausgangspunkt Ihrer Krisenthematik bezieht sich auf die derzeitige Führung der Österreichischen Hochschülerschaft im Zentralausschuß durch Linksmandatare und Mandatare von den Grünen, das könnte ja sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich tatsächlich bestätigt bekomme, daß sich 58 Prozent der Studierenden durch die derzeitige Führungsmannschaft in der ÖH nicht oder schlecht vertreten fühlen, dann, so meine ich, ist das ein ernstes Zeichen, das die Mitbestimmungsstrukturen und das positive Klima zwischen Studierenden, Professoren und Assistenten bedroht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich könnte Ihnen da ein Beispiel bringen, und ich tue es auch, Frau Kollegin. Es haben sich an mich zwei Studentinnen gewandt, Maturantinnen, die sich an die GEIWI-Fachschaft in Innsbruck, die auch unter linksgrüner Führung steht, um Studienberatung hinsichtlich des Faches Religionswissenschaften und Deutsch gewandt haben. Wissen Sie, was ihnen der Vertreter dort gesagt hat? – Er hat ihnen gesagt: Ja, das könnt ihr schon studieren, aber danach könnt ihr nur noch Prostituierte werden.


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40. Sitzung / Seite 18

Ich weise das auf das schärfste zurück! Das ist ein Zeichen der Verluderung unserer Studienrichtungsvertretungen! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluß kommend: Herr Bundesminister! Wir müssen das Reformtempo verschärfen. Und ich glaube, unsere studierende Jugend hat die bessere Ausschöpfung des Begabungspotentials mit langfristigen positiven Wirkungen auch verdient. (Beifall bei der ÖVP.)

11.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.37

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann nur hoffen, daß heute im Plenum des Nationalrates möglichst viele Studenten zuhören, weil sie sich sicher in Erstaunen üben, wenn sie hören müssen, wie der sozialistische Abgeordnete Nowotny dem Herrn Minister angesichts dieses Desasters noch Rosen streut.

Herr Kollege Nowotny! Sie haben sich hier einmal mehr als Beschwichtigungshofrat einer desaströsen sozialistischen Bildungspolitik erwiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, Herr Kollege Nowotny, es ist ja in allem ein Körnchen Wahrheit, und dieses Körnchen Wahrheit haben Sie ja mit Gelassenheit ausgesprochen, als Sie gesagt haben, der Herr Minister hat mit äußerster Subtilität und Zurückhaltung, wie Sie wörtlich gesagt haben, die Verhandlungen geführt. (Abg. Dr. Nowotny: Mit Erfolg!)

Herr Kollege Nowotny! Da kann ich Ihnen nur uneingeschränkt recht geben. Der Herr Minister hat sich so zurückgehalten, daß das größte Belastungspaket über die Studenten hereingebrochen ist, das es jemals in der Zweiten Republik gegeben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie können sich sicher an den Wissenschaftsausschuß erinnern. Wir haben festgestellt, daß es je nach Parteizugehörigkeit verschiedene Definitionen für dieses Paket, das Sie da für die Studenten mitgeschnürt haben, gibt. Einerseits wird von unserer Seite zu Recht vom Belastungspaket gesprochen, Sie sprechen von einem Konsolidierungspaket. Ich möchte Ihnen nicht verschweigen, wovon die Österreichische Hochschülerschaft in Vertretung der Studenten spricht, die Ihnen ja ideologisch zumindest zum Teil, was die Führung anlangt, nicht ganz fernsteht. Sie spricht nämlich von einem "Schröpfpaket".

Herr Kollege Nowotny! Ich hätte mir schon erwartet, daß Sie auch substantielle Ausführungen treffen. (Abg. Dr. Nowotny: Ich habe aus der Praxis berichtet! Die kennen Sie nicht!) Auch von Ihnen, Herr Minister, hätte ich erwartet, daß Sie wirklich dazu Stellung nehmen, wie es passieren konnte, daß über eine Bevölkerungsgruppe wie die Studenten mit derartiger Brutalität drüberrasiert wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Studenten haben bis zu 40 000 S an Einkommenseinbußen, an Einbußen im Lebensstandard, in der Lebenshaltung zu beklagen. (Bundesminister Dr. Scholten: Sie rechnen falsch!) Wenn Sie jetzt sagen, es wird noch mehr, ist das noch bedauerlicher, aber mich wundert jetzt schon gar nichts mehr. Es würde mich auch nicht wundern, wenn die Belastungen noch größer würden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie schweigen sich ja auch darüber aus. Wir werden darauf noch zu sprechen kommen.

40 000 S Einkommenseinbuße für Studenten, die ohnedies teilweise am Rande des Existenzminimums leben müssen! Nämlich 22 500 S weniger für Studenten, die die Mindeststudiendauer um zwei Semester überschreiten, Wegfall des Kinderabsetzbetrages, ein weiterer Verlust von 4 200 S, dann die Notwendigkeit der freiwilligen Selbstversicherung in der ASVG, eine weitere Belastung von 9 000 S für die Studenten, und der Entfall der Freifahrt, weitere 4 000 S weniger.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Nowotny und Herr Minister! Finden Sie doch Worte der Erklärung dazu! Da kann man sich nicht hier herstellen und sagen: Der Herr Minister hat sich aus


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40. Sitzung / Seite 19

nobler Zurückhaltung und aus Verantwortung für das Budget in den Budgetverhandlungen so verhalten – so, daß die Studenten ganz einfach über den Tisch gezogen wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dieser Einbuße von 40 000 S bleibt es ja nicht. Denn das Sparpaket oder Konsolidierungs- oder Belastungspaket – das ist sicher der richtigere Ausdruck dafür; noch besser: Schröpfpaket, wie die Österreichische Hochschülerschaft sagt – trifft ja vor allen Dingen auch diejenigen, die die Studenten auch unterstützt haben, nämlich die Eltern. Dieses Belastungspaket fällt den Eltern voll zur Last.

Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben in einer durchaus emotionellen Wortmeldung Frau Kollegin Petrovic vorgeworfen, daß sie sehr leichtfertig Worte wie "Verantwortungslosigkeit" in den Mund nimmt. Wenn Sie diese Stellungnahme zu einer Äußerung einer oppositionellen Abgeordneten abgeben, würde mich schon interessieren: Was sagen Sie denn zu den verschiedenen Äußerungen Ihrer Parteikollegen? Der Verband Sozialistischer Studentinnen und Studenten Österreichs sagt laut einer APA-Mitteilung vom 10. September 1996 dazu: Sein Job – das ist auf Sie, Herr Minister, gemünzt – scheint es zu sein, Schikanen ins Studium einzubauen. Und wenn Ihnen die Gesinnungskollegen vom VSStÖ zu drastisch in ihrer Ausdrucksweise erscheinen, dann möchte ich Sie auf den Bildungssprecher der SPÖ hinweisen.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte Redezeit beachten!

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): Im "profil" vom 16. September 1996 steht, daß der SPÖ-Bildungssprecher seinen Parteikollegen, Minister Scholten, geißelt. Er sagte: Die Politik des Ministers läuft ja den bildungspolitischen Zielen der Sozialdemokratie zuwider.

Sehr geehrter Herr Minister! Es fehlt ein Forschungs- und Bildungskonzept. Stattdessen wird von Ihnen Management by Chaos betrieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. Er hat das Wort.

11.43

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! (Bundesminister Dr. Scholten spricht mit Abg. Dr. Kostelka. ) Herr Bundesminister! Ich würde ganz gerne die wenigen Minuten mit Ihnen reden können. Es sollte Sie nämlich schon erschrecken, wenn Hochschulpolitik so aussieht, daß man stolz darauf ist – wie Redner der großen Koalition gesagt haben –, daß der Studienbetrieb nicht zusammengebrochen ist, daß man Krisenmanagement betreibt, und daß man schon damit zufrieden ist, daß der Studienbetrieb begonnen hat.

Herr Bundesminister! Ich glaube, daß das zuwenig ist. Im Hinblick auf das, was sich im Sommersemester abgespielt hat, kann man sagen: Es haben die Hochschullehrer protestiert, es haben die Studenten protestiert – aber das ist alles eine nicht gerechtfertigte Aufgeregtheit gewesen. Fest steht jedoch, Herr Bundesminister, daß eine tiefe Kluft besteht zwischen der Rhetorik der großen Koalition und auch mancher Abgeordneter der Regierungsseite, die darauf hinweisen, wie wichtig Forschung und Bildung ist, wie wichtig das für unsere Zukunft ist, auch im Hinblick auf die europäische Entwicklung. Aber Sie begnügen sich damit, Krisenmanagement zu machen, und sind schon zufrieden, wenn der Studienbetrieb nicht zusammengebrochen ist. Da gibt es eine tiefe Kluft zwischen Rhetorik und den tatsächlichen Verhältnissen – und das sollten wir nicht zur Kenntnis nehmen.

Es geht aus unserer Sicht überhaupt nicht darum, daß man – wie üblich – nach mehr Geld schreit, aber, Herr Bundesminister: Bei den Sparprogrammen ist ein affenartiges Tempo festzustellen, während man mit den begleitenden politischen Maßnahmen, die doch nur darauf hinauslaufen können, daß wir mit den sicherlich beschränkten Mitteln eine höhere Effizienz an unseren Universitäten und Bildungseinrichtungen erreichen, hintennach hinkt. Mindestens im gleichen Tempo müssen die politischen Initiativen zu Reformen ergriffen werden. Und das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen müssen – nicht, daß Sie sparen müssen. Das ist eine Situation, die


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40. Sitzung / Seite 20

teilen Sie mit allen Ressorts, die teilen Sie wahrscheinlich mit allen Wissenschaftsministern dieses Kontinents. Wir werfen Ihnen jedoch vor, daß Sie nicht in der Lage sind, die wesentlichen Reformvorhaben mit einem größeren Tempo als mit Schneckentempo zu betreiben. Das ist der zentrale Punkt, und darauf möchte ich noch in diesen wenigen Minuten eingehen; ich möchte Ihnen Beispiele nennen.

Zunächst einmal zum Universitätsorganisationsgesetz. Es wurde 1993 beschlossen, mit einer unglaublich langen Einführungszeit, sodaß man den Eindruck hat, daß manches, was in dieses Universitätsorganisationsgesetz hineingeschrieben wurde, eigentlich jetzt schon, noch bevor es eingeführt wird, überaltert ist. Es ist ein wichtiger politischer Bereich liegen geblieben.

Aber besonders ärgerlich ist der Umgang mit der Studienreform. Ich meine, daß der zentrale Punkt unserer Misere an den Universitäten das völlig unzulängliche Studienrecht betrifft. Sie haben eine Initiative ergriffen. Es gibt einen Entwurf, welcher jetzt bereits ein sattes Jahr alt ist – seitdem steht der Betrieb. (Bundesminister Dr. Scholten : Das ist überhaupt nicht wahr ...!) Herr Bundesminister! Jedenfalls haben Sie es bisher, obwohl das Begutachtungsverfahren 20 Monate zurückliegt, beziehungsweise hat es diese Koalitionsregierung bisher nicht zustande gebracht, dem Parlament eine diesbezügliche Regierungsvorlage zuzuleiten. Das ist der zentrale Punkt. Die Zeit rennt uns davon.

Sie wissen ganz genau, daß die Frage der Studienabbrecher, der Studiendauer die eigentliche hochschulpolitische und in der Folge soziale Misere der Studenten betrifft. Ich fordere Sie deshalb auf, daß Sie mit äußerster Konsequenz – und auch dann, wenn die Dinge vielleicht noch nicht alle perfekt sind – ehebaldigst dem Wissenschaftsausschuß eine Regierungsvorlage vorlegen, wo dann alle Fraktionen dieses Hauses ihre Reformvorstellungen einbringen können, damit wir endlich und möglichst rasch zum Abschluß einer wirklich tiefgreifenden Studienreform kommen.

Dritter Punkt, der mir wichtig ist, Herr Bundesminister: die soziale Situation. Wir und Sie wissen, daß die soziale Situation der Studenten scheibchenweise – und das seit Jahren – sehr stark beeinträchtigt wird. Wir stehen unter Spardruck, das ist die eine Sache, aber die wichtigste Voraussetzung dafür, daß sich auch die soziale Situation der Studenten bessert ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte Redezeit beachten!

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (fortsetzend): Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, daß diese Studienreformen stattfinden. Und das sind Sie dem Parlament, den Universitäten und den Studenten schuldig geblieben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

11.48

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur sehr kurz auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Frischenschlager eingehen. Die lange Einführungsphase des UOG haben Sie beschlossen, wenn Sie dem UOG zugestimmt haben. Das UOG wurde mit einem genauen Zeitplan beschlossen, und diesen halten wir präzise ein. Es gibt nicht einen Monat Verzögerung in diesem Zeitplan. Wenn Sie jetzt sagen, das UOG hat einen Zeitplan, der ein Schneckentempo vorgibt, dann kann ich Sie nur bitten, sich retrospektiv zu überlegen, was Sie vor ein paar Jahren hätten beschließen können.

Das zweite, zum Studienrecht: Wir haben diesen Entwurf in Begutachtung gegeben, und er ist nicht seit 20 Monaten aus der Begutachtung heraußen, vor knapp 20 Monaten habe ich dieses Ressort übernommen. Wir haben diesen begutachteten Entwurf mit einer Reihe von universitären Interessengruppen, Fakultäten, Vertretungs... (Abg. Dr. Frischenschlager spricht mit Abg. Mag. Barmüller. ) – Herr Abgeordneter Frischenschlager! Da Sie mich vorher aufgefordert haben, Ihnen zuzuhören – nur sagt man gleich, das ist Polemik von der Regierungsbank –, dann


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lade ich Sie ein, das gleiche zu tun. (Abg. Dr. Frischenschlager : Gerne! Ich höre! – Abg. Dr. Fuhrmann: Der Frischenschlager ist vielleicht ein bißchen abgelenkt! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Der hat jetzt andere Sorgen!) Dazu müßte ich mir jetzt etwas überlegen, das geht aber zu Lasten meiner Redezeit, daher überlege ich mir nichts dazu.

Zurück zum Studienrecht: Wir haben diesen Entwurf, der in Begutachtung war, in der Zwischenzeit adaptiert, und wir werden ihn dann hier einbringen, und zwar in den nächsten Monaten, wenn er mit den universitätsinternen Vertretungsinstanzen, das heißt den jeweiligen betroffenen Fakultäten, ÖH, Bundeskonferenz, Assistentenvereinigung et cetera, besprochen ist.

Was ich sicher nicht mache, ist, ihn als Regierungsvorlage dem Parlament zuzuleiten, auch wenn er noch nicht perfekt ist, so wie Sie gesagt haben. – Ich möchte Ihnen hier etwas vorlegen, was die maximalen Bemühungen um Konsens ausweisen kann. Das wird nicht 100 Prozent sein, aber das maximale Bemühen, hier eine vereinbarte Lösung vorzulegen.

Und ich bin sehr sicher, daß wir noch in diesem Kalenderjahr diesen Entwurf so weit bekommen, daß wir mit den Universitäten weitestgehenden – weitestgehenden! – Konsens haben. Wenn ich "die Universitäten" sage, meine ich sehr viele oder die meisten derer, die von dem Entwurf betroffen sind. Und das ist – da gebe ich Ihnen schon wieder recht – einer der einschneidendsten Reformschritte, die in den letzten Jahren im Zusammenhang mit den Universitäten geleistet wurden. Also da davon zu sprechen, daß wir Budget verwalten, aber nicht Strukturen verändern, ist unrichtig. Die Evaluierungsverordnung ist abgeschlossen, ist in Begutachtung gewesen, wird so in Kraft treten. Das ist ein großer Schritt, der zu Recht immer wieder in Diskussionen verlangt wurde.

Die finanzielle Autonomie der Universitäten, die schon nach dem neuen UOG agieren können, ist neu geregelt und wird mit diesen gemeinsam noch verfeinert. Das ist ein großer Schritt, der schon seit vielen Jahren gefordert wird.

Noch ein Wort zu den Studierenden, weil Abgeordneter Krüger – aber er ist nicht da – davon gesprochen hat, daß "scheibchenweise" über "viele Jahre" vom sozialen Bereich etwas heruntergenommen wurde. Ich halte diese Maßnahmen, die jetzt getroffen werden, durchaus für belastend, ich habe das auch öffentlich immer wieder erklärt. Ich bin nicht jemand, der sagt, das ist nichts. Aber davon zu reden, daß über "viele Jahre scheibchenweise" immer wieder etwas heruntergenommen wurde, ist einfach unrichtig.

Wir haben ein Studienbeihilfensystem, das nach oben hin angepaßt wurde, und zwar in einer Form, wie das kaum ein anderes europäisches Land nachweisen kann. Das, was geschehen ist – das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen –, sind die Maßnahmen bei den Familienbeihilfen und bei den Freifahrten. Auch da wurden keine radikalen Kürzungen vorgenommen, sondern man hat eine Ausweitung, die vor einigen Jahren vorgenommen wurde, zurückgenommen. Schade drum! Ich bin der letzte, der das begrüßt.

Aber es ist lächerlich, davon zu sprechen, daß "über Jahre scheibchenweise" immer etwas von einem System heruntergenommen wurde, obwohl jedes zweite Jahr das Gegenteil geschehen ist, nämlich ordentliche Scheibchen dazugelegt wurden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger.

11.53

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Auch auf die Gefahr hin, daß Sie im Moment etwas anderes hier in diesem Hohen Haus interessiert, will ich trotzdem zum Thema sprechen. – Zuvor aber noch zu den Ausführungen des Abgeordneten Lukesch.

Herr Abgeordneter Lukesch! Sie haben einen unqualifizierten Einwurf, so würde ich sagen, gemacht, indem Sie gesagt haben: 58 Prozent der Studierenden sind gegen die Österreichische


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Hochschülerschaft. (Abg. Dr. Leiner: Das hat er nicht gesagt! Das ist eine Verdrehung!) Herr Abgeordneter Lukesch! Diese Argumentation läßt sich jederzeit auch gegen die Regierung verwenden, das wissen Sie genausogut wie ich. Und ich habe noch nicht gehört, daß die Regierung zurückgetreten wäre, nur weil die Regierung in Meinungsumfragen über keine Mehrheit mehr verfügt.

Herr Abgeordneter Lukesch! Das, was Sie hier in bezug auf die derzeitige Mehrheit in der Hochschülerschaft postulieren, hat ja zu allen Zeiten gegolten. Das hat auch für die Zeiten gegolten, in denen das Forum oder die Studentenunion die Mehrheit gestellt hat. Nur: Da sind Sie nicht aufgetreten und haben diesen Vorwurf erhoben.

Ich möchte aber trotzdem zum Thema "Krise der Universität" sprechen und die soziale Lage der Studierenden damit in Verbindung bringen, denn natürlich ist die Krise der Universität nur im Zusammenhang mit der sozialen Lage der Studierenden zu sehen.

Herr Minister! Ich erwarte mir von Ihnen, obwohl Sie kompetenzmäßig weitgehend nicht dafür zuständig sind, daß Sie sich etwas mehr für die sozialen Interessen auch der Studierenden einsetzen, als Sie das in den vergangenen Jahren bei den Sparpakten I und II gemacht haben.

Herr Minister! Die soziale Lage der Studierenden ist ja schon ein bißchen erörtert worden, aber ich möchte Ihnen schon sagen, daß das, was Sie mit den Maßnahmen im Strukturanpassungsgesetz, vor allem mit denen im Sparpaket II für die Studierenden an Verschlechterungen gebracht haben, gravierend ist. Das ist so ernst zu nehmen, daß man wirklich mehr darüber diskutieren müßte.

Es gibt nun eine Studiendauerbegrenzung in bezug auf die Familienbeihilfe. Herr Minister, es ist aber von der organisatorischen Seite nichts gemacht worden, was tatsächlich dazu beitragen könnte, die Studiendauer zu reduzieren. Reduziert wurde die Familienbeihilfe, in Abhängigkeit von der Studiendauer. Reduziert wurde die Dauer des Bezugs der Familienbeihilfe. Es ist nichts gemacht worden, was tatsächlich das Studium reduzieren würde, wenn es überhaupt möglich ist, das mit einfachen organisatorischen Maßnahmen zu machen, und wenn man es nicht so machen will, wie Sie das vorgeschlagen haben, nämlich daß man ganz radikal die Studienzeiten generell begrenzt.

Meine Damen und Herren! Ich halte es für wirklich gravierend, daß wir als nächsten Tagesordnungspunkt eine neue Novellierung der Werkvertragsgesetze beschließen, gleichzeitig aber wissen, daß das, was wir mit diesen Werkvertragsgesetzen beschließen, für die Studierenden keine Verbesserung, sondern natürlich eine Verschlechterung mit sich bringt. Die Freibetragsgrenzen beim Bezug der Familienbeihilfe sind nach wie vor 3 600 S. Die Freigrenzen für die Werkverträge werden auf 7 000 S angehoben. Ein Studierender, der zwischen 3 000 und 7 000 S mit einem Werkvertrag verdient, hat keine soziale Sicherung, aber er verliert die Familienbeihilfe. Das ist die Realität, Herr Minister, mit der Sie sich auseinandersetzen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Das durchschnittliche Einkommen von Studierenden – das haben ja Ihre Untersuchungen ergeben – beträgt 6 000 S. Das inakzeptabel, das ist wenig. Und Sie haben in den vergangenen Jahren nichts gemacht, um für die Studierenden zumindest bei den flankierenden Maßnahmen Verbesserungen zu erreichen.

Herr Minister! Die Studentenfreifahrt in Wien ist überall – wie woanders – abgeschafft worden, aber es ist unverzeihlich, daß Sie, Herr Minister, nicht die Stimme erhoben haben für die Studierenden in Wien, die mit einem "Studentenfahrschein" gepflanzt werden. Denn dieser Studentenfahrschein, diese Netzkarte, die Studierende in Wien erwerben können, ist noch teurer als die Netzkarte, die man als normaler Erwachsener erwerben kann.

Von den Studierenden verlangen Sie, verlangen die Koalitionsparteien, daß sie alle Beschränkungen zu akzeptieren haben. Sie selbst schaffen zwar für die Parlamentarier in diesem Haus die Parlamentarierfreifahrt ab, aber genehmigen sich gleichzeitig eine Spesenregelung, die zu einem erhöhten Speseneinkommen für die Abgeordneten führen wird.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte Redezeit beachten!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Bitte genehmigen Sie in diesem Haus in Zukunft nur mehr Gesetze, die Sie vor sich selbst und vor Ihren Kindern und Ihren Verwandten verantworten können! (Beifall bei den Grünen.)

11.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Riedler. Er hat das Wort.

11.58

Abgeordneter Dr. Wolfgang Riedler (SPÖ): Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es ist ganz interessant zu beobachten, wie hier die Abgeordneten Krüger und Frischenschlager wie versprengte apokalyptische Reiter auftreten. Allerdings hat man den Eindruck, ihre Rösser sind schon ein bißchen lahm geworden, denn das, was sie hier erzählt haben, ist das gleiche, was sie schon vor dem Sommer erzählt haben. Es waren Befürchtungen, die damals formuliert wurden, die allerdings, wie sich inzwischen herausgestellt hat, gar nicht eingetreten sind. Es ist alles nicht wahr. Das, meine Damen und Herren, sage ja nicht ich allein, sondern das waren die Aussagen der Rektoren der steirischen Universitäten bei einer Veranstaltung vergangenen Montag, einer Veranstaltung, die vom steirischen Presseklub organisiert wurde.

Ich glaube, es wäre ganz interessant zu hören, was diese zweifellos kritischen Herren zu dem, was nun geschehen ist beziehungsweise geschehen wird, zu sagen haben.

So zum Beispiel hat Rektor Konrad, der sich immer wieder kritisch zu Wort gemeldet hat, gesagt: Ich bin im Prinzip optimistisch. Befürchtungen, daß Medizinstudenten von Wien nach Graz pilgern, sind nicht eingetreten. Wir haben – wie in den vergangenen Jahren – zirka 600 neue Inskripenten. Die Medizinstudenten fühlen sich nach wie vor an der Wiener Universität sehr wohl. Es gibt heuer 170 Auslandsstudenten, die über Erasmus- und SOKRATES-Programme nach Graz gekommen sind – und das sind mehr denn je, denn die ausländischen Studenten wissen, wie gut die Qualität der steirischen Universität, der Grazer Karl-Franzens-Universität ist. Und er sagte abschließend: Die Freude überwiegt.

Rektor Killmann von der Technischen Universität Graz sagte: Wir schaffen die Implementierung des UOG 1993 bis Ende Oktober – ohne Probleme! Einsparungen sind an meiner Universität mittelfristig möglich und notwendig. Es ist gelungen, den Studienbeginn für Studierende problemlos zu gestalten. Der Schritt Richtung Autonomie ist ein guter und richtiger Schritt.

Rektor Paschen, auch jemand, der sich in der Vergangenheit immer wieder kritisch zu Wort gemeldet hat – nämlich vor dem Sommer – von der Montanuni in Leoben – das ist immerhin die dritterfolgreichste Universität in Europa – sagte: Wir könnten mehr Studenten ausbilden als im Moment. Seit 1. Dezember 1995 haben wir das UOG ohne Probleme implementiert und haben damit gute Erfahrungen gemacht.

Direktor Kollerritsch von der Musikhochschule in Graz sagte: Die Sparüberlegungen haben positive Aspekte. Ich habe 33 Prozent ausländische Studenten an meiner Universität, und es funktioniert tadellos.

Ich möchte nicht einen unvollständigen Eindruck hier hinterlassen, was diese Aussagen betrifft, und möchte daher auch auf die Sorgen zu sprechen kommen, die bei dieser Veranstaltung formuliert wurden. Zum Beispiel wurde gesagt, daß zirka 5 Prozent der Planstellen im Moment nicht besetzt seien, daß die Rektoren selbständig nicht-wissenschaftliches Personal umschichten wollen, daß sie über ihr Budget selbständiger verhandeln wollen, daß sie sich mehr Flexibilität bei der Nachbesetzung auch im wissenschaftlichen Bereich wünschen und daß sie rechtzeitige Information über die Anzahl der Lehraufträge für das Sommersemester 1997 fordern; insbesondere für die Gastprofessuren.

Ich glaube, daß das Anliegen sind, die berechtigt sind. Aber dazu sind ja Diskussionen da, daß über einen Meinungsaustausch eine möglichst gute Lösung gefunden werden kann.


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Meine Damen und Herren! Bevor die Pferde der "apokalyptischen Reiter" endgültig verrecken und die Protagonisten, also diese Reiter, ihre Sättel selbst am Rücken tragen müßten, würde ich Ihnen empfehlen, ein bisserl in die Universitäten hineinzuhören und sich mit den Erfahrungen bekanntzumachen, die jene gemacht haben, die mit der Wissenschaftspolitik direkt zu tun haben. Rektor Konrad hat, wie angesprochen, auf einen Buchtitel, der in Deutschland im Moment aktuell ist, nämlich das Buch von Peter Glotz "Sind die Unis im Kern verrottet?", gesagt: In Österreich sind die Unis im Kern gesund. – Ich glaube, das sollte man zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

12.03


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brader. Er hat das Wort.

12.03

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Von meinen Vorrednern wurde viel Kritik gebracht, die in manchen Bereichen überzogen war. Ich möchte aber sagen, daß meine Vorredner im Prinzip in manchen Bereichen recht hatten. Für mich besteht wirklich kein Zweifel daran, daß wir an der Universität einiges zu verändern haben.

Mein Vorredner hat einiges angesprochen, dem kann ich mich nur anschließen. Ich möchte aber eindeutig festhalten, daß mir eine verstärkte Zufuhr an Geldmitteln allein zu wenig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Gegenteil: Ich bin der festen Überzeugung, daß, wenn man bloß die Mittel aufstockt und keine stukturellen Maßnahmen setzt, nichts mehr weitergeht. Tatsache ist, daß – trotz anderer Prognosen – mehr Maturantinnen und Maturanten an die Uni strömen.

Was mich so traurig macht – ich sage das als Lektor – ist, daß so viele unter ihnen sind, die eigentlich nicht wissen, was sie wirklich wollen, beziehungsweise welche Anforderungen an sie gestellt werden. Diese unerfreuliche Tatsache führt daher auch dazu, daß viele sehr rasch wechseln oder abbrechen. Ich glaube, für diesen Zustand kann man aber nicht nur die Universität verantwortlich machen, sondern hier muß man an die Eigenverantwortung appellieren. Es ist primär Aufgabe der Studierenden, sich vorher – lange vorher – Informationen zu beschaffen und zu schauen, ob man diese Anforderungen auch erfüllen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, wir müssen in allen Bereichen – das gilt für das Studium und auch für die Zeit vor dem Studium – die Eigenleistung, die Eigenmotivation verstärkt fördern. Ich denke, daß es nicht angeht, daß man die jungen Studierenden wie Mittelschüler behandelt. Das soll keine Ausrede sein! Wer aber nicht imstande ist, sich eigenständig Informationen über sein Studium zu beschaffen, hat auch nicht die Fähigkeit für eigenständigen Wissenserwerb und damit auch keine Hochschulreife.

Ein weiterer Grund dafür ist die Tatsache, daß viele Studenten den Anforderungen der Universität nicht gewachsen sind; sie steigen aus. Und ich denke, diese Erfahrung sollten sie so früh wie möglich machen, weil sie sich dadurch leere Kilometer und verlorene Semester ersparen.

Neben all diesen universitätsinternen Problemen möchte ich noch den Fachhochschulbereich ansprechen. Ich glaube, daß das eine sehr gute Institution ist. Der rege Zustrom in diese Schulen beweist, daß sie nahe am Leben sind, daß sie das bieten, was die jungen Menschen brauchen. Und ich meine, daß man diese Bereiche verstärkt fördern muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Dazu gehört, daß der Fachhochschulrat raschest wieder eingesetzt wird. Dazu gehört, daß man auch den Fachhochschulplan erweitert, und dazu gehört, daß wir uns auch über neue Studienfinanzierungsmodelle – nicht nur im Bereich der Fachhochschule – unterhalten müßten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. Er hat das Wort.

12.07

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Zuerst möchte ich einmal feststellen, daß es absolut unrichtig ist, von einer "Krise der Universität" zu sprechen – es haben das etliche Vorredner völlig zu Recht betont. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch all jenen Kollegen und Kolleginnen an der Universität danken, die insbesondere im letzten Sommersemester, in einer Zeit, als der sogenannte Streik völlig absurd geworden ist, den Lehrbetrieb aufrechterhalten haben, und auch jenen Studenten und Studentinnen, die in die Vorlesungen gegangen sind und sich nicht von dieser Endphase des "Streiks", der – ich wiederhole es nochmals – völlig absurd war, abhalten ließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So sehr mein Respekt den Universitäten in dieser Beziehung gilt, will ich aber doch nicht verhehlen, daß ich glaube, daß die Unis etwas mehr aus ihren Kapazitäten machen könnten. Ich bin nicht restlos überzeugt davon, daß zum Beispiel – um Details zu erwähnen – der Raum an den Universitäten entsprechend ausgenützt wird, daß die Lehrveranstaltungen, insbesondere die Lehraufträge entsprechend verteilt sind und anderes mehr. Ich glaube, daß die Universitäten aufgefordert sind, noch mehr von ihrer Autonomie, die sie ja jetzt schon haben, Gebrauch zu machen. Ich sage das aber nicht, um den Staat und die zuständigen Ministerien zu entlasten.

Vorher möchte ich aber noch etwas festhalten. Es gibt, so meine ich, eine Reihe völlig falscher Perspektiven. Auch hier nur einige Beispiele: Ich halte es für absolut unrichtig, jedenfalls für partiell unrichtig, ständig von der sozialen Situation der Studierenden zu sprechen. Es ist zumindest auch von der sozialen Situation der Eltern der Studierenden zu sprechen. Man kann doch nicht negieren, daß die Studierenden tatsächlich und aufgrund einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung von den Eltern erhalten werden. Das heißt, soziale Einbußen haben nicht nur die Studierenden, sondern meistens und in überwiegender Zahl auch die Eltern der Studierenden zu erleiden.

In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir noch eine Bemerkung: Ich finde es völlig falsch, vom Studenten oder der Studentin zu sprechen, als handle es sich hiebei um einen Berufsstand, wie etwa den der Arbeiter, der kaufmännischen Angestellten. Student, Studentin sein ist eine Durchgangsphase, ist ein Lernprozeß, der irgendwann einmal abzuschließen ist. Daher ist jedes Argument, das davon ausgeht, wir hätten hier sozusagen einen Bevölkerungsteil, der mit 6 000 S monatlich leben muß, punktuell wahrscheinlich richtig, aber in der Gesamtbetrachtung falsch. Denn es handelt sich beim Studenten um keinen Berufsstand, der mit anderen Berufsständen zu vergleichen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte noch etwas betonen: Ich finde auch die Perspektive falsch, von der "katastrophal niedrigen Quote" an Akademikern zu reden. – Nicht nur, weil der Herr Bundesminister richtiggestellt hat, daß in anderen Staaten etwa das eingerechnet wird, was bei uns die Matura ist, sondern weil sich diese Feststellung mit der anderen Tatsache – die bejammert wird –, es gäbe eine Akademiker-Arbeitslosigkeit, logisch nicht verträgt. Also wenn sich da eine logische Schere auftut, dann müßte man auch einmal überlegen, ob die Logik auf dem einen oder auf dem anderen Teil der Schere liegt.

Richtig ist natürlich, daß es eine steigende Studentenzahl gibt – entschuldigen Sie, diese Banalität zu erwähnen – und daß es natürlich – was damit zusammenhängt – ein verstärktes Interesse an einer Universitätsausbildung gibt. Da stellt sich aber die Frage: Warum ist das so? – Hier möchte ich auf einen Punkt hinweisen, von dem ich glaube, daß er bisher in den Anmerkungen – ich will nicht von Diskussion sprechen – zu kurz gekommen ist. Warum ist es so? – Offenbar ist das Bildungsangebot außerhalb der Universitäten auf dieser Ebene zu gering, und zweitens produziert die Matura Absolventen offenkundig am Markt vorbei, denn wenn es so wäre, daß die Matura noch eine Berufsausbildung per se ist, würden vermutlich weniger Leute an die Universität gehen. Aber die AHS produziert auch an den Universitäten vorbei, nämlich


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insofern, als sehr wenige tatsächlich aufgrund des Reifezeugnisses reif sind für ein universitäres Lernen im Sinne einer Lerntechnik.

Kurzum: Mein Vorwurf oder meine Bitte im Zusammenhang mit diesem Vorwurf geht dahin, sich ernsthaft den Kopf darüber zu zerbrechen, was mit der Matura geschehen soll. Ich sehe da einen ganz wesentlichen Angelpunkt für eine vernünftiger zu betreibende Bildungspolitik. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Er hat das Wort.

12.12

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Reaktion des Herrn Bundesministers Scholten auf die Rede meines Kollegen Dr. Frischenschlager braucht eine Richtigstellung, und zwar insbesondere deshalb, weil nicht unwidersprochen hingenommen werden kann, daß die Liberalen als Opposition in diesem Haus quasi in Geiselhaft genommen werden sollen für jene Fehler, die von den Regierungsparteien gemacht worden sind. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. )

Das Liberale Forum, meine Damen und Herren, hat von Anfang an das UOG als eine halbherzige Reform, Herr Abgeordneter Lukesch, kritisiert, und zwar klipp und klar von diesem Pult aus. Das hat meine Abgeordnetenkollegin Klara Motter gemacht. Ich weiß das noch sehr genau, weil wir uns auch dagegen verwahrt haben, meine Damen und Herren, daß man das, was jetzt wieder diskutiert wird, nämlich daß Institute eine bestimmte Mindestgröße haben sollen, aus dem Entwurf des UOG damals, obwohl es schon drinnenstand, herausgenommen hat. Wir haben das damals von diesem Pult aus kritisiert, wir haben auch kritisiert, daß der Mittelbau nicht an den operativen Organen beteiligt wird, und wir haben expressis verbis, Herr Bundesminister, die zu langen Übergangszeiten des UOG 1993 sehr scharf kritisiert. Und das war mit einer der wesentlichen Gründe, warum wir unsere Zustimmung zu diesem Gesetz nicht gegeben haben.

Es ging aber noch weiter: Wenn Sie im Zuge der Implementierung dieses Gesetzes betrachten, daß beim Sparpaket letztlich etwa auch auf den Universitäten diskutiert worden ist, die Implementierung dieses Gesetzes auszusetzen, weil dafür die Mittel nicht vorhanden sind, weil der Mehraufwand dermaßen groß ist und nicht bewältigt werden kann mit jenen Mitteln, die von seiten der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden, dann werden Sie mir die Richtigkeit dieser Kritik heute nicht absprechen können, Herr Minister.

Meine Damen und Herren! Es ist auch so, daß nicht nur von seiten des Universitätspersonals große Belastungen in diesem Zusammenhang zu tragen sind, die die Implementierung des UOGs gefährden, sondern es ist selbstverständlich auch so, daß man den Studierenden aufgrund des Sparpaketes sehr hohe Lasten auferlegt hat und sie damit in ihrem Fortkommen als Studierende stark behindert.

Wenn Sie sich nur vor Augen führen, daß der Wegfall der Freifahrt für Studierende zur Universität etwa für Wiener Studierende pro Jahr eine Mehrbelastung bis zu 4 000 S ausmachen kann, für Studierende aus dem Nahbereich von Wien sogar bis zu 18 000 S im Jahr, dann ist wohl klar, daß das sowohl für diese Studierenden selbst als auch für deren Eltern und Familien eine besondere Belastung darstellt. Auch die Beschränkung der Studiendauer – besser gesagt: der Bezugsdauer für die Familienbeihilfe –, gekoppelt an die Mindeststudiendauer plus zwei Semester, ist eine Maßnahme, die nicht zielführend ist, denn man muß selbstverständlich auch darüber reden, in welchen Bereichen, in welchen Studienzweigen die Studienpläne völlig überladen sind. Daher ist es einfach nicht möglich, Herr Abgeordneter Lukesch, daß die Leute in dieser Zeit fertig werden. Und das wird auch eine Belastung sein, die diese Leute zu spüren bekommen werden, und das wird etwa über den Daumen gerechnet für einige einen Einkommensverlust in Höhe von bis zu 22 000 S ausmachen.

Es ist völlig klar, Herr Abgeordneter Lukesch: Bei der panikartigen Geldbeschaffung, die letztlich der Grund für dieses Sparpaket war und der auch Sie zugestimmt haben, hat man völlig


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vergessen (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch ) zu evaluieren, hat man vergessen, welche Auswirkungen das auf die Universitäten haben wird. Wir werden heute auch noch über die Werkvertragsregelungen reden, bei denen Sie ebenfalls versäumt haben, über die Auswirkungen nachzudenken. Dazu sind Sie auch aufgestanden, und heute werden Sie wieder aufstehen, und es wird wieder nichts helfen, weil in diesem Gesetz wieder die gleichen Fehler enthalten sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Noch einmal, meine Damen und Herren: Die Liberalen lassen sich nicht in Geiselhaft für jene Fehler nehmen, die von den Regierungsparteien hier im Hause beschlossen wurden, und zwar aufgrund einer Regierungsvorlage, die Sie von diesem Herrn Minister vorgelegt bekommen haben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich danke Herrn Bundesminister Dr. Scholten, der dann für den heutigen Tag von einem anderen Kollegen der Bundesregierung vertreten werden wird.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1281/J bis 1283/J.

2. Regierungsvorlagen:

Wasserrechtsgesetz-Novelle 1996 – WRG-Nov. 1996 (321 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden (323 der Beilagen),

Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 (324 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Wirtschaftsausschuß:

Wiener Übereinkommen über die Errichtung einer internationalen Klassifikation der Bildbestandteile von Marken samt Anlage (319 der Beilagen);

b) zur Enderledigung (im Sinne des § 28b GOG):

Gleichbehandlungsausschuß:

Erster Bericht der Bundesregierung über den Stand der Verwirklichung der Gleichbehandlung und Frauenbeförderung im Bundesdienst (Gleichbehandlungsbericht) (III-52 der Beilagen);

Industrieausschuß:

Technologiepolitisches Konzept 1996 der Bundesregierung, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst und vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-54 der Beilagen);


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Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst über den Hochschulbericht 1996 (Band 1 und 2) (III-53 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß die Abgeordneten Dr. Frischenschlager und Genossen das Verlangen gestellt haben, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1284/J der Abgeordneten Dr. Frischenschlager und Genossen an den Herrn Bundesminister für Finanzen betreffend eine beschäftigungs- und umweltpolitisch wirksame Steuerreform dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung hat die dringliche Behandlung frühestens drei Stunden nach Eingang in die Tagesordnung stattzufinden. Da wir in einigen Minuten in die Tagesordnung eingehen werden, setze ich den Beginn der Verhandlung der Dringlichen Anfrage für 15.30 Uhr fest.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, daß die Abgeordneten Wabl und Genossen beantragt haben, dem Bautenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 137/A (E) betreffend Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146, sogenannte Ennsnahe Trasse, eine Frist bis 1. November zu setzen.

In diesem Zusammenhang liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, über diesen Fristsetzungsantrag eine kurze Debatte durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung bereits die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage vorgesehen ist, wird die kurze Debatte im Anschluß an diese Dringliche Anfrage stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird sodann nach Schluß dieser Debatte stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 5 bis 7 sowie 8 und 9 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten zur gesamten Tagesordnung erzielt.

Demgemäß wurde für alle Tagesordnungspunkte eine Blockredezeit von insgesamt acht "Wiener Stunden" vereinbart. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten.

Über diesen Vorschlag ist Konsens erzielt worden. Gibt es im Plenum dagegen Einwendungen? – Dazu gibt es keine Einwendungen. Daher ist das einhellig so beschlossen. Zur Geschäftsbehandlung hat sich Kollege Wabl gemeldet. – Bitte sehr.


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40. Sitzung / Seite 29

12.19

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Zu meiner Verwunderung habe ich festgestellt, daß ein Abgeordneter des Liberalen Forums bei den Freiheitlichen Platz genommen hat, im Klub der Freiheitlichen. § 7 unserer Geschäftsordnung lautet:

"Abgeordnete derselben wahlwerbenden Partei haben das Recht, sich in einem Klub zusammenzuschließen. ... Abgeordnete, die nicht derselben wahlwerbenden Partei angehören, können sich in einem Klub nur mit Zustimmung des Nationalrates zusammenschließen."

Wie kann ich den Platzwechsel des Herrn Abgeordneten Firlinger auffassen?

12.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich kann zu dieser Frage nur folgendes feststellen: Ich habe ein Schreiben über den Austritt des Abgeordneten Firlinger aus dem Liberalen Forum und seinen Wunsch, der freiheitlichen Fraktion beizutreten, bekommen. Gleichzeitig wurde der Wunsch geäußert, ihm einen Sitzplatz in diesem Sektor zuzuweisen. Dieses Schreiben habe ich hier während meiner Vorsitzführung erhalten. Ich habe es der Parlamentsdirektion mit der Bitte übergeben, es allen Mitgliedern der Präsidialkonferenz zur Information zuzuweisen – ich nehme an, das ist entweder schon geschehen oder wird in den nächsten Minuten geschehen – und in der Zwischenzeit, während ich hier Vorsitz führe, auch zu prüfen, ob und welche Veranlassungen aus diesem Sachverhalt zu ziehen sind.

Entscheidungen habe ich noch keine getroffen. Ich bin nicht in der Lage, Vorsitz zu führen und andere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Ich habe daher auch noch keinen Sitzplatz zugewiesen. Ich habe auch bis zur Sekunde gar nicht bemerkt, daß Kollege Öllinger – pardon: Firlinger – dort Platz genommen hat. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich habe es noch gar nicht bemerkt, daß Kollege Firlinger dort Platz genommen hat. Es handelt sich, Herr Abgeordneter Firlinger, nicht um einen Ihnen zugewiesenen Platz. – Ich überprüfe nicht ununterbrochen, ob die Abgeordneten auf jenen Plätzen sitzen, die ihnen zugewiesen wurden.

Ich stelle fest: Es ist Abgeordneten Firlinger bis zur Stunde kein neuer Sitzplatz zugewiesen worden. (Abg. Dr. Kohl: Zur Geschäftsbehandlung!) – Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. – Bitte, Kollege Dr. Khol.

12.22

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich rege an, daß wir nach Schluß der heutigen Haussitzung eine Präsidialkonferenz abhalten, um diese Frage zu besprechen.

12.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Auch das ist schon in die Wege geleitet. Es wird nach Schluß der heutigen Sitzung eine Präsidialkonferenz stattfinden, aber man muß über die Termine der Präsidialkonferenz nicht mündliche Annuntiationen treffen. Sie wird stattfinden.

Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung liegen nicht vor.

Ich erkläre nochmals, daß im Sitzplan, wie er verlautbart ist, bis zur Stunde keine Veränderungen vorgenommen wurden.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 289/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Bundesgesetz über die


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Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages, BGBl. Nr. 13/1952, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 376/1986, geändert werden (325 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 284/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht von Werk- und sogenannten freien Dienstverträgen (326 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 287/A der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (327 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 292/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Aussetzung der bestehenden Werkvertragsregelung und Frist für arbeits- und sozialrechtliche Regelung prekärer Arbeitsverhältnisse (328 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zu den Punkten 1 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. Es sind dies: Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Anträge 

289/A der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze, geändert werden (325 der Beilagen),

284/A der Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen betreffend die Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht von Werk- und sogenannten freien Dienstverträgen (326 der Beilagen),

287/A der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (327 der Beilagen) sowie

292/A (E) der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Aussetzung der bestehenden Werkvertragsregelung und Frist für arbeits- und sozialrechtliche Regelung prekärer Arbeitsverhältnisse (328 der Beilagen).

Ein Wunsch für eine mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor, daher entfällt diese.

Die Redezeiten sind bekannt.

Als erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Böhacker. Redezeit maximal 20 Minuten, freiwillige Redezeit: 9 Minuten. – Wollen Sie die freiwillige Redezeit eingestellt haben? – Danke.

12.24

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr "Werkvertragsminister" Hums! Hohes Haus! (Abg. Koppler: Das war gut!) Der in Behandlung stehende Antrag der Abgeordneten Reitsamer, Feurstein ist der ebenso verzweifelte wie untaugliche Versuch, durch ein Reparaturgesetz zum Reparaturgesetz das Werkvertragsgesetz zu sanieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Das ist ein Vorhaben, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.


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Herr "Werkvertragsminister"! Eher geht ein Kamel durch das berühmte Nadelöhr, als daß diese Werkvertragsbestimmungen saniert werden können!

Nur eines, Herr Minister: Die dilettantische Vorgangsweise der Regierungsparteien ist wirklich unzumutbar. Es herrscht in Österreich eine Rechtsunsicherheit, die nicht mehr zu überbieten ist. Herr Bundesminister! Wer übernimmt die Kosten, die Kosten für volkswirtschaftliche Schäden, die Sie mit diesen Bestimmungen hervorgerufen haben? Wer zahlt die Schulung, die Ausbildung von Zehntausenden Mitarbeitern in den Betrieben? Wer zahlt die EDV-Umstellungen, die mehrfach erfolgt sein mußten, weil immer wieder geändert wurde? Wer zahlt die anzuschaffende Fachliteratur?

Sie, Herr Minister, ziehen sich zurück und betonieren. Sie als geistiger Ziehvater dieser Werkvertragsregelung betonieren ab wie weiland Hesoun in Hainburg. Und Sie, Herr Minister, werden die Zeche dafür noch zu bezahlen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wer, Herr Minister, hat eigentlich bisher an dieser Regelung verdient? – Im Regelfall hohe und höchste Ministerialbeamte, die durch die Lande gezogen sind und Regelungen erklärt und gelehrt haben, die noch gar nicht in Kraft getreten sind und die ständig geändert wurden.

Herr Bundesminister! Dadurch ist ein volkswirtschaftlicher Schaden in Millionenhöhe entstanden, und Sie tragen die Mitverantwortung dafür! Aber natürlich werden Sie wieder sagen: Wir brauchen das zum Schutz der Solidargemeinschaft, zur Sicherung des sozialen Netzes. – Herr Bundesminister! Diese Aussage ist eine nicht zu überbietende Art von Heuchelei!

Es war nämlich der Ausgangspunkt ein ganz anderer: Es waren finanzielle Mittel, die Sie für das Budget lukrieren wollten. Ich habe einen unverdächtigen Zeugen, nämlich Herrn Abgeordneten Stummvoll, der erklärt hat, und zwar am Donnerstag, dem 8. August 1996, im "WirtschaftsBlatt": Die politische Vorgabe war, darüber nachzudenken, wie aus Werkverträgen Mittel für das Budget lukriert werden können.

Das war der wahre Grund! Nicht die Solidargemeinschaft, nicht der Schutz der Schwachen! Wie könnten Sie sonst einer Ausnahmeregelung zustimmen, die tatsächlich sozial Schwache, die Kolporteure aus der Versicherungspflicht ausnimmt, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie reden nicht den sozial Schwachen das Wort. Diese Werkvertragsregelung ist absolut frauenfeindlich, weil sie immer mehr Frauen, die ein wenig dazuverdient haben, in die Abhängigkeit treibt. Herr Bundesminister! So kann es doch wirklich nicht gehen! Außerdem schaffen Sie die Möglichkeit, daß Unternehmer von einem echten Dienstvertrag in einen sogenannten freien Dienstvertrag ausweichen – mit dem Ergebnis, daß jene sogenannten freien Dienstnehmer keinen Mindestlohn haben, kein Arbeitslosengeld bekommen, kein Urlaubsgeld, keinen bezahlten Urlaub, keinen Schutz vor willkürlicher Kündigung haben. – Und das wollen Sie, Herr Bundesminister, als Sozialdemokrat vertreten? – Da verstehe ich Ihre Welt, Herr Bundesminister, nicht mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wiewenig Sie diese ganze Materie im Griff haben, zeigt eine Aussage der Kollegin Reitsamer vom 3. Juni 1996, die via APA erklärte: Sozialpartner und Wirtschaftstreuhänder – die Verhandlungen sind bereits so weit gediehen, daß die Vollziehung der Regelung mit 1. Juli 1996 gesichert sei. – Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Sozialsprecherin der Sozialdemokraten erklärt: Die Vollziehung dieser Regelung ist mit 1. Juli 1996 gesichert. – Heute, drei Monate später, verhandeln wir über ein Reparaturgesetz zum Reparaturgesetz.

Frau Reitsamer! Haben Sie wirklich keine Ahnung von der Materie? – Wenn doch, dann würde ich Sie bitten: Lesen Sie sich die freiheitlichen Anträge durch, und stimmen Sie mit uns für eine ersatzlose Aufhebung all dieser unsinnigen Bestimmungen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber auch die Österreichische Volkspartei, die sich anscheinend nicht aus der Geiselhaft der Sozialdemokraten loslösen kann, spielt hier ein trauriges doppelbödiges Spiel. Am 10. Juli 1996 hieß es laut Vizekanzler Schüssel:


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Sozialversicherungspflicht für Werkverträge falsch, wird nicht Bestand haben. Die Regelung sei praxisfremd und nur kurzfristig ein Geschäft, so Vizekanzler Schüssel.

Der Wiener VP-Parteiobmann Görg forderte – im Lichte des Wiener Wahlkampfes – die sofortige Aussetzung dieser Werkvertragsregelung, geht um Unterschriften hausieren, um sie dann wahrscheinlich beim "Salzamt" abzugeben, weil er bei seiner eigenen Partei wieder nur auf Ablehnung stoßen wird. Die Wiener Volkspartei fordert daher, daß die Neuregelung sofort außer Kraft gesetzt wird; so Görg.

Aber es geht noch viel weiter. Leider ist Kollege Stummvoll nicht hier. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen sowie bei der ÖVP.)

Frontalangriff der Wirtschaftskammer Österreich gegen Werkverträge. – Wo ist der Frontalangriff? – Ich glaube, der Schuß ging ins eigene Knie. Was sagt denn Herr Stummvoll? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dieser Papierkrieg sei zu groß, die Zustimmung zu den Werkverträgen müsse wieder zurückgenommen werden.

Schlußendlich hat Frau Abgeordnete Cordula Frieser gemeint, jeder sei ein politischer Trottel, der auf Werkvertragsregeln beharrt. – Ich werde mir die Abstimmung heute hier genau anschauen, wer den freiheitlichen Antrag auf Abschaffung der Werkvertragsregelung ablehnen wird. Denn diese Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus können frei nach Cordula Frieser als "politische Trotteln" bezeichnet werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was man in einem Pressedienst sagen kann, kann man nicht im Hohen Haus sagen. Darauf möchte ich aufmerksam machen. (Abg. Böhacker: Ich habe nur zitiert!) – Ja, ja.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

12.33

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben es tatsächlich mit einer unendlichen Geschichte um die Werkverträge zu tun, aber es wird immer so dargestellt, als wären die Regierungsparteien bösartig, als ginge es ihnen dabei nur um eine Geldbeschaffungsaktion. (Abg. Meisinger: Na was denn? Das ist ja nichts anderes!) – Das ist Ihre Meinung, und ich darf hier meine Meinung kundtun, wenn es recht ist, Herr Kollege Meisinger!

Uns geht es um die Unterbindung von Umgehungsmöglichkeiten. (Ruf bei den Freiheitlichen: Ha ha ha!) Wenn wir das sagen, kommt immer wieder der Vorwurf der Geldbeschaffungsaktion. Warum war denn diese Werkvertragsregelung überhaupt notwendig? (Abg. Meisinger: Die Sozialisten können nicht wirtschaften!) – Es gab immer mehr die Intention, die Sozialversicherung, die Solidargemeinschaft der Versicherten zu unterlaufen. Immer mehr Fluchtmöglichkeiten aus dem Arbeitsrecht wurden gesucht. Aus dem Antrag der Freiheitlichen darf ich mir auch einen Punkt auf der Zunge zergehen lassen. Sie schreiben nämlich: "soziale Verschlechterung für die Dienstnehmer durch das Ausweichen der Unternehmen auf die für sie billigeren neuen Vertragstypen mit weniger sozialer Sicherheit". – Es ist schon richtig, daß es bei diesen Verträgen weniger soziale Sicherheit gibt, aber bisher waren sie überhaupt von der Versicherung ausgeschlossen. Daher kann ich Ihre Argumentation nicht verstehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Was Ihnen weiters noch große Sorge macht, ist, daß bei Werkverträgen gleichzeitig die Mitversicherung sozusagen durch die Hintertür abgeschafft würde. Ich darf Ihnen eines sagen: Jeder Arbeitnehmer, der einen Betrag über der Geringfügigkeitsgrenze verdient, zahlt ab sofort seine Beiträge. Sobald er ein Arbeitsverhältnis aufnimmt, zahlt er Beiträge – egal, ob er einen berufstätigen Ehepartner hat oder nicht. Warum sollte man das bei den Werkverträgen anders sehen? – Das verstehe ich wirklich nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Es gab unterschiedliche Motive für die Fluchtversuche in die prekären Arbeitsverhältnisse, aber in erster Linie waren sie finanzieller Natur. Man hat sich aber in der Diskussion meiner Meinung


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nach viel zu wenig mit dem Wegfall des Sozialversicherungsschutzes für diese Gruppe, die ohnehin ein sehr geringes Einkommen hat, auseinandergesetzt. Das war kein Thema, als man die Werkvertragsregelung kritisiert hat.

Arbeitsverhältnisse, meine Damen und Herren, sind in letzter Zeit sehr viel anders geworden, sie haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Ich führe nur ein Beispiel, nämlich die Telearbeit, hier ins Treffen, und damit gab es immer mehr Umgehungsmöglichkeiten. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Herr Kollege Böhacker! Hören Sie kurz einmal zu und keppeln Sie nicht immer drein! Ich habe Ihnen nämlich auch zugehört, aber Sie verlegen sich offensichtlich aufs Keppeln. Wenn es Spaß macht, bitte sehr – mich stört‘s nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Sinnvoll wäre es, endlich einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff durchzusetzen, aber das geht nicht von heute auf morgen (Beifall bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum) , einen Arbeitnehmerbegriff und eine Sozialversicherungspflicht ab der Geringfügigkeitsgrenze bis zur Höchstbeitragsgrundlage. Das ist die Zielsetzung, der wir uns hier verschrieben haben. Diese Adaptierung des Arbeitnehmerbegriffes, meine Damen und Herren, würde sukzessive auch die Abschaffung von Ausnahmen im ASVG zur Folge haben, und das muß eine weitere Zielsetzung sein. Ich freue mich deshalb, daß Kollegin Hostasch heute noch einen Entschließungsantrag einbringen wird, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt.

Meine Damen und Herren! Die Werkvertragsregelung war – zugegebenermaßen – schwierig, und zwar wegen der Abgrenzung: Dienstverhältnisse, freie Dienstverhältnisse, dienstnehmerähnliche Werkverträge und echte Werkverträge. Bei den Verhandlungen um die Korrekturen hat man sich auch mit einzelnen Wissenschaftern auseinandergesetzt. Man hat sie beigezogen. Professor Tomandl hat zum Beispiel einen Vorschlag eingebracht, der letztendlich keine Mehrheit gefunden hat, der auch die echten Werkverträge in diese Regelung miteinbezogen hätte. Dann wäre die Abgrenzung sicher nicht so schwierig gewesen.

Was herausgekommen ist, ist ein Kompromiß. Die Anmeldung auf Verdacht wird beispielsweise entfallen, es gibt Änderungen bei der Pauschalgrenze, und es wird auch zur Rückzahlung zuviel bezahlter Sozialversicherungsbeiträge kommen. Bisher war das nur bei Dienstnehmern und bei Pensionsversicherungsbeiträgen der Fall. Sie konnten über Antrag zurückverlangt werden oder führten zu einer Höherversicherung. Bei den Krankenversicherungsbeiträgen geht das jetzt für Arbeitnehmer auch. Es gab dann eine Forderung der ÖVP, auch Arbeitgeberbeiträge zurückzuzahlen. (Abg. Öllinger: Das stimmt nicht!) – Herr Kollege Öllinger! Ich berichte jetzt von Verhandlungen, bei denen Sie nicht dabei waren, also sagen Sie bitte nicht: Das stimmt nicht. – Da haben wir jetzt Verständigungsschwierigkeiten.

Die ÖVP wollte auch die Arbeitgeberbeiträge zurückhaben. Für mich war es unverständlich. Das ist ein legitimes Anliegen, aber ich denke mir, es wird doch niemand so ungeschickt sein und ein und denselben Arbeitnehmer zweimal um 25 000 S anmelden und zweimal für 25 000 S Beiträge bezahlen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Dann meldet man ihn gleich um 50 000 S an und zahlt von den 39 000 S, die derzeit die Höchstbeitragsgrundlage sind. Oder wenn es mehrere Arbeitgeber gibt und sich für den Arbeitnehmer ein Einkommensbetrag über der Höchstbeitragsgrundlage ergibt, dann stellt sich die Frage, welcher Arbeitgeber dann zurückfordern kann. Das war eine sehr lange Streitfrage. Herausgekommen ist: Sollte es tatsächlich zu zuviel einbezahlten Arbeitgeberbeiträgen kommen, dann fließen diese in einen Fonds für Lehrlinge. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Das haben Sie überhaupt nicht verstanden, aber das ist Ihr Problem. (Zwischenruf des Abg. Koppler und Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Das habe ich nicht gesagt, aber das hat er nicht verstanden. Sie brauchen ihn nicht zu verteidigen. Er hat selbst einen Mund, Herr Kollege! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist aus diesem Titel erst im kommenden Jahr mit zirka 40 Millionen Schilling zu rechnen. Daran sieht man, daß ich mit meiner Argumentation bei den Beratungen recht gehabt habe.


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Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß wir heute noch etwas miterledigen können, was mir sehr am Herzen liegt. Im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes wurde das Pensionsalter wegen geminderter Erwerbsfähigkeit für Männer von 55 auf 57 Jahre hinaufgesetzt. Davon betroffen sind auch jene zirka 1 000 Langzeitarbeitslose – seinerzeit Arbeitnehmer der stahlerzeugenden Betriebe in der Steiermark – der Krisenregionsregelung aus dem Jahre 1993. Die Menschen haben auf diese Vereinbarung vertraut! (Abg. Meisinger: Viele Menschen haben auf die sozialistische Regierung vertraut und sind enttäuscht worden!) Na, wenn sie Ihnen vertrauen, da werden sie erst blaue Wunder erleben, Herr Kollege Meisinger! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir versuchen auf jeden Fall das Bestmögliche für die Menschen, auch wenn wir mit schwierigen Rahmenbedingungen konfrontiert sind. Was Ihre populistische Politik aussagt, das möchte ich hier nicht näher kommentieren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Diese Menschen haben also im Vertrauen auf die seinerzeitige Vereinbarung ihren Arbeitsplatz zugunsten jüngerer Kollegen geräumt. (Abg. Meisinger: Ein Faß ohne Boden!) Jetzt läge zwischen dem Arbeitslosengeldbezug und dem faktischen Pensionsantritt ein Notstandshilfebezug und ein deutlich geringeres Einkommen. Und ich meine, das könnten wir reparieren, wenn wir sagen: Wer vor dem 1. Jänner 1996 Arbeitslosengeld bezogen hat, sollte nach der alten Regelung in Pension gehen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sprechen noch mit unserem Koalitionspartner darüber. Es wird vielleicht über ein Junktim verhandelt werden können, aber ich bin zuversichtlich, das möglicherweise heute und hier unter einem regeln zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

12.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort.

12.42

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man fragt sich als oppositioneller Abgeordneter, ob es sehr zielführend ist, in dieser Angelegenheit hier von diesem Pult aus das Wort zu ergreifen, wenn man, ohne ein Hellseher zu sein, vorhersehen kann, daß das Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Regierungsfraktionen relativ feststeht. Ich sage "relativ", weil was ist schon hundertprozentig?

Seit diese Sache zur "Chefsache" erklärt wurde, müssen wir erleben, daß die Diskussionen einen ganz eigenartigen Charakter angenommen haben, nämlich den Charakter des Redebeitrags der Kollegin Reitsamer, den sie jetzt eben vorgebracht hat. Es wurde zum Beispiel im Ausschuß nicht mehr wirklich diskutiert, aber heute berichtet sie hier von Verhandlungen. – Von welchen Verhandlungen? Von den Verhandlungen der Chefs, weil es "Chefsache" ist, oder von den Verhandlungen der Stäbe der Chefs, weil die Chefs ihre Stäbe verhandeln lassen? Von welchen Verhandlungen spricht sie?

Ich war bisher der naiven Meinung, daß wenigstens in den Ausschüssen solche Verhandlungen stattfinden, daß wenigstens in den Ausschüssen Positionierungen erfolgen, die eine deutlichere Sprache sprechen als die bloßen Papiere, die uns vorgelegt werden. Ich nehme das schon zur Kenntnis, Frau Kollegin Reitsamer, aber gleichzeitig leite ich einen gewissen Optimismus ab aus dieser Feststellung, die Sie getroffen haben. Obwohl das "Chefsache" ist und obwohl wir heute hier angetreten sind, um das zweite Mal eine "endgültige" Reparatur zu beschließen, wage ich eine weitere Prognose – so wie über das Abstimmungsverhalten der Regierungsparteien –: Es wird zu einer nächsten "endgültigen" Reparatur kommen, ganz sicher. Hoffentlich ist es dann wirklich eine endgültige Reparatur, denn das, was Sie jetzt hier zur Beschlußfassung vorlegen, ist eine Verschlechterung dessen, was es vorher war.

Die Regelung war ja vorher schon schlecht genug: Sie war gleichheitswidrig, sie hat enteignenden Charakter angenommen, sie war kaum administrierbar, sie war vielleicht ein Pseudoarbeitsbeschaffungsprogramm für die Bürokratie – aber sie war keine Lösung des Problems, nämlich des Problems, wie die Solidargemeinschaft wieder auf eine gemeinsame Pflichtversi


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cherungsbasis gestellt werden kann, die eben Versicherungspflicht heißt und nicht Pflichtversicherung. Das wurde hier vom Rednerpult aus schon gesagt.

Ich wundere mich, daß es zwar hier vom Pult aus gesagt wird, aber in den Arbeitsgesprächen, nämlich in den Arbeitsgesprächen des Parlaments, keinen wirklichen Platz hat. Das ist eine Entfunktionalisierung der Ausschußarbeit, und das aus dem Munde der Vorsitzenden des Sozialausschusses zu hören, ist natürlich besonders schmerzlich.

Begründung für die These, daß es noch schlechter geworden ist, als es war: Wir hatten schon in der bisherigen Regelung mehrere Gleichheitswidrigkeiten entdeckt, aber nunmehr haben wir eine weitere Gleichheitswidrigkeit beigefügt. Es gibt jetzt also zwei Typen von Gleichheitswidrigkeiten: einerseits die Gleichheitswidrigkeit wie beim Schneider, der zwei Hosen macht und zwei Sakkos, und dem Schneider, der zwei Anzüge macht – Sie erinnern sich an das sehr einprägsame Beispiel von Herrn Professor Doralt –: Er ist einmal selbständig, einmal dienstnehmerähnlich. Das ist aber natürlich gleichheitswidrig, weil einem schon der Hausverstand sagt: Es ist exakt dasselbe, was er macht, und das kann ja nicht einmal so und einmal so behandelt werden. – Das ist die Gleichheitswidrigkeit aufgrund mangelnder Rechtskenntnisse der Verfasser des Textes – Typus A.

Typus B ist die absichtliche Gleichheitswidrigkeit: zwei Geringfügigkeitsgrenzen für denselben Beschäftigungstyp. Jener Beschäftigungstyp, der zufällig unglückseligerweise in das Vertragsverhältnis des Dienstvertrages gekleidet wurde, hat die Geringfügigkeitsgrenze 3 600 S; der Dienstnehmerähnliche, der unglückseligerweise einen Werkvertrag hat – oder glücklicherweise, das können Sie sich dann aussuchen –, hat die Geringfügigkeitsgrenze 7 000 S. Das ist eine absichtliche Gleichheitswidrigkeit, und sie ist natürlich noch viel schlimmer als jene aufgrund von Unkenntnis.

Wenn jemand die Rechtsordnung nicht im Griff hat und einen legistischen Fehler macht, dann ist das schlecht genug, und das sollte zumindest hier in diesem Hohen Haus bemerkt und repariert werden – wird aber nicht stattfinden, weil das Abstimmungsverhalten feststeht –, aber die absichtliche Gleichheitswidrigkeit ist ein schwerer Fehler, nämlich ein politischer Fehler ganz anderer Dimension. Da wird den Leuten mitgeteilt, es gibt zwei Klassen mit zwei verschiedenen Geringfügigkeitsgrenzen – und das ist geradezu unerträglich.

Wenn dann als Begründung gesagt wird, es sei ein Kompromiß gewesen, dann frage ich mich: Was für ein Kompromiß? Ein Kompromiß in der Sache – oder ein Kompromiß ausschließlich zur Aufrechterhaltung der Koalition? – Ich sage Ihnen: Es war ein Kompromiß ausschließlich zum zweiten Zweck. Und ich finde das ganz, ganz schlecht, weil Kompromisse, die nur mehr diesen Zweck haben, Kompromisse aus Selbstzweck also, sind genau das, was die Menschen verdrießlich macht, was sie abspenstig macht, was das Vertrauen in die Politik erschüttert. Es sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock, welche Art von Kompromiß das ist! Und da mögen die 7 000 S eine für sich genommen vernünftige Geringfügigkeitsgrenze sein – aber dann bitte für alle.

Ich glaube, daß die ÖVP versucht hat, zur Wahrung eines Gesichtsviertels einen inhaltlichen Scheinkompromiß zustande zu bringen. In Wirklichkeit war es aber ein rein pragmatischer Kompromiß zur Aufrechterhaltung der Koalition.

Da nimmt es einen schon gar nicht mehr wunder, daß auch der Rechtsstaat keine besonders prominente Rolle spielt bei diesen Überlegungen. Nach derzeit geltender Rechtslage ist der 1. Oktober Termin zur Abgabe von Meldungen. Ich glaube, darüber besteht Konsens, das läßt sich im Bundesgesetzblatt nachlesen – im selben Bundesgesetzblatt, auf das wir die Bürger verweisen, wenn sie uns fragen: Wo steht denn, was rechtens ist? – Heute debattieren wir eine Änderung – und sie wird wohl beschlossen werden – des Termins auf 1. November. Der Bundesrat wird sich auch noch damit befassen müssen, dann wird es im Bundesgesetzblatt stehen, und erst ab diesem Zeitpunkt wird der Termin 1. November gelten. Das läßt sich vorhersagen, aber das ist keine Technik der Rechtsauslegung! Die Vorhersage auf wahrscheinliche Beschlüsse ist keine Technik der Rechtsauslegung.


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Ich muß daher sagen: Sie machen hier absichtlich etwas, was den Rechtsstaat aushöhlt. Sie rufen den Bürgern vom Rednerpult aus und über die Medien zu: Es steht zwar der 1. Oktober im Gesetz, aber ihr braucht euch nicht daran zu halten, denn wir werden demnächst den 1. November beschließen. Also überlegen Sie sich einmal, was das für die Rechtssicherheit heißt, wenn in einer Republik wie unserer als Stilelement einreißt, daß die Rechtsordnung durch Zuruf über Medien vorübergehend sistiert wird. (Beifall beim Liberalen Forum).

Weitere Verfassungswidrigkeit: enteignender Charakter des Gesetzes. Wir haben bisher nur eine Form gehabt, jetzt haben wir zwei Formen. Bisher wurde über die Bemessungsgrundlage hinausgehend nicht refundiert. Das haben wir jetzt ein bißchen umgebaut, jetzt haben wir zwei Typen. Wir haben den Typus: über der Bemessungsgrundlage, und es wird nicht refundiert, wenn die dienstgeberähnlichen Beiträge über die Bemessungsgrundlage laufen. Sie werden weiterhin enteignet. Denn eigentlich müßten sie zurückgezahlt werden, das weiß jeder. Sie werden jetzt den Lehrlingen gewidmet, das heißt, einer positiven Verwendung zugeführt, und daher heißt es, die Enteignung sei nicht gar so schlimm.

Ich sage Ihnen: Unrecht Gut gedeiht nicht. Enteignetes Geld wird nicht dadurch besseres Geld, daß Sie es einem guten Zweck zuführen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Enteignender Charakter Typus 2: über der Bemessungsgrundlage bei der vorläufigen Bemessung. Da haben Sie sich etwas einfallen lassen, das ist großartig. Der Werkvertragnehmer hat ein unregelmäßiges Einkommen, das haben Sie auch schon bemerkt. Das heißt, wenn man ihn vereinfacht administrieren will, verlangt man ihm ab, daß er einen monatlichen Durchschnitt bildet. Das ist die sogenannte vorläufige allgemeine Beitragsgrundlage. Wenn er schätzt, er wird 12 000 S im Monat verdienen, dann wird daraufhin von den 12 000 S die Sozialversicherung berechnet und abgeführt. Was ist aber, wenn sich am Ende der Referenzperiode herausstellt, daß es nur 9 000 S waren? – Sie haben erkannt, daß das natürlich schlecht wäre, denn dann müßten Sie vielleicht etwas zurückgeben. Daher haben Sie in das Gesetz hineingeschrieben: Wenn die vorläufige Beitragsgrundlage höher ist als die berechnete endgültige Beitragsgrundlage, dann gilt die vorläufige Beitragsgrundlage als endgültige Beitragsgrundlage.

Mit anderen Worten: Wenn sich jemand zu seinen Ungunsten irrt, dann hat er Pech gehabt, dann hat er für 12 000 S bezahlt, obwohl er nur für 9 000 S bezahlen hätte müssen. (Abg. Dr. Feurstein: Aber nur in einem bestimmten Fall!) Im umgekehrten Fall, wenn er 9 000 S schätzt und es stellt sich nachher heraus, es sind 12 000 S, sind Sie selbstverständlich der Meinung, daß er nachzahlen muß. – Der zweite Teil ist noch plausibel, der erste Teil ist ein neuer Typus von Enteignung. Und ich sage Ihnen: Das ist ein weiterer Grund für eine Verfassungsanfechtung.

Diese Verfassungsanfechtung wäre ganz simpel formuliert. Man müßte nämlich nur sämtliche Grundrechte, die es gibt, als verletzt aufzählen und den Verfassungsgerichtshof höflich um Entschuldigung bitten, daß man vielleicht eines überflüssigerweise mit hineingenommen hat. (Abg. Dr. Kostelka: Aber das ist noch keine Anfechtung! Die Aufzählung von Grundrechten ist noch keine Anfechtung!) Herr Kollege Kostelka! Sie mögen darüber lachen, aber ich finde es deshalb nicht lustig, weil hier an der Rechtsordnung gerüttelt wird, und zwar ausschließlich zu dem Zweck, um den Kitt der Koalition nicht zu beschädigen – und das ist kein guter Grund. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Vor dem Hintergrund dieser Monströsitäten im rechtsstaatlichen Sinn ist es gar kein Wunder, daß Sie auch mit Datenschutz und ähnlichen Dingen überhaupt nichts am Hut haben. Frau Kollegin Reitsamer hat gesagt, die Meldungen auf Verdacht müßten jetzt nicht mehr stattfinden. – Das ist ganz logisch, Sie haben sie nämlich durch einen neuen Meldungsmechanismus der eigenen Art ersetzt. Es muß nämlich jedes einschlägige Vertragsverhältnis über 3 600 S den Abgabenbehörden gemeldet werden. – So weit, so gut, Kontrollmitteilungen zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung; alles muß gemeldet werden.

Dann gibt es aber einen eigenen Paragraphen, den Sie heute beschließen werden – ich nehme nicht an, daß Sie ihn noch ändern werden, wir haben uns im Ausschuß redlich bemüht und sind


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auf taube Ohren gestoßen –, wonach die Abgabenbehörden des Bundes den Trägern der Sozialversicherung den Inhalt dieser Meldungen zu übermitteln haben. Das heißt, man muß zwar keine provisorische oder Vorsichtsmeldung mehr machen, die brauchen Sie aber auch nicht mehr, weil die Sozialversicherungen so oder so von den Abgabenbehörden kraft gesetzlichen Befehls alle Daten bekommen. Alle Sozialversicherungsträger müssen das logischerweise bekommen, denn woher soll die arme Abgabenbehörde wissen, ob der Herr XY oder die Frau AB vielleicht bei der Burgenländischen Gebietskrankenkasse ein Dienstverhältnis, aber unglückseligerweise in Salzburg einen Werkvertrag hat oder umgekehrt, ober ob sie vielleicht eine Nebenerwerbslandwirtin ist und irgendwo in Kärnten oder Tirol auf Saison im dienstnehmerähnlichen Werkvertrag arbeitet? – Also alle Sozialversicherungsträger müssen über alle Daten informiert werden. Das ist allerdings ein echtes Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Bürokratie.

Ich glaube, das wird beim Bürger auf wenig Verständnis stoßen, zumal wir gehört haben: Die Bürokratie soll schlanker werden, im öffentlichen Dienst wird eine Reform durchgeführt und so weiter. Möglicherweise haben Sie nicht begriffen, daß das, was Sie unter "selbstorganisierter Sozialversicherung" verstehen, längst Bürokratie ist und nicht mehr sozial und schon gar nicht Versicherung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher mahne ich am Schluß meines Redebeitrages noch einmal: Wir brauchen eine echte Reform, die sich nicht beirren läßt, daß wir dafür zuerst den Dienstnehmerbegriff neu definieren müssen. Wir sind völlig bei Ihnen, wenn Sie sagen, der Dienstnehmerbegriff muß neu definiert werden, insbesondere in Anbetracht des öffentlichen Dienstes und der dortigen Harmonisierungsbedürfnisse. Es steht heute noch ein weiterer Punkt zum Dienstrecht auf der Tagesordnung, der wird durchaus "heiter" werden.

Die Sozialversicherungspflicht könnte man aber – unabhängig vom Dienstnehmerbegriff – am Einkommen festmachen, und zwar am selbständigen wie am unselbständigen. Und wenn Sie die Finanzbehörden als Instrument der Ermittlung des Jahreseinkommens benützen, dann haben Sie dieselben Daten für die Ermittlung der Sozialversicherungspflicht zur Verfügung wie das Finanzamt für steuerliche Aspekte, und Sie können die allgemeine Sozialversicherungspflicht einführen. Sie müßten den Versicherten nur erlauben, daß sie sich aus der Fülle der Sozialversicherungsträger eine ihrer Wahl aussuchen, zumindest im Bereich der Krankenversicherung. Aber das würde natürlich den mündigen Bürger ermöglichen. Sie reden nur davon, versuchen ihn aber zu verhindern. Das Gesetz ist also auch ein Verhinderungsgesetz für mündige Bürger, das sage ich Ihnen ganz deutlich.

Wenn Sie diese echte Reform schon nicht zustande bringen, weil weder der politische Wille noch der Kitt in der Koalition eine echte Reform trägt, dann haben Sie nicht begriffen, daß der dienstnehmerähnliche Werkvertrag viel ähnlicher dem selbständigen Berufstätigkeitsbild als dem unselbständigen ist. Haben Sie nie an das GSVG gedacht? Ich habe es Ihnen im Ausschuß dargestellt – es wurde teilweise sogar mit Interesse zugehört, aber manche hören lieber weg, wenn sie Sachargumente hören, denn sonst müßten sie sich womöglich auch noch damit auseinandersetzen. Haben Sie das nie bedacht? Wahrscheinlich ist das ein ideologischer Streit. Die einen meinen, wenn es unter das ASVG fällt, wird die Anzahl der Dienstnehmer vermehrt, die anderen meinen, wenn es unter das GSVG fällt, wird die Anzahl der Selbständigen vermehrt.

Aber das kann es doch nicht sein! Man kann doch nicht aus solchen Prestigegründen streiten und die Leute im Prinzip weiterhin unversichert lassen. Die Geringfügigkeitsgrenze von 7 000 S hat nämlich die unangenehme Nebenwirkung, daß die von Ihnen behauptete soziale Zielrichtung des Gesetzes überhaupt nicht erreicht wird. Das ist sehr entlarvend, und da verwundert es auch nicht, daß die Ausnahmen für BFI und WIFI weiterhin aufrecht bleiben. Die eigene Klientel wird man doch nicht unter Druck setzen!

Im Ausschuß hat mir Kollege Feurstein zugerufen, die WIFIs und die BFIs seien in einer so schwierigen budgetären Lage. Ich habe gesagt, das wissen wir, aber die Kulturszene, die Unternehmen sind in derselben schwierigen Lage. Sie sind allerdings nicht geschützt und öffentlich, und das ist ein großer Unterschied. Wenn man geschützt und öffentlich ist, dann ist das


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Argument, man sei in einer schwierigen Lage, auf einmal ganz gewichtig – ich glaube, hauptsächlich deswegen, weil es die eigenen Leute sind. Aber wenn man nur mehr Politik für die eigenen Leute macht und behauptet, es sei Politik für die Menschen, dann entlarvt man sich.

Wir vom Liberalen Forum werden nicht müde werden, genau das jedem zu sagen, und zwar immer wieder. Wir bedanken uns zynisch bei Ihnen, daß Sie diesen wirklich unerträglichen Beschluß heute fassen werden, denn das Thema ist nicht von der Agenda. Der flächendeckende Widerstand ist größer, als Sie ahnen. Die Signalwirkung des Widerstandes ist damit auf den 1. November verschoben, das mag vielleicht auch ein bißchen mitgeschwungen sein. Vor dem 13. Oktober hätte es die Verdrossenheit gesteigert – also wird bis nach der Europawahl, bis nach der Wiener Wahl gewartet. – Das ist meiner Überzeugung nach sowohl inhaltlich als auch stilistisch ganz einfach eine schlechte Politik, und sie ist entlarvend: denn nur mehr Kitt für die Koalition, das ist ein bißchen wenig. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Er hat das Wort.

12.58

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß es zu der Werkvertragsregelung, zu den Änderungen im Sozialversicherungsrecht, die wir vor dem Sommer beschlossen haben, während des Sommers eine Reihe kritischer Anmerkungen gegeben hat. Wir haben all diese kritischen Anmerkungen ernstgenommen. Wir haben uns mit ihnen auseinandergesetzt und uns auch bemüht, Antworten darauf zu geben. Aber eine kritische Anmerkung, die Herr Abgeordneter Kier gerade wiederholt hat, nämlich das Beispiel mit den Anzügen, die der Schneider macht, geht total ins Leere. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Reitsamer. )

Ein Schneider, der Anzüge erzeugt, ein Schneider, der Hosen erzeugt, ein Schneider, der Röcke erzeugt, ist nach dem GSVG ganz eindeutig sozialversicherungspflichtig. Sie werden ja nicht die Arbeit eines Schwarzarbeiters gemeint haben. Das wäre nämlich die einzige Konsequenz. Ich nehme nicht an, daß Sie von diesem Beispiel ausgegangen sind.

Ich darf Ihnen sagen, daß ich mich mit vielen in Gesprächen unterhalten habe und wissen wollte, was hinter diesen kritischen Anmerkungen steht. (Abg. Meisinger: Viele Scheuklappen!)

Es gab eine kritische Anmerkung, die besagte, daß bei freien Dienstverträgen, bei dienstnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnissen, wenn also etwa eine Frau bei einem Meinungsforschungsinstitut tätig ist und dort 5 000 S verdient, dann von dieser Frau, die dieses Einkommen dringend benötigt, nicht noch Sozialversicherungsbeiträge und eine Abzugssteuer verlangt werden sollen. – Das habe ich eingesehen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind daher mit der Freigrenze hinaufgegangen auf 7 000 S – die Abzugssteuerpflicht beginnt bei 8 000 S monatlich –, weil wir dieses Problem gesehen haben. (Abg. Böhacker: Sie treffen das Problem nicht, das wird nur eine Verlagerung!) Jawohl, wir haben da eine Änderung vorgenommen, und diese Änderung ist auch richtig.

Zweiter Punkt. Es ist gesagt worden, in vielen Fällen müssen Anmeldungen auch dort erfolgen, wo keine Sozialversicherungspflicht vorliegt. Wir haben das klargestellt. Es hat eine Anmeldung aufgrund eines freien Dienstvertrages, eines dienstnehmerähnlichen Verhältnisses nur dann zu erfolgen, wenn wirklich die Sozialversicherungspflicht eindeutig gegeben ist. Also keine Meldung auf Verdacht, keine Meldung, wie das ursprünglich die Wirtschaftstreuhänder behauptet haben, schon ab einer Grenze von 3 600 S. (Abg. Dr. Kier: Die Finanzämter!) Die Wirtschaftstreuhänder haben dies in einer Presseaussendung hinausgegeben.

In diesem Fall ist keine Meldung zu erstatten, sondern nur dann, wenn die Sozialversicherungspflicht eindeutig zu erwarten ist. Also eine klare Festlegung und eine klare Aussage. Und bitte: Wenn Sozialversicherungspflicht gegeben ist, soll auch eine Anmeldung erfolgen.


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Ich kann Ihnen hier auch zeigen, wie einfach diese Anmeldung erfolgen kann. (Der Redner zeigt ein Formular .) Sie kennen das Formular, das aufgelegt wurde von den Sozialversicherungsträgern, wahrscheinlich gar nicht. Einfache Anwendung, wo man nur angeben muß: Geburtsdatum, voraussichtliches Einkommen, Beginn des Versicherungsverhältnisses – und die Abmeldung erfolgt ähnlich. Also keine komplizierte Bürokratie, wie das hier immer wieder behauptet wird.

Aber einen Punkt der Kritik, die auch im Ausschuß von der Opposition gekommen ist, konnten wir nicht zur Kenntnis nehmen, nämlich die Forderung, daß alle Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungspflicht einzubeziehen sind.

Das hätte unverantwortliche Folgen, wenn wir alle Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungspflicht einbeziehen würden, wie das von der Wissenschaft und verschiedenen anderen Seiten immer wieder verlangt wurde.

Herr Abgeordneter Kier! Es wäre auch nicht möglich gewesen, dieses Problem in der Weise zu lösen, diese Personen alle in die gewerbliche Sozialversicherung einzubeziehen. Denn die Probleme mit der Subsidiarität – wir haben eine Subsidiarität bei den gewerblich Versicherten, wir haben eine Subsidiarität bei der Krankenversicherung im Bauernsozialversicherungsgesetz – wären auf den Tisch gekommen. (Abg. Dr. Kier: Mit Zweidrittelmehrheit wird man das noch schaffen!)

Ich hätte gerne gesehen, wie Sie zu diesen Themen Stellung nehmen, aber Sie haben das nicht getan! Sie haben verschwiegen, daß dieses Problem damit verbunden ist! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das hat er nicht bedacht!)

Ich stelle also fest: keine Einbeziehung aller Erwerbseinkommen. Wir wollen nur jene Einkommen in die Sozialversicherungspflicht einbeziehen, wo es freie Dienstverträge, wo es dienstnehmerähnliche Beschäftigung gibt, wo der einzelne Auftragnehmer eben in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Auftraggeber beziehungsweise zum Dienstgeber steht. (Abg. Dr. Kier: Pfuscher vielleicht, Steuerhinterzieher!)

Wir haben auch diese Vorschläge ernst genommen, als uns gesagt wurde, es gäbe eine Umgehung des bisherigen Gesetzes. – In diesen Punkten haben wir sehr wohl Änderungen vorgenommen und sind auf Vorschläge, auf kritische Anmerkungen eingegangen. (Abg. Dr. Kier: Aus der Pfuscherbewegung!)

Jawohl, uns geht es darum, daß wir dort, wo Sozialversicherungspflicht gegeben ist, diese Sozialversicherungspflicht auch klar zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Betonen möchte ich auch: Eine wichtige Auswirkung dieser neuen gesetzlichen Bestimmungen war, daß sich all jene, die selbständig in der Wirtschaft tätig sind, nunmehr bei der Gewerbesozialversicherung gemeldet haben. Manche in den Medien sprechen sogar von einer "Flut" von Anmeldungen bei der gewerblichen Sozialversicherungsanstalt. Es ist auch richtig, wenn sich jene Leute, die selbständig tätig sind, nun auch zu dieser selbständigen Tätigkeit bekennen und diese Versicherungsmöglichkeit in Anspruch nehmen. (Abg. Dr. Kier: Die waren ja vorher schon pflichtig!) Genau das wollen wir, und das haben wir auch erreicht.

Noch einen Punkt, den Sie angesprochen haben. Herr Abgeordneter Kier, ich gehe sehr ernst auf Ihre Einwendungen ein. Sie haben behauptet, die Gebietskrankenkassen hätten das nicht im Griff. Ich lese Ihnen vor aus einem Brief, der nicht bestellt ist, sondern der von einem Abteilungsleiter einer Gebietskrankenkasse stammt. (Abg. Dr. Krüger: Kriegen Sie auch bestellte Briefe?) Es war das nicht ein Brief, den ich bekommen habe, sondern er war an jemanden anderen gerichtet; ich habe ihn in Kopie bekommen. Da heißt es – das war Ende August –: Wir haben die Lage im Griff. Von einem Chaos, wie es manche gerne hätten, kann in unserem Bereich keinesfalls gesprochen werden. (Abg. Böhacker: Die werden doch alle zurückgehalten, die Anmeldungen!)


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Ich zitiere weiter aus diesem Brief: Natürlich gibt es sehr viele schriftliche und mündliche Anfragen, welche wir aber unserer Meinung nach ordentlich beantworten. Nach Ende der Urlaubszeit werden sicher noch viele weitere Fragen kommen. Auch haben viele das Thema bis jetzt noch verdrängt. Aber diese Fälle werden wir klären.

Dann heißt es dort noch, daß dieser "Empfehlung" des Liberalen Forums, nämlich einen Fragebogen zu verlangen, Gott sei Dank nicht entsprochen wird. – Vier ganze Fälle hat es bei der Vorarlberger Gebietskrankenkasse gegeben, die dieser Empfehlung gefolgt sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Der Kier verliert seine Leute, die gehen zu den Freiheitlichen!)

Ich möchte zum Schluß klar zum Ausdruck bringen: Die Frage der Abgrenzung zwischen gewerblicher Sozialversicherungspflicht und Sozialversicherungspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ist eine, die im Laufe der Entwicklung weiter zu behandeln und weiter zu klären sein wird. Deshalb haben wir, die Regierungsparteien, vereinbart – Frau Abgeordnete Hostasch wird noch einen entsprechenden Entschließungsantrag noch einbringen –, daß diese Frage der grundsätzlichen Versicherungspflicht natürlich ein weiteres Anliegen ist, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Dieses Anliegen, die gesamthafte Beurteilung der Sozialversicherungspflicht zu klären, ist ein ganz wichtiger Punkt (Beifall bei der ÖVP) – aber nicht in dem Sinne, daß wir zu einer Versicherungspflicht kommen. Wir wollen die Pflichtversicherung im Bereich der Sozialversicherung weiter behalten. Damit unterscheiden wir uns ganz grundsätzlich von dem, was die Freiheitlichen propagieren und wo sie wirklich auf dem Holzweg sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kier gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung, auch in der neuen Form, daß die Redezeit maximal zwei Minuten betragen darf. (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Kier, verjagen Sie den Haselsteiner nicht auch noch zu den Freiheitlichen!)

13.09

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Ich habe tatsächlich zu berichtigen: Kollege Feurstein hat gesagt, ich hätte behauptet, die Gebietskrankenkassen haben das nicht im Griff.

Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt: Die Gebietskrankenkassen werden das nicht im Griff haben, wenn die Anmeldungen kommen werden – die selbstverständlich erst zum Stichtag kommen. Daher ist das sachlich und tatsächlich unrichtig.

Herr Kollege Feurstein hat weiters gemeint, ich hätte gesagt: der Schneider ist deckungsgleich mit dem Gewerbetreibenden. Ich habe gesagt: Es gibt den Schneider, der unselbständig arbeitet, und es gibt den Schneider, der selbständig arbeitet. Die werden jetzt auf einmal miteinander verwechselt. – Das ist bitte etwas anderes, als Sie mir unterstellt haben. Wahrscheinlich einfach aus denselben Gründen, nämlich aus Rechtsunkenntnis. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

13.10

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Im Frühjahr dieses Jahres war es, als wir uns hier in diesem Haus treffen mußten, um zum ersten Mal die Werkvertragsregelung zu novellieren. Im Sommer, kurz vor Beginn der Sommerpause, haben wir uns zum zweiten Mal getroffen. Damals habe ich Ihnen, Herr Minister, gesagt: Wir werden uns bald zu einer neuerlichen Novellierung wiedertreffen. – Das ist geschehen. Jetzt gibt es eine neuerliche Novellierung der Werkvertragsordnung.

Nicht genug damit, Herr Minister: Es war auch so, daß schon bei der ersten Novellierung – ich möchte es hier noch einmal rekapitulieren, weil ich die Abgeordneten in diesem Haus auch


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daran erinnern will, daß sie Verantwortung tragen gegenüber dem Bürger, aber auch gegenüber sich selbst – kein Abgeordneter in diesem Haus, außer denen, die verhandelt haben, gewußt hat, worum es eigentlich geht.

Das ist ja auch bestätigt worden in der Debatte über die Werkvertragsregelung. Es ist bestätigt worden! (Abg. Hostasch verneint.) Frau Kollegin Hostasch, du kannst natürlich den Kopf schütteln – ich weiß es ganz genau. Wir haben im Budgetausschuß eine Regelung beschlossen, eine Novellierung, die dann in der Plenardebatte neuerlich novelliert werden mußte, weil sie nicht gestimmt hat. – Das war die erste Novellierung.

Also wer hat da irgend etwas gewußt, wenn die Abgeordneten, die das im Ausschuß beschlossen haben, nicht einmal gewußt haben, daß sie eine Regelung beschließen, die nicht stimmt – siehe Ausnahme für die Kolporteure? – Darum ist diese für die Plenarsitzung noch einmal so hergerichtet worden, daß sie dann wirklich für die Mediaprint stimmte. Man hat es schon vorher versucht, aber es hat halt nicht gepaßt. – Gut, das war die erste Novellierung.

Dann kam die zweite Novellierung, jetzt kommt die dritte Novellierung, und gleichzeitig – das ist ja durchaus positiv zu sehen – gibt es einen Entschließungsantrag, der zwar nicht die vierte Novellierung ankündigt, aber eine Generalreparatur. Diese Generalreparatur sehe ich durchaus positiv – wenn sie gelingt.

Ich möchte daran erinnern, meine Damen und Herren, daß wir es waren, die in der letzten Sitzung ebenfalls gefordert haben, daß bis Ende 1997 diese Reparatur gemacht werden muß. Bis Ende 1997 müssen alle Arbeitsverhältnisse, alle Vertragsverhältnisse, alle Einkommen – inklusive die der Beamten, was ja jetzt auch steht in Ihrem Antrag – und auch die Sozialversicherungspflicht entsprechend neu geordnet werden. Insofern ist dieser Antrag positiv.

Daß Sie sich aber nicht dazu bekennen können, eine völlig verpfuschte Werkvertragsregelung zurückzunehmen, die Sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Füße gekriegt haben, gerade deswegen, weil sie niemandem mehr helfen kann, das verstehe ich nicht.

Herr Abgeordneter Feurstein! Ihre Meldung "Wir haben die Lage im Griff" klingt wie eine Hofberichterstattung – an einem Hof, den es nicht mehr gibt, dem schon alle Bediensteten davongelaufen sind, wo Sie als letzter Berichterstatter noch verlautbaren dürfen: Wir haben die Lage im Griff! – aber niemand hält sich daran. Das ist doch die reale Situation. (Abg. Böhacker: Das hat ihm wahrscheinlich der Habsburg gesagt!)

Wir haben jetzt die dritte Novellierung, und Sie sagen: Wir haben die Lage im Griff!, wohl wissend, daß all jene, die in den letzten Monaten noch Werkverträge abgeschlossen haben, natürlich bisher mit der Anmeldung zurückgehalten haben, weil niemand weiß, welche Regelung da herauskommt und weil jeder – das bestätigen Sie ja auch durch die Reparatur an diesem Gesetz – eigentlich dumm war, der ernsthaft und dem Gesetz entsprechend Meldung gemacht hat, denn der bekommt nichts zurückgezahlt. Jeder ist dumm, der sich ordentlich gemeldet und seine Beiträge bezahlt hat. Von den zu Recht bezahlten Beiträgen kann natürlich nichts mehr zurückverlangt werden, auch wenn nach der neuen Regelung keine Beiträge zu bezahlen gewesen wären.

Damit geben Sie, meine Damen und Herren, und auch Sie, Herr Minister, zu, daß Sie wirklich eine Pfuschregelung nach der anderen inszenieren und noch dazu den Bürger, der sich an den Buchstaben des Gesetzes gehalten hat, dafür bestrafen. Das ist wirklich unverständlich, und ich glaube, daß vermutlich die Mehrheit hier in diesem Hohen Haus – brav wie immer, in Unkenntnis der Tatsachen, in Unkenntnis dessen, was sie da anrichtet – bei der Abstimmung ihre Hand heben wird. Daher werden wir bald wieder hier in diesem Haus sitzen und uns über die Werkverträge und die Unmöglichkeit der Vollziehung dieser Regelung unterhalten müssen.

Ich werde Ihnen noch ein paar Argumente dafür liefern, Herr Minister – Sie werden sie von mir nicht oft hören –, warum diese Regelung nicht nur bürokratisch, sondern auch unsozial und wirtschaftsfeindlich ist.


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Gestern hatten wir, Herr Minister – Sie waren dazu eingeladen, Sie konnten nicht daran teilnehmen –, in diesem Haus ein Hearing über Werkverträge. Das war eine durchaus spannende Veranstaltung, weil sie demonstriert hat, daß die Kritik der Betroffenen – die Kritik derer, die von Werkverträgen leben müssen – unverändert geblieben ist. Das einzige, das Sie mit dieser dritten Novellierung durch die Ausnahme für die Künstler bis zum Ende des Jahres 1997 erreicht haben, ist, den Künstlern etwas Erleichterung zu verschaffen, wenngleich deswegen die Zukunft für die Kulturschaffenden, für die Künstler trotzdem nicht rosiger wird. Es ist keineswegs abzusehen, daß die Kulturschaffenden, die Künstler ab 1998 durch eine stärkere Subventionierung für den Kultur- und Kunstbereich – nämlich um 30 bis 50 Prozent mehr – eine Erleichterung erfahren. Es sei denn, es gelingt bis dahin, eine Regelung auf die Füße zu stellen, die dem Kunst- und Kulturbereich einigermaßen Erleichterung verschaffen kann, wie das auch in anderen Bereichen notwendig wäre.

Die Debatte bei diesem Hearing hat auch die grundsätzliche Kritik gezeigt – und das sollten Sie sich anhören –, daß mit den Betroffenen nicht gesprochen worden ist. Mit den wenigen Interessenorganisationen, die es im Bereich jener gibt, die von Werkverträgen betroffen sind, hat niemand gesprochen. Diese Werkvertragsregelung ist völlig über die Köpfe der eigentlichen Interessenorganisationen hinweg gemacht worden. Ich würde mich fragen, Kollegin Hostasch, was du sagen würdest, wenn bei einem Gesetz die in der Arbeiterkammer Organisierten zum Handkuß kommen würden und die Arbeiterkammer nicht einmal gefragt wird! – Das aber ist in diesem Fall die Realität!

Ich finde es wirklich bezeichnend, daß man die wenigen Gruppen und Organisationen, die es im Bereich von Werkvertragsnehmern gibt, völlig ignoriert, daß sich niemand die Mühe macht, sie anzusprechen. Niemand hat sich die Mühe gemacht, sie einzubeziehen, sie um ihre Meinung zu fragen: Was meint denn ihr dazu, wie könnten wir denn die soziale Sicherung gewährleisten?

Für mich war gestern das Spannende an diesem Hearing, daß keiner von jenen, die da hinausgegangen sind und ihr Problem mit der Werkvertragsregelung geäußert haben, gesagt hat: Wir verzichten auf eine soziale Absicherung, wir machen uns das selbst. Der weitgehend übereinstimmende Tenor war: Wir wollen eine soziale Absicherung, wir haben in den vergangenen Jahren darum gekämpft – aber das, was ihr jetzt macht mit dieser Werkvertragsregelung, ist eine Einkommensminderung um 30 bis 50 Prozent, und das können wir uns nicht leisten! (Beifall bei den Grünen.)

Es war eine Frau da – ich glaube, eine Trainerin aus einem Betrieb, eine Freiberuflerin –, die von den Auswirkungen der derzeitigen Werkvertragsregelung berichtet hat. Sie hat erzählt, sie müßte ihr Einkommen ungefähr verzehnfachen, damit sie wieder dasselbe Einkommen wie vorher erzielen kann. Ihre Belastung durch die Abzugsposten – das war sehr plausibel vorgerechnet – ist so hoch, daß sie das Zehnfache verdienen müßte, weil die Summe ihres Einkommens, das zur Steuer bemessen wird, natürlich nicht ihr Einkommen bildet. Ihr Einkommen ist tatsächlich viel geringer als ihr Umsatz, die Steuer bemißt sich aber nach diesem Umsatz, der als Werkvertragssumme gerechnet wird.

Diese Frau hat noch einige sehr plausible Zahlen genannt. Sie hat gesagt: Was von der Regierung von mir verlangt wird, kann ich nicht erfüllen, das ruiniert mich und mein Gewerbe, das geht nicht.

Es hat andere Gruppen gegeben, zum Beispiel die Übersetzer von Büchern – auch eine kleine Gruppe –, die gesagt haben: Was mit dieser Werkvertragsregelung gemacht wird, ist der Ruin für unser Gewerbe! Wir können nicht mehr in Österreich als Übersetzer arbeiten!

Und sie haben weiters gesagt: Das, was sie hierzulande an Übersetzungsarbeit leisten, wird in Zukunft jeder größere Verlag, der Bücher zu übersetzen hat, in Deutschland machen, weil die Übersetzungskosten dort wesentlich geringer sind, weil dort keine solchen Belastungen wie bei uns anfallen. Außerdem hat natürlich jeder österreichische und jeder bundesdeutsche Verlag die Möglichkeit, Übersetzungsarbeiten in Deutschland machen zu lassen. Es wird in Zukunft nicht


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mehr notwendig und nicht mehr möglich sein, in ein österreichisches Idiom zu übersetzen. Das kann dann auch der deutsche Übersetzer machen. Selbstverständlich!

Mit dieser Werkvertragsregelung ist erreicht worden, daß ganz konkrete Berufsgruppen wirklich um ihr Überleben kämpfen müssen. Sie sagen: Wir sehen keine Zukunft mehr für unser Gewerbe! Der Übersetzerberuf ist, nebenbei gesagt, kein Gewerbe, weil heikle Bestimmungen der Gewerbeordnung für diese Gruppen eine Organisierung als Gewerbe unmöglich machen. Diese Berufsgruppe weiß nicht, ob sie zum künstlerischen Bereich zählt, was durch Teile ihrer Arbeit gerechtfertigt wäre, oder ob sie in den nichtkünstlerischen Bereich hineinfällt. Würden sich die Übersetzer in den künstlerischen Bereich hineinreklamieren, dann hätten sie noch eine Ausnahmebestimmung bis Ende des Jahres 1997, aber das ist auch schon alles.

Faktum ist – das muß gesagt werden –, daß durch diese Werkvertragsregelung, durch die Besteuerung, aber auch durch die Einführung der Sozialversicherungspflicht bei Werkverträgen, vor allem bei Werkverträgen bescheidener Größenordnung, nicht nur Existenzen gefährdet beziehungsweise in den Armutsbereich abgedrängt werden, sondern auch die Wirtschaft in bestimmten ganz kleinen Sektoren – ob das jetzt der Übersetzer ist oder ob das der Trainer ist, der in einem Betrieb Arbeit macht – gefährdet oder sogar unmöglich gemacht wird.

Meine Damen und Herren! Es gäbe zu einzelnen Punkten dieser Werkvertragsregelung noch vieles zu sagen; ich habe nur auf die wirtschaftlichen Aspekte hingewiesen. Jetzt möchte ich mich mit deren sozialem Aspekt beschäftigen, mit den Geringfügigkeitsgrenzen.

Herr Minister! Der Abgeordnete Feurstein ist so stolz auf die Regelung mit den 7 000 S als Freigrenze. Herr Abgeordneter Feurstein, ich glaube, Sie wissen gar nicht, was Sie damit angerichtet haben. Die 7 000 S sind mit den Resten von Sozial- und Familienrechten überhaupt nicht mehr kompatibel. (Beifall bei den Grünen.)

Ich nenne Ihnen dazu ein Beispiel: Ein Student hat bisher – ich habe das schon zuvor gesagt, aber ich erkläre es Ihnen noch einmal, vielleicht können wir uns irgendwann einmal über eine Novellierung unterhalten –, wenn er Familienbeihilfe bezogen hat, nur 3 600 S – Freigrenze – dazuverdienen dürfen. Von jetzt an, nach der Freigrenzenerhöhung, darf er mit einem Werkvertrag 7 000 S dazuverdienen. Tut er das aber, dann verliert er die Familienbeihilfe, weil da die Freigrenze bei 3 600 S liegt. – Fall eins. Herr Abgeordnete Feuerstein! Haben Sie das überlegt? – Nein!

Fall zwei – nehmen wir ein konkretes Beispiel –: Kulturschaffende, Kameraleute beispielsweise, die keine regelmäßigen Jobs mehr haben, die also von Gelegenheitsjobs leben, weil die Anstalten, wie der ORF auch, ausgelagert haben, weil wir in Österreich kein großes Filmgewerbe haben, konnten bisher – und das war eine durchaus soziale Regelung – neben ihrem Arbeitslosengeldbezug bis zu 17 000 S monatlich dazuverdienen, glaube ich, ohne daß ihnen das Arbeitslosengeld geschmälert wurde. (Abg. Hostasch: Das ist im Vergleich zu anderen ungerecht!) Darf ich mein Beispiel ausführen, Kollegin Hostasch? Vielleicht hörst du so lange zu, bis ich mein Beispiel ausgeführt habe.

Diese Freigrenze wurde auf 3 600 S nach unten gekürzt. So weit, so gut. Gerechtigkeit! Einigen wir uns darauf. Was passiert aber jetzt? – Ein Kameramann darf in Zukunft bis zu 7 000 S dazuverdienen bei den Werkverträgen. Es wird aber die Arbeitslose schon bei 3 600 S gekürzt. Er verliert also den Arbeitslosengeldbezug, wenn er mit einem Werkvertrag bis zu 7 000 S dazuverdient. Das ist aber in dieser Branche relativ häufig der Fall. Verdient er aber mit einem Werkvertrag 7 000 S dazu – er hat nämlich keine Chance, einen regulären Dienstvertrag zu erhalten –, dann muß er ihn in Zukunft ablehnen, denn wenn er ihn annimmt, verliert er das Arbeitslosengeld und er verliert gleichzeitig jede soziale Absicherung.

Da sagst du, Kollegin Hostasch, das ist sozial gerecht! (Widerspruch bei der SPÖ.) Ich halte das für eine absolute soziale Sauerei, die da beschlossen wurde (Beifall bei den Grünen) , daß man überhaupt nicht bedenkt, was man mit Verschiebungen von Freigrenzen für bestimmte Berufsgruppen anrichtet.


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Herr Minister! Sie wissen das ganz genau, und trotzdem haben Sie der ÖVP-Forderung nach Anhebung der Freigrenzen entsprochen, so nach dem Motto: Das wird schon irgendwie gehen, betrifft ja ohnehin nur ein paar! Doch diese fallen dadurch völlig aus der sozialen Sicherung heraus, oder werden in die Arbeitslose abgedrängt und kommen nicht mehr heraus. Dann kommen Sie, Herr Minister, auf der anderen Seite mit Programmen für Langzeitarbeitslose daher und sagen: Geht arbeiten! Wenn er aber arbeiten geht, wenn er einen Werkvertrag annimmt – und er hat keine andere Möglichkeit als Kameramann, das hat er gelernt –, dann verliert er das Arbeitslosengeld, und wenn sein Beschäftigungsauftrag nicht über 7 000 S hinausgeht, verliert er jede soziale Absicherung, denn dann ist er in Zukunft nicht einmal mehr sozialversichert.

Das ist die Realität! Es wurde offensichtlich mit Geringfügigkeitsgrenzen, mit Freigrenzen jongliert, ohne zu bedenken, welche Konsequenzen das für die Betroffenen hat. Das ist unsozial, und das ist unverantwortlich! Das wird für bestimmte Gruppen verheerende Konsequenzen haben – auch wenn diese Gruppen nicht groß sind.

Ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Freigrenzen – und das ist meiner Ansicht nach eigentlich eines der bezeichnendsten –: die Tagesmütter. Es ist kein Zufall, daß wir in Zukunft mit fünf, sechs oder sieben verschiedenen Varianten von Tagesmüttern zu tun haben können. Schließen die Eltern mit der Tagesmutter einen privaten Vertrag ab, wie es in Niederösterreich und auch in anderen Bundesländern teilweise empfohlen wird, dann fällt überhaupt keine Sozialversicherung an. Schließt eine Organisation den Vertrag mit den Eltern beziehungsweise mit dem betroffenen Werkvertragsnehmer, dann gibt es in Zukunft die Möglichkeit von drei verschiedenen Arten von Werkverträgen, ja sogar vier.

Wenn die betreffende Tagesmutter noch einen anderen Hauptberuf hat, einen Werkvertrag, bis zu 3 600 S Freigrenze, wenn sie keinen anderen Beruf hat, dann darf sie bis zu 7 000 S in ihrer Tätigkeit als Tagesmutter verdienen, allerdings ohne Sozialversicherung – das ist ein großer sozialpolitischer "Erfolg" der Sozialdemokratie, daß die Tagesmütter in Werkverträge abgedrängt werden, wo sie keine Sozialversicherung haben –, und wenn der Werkvertrag über 7 000 S ausmacht, dann ist sie zwar zwischen 7 000 S und 8 000 S sozialversichert, braucht aber noch keine Steuer zu zahlen. Wenn jedoch die Tagesmutter das Pech hat, drei Kinder betreuen zu müssen und unter Umständen über 8 000 S hinauszukommen, dann fällt die Quellensteuer an, und das bedeutet zumindest bis zum Zeitpunkt des Einkommensteuerausgleiches eine Belastung, die das Einkommen der betroffenen Tagesmutter erheblich schmälern wird.

Dann gibt es natürlich auch noch die Möglichkeit der Beschäftigung der Tagesmutter in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis: Bis zu 3 600 S hat sie keine soziale Sicherung, aber immerhin einen Unfallschutz. Außerdem gibt es in den meisten Bundesländern, ausgenommen in Wien, die Möglichkeit – diese wird in Zukunft vermutlich kaum jemand mehr nutzen –, in ein ordentliches Anstellungsverhältnis mit einem Verdienst von über 3 600 S zu treten. Diese Schiene hin zu ungesicherten Werkverträgen haben Sie, meine Damen und Herren, geschaffen. Ich halte es für unverantwortlich, daß Sie, ohne darüber nachzudenken, hier eine Gesetzesänderung beschließen, die verschiedene Leute völlig ungeschützt läßt (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner ), die niemandem tatsächlich weiterhelfen, sondern zu weiteren Umgehungsmöglichkeiten führen wird.

Herr Abgeordneter Leiner! Reden Sie doch mit Steuerberatern, reden Sie doch mit Unternehmensberatern! Hören Sie sich doch an, was die dazu sagen! Selbstverständlich werden in jedem Magazin in Österreich Tips gegeben, wie man die neuesten Werkvertragsrochaden, die Sie beschließen, wieder umgehen kann. Selbstverständlich lebt dieses Gesetz nur davon, daß es umgangen wird, weil es ein nicht administrierbares Gesetz ist, weil es Unklarheiten beläßt, weil es Unsicherheiten erzeugt, weil es derzeit niemanden in Österreich gibt, der dieses Gesetz tatsächlich beherrschen würde. (Widerspruch des Abg. Dr. Leiner. )

Meine Damen und Herren! Das ist die Verantwortung, die Sie zu tragen haben! Auf der einen Seite schreien Sie – gerade Sie von der ÖVP –: Kampf der Gesetzesflut! Mit dem Banner steht


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die Abgeordnete Cordula Frieser heraußen und sagt: Sagt der Gesetzesflut den Kampf an! Aber hier beschließen Sie Gesetze, die Sie nicht verstehen.

Meine Damen und Herren! Muten Sie den Leuten nicht Gesetze zu, die Sie selbst nicht verstehen können! Muten Sie den Leuten nicht Gesetze zu, die bürokratisch, unsozial und in diesem Fall auch wirtschaftsfeindlich sind. (Beifall bei den Grünen.)

13.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hostasch. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

13.31

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Öllinger und auch Kollege Kier! Niemand erhebt den Anspruch, daß die Bestimmungen, die wir jetzt beschließen und die wir heuer schon beschlossen haben, der Weisheit letzter Schluß sind. Aber es ist ein erster und wichtiger Versuch, Fehlentwicklungen in den Griff zu bekommen und eine große Lösung vorzubereiten, die wir in der Folge vorhaben zu beschließen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Hohen Haus zur Frage der atypischen Arbeitsverhältnisse, der Werkverträge schon sehr viele Detaildiskussionen geführt, und ich glaube doch, daß wir zu Recht behaupten können, daß wir auch im Sozialausschuß nicht sozusagen im Wischi-waschi-Stil drüber gefahren sind, sondern sehr profund, und zwar auch einzelne Vorschläge der Oppositionsparteien, diskutiert haben.

Ich stehe auch nicht an, zu sagen, daß wir auch innerhalb der SPÖ- und ÖVP-Fraktion versucht haben, unterschiedliche Auffassungen auf einen Nenner zu bringen.

Ich möchte jetzt nicht in Details eingehen, sondern einiges Grundsätzliches zu unserem System der sozialen Sicherheit sagen und dabei die Hintergründe unserer Entscheidung in Erinnerung bringen, warum wir überhaupt diese Regelungen haben wollten, warum wir glauben, daß wir sie unbedingt benötigen.

Ich erinnere daran, daß das österreichische System der sozialen Sicherheit von einer derzeit klaren Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit und den daraus resultierenden Risken ausgeht. Die aus den Beiträgen der Versicherten finanzierten Leistungen der Sozialversicherung stehen daher auch in einem untrennbaren Zusammenhang mit den erfaßten Erwerbseinkommen der verschiedenen Gruppen. Aufbauend auf den Umlageverfahren sind daher auch die laufenden Einnahmen aus den Beiträgen bestimmend für die laufende Finanzierung der Leistungen, und wenn diese Finanzierungsgrundlagen nicht gegeben sind, dann können auch die Leistungen nicht erbracht werden. Das muß man vor allem jenen sagen, die zwar großes Verständnis dafür zeigen, daß alle Staatsbürger soziale Leistungen aus dem System bekommen, eine umfassende Absicherung haben sollen, die aber gleichzeitig nicht wahrhaben wollen, daß dazu auch Beitragsleistungen notwendig sind. Ich glaube, so ehrlich muß man sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Die Funktionsweise unseres sozialen Systems wird natürlich dann ausgehöhlt und auch gefährdet, wenn ein zunehmender Anteil der Bevölkerung zwar ein Einkommen aus der Erwerbstätigkeit bezieht, aber außerhalb der solidarischen Gemeinschaft der Versicherten steht und weder den selbständigen noch den unselbständigen Erwerbstätigen zugeordnet werden kann. Im Ergebnis wird dadurch für diese Gruppe einerseits der notwendige soziale Schutz ausgeschlossen und andererseits aber auch die Finanzierungsbasis in der Sozialversicherung deutlich eingeschränkt. Damit verbunden ist aber, daß die Beitragsgerechtigkeit innerhalb der versicherten Gemeinschaft und der Erwerbsgemeinschaft verlorengeht.

Ich sehe zwei Hauptursachen für diese Entwicklung und für die Notwendigkeit, zu handeln: einerseits, ausgehend von der wirtschaftlichen Beurteilung und der Abwägung: Wo gibt es eine günstigere Kostenrelation zwischen ordentlichem Arbeitsverhältnis und anderen Gestaltungs


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40. Sitzung / Seite 46

möglichkeiten?, erleben wir eine Flucht aus dem Arbeits- und Sozialrecht und andererseits tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitsgesellschaft, und zwar insbesondere durch die Ausbreitung neuer, ortsungebundener und arbeitsverringender Technologien – Stichwort Telearbeit –, statt arbeitszeitorientierter Arbeitsorganisationsformen sowie durch die Zunahme unternehmensnaher und sozialer Dienstleistungen. Es entstehen damit völlig neue Tätigkeiten, Tätigkeiten mit grundlegend anderen Merkmalen, welche die konkreten Vertragsbeziehungen bezeichnen.

Mit anderen Worten: Es entstehen neue Grenzen zwischen abhängigen, weisungsgebundenen, unselbständigen, klassischen Dienstnehmerarbeiten und den sich neu entwickelnden Arten von freien Selbständigkeiten, von Quasi-Selbständigkeiten. Der Gesetzgeber hat aber die zwischen diesem freien Unternehmertum und dem klassischen Arbeitsvertrag liegenden Beziehungen der gesellschaftlichen Gruppen derzeit noch nicht ausreichend und nicht umfassend genug erfaßt.

Ich glaube daher, daß es richtig ist, jetzt einen ersten Versuch zu starten, im Sozialrecht eine Ordnung insofern zustande zu bringen, als auch die Einbeziehung von dienstnehmerähnlichen Verträgen und freien Dienstverträgen in den Geltungsbereich des ASVG erfolgt und dem einen zweiten großen Schritt folgen zu lassen.

Ich erlaube mir daher, folgenden Entschließungsantrag einzubringen, und bitte, diesem Ihre Zustimmung zu erteilen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eleonore Hostasch, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend Weiterentwicklung der Sozialversicherung

Der Nationalrat möge beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, unter Beiziehung von Sozialpartnern und Experten im Rahmen einer Arbeitsgruppe die Weiterentwicklung des österreichischen Sozialversicherungssystems mit dem Ziel einer breiten und fairen Einbeziehung aller Erwerbseinkommen und einer einheitlichen Sozialversicherung bis Ende 1997 zu erarbeiten."

*****

Meine sehr geschätzten Damen und Herren Antragsteller von den Oppositionsparteien, deren Anträge wir im Ausschuß auch behandelt haben! Zunächst einmal ein Wort zum Antrag 284/A des Liberalen Forums, in welchem die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der neuen Werkvertragsregelung angesprochen wurde. Auch wir haben natürlich geprüft, inwieweit verfassungsrechtliche Bedenken angezeigt sind. Und jene Juristen, mit denen wir diese Frage diskutiert haben, meinten, daß die neuen Bestimmungen in Ordnung sind, und wir können daher guten Glaubens diese auch so beschließen.

Im Antrag 287/A der Freiheitlichen wird auf die soziale Verschlechterung der Dienstnehmer durch Ausweichen der Unternehmer auf billigere Vertragstypen Bezug genommen. Auch wir hatten diese Bedenken, auch wir haben das im Ausschuß diskutiert, und genau das war der Grund, warum wir gesagt haben: Stellen wir im Ausschuß folgendes fest – ich darf das auch hier im Hohen Hause zitieren –: Das Ziel der Regelungen über die Einbeziehung der freien Dienstverträge und der dienstnehmerähnlichen Beschäftigung ist vor allem die Eindämmung der Umgehung der Sozialversicherungspflicht. Der Ausschuß hält dazu fest, daß die Effizienz der nun getroffenen Maßnahmen einer genauen Beobachtung zu unterziehen ist, ob damit das vereinbarte Ziel auch erreicht wird und ob damit nicht ordentliche Arbeitsverhältnisse in dienstnehmerähnliche Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden, um einer kostengünstigeren Variante nachzukommen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es wurde von den Grünen beantragt, die bestehende Werkvertragsregelung auszusetzen. Ich meine, ein Aussetzen ist keine Lösung. Einen ersten


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Schritt zu einer großen Lösung zu setzen, das ist aus meiner Sicht der richtige Weg. (Beifall bei der SPÖ und ÖVP.)

13.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte. Gleichfalls 10 Minuten Redezeitbeschränkung.

13.39

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die in Diskussion stehende Veränderung der Werkvertragsregelung ist aus freiheitlicher Sicht genauso abzulehnen wie das ursprüngliche Vorhaben der Bundesregierung. Unsere Kritik an diesem Vorhaben hat sich nicht geändert, es ist zugegebenermaßen so, daß durch die Änderungen einiges an Härtefällen gemildert worden ist, aber die grundsätzlichen Bedenken, die wir Freiheitlichen formuliert haben, bestehen vollinhaltlich weiter.

Frau Kollegin Hostasch! Es ehrt Sie, daß Sie die Ausschußbemerkung hier im Plenum zitiert und damit auch das Unbehagen formuliert haben, das sehr viele im Sozialausschuß meiner Meinung nach gehabt haben, nämlich daß Sie mit dieser Regelung tatsächlich das erreichen, was Sie wollen, nämlich jene Menschen am Arbeitsplatz, die mit minderem Einkommen oder durch Subsumierung von minderen Einkommen ihre finanzielle Existenz absichern müssen, in das Schirmnetz der Sozialversicherung zu bringen.

Es ist meiner Auffassung nach bezeichnend, daß die Frau Kollegin Hostasch die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzentwurfes diskutiert hat.

Für Sie, Herr Kollege Feurstein, bleibt eigentlich nur ein Ausdruck des Bedauerns dafür übrig, daß Sie diese Frage nicht einmal releviert haben (Beifall bei den Freiheitlichen), daß Sie als Abgeordneter des Hohen Hauses die verfassungsmäßigen Bedenken, die immerhin von Universitätsprofessoren aus dem Verfassungsbereich in Österreich medial – mehrfach, auch nach der Korrektur, die Sie mit der Kollegin Reitsamer eingebracht haben – vorgetragen worden sind, nicht einmal mit einem Wort – nicht einmal mit einem Wort, Herr Kollege Feurstein! – releviert haben.

Es ist für mich auch bezeichnend, wenn jemand, wie am Bazar, Zahlen zwischen 7 600, 7 800, 7 400 und "Darf es ein bisserl weniger sein?" – jetzt sind wir bei 7 000 – anführt. Hingegen ziehe ich mit Hochachtung meinen Hut vor der Kollegin Frieser, die wenigstens den Mut gehabt hat, das, was sie verbal als Fachfrau und Steuerberaterin der Medienöffentlichkeit mitgeteilt hat, beim Eintritt ins Hohe Haus nicht zu vergessen, sondern konsequenterweise auch dieser Neuregelung zumindest in der letzten Plenarsitzung nicht zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube nämlich eines: Wenn wir hier im Parlament der Meinung sind, daß unsere Wirtschaft davon betroffen ist, daß immer mehr Regelungen und Regelungsmechanismen kommen, die immer unüberblickbarer werden und die immer mehr Verwaltungsaufwand beinhalten, so ist gerade diese Regelung des Werkvertrages am besten dazu geeignet, den Unrechtszustand – ich betone: Unrechtszustand – von Leuten, die an und für sich guten Willens sind, divergierende gesetzliche Grenzen einzuhalten, aufrecht zu erhalten, und es zeigt sich, daß die Umsetzung in der Praxis ohne eine Aufblähung der Bürokratie nicht möglich ist.

Kollege Stummvoll hat es ja für die Wirtschaftskammer richtigerweise dort formuliert, und auch in mehreren Presseaussendungen. Kollege Stummvoll! Es ist traurig, daß Sie zwar als Generalsekretär der Standesvertretung wissen, wie es gehen müßte, daß Sie aber als Abgeordneter hier im Hohen Hause offensichtlich mehr dem Koalitionszwang als Ihrem Fachwissen unterliegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie schütteln zwar den Kopf, aber ich finde das traurig. Die Frage der Politikverdrossenheit in Österreich ist eine Frage, die sich durch sehr viele Gazetten – gerade jetzt vor der EU-Wahl –zieht. Glauben Sie nicht, Herr Kollege Stummvoll, daß Leute wie Sie, wie Maderthaner und wie


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Puttinger maßgeblich daran beteiligt sind, daß die Menschen in Österreich Politikverdrossenheit berechtigterweise empfinden? (Abg. Dr. Stummvoll: Das sagt ein Freiheitlicher!)

Das, was Sie in Ihrer Standesvertretung formulieren und postulieren, vergessen Sie doch alle drei, wenn Sie hier bei der Türe hereinkommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich konzediere Ihnen aber, daß Sie und Kollege Puttinger wenigstens in der letzten Legislaturperiode noch so fair waren, an der Abstimmung nicht teilzunehmen. In der jetzigen Legislaturperiode ist es allerdings deutlich und klar sichtbar – zumindest im Sozialausschuß, Herr Kollege Stummvoll, wo Sie brav und koalitionstreu Ihre Hand oben gehabt haben –, daß Sie Ihr Fachwissen der Koalitionstreue untergeordnet haben.

Ich sage das deswegen so deutlich und so klar, weil ich meine, daß jemand, der wie Sie eigentlich immer einen fachlichen Anspruch erhoben hat und der für mich auch ein glaubwürdiger Vertreter seines Berufsstandes war, dann, wenn er durch die Parlamentstüre hier hereinkommt, nicht all das, was er fachlich kann und weiß, einfach über Bord werfen kann.

Herr Kollege Feurstein! Sie von der Österreichischen Volkspartei sind hier Ihren eigenen Ansprüchen im Wahlkampf, auch mit der Formulierung, daß Österreich entbürokratisiert werden muß, untreu geworden.(Beifall bei den Freiheitlichen.) Das sage ich deutlich und klar. Da gibt es für mich kein Jota zu korrigieren.

Es ist für uns alle, die wir im Sozialausschuß sind, und zwar von allen fünf Fraktionen, unbestritten, daß die soziale Absicherung für 100 Prozent der österreichischen Erwerbstätigen – ganz egal, ob sie als Unternehmer oder als Arbeitnehmer tätig sind – zu erfolgen hat. Jeder ist im Laufe seines Lebens irgendwann einmal Unternehmer, Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, in jeweils unterschiedlichen Funktionen. Und irgendwann einmal kommt für jeden auch das Seniorenalter, wo er auf die Früchte seines langen Arbeitslebens zurückgreifen möchte und ihm das soziale Netz in entsprechender Form zugute kommen soll.

Herr Kollege Feurstein! Sie haben stolz ausgeführt, daß uns der Standpunkt in der Frage der Pflichtversicherung und Versicherungspflicht voneinander unterscheidet. Ich sage das auch ganz stolz: Es ist das, was uns Freiheitliche von Ihnen, von der Österreichischen Volkspartei, unterscheidet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen wollen, daß jeder – egal, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber – selbst zwischen mehreren Wahlmöglichkeiten entscheiden kann, welches System der Beitragszahlung und welches System der sozialen Absicherung er für sich wählt. Aber eines ist klar: Eines der angebotenen Systeme muß er wählen.

Sie, Herr Kollege Feurstein, gehen von der Fiktion der Solidargemeinschaft, so wie es die Sozialdemokraten schon seit mehr als hundert Jahren tun, aus. (Abg. Dr. Feurstein: Das stimmt nicht! Das ist ein falscher Schluß!) Ich sage ganz klar und deutlich dazu: Auch in Ihren christlich-sozialen Wurzeln sind diese Theorien von Anfang an bei Ihrer Bewegung durchaus mit dabei gewesen. Aber vergessen Sie bitte eines nicht: Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Dinge!

Die Unternehmer, Herr Kollege Feurstein, werden mit Sicherheit in der Lage sein, auch das vorliegende Gesetz wieder zu umgehen. Und dann wird das passieren, was wir im Ausschuß, gemeinsam mit Kollegin Hostasch und jenen, die aus soziale Überlegungen heraus "Bauchweh" bei dieser Beschlußfassung gehabt haben, eigentlich schon vermutet haben, daß nämlich die Umgehung und damit die Schwarzarbeit, die Schwarzbeschäftigung und das Herausfallen aus dem sozialen System in Österreich aufgrund dieser Gesetzesmaterie zunehmen und nicht abnehmen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, daß es müßig ist, darüber zu diskutieren, dieses System des Werkvertrages zu reglementieren und zu novellieren und nochmals zu novellieren, sondern ich halte es – ähnlich wie Kollege Böhacker – schlicht und einfach für ein schlechtes Gesetzeswerk, das in der


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vorliegenden Form nicht repariert werden kann. Ich akzeptiere durchaus, daß die Grundüberlegungen – vom Sozialministerium bis zu den Sozialsprechern – die richtigen gewesen sind, nämlich jeden in das soziale System mit einzubeziehen. Aber ich bezweifle, daß der Weg, den Sie heute hier zur Beschlußfassung vorlegen, der richtige Weg ist. Ich bezweifle auch, daß er ein effizienter Weg ist, und ich bin mir im Gegensatz zu Ihnen sicher, daß er ein verfassungswidriger Weg ist.

Ich habe auch folgendes von Leuten aus Ihren Reihen gehört: Na gut, dann brauchen wir halt etwa drei Jahre, bis das ausjudiziert ist, und in der Zwischenzeit bekommen wir die Beiträge. – Ich sage ganz deutlich und klar: Für mich ist diese Geisteshaltung, die von manchen zwar hinter verschlossenen Türen, aber trotz alledem öffentlich kolportiert wird, für einen Parlamentarier schlichtweg ein Skandal! Ich halte das deswegen für einen Skandal, weil wir alle der Verfassung verpflichtet sind und dazu, verfassungsmäßige Bedenken stärker in unseren Beratungen hier im Plenum zu berücksichtigen.

Sie, Herr Kollege Feurstein, haben jedenfalls ein "Verdienst": daß Ihnen, obwohl Sie auf die Verfassung vereidigt sind, verfassungsmäßige Bedenken nicht einmal ein Wort wert waren! Das bleibt Ihnen von der heutigen Diskussion jedenfalls übrig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser : Zu Wort hat sich nunmehr Herr Bundesminister Hums gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

13.48

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Ich habe hier bereits mehrfach erklärt – niemand wird das bestreiten –, daß wir in Österreich ein sehr gutes Sozialsystem haben, ein System, das im Laufe der Jahre gewachsen ist. Bei diesem Wachsen, beim Hinzufügen neuer Bestimmungen ist es allerdings auch dazu gekommen, daß es in unserem Sozialversicherungssystem eine ganze Reihe von Ungleichheiten und Ausnahmeregelungen gibt.

Grundsätzlich ist es so, daß Bauern, Gewerbetreibende, Arbeiter, Angestellte sozialversichert sind und dafür auch – ihrem Einkommen entsprechend – Sozialversicherungsbeiträge leisten. Einen Bereich gibt es aber – das ist der Bereich, den wir jetzt regeln, den der dienstnehmerähnlichen Werkverträge, der freien Dienstverträge –, der bisher keinen Sozialschutz hatte, wo aber auch keine Beiträge zu entrichten waren.

In den letzten Jahren ist es immer mehr und mehr dazu gekommen, daß die Sozialversicherung in diesem Bereich umgangen wurde, daß anstelle von Dienstverträgen für Arbeiter und Angestellte sogenannte Werkverträge abgeschlossen wurden, wodurch man Arbeitnehmer ohne sozialen Schutz quasi zu Selbständigen gemacht hat.

Diese Umgehung wurde, wie gesagt, immer stärker genutzt, und die Tendenz ist weiterhin sehr stark steigend. Daher war es und ist es notwendig, daß wir auf der einen Seite danach trachten, nach all den Jahren dieses Wachsens eine wirkliche Neuregelung zu finden, die in die Richtung geht, die ich bereits heuer im Frühjahr angekündigt habe und die erfreulicherweise heute auch vom Parlament, vom Nationalrat mit Entschließungsantrag festgelegt wird.

Die Richtung muß sein, daß wir allen Erwerbstätigen sozialen Schutz bieten können, die Richtung muß sein, daß auch von jedem Einkommen aus Erwerbstätigkeit ab einer bestimmten Grenze, bis zu einer bestimmten Grenze Beiträge in gerechtem Maße gezahlt werden.

Diese Gesamtregelung ist aber aufgrund der vielen von mir schon zitierten Ausnahmeregelungen und Ungleichheiten sicherlich nicht innerhalb weniger Monate zu erreichen. Notwendig war es aber, die Umgehungsmöglichkeiten im Bereich der dienstnehmerähnlichen Werkverträge und der freien Dienstverträge zu verringern. Daher haben wir diese Regelung auch mit Wirksamkeit ab 1. Juli getroffen. Ich habe damals schon erklärt: Es ist eine neue Materie, und sie ist aufgrund der Vereinbarungen, die auf der Ebene der Sozialpartner, auf politischer Ebene zu tref


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fen waren, von vornherein eingegrenzt worden, zum Beispiel auf dienstnehmerähnliche Werkverträge.

Das erfordert eine Reihe von Regelungen, die beachtet werden müssen. Solche Regelungen hat es aber auch früher in der Judikatur schon gegeben. Da hier beispielsweise zitiert wird, daß bei den dienstnehmerähnlichen Werkverträgen eine bestimmte Anzahl von Verträgen innerhalb einer bestimmten Zeit vorliegen muß, sage ich: Wir haben nur in das Gesetz aufgenommen, was vorher – offensichtlich völlig unbemerkt von allen Experten – längst Judikatur war.

Viele andere Bestimmungen, die heute als Ausnahmen kritisiert werden, hat es auch vorher schon gegeben, nur wurden sie nie beredet. Beispielsweise hat es jene Regelung schon vorher gegeben, wonach zwei oder mehrere Dienstverträge nebeneinander, wenn sie in Summe über der Höchstbeitragsgrundlage der Krankenversicherung gelegen sind, nicht zu einer Rückzahlung der Beiträge ab der Höchstbeitragsgrundlage für die Arbeitnehmer geführt haben. – Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch sagen: Es besteht auch kein Anspruch des Arbeitgebers aus diesem System, eine Rückzahlung zu fordern. Wir haben für die Krankenversicherung bestimmte Regelungen: eine Parität in den Beitragszahlungen, aber keine Parität zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern bei der gesamten Mittelaufbringung, denn neben den Beitragssätzen zahlen die Arbeitnehmer auch noch eine Reihe von weiteren Finanzmitteln für die Krankenversicherungen, beispielsweise die Rezeptgebühr und ähnliches. Daher kann auch bei dieser vorgesehenen Rückzahlung nicht auf der Parität bestanden werden.

So gibt es eine Reihe von Regelungen, die notwendig sind, die heute als kompliziert kritisiert werden, die aber in Wahrheit bei den Dienstverträgen und auch bei den anderen Versicherungsfällen immer schon gegeben waren. Und da kritisiert wird, daß das Anmelden dieser Werkverträge oder freien Dienstverträge so kompliziert ist – Herr Abgeordneter Dr. Feurstein hat bereits eine Kopie des Anmeldeformulars vorgewiesen, die Kopie war aber ein bißchen größer als das Original –, zeige ich Ihnen das Formular hiemit im Original. (Der Redner hält einen Vordruck im Format DIN A5 in die Höhe.) – Das ist das gesamte Anmeldeformular. Da kann sich niemand beschweren! Wenn allerdings von bestimmten Oppositionsparteien zu mehr Bürokratie aufgefordert wird, etwa gefordert wird, man sollte von vornherein eine Bescheiderstellung verlangen, dann muß man sich darüber im klaren sein, daß damit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet würde. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Dieses Formular ist das Anmeldeformular: so klein, so einfach wie bei jedem Dienstvertrag. Und die Frage, Herr Abgeordneter Peter, ob es ein Dienstvertrag oder ein anderer Vertrag ist, war auch vor dem 30. Juni immer zu klären. Wir haben mit der Neuregelung nur Umgehungsmöglichkeiten beseitigt – in einem bestimmten Ausmaß, nicht zur Gänze. Letzteres kann erst möglich sein, wenn wir eine Gesamtregelung finden. Was wollten wir damit erreichen? – Wir wollten erstens erreichen, daß Arbeitnehmer nicht dadurch aus der sozialen Sicherheit hinausgedrängt werden, daß man ihnen an Stelle eines Dienstverhältnisses nur einen sogenannten dienstnehmerähnlichen Werkvertrag oder einen freien Dienstvertrag anbietet. – Das ist das erste Ziel.

Das zweite Ziel – weil hier von Geldbeschaffung die Rede war – ist selbstverständlich auch, die Beiträge gerecht hereinzubringen. Wenn beispielsweise für die Krankenversicherung Beiträge entsprechend dem Einkommen geleistet werden, dann darf es nicht dazu kommen – und das war sehr, sehr häufig der Fall –, daß ein relativ niedrig bezahlter Dienstvertrag den vollen Versicherungsschutz geschaffen hat und daneben unbegrenzt mit Werkverträgen und freien Dienstverträgen dazu verdient werden konnte. Sicherlich ist es so – ich bedaure das auch –, daß jeder, der jetzt mehr an Beiträgen zahlen muß, damit nicht zufrieden sein wird.

Aber bei all den Studien, die wir über die Neuordnung in der Versicherung noch anstellen werden, muß ich leider jetzt schon ausschließen, daß wir eine Weltneuheit erfinden können: die erste Sozialversicherung ohne Beiträge und ohne Steuerleistungen. Das heißt, für den sozialen Schutz ist es auch notwendig, daß gerecht, dem Einkommen entsprechend, die Beiträge aufgebracht werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Das heißt, erstens, kein Hinausdrängen des einzelnen aus dem sozialen Schutz, zum zweiten, Beitragsgerechtigkeit im Interesse aller Versicherten. Das, was bisher auf der einen Seite an Beitragszahlungen vermieden wurde, mußte ja von den anderen hereingebracht werden.

Das dritte Element ist, daß damit auch unter den Unternehmungen die Wettbewerbsgleichheit in diesen Bereichen wiederhergestellt wird. Damit meine ich, daß es in manchen Branchen schon üblich geworden ist, sich mehr und mehr Sozialversicherungsbeiträge zu ersparen und die Arbeitnehmer hinauszudrängen.

Wenn nur ein Unternehmen in einer Branche damit beginnt, ein zweites Unternehmen beginnt – die Ergebnisse der Beratungen zeigten in dieser Richtung –, dann wird die gesamte Branche in diese Richtung gedrängt. Das waren die Gründe, warum wir diese schwierige Materie und dieses sicher nicht populäre Unternehmen durchführen müssen – zum Schutz des einzelnen in der Sozialversicherung, zum Schutz des gesamten Systems aller Versicherten, auch der Pensionisten, die kaum je von Werkverträgen gehört haben. Diese Beiträge müssen natürlich zur sozialen Absicherung aller gerecht hereingebracht werden, und gleichzeitig muß auch die Wettbewerbssituation für alle gleichmäßig gestaltet werden.

Ziel muß es, wie gesagt, sein: eine wirklich allgemeine Sozialversicherung – ein sicher längerfristiges Ziel –, sodaß Erwerbseinkommen ab einer bestimmten Höhe, bis zu einer bestimmten Höhe sozialen Schutz garantiert, aber auch Sozialversicherungsbeiträge damit verbindet.

Ganz kurz zu einigen Debattenbeiträgen. Herr Abgeordneter Öllinger ist im Moment nicht hier. Seinen Ausführungen konnte ich überhaupt nicht folgen. Ich glaube aber ...(Zwischenruf der Abg. Motter. )

Wenn Sie hier erklären, es wäre jetzt schlechter als früher, weil es eine Versicherungsgrenze von 7 000 S gibt, muß ich Ihnen sagen: Bis zum 30. Juni hat es überhaupt keine Versicherungsgrenze für diese freien Dienstverträge und Werkverträge gegeben. Da konnte man beliebig, ohne Rücksicht auf das Einkommen – von null bis unendlich – jemanden in diese Situation hineindrängen beziehungsweise konnte man sich die Beitragszahlungen ersparen. Daher verstehe ich nicht, warum jetzt mehr Anreiz zur Umgehung gegeben sein sollte, und zwar dadurch, daß diese Grenze von 7 000 S existiert.

Wir haben ursprünglich eine gemeinsame Grenze gehabt. Diese war aus verschiedenen Gründen nicht haltbar. Jetzt haben wir diese Versicherungsgrenze für die freien Dienstverträge, für die dienstnehmerähnlichen Werkverträge von 7 000 S. Aber das ist ein wesentlich anderer und wesentlich besserer Zustand als vor dem 30. Juni.

Wenn gleichzeitig Herr Abgeordneter Öllinger argumentiert, wir würden die Existenz von Menschen gefährden, weil wir sie sozialversichern, und wenn Sie, Frau Abgeordnete, das konsequent weiterdenken, dann würden wir ja zur Existenzsicherung aller eminent beitragen – ein absurder Gedanke! –, wenn wir die Sozialversicherung abschaffen würden. Es ist doch wirklich absurd, zu behaupten, wir gefährdeten die Existenz eines Menschen, wenn wir ihm den sozialen Schutz, der in Österreich sicher gut ist, auch künftig zukommen lassen.

Sie haben hier die Künstler und andere erwähnt: Es gibt da vorübergehende Ausnahmeregelungen. Ich meine, all diese Ausnahmeregelungen haben den Charakter des Vorübergehenden. Zu den Künstlern: Wir können doch Kunstförderung auf Dauer nicht so betreiben, daß wir sagen: Ihr zahlt euch die Kunstförderung quasi selber, dafür seid ihr nicht sozialversichert. Es kann doch nicht Aufgabe der Sozialversicherung sein, Kunstförderung zu betreiben – so notwendig sie auch ist. Dafür gibt es doch andere Wege! Daß das, was sich der Staat an Zuschüssen zu Pensionen dann erspart, wenn einmal alle gleichmäßig ihr eigenes Recht auf Pension erwerben, einmal umgeleitet wird in die Kunstförderung, wäre allerdings durchaus möglich.

Daher bitte ich wirklich, alle diese Dinge konsequent zu Ende zu denken.


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Da Sie von unterschiedlichen Regelungen reden: Jeder, der sich mit Sozialversicherung beschäftigt, weiß, wie viele unterschiedliche Regelungen es derzeit gibt. Ich bin bemüht – und das geht sicher nur längerfristig –, unser sehr gutes Sozialsystem dadurch aufrechtzuerhalten, daß wir auf der einen Seite verhindern, daß Menschen hinausgedrängt werden aus dem Schutz, und daß wir andererseits verhindern – auch das muß sein –, daß es keine Versicherungsbeitragsgerechtigkeit gibt.

Das sind die Ziele. – Wir werden diese Schritte, dem Entschließungsantrag und den Vorstellungen gemäß, die ich bereits zu Beginn des Jahres hier deponiert habe, entsprechend fortsetzen: für eine allgemeine Sozialversicherung mit Beitragsgerechtigkeit, mit Leistungsgerechtigkeit. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 7 Minuten angeboten. Ich nehme das Angebot an. (Heiterkeit.)

14.01

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe sehr offen zu, ich habe mir in dieser Frage, über die wir heute abstimmen, die Entscheidungsfindung nicht leichtgemacht. Ich habe es mir deshalb nicht leichtgemacht, weil ich mich ungefähr zweieinhalb Jahrzehnte – wie viele wissen – hauptberuflich mit Fragen der Sozialversicherung, des Arbeitsrechts befaßt habe, und ich habe diesbezüglich auch – wie Kollege Haupt von den Freiheitlichen dies dankenswerterweise auch anerkannt hat – in diesem Haus einen guten Ruf. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich war der erste – meine Damen und Herren, der erste! –, der dieser Regelung hier im Sommer zugestimmt hat, aber als ich die ersten Auswirkungen aus der Praxis, von den Betrieben erfahren habe, habe ich gesagt: Okay, ich gebe zu, ich habe mitgestimmt, aber offensichtlich war es ein Fehler, die Regelung so zu beschließen. Ich bekenne mich dazu.

Meine Damen und Herren! Man muß aber eines auch schon sehr deutlich sagen – und ich schließe hier unmittelbar an meinen Freund Gottfried Feurstein an –: Dort, wo der größte Bürokratieschub erfolgt ist durch die Neuregelung, geschah dies praktisch aufgrund der Aufforderungen des Liberalen Forums: Liebe Betriebe, verlangt einen Bescheid! (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Als ich erfahren habe, Herr Kollege, daß hier von der Gebietskrankenkasse ein Fragebogen von 14 Seiten mit 48 Fragen versendet wird, habe ich erklärt: Ich habe zwar das Gesetz beschlossen, aber einen Fragebogen mit 48 Fragen habe ich nicht beschlossen. – Antwort der Gebietskrankenkasse: Wenn das Liberale Forum das haben will, müssen wir das Ermittlungsverfahren einleiten, und das geht halt nur so bürokratisch.

Meine Herren Kollegen vom Liberalen Forum! Sie haben hier eine Aktion gesetzt, die ein Bürokratiebumerang für jene Betriebe wurde, die Ihnen gefolgt haben, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Sie haben es beschlossen!)

Und lassen Sie mich sehr offen auch eines sagen: Jene Beispiele, die Ihr Kollege Kier hier vom Rednerpult aus gebracht hat – und zwar in geradezu kabaretthafter Weise –, sind genau diejenigen, die eben nicht stimmen. (Abg. Mag. Peter: Das sind auch kabarettreife Regelungen!) Denn der Schneider, der hier immer als Beispiel angeführt wird, der hat entweder einen Gewerbeschein, dann hat er das Problem nicht – oder er pfuscht, und das wollen wir sowieso nicht; dann ist er auch nicht erfaßt. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Kier! Sie agieren hier wider besseres Wissen – oder es fehlt Ihnen der Einblick und die Rechtskenntnis für diese sicherlich sehr komplizierte Materie. (Abg. Dr. Khol: Deswegen verjagt er die Abgeordneten zu den Freiheitlichen!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, man muß aber eines auch sehr deutlich sagen, gerade was das Sozialversicherungsrecht angeht: Das ASVG ist nicht zufällig jenes Gesetz der Zweiten


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Republik, das am häufigsten novelliert wurde – nicht weil es schlecht ist, sondern weil die wirtschaftliche, gesellschaftliche, soziale und technische Entwicklung ständig neue soziale Bedürfnisse schafft. Das ist der Grund für diese oftmalige Novellierung. Auch das muß man einmal sehr, sehr deutlich sagen!

Es ist in der Demokratie nicht die Verantwortung der Mehrheit, zu erklären, warum etwas nicht geht, wie das die Opposition tut, sondern zu erklären, wie es geht, wie man gestaltet und wie man Politik macht! Das heutige Gesetz ist eine Problemlösung, meine Damen und Herren, die zweifellos nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Und ich sage Ihnen voraus: Natürlich wird es auch in Zukunft Novellen zu Sozialversicherungsgesetzen geben, aber diese Regelung, die wir heute beschließen, ist allein schon dadurch ein wesentlicher Fortschritt, daß es einigermaßen unbestritten ist, daß durch die Erhöhung der Grenze auf 7 000 S ungefähr zwei Drittel aller Fälle wieder wegfallen, die von der alten, noch geltenden Regelung betroffen sind: Zwei Drittel aller Fälle werden allein durch die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze von 3 600 S auf 7 000 S wegfallen. – Wenn das kein Fortschritt ist, meine Damen und Herren, dann weiß ich nicht, was ein Fortschritt ist: Zwei Drittel sind nicht mehr betroffen von dieser Regelung! (Beifall bei der ÖVP.)

Eines muß man auch sehr deutlich sagen: Die von mir gerade angesprochene wirtschaftliche, gesellschaftliche und vor allem technologische Entwicklung – Stichwort Telearbeit – zeigt in der Praxis die Grenzen auf: Was ist ein Arbeitsvertrag, was ist ein Werkvertrag, ein echter, ein unechter, was ist ein dienstnehmerähnlicher Vertrag, was ist ein freier Arbeitsvertrag? – Die Grenzen werden immer fließender.

Ich weiß schon: Die einfachste Lösung wäre – und ich gebe zu, ich habe selbst einige Zeit damit geliebäugelt – die berühmte große Lösung, die da lautet: Entweder bist du Arbeitnehmer, dann bist du eben ASVG-versichert, oder du bist nicht Arbeitnehmer, dann bist du eine Art Selbständiger, dann bist du im GSVG versichert. – Wunderbar. Nur, meine Damen und Herren: Was heißt das? – Das heißt, daß der Kreis der dann Betroffenen mindestens vier- bis fünfmal so groß wäre als der Kreis, der jetzt davon betroffen ist. Den Wirbel schaue ich mir an, den es geben wird, wenn wir in einigen Jahren vielleicht diese große Lösung beschließen werden, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Es schaut alles gut aus, solange es nicht konkret ist. Wenn es dann konkret wird und die betroffenen Gruppen draufkommen, was das für sie bedeutet, dann schaut es ganz anders aus, Herr Kollege Peter. Dann schaut es ganz anders aus! Dann kommt man mit billiger Polemik nicht mehr über die Runden. Dann kommt die Stunde der Wahrheit.

Und eines, glaube ich, muß man auch sehr deutlich sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Diese Regelung – und ich bin überzeugt, wir werden über diese Materie weiterhin diskutieren müssen, genauso wie wir über das gesamte Sozialrecht weiterhin diskutieren müssen –, die wir heute beschließen, ist ein Schritt in die richtige Richtung, daher kann ich guten Gewissens, ohne meinen Ruf zu gefährden, dieser Regelung zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben uns diese Entscheidung nicht leichtgemacht, glauben Sie es mir, aber wir tragen die Verantwortung der Mehrheit, zu gestalten – und nicht nur zu kritisieren. (Beifall bei der ÖVP.)

14.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.07

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muß gestehen, daß ich eigentlich mit einem gewissen Frust hier zum Rednerpult gekommen bin, um zu einer Endlosdebatte auch noch einen Beitrag zu leisten. (Abg. Dr. Schwimmer: Sie können auch wieder reingehen!) Mit einem gewissen Frust deshalb, weil ich glaube, daß in diesem Hohen Haus niemand – auch Sie nicht, Herr Stummvoll – überzeugt ist, daß das, was wir beschließen werden – besser gesagt: was Sie


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beschließen werden –, wirklich Hand und Fuß hat und Sinn macht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie sich darauf berufen, daß Sie sich als Experte viele Jahre hindurch mit einschlägiger Problematik beschäftigt haben, wenn Sie als Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer für Tausende Unternehmer auch insofern verantwortlich sind, als Sie ihnen doch Gesetze und Regelungen vorschlagen sollten, die administrierbar und überschaubar sind, dann verstehe ich Ihre Not. Ich verstehe Sie, ja ich verstehe auch den Eiertanz, den Sie aufführen. Ich verstehe es, Herr Stummvoll: Bei der ersten Regelung kam sofort Ihre Entschuldigung in der Öffentlichkeit: Nein, nein, das ist schlecht, jetzt machen wir eine Reparatur. (Abg. Dr. Stummvoll: Wir verbessern es!) Aber Sie wissen doch, weil Sie ein Experte sind, wahrscheinlich viel besser als ich, daß diese Reparatur eine Verschlechterung brachte. Ich werde es Ihnen nur an zwei Punkten festmachen.

Der erste Punkt ist und bleibt die Bürokratie. Herr Feurstein, wenn Sie sagen, wir haben die Lage im Griff, dann bekomme ich schon alleine von der Diktion eine Gänsehaut. Das erinnert mich an schreckliche Dinge, irgend etwas im Griff zu haben, und es ist natürlich nicht sehr liberal. Und außerdem: Von Ihnen und Ihrer Fraktion wäre ich natürlich ungern im Griff. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Und eines haben Sie dabei vergessen. Vielleicht hat es die Bürokratie im Griff, weil sie unbegrenzt in den Staatssäckel greifen und die notwendigen Beamtenpositionen schaffen kann, um diesen Unsinn auch zu administrieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber denken Sie auch an die Unternehmerseite, und fragen Sie die Leiter der Personalbüros, reden Sie mit den Managern! Die werden Ihnen sagen, was sie im Griff haben. Denen steigen die Grausbirnen auf, meine Damen und Herren, aber im Griff haben sie gar nichts. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der zweite Punkt ist etwas, was mich besonders berührt. Es wird uns sehr oft vorgeworfen, unsere Vorschläge seien wirtschaftsliberal, neoliberal, manchesterliberal und zeichneten sich durch soziale Kälte aus.

Ja bitte, meine Damen und Herren, haben Sie sich überlegt, welche Kälte, welche soziale Kälte von dieser neuen Regelung ausgeht, von dieser unglückseligen Regelung, eine 7 000-S-Obergrenze einzuführen? Haben Sie nicht bedacht, welcher psychologische Druck auf potentielle Arbeitgeber ausgeübt werden wird, indem das verfügbare Arbeitseinkommen in kleine Portionen geteilt werden muß, um so die 7 000-S-Grenze zu erreichen?

Herr Feurstein, Sie werden ohnmächtig sein mit Ihrer Kontrolle. (Abg. Dr. Khol: Nein, ohnmächtig wird er nicht sein!) Sie werden es nicht – wie die Frau Hostasch glaubt – kontrollieren können und dann agieren, sondern Sie werden getrieben werden, es wird Sie überschwappen, und dann werden viele von Ihnen, von der SPÖ-Fraktion wieder auf die "bösen" Unternehmer schimpfen und auf die "bösen" Arbeitgeber, die solche Regelungen ausnützen.

Meine Damen und Herren! Eines ist klar: Wenn wir hier Gesetze beschließen, die eine Interpretation, die einen Spielraum, eine Gestaltungsmöglichkeit für die Menschen in diesem Lande zulassen, dann können Sie sich nicht beklagen, wenn die Betroffenen diese Gestaltungsmöglichkeit auch ausnützen. Das ist ja auch legitim. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie haben daher, ja wir haben gemeinsam die Aufgabe, Regelungen zu beschließen, die eben eine solche Gestaltungsmöglichkeit nicht beinhalten. Das haben Sie mit einer 7 000-S-Grenze sträflich vernachlässigt, und ich prophezeihe Ihnen: Es wird in wenigen Monaten die Krisenfeuerwehr ausrücken, und es wird eine neuerliche Reparatur gerade in diesem Punkt geben.

Ich glaube Ihnen, Herr Minister, daß auch Sie in diesem Punkt Bedenken haben. Ich möchte Ihnen keinerlei Komplimente machen, das möchte ich dazusagen, aber ich glaube Ihnen, daß Sie von einem ehrlichen sozialen Engagement getragen handeln, aber daß Sie einer solchen


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Regelung zustimmen konnten, macht mich fassungslos. Da muß ich sagen: Wer von uns beiden ist jetzt ein sozial eingestellter Mensch – Sie oder ich?

Das dritte, meine Damen und Herren, ist, daß Sie sich so nonchalant über Verfassungsbedenken hinwegsetzen, die nicht irgendwer in diesem Land geäußert hat. Es sind diese Bedenken massiv von zahlreichen, unterschiedlichen politischen Lagern zuzurechnenden – wenn man das überhaupt tun darf; man sollte es sicherlich nicht tun – Experten gekommen. Sie aber tragen diesen Warnungen keineswegs Rechnung, Sie sind nicht bereit, zumindest zu sagen: Bitte schön, hier gibt es nach unserem Dafürhalten wirklich ernstzunehmende Bedenken, lassen wir den Verfassungsgerichtshof darüber befinden.

Denken Sie doch nur daran, wie viele Individualklagen Sie vermeiden könnten, welchen unsinnigen Bürokratieaufwand, welche Geldverschwendung Sie diesem Land ersparen könnten allein dadurch, daß Sie von vornherein durch das letztinstanzliche Gremium klären lassen, ob das, was Sie beschließen wollen oder beschlossen haben, auch verfassungskonform ist.

Es wird Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP, doch kein Stein aus der Krone fallen, und außerdem wird die Wahrheit ohnehin unweigerlich ans Licht kommen. Ob das durch diese Anfrage geschieht oder durch gerichtliche Beschlüsse nach Monaten und nach Jahren und nach Millionen verschwendeter Steuermittel, das müßte Ihnen doch egal sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich appelliere daher noch einmal – insbesondere an Sie, Herr Generalsekretär Stummvoll, und an Ihren Chef, den Herrn Präsidenten Maderthaner –: Überlegen Sie noch einmal, ob Sie die Vorstellung, daß man den Verfassungsgerichtshof mit diesen Bedenken konfrontiert, unterstützen. Ich glaube, es würde Sie auszeichnen.

Ganz zum Schluß, Herr Stummvoll – weil Sie sich immer darauf berufen, daß Sie nicht polemisch seien und nur versuchten, die Sachlichkeit in den Diskussionen immer in den Vordergrund zu stellen –: Es ist eben ein großes Problem, wenn Sie versuchen, es so darzustellen, als hätte das Liberale Forum diesen Unsinn beschlossen. Und wenn Sie uns jetzt vorwerfen, wir seien schuld: Wer soll Ihnen denn das glauben? Herr Stummvoll, das ist eine Wahlkampfaussage, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Das Recht auf zivilen Widerstand, das doch jeder Bürger hat, müssen Sie doch auch Ihren Mitgliedern – bedauerlicherweise noch immer Zwangsmitgliedern – zugestehen, Herr Stummvoll, das ist doch ein Grundrecht! Ich muß doch zivilen Widerstand gegen eine Regelung leisten können, die ich als unsinnig erkenne und von der ich unmittelbar und nachhaltig betroffen bin! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Stummvoll, es ist uns genauso bewußt wie Ihnen, daß große Lösungen und grundlegende Reformen neben vielen anderen selbstverständlichen Voraussetzungen Zeit, Überzeugungskraft und Fachkenntnis brauchen. Was wir so bedauern, und wir kommen ja heute um 15 Uhr noch dazu, ist, daß Sie zwar grundsätzlich immer die Notwendigkeit grundlegender Änderungen einsehen, daß Sie es auch zugeben, daß Sie auch sagen: Jawohl, wir brauchen eine Reform!, wie das auch der Herr Bundesminister schon mehrfach gesagt hat, daß Sie es aber immer verschieben, verschieben, verschieben, und daß Sie sich nicht einmal dazu bereit erklären, auch gegen den inneren Widerstand in Ihren eigenen Reihen die notwendigen schmerzhaften Korrekturen bei Ihrer eigenen betroffenen Klientel vorzunehmen, um endlich den Weg einer Gesundung zu beschreiten.

Das ist nicht nur bei der Werkvertragsregelung so, das ist bei jeder anderen großen Reform auch so. Diese Republik hat seit der Steuerreform nichts Nennenswertes, Grundlegendes mehr geändert, aber die Wirtschaft macht schnelle Fortschritte – das wissen Sie, Herr Stummvoll –, und diese Fortschritte lassen es nicht zu, daß wir uns zurücklehnen und sagen: Heute ist es noch nicht soweit. Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber ich sage Ihnen, dieser Schritt ist viel zu klein, er ist viel zu langsam, und bedauerlicherweise ist es in diesem Fall auch ein Schritt in die falsche Richtung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.17


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40. Sitzung / Seite 56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zum Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Beschränkung: 10 Minuten.

14.17

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Haselsteiner, auf Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken ist eigentlich Frau Präsidentin Hostasch in ihrem Debattenbeitrag schon eingegangen, und ich denke, die Kollegin Reitsamer hat auch in ihrem Beitrag bereits auf die Problematik der Abgrenzungsfragen bei den Werkvertragsregelungen hingewiesen und den politisch machbaren Kompromiß, der für eine Sozialversicherungsregelung notwendig ist, hier dargelegt, Herr Kollege Öllinger.

Faktum ist, daß immer mehr Menschen gezwungen sind, atypische Arbeitsverhältnisse anzunehmen, um überhaupt einen Job zu haben, weil die Wirtschaft ihnen keine typischen Dienstverhältnisse anbietet. Herr Kollege Haselsteiner! Man könnte genauso die soziale Verantwortung der Unternehmen hier einmal einfordern. (Beifall bei der SPÖ.)

Daß die Medien nicht auf der Seite einer sozialversicherungsrechtlichen Regelung stehen, verwundert nicht so sehr, kennt man doch die Arbeitsbedingungen vieler Mitarbeiter in dieser Branche. Im Jahr 1980 hat ein Handelsunternehmen bereits seine Filialleiter aufgefordert, Menschen für einige Stunden mit Werkvertrag zu beschäftigen. Der Filialleiter sollte sich überzeugen, daß diese – voraussichtlich überwiegend Frauen – mitversichert sind, daß sie, falls sie Kinder haben, jemanden haben, der die Kinder betreut, daß Wohnortnähe gegeben ist. Diese Frauen dürfen keine verbilligte Ware verkaufen, erhalten aber dafür ein Honorar.

Man sieht also, die Werkverträge schleichen sich schön langsam ein und verdrängen Dienstverhältnisse.

Die noch auf uns zukommende Problematik im Zusammenhang mit Telearbeit und Teleheimarbeit, die diese Situation noch drastisch verschärfen wird, möchte ich hier nur anreißen.

Wenn Kollege Kier diese Regelung heranzieht, um in seinem Debattenbeitrag wieder einmal Versicherungspflicht gegen Pflichtversicherung einzufordern, so darf ich ihn daran erinnern, daß diese Versicherungspflicht solche Eskapaden treibt, daß Menschen über 40 Jahren aufgefordert werden, die Versicherung zu wechseln, weil sie ein erhöhtes Versicherungsrisiko darstellen.

Ich bin sicher, daß wir hier keine endgültige Regelung gefunden haben, daß die Werkvertragsregelung nur ein erster Schritt sein kann. Es wäre ja auch denkbar, daß man zu einer Sozialversicherungsregelung kommt, wo alle Ausgaben, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsleistung Dritter gegenüber der Finanz geltend gemacht werden, wie eben Löhne, Gehälter, Honorare und so weiter, als Basis für Sozialversicherungsbeiträge herangezogen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin aber sicher, daß Bundesminister Hums mit der Intention, alle Erwerbseinkommen in gewissen Grenzen in die Pflichtversicherung einzubeziehen, den sozialpolitisch zukunftsorientierten richtigen Weg vorgibt.

Kollege Böhacker hat – vielleicht berufsbedingt – weniger die Interessen jener Menschen, die mit ihrer Arbeit nicht nur das tägliche Leben fristen müssen, sondern auch einer sozialen Absicherung bedürfen, im Sinn. Er denkt wohl eher unternehmenszentriert. Aber die Diktion des Abgeordneten Böhacker wie "Sondermüll" in seiner letzten Presseaussendung (Abg. Dr. Graf: Sie wissen nicht, was er denkt!), die heute zitierten Worte oder das von Abgeordneten Haupt geäußerte "Nachhängen einer Fiktion einer Solidargemeinschaft" können nur als menschenverachtend bezeichnet werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Sie wissen nicht, was Böhacker denkt!) Zu mir kommen jedenfalls junge Frauen, die liebend gerne ein Dienstverhältnis haben würden, und sie fragen sich heute schon, wie sie jemals zu einer sozialen Absicherung im Alter kommen werden.


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40. Sitzung / Seite 57

Herrn Kollegen Öllinger – ich sehe ihn jetzt nicht – müßte es eigentlich ähnlich gehen. Er müßte wissen, daß diese Frauen sich diese soziale Absicherung wünschen. Seine Ausführungen zu den Tagesmüttern können wohl nur als Polemik bezeichnet werden, weil ich schon davon ausgehe, daß Kollege Öllinger die tatsächliche Situation der Tagesmütter kennt.

Das Zusammenziehen mehrerer Verträge bei einem Auftraggeber ist ebenfalls eine Antwort auf geübte Praktiken. Die Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Sozialversicherungssystems wird sich aber in diesem Zusammenhang sicher auch insgesamt mit der Frage geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse befassen müssen.

Für die bisherigen Bemühungen in dieser schwierigen Materie möchte ich Ihnen, Herr Bundesminister, sehr herzlich danken. (Beifall bei der SPÖ.)

An diesen Dank darf ich aber auch eine Bitte anschließen. Herr Bundesminister! Wir sind gefordert, für Langzeitarbeitslose – wie von Kollegin Reitsamer angesprochen – durch Gesetzesnovellierung den Vertrauensschutz aufrechtzuerhalten. Im Steiermärkischen Landtag haben in der vergangenen Woche sowohl die SPÖ als auch die FPÖ einen Antrag dazu eingebracht. Der SPÖ-Antrag fand dank der Unterstützung durch die ÖVP die Stimmenmehrheit. Ich fordere Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten der ÖVP, auf, auch auf Bundesebene einer Lösung für diese Menschen im Sinne des Vertrauensschutzes zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.22

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Sozialminister! Ihre neue Werkvertragsregelung ist zutiefst frauen- und behindertenfeindlich, denn schon allein die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze von 3 600 S auf 7 000 S bewirkt, daß sehr, sehr viele behinderte Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nur halbtags arbeiten können und bis jetzt einen Versicherungsschutz genossen haben, diesen Versicherungsschutz verlieren werden. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die in einer Halbtagsbeschäftigung mehr als 7 000 S verdienen können, und zu jenen, die eine Halbtagsbeschäftigung haben, gehören im hohen Ausmaß behinderte Menschen. Diesen Menschen haben Sie jetzt ihre soziale Sicherheit entzogen. Sie haben sie sozial ausgeschlossen, weil es diesen Menschen in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, ihre eigene Pension zu erwerben beziehungsweise selbst sozialversichert zu sein.

Es hat Ihnen anscheinend nicht genügt, Herr Minister, daß noch immerhin 80 Prozent der behinderten Menschen ohnehin in keiner Sozialversicherung abgesichert sind, weil sie für ihre Erwerbstätigkeit mit Almosen und Taschengeld entlohnt werden, weil man nicht bereit ist, ihre Arbeit als Erwerbstätigkeit anzusehen. Aber das war Ihnen anscheinend noch zuwenig. Sie versuchen, auch jene Menschen, die jetzt noch ein halbwegs funktionierendes Dienstverhältnis mit geringem Einkommen haben, aus der Sozialversicherungspflicht, aus der Pensionsversicherungspflicht und aus der Pensionsversicherung hinausfliegen zu lassen. Sie wollen uns nicht das Recht auf selbstbestimmtes Leben geben, nein, ganz im Gegenteil, Sie wollen uns noch mehr in die Abhängigkeit von stationären Einrichtungen bringen, in eine Abhängigkeit, die darin besteht, daß behinderte Menschen keine Pension erwerben können, und in die Abhängigkeit, daß sie ihr Leben lang mit den Eltern oder mit Angehörigen mitversichert sein müssen.

Herr Sozialminister! Sie haben auch die Tagesmütter schwer getroffen und stellen deren Arbeit so hin, als wäre es keine Arbeit.

Sie, Frau Hostasch – ich wende mich jetzt an Sie – , waren stolz darauf, daß 400 000 S von der Kindergartenmilliarde gestrichen wurden, dabei müßten Sie froh sein, daß Frauen eine Arbeit übernehmen, für die in unserem Sozialstaat noch niemand gesorgt hat, nämlich die Absicherung von Kindern, wenn Mütter berufstätig sein müssen. Und einen Teil dieser Absicherung, damit Frauen wieder berufstätig sein können, haben die Tagesmütter erbracht (Abg. Silhavy: Frau Kollegin Haidlmayr! Wir wollen Dienstverhältnisse haben!) , und diese Tagesmütter haben Sie jetzt wieder aus dem sozialen Netz hinausgeworfen. (Abg. Koppler: Wir wollen ja


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40. Sitzung / Seite 58

Dienstverhältnisse! – Abg. Silhavy: Frau Kollegin Haidlmayr! Wir wollen Dienstverhältnisse haben!) Sie müssen mir aufzählen, wie viele Tagesmütter es in Österreich gibt, die über 7 000 S im Monat verdienen oder verdienen können. (Abg. Dr. Leiner: 20 Prozent verdienen über 7 000 S!) Die gibt es nicht! Und wenn Sie mir sagen können, wie viele es sind, dann sagen Sie es! Sie werden es nicht tun können, weil es keine Tagesmütter gibt, die ein Einkommen von über 7 000 S erreichen können. (Abg. Silhavy: Aber wir wollen doch Dienstverhältnisse!)

Das heißt konkret: Einerseits verlangen Sie von diesen Frauen, daß sie Ihre längst überfällige Frauenpolitik – und dazu gehört auch die Kindergartenpolitik – endlich einlösen, andererseits bestrafen Sie jetzt noch zusätzlich Frauen, die sich der Kleinkinder annehmen.

Eine Tagesmutter hat schon bei der Geringfügigkeitsgrenze von 3 600 S bis jetzt niemals gewußt, ob sie für den laufenden Monat voll versichert sein wird oder nur in die Geringfügigkeitsgrenze fallen wird. Eine Tagesmutter hat bis heute nie gewußt, ob sie es im Rahmen ihres Dienstverhältnisses im laufenden Monat schaffen wird, daß sie auch Krankengeld beziehen kann, und eine Tagesmutter hat bis jetzt auch nie gewußt, ob sie es schaffen kann, sich im laufenden Monat, in dem sie Kinderbetreuung geleistet hat, einen Pensionsanspruch zu erwerben oder nicht.

In Zukunft ist das sehr deutlich und sehr klar: Tagesmütter schaffen es nicht mehr, sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu sein, und Tagesmütter schaffen es auch nicht mehr, ihre eigene Pension einzuzahlen! (Abg. Silhavy: Wir wollen eben angestellte Tagesmütter!)

Sie haben mit dieser Lösung, die Geringfügigkeitsgrenze auf 7 000 S anzuheben, ausschließlich der Wirtschaft geholfen, denn mit dieser Lösung machen Sie es der Wirtschaft leicht, Dienstverhältnisse für jene Menschen, die jetzt ein geringes Einkommen hatten und sozialversicherungsrechtlich abgesichert waren, in Werkverträge umzuwandeln, sodaß diese Menschen, die in diesen Dienstverhältnissen arbeiten müssen, jetzt keinen Anspruch mehr auf Pension erwerben können und auch keinen Anspruch mehr auf soziale Absicherung haben. (Abg. Koppler: Das stimmt doch nicht! Frau Abgeordnete, das stimmt doch nicht!) Das ist Ihr Verdienst!

Ich glaube, das war auch von seiten der ÖVP gerade für diese Gruppe sehr gezielt und bewußt gemacht. Ich habe nicht vergessen, daß Ihr Abgeordneter Maderthaner verlangt hat, daß es für Behinderte, für Minderbegabte – was immer das auch sein mag und wer immer das zu beurteilen hat, was Minderbegabung ist – und für Langzeitarbeitslose einen eigenen Kollektivvertrag geben soll, dessen Gehälter unter denen der regulären Kollektivverträge liegen. Sie wollten damit erreichen, daß es gerade jenen Menschen, denen es ohnehin schon schlecht geht, noch schlechter gehen soll. Mit dieser Forderung sind Sie damals Gott sei Dank nicht durchgekommen, aber Sie haben es jetzt durch Ihre neue Lösung trotzdem geschafft, daß gerade sozial Schwache, daß gerade Menschen mit geringem Einkommen völlig aus dem sozialen Netz hinausgeflogen sind und in Zukunft keinerlei Chance mehr haben werden, dort wieder hineinzukommen.

Sie haben es auch zuwege gebracht, die begünstigten Behinderten, die so dringend auf ihre Arbeitsplätze angewiesen sind, aus ihrer Begünstigung hinauszuschmeißen, denn es gibt keinen Werkvertrag, der besagt, daß er begünstigte Behinderte bevorzugt behandeln muß. Begünstigte Behinderte sind jetzt aus dem Arbeitsmarkt draußen, und die Unternehmer haben es ganz einfach, denn mit nicht einmal 2 000 S im Monat haben sie sich ohnehin schon freikaufen können. Ob es jetzt im Monat ein paar Tausender mehr oder weniger sind, darauf kommt es auch nicht mehr an, Hauptsache, sie können sich jetzt von diesen Menschen befreien, loslösen und diese Menschen aus dem Arbeitsprozeß hinaushauen beziehungsweise überhaupt nicht mehr in den Arbeitsprozeß hineinnehmen.

Mit der Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze auf 7 000 S haben Sie ungeheuren Schaden angerichtet: Schaden an Menschen, die ohnehin noch nie etwas zu lachen hatten, und Schaden an Menschen, die ohnehin nur ein ganz, ganz geringes Einkommen haben, mit dem es meist ohnehin nicht möglich war, ihre Existenz abzusichern. (Beifall bei den Grünen.)


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40. Sitzung / Seite 59

Viele haben es bis jetzt geschafft, gerade noch über die 3 600-S-Grenze zu kommen, um sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu sein. Durch die Erhöhung auf 7 000 S wird das in Zukunft für viele nicht mehr möglich sein, sondern sie werden wieder in der Abhängigkeit von ihren Männern, von stationären Einrichtungen, von ihren Eltern sein. Und das wollten Sie anscheinend bewußt erreichen.

Ich habe Ihnen von der SPÖ, von der ÖVP und auch von der FPÖ noch nie zugestanden, daß Sie besonders frauenfreundlich sind, auch beim Liberalen Forum habe ich mein Problem damit. Es ist auch nie zur Diskussion gestanden, daß Sie besonders viel für behinderte Menschen übrig haben, aber daß Sie uns jetzt so fallenlassen und uns so untergehen lassen, das ist ungeheuerlich, das ist menschenverachtend, das ist menschenunwürdig!

Meine Damen und Herren! Ich fordere Sie auf: Wenn Sie auch nur ein Stück Bekenntnis zu den Frauen mit geringem Einkommen, zu behinderten Menschen, zu Tagesmüttern und allen anderen Menschen, die wenig verdienen können, haben, dann stimmen Sie heute diesem Entschließungsantrag nicht zu, denn eine Zustimmung bedeutet, daß Sie sich von diesen sozial schwachen Menschen in Zukunft noch mehr verabschieden und sie völlig allein im Regen stehenlassen!

Die vom Liberalen Forum vorgeschlagene Lösung, daß jeder schauen soll, sich eine Sozialversicherung zu suchen, die ihn dann auch absichern kann, ist nicht möglich. Sie alle wissen, daß gerade behinderte Menschen oder Menschen, die krank sind, von keiner einzigen Versicherungsanstalt genommen werden. Sie haben keine Chance, sich eine Versicherung zu erkaufen, weil ab 50 Prozent Behinderung jeder behinderte Mensch vom Dachverband abgewiesen wird. Es ist nicht leicht, sich selbst zu versichern und für sich selbst zu regeln, daß man halbwegs eine Absicherung erhält. Das geht nur für jene, die springen können und gut drauf sind – mit "gut drauf" meine ich, daß sie viel verdienen und körperlich gesund sind –, aber all jene Menschen, die das nicht haben und für die das nicht möglich ist, sind weg, sind jetzt völlig hinausgeflogen aus dem sozialen Netz.

Herr Minister! Sie müssen mir erklären, was Sie den behinderten Menschen, den Tagesmüttern und den Menschen mit geringem Einkommen zu sagen haben, wie es für sie jetzt weitergehen soll, damit sie die Möglichkeit haben, eine Pension zu erwerben, damit sie die Möglichkeit haben, selbst sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu sein, selbst in die Pensionsversicherung, in die Arbeitslosenversicherung einzahlen zu können, wenn sie erst einmal 7 000 S verdienen müssen, um überhaupt in den Genuß einer sozialen Absicherung zu kommen. Welche Alternativen haben Sie für Menschen, die ein Einkommen von 7 000 S nicht erreichen können? Wenn Sie eine Alternative haben, dann sagen Sie sie mir! Aber Sie haben keine.

Für mich gibt es nur eine einzige Möglichkeit, allen Menschen eine soziale Sicherung zu geben, nämlich dadurch, daß sie bei einer Erwerbstätigkeit automatisch sozialversichert sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Solange Sie nicht bereit sind, allen erwerbstätigen Menschen eine soziale Absicherung zu geben, sondern ganz im Gegenteil die Geringfügigkeitsgrenze von 3 600 S auf 7 000 S hochschrauben, stellen Sie Ihre soziale Kompetenz in Frage, Herr Minister, denn damit haben Sie diese Menschen, die dieses Einkommen niemals erreichen können, im Regen stehenlassen und Ihre soziale Verantwortung abgegeben – abgegeben auf Kosten dieser Menschen, denen es bis heute ohnehin noch nie gut gegangen ist. (Beifall bei den Grünen.)

14.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist nunmehr Herr Bundesminister Hums. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.36

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, ich muß nochmals Irrtümer berichtigen und klarstellen. Diese Neuregelung soll gerade dem Zweck dienen, daß Menschen nicht aus der Sozialversicherung hinausgedrängt werden können. Daher habe ich auch nicht verstanden, warum gerade die grüne Fraktion, die sich sehr


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40. Sitzung / Seite 60

lange dazu bekannt hat, diese Regelung Monate hindurch angegriffen und verlangt hat, daß sie wieder abgeschafft wird.

Und eines möchte ich nochmals klarstellen: Die Grenze von 3 600 S für Dienstverhältnisse bleibt selbstverständlich aufrecht. Das dürfte der Irrtum sein. Gegenüber 30. Juni tritt mit dieser Regelung eines ein: daß künftig auch bis dahin völlig sozialversicherungsfreie Dienstverhältnisse – ohne Rücksicht auf die Einkommensgrenze – wenigstens ab der Versicherungsgrenze von 7 000 S einbezogen sind. Sie kennen die Diskussion der letzten Wochen und Monate. Sie hätten wesentlich mehr unterstützen können, wenn Sie für diese Regelung eingetreten wären, die ursprünglich vorgesehen war. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber noch einmal: Es ändert sich absolut nichts an der Versicherungsgrenze, an der Geringfügigkeitsgrenze für Dienstverhältnisse. Das heißt, es wird niemand hinausgedrängt. Im Gegenteil! Mit dieser Regelung ermöglichen wir künftig vielen, daß sie sozialen Schutz, daß sie Sozialversicherungsschutz haben. Sie haben hierzu von mir schon mehrfach die Erklärung gehört, daß es unser gemeinsames Ziel sein muß, dies ab einem bestimmten Einkommen – da gebe ich Ihnen durchaus recht, daß es so sein muß, daß soziale Sicherheit wirklich für alle gegeben ist – auch durchzusetzen.

Aber noch einmal: Dienstverträge, Dienstverhältnisse sind wie bisher natürlich ab der Grenze von 3 600 S, das heißt ab 3 601 S, versicherungspflichtig. Daran hat sich überhaupt nichts geändert. Nur dort, wo es bis 30. Juni überhaupt keine Versicherung gegeben hat, und zwar ohne Grenzen, dort führen wir mit dieser Regelung neu eine Versicherung ein, und ich meine, daß das sicher sozial ist und daß das gerechtfertigt ist. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Beschränkung: 7 Minuten.

14.39

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist die Aufgabe einer Regierung, notwendige Veränderungen und Korrekturen einzuleiten und durchzuführen (Abg. Dr. Graf: Sollte man meinen!) , und keine Regierung kann sich von der Opposition erwarten, daß sie dafür Beifall spendet, aber was man sich erwarten kann oder soll, ist, daß bei der Diskussion und bei der Beratung etwas mehr Sachlichkeit eingebracht wird.

Ich habe hier den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales und auch den Gesetzesantrag. Ich lese überhaupt nichts von Ausgrenzung, ich lese überhaupt nichts von Verfolgung, ganz im Gegenteil, ich kann herauslesen, daß wir auf dem Wege sind, soziales Gewissen nicht verloren zu haben, sondern eine neue Symmetrie und eine neue Qualität gewonnen oder gefunden zu haben. Das ist die Wahrheit und nichts anderes! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man kritisiert, dann darf man ohne weiters sagen (Abg. Dr. Graf: Den Bericht habt ihr aber selbst geschrieben, oder?): Es stimmt – und das ist, Herr Bundesminister, an uns gerichtet –, wir beraten diese wichtige Materie vielleicht um einmal zu oft. In Zukunft müssen wir aufpassen, daß wir uns das nach Tunlichkeit ersparen. – Das ist meine Botschaft, die ich an uns selbst richte.

Ich glaube, daß es schwierig ist, bei diesem Thema die optimale Lösung zu finden, denn die einen wollen höhere Freigrenzen, die anderen niedrigere. Sagen Sie mir bitte, in welche Richtung wir das ändern sollen.

Wenn hier gesagt wird, daß diese Regelung nichts anderes als eine neue Finanzierungsquelle ist, dann muß ich sagen: Es ist das eine falsche Interpretation, das stimmt nämlich nicht. Es ist vielmehr ein Schritt zu mehr Solidarität. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Hostasch. ) Deshalb verdient dieses Gesetz überhaupt nicht jene Beurteilung wie zum Beispiel von Mag. Haupt, nämlich "Skandal", oder vom Kollegen Haselsteiner, der meinte, hier müsse ziviler Widerstand geleistet werden. All das ist nicht notwendig. Notwendig ist, daß Sie verstehen lernen, was wir


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40. Sitzung / Seite 61

hier beraten und beschließen. Darum geht es, um gar nichts anderes! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unsere Aufgabe muß es sein, dieses gute Sozialrecht zu stabilisieren. (Abg. Dr. Graf: Zizerlweis geht das bei euch!) – Herr Dr. Graf, es gibt so viele andere Sachen, die Sie nicht überblicken, mischen Sie sich nicht im Sozialrechtsbereich ein! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Versicherungspflicht und die Pflichtversicherung werden hier thematisiert. Meine Damen und Herren! Bitte lesen Sie doch einmal die Zeitungen! Dort, wo es die Versicherungspflicht und keine gesetzliche Pflichtversicherung gibt, werden Versicherte hinausgeworfen, weil sie alt, weil sie krank sind, beziehungsweise in das System nicht aufgenommen oder müssen höhere Beiträge zahlen. Dieses System wollen Sie befürworten? – Ich glaube, Sie sind auf dem falschen Weg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Für den Fall, daß Sie immer noch glauben, daß es der richtige Weg ist, sage ich Ihnen: Schauen Sie sich die Entwicklung in Deutschland an. Dort bedauert man es bereits, daß diese Entwicklung eingeleitet wurde. Aber der Weg zurück ist zurzeit nicht möglich.

Vielleicht ist es auch für Sie hilfreich, einmal zu erfahren, worum es geht. Es geht darum, daß 93 000 Beschäftigte in Österreich – Quelle: Einkommensstatistik 1993 – Arbeitsleistungen im Wert von 41 Milliarden Schilling erbringen, die außerhalb des Systems stehen. Meine Damen und Herren! Wenn wir die umfassenden Leistungen im Krankenversicherungs- und Pensionsversicherungssystem aufrechterhalten wollen, können wir nicht auf 41 Milliarden Schilling Arbeitsleistung innerhalb der abgabepflichtigen Bereiche verzichten. Das geht einfach nicht, das wäre ein Fehler. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir müssen mit diesem Gesetz auch auf die neue Arbeitswelt Bezug nehmen. Ich meine, auch das ist sehr wichtig, denn in Zukunft wird es weniger oft vorkommen, daß Dienstleistungen vor Ort erbracht werden. Durch die neue Entwicklung im Bereich der Telekommunikation werden sie sehr oft ganz woanders verrichtet werden, und deshalb sind neue Abrechnungsmethoden und neue Sozialrechtsgesetze notwendig.

Wie gründlich Sie sich mit dieser Materie befassen, möchte ich Ihnen jetzt zeigen: Im Ausschuß hat die F-Fraktion verlangt, daß alle Tätigkeiten in die Werkvertragsregelung einbezogen werden müssen. Das ist, meine Damen und Herren, Ihr gutes Recht. Kollege Reichhold jedoch – er gehört ja Ihnen (zu den Freiheitlichen gewandt) an, oder? – machte eine Aussendung und stellte die "Ungeheuerlichkeit" fest, daß jetzt neue Gruppen einbezogen, verfolgt, bestraft würden. Dieser Kollege Reichhold schreibt: Reform der Reformen. Er hat immer noch nicht gelesen oder nicht lesen wollen (Abg. Dr. Khol: Oder nicht verstanden!) , daß alle Diskussionen betreffend die zweite und dritte Novelle in selbige Richtung gehen und diesen Personenkreis überhaupt nicht betreffen. Das bedeutet: Sie liegen einfach falsch. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir geben diesem Gesetz unsere Zustimmung, weil wir von dessen Notwendigkeit überzeugt sind, weil es ein richtiger Weg zu mehr Solidarität ist. Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um die soziale Sicherheit für die Zukunft umfassend abzusichern. – Und das ist doch, meine Damen und Herren, wahrlich kein Fehler! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.45

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Donabauer hat es uns wieder einmal so richtig "reingesagt". (Ironische Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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40. Sitzung / Seite 62

Herr Kollege! Von ganz logischer Schärfe ist Ihre Argumentation nicht, denn auf der einen Seite empfehlen Sie uns, die Zeitungen zu lesen, und auf der anderen Seite werfen Sie uns wieder vor, daß wir uns zu sehr mit den Zeitungen beschäftigen.

Herr Kollege Donabauer! Ich sage Ihnen jetzt folgendes: Legen Sie die Zeitungen weg! Als Jurist weiß ich – dazu brauche ich nicht in die Zeitungen zu schauen –, daß die Bestimmung, die die Einführung der Sozialversicherungspflicht für dienstnehmerähnliche Werkverträge und freie Dienstverträge zum Gegenstand hat, verfassungswidrig ist. Das ist keine Minderheitenmeinung eines freiheitlichen Abgeordneten, der auch Jurist ist, sondern das ist auch die Meinung bedeutender Verfassungsjuristen in Österreich. Da Sie uns auf Zeitungen verweisen, verweise ich Sie auf ernstzunehmende, fundierte und fachlich ausgereifte Stellungnahmen von Verfassungsjuristen und auch Arbeitsrechtlern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Donabauer! Sie kennen ja Universitätsprofessor Dr. Tomandl, auch er spricht von einer Verfassungswidrigkeit.

Wir werden es ja wieder erleben, es wird einmal mehr so sein, Herr Kollege, daß hier im Plenum Mandatare davor warnen, verfassungswidrige Gesetze zu beschließen, daß externe Experten davor warnen, gesetzwidrige Gesetze zu beschließen, und schlußendlich der Verfassungsgerichtshof dann zum Ergebnis kommt, daß die Damen und Herren Abgeordneten der Regierungsparteien wieder einmal verfassungswidrige Gesetze beschlossen haben. Dann ist wieder Feuer am Dach. Der Verfassungsgerichtshof wird dann eine Übergangsfrist einräumen und den Koalitionsparteien auftragen, diesen Verfassungsunsinn, diesen kompletten Gesetzesunsinn, den Sie hier einführen wollen, wieder aufzuheben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Medien haben sich, zumindest meiner Beobachtung nach, eigentlich noch nie einer derart martialischen Ausdrucksweise bedient, wenn es darum ging, die Regelungen über die Werkverträge einer Betrachtung zu unterziehen. Ich erinnere daran, daß etwa das "WirtschaftsBlatt" sogar von einer Werkvertragsfolter gesprochen hat. Ja, es mußte sogar der Marquis de Sade herhalten, um diesen kompletten Unsinn bildlich und plastisch darzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß mich auch gegen das verwahren, was der Herr Minister hier gesagt hat, daß nämlich das Bemühen des Gesetzgebers darauf ausgerichtet war, ein Abdriften aus der Sozialversicherungspflicht einzudämmen. Denn, sehr geehrter Herr Minister, wenn das wirklich die hehre Überlegung Ihrer Person, Ihrer Partei und des Koalitionspartners gewesen wäre, dann hätte man es ja bei der bestehenden Regelung belassen können, da es ja auch bisher schon so war, daß Umgehungen nach ihrem tatsächlichen Sachverhalt zu beurteilen waren. Wenn Werkverträge abgeschlossen wurden, die nur auf dem Papier als Werkverträge bezeichnet wurden, in Wahrheit aber Dienstnehmercharakter hatten, dann waren auch diese selbstverständlich schon sozialversicherungspflichtig. Nichts anderes hat gegolten bezüglich der Lohnsteuerpflicht von Verträgen, die zwar Dienstverträge waren, aber als etwas anderes bezeichnet wurden. Das heißt, dafür hätte es einer Gesetzesänderung nicht bedurft!

Tatsächlich, meine Damen und Herren, stellt sich die Situation so dar, daß wir jetzt einen Gesetzeswirrwarr haben. Wir haben die Dienstverträge, wir prüfen jeden Sachverhalt darauf: Unterliegt er der Dienstvertragspflicht, oder ist es etwa ein freier Dienstvertrag, oder ist es ein dienstnehmerähnlicher Werkvertrag. – Ein Tohuwabohu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich: Wie ernst nimmt sich ein Parlament, dessen Abgeordnete, wie ernst nimmt sich eine Demokratie, in der amtierende Minister, ressortzuständige Minister wie Minister Klima klar und deutlich bekennen, daß sie sich hinsichtlich der Werkvertragsregelung nicht auskennen? Ja mit welchem Recht fordern Sie dann vom Normunterworfenen, daß er dieses unsinnige Gesetz administriert?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
40. Sitzung / Seite 63

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

14.50

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es wurde jetzt sehr viel Gescheites, sehr Aufklärendes, aber auch Widersprüchliches gesagt. Ich möchte eigentlich nur noch einmal darauf hinweisen, welchen Grundgedanken diese Regelung beinhalten sollte beziehungsweise welchen Grundgedanken unser Sozialsystem beinhaltet. Herr Kollege Donabauer hat schon darauf hingewiesen – ich glaube, wir können das in der Öffentlichkeit nicht oft genug tun –, daß unser Sozialsystem im wesentlichen den Solidaritätsgedanken beinhaltet. Es wird heute jedoch leider zu oft ausgenützt und von zu wenigen unterstützt.

Wir sollten dieses Bewußtsein auch in die Bevölkerung hineintragen, sodaß sie durch ihre Lebensgestaltung mithilft, Probleme sowohl im Gesundheitswesen als auch im Sozialwesen zu lösen und die Finanzierung zu sichern. Die heute zur Beschlußfassung vorliegende Regelung führt uns wieder ein Stück des Weges – zugegeben: eines etwas holprigen Weges – in Richtung Solidargemeinschaft.

Herrn Kollegen Öllinger – er ist jetzt nicht hier – und auch Herrn Kollegen Haselsteiner möchte ich von hier aus sagen, daß ich als Obmann des Salzburger Hilfswerkes und als Vizepräsident des Österreichischen Hilfswerkes die Anhebung des Grenzwertes auf 7 000 S monatlich besonders positiv hervorheben möchte. Die Negativbemerkungen, die hier heraußen gemacht wurden, wurden immer aufgrund von Allgemeinwissen oder Einzelbeispielen vorgebracht.

Ich möchte von unserer Hilfsorganisation ein Beispiel nennen: Wir in Österreich beschäftigen 1 218 Tagesmütter. – Frau Haidlmayr hat darauf hingewiesen, daß sie alle durch den sozialen Rost fallen. Das stimmt nicht! Diese Tagesmütter kümmern sich in Österreich um 3 199 Kinder. Wir in Salzburg beschäftigen 170 Tagesmütter, und wir haben alle 170 Tagesmütter befragt: Sie sind mit der jetzigen Regelung zufrieden, sogar sehr zufrieden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wallner. )

Für mich wäre es einer Ausbeutung gleichgekommen, hätte man Tagesmüttern, die knapp über 3 600 S dazuverdienen, auch die Last der Sozialversicherungspflicht aufgebürdet. Für die Sozialvereine hätte sich die Entscheidungsfrage gestellt, ob man derartige Aktionen überhaupt hätte weiterführen können – eine Katastrophe für die Tagesmütter, aber auch eine Katastrophe für die berufstätigen Mütter der betreuten Kinder. (Abg. Öllinger: Der Staat will sparen, oder?) Wir alle müssen sparen, Herr Kollege Öllinger! (Abg. Öllinger: Aber nicht auf Kosten der Tagesmütter!) Die 170 Tagesmütter, die befragt wurden, waren und sind mit dieser Regelung zufrieden, sogar sehr zufrieden: Ich bin eingebunden in das ganze System. (Abg. Böhacker: Herr Dr. Leiner! Warum werden sie nicht angestellt, warum bekommen sie kein 13. und 14. Gehalt?) 20 Prozent sind angestellt, die wollten es so haben. Mit der heutigen Regelung können sie sich anstellen lassen, können sie es so gestalten, wie sie wollen. Ihr seid doch auch für die Freiheit des Menschen, für die persönliche Entfaltung des Menschen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Was hat Cordula Frieser gesagt?)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber auch darauf hinweisen – Herr Sozialminister, das wäre mir ein Anliegen –, daß es seitens des AMS eine krasse Benachteiligung der durch Tagesmütter mit freiem Dienstvertrag betreuten Kinder gibt, denn diese werden mit höchstens 3 450 S monatlich durch das AMS gefördert, die von angestellten Tagesmüttern betreuten jedoch mit maximal 6 000 S. Das, glaube ich, ist nicht im Sinne einer Gleichbehandlung der betreuten Kinder. Vielleicht könnte man das anders regeln. Das ist eine Bitte meinerseits, Herr Minister.

Die Tagesmütter des Hilfswerkes machen natürlich nur einen geringen Prozentsatz aus, aber sie sind eine doch relativ große Gruppe, nämlich über 1 000. Im Verhältnis zu allen, die es betrifft, 200 000, sind sie wenig. Das Beispiel zeigt aber, wie sinnvoll die heutige Novellierung ist.

Wir in diesem Haus sollten nicht anstehen, Gesetze, die in der Realität einfach nicht handzuhaben sind, auch rasch zu ändern – und das haben wir gemacht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


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40. Sitzung / Seite 64

14.56

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Leiner, ich gebe Ihnen recht, daß wir in unserer Bevölkerung soziales Bewußtsein wecken sollen, aber wir sollten in Zukunft wirklich sozial dort sein, wo es gebraucht wird, und nicht sozial beglücken wollen. Ich glaube, es ist das auch in Ihrem Sinn. Das, was Sie gesagt haben, habe ich aber nicht so verstanden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben schon im Zwischenruf gehört, worum es mir geht: Mir geht es heute wirklich in besonderem Maße um die Werkvertragsregelung für die Künstler und Künstlerinnen. Ich glaube, Sie geben mir recht, wenn ich sage, daß da noch nicht alles zum Besten geregelt ist. Ich möchte anhand eines signifikanten Beispiels aufzeigen, daß sich die Vertragsregelung, wie sie heute beschlossen werden wird, auf die Kunst- und Kulturszene nicht zielführend auswirken wird.

Meine Damen und Herren, ein ganz konkretes Beispiel: Im Wolfsegger Ballettzentrum werden jedes Jahr die international besetzten ballettpädagogischen Seminare abgehalten. Bisher kostete zum Beispiel die Krankenversicherung für einen russischen Tanzlehrer für die Dauer von vier Wochen bei einer privaten Versicherungsanstalt 990 S. Aufgrund der neuen Vertragsregelung kostet dieselbe Versicherungsleistung bei der Gebietskrankenkasse in Zukunft 15 350 S.

Herr Minister! Das sind Fakten, und ich sehe darin keinen sozialen Schutz.

Da diese Regelung ja für alle Mitarbeiter der ballettpädagogischen Seminare gilt, also auch für jene, die ohnedies irgendwo anders versichert sind, werden in Zukunft der Gesellschaft für Musiktheater – in diesem Fall ab dem nächsten Jahr, durch die Verlängerung, die Sie uns gegeben haben – Mehrkosten von 200 000 S bis 300 000 S entstehen. Ich gebe zu, daß das in bezug auf den Gesamtrahmen unseres Budgets in Österreich ein kleiner Betrag ist, aber für die Kulturszene in unserem Land ist das noch immer ein sehr hoher Betrag.

Ich habe bewußt dieses Wolfsegger Beispiel genannt und es deshalb ausgewählt, weil sich daran die Umwegrentabilität auf mehrfache Weise dokumentiert, besser als in bezug auf die Großstadt Wien. Bei meinem Beispiel entstehen der Gesellschaft für Musiktheater Kosten von rund 1 Million Schilling, von denen die Gesellschaft nur 43 Prozent durch Kursgebühren und weitere 9,5 Prozent durch diverse Nebeneinnahmen wie Kartenverkauf, Programmverkauf, Souvenirverkauf und Inserate hereinbringen kann. 47,5 Prozent müssen daher durch Sponsoren beziehungsweise durch die öffentliche Hand zugeschossen werden.

Herr Minister! Es stellt sich für mich schon die Frage, ob sich in Zukunft noch Sponsoren finden, ob die öffentliche Hand – auch angesichts des Sparpakets, das ja alle betrifft – diese Ausfallshaftung noch übernehmen kann, eine Ausfallshaftung, die durch diese willkürliche Werkvertragsregelung entsteht. Wenn sich keine Sponsoren finden beziehungsweise die Ausfallshaftung nicht übernommen werden kann und daher diese Seminare eingestellt werden müssen, verliert die Fremdenverkehrswirtschaft in der Region Hausruckwald bis zu 2 Millionen Umsatz aus über 2 000 Nächtigungen und der Verköstigung der Seminarteilnehmer und Beobachter, Dozenten und diversen Mitarbeiter. Neben einem deutlichen Steuerausfall sind sicher auch fremdenverkehrswirtschaftliche Betriebe dadurch gefährdet.

Meine Damen und Herren! Dieses Beispiel ist leider kein Einzelfall, es stellt auch keine Horrorgeschichte dar, sondern ein repräsentatives Beispiel für die zahllosen negativen Auswirkungen der neuen Werkvertragsregelung. Ich sage daher: Diese Regelung ist wirtschaftsfeindlich, arbeitsplatzgefährdend, kulturfeindlich und läßt außerdem die soziale Treffsicherheit völlig vermissen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Anstatt daß Menschen sozialer Schutz zukommt, werden viele durch diese Neuregelung arbeitslos und zu Sozialhilfeempfängern. Es wird sich hiebei in Zukunft in Österreich auch um Künstler und Kulturschaffende handeln, also um Menschen, die einen Stolz haben und nicht gerne Bittsteller sind. Gerade deshalb sind wir aufgerufen, diesen Menschen rechtzeitig Hilfe angedeihen zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum. )


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Herr Minister! Ich achte Ihr soziales Engagement, aber: Verschließen Sie nicht länger die Augen vor der Realität. Ich fordere Sie auf, diese sich durch die Neuregelung der Werkverträge für Kulturorganisationen anbahnende Katastrophe abzuwenden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. Freiwillige Beschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.01

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Hostasch hat gemeint, diese Werkvertragsregelung sei der erste Schritt in die richtige Richtung.

Ich sage meinerseits: Es ist dies der dritte Versuch einer Regelung, von dem man jetzt schon weiß, daß er wieder fehlschlagen wird. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den ersten Versuch, von dem heute niemand mehr spricht. Mit 1. Jänner 1994 wurde die Meldepflicht bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen eingeführt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Diskussionsbeiträge von Sozialdemokraten, die damals die Unternehmer als schwarze Schafe hingestellt haben, die sich auf diese Art und Weise billige Arbeitskräfte auf dem Schwarzmarkt verschaffen wollten. Ich erinnere daran, daß man damals sehr stark damit argumentiert hat, daß man doch versuchen solle, die armen Frauen aus jenem Bereich herauszuholen, in dem sie keine Pensionsversicherungsmöglichkeit haben.

Diese Regelung ist nun fast drei Jahre lang in Kraft. Sie hat einen immensen bürokratischen Aufwand gebracht, und zwar sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Gebietskrankenkassen. Die Angestellten der Krankenkassen waren am Anfang total überfordert. Es hat überhaupt keine Formulare und dergleichen gegeben. Auch die Einnahmen in diesem Bereich – das hat man ja gesehen – halten sich sehr in Grenzen. Dieser Bereich ist höchstens eine beliebte Einnahmequelle für Nachforderungen bei Betriebsprüfungen der Gebietskrankenkassa geworden. Denn damals gab es – und auch jetzt gibt es das noch – Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Definition, was ein Werkvertrag und was ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ist.

Derzeit – Stand Mai 1996 – sind 146 800 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gemeldet. Das sind insgesamt 5,2 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse. Davon haben 47 000 Frauen und 9 000 Männer überhaupt keine eigene Sozialversicherung, sie sind nur bei der Unfallversicherung gemeldet. Immerhin mehr als ein Drittel dieser Personen ist vom sozialen Netz nicht mehr erfaßt.

Interessant dabei ist für mich, daß man im Zusammenhang mit der Erstellung dieser aktuellen Daten auch andere Untersuchungen vorgenommen hat: So hat man etwa berechnet, daß sich die Unternehmer bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mindestens 1 Milliarde Schilling ersparen. Insgesamt wären aus diesem Bereich 1,9 Milliarden Schilling lukrierbar. – Somit sind wir auf dem Punkt, wo die Regierung bei den Überlegungen zu der Werkvertragsregelung angesetzt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. ) Denn anders wäre es wirklich nicht erklärbar, warum trotz der gravierenden Bedenken aller Oppositionsparteien und namhafter Fachleute versucht wird, diese Regelung mit aller Kraft durchzudrücken.

Auch auf dem Gebiet der Werkverträge gibt es ähnliche Erscheinungen wie bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Diese sind quasi schon vorprogrammiert. Es wird eine Menge an zusätzlicher Bürokratie und zusätzlichem Verwaltungsaufwand sowie Kosten für die Unternehmer geben, für die es keine Abgeltung gibt, es wird aber auch mehr Bürokratie im Bereich der Sozialversicherungsanstalten geben. Weiters wird es auch im Bereich der Abgrenzung, was ein Werkvertrag und was ein freier Dienstvertrag ist, Schwierigkeiten geben. (Abg. Haigermoser: Das Ganze ist undurchschaubar!) Ja, das Ganze ist praxisfern und nicht administrierbar. Ich sage das wirklich aufgrund meiner praktischen Erfahrungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist dies weiters eine Regelung, die Jungunternehmer besonders betrifft, die aber auch gemeinnützige Organisationen trifft. In diesem Punkt möchte ich Herrn Kollegen Leiner


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widersprechen. Die Erhöhung der Freibetragsgrenze auf 7 000 S wird letztlich dazu führen, daß die Leistungen in gemeinnützigen Organisationen verteuert werden müssen, wenn die öffentliche Hand in diesem Bereich nicht wieder einspringen will.

Wir sind auch gegen die Ausnahmeregelungen, die man von vornherein miteingebaut hat. Gerade Freiberufler wie Kolporteure, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, sie aber dringend brauchen würden, fallen aus diesem Bereich heraus.

Letztlich hat diese neue Werkvertragsregelung jetzt schon dazu geführt, daß zunehmend gerade im Bereich der großen Handelsketten Kündigungen an Frauen ausgesprochen werden, die dort bisher Halbtagsbeschäftigungen hatten. Sie werden jetzt im Rahmen eines freien Dienstvertrages eingestellt und fallen damit aus der Sozialversicherung. (Abg. Haigermoser : Das ist ein Skandal!) Ja! Das "Argument", daß es eine bessere Einbindung in die Sozialversicherung geben wird, ist wirklich total absurd.

Außerdem können wir der im Bereich der Erwachsenenbildung auftretenden Wettbewerbsverzerrung überhaupt nicht zustimmen. Es gibt Ungereimtheiten im steuerlichen Bereich und natürlich auch im verfassungsmäßigen Bereich, welche man aber sehr gerne totschweigt.

Meiner Überzeugung nach ist das Ganze die Perpetuierung eines Husch-Pfusch-Gesetzes. Man ist einfach nicht willens und bereit, hier einen neuen Anfang zu machen, obwohl auch auf seiten der Regierungsparteien zugegeben wird, daß diese Regelung nicht das Gelbe vom Ei ist. Bundesminister Hums hat etwa im Ausschuß gesagt, daß weitere Änderungen notwendig sein werden. Auch Herr Kollege Stummvoll hat bereits von einer neuen Anpassungsstrategie gesprochen.

Ich muß mich in diesem Zusammenhang noch einmal an die ÖVP-Politiker wenden, denn mir ist da etwas unerklärlich: Diese neue Regelung wird einerseits mit Jubelmeldungen von der ÖVP begrüßt. Andererseits gibt es aber ÖVP-Politiker, die nach wie vor vehement dagegen auftreten, vor allem in der Öffentlichkeit, etwa der Wiener ÖVP-Obmann Görg und auch – wie in der "Tiroler Wirtschaftszeitung" zu lesen ist – Kammerpräsident Hans Jörg Jäger; es ist bezeichnend, daß die ÖVP hier bewußt darauf nicht hört. Kammerpräsident Hans Jörg Jäger sagte laut "Tiroler Wirtschaftszeitung" vom 27. September 1996: Keine Zustimmung zu diesem Werkvertragskompromiß! – Da frage ich mich wirklich: Weiß bei der ÖVP die rechte Hand nicht, was die linke tut? Oder rechnet man nach wie vor beinhart damit, daß man den Bürger vor Wahlen wieder einmal verwirren und falsch informieren kann? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meiner Überzeugung nach ist diese Regelung besonders deshalb kein Erfolg, weil sie gerade für Frauen in den unteren Einkommensbereichen keine Verbesserung bringt. Sie bietet eine weitere Möglichkeit zur lukrativen Flucht, zum Beispiel aus dem Mutterschutzgesetz, aus dem Jugendbeschäftigungsgesetz, aus dem Nachtarbeitsverbot für Frauen. Ich glaube wirklich, daß auf diese Weise das, was man erreichen zu wollen vorgibt, in keinster Weise erreicht werden wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

15.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Freiwillige Beschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.09

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr lange wird schon über diesen Werkvertrags-Murks diskutiert. Heute löst der Werkvertrags-Murks zwei Werkvertrags-Murks eins ab – und mit dem Ganzen bezweckt man, Geldquellen für die Sozialversicherungen zu erschließen. Man will damit den Sozialversicherungs-Murks, den wir auch schon seit vielen Jahren kennen, prolongieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ziel, daß neue Geldquellen für die Sozialversicherungen erschlossen werden sollen, kann man akzeptieren. Aber man geht den völlig falschen Weg. Daß man eine Neuregelung im Rahmen der Werkverträge einführt, wird von den Österreicherinnen und Österreichern als unsinnig empfunden, und auch viele Politiker von ÖVP und SPÖ haben bereits öffentlich geäußert, daß das ein Unsinn ist. (Beifall bei den Freiheit


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lichen. – Abg. Haigermoser: Abgeordneter Guggenberger hat gesagt, daß das ein "Holler" ist!) Da kann ich ihm nur zustimmen!

Herr Abgeordneter Guggenberger hat aber auch etwas zum Thema Wahlärzte gesagt: In Anbetracht dessen, daß den Patienten die freie Arztwahl genommen werden soll und sie keinen Anspruch mehr darauf haben sollen, den Arzt ihres Vertrauens auszusuchen, sagte er: Wir haben genug Kassenärzte, wir brauchen keine Wahlärzte. Daher sollen alle in das verstaatlichte Zwangskassensystem integriert werden, in dem die Patienten keine Möglichkeit mehr für eine individuelle Betreuung haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regelung, daß man 20 Prozent selber bezahlen muß, wenn man einen Arzt der freien Wahl konsultieren will, ist sozial ungerecht. Ich bedaure es, daß gerade die Sozialdemokraten es sind, die diesen Vorschlag eingebracht, diesen vehement unterstützt und durchgesetzt haben. Denn das ist eine sozial ungerechte Lösung, dadurch wird den Patienten die Möglichkeit genommen, sich an den Arzt ihres Vertrauens zu wenden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher habe ich einen Abänderungsantrag in diesem Sinne vorbereitet, der bereits in der letzten Sitzung des Sozialausschusses eingebracht wurde. Ich bringe diesen somit hier ein.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Dolinschek, Haller, Meisinger und Madl

Der Nationalrat wolle beschließen:

Artikel I des Antrages 289/A in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Nach Ziffer 14 wird folgende Ziffer 14a eingefügt:

"14a. In § 131 Abs. 1 erster Satz entfallen die Worte: ,im Ausmaß von 80 vH.‘. "

2. In Ziffer 17 werden in § 566 Abs. 1 Z 2 die Worte "des § 44a, Abs. 3 und

4" durch "der §§ 44a Abs. 3 und 4 sowie 131 Abs. 1" ersetzt.

*****

 

Meine Damen und Herren! Setzen Sie diese unsinnige Belastung von Patienten durch eine 20prozentige Selbstkostenbeteiligung, wenn Sie einen Arzt des freien Vertrauens aufsuchen, aus!

Es steht auch in der Vereinbarung zwischen Kammer und Kasse ganz eindeutig, daß jede Österreicherin und jeder Österreicher das Recht hat, einen Wahlarzt dann aufzusuchen, wenn entweder kein Vertragspartner in zumutbarer Entfernung zur Verfügung steht oder wenn der Patient dies ausdrücklich wünscht. – Letzteres ist die Kernaussage. Ein ausdrücklicher Wunsch des Patienten wird durch die jetzige Regelung jedoch verhindert, und ich bitte Sie daher, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen.

Zu einer eminenten Verteuerung im Gesundheitswesen und auch zu einer Belastung der Krankenkassen führt auch die beabsichtigte Einführung der Krankenscheinsteuer von 50 S ab 1. Jänner 1997. Meine Damen und Herren! Herr Sozialminister! Schon jetzt wissen alle namhaften Experten, daß diese Krankenscheingebühr zu einer eminenten Verteuerung des gesamten Gesundheitswesens führen wird. Sie sagen selbst immer, daß die Bewegung weg vom Spital hin zum sogenannten extramuralen Bereich gefördert werden soll. In diesem Fall verhält es sich umgekehrt: Man besteuert den extramuralen Bereich. Man verlangt sozusagen eine Eintrittskarte von 50 S, damit der Patient überhaupt zu einem niedergelassenen Arzt gehen kann, während die Behandlung in den Spitalsambulanzen frei ist und nichts kostet. Der Spitals


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ambulanzpatient hat allerdings einen Fallwert, der um etwa 400 Prozent höher liegt als der des Patienten des niedergelassenen Arztes.

In der gegenwärtigen Lage werden die Patienten jedoch bestrebt sein, die 50 S Krankenscheingebühr zu sparen und zu Tausenden und Abertausenden die Spitalsambulanzen stürmen. Die Kosten sind für die Sozialversicherung – und das ist das Skurrile an der ganzen Sache – etwas geringer, weil sie die Scheingebühr kassiert und mit 37 Milliarden Schilling gedeckelt jetzt die Krankenhäuser mitfinanziert. Und die Sozialversicherung setzt alle Hebel in Bewegung, daß die Patienten nur mehr möglichst wenig zu den niedergelassenen Ärzten gehen. Es wird alles ins Spital verlagert. Dort belaufen sich die Kosten allerdings auf das Fünf- bis Zehnfache, wenn nicht auf noch mehr. Aber die Sozialversicherung und die maroden, bereits vom Konkurs bedrohten Krankenkassen sind die Nutznießer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher bringe ich in diesem Zusammenhang einen weiteren Abänderungsantrag ein.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Mag. Haupt und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 289/A in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Nach Artikel I Z 14 wird folgende Z 14b eingefügt:

 "14b. In § 135 Abs. 3 entfallen die letzten drei Sätze."

2. In Artikel I wird nach Z 16a folgende Z 16b eingefügt:

"16b. § 564 Abs. 7b entfällt."

3. In Art I Z 17 wird in § 566 Abs. 1 der Punkt am Ende der Z 2 durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 3 angefügt:

"3. rückwirkend mit 1. August 1996 die Aufhebung des § 135 Abs. 3."

*****

Das würde zu einer deutlichen Einsparung im Sozialversicherungswesen und im ganzen Gesundheitswesen beitragen und den Trend hin zum extramuralen Bereich verstärken. Das wäre sinnvoll, um Gesundheitskosten einzusparen. Ich fordere Sie daher auf, diesen beiden Abänderungsanträgen Ihre Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hostasch. Freiwillige Beschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.17

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen versprechen, daß ich diese Redezeit nicht ausnützen werde.

Ich möchte Sie jetzt bitten, zwei Abänderungsanträgen Ihre Zustimmung zu geben. Ich möchte beide natürlich auch begründen.

Der eine Abänderungsantrag betrifft den Gesetzentwurf, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und die weiteren Sozialversicherungsgesetze sowie das Arbeitslosenversicherungsgesetz, das Einkommensteuergesetz und jene Gesetze, die wir mit diesen Anträgen diskutieren, geändert werden sollen. Inhalt dieses Abänderungsantrages ist eine Vereinfachung; dieser Wunsch wurde wiederholt auch in der heutigen Diskussion geäußert. Diese Vereinfachung soll dadurch zustande gebracht werden, daß die ursprünglich beabsichtigte und auch im Gesetzestext vorhandene Fondslösung betreffend jene Krankenversicherungsbeiträge, die


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über die Höchstbeitragsgrundlage hinaus von der Arbeitgeberseite eingebracht werden, aufgehoben wird und durch eine wesentliche Erleichterung für die Arbeitgeberseite bei der Beschäftigung von Lehrlingen im ersten Lehrjahr begleitet ist. Das heißt, es wird vorgeschlagen, den Krankenversicherungsbeitrag im ersten Lehrjahr um 1,5 Prozent der allgemeinen Beitragsgrundlage herabzusetzen. Wir versprechen uns davon eine wirksame Entspannung auf dem Lehrlingsmarkt. Wir hoffen und erwarten, daß die Lehrherren in der Folge zusätzlichen Lehrstellensuchenden eine Chance bieten, einen beruflichen Weg einzuschlagen.

Ich darf Ihnen den Text dieses


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Abänderungsantrages vorlesen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Hostasch, Dr. Feurstein und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. § 33 Abs. 4 letzter Satz in der Fassung des Art I Z 9 lautet:

"Bei einer Änderung der Umstände hat die Anmeldung unverzüglich ab Beginn des Monats, in welchem abzusehen ist, daß der Betrag gemäß § 5a Abs. 1 im Durchschnitt der Kalendermonate des jeweiligen Kalenderjahres überschritten wird, zu erfolgen."

2. Im Art. I wird nach der Z 12 folgende Z 12a eingefügt:

"12a. § 51 Abs. 2 lautet:

,(2) Für die Lehrlinge verringert sich für die Dauer des ersten Lehrjahres der allgemeine Beitrag gemäß Abs. 1 Z 1 um 1,5 vH der allgemeinen Beitragsgrundlage.‘"

3. Im § 70a Abs. 1 in der Fassung des Art. I Z 14 entfällt der letzte Satz.

4. Im § 566 Abs. 1 Z 1 in der Fassung des Art. I Z 17 wird nach dem Ausdruck "5a Abs. 2 Z 2 und 3" der Ausdruck "51 Abs. 2" eingefügt.

5. Im § 36 Abs. 1 in der Fassung des Art. II Z 2 entfällt der letzte Satz.

6. Im § 33b Abs. 1 in der Fassung des Art. III Z 1 entfällt der letzte Satz.

7. Im § 24b Abs. 1 in der Fassung des Art. IV Z 1 entfällt der letzte Satz.

*****

Ich möchte gleichzeitig auch einen zweiten Abänderungsantrag einbringen, der sich mit jenem Thema befaßt, das heute in der Diskussion von einigen Abgeordneten angesprochen wurde: Es handelt sich um eine befriedigende Lösung für Pensionisten im Bereich der sogenannten "Gnadenpensionsregelung" beziehungsweise auch Altersregelung, wo Betriebsvereinbarungen und Einzelverträge abgeschlossen wurden, bevor Österreich Mitglied der Europäischen Union geworden ist und bevor die gesetzlichen Änderungen im Zuge des Strukturanpassungsgesetzes vorgenommen wurden.

Der folgende Abänderungsantrag ist etwas ausführlicher, ich muß ihn aber der Ordnung halber trotzdem vorlesen. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Bauer .) Ich habe ihn auch begründet, Herr Kollege Bauer, und jene Kolleginnen und Kollegen, die aufmerksam die Debatte verfolgt haben – was ich auch von Ihnen annehme –, wissen wirklich, worum es geht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 325 der Beilagen über den Antrag 289/A der Beilagen wird wie folgt geändert:

1. Im Art. I wird nach der Z 15 folgende Z 15a eingefügt:

"15a. Dem § 563 wird folgender Abs. 22 angefügt:

,(22) Für Personen, denen vor dem 1. Jänner 1996 ein Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 2 lit. c des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 in der am 31. Juli 1993 geltenden Fassung zuerkannt wurde, ist § 253d Abs. 1 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.‘"

2. Im § 566 Abs. 1 in der Fassung des Art. I Z 17 wird der Punkt am Ende der Z 2 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 3 wird angefügt:

"3. rückwirkend mit 1. September 1996 § 563 Abs. 22 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1996."

3. Im Art. II wird nach der Z 2 folgende Z 2a eingefügt:

"2a. Dem § 266 wird folgender Abs. 21 angefügt:

,(21) Für Personen, denen vor dem 1. Jänner 1996 ein Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 2 lit. c des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 in der am 31. Juli 1993 geltenden Fassung zuerkannt wurde, ist § 131c Abs. 1 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.‘"

4. Art. III Z 3 lautet:

"3. Nach § 267 wird folgender § 268 angefügt:

,§ 268. Es treten in Kraft:

1. mit 1. Jänner 1997 die §§ 2 Abs. 1 Z 3 und 36 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1996;

2. rückwirkend mit 1. September 1996 § 266 Abs. 21 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1996.‘"

5. Im Art. III wird nach der Z 1 folgende Z 1a eingefügt:

"1a. Dem § 255 wird folgender Abs. 22 angefügt:

,(22) Für Personen, denen vor dem 1. Jänner 1996 ein Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 2 lit. c des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 in der am 31. Juli 1993 geltenden Fassung zuerkannt wurde, ist § 122c Abs. 1 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.‘"

6. Art. III Z 2 lautet:

"2. Nach § 256 wird folgender § 257 angefügt:

,§ 257. Es treten in Kraft:

1. mit 1. Jänner 1997 § 33b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1996;


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2. rückwirkend mit 1. September 1996 § 255 Abs. 22 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1996.‘"

7. Im Art. VI werden nach der Z 2 folgende Z 3 und 4 angefügt:

"3. Dem § 79 wird folgender Abs. 37 angefügt:

,(37) § 81 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1996 tritt mit 1. Mai 1995 in Kraft.‘

4. Dem § 81 wird folgender Abs. 3 angefügt:

,(3) Freiwillige Zuwendungen des Dienstgebers an ehemalige Dienstnehmer, die auf Grund eines Sozialplanes, der vor dem 1. Mai 1995 abgeschlossen wurde, gewährt werden, gelten nicht als Einkommen im Sinne des § 36a.‘"

*****

Ich habe in der Begründung schon gesagt, worum es geht.

Ich bitte Sie, diesem Antrag die Zustimmung zu geben. Es werden Ihnen viele Menschen dankbar sein. (Beifall bei der SPÖ.)

15.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden eben verlesenen Abänderungsanträge sowie auch die zuvor verlesenen Abänderungsanträge des Herrn Abgeordneten Dr. Pumberger sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Madl. – Frau Abgeordnete, ich mache Sie auf zweierlei aufmerksam: Erstens: freiwillige Redezeit: 3 Minuten. Zweitens: Auf jeden Fall werde ich Sie um 15 Uhr 30 Minuten zum Aufruf einer Dringlichen Anfrage unterbrechen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.25

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Viele Leute werden dankbar sein, wenn diese Werksvertragsregelung ersatzlos aufgehoben wird – bis wir ein wirklich vernünftiges Modell entwickeln, das Sinn macht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )

Die zwei Abänderungsanträge, Frau Kollegin Hostasch, die Sie jetzt vorgetragen haben, sind der schlagende Beweis dafür, wie dilettantisch Sie hier in diesem Hause agieren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy, Parnigoni und. Mag. Guggenberger. ) Selbstverständlich! In letzter Minute bringen Sie zwei umfangreiche Anträge ein und sagen, Frau Kollegin, der Debattenbeitrag hätte Sie dazu animiert, diese Anträge einzubringen! (Zwischenruf der Abg. Hostasch. )

Frau Kollegin! Wozu sind wir denn dann im Ausschuß gesessen? Wozu haben wir im Ausschuß zwei Stunden über diese Werksvertragsregelung mit in etwa dem gleichen Inhalt debattiert? – Jetzt kommen Sie aber hier zum Rednerpult und tragen lächelnd und süßlich einen Antrag um den anderen vor und sagen: Bitte stimmen Sie dem zu! Viele Menschen werden Ihnen dankbar sein!

Ich betone noch einmal, Frau Kollegin: Viele Menschen werden dankbar sein, wenn diese Werksvertragsregelung, die im Strukturanpassungsgesetz erstmals beschlossen worden ist, ersatzlos aufgehoben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Es heißt: "Werkvertrag"!)

Selbst bei der ÖVP gibt es divergierende Aussagen. (Abg. Dr. Mertel: Sie wissen nicht, wovon Sie reden! ) Kollege Donabauer hielt etwa eine Brandrede und strich die Notwendigkeit dieses


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Gesetzes hervor. Kollege Stummvoll hatte jedoch vorher gesagt – wahrscheinlich haben Sie sich darüber nicht geeinigt –, daß ihm nach der Zustimmung schwante, was es bedeutet, diesem Gesetz zuzustimmen, und daß es unbedingt reparaturbedürftig ist.

Herr Kollege Stummvoll! Sie haben heute die Möglichkeit, den verschiedenen Anträgen zur Aufhebung dieser Werksvertragsregelung zuzustimmen! (Rufe bei der SPÖ: Werkvertrag!) Es hindert Sie ja niemand daran, Ihr freies Mandat auszuüben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kein Mensch hindert Sie daran! Gehen Sie doch hinaus! Draußen reden Sie aber ganz anders, als Sie hier dann abstimmen! Aus Ihrer Praxis werden Sie jedoch wissen, daß diese Werksvertragsregelung wirklich Nonsens ist. (Abg. Parnigoni: Es heißt: "Werkvertrag"!)

Vor zwei Jahren, als ich hier in diesem Hohen Hause meine erste Rede gehalten habe, habe ich diese mit dem Sprichwort eingeleitet: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. – Herr Minister! Damit ist nicht irgendein Weg zur Hölle gemeint, Herr Bundesminister Hums, sondern etwa der Weg, den Sie mit diesen Werksverträgen der Bevölkerung in kleinen Schritten zur Hölle bereiten, und zwar in die Hölle der Arbeitslosigkeit, in die Hölle der Frustration und in die Hölle trister Zukunftsaussichten.

Das stimmt, Sie wissen es ganz genau, auch wenn Frau Kollegin Silhavy lächelt. Aber Sie sind ja nicht unter denen, die vorher ein normales Dienstverhältnis hatten, denen jetzt gekündigt wird und die einen Werksvertrag zugesprochen bekommen. (Rufe bei der SPÖ: Werkv ertrag!) Die einen Werkvertrag zugesprochen bekommen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Sie schütteln den Kopf! Sie sind schon so weit abgehoben, daß Sie nicht mehr wissen, was in der Bevölkerung los ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist typisch! Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln! Ich habe mit Hunderten Frauen gesprochen, die jetzt davon betroffen sind, Frau Kollegin! Diese Frauen haben gesagt: Jetzt bekomme ich einen Werksvertrag ... (Abg. Parnigoni: Es heißt Werkv ertrag! ) Stürzen Sie sich nicht auf das eine Wort! Sie müssen den Sinn erfassen! Aber wahrscheinlich sind Sie überhaupt nicht mehr in der Lage, etwas sinngemäß zu erfassen, weil Sie verbohrt sind und mit Scheuklappen Ihr Handerl heben, weil es einen Klubzwang bei Ihnen gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Diese Frauen – Frau Kollegin Haller hat es ganz richtig gesagt – haben jetzt eine andere Regelung: Mit den sozialen Errungenschaften, mit denen Sie immer hausieren gehen und auf die Sie so stolz sind, wie etwa Mutterschaftsgeld, Karenzurlaubsgeld, Jugendarbeitslosenregelungen ....


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Frau Abgeordnete! In einer halben Minute müßte ich Sie unterbrechen. Ich mache Sie nur darauf aufmerksam.

Abgeordnete Elfriede Madl (fortsetzend) : Meine Damen und Herren! Heute haben Sie Gelegenheit, diese irre Regelung aufzuheben, bis sich wirklich die Expertenkommission einig geworden ist, was nun mit diesen Fällen zu geschehen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich unterbreche nunmehr die Verhandlung über die Punkte 1 bis 4 der Tagesordnung, um die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß Geschäftsordnung um 15.30 Uhr aufzurufen.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Friedhelm Frischenschlager, Mag. Thomas Barmüller, Dr. Volker Kier und Genossen betreffend eine beschäftigungs- und umweltpolitisch wirksame Steuerreform (1284/J)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1284/J. Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Ziel einer effektiven Wirtschaftspolitik muß die Sicherung einer tragfähigen Basis für eine sozial und ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung sein. Um diese Zielsetzung zu erreichen, ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Beschäftigungssituation zu verbessern sowie die Energie- und Materialeffizienz wirtschaftlicher Prozesse zu steigern.

Staatliche Interventionen und ordnungspolitische Maßnahmen, die schon bisher nicht im vollen Umfang oder nicht dauerhaft die in sie gesetzten wirtschafts- und umweltpolitischen Erwartungen erfüllt haben, sind in der aktuellen budgetären Situation nicht oder nur schwer finanzierbar. Als Alternative und Ergänzung bieten sich marktwirtschaftliche politische Ansätze an.

Neben anderen politischen Handlungsfeldern bietet die Finanzpolitik im besonderen Maße die Möglichkeit, mit marktgerechten politischen Instrumenten die beschäftigungs- und die umweltpolitischen Rahmenbedingungen zu gestalten. Einen entsprechenden marktkonformen Ansatz liefert das Konzept eines ökologisch orientierten Umbaus des Steuersystems.

Mit einer ökologischen Steuerreform sollen die Steuer- und Abgabenbelastungen für den Faktor Arbeit gesenkt und der daraus resultierende Einnahmenausfall durch Energie- und Ressourcensteuern budgetär aufkommensneutral ausgeglichen werden. Damit werden wirtschaftliche Voraussetzungen für das Entstehen neuer Arbeitsplätze und für einen grundsätzlichen Kurswechsel in Richtung höhere Energie- und Materialeffizienz geschaffen.

Neben der Preiselastizität für Energie besteht eine Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Energie sowie zwischen Kapital und Energie. Höhere Energiepreise bewirken einen geringeren Energieverbrauch. Energie wird eingespart und durch Arbeitskraft ersetzt beziehungsweise durch Investitionen ausgeglichen. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die Substitution bewirkt keine Rückkehr zu mehr manueller Arbeit. Die Substitution findet oft nicht direkt für vergleichbare Prozesse statt, sondern indirekt. Durch höhere Energiepreise sind energiesparende Investitionen rentabler als energieintensive. Mit der Investition verbessert sich die Wettbewerbsfähigkeit. Damit wächst der Arbeitseinsatz. Eine andere Substitution findet statt, wenn Unternehmen vorgelagerte Produktionsstufen auflassen und Investitionsmöglichkeiten im Verarbeitungsbereich suchen. Für die Unternehmen ergibt sich eine Erhöhung des Arbeitseinsatzes pro Energieeinsatz, nicht aber ein direkter Ersatz der Energie durch Arbeit bei gleichem Produkt und Prozeß. Bewirkt wird somit eine Vorwärtsstrategie zu höherer Wertschöpfung und größerem Einsatz von Know-how und qualifizierter Arbeit. Insbesondere die Öko-Branche, ein Bereich mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten, sucht laut Einschätzung der OECD vorwiegend Personal mit höherer Ausbildung.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut haben jeweils für Deutschland und Österreich die Wirkung einer Energiesteuer ohne internationalen Gleichklang untersucht, deren autonome Einführung EU-rechtlich durchaus möglich ist. In beiden Fällen sind bestimmte Varianten einer ökologischen Steuerreform wirtschaftlich vorteilhaft.

Das Wifo berechnete in der Untersuchung der Einführung einer Energiesteuer ohne internationalen Gleichklang einen induzierten Beschäftigungszuwachs von 0,4 Prozent oder 11 000 Personen innerhalb von fünf Jahren im Vergleich zum Referenzszenario ohne Energiesteuer. Wesentlich erscheinen gezielte flankierende Investitionsförderungen. Bei gänzlicher Aufkommensneutralität der Steuerreform müssen diese Förderungen durch budgetäre Umschichtungen im Ausmaß von jährlich 6 bis 15 Milliarden Schilling finanziert werden.

Ähnliche Effekte beschreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung für Westdeutschland. Eine autonom eingeführte Energiesteuer schafft innerhalb von zehn Jahren 300 000 bis 800 000


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zusätzliche Beschäftigte in den "alten Bundesländern". Zu den "Gewinnern" der veränderten Rahmenbedingungen zählen laut Studie sämtliche Dienstleistungen, der Elektrotechnik- und Maschinenbau sowie der Hoch- und Tiefbau. Höheren Belastungen sind die Bereiche Grundstoffe (Eisen, Stahl, chemische Basiserzeugnisse. NE-Metalle, Steine und Erden) sowie teilweise Nahrungsmittel und Textilien ausgesetzt.

Ökologische Steuerreformen wurden unter anderem bereits in Finnland, Kanada, den Niederlanden, Schweden und besonders weitgehend in Dänemark umgesetzt. Dänemark hat mit 1. Jänner 1996 die seit drei Jahren erhobene CO2-Steuer erhöht und vier neue Umweltabgaben eingeführt. Private Haushalte zahlten bereits rund 1 000 S pro Tonne CO2. Die Tarife für Haushalte und Industrie steigen stufenweise bis zum Jahr 2000. Energiesparende Investitionen können steuerlich geltend gemacht werden. Neu eingeführt wurden Abgaben auf SO2, Pestizide, Nickel-Cadmium-Akkus und chlorierte Lösungsmittel. Die Mehreinnahmen werden über Förderungen und eine Senkung der Lohnnebenkosten rückvergütet. Gleichzeitig gehört Dänemark zu den wenigen Ländern der EU, deren Arbeitslosenrate seit den Rezessionsjahren 1992/93 – allerdings von hohem Niveau ausgehend (12 Prozent) – rückläufig ist (1996: 8 Prozent). Diese Entwicklung wird auf eine generell offensive Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zurückgeführt.

Richtig ist, daß jede Änderung der umwelt- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen Umstellungskosten vor allem in der dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten Industrie, aber auch in privaten Haushalten verursacht. Deshalb erfordert die Umstellung Zeit, um den bestehenden Kapitalstock nicht plötzlich abschreiben zu müssen. Andererseits soll die laufende Beeinträchtigung der Umwelt und Dritter möglichst bald reduziert werden, um die laufend anfallenden externen Kosten zu beseitigen. Die Reform muß den Weg zwischen plötzlicher Änderung und damit verbundenen hohen Umstellungskosten sowie langsamen Veränderungen und damit anhaltender Belastung durch externalisierte Kosten gehen. Ein früher Beginn der Reform ermöglicht längere Umstellungszeiträume, die an die speziellen Gegebenheiten der jeweiligen Volkswirtschaft angepaßt sind. Umweltfolge- und Kontrollkosten werden zu einem möglichst frühen Zeitpunkt abgebaut. Damit ist ein Nettowohlfahrtsgewinn verbunden.

Darüber hinaus darf der langfristige Vorteil für den "First Mover" nicht übersehen werden. Die Nachfrage nach Umwelttechnologie und nach Know-how über ressourcen- und energieeffiziente Produktionsweisen wächst. Trotz fehlender Konvention zur Abgrenzung von Umweltgütern und -dienstleistungen kann der aktuell erzielte weltweite Umsatz in den Bereichen Wasserbehandlung, Abfallmanagement, Luftreinhaltung und Umweltdienste auf 3 500 Milliarden Schilling geschätzt werden. Dabei sind japanische Firmen im Markt für Luftreinigungsanlagen, für Entstickungsausrüstung und für Prozesse der Entschwefelung von Schweröl führend. Ein schwedisches Unternehmen und deutsche und französische Firmen führen bei Technologien für Abwasserbehandlung, US-amerikanische in der Abfall- und Biotechnologie.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage

1. Wie treten Sie dem Umstand entgegen, daß die im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes 1996 eingeführte Elektrizitäts- und Erdgasabgabe, die eine einnahmenseitige Maßnahme zur Budgetsanierung darstellt, vom Wifo schon 1995 in einer vom BMU, BMWFK und dem BMLF in Auftrag gegebenen Studie als die beschäftigungspolitisch nachteiligste Variante einer Energiebesteuerung ausgewiesen wurde?

2. Wie vermeiden Sie den Eindruck der Sprunghaftigkeit, Unberechenbarkeit und Wirtschaftsfeindlichkeit vor dem Hintergrund unvorhersehbarer, massiver Erhöhungen der Verbrauchssteuern auf Energie, wie im Fall des Strukturanpassungsgesetzes 1996 beziehungsweise der Mineralölsteuererhöhungen 1995?

3. Stimmen Sie der im Nationalen Umweltplan formulierten Notwendigkeit einer sozial und ökologisch nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zu?


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a) Wenn nein, mit welcher Begründung?

b) Wenn ja, welche Strategie werden Sie verfolgen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Beschäftigungssituation zu verbessern sowie die Energie- und Materialeffizienz wirtschaftlicher Prozesse zu steigern?

4. Welche Rolle weisen Sie staatlichen Interventionen und ordnungspolitischen Maßnahmen bei der Erreichung von beschäftigungs- und umweltpolitischen Zielsetzungen zu?

5. Welche realen Möglichkeiten zur Anwendung neuer marktkonformer politischer Instrumente sehen Sie im Bereich der Wirtschafts- und Umweltpolitik?

6. Sehen Sie Handlungsbedarf hinsichtlich der Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung auf dem Produktionsfaktor Arbeit?

a) Wenn nein, wie begründen Sie dies, und wird sich aus Ihrer Sicht in absehbarer Zeit Handlungsbedarf ergeben?

b) Wenn ja, welche Maßnahme werden Sie bis wann setzen?

7. Wie beurteilen Sie den beschäftigungspolitischen Gestaltungsspielraum, der sich durch Reformen im Bereich der Bundesabgaben erschließt?

8. Wie begegnen Sie dem Vorwurf, daß Unternehmen mit einer hohen Fertigungstiefe und damit einer überdurchschnittlichen Wirkung auf die Beschäftigungssituation, in Österreich besonders hohen Belastungen durch Lohnnebenkosten ausgesetzt und so in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt sind?

9. Wann und mit welchen Strategien werden Sie der zunehmenden Absiedelungstendenz von Industriebetrieben – wie beispielsweise im Falle von Semperit – mit effektiven finanzpolitischen Maßnahmen begegnen?

10. Wann und mit welchen finanzpolitischen Maßnahmen werden Sie Anreize schaffen, um die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich im Wettbewerb um zukunftsträchtige Investitionen zu stärken, und um der Umleitung von Kapital, wie im Falle Siemens, in andere EU-Staaten zu begegnen?

11. Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um die Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau von Biomasse-, Biogas-, Solarenergie- und Windkraftanlagen zur Erzeugung elektrischer Energie zu begünstigen, der mit einer überproportionalen Wertschöpfung im Inland verbunden ist?

In formaler Hinsicht wird vor Eingang in die Tagesordnung die dringliche Behandlung der Anfrage zum frühest möglichen Zeitpunkt verlangt.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Frischenschlager als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. Die beschränkte Redezeit von 20 Minuten darf nicht überschritten werden. – Bitte, Herr Abgeordneter Frischenschlager. (Rufe bei der SPÖ: Wo ist denn der Firlinger?)

15.31

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Das mußt du dort drüben (auf die Bankreihen der Freiheitlichen weisend) nachfragen. (Abg. Dr. Khol: Bei welcher Fraktion bist du denn heute: bei den Liberalen oder den Freiheitlichen?)

Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister für Finanzen! Wir haben diese Dringliche Anfrage heute gestellt, weil wir dem Schicksal des Programms der ökologischen Steuerreform


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nachgehen wollen. Es ist uns wichtig, dieses Thema gerade jetzt zu behandeln, da im EU-Wahlkampf, insbesondere von der Sozialdemokratie, die Frage der Beschäftigungspolitik in den Mittelpunkt gestellt wird – und das verstehe ich auch –, weil das eines der dringendsten sozialen und damit politischen Probleme ist.

Es steht wohl außer Zweifel, daß eine ökologische Steuerreform ein ganz entscheidender Faktor wäre – nicht nur die umweltpolitische Situation und damit die Lebenssituation in dieser Republik zu verbessern, es steht wohl auch außer Zweifel, daß die ökologische Steuerreform die Chance wäre, Umweltpolitik und Beschäftigungspolitik zu betreiben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Da dies ein beschäftigungspolitisches Thema ist, und weil für uns Liberalen in dieser Wahlauseinandersetzung das Thema "Arbeit unserer Mitmenschen" im Mittelpunkt steht, möchte ich auf dieses Thema eingehen.

Herr Finanzminister und meine Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei! Dieser Ihr Schwerpunkt im Wahlkampf ist auf der einen Seite verständlich, weil das das dringendste Problem ist, aber auf der anderen Seite komme ich nicht um den Verdacht herum, daß es bei Ihnen schon ein bißchen darum geht, dieses Problem in Richtung Europäischer Union zu entsorgen.

Das sollten wir jedoch nicht tun, weil wir genau wissen, daß, wenn wir der Europäischen Union in der Beschäftigungspolitik eine derart entscheidende Rolle zuordnen und diese Erwartung, wie schon so oft im Zusammenhang mit der Europapolitik, nicht einlösen können, die Folge ein weiteres Steigen des Frustes gegenüber dieser Europäischen Union wäre und es zu einer weiteren Belastung dieser zukünftigen politischen Gestaltung auf europäischer Ebene käme.

Meine Damen und Herren! Es ist völlig klar: Voraussetzung für vernünftige Rahmenbedingungen im Beschäftigungsbereich ist selbstverständlich an erster Stelle eine wirksame, eine effektive Wirtschaft. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ist eine klare Sache, und dafür ist sicherlich die Europäische Union ganz entscheidend verantwortlich, weil sie als funktionierender Binnenmarkt, der in der Lage ist, über wirtschaftliche Effizienzsteigerung dafür zu sorgen, daß das Arbeiten in den Mitgliedsländern erleichtert wird, die entsprechenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen geben kann.

Ein zweiter Punkt ist natürlich das Wachstum. Mich wundert im übrigen in diesem EU-Wahlkampf – besonders, wenn ich mir die Beiträge der Grünen zur Beschäftigungspolitik und zur Sozialunion auf europäischer Ebene anhöre –, wie selbstverständlich wir heute generell über die Wachstumspolitik als Voraussetzung für Beschäftigung reden, während es merkwürdigerweise untergeht, daß es eigentlich doch darum gehen müßte, ein qualitatives Wachstum herbeizuführen, mit dem Ziel, mit möglichst geringem und sparsamem Einsatz von Ressourcen, von Energie, ein Maximum an Wertschöpfung – auf diesem Weg auch ein Maximum an Beschäftigung für unsere Mitmenschen – zu erreichen. – Das wäre der entscheidende Punkt.

Aus diesem Grunde meinen wir, daß es wichtig ist, die Frage der ökologischen Steuerreform zu diesem Zeitpunkt zu debattieren. Wenn ich noch einmal einen Augenblick zum Thema europäische Ebene zurückkehren darf: Die Europäische Union ist natürlich ein entscheidender Faktor der Beschäftigungspolitik in Europa. Die Europäische Union trägt durch die Strukturfonds, durch die Kohäsionsfonds dazu bei, daß das wirtschaftliche Niveau innerhalb der Europäischen Union angehoben wird, um dadurch annähernd stabile arbeitsmarkt- und sozialpolitische Verhältnisse herstellen zu können.

Wir müssen uns jedoch im klaren darüber sein – und das ist mir sehr wichtig, Kollege Nowotny –, daß das direkte Schaffen von Beschäftigung durch die Europäische Union nicht möglich ist. Das ist eine innerstaatliche Aufgabe, die hauptsächlich davon abhängt, wie wir das Arbeitsrecht gestalten, wie wir das Gewerberecht gestalten, wie wir das Sozialrecht gestalten, wie wir das Dienstrecht gestalten. Das sind die entscheidenden Faktoren, wie Beschäftigungspolitik erfolgreich betrieben werden kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Meine Damen und Herren! Soweit zum Grundsätzlichen; diesbezüglich werde ich wahrscheinlich kaum Widerspruch ernten.

Aber, Herr Finanzminister, ich muß auf die Bundesregierung, auf diese Koalitionsregierung zurückkommen, die ja in früheren Regierungserklärungen – aus dem Jahre 1990, aus dem Jahre 1994 – dazu auch klar Stellung bezogen hat. Ein Ziel dieser Koalitionsregierung war es, durch eine ökologische Steuerreform umweltpolitische, aber auch sozial- und beschäftigungspolitische Effekte zu erzielen. Interessanterweise findet sich in der Regierungserklärung 1995 diesbezüglich nichts mehr – ein Faktum, das ja auch deshalb interessant ist, weil man sehen kann, wie sich die große Koalition von diesem so wichtigen nationalen, aber auch internationalen Ziel verabschiedet hat.

Aber damit noch nicht genug: In der Regierungserklärung aus dem Jahre 1995 wurde angekündigt, daß die Lohnnebenkosten stabil gehalten werden sollen. Das wäre immerhin etwas, was nichts Neues, nichts Reformatorisches darstellt, sondern das ist nicht mehr und nicht weniger, als daß man verspricht, den Weg in die falsche Richtung wenigstens nicht programmatisch fortzusetzen. Aber mehr ist es nicht.

Aber das, was Sie dann getan haben, ist der entscheidende Punkt, bei dem unsere Kritik massiv einsetzen muß: Sie haben sich nicht nur von der ökologischen Steuerreform als Zielpunkt verabschiedet, sondern Sie haben exakt das Gegenteil getan. Wenn Sie im Zuge des Sparpakets aufgrund reiner Budgetlöcherstopf-Bedürfnisse eine Elektrizitätsabgabe, eine Erdgasabgabe eingeführt haben (Abg. Mag. Haupt: Kohle!) , dann haben Sie der ökologischen Steuerreform unter diesem Titel nicht nur ins Gesicht geschlagen, sondern Sie haben sie sogar mißbraucht. Und das ist der entscheidende Vorwurf, den wir Ihnen machen müssen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Kernstück jeder ökologischen Steuerreform ist es, die Ressourcen zu be lasten, dafür aber den Faktor Arbeit zu ent lasten – aber genau das haben Sie nicht getan!

Nun kann man sagen: Das ist halt im Zuge der Budgetsanierungspolitik so passiert. Besonders verwerflich ist jedoch, daß Sie das wider besseres Wissen getan haben. Ich muß Sie nämlich daran erinnern, meine Damen und Herren von der großen Koalition, daß Sie selbst im Jahre 1995 – das Umweltministerium, das Wissenschaftsministerium, das Landwirtschaftsministerium – versucht haben, sich vom Wirtschaftsforschungsinstitut erarbeiten zu lassen, was der Sinn der ökologischen Steuerreform ist, welche Möglichkeiten sie eröffnet. Das haben Sie sich erarbeiten lassen, und Herr Minister Bartenstein hat – wenn ich mich recht erinnere – zusammen mit dem Landwirtschaftsminister diese Studie vorgestellt.

Und genau in dieser Studie, die hochinteressant ist, die eine gute Leitlinie für eine vernünftige Steuerpolitik im Hinblick auf Beschäftigungspolitik und Umweltpolitik bedeuten könnte, ist ganz klar formuliert, daß das, was Sie mit Ihrer Energiebesteuerung im Sparpaket betrieben haben, exakt die schlechteste Variante überhaupt ist: durch höhere Energieabgaben die Unternehmen zwar zu belasten und damit die Beschäftigung zu erschweren, gleichzeitig aber nichts zu tun, um die Lohnnebenkosten, um die Belastung des Faktors Arbeit zu entlasten. Das war Ihr entscheidender Fehler! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es steht also völlig außer Zweifel, daß Sie das Ziel der ökologischen Steuerreform aus den Augen verloren haben, daß Sie die ökologische Steuerreform als Begriff mißbraucht haben, daß Sie den exakt falschesten Weg eingeschlagen haben, den man in dieser Situation gehen kann. Und Sie haben dies wider besseres Wissen getan.

Warum ist das eine so drängende Sache, meine Damen und Herren? – So eindeutig das Ziel für alle vernünftigen Energie-, Sozial-, Beschäftigungspolitiker auch ist, müssen wir uns darüber im klaren sein: Die ökologische Steuerreform ist etwas, das natürlich nicht abrupt von heute auf morgen durchgeführt werden kann. Eines ist ganz entscheidend: Je früher wir mit dieser grundsätzlichen wirtschafts-, steuer- und beschäftigungspolitischen Umstellung beginnen, desto sachter können wir es angehen, desto länger gelten die Übergangsfristen, desto leichter können wir der Wirtschaftspolitik dieses Umschwenken in eine völlig neue, zukunftsorientierte Politik


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machen – mit dem Ziel, qualitatives Wachstum zu ermöglichen statt dem, was jetzt passiert. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Auch das ist ein weiterer entscheidender Punkt: Je früher wir beginnen, desto leichter können wir als Einzelstaat auch die innerstaatlichen Möglichkeiten einer autonomen politischen ökologischen Steuerreform nützen, desto leichter können wir diesen Weg gehen, ohne daß uns die internationale Wirtschaftssituation dabei behindern kann.

Es geht um diesen Anpassungsprozeß, der wirklich sehr entscheidend ist. Sie von der Bundesregierung vertun ein Jahr nach dem anderen und Sie verlieren dieses Ziel sogar aus den Augen – deshalb diese Dringliche Anfrage. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ein paar Worte noch zur Frage, inwieweit denn wir in Österreich diesbezüglich politischen Spielraum haben. Es ist natürlich selbstverständlich, daß der Einwand des internationalen Gleichklanges ganz wesentlich ins Auge zu fassen ist, gerade in einer Binnenmarktsituation.

Es geht auch aus dieser Wifo-Studie ganz klar hervor, daß wir nicht nur die rechtlichen Möglichkeiten haben, hier autonom vorzugehen – das ist ganz entscheidend. Vor allem aber: Es gibt internationale praktische Beispiele, die uns zeigen, daß eine ökologische Steuerreform im Alleingang weitestgehend möglich ist, und vor allem, daß die Effekte, die zu erzielen sind, beachtlicher Natur sind.

Ich möchte als einziges Beispiel das dänische herausgreifen. In Dänemark wurde bereits zu Beginn der neunziger Jahre dieser zukunftsträchtige Weg eingeschlagen, indem man eine massive Besteuerung der fossilen Brennstoffe eingeführt hat, indem man die Erdölenergie massiv mit Steuern belegt hat, aber damit – und das ist das Entscheidende –, wurden beschäftigungspolitische Effekte erzielt, die beachtlich sind, so wurde in dieser Zeit rund ein Drittel der Arbeitslosigkeit abgebaut: von dem zugegebenermaßen sehr hohen Level von 12 Prozent auf 8 Prozent.

Das ist meiner Ansicht nach das entscheidende Beispiel, das zeigt, wie sinnvoll und wie effektiv das im Hinblick auf Beschäftigung ist, und zwar durch innerstaatliche Maßnahmen und in einem autonomen Alleingang. Davon sollten wir uns ein Stück abschneiden, Herr Finanzminister! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Damit, meine Damen und Herren, ganz klar die Fragestellungen, die wir heute an den Finanzminister gerichtet haben: Uns geht es darum, daß wir einen dreifachen Effekt mit der ökologischen Steuerreform erzielen könnten. Erstens im Hinblick auf Wirtschaftsbelebung, weil gerade die Umweltbranche international anerkannt ein ausgesprochen boomender Wirtschaftszweig ist. Es ist im Interesse der Umwelt und es ist im Interesse des Arbeitsmarktes.

Deshalb, Herr Finanzminister, die Fragen: Ich möchte wissen, warum eine von Ihnen – also nicht konkret von Ihnen, Herr Finanzminister, aber von der Bundesregierung – in Auftrag gegebene Studie, die eine ideale Grundlage für eine ökologische Steuerreform beziehungsweise den Beginn einer ökologischen Steuerreform bedeuten könnte, warum also diese regierungseigene Studie derart mißachtet wird.

Ich möchte von Ihnen wissen – nachdem Sie mit dem Sparpaket eine sprunghafte Besteuerung zum Schaden der Wirtschaft, zum Schaden der Beschäftigungspolitik eingeführt haben –, ob wir weitere derart sprunghafte Besteuerungen in die falsche Richtung zu erwarten haben.

Ich möchte wissen, wie Sie den internationalen Spielraum und die autonome energiepolitische Entwicklung und den entsprechenden steuerpolitischen Spielraum beurteilen.

Und vor allem möchte ich wissen, wie Sie in welchem Zeitrahmen dieses so dringende Problem angehen wollen. Denn eines geht nicht – und das ist mein Anliegen –: daß wir einerseits groß nach Jobschaffung durch die Europäische Union schreien und die innerstaatlichen Möglichkeiten, die innerstaatlichen politischen Spielräume nicht nützen. Das geht von der Gewerbe


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ordnung über die Ladenöffnungszeiten, das geht über die Lohnnebenkosten bis zur ökologischen Steuerreform, die das zentrale beschäftigungs-, umwelt- und wirtschaftspolitische Instrument zum Nutzen dieses Landes sein und zugleich einen Anstoß für eine europäische Entwicklung in diese richtige Richtung darstellen könnte.

Daher diese Fragen. Ich bitte Sie auch, sie exakt zu beantworten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bundesminister Mag. Viktor Klima gemeldet. Ich bitte, 20 Minuten nicht zu überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.46

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Frischenschlager, ich schätze Sie als sachorientierten Politiker, daher werde ich mich bemühen, diese Anfrage auch ernsthaft und offen zu beantworten, und sie nicht dem EU-Wahlkampf zuzuschreiben, obwohl Sie selbst den Bogen zum laufenden Wahlkampf anläßlich der Wahl des Europaparlamentes gezogen haben. (Abg. Dr. Frischenschlager: Zu Recht!)

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang, sehr geehrter Herr Abgeordneter, doch auch ein paar Worte zu den Vorbemerkungen Ihrer Dringlichen Anfrage.

Sie stellen im Rahmen der Beschäftigungspolitik so gleichsam in den Raum, daß der Markt die Probleme löst, und daß sich staatliche Interventionen und ordnungspolitische Maßnahmen nicht bewährt hätten. Ich gebe Ihnen recht – allerdings nur, wenn wir nicht aus dem Paradies vertrieben worden wären.

Ich meine damit: Wenn wir einen idealen Markt mit idealen Marktteilnehmern hätten, dann könnten wir durchaus davon ausgehen, daß die sozialen und die ökologischen Bedingungen durch den Markt erreicht werden.

Vor nicht allzu langer Zeit hat Generalvikar Schüller gesagt, wir sollten nicht vergessen, daß es den Sündenfall gab, und daß es daher klarer ordnungspolitischer Maßnahmen, wenn nötig auch staatlicher Interventionen bedarf , um eben die erwünschten politischen Zielsetzungen – zum Beispiel auch Beschäftigungspolitik – zu erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die österreichische Bundesregierung in diesem Sinne auch gezeigt hat, daß es wirkungsvolle Maßnahmen geben kann. Ich darf Ihnen zum Beispiel in Erinnerung rufen, daß wir im Rahmen des Konsolidierungsprogramms, des Strukturanpassungsgesetzes nicht nur auf das Sparen fokussiert haben, sondern daß es sehr gezielte Maßnahmen auch hinsichtlich der Beschäftigungspolitik gab; Maßnahmen im Bereich zusätzlicher Mittel zur Bereitstellung des Infrastrukturausbaues – ich erinnere diesbezüglich an das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, ich erinnere an das Gesetz zur Fertigstellung der Lücken im Hochleistungsstraßennetz und ähnliches mehr. Ich erinnere zum Beispiel auch daran, daß wir eine zusätzliche Tranche bei der Altlastensanierung, eine zusätzliche Tranche im Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds mit jeweils 1 Milliarde Schilling sehr beschäftigungswirksam konzipiert haben.

Ich erinnere weiters daran, daß es auch konkrete Maßnahmen im Rahmen des leichteren Wirtschaftens oder des leichteren Unternehmensgründens gibt: zum Beispiel Gründungssparen, oder Beteiligungskapital für Klein- und Mittelbetriebe mit der Garantie durch die FGG, zum Beispiel die Frage des Venture Capital, weil wir in Österreich wissen, daß es keinen Venture- Capital-Markt gibt, aber auch andere Themen, die noch zu bearbeiten sind.

Es ist unbestritten, daß die Frage der Vereinfachung der Genehmigungen, der Verfahren, der Konzentration oder auch die Frage eines einfacheren Zuganges zum Gewerbe, die Reform der Gewerbeordnung Punkte sind, die in Verhandlung stehen und rasch umgesetzt werden müssen.


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Es ist unbestritten, daß wir auch noch im Bereich des Kapitalmarktes Verbesserungen brauchen, weil wir wissen, daß die österreichische Wirtschaft eine Eigenkapitalschwäche insgesamt hat, wir brauchen ein neues Marktsegment für Klein- und Mittelbetriebe und ähnliches mehr. Auch die Finanzpolitik leistet in diesen sicherlich nicht leichten Zeiten, in Zeiten knapper Kasse und strengsten Kalkulierens ihren Beitrag.

Wir haben es nach dem Motto "Bestehende Steuern einheben statt Steuern erhöhen" geschafft, die attraktiven steuerlichen Bedingungen für Unternehmensinvestitionen in Österreich zu erhalten. Wir haben einen vorbildlichen Körperschaftssteuersatz mit 34 Prozent. Wir haben zum Beispiel keine Vermögensteuer, wir haben zum Beispiel keine Gewerbeertragsteuer, worüber in Deutschland nun heftig gestritten und diskutiert wird. Das sind bereits hervorragende Rahmenbedingungen.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Frischenschlager! Da Sie gemeint haben, für die Alternativenergien oder energiesparende Maßnahmen gäbe es keine Mittel, möchte ich Ihnen folgendes in Erinnerung rufen: Wir haben vereinbart, daß im Finanzausgleich 800 Millionen Schilling aus der Energieabgabe zweckgebunden für energiesparende Maßnahmen den Ländern zur Verfügung gestellt werden sollen. (Abg. Ing. Langthaler: Kontrollieren Sie das? – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Herr Kollege Schweitzer! Ich darf Ihnen erstens in Erinnerung rufen, daß es das noch nicht gibt. Das, was Sie meinen, ist etwas anderes, das ist die zweckgebundene Anhebung der Mineralölsteuer, das ist ein zweites Thema. Aber da geht es darum, daß wir im Rahmen des Finanzausgleiches festgehalten haben, daß für energiesparende Maßnahmen 800 Millionen Schilling aus der Energieabgabe Ländern und Gemeinden zur Verfügung stehen.

Ich gebe Ihnen grundsätzlich recht, Herr Abgeordneter Frischenschlager, wenn Sie meinen, daß höhere Ressourcenpreise die Gedanken und die Innovationskraft des Managements danach ausrichten werden, ressourcensparend zu wirtschaften. Wir haben es leider miterlebt, daß sich die gesamte Erneuerungskraft der Manager und der Unternehmer in den letzten eineinhalb Jahrzehnten auf die Reduktion des Kostenfaktors Arbeit konzentriert hat. Es ist eine Mode geworden – und es sind die Produktivitätssteigerungen, die daraus resultierten, gewaltig, das muß man ganz offen und klar sagen, obwohl – und das ist eine wirtschaftspolitische Nebenbedingung oder Randbemerkung – Sie sicher wissen, daß der führende Ökonom Hamel, der ja diese ganzen Fokussierungen auf Kernaufgaben und so weiter in Harvard entwickelt hat, heute schon vor der Corporate Annexoria warnt, heute schon beginnt, vor der Firmenmagersucht zu warnen. Das führt dazu, daß Unternehmen, die sich einfach auszehren, weil sie sich ausschließlich an der Reduktion der Zahl der Mitarbeiter orientieren, an Kraft verlieren, neue Produkte zu entwickeln, neue Märkte zu erschließen. Das ist auch nachgewiesen.

Steven Roache zum Beispiel hat eine Studie gemacht, aus der hervorgeht, daß Unternehmen, die Kündigungen ankündigen, innerhalb von drei Monaten im Aktienkurs gigantisch in die Höhe steigen, aber innerhalb von längstens drei Jahren von ihren Wettbewerbern wieder eingeholt werden, weil sie einfach die Kraft verlieren, Neues in neuen Märkten zu tun.

Ich stehe aber dazu, daß es wichtig ist, die Fokussierung der Managementkraft, der Innovation auf Ressourcenminimierung dank teurer Ressourcen zu lenken, wobei wir – und auch zu dem stehe ich – versucht haben, einen Übergang zu ermöglichen. Sie wissen, daß wir die neue Energieabgabe auf Gas und auf Strom bei den produzierenden Unternehmen mit 0,35 Prozent der Nettoproduktion gedeckelt haben, damit eben der Produktionsfaktor nicht überfallsartig schwer belastet wird und es einen Anpassungsprozeß für die Unternehmen gibt.

Sie wissen aber auch, sehr geehrter Herr Abgeordneter Frischenschlager, daß sich Österreich sehr stark dafür ausgesprochen hat, daß sich Kommissar Monti im Rahmen seiner Arbeiten weiterhin um die Harmonisierung im Bereich eines ökologischen Steuersystems neben den Arbeiten an der Harmonisierung der Kapitalertragsteuer, der Verbrauchs- und Unternehmenssteuern zu bemühen hat. Und ich meine, daß wir in diesem Standortwettbewerb, in dem wir uns befinden, sehr, sehr stark auf eine gemeinsame Vorgangsweise achten müssen.


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Um eines möchte ich Sie noch bitten. Sie verwiesen am Schluß Ihrer Ausführungen auf die Leistungsstärke und Innovationskraft der deutschen, französischen und schwedischen Unternehmen im Bereich der Abfallbehandlung, im Bereich der Abwasserbehandlung, Rauchgasentschwefelung und ähnliches mehr. Bitte unterschätzen Sie nicht die Leistungsfähigkeit der österreichischen Industrie auf diesem Gebiete! Ich hatte – das gebe ich gerne zu – den Vorzug, in den letzten Jahren mit einer großen Zahl von Wirtschaftsvertretern in den Emerging Markets gewesen zu sein, also zum Beispiel in den Märkten Südostasiens, Südafrikas oder Indiens und auch Vietnams. Diese Länder haben Bedarf an leistungsfähiger Energieinfrastruktur, Abfallbeseitigung, Abwasserwirtschaft. Da sind österreichische Unternehmen, die dort einen hervorragenden Ruf haben, schon sehr erfolgreich im Geschäft.

Schauen Sie nach Rotterdam. Mitten in der Stadt steht die größte Abfallverbrennungsanlage mit einer weltweit einzigartigen Rauchgasentschwefelungs- und Entstaubungsanlage nach österreichischer Technologie.

Also ich würde Sie bitten, daß wir insbesondere in Äußerungen auf internationaler Ebene nicht auf ausländische Beispiele verweisen, sondern wir haben eine Reihe von österreichischen Unternehmen, die hervorragende Qualität anzubieten haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Frischenschlager! Zur Frage 1 betreffend Strukturanpassungsgesetz:

Verzeihen Sie mir bitte, wenn ich sage: Ich glaube, in diesem Falle handelt es sich um eine grundsätzliche Verkennung des Zwecks des Strukturanpassungspaketes und auch der budgetären Situation. Ich gestehe sofort ein, daß der Hauptgrund für die Einbeziehung von Gas und Strom in die Energieabgabe war, einen Beitrag zur notwendigen Konsolidierung des Staatshaushaltes zu leisten. Ich bin nie angetreten und habe gesagt, wir machen das ausschließlich im Sinne einer ökologischen Steuerreform, die natürlich eine Entlastung des Faktors Arbeit mit sich bringen hätte sollen. Das habe ich nie gesagt, und niemand halbwegs Heller im Kopf hat das gesagt, sondern es ist ja klar, daß dieser Beitrag ein Beitrag ... (Abg. Ing. Langthaler: Der Bundeskanzler hat es gesagt! – Weitere Zwischenrufe.) Herr Kollege! Ich weiß, was ich sage, ich weiß nicht, ob Sie wissen, was Sie sagen, aber ich habe nie behauptet, daß diese Maßnahme ausschließlich im Sinne einer ökologischen Steuerreform gewesen wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben – erlauben Sie mir, daß ich zum einem Ihnen, aber insbesondere den Österreicherinnen und Österreichern noch einmal danke sage, sie haben eine in der österreichischen Nachkriegsgeschichte und auch in Europa ohne Vergleich dastehende Leistung vollbracht: In eineinhalb Jahren 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an Defizit abzubauen, also 100 Milliarden Schilling, ist eine gewaltige Leistung, die die Österreicherinnen und die Österreicher vollbracht haben. Sie wissen, wir haben uns vorgenommen, zwei Drittel auf der Ausgabenseite und ein Drittel auf der Einnahmenseite einzusparen. Und da ist und war der Beitrag aus der Energieabgabe unbestritten ein Einnahmenteil.

Alternativen dazu, nämlich die Anhebung anderer Steuern, hätten, sehr geehrter Herr Abgeordneter, würde ich meinen, nicht die Zustimmung des LIF gefunden.

Zur Studie des Wifo darf ich Ihnen sagen, daß es nahezu trivial ist, daß auf der einen Seite die Kompensationsmaßnahmen, Senkung der Lohnnebenkosten, beschäftigungswirksam wirken, daß es aber, wenn das also nicht der Fall ist, keinen Beschäftigungseffekt hat, das ist ja ohnehin klar. Ich glaube, dazu braucht man nicht sehr viele wissenschaftliche Expertisen.

Auch das Wifo hat ja in seiner Variante II – "Budgetkonsolidierung" – dokumentiert, daß es sich um eine budgetwirksame Maßnahme im Sinne von mehr Mitteln fürs Budget handelt, und das ist es. Da gibt es gar nichts zu beschönigen.

Darüber hinaus gehen, glaube ich, vom Strukturanpassungsgesetz selbst – zum Beispiel die Frage der expansiven Nachfrageeffekte im Zusammenhang mit Rücklagenauflösungen und so weiter – auch beschäftigungspolitische Maßnahmen aus.


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40. Sitzung / Seite 82

Zur Frage 2:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf ausführen, daß ich glaube, daß die Energiesteuer auf Erdgas und Strom, die ja mit diesem Deckel eingeführt wurde, nicht zu nennenswerten Problemen innerhalb der österreichischen Industrie geführt hat und daß das durchaus mit dem nötigen Augenmaß geschehen ist. Ich glaube, daß der Vorwurf der Wirtschaftsfeindlichkeit dadurch ins Leere geht.

Auch da muß man offen sagen, daß ja fast drei Viertel des Aufkommens der Energieabgabe von den Konsumenten getragen werden und daß durch die Deckelung des produzierenden Bereiches die Grenzen der Industrie und für den produzierenden Bereich durchaus akzeptabel sind und von diesen auch akzeptiert werden.

Zur Frage 3:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich stimme selbstverständlich mit Ihnen überein, daß es notwendig ist, die sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen Entwicklungen nachhaltig für eine langfristige Wohlstandssteigerung zu sichern und die langfristige Sicherung der Ressourcen auch zu gewährleisten. Es gibt bereits eine Reihe von derartigen bereits existierenden Steuerstrukturen. Die NOVA ist ein Beispiel, das in diese Richtung geht.

Ich glaube, daß wir das auch längerfristig weiterentwickeln sollten, daß wir über eine bedeutende Steuerreform in aller Offenheit diskutieren müssen, aber nicht in Form eines Schnellschusses.

Ich habe im Sommer den Vorsitzenden der Steuerreformkommission zu mir gebeten, so daß wir uns sehr sorgfältig und gründlich mit den Möglichkeiten und Auswirkungen eines neues Wurfes im Bereich der Steuergesetzgebung auseinandersetzen können.

Was die Umweltindustrie betrifft, so habe ich, glaube ich, schon erwähnt, daß Österreich meiner Meinung nach über eine durchaus bedeutende Umweltindustrie verfügt und daß sie im Rahmen der Förderprogramme auch in die Lage versetzt wurde, international wettbewerbsfähig anzubieten.

Zur Frage 4, zur Rolle konkreter staatlicher Interventionen bei beschäftigungs- und umweltpolitischen Zielsetzungen:

Ich glaube, daß es sehr, sehr wichtig ist, Mindeststandards der sozialen Absicherung, des Arbeitsschutzes, der Abwendung von Gefahren und auch konkreter umweltpolitischer Zielsetzungen, zum Beispiel Emissionsstandards oder Immissionsschutz, aber auch Nationalparks von staatlicher Seite her mit Interventionen festzulegen.

Sie wissen, daß der Staat darüber hinaus meiner Ansicht nach die verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat, für materielle und immaterielle Rahmenbedingungen im Bereich der Infrastruktur zu sorgen, auch unter Einbeziehung privaten Kapitals, soweit das möglich ist, um eben der Wirtschaft gute Bedingungen für beschäftigungspolitische Zielsetzungen zu bieten.

Ich glaube, daß im Bereich der Beschäftigungspolitik in Österreich natürlich auch die Frage der Qualität der Arbeitsplätze eine besondere Rolle spielt, die Qualität der Facharbeiter, der Ingenieure, und daß es zum Beispiel in der Frage der Lehrlinge endlich zu einer konstruktiven Lösung kommen sollte.

Zur Frage 5:

Der Strukturumbau der österreichischen Wirtschaft, der eine ganze Reihe von überkommenen Regulierungen eliminieren soll, ist meiner Meinung nach im Gange. Die Verbreiterung der Steuerbasis bei gleichzeitiger Abschaffung von Ausnahmeregelungen, die ökologische Orientierung im Bereich der NOVA sowie eine niedrige Eingangssteuerbelastung stellen aus meiner Sicht sinnvolle Marktinstrumente mit Lenkungscharakter dar.


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Zur Frage 6:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Diese Frage beschäftigt sich mit der Senkung der Abgabenbelastung am Produktionsfaktor Arbeit. Unbestritten ist, daß die derzeitige Regelung, daß wir eine hohe Mobilität des Kapitals, nicht nur in Europa, sondern weltweit, zu bemerken haben und das Kapital daher zu den Plätzen der günstigsten Investitionsbedingungen fließt, wiederum zu einem Steuerwettbewerb im Bereich der Unternehmens- und Kapitalbesteuerung führt, um die Abgabenhöhe für die Staaten gleich zu belassen, führt diese Entwicklung natürlich dazu, daß man von der Tendenz her die im Wettbewerb befindlichen Unternehmens- und Kapitalbesteuerungen senkt, aber die anderen Faktoren nicht senkt, sondern tendenziell im langen Zeitlauf sogar angehoben hat. Daß das ein großes europäisches Problem ist, das ist unbestritten.

Ich glaube aber, daß wir dieses Problem nicht durch Protektionismus in den Handelsbedingungen lösen können, wobei es wichtig wäre, daß wir in Singapur im Rahmen des Welthandelsabkommens sehr wohl Mindestarbeitsstandards, zum Beispiel gegen Kinderarbeit, für Versammlungsfreiheit, festlegen. Ich glaube aber, daß es hier auch sehr wichtig ist, daß wir uns im Rahmen der doch kräftigen Europäischen Gemeinschaft, im Rahmen des ECOFIN mit diesen Fragen auseinanderzusetzen haben. In diesem Sinne sehe ich auch den Auftrag an den Kollegen Monti, an der Harmonisierung der Steuersysteme weiterzuarbeiten, damit wir aus dieser unendlichen Spirale schlußendlich herauskommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Frage 7:

Herr Abgeordneter! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann meinen Sie ja nicht Steuersenkungen, die natürlich wünschenswert, aber aufgrund der Budgetsituation nicht möglich sind, sondern Sie meinen nur steuerliche Umschichtungen. Da sagt selbst der Wifo-Bericht, daß steuerliche Umschichtungen an sich nur geringe Beschäftigungseffekte haben und daß die beschäftigungspolitische Bedeutung von steuerlichen Umschichtungen nicht überschätzt werden sollte.

Zur Frage 8 hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Entwicklung der Lohnnebenkosten:

Erlauben Sie mir da bitte auch eine Bemerkung, wobei ich davon ausgehe, daß Sie es ohnehin wissen. Das, was im internationalen Wettbewerb wirklich eine Rolle spielt, sind die Lohnstückkosten. Bei den realen Lohnstückkosten hat es zum Beispiel im Jahr 1995 in Österreich eine Senkung gegeben. Die Europäische Union prognostiziert für 1996 für Österreich gleichsam eine reale Senkung der Lohnstückkosten. Auch für das Jahr 1997 wird eine Senkung der Lohnstückkosten vorausgesagt. Hut ab vor der österreichischen Wirtschaft und der österreichischen Industrie, die eine derartige Produktivitätssteigerung auch erzielen konnte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ja, alle gemeinsam.

Ich möchte nur hier anfügen, daß es nachweislich nicht einfach war. Denken Sie nur daran, daß zum Beispiel der Dollar vor zehn Jahren doppelt so viel wert war wie heute. Das heißt, daß die österreichischen Produkte heute auf den Weltmärkten eigentlich doppelt so teuer sein müßten, etwas, was Gott sei Dank nicht der Fall ist. Das ist aber nur auf die Leistungen der österreichischen Wirtschaft, der österreichischen Arbeitnehmer, der österreichischen Unternehmer, die diese Wettbewerbsfaktoren so gut gestaltet haben, zurückzuführen, daß sie diesen Währungswettbewerb tatsächlich überdrehen konnten.

Vielleicht noch eine Bemerkung, weil diese Lohnnebenkosten schon einer fairen Betrachtung unterzogen werden müssen. Wenn Sie davon ausgehen, daß wir das 13. und 14. Gehalt, das bei uns fälschlicherweise immer zu den Lohnnebenkosten gezählt wird, zum Leistungslohn dazurechnen, dann werden Sie sehen, daß Österreich bei den echten Lohnnebenkosten gar nicht so schlecht, sondern im internationalen Vergleich durchaus im guten Mittelfeld liegt.


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40. Sitzung / Seite 84

Zu den Fragen 9 und 10 hinsichtlich der Wettbewerbsfaktoren und des Wirtschaftsstandortes Österreich:

Da Sie das Beispiel Semperit anführen, möchte ich sagen: Ich gebe Ihnen recht, und ich möchte hier nicht chauvinistisch wirken. Wir sind sehr froh, daß Zehntausende Arbeitsplätze, gute, qualifizierte Arbeitsplätze in Österreich durch Unternehmen mit ausländischen Eigentümern angeboten und gehalten werden: von Grundig über General Motors über Chrysler bis Siemens und so weiter. Ich bin wirklich sehr froh darüber.

Aber ich bekenne mich dazu, daß wir in jenen Sektoren, die von strategischer Bedeutung für Österreich sind, dort, wo es noch möglich ist, Privatisierungen, Eigentümerstrukturen unter Bewahrung der nationalen Interessen erreichen müssen. Ich halte das für ganz wichtig. Gerade das Beispiel Semperit zeigt uns, daß wir möglicherweise die Chance gehabt hätten, das erfolgreiche Modell der Privatisierungsvorgänge bei Wahrung nationaler Interessen, wie wir es jetzt bei Böhler-Uddeholm, bei VA-Tech, bei VA-Stahl, bei der OMV praktiziert haben, auch auf Semperit anzuwenden.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Aber eines ist unbestritten: daß für Österreich natürlich eine besondere Herausforderung besteht. Nicht nur durch die politischen Veränderungen des Jahres 1989, durch die Ostöffnung, sondern auch durch diesen globalen Wettbewerb, der auf uns zukommt.

Eines unserer größten Assets ist die Qualität unserer Facharbeiter, aber auch die technischen und immateriellen Rahmenbedingungen, die wir der Wirtschaft bieten. So darf ich Ihnen sagen, daß wir zwar zum Beispiel Anfang der neunziger Jahre einen verstärkten Abfluß österreichischen Kapitals ins Ausland gehabt haben – dieser war stärker als der Fluß ausländischen Kapitals nach Österreich –, daß wir aber in der ersten Hälfte dieses Jahres wieder eine deutliche Umkehr erzielen konnten und daß deutlich mehr Kapital nach Österreich geflossen ist, als abgeflossen ist. Das zeigt die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Hinsichtlich der Frage 11 darf ich Ihnen sagen, daß die wesentlichen Grundlagen dafür mit der Novelle des Umweltförderungsgesetzes im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes 1996 sowie mit einer Neufassung der Förderungsrichtlinie 1996 für die Umweltförderung im Inland geschaffen wurden. Ich erinnere hier noch einmal daran, daß in diesem Zusammenhang zusätzlich eine Milliarde Schilling für die sehr beschäftigungsintensive Abfallwirtschaft und Altlastensanierung zur Verfügung gestellt wurde, zusätzlich eine Milliarde Schilling für die sehr arbeitsintensiven Arbeiten im Bereich des Wasserwirtschaftsfonds sowie der Kanalbauten und – wie bereits erwähnt – die 800 Millionen Schilling aus der Energieabgabe zweckgebunden für die energiesparenden Maßnahmen.

Ich glaube also zusammenfassend, daß wir uns in sehr konsequenter und sorgfältiger Überlegung im Rahmen der Steuerreform-Kommission mit der Frage der weiteren Ökologisierung des Steuersystems auseinanderzusetzen haben. Ich glaube aber, daß es im Rahmen des Konsolidierungsprogramms gelungen ist, auch sehr wesentliche beschäftigungspolitische Maßnahmen zu setzen. Es ist nicht Zufall, daß Österreich mit 4,1 Prozent eine der niedrigsten Arbeitslosenraten auf der ganzen Welt hat und daß das Weltwirtschaftsland USA, dessen Jobwachstum mit 5,4 Prozent wir jetzt preisen, eine noch immer um ein Viertel höhere Arbeitslosenquote hat als Österreich. In diesem Sinne hoffe ich, Ihre Anfragen vollständig behandelt zu haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Rufe bei den Grünen: Nein, nein! Die 11. Frage!)


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40. Sitzung / Seite 85

16.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß es eine Blockredezeitbeschränkung pro Fraktion von 25 Minuten und eine Einzelredezeitbeschränkung von 10 Minuten gibt.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.13

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich einen Formfehler hier thematisieren. Ich glaube, der Herr Bundesminister hat bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage die auf der letzten Seite stehende Frage 11 nicht wahrgenommen. (Bundesminister Mag. Klima: Nein!) Ich habe keine Antwortkomponenten im Ohr, die sich mit Biomasse, Biogas, Solarenergie, Windkrafterzeugung und so weiter – mit anderen Worten mit dem Bereich, den man auch landläufig "alternative Energieerzeugungsformen nennt" – beschäftigten. Er hat uns von Müllentsorgung, Abfall und so weiter ... (Bundesminister Mag. Klima: O ja! Plus 800 Millionen Schilling für Alternativenergien!) Also gut, dann nehme ich zur Kenntnis, daß das Ihre Antwort ist, daß diese 800 Millionen, die Sie erwähnt haben, aus der Energieabgabe an die Länder fließen sollen und ein Bestandteil des Finanzausgleiches sind. Ich muß sagen, das ist dann eine Antwort im förmlichen Sinn, aber inhaltlich ist sie in keiner Weise dem Problem adäquat, wenn wir wissen, daß die Länder erstens sehr unterschiedliche Zugänge zu diesem Thema haben und zweitens in diesem Fall schon in der Vergangenheit bewiesen haben, daß sie durchaus nicht in der Lage sind, Lösungen zu finden. Lambach ist ein typisch landespolitisches Problem, und das sagt alles über den Zugang eines Bundeslandes zur Frage von alternativen Energieaufbringungsformen im Verhältnis zu Investitionen, die sich von vornherein nicht rechnen.

Wichtig scheint mir aber zu sein, darauf hinzuweisen, daß Sie, Herr Bundesminister, hier sinngemäß ausgeführt haben, daß eigentlich niemand – Sie haben die Worte gewählt: "kein heller Kopf" – der Meinung war, daß das, was die Bundesregierung im Rahmen des Sparpaketes zu den Energieabgaben gemacht hat, etwas anderes gewesen wäre als eine Budgetmaßnahme, eine auf die Budgetsanierung im Sinne von Schaffung von Einnahmen orientierte Maßnahme. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß der Herr Bundeskanzler sowohl in seiner Regierungserklärung als auch in der Debatte rund um die Budgets uns das so dargestellt hat, daß das ein erster Schritt der ökologischen Steuerreform sei. Alle Abgeordneten der Oppositionsparteien haben damals mit Recht dagegen gewettert und gesagt, das ist das Gegenteil einer ökologischen Steuerreform.

Das mag vielleicht auch damit zusammenhängen, daß Sie den ersten falschen Schritt schon 1995 gesetzt haben, und nachdem Sie dann 1996 bei Erdgas und Elektrizität nachgezogen haben, ist Ihnen gar nicht mehr aufgefallen, daß Sie eigentlich nur mehr Geldbeschaffungsaktionen veranstalten. Es ist heute die Ehrlichkeit erfrischend, daß Sie das zugeben. Das halten wir gerne fest. Aus Ihrem Munde ist es auch authentisch und auf dem richtigen fachlichen Label angesiedelt. Das, was Sie bis vor kurzem als Energiesteuer bezeichnet haben, war eine der Maßnahmen zur monetären Sanierung des Budgets. Zur strukturellen Sanierung trägt es nämlich nichts bei. Das halte ich für einen ganz wesentlichen Hinweis. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Kern der liberalen Anfrage war der strukturelle Zusammenhang. Und dieser strukturelle Zusammenhang zwischen Energieabgaben und dem Arbeitsmarkt besteht. Sie haben selbst gesagt, um das zu erkennen, braucht man keine besondere Studie. Das freut mich auch. Vorgestern haben wir es aber teilweise von manchen anders gehört. Da hat man gehört, der Evaluierungsbedarf ist noch nicht ausgeschöpft, wir müssen noch mehr prüfen.

Es gibt das berühmte Argument: Kein Alleingang! Das war immer ein Argument der Gegner der Reform. Das, was Sie gemacht haben, rein fiskalpolitisch und nur zur Budgetsanierung, war allerdings ein typischer Alleingang. Oder haben Sie diese Zuschlagssteuern auf Energie europaweit harmonisiert? – Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben also bewiesen, daß dann, wenn es um Belastung geht, ein Alleingang möglich ist, wenn es um eine ökologische Steuerreform geht, offenbar nicht, da ist es sehr komplex. Das räume ich Ihnen schon ein, und insofern ist es ein richtiges Argument. Es ist natürlich besser, wenn man das Problem auf die europäische Ebene hebt, aber es wäre natürlich leichter auf die europäische Ebene zu bringen, wenn Österreich den Anspruch erheben könnte, Vorreiter zu sein. Aber das kann es leider nicht mit diesem Zugang.


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40. Sitzung / Seite 86

Sie hätten ein Mittel in der Hand gehabt, sowohl das Budget in Ihrem Verständnis durch Einnahmen zu sanieren als auch eine ökologische Steuerreform zu machen, Sie hätten nur sagen müssen – Sie haben ja ein Zweijahresbudget gemacht –: Wir müssen leider aus budgetären Gründen, weil uns das Geld hinten und vorne fehlt, das wir in den Jahren zuvor etwas zu locker ausgegeben haben, jetzt einmal die Einnahmenseite vorziehen, aber wir beschließen schon heute, in spätestens zwei Jahren beginnt der Abbau bei den Lohnnebenkosten. Es wäre nämlich für viele Investoren standortentscheidend gewesen, wenn sie jetzt schon gewußt hätten, in zwei oder zweieinhalb Jahren beginnt wenigstens dieser Abbau. Aber nicht einmal dieser Hinweis war Ihnen zu entlocken.

Investitionsentscheidungen fallen nicht von heute auf morgen, diese haben auch eine kleine Vorlaufzeit. Und wenn man sich darauf verlassen kann, daß ab 1. Jänner 1997 oder 1998 bei den Lohnnebenkosten ein Paradigmenwechsel stattfindet, dann wäre schon viel gewonnen, und manche Investitionsentscheidung würde vielleicht im internationalen Standortwettbewerb anders getroffen werden.

Sie haben natürlich recht mit Ihrem Argument zu den Lohnstückkosten, das ist richtig, diese sind schlußendlich maßgeblich. Nur, Herr Bundesminister, mit Verlaub, die Lohnnebenkosten gehen als Element in die Lohnstückkosten ein – und was wäre schlecht daran, wenn die Lohnstückkosten noch niedriger wären? Dann wären wir nämlich noch wettbewerbsfähiger, als wir es jetzt zum Teil noch sind, aber teilweise auch schon nicht mehr ganz so sind.

Aus diesem Verständnis heraus ist für mich Ihre Anfragebeantwortung seriös gewesen, informativ, aber auch – und das ist eigentlich wirklich schade – hintennach das bestätigend, was wir schon immer sagen. Ich weiß nicht, ob das Ihre Absicht war, uns hintennach zu bestätigen, was wir schon immer gesagt haben.

Ich möchte nicht erleben, daß wir auf die EU angewiesen sind, damit sie uns belehrt. Ich möchte, daß unsere in der EU tätigen Abgeordneten, insbesondere jene unserer Fraktion, in der Lage sind, dort auf das Vorbild Österreich zu verweisen, um auf europäischer Ebene mehr durchzusetzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ihre Argumentation – und die scheint mir strukturkonservativ oder verzagt zu sein – lautet eher: Die EU wird uns schon unter Druck setzen, oder sie wird uns schon helfen beim Verbessern unserer Fehler im Arbeitsmarkt zum Beispiel. Das, glaube ich, ist nicht gut, denn das war nicht unsere Idee, daß wir deswegen in die EU gehen, damit wir unsere politische Verantwortung in die Garderobe hängen können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.20


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40. Sitzung / Seite 87

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister – Bitte, Herr Bundesminister.

16.20

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Ich möchte nur, damit hier keine Verwirrung entsteht – Sie können es dann im Protokoll sicher nachlesen –, noch eine kurze Klarstellung machen. Ich habe gesagt, daß niemand, auch ich nicht, behauptet hat, daß die Einbeziehung von Gas und Strom in die Energieabgabe ausschließlich aus ökologischen Gründen und im Sinne einer ökologischen Steuerreform geschehen ist, sondern daß es vordringlich ein Beitrag zur Budgetsanierung war, der natürlich auch ökologische Elemente enthält, aber vordringlich ein Beitrag in diese Richtung war. (Abg. Wabl: Regierungserklärung vom 13. März 1996 – Franz Vranitzky!)

Ich habe also nicht gesagt, daß es nichts mit einer Ökologisierung zu tun hat, sondern ich habe gesagt, daß diese Maßnahme nicht ausschließlich in Richtung Ökologisierung ging, sondern aus meiner Sicht vordringlich zur Budgetsanierung gesetzt wurde. Sie beinhaltet aber auch Elemente in diesem Sinne. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte Herr Abgeordneter.

16.21

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Thema der Anfrage ist zweifellos interessant. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht so sicher, ob es wirklich so ein unmittelbar dringliches Problem ist. Aber ich möchte mir alle Anmerkungen versagen über andere dringliche Probleme, die die liberale Partei vielleicht derzeit beschäftigen.

Wenn man sich die Anfrage durchliest, so muß ich sagen, ist das eher ein bißchen so eine Art wirtschaftstheoretischer Essay, eine Art Seminararbeit – ich will mich aber enthalten, sie zu beurteilen. Aber es ist zweifellos richtig: Das Konzept, Steuern als Instrument der ökologischen Lenkung einzusetzen, ist ein relevantes und interessantes Konzept. Und so wie andere in diesem Haus habe ich mich selber schon seit langer Zeit mit diesem Thema beschäftigt.

Nur, meine sehr geehrten Damen und Herren, das allein, die theoretische Konzeption, genügt eben nicht. Der entscheidende Punkt ist eben doch, daß man sich mit Fragen der praktischen Umsetzung auseinandersetzt. Und das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, den wir als Politiker hier zu diskutieren haben.

Es ist zum Beispiel richtig, wenn Sie in Ihrer Anfrage auf die Frage der Preiselastizitäten eingehen, wobei man schon darauf hinweisen muß, daß auf kurze und mittlere Sicht auf jeden Fall diese Preiselastizitäten für Energiesteuern oder für den Energieverbrauch gering sind. Darüber gibt es eindeutige Studien. Das heißt, um das ganz praktisch zu sagen: Wenn Sie hier merkbare Lenkungseffekte erreichen wollen, müssen Sie die entsprechenden Preise sehr deutlich anheben. Ihr Beispiel, daß man das sozusagen in homöopathischen Dosen langsam macht, das bringt überhaupt nichts. Es gibt eine sehr deutliche Studie des Kollegen Schneider aus Linz, die sagt: Wenn das unter der Merkbarkeitsgrenze bleibt, hat es eben genau nicht diesen Lenkungseffekt. Man kann sich nicht in eine ökologische Steuerreform hineinschwindeln. Entweder muß man sie mit aller Dramatik machen, dann muß man sich aber auch dazu bekennen. Das ist ein Konzept, das man verfolgen kann. Dann hätte ich allerdings schon gerne gewußt, auf welche Preiserhöhungen Sie denn abstellen. Das haben Sie, genauso wie auch Ihr Kollege Wabl bei anderer Gelegenheit, hier schamhaft verschwiegen. (Abg. Wabl: Na bitte! ...)

Na dann sagen Sie mir doch: Wie hoch soll denn der Benzinpreis nach Ihrer Meinung steigen? Ich bin offen für eine Antwort, aber ich höre sie nicht. Also, Herr Kollege Wabl, so kann man es nicht spielen. Man kann nicht sagen, Energiepolitik ist eine Sache nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß! Wenn Sie dafür eintreten, dann müssen Sie auch mit allen Konsequenzen dafür eintreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Bereich, den Sie angeführt haben, ist der Bereich der Substitutionselastizitäten: Die meisten ökonometrischen Studien zeigen, daß diese kurzfristig eher null sind, auch längerfristig eher gering sind. Das heißt also, auch dieser Aspekt, daß es dadurch zu arbeitsintensiveren Produktionsformen kommt, ist eher unrealistisch.

Was natürlich schon von Interesse ist, ist insgesamt die Frage der steuerlichen und abgabenmäßigen Belastung von Arbeit und die Frage: Haben wir das als Instrument, um die Nachfrage nach Arbeit zu beeinflussen? Auch darüber gibt es eine große Diskussion, sowohl im wissenschaftlichen Bereich als jetzt auch im EU-Bereich. Die Antwort ist natürlich wie in den meisten Fällen nicht so einfach. Aber einige Dinge stellen sich klar heraus.

Erstens: Die Nachfrage nach Arbeit ist natürlich vor allem abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Kein Mensch, kein Unternehmer wird Arbeiter nur deshalb einstellen, weil sie billiger werden, wenn die Produkte, die damit erzeugt werden sollen, nicht abgesetzt werden können. (Abg. Mag. Peter: No na!) No na, sagen Sie, aber genau das wird übersehen von all denen, die glauben, ich brauche nur die Lohnnebenkosten, die Lohnkosten zu senken – und schon habe ich mehr Beschäftigung. Genau das ist eben nicht der Fall. (Abg. Mag. Peter: Das führt ja zu keiner Senkung der Bruttolöhne!)


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40. Sitzung / Seite 88

Es geht ja hier um die Frage, ob Lohnsenkungen, unter welchem Titel immer – und das läuft ja meistens unter dem schönen Namen "Flexibilisierung", und wir haben ja gerade zwischen Bundeswirtschaftskammer und Industriellenvereinigung eine solche Diskussion gehabt –, Beschäftigung schaffen. Nein, allein schafft das keine Beschäftigung. Es freut mich, daß Sie das als Praktiker hier auch bestätigen. Es ist nur etwas anderes, als leider meistens von den Interessenvertretungen der Unternehmerseite gesagt wird.

Daher: Der wesentliche Punkt ist einmal die Frage der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Natürlich stellt sich dann für bestimmte sensible Bereiche die Frage, ob in bestimmten, speziell abgrenzbaren Bereichen die Frage der Lohnnebenkosten oder der Lohnkosten eine gewisse Rolle spielen. Auch dazu gibt es entsprechende Studien, die zeigen: Wenn überhaupt, ist das am ehesten im Bereich der niedrigen Einkommensgruppen von Relevanz. Für die höheren Einkommensgruppen spielt die Frage der Lohnnebenkosten kaum eine Rolle.

Hier ist zu überlegen, ob es da Entlastungen geben kann. Ich darf daran erinnern, wir hatten eine solche Diskussion hier im Haus bei der Frage der Einführung der Kommunalabgabe, wo ja von seiten der Sozialdemokraten – damals auch mit Minister Lacina – ein Konzept vorgelegt wurde, die Kommunalabgabe, das heißt de facto die Lohnsummensteuer, geringer zu erhöhen beziehungsweise für untere Einkommensgruppen entfallen zu lassen und dafür die Abschreibungen in die Bemessungsgrundlage hineinzunehmen. Das hätte zweifellos eine Entlastung auf der Lohnseite bedeutet, wurde aber leider von seiten der Unternehmerverbände strikt abgelehnt, sodaß wir dieses Konzept nicht durchführen konnten. Ich halte es nach wie vor für einen interessanten Ansatz und bin der Meinung, daß wir das durchaus in der Diskussion hier lassen sollten.

Nächster Punkt – und das ist natürlich ein grundlegender Punkt in dem gesamten Konzept – ist die Frage: Wie sieht es aus mit der internationalen Verflechtung? Das klingt natürlich immer sehr schön, wenn gesagt wird, Österreich soll hier doch eine Vorreiterrolle spielen, Dänemark hätte auch so etwas gemacht. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Auch hier, lieber Kollege Wabl, ist die Wahrheit konkret. Man muß sich die Sachen jetzt genau anschauen. Natürlich gibt es gewisse Spielräume, die wir ja auch zum Teil genutzt haben. Kollege Kier hat ja darauf hingewiesen, wir haben ja bei den steuerlichen Maßnahmen, die wir im Energiebereich gesetzt haben, gewisse Spielräume ausgenützt – aber eben nur gewisse Spielräume. Alles, was darüber hinausgeht, ist eben tatsächlich mit der Gefahr verbunden, daß wir damit die relative Position gegenüber anderen Staaten verschlechtern, was natürlich unmittelbar zu Lasten der Beschäftigung geht.

Dänemark ist da – wenn man sich das genau anschaut – kein Gegenbeispiel. Erstens ist die gesamte Besteuerung der Energie in Österreich nicht sehr viel geringer als in Dänemark. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß wir in Österreich zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer für Energie den Normalsatz haben, während es in Dänemark einen begünstigten Satz gibt. Das heißt, wir haben ja unter einem anderen Titel genau eine Energiebesteuerung. Wir haben sie aber bewußt so gemacht, daß wir die Exportindustrie damit entlastet haben.

Zweiter Punkt: Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, daß Dänemark eine etwas andere Wirtschaftsstruktur hat. Es gibt eben in Dänemark keine Stahlwerke, es gibt keine Papierindustrie. Wenn Sie jetzt denken, auf die verzichten wir, dann sagen Sie es! Wir sind nicht dieser Meinung. Wir sind der Meinung, daß wir in Österreich eine Industriestruktur haben, die gerade für die Dynamik unserer Wirtschaft wichtig ist, und diese Industriestruktur wollen wir auch weiter erhalten – im Interesse der Beschäftigten. Darauf läuft es letztlich hinaus.

Ich glaube, es ist interessant, diese Dinge zu diskutieren, aber es ist gefährlich, eine Diskussion abzuführen, ohne die tatsächlichen wirtschaftlichen Realitäten zu berücksichtigen. Und aus unserer Sicht, aus der Verantwortung gegenüber den Beschäftigten in diesem Land und ihren Familien und damit auch den Einkommensentwicklungen in Österreich glauben wir, daß dieser vorsichtige Weg, den wir gehen, der richtige Weg ist für Österreich und für seine Beschäftigten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.30


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40. Sitzung / Seite 89

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Sehr dringlich kann die Anfrage nicht sein, wenn von der anfragestellenden Fraktion nur mehr zwei Abgeordnete anwesend sind! – Abg. Tichy-Schreder: Jetzt sind es drei! – Abg. Dr. Khol: Sind es jetzt drei? Vielleicht sind schon alle zur FPÖ übergewechselt! Es ist schade um die Zeit des Finanzministers!)

16.30

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte spärlich anwesende Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Wabl: Grundsätzlich ein sehr interessanter Vorschlag!) Daß sich wirtschaftliche Entscheidungen, so wie es im Antrag der Liberalen unterstellt wird, auch private Konsumentscheidungen im wesentlichen an Preisen oder an Rentabilitätsüberlegungen orientieren, ist sicher nichts Neues. Das gilt auch für Energiepreise, das gilt selbstverständlich auch für den Preis für menschliche Arbeit.

Wir stehen in Österreich vor großen Herausforderungen. Führen wir uns die Ziele vor Augen: Vollbeschäftigung und Ressourcenschonung beziehungsweise Emissionsminderung. Wir stehen vor Herausforderungen, vor allem wenn man sich die aktuelle Situation anschaut: dritthöchste Arbeitskostenbelastung in der EU, steigende Arbeitslosigkeit, wenngleich die absoluten Zahlen immer noch im Vergleich zu anderen relativ gut ausschauen, unbefriedigende Emissionsentwicklung, auch wenn hier die absoluten Zahlen nicht so schlecht sind wie bei anderen oder besser sind als bei anderen. All das ist aber auch durch eine Reihe von anderen Maßnahmen bedingt, die wir hier schon gesetzt haben.

Der Schluß daraus ist eigentlich einfach und richtig und hat auch in die Anfrage des Liberalen Forums Eingang gefunden, nämlich daß Steuerpolitik die Preisgestaltung beeinflussen kann und damit als Lenkungsinstrument durchaus tauglich ist, um wirtschaftliche Entscheidungen zu beeinflussen. Es war ganz interessant, einen Artikel von Joschka Fischer, dem grünen Fraktionsführer in Deutschland, in der heutigen "Neuen Zürcher Zeitung" zu lesen, der auch davon spricht, daß Umweltordnungsrecht mit solchen Lenkungsmaßnahmen weitgehend dereguliert werden kann. Und eines darf ich an der Stelle schon sagen: Das ist keine Erfindung oder keine Erkenntnis des Liberalen Forums, es war die ÖVP (Abg. Wabl: Jetzt wissen wir es wieder!), und zwar noch unter Joschi Riegler, die das ökosoziale Konzept entwickelt, aber nicht nur entwickelt, sondern auch aufgezeigt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Genau, der Riegler war es! – Abg. Ing. Langthaler: Sehr erfolgreich war er leider nicht! – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Wir haben aus diesem Konzept bereits viele Schritte – kleine Schritte – im Sinne dessen, was Kollege Nowotny vorher gesagt hat, der behutsame Weg führt zum Erfolg, realisiert. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Khol: Jetzt hast du sie erwischt!) Wenn wir diese Frage diskutieren, dann dürfen wir eines nicht vergessen, nämlich die Rahmenbedingungen, unter denen wir diese Frage heute diskutieren, unsere Randlage zum Osten Europas, die gewachsene Industriestruktur – das ist vorher schon von Kollegen Nowotny erwähnt worden –, die Papierindustrie und die Stahlindustrie. Diese können wir nicht negieren und nicht wegdiskutieren. Auch die Budgetsituation des Jahres 1995 können wir nicht wegdiskutieren, die den zweiten Teil dieser Energie- oder Ökosteuer unmöglich gemacht hat, nämlich die Entlastung auf der Arbeitskostenseite. Aber immerhin ist es uns gelungen, eine weitere Steigerung der Nebenkosten zu verhindern. Wir können diese Rahmenbedingungen nicht einfach wegdiskutieren und negieren.

Die Wifo-Studie, die immer wieder zitiert wird, hält einen nationalen Alleingang in Österreich zwar für möglich – im Bereich der Steuern haben wir den Spielraum auch ausgenutzt, darauf hat Kollege Nowotny schon verwiesen –, aber wenn bei einer Verlagerung von 6 bis 15 Milliarden Schilling jährlich eine Beschäftigungssteigerung von 0,4 Prozent als Ergebnis herauskommt, dann, muß man sagen, bewegt sich das schon im Bereich statistischer Unschärfen und Schwankungen, die nicht unbedingt zu ruckartigem Handeln zwingen.


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Stenographisches Protokoll
40. Sitzung / Seite 90

Eines darf man dabei auch nicht übersehen: die Belastung, die für die privaten Haushalte daraus entstünde. Der Herr Bundesminister hat es erwähnt, es wären primär die privaten Haushalte, die das zu tragen hätten.

Eines scheint mir in der liberalen Anfrage interessant zu sein: der Hinweis auf Semperit, auch wenn dies nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht. Abgesehen davon ist die dortige Entwicklung sicher nicht auf eine Industriepolitik, die unserer Partei nahesteht, zurückzuführen, sondern CA-Generaldirektor Androsch und der damalige Finanzminister Vranitzky haben das zu verantworten. Der Herr Bundesminister hat für mich überraschenderweise auch darauf hingewiesen, daß man das anders machen hätte können und sollen. Aber Maßnahmen und Möglichkeiten zur Verhinderung von Auslagerungen – wenn wir schon bei Semperit sind – gibt es sehr wohl.

Unser Wirtschaftsminister hat gerade vor wenigen Tagen eine solche vorgestellt, nämlich eine massive Vereinfachung (Abg. Dr. Haselsteiner: Neue Reifen!) des Betriebsanlagenrechts. Herr Kollege! Das wird Ihnen doch hoffentlich auch recht sein! Schauen Sie sich den Vorschlag an, er ist revolutionär!

Es liegt ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch. (Abg. Wabl: Die Tafeln an der Grenze!) Hingegen ist es leider nicht sehr hilfreich, wenn auf der anderen Seite unser Herr Sozialminister bei der Arbeitszeitflexibilisierung (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist doch ein alter Hut!) , die man mindestens so dringend brauchen würde, nichts weiterbringt, uns aber mit einem Nachtarbeitsgesetz beglückt, das im Moment wirklich niemand brauchen kann. Die Arbeit zu verteuern, um eine Diskriminierung bei den Frauen beseitigen zu können, allen anderen in der Nacht Tätigen die Arbeit zu verteuern, das kann es wohl nicht sein. Da lobe ich mir unseren Herrn Wirtschaftsminister! (Beifall bei der ÖVP.)

Gegen diese Auslagerungstendenzen, die im Zuge dieser internationalen Globalisierung stattfinden, die durch ein Ausnutzen der unterschiedlichen Preise für Arbeit und Energie hervorgerufen werden, die wiederum durch ein Dumping – das ist vorhanden – bei sozialen und auch ökologischen Standards hervorgerufen werden, gibt es keine nationalen Strategien. Es ist wohl unverdächtig, wenn ich diesbezüglich wieder Joschka Fischer zitiere, der auch das bestätigt hat. Dagegen gibt es keine nationale Strategien. Auch Hans Peter Martin kommt in seinem Buch, das kürzlich für so viel Aufregung gesorgt hat, "Die Globalisierungsfalle", zu ähnlicher Überzeugung und Erkenntnis. Dagegen gibt es nur eine Strategie, und das ist eine Europäische Union, die sich als ökosoziale Union versteht, die Standards im ökologischen und im sozialen Bereich setzt, so wie es die Sozialcharta der ÖVP in Richtung EU gerade festgeschrieben hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Joschi Riegler!)

Das ist die Strategie, die einzig wirksame mögliche Strategie dagegen, aber sicher keine nationalen Experimente. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.38

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich freue mich, daß sich schlußendlich das Liberale Forum im zweiten Anlauf entschieden hat, an welchen Minister es die Anfrage richtet. Die erste Dringliche Anfrage war noch an keinen Minister gerichtet, aber nun ist der Herr Finanzminister hier. Daher können wir auch mit dem Herrn Finanzminister über die Dringlichkeit und die ökologische Steuerreform diskutieren.

Das Thema Ökologisierung des Steuersystems auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene ist eminent wichtig und zukunftsorientiert. Deshalb hat sich auch die freiheitliche Parlamentsfraktion schon seit Jahren intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Wir haben gemeinsam mit namhaften Fachleuten von Universitäten und so weiter entsprechende Konzepte erarbeitet und sind jederzeit bereit, neuerlich in eine Diskussion über die Ökologisierung des öster


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reichischen Steuersystems einzutreten. Aber – auch das wurde heute bereits angesprochen – die Dringlichkeit dieser Anfrage, lieber Kollege Frischenschlager, kann ich wirklich nicht erkennen. Die einzige Dringlichkeit ist die (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner) die hast du selbst in deiner ehrlichen Art angeführt –: EU-Wahlen stehen vor der Tür. Und angesichts dessen wäre es vielleicht ganz gut, wenn man noch einmal über die Ökologisierung des Steuerrechtes, über die EU-Problematik hier in diesem Hohen Haus diskutierte. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es sei dir unbenommen, aber es sei auch am Rande noch erwähnt.

Der Herr Bundesminister für Finanzen hat uns heute überraschenderweise – für mich überraschenderweise – erklärt, es war eigentlich nie daran gedacht, einen ausschließlich ökologischen Effekt mit der Strom- und Gassteuer und der Mineralölsteuer zu erreichen. Herr Professor Nowotny hat von Anfang an, nach einer kurzen Nachdenkpause, gesagt, okay, das muß alles ins Budget. Das ist eine ehrliche Aussage, Hut ab. Aber der Herr Bundeskanzler und viele andere in der SPÖ haben diese Steuererhöhung als Ökosteuerreform verkauft (Abg. Dr. Nowotny: Auch!) und damit wieder einmal den Bürger hinters Licht geführt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Es freut mich, daß Sie heute hier so ehrlich sind, weil wir dann genau wissen, was der Bürger in Zukunft an Steuern zu erwarten hat, wenn Sie von einer Ökologisierung des Steuersystems reden. Sie haben aber auch gesagt, daß die Haushalte massiv belastet sind. Bedauerlicherweise sind auch hier wieder gerade die sozial Schwächsten, Pensionisten, Rentner, überproportional davon betroffen. Daher war die Forderung der Freiheitlichen immer, daß die Einführung von Ökosteuern aufkommensneutral zu erfolgen hat (Bundesminister Mag. Klima: Mit den Haushalten!) und daß darüber hinaus zumindest temporär für energieintensive, exportorientierte Betriebe entsprechende Regelungen, wie sie dann auch in der Deckelung stattgefunden haben, Platz greifen müssen. (Bundesminister Mag. Klima: Was hat das mit den Haushalten zu tun?) Mit den Haushalten hat das insofern zu tun, als Sie, um die Budgetlöcher zu stopfen, die Haushalte massiv belastet haben.

Herr Kollege Frischenschlager als Erstunterzeichner dieser Dringlichen Anfrage! In der Präambel steht geschrieben, eine Energiesteuer muß aufkommensneutral sein. – Grundsätzlich ja, aber das ist zu wenig. Wenn es nicht in einer Übergangsphase auch für bestimmte Betriebe kostenneutral ist, dann passiert folgendes: Dann werden wir die Arbeitsplätze exportieren und die Schadstoffe importieren, die Schadstoffe kennen nämlich keine steuerlichen Grenzen.

Herr Bundesminister! Sie haben auch wieder einmal das an sich gute System der Betriebsbesteuerung in Österreich angezogen. Es ist richtig, ich bekenne mich dazu. Abschaffung der Vermögensteuer, schrittweise Abschaffung der Gewerbe-, der Kapital- und der Gewerbeertragsteuer. Hervorragend! Sie dürfen aber nicht immer nur die Steuern anschauen, Sie müssen auch die Abgaben, die Gesamtabgabenquote betrachten. Da sind wir bei rund 43 Prozent en top. Es wird Aufgabe der nächsten Jahre sein, diese Steuern- und Abgabenquote entsprechend zu senken.

Ich stimme mit Ihnen, Herr Bundesminister, überein, wenn Sie sagen, daß das Steuerrecht harmonisiert, internationalisiert gehört, vor allem wenn es sich um die Besteuerung von Kapitalvermögen handelt. Es ist tatsächlich so, daß das Kapital bereits so mobil ist, daß, wenn es uns nicht gelingt, international eine Gleichheit herbeizuführen, in Zukunft die Wirtschaft nur mehr daran interessiert sein wird, entsprechende Finanzanlagen und nicht Sachinvestitionen zu tätigen.

Hohes Haus! Aus freiheitlicher Sicht noch einmal: Wir sind jederzeit bereit, in allen sich bietenden Arbeitsgruppen, Ausschüssen, Unterausschüssen unsere reiche Erfahrung im Bereich der Ökologisierung des Steuersystems einzubringen. Wir sind auch gerne bereit, wenn es zu einer echten Ökologisierung kommt, unsere Zustimmung dazu zu erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

16.44


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.44

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zuerst zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Nowotny. Manchmal habe ich bei Ihren Debattenbeiträgen zum Thema Energiesteuer den Eindruck oder das Gefühl, man kann sich auch zu Tode fürchten. Sie haben sich in den letzten Jahren keinen Millimeter bewegt. Es kommen immer die gleichen Argumente. (Abg. Dr. Nowotny: Vernunft ist auch nicht schlecht!) Ich bin absolut für vernünftige Lösungen, gerade weil ich die Einführung einer Energiesteuer oder generell die Einführung von Ökosteuern – auch beschäftigungspolitisch – für vernünftig halte. Deshalb gibt es so viele Vorschläge von unserer Seite. Deshalb versuchen wir seit Jahren, dieses Thema hier voranzutreiben.

Wir sind immer an Ihnen abgeprallt, immer mit den gleichen Argumenten: internationaler Wettbewerb, Schwierigkeiten. – Das ganze Leben ist schwierig, aber wir sind doch als Politiker aufgerufen zu handeln. Sie stellen sich hier heraus, auch der Herr Minister, und sagen, wie schwierig die Welt ist. Ja, gut, ich gebe Ihnen recht. Aber vielleicht kann man sich zusammensetzen und einmal versuchen, diese Schwierigkeiten zu lösen.

Es gibt seit Jahren ... (Abg. Dr. Nowotny: Sie wollen die Welt verbessern!) Auch, auch, Herr Nowotny! Ich glaube, daß man auch im Bereich der Wirtschaftspolitik so etwas wie ein Ziel haben sollte, Herr Abgeordneter Nowotny! Man sollte eine Vorstellung und eine Idee haben, in welche Richtung es gehen sollte. (Abg. Dr. Nowotny: Für die Wirtschaftspolitik genügt das nicht! Verantwortung!) Wenn man nur versucht, irgendwelche Bestandteile zu halten, zu verwalten, in einer Welt, die sich tatsächlich komplett ändert, ohne wirklich eine klare Strategie zu formulieren ... (Abg. Dr. Nowotny: Die haben wir ja!) Nein, die haben Sie nicht. Beim Thema Energiesteuer haben Sie nur die Strategie abzublocken, zu verhindern und uns zu erklären, wie kompliziert und schwierig das ist (Abg. Dr. Nowotny: Wir haben die Priorität Beschäftigung!) und daß es leider derzeit nicht möglich ist. Seit sechs Jahren höre ich: Derzeit ist es leider nicht möglich! (Abg. Dr. Nowotny: Wir haben eine andere Priorität als Sie, das müssen Sie akzeptieren!) Mich würde interessieren, was Ihre Prioritäten sind. (Abg. Dr. Nowotny: Unsere Priorität ist Beschäftigung!)

Wenn Ihre Priorität Beschäftigungspolitik ist, Herr Abgeordneter Nowotny, umso weniger verstehe ich dann, daß Sie hier einsteigen. Es gibt – das wurde hier heute zitiert – Wifo-Studien, es gibt vom IHS, das Ihnen nähersteht, Studien. Überall kann man nachlesen, daß Ressourcensteuern, gerade auch national eingehobene Ressourcensteuern, Arbeitsplätze schaffen. (Abg. Dr. Nowotny: Nein, so einfach ist das nicht!)

Sagen Sie mir Ihr Beschäftigungsrezept! Sie, Ihr Bundeskanzler, Ihr Finanzminister stellen sich hier heraus und sagen: Durch eine Initiative für Klein- und Mittelbetriebe schaffen wir 30 000 Arbeitsplätze. Punkt. Aus. Mehr sagen Sie nicht dazu. Wie machen Sie das? Wann machen Sie das? Mit welchen Maßnahmen machen Sie das? (Bundesminister Mag. Klima: Zuhören!) Ich höre Ihnen sehr genau zu, Herr Finanzminister! Heute haben Sie mich mit Ihrer Wortmeldung sehr enttäuscht, weil sie genauso unkonkret und abblockend war wie jene Worte, die ich leider immer vom Abgeordneten Nowotny höre.

Es gibt Lösungsmodelle. Das ist nicht neu. Es wurde hier bereits zitiert. Es gibt das Beispiel Dänemark. Es gibt andere Beispiele, anhand derer gezeigt wurde, wenn man – zugegebenermaßen schrittweise – behutsam darangeht, Ressourcensteuern einzuführen und gleichzeitig Arbeitssteuern zu senken, dann kann man beschäftigungspolitisch tatsächlich etwas erreichen. In der jetzigen Situation, Herr Abgeordneter Nowotny, kann ich Ihnen ein konkretes Beispiel sagen. Es gibt in Österreich rund 100 Windkraftprojekte, deren Betreiber sich nicht trauen zu investieren, weil die Förderung für Alternativenergie – bezogen auf die Einspeisung von Elektrizität – mit Ende dieses Jahres ausläuft.


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Herr Finanzminister! Das sind Arbeitsplätze! Ich persönlich kenne diese Leute. Ich weiß, sie wollen das machen, sie wollen investieren. Da kann man Arbeitsplätze schaffen.

Erst vor kurzem hat Ihr eigener Parteikollege Scheer mit uns, mit den Oppositionsparteien, eine Pressekonferenz abgehalten und auf die beschäftigungspolitischen Aspekte in diesem Bereich hingewiesen. Sie können gerade im Bereich erneuerbare Energien, im Bereich Biomasse, im Bereich Windkraft Arbeitsplätze schaffen. Wir haben es ja schon in Österreich geschafft mit Förderungen, die, wie ich meine, noch ungenügend sind, die aber jetzt auslaufen.

Herr Finanzminister! Was machen wir denn? – Seit einem halben Jahr versuche ich – ich hoffe, es gelingt noch in den nächsten Wochen – gemeinsam mit Ihnen eine Lösung zu finden, da es ab Jänner 1997 für erneuerbare Energieträger keine Förderungen bezogen auf die Einspeisung in das Netz der Energieversorger mehr geben soll. Da könnten ganz konkret – das ist eines von vielen Beispielen – Arbeitsplätze geschaffen werden.

Was Sie gemacht haben, ist das genaue Gegenteil. Sie haben Strom aus erneuerbarer Energie besteuert. Die Dringliche Anfrage hat das heute endlich geklärt, und deshalb bin ich froh, daß diese hier gestellt wurde. Der Finanzminister hat zugegeben, die Energieabgabe war nur für das Budget. Wir haben das immer gesagt, die Oppositionsparteien haben das hier in diesem Haus immer gesagt. (Bundesminister Mag. Klima: Nicht ausschließlich!) Ich kann mich an andere Reden erinnern. Sie haben doch gerade gesagt, das war eine Budgetmaßnahme. Die Energieabgabe hatte keine ökologische Wirkung. (Bundesminister Mag. Klima: Nicht ausschließlich!) Nicht ausschließlich.

Wir werden uns das im Protokoll anschauen. Ich habe es anders in Erinnerung. Wir werden es uns im Protokoll anschauen.

Selbst wenn es dabei bliebe, hat es diese Idee diskreditiert. Was ist passiert? – Das Thema wurde in der Bevölkerung auf lange Zeit leider diskreditiert. Es wurde so gesehen – ich meine, zu Recht –, da ist jetzt Energie besteuert worden aus Budgetsanierungaspekten und nicht, weil man ein Ziel hat.

Hätten Sie es wenigstens gemacht, indem Sie gesagt hätten: Das ist ein erster Schritt, aber die Schritte zwei, drei, vier, fünf sehen so und so aus! Aber das ist es nicht. Ich kann kein Konzept erkennen. Und nicht nur ich, Dr. Wörgötter, dem Sie auch sehr nahestehen, Herr Abgeordneter Nowotny, hat letzte Woche für alle sichtbar in der "Zeit im Bild" verlautbart, ihn mache die Wirtschaftspolitik und die Strategielosigkeit in diesem Land sprachlos. Mich macht das auch sprachlos. Ich bin, nachdem ich doch schon einige Jahre hier im Haus bin, fassungslos. (Abg. Dr. Nowotny: Sprachlos offensichtlich nicht! – Bundesminister Mag. Klima: Fassungslos!) Mich ärgert das wirklich. Sie haben die große Macht, Sie haben hier eine Zweidrittelmehrheit und erklären uns immer nur, was nicht geht. Ich möchte gerne einmal wissen, was geht und warum Sie solche Probleme, wo es Lösungsmöglichkeiten gibt und bei denen auch Österreich eine ganz besondere Rolle spielen könnte, nicht lösen. Mir ist es ein Rätsel. (Abg. Dr. Nowotny: Das haben wir Ihnen ja gezeigt!)

Zu Ihnen, Herr Abgeordneter Kopf! – Er ist jetzt offenbar aus dem Saal gegangen. – Der arme Joschi Riegler muß für alles herhalten, sobald es zu einer ökologischen Debatte kommt. In der letzten Woche war ein Interview mit ihm in den "Oberösterreichischen Nachrichten". Er hat sinngemäß gesagt, er bedauert es sehr, daß der ökosoziale Weg von seiten der ÖVP verlassen worden ist. Zu lesen letzte Woche in den "Oberösterreichischen Nachrichten". Es ist offensichtlich und für uns alle sichtbar, daß er mit seinen Ideen gescheitert ist. Schon damals – daran kann ich mich erinnern – gab es einen Wirtschaftsminister namens Schüssel, der immer sehr gegen diese ökosozialen Vorschläge war. Sie haben sich in eine andere Richtung entwickelt – leider. (Abg. Schwarzenberger: Im Gegenteil!)

Dann zeigen Sie mir doch ein Beispiel! Wir reden seit Jahren über Ressourcensteuern, und wir reden seit Jahren darüber, daß man Kostenwahrheit beispielsweise im Verkehr erreichen muß. Wir haben überall die gegenläufige Tendenz. Ich möchte mir das gerne ansehen, daher zeigen Sie mir, wenn Sie sagen, das Gegenteil ist der Fall, die konkreten Zahlen. Ich kann Ihnen nur


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sagen, daß gerade im Bereich Verkehr die Kostenwahrheit nicht gegeben ist, wir immer weiter davon entfernt sind, auch nur annähernd die gesamtwirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen Kosten zu decken – mit dem derzeitigen Reizwort in Österreich schlechthin, wenn es um Ressourcensteuern geht, nämlich mit der Besteuerung von Treibstoffen.

Wenn wir über Ressourcensteuern diskutieren, darf uns nicht nur die Energiesteuer einfallen. Es gäbe viele andere Bereiche, bei denen man das Modell "Ressourcen besteuern – Arbeit entlasten" vorzeigen könnte, sei es im Bereich der Abfallwirtschaft generell beziehungsweise der Produkte oder sei es im Bereich der Abwasserregelungen. Diesbezüglich hat der ehemalige Finanzminister Lacina vor vielen Jahren in einem Regierungsprogramm das Ziel einer Abwasserabgabe hineingeschrieben. In vielen anderen Bereichen wäre es möglich und gibt es auch schon Vorbilder, zum Beispiel gibt es eine Verpackungssteuer in Holland und auch in einigen Gemeinden in Deutschland.

Insgesamt sind die Redebeiträge der Regierungsvertreter austauschbar mit jenen von vor drei, vier, fünf Jahren. Sie sind relativ ideenlos, einfallslos. (Abg. Dr. Nowotny: Sie sagen auch nicht Neues!) – Herr Abgeordneter Nowotny! Was soll ich Ihnen Neues sagen, wenn Sie mir seit fünf Jahren erklären, es geht nicht. Ein Beispiel, weil Sie sagen, wir haben keine konkreten Modelle: Wir sind die einzigen, die ein ganz konkretes Gesetz ausgearbeitet haben, ein ganz konkretes Energiesteuergesetz, ausgearbeitet bis ins letzte Detail. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist die Theorie! Sie müssen die Praxis der Wirtschaft betrachten!) Ach so! Die Werkvertragsregelung, die wir heute beschlossen haben, war nicht Theorie, das war echte Praxis! Sie haben mich überzeugt. Das war und ist also ein praxisnahes Gesetz. – Mein Energiesteuergesetz ist zehnmal praxisnäher als das, was Sie heute hier beschließen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.54

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Langthaler! Es liegt in der Natur der Sache, daß Sie dieses Doppelspiel der ökologischen Steuerreform richtigerweise einmal von der Seite der Ressourcen, der ökologischen Seite der Energiebesteuerung her sehen. Ich schließe nahtlos daran an und begründe die Dringlichkeit mit der Frage der Arbeitskosten. Es ist eine Doppelmühle, von der wir reden, eine Doppelmühle, bei der es uns gelingen sollte, durch Auslagerung von Arbeitskosten, Arbeitgeberanteilen in den Lohnnebenkosten Arbeitskosten in Österreich schrittweise zu senken.

Herr Professor Nowotny! Bevor Sie mir entfleuchen: Diese Umstellung im Wirtschaften geht einen Schritt weiter als bis zur Betrachtung des sekundären Sektors, der durch höhere Produktivität niedrigere Lohnstückkosten produzieren kann.

Warum äußern Sie sich eigentlich zur Frage des tertiären Sektors in unserer Wirtschaft, dort, wo wirklich neue Beschäftigung entstehen kann, wo wir aber ganz im Gegenteil Beschäftigung verlieren, weil die Arbeitskostenhöhe – die absolute Arbeitskostenhöhe, die dritthöchste in der Europäischen Union – dazu führt, daß Nachfrage abwandert? – Nachfrage an tertiärer Dienstleistung wird nicht in Österreich gestellt, ob Sie jetzt Dienstleistungen hernehmen, die in den Oststaaten erbracht werden, oder Touristen in andere Länder fahren, weil so hohe Arbeitskosten – das ist der wesentlichste Kostenfaktor im tertiären Sektor – nicht auf die Preise umwälzbar sind.

Wenn Sie von ökologischer Steuerreform reden, dann reden Sie doch bitte nicht nur von der Frage, wie es sich auf den Energiekonsum auswirkt, sondern seien Sie doch froh, wenn die Preiselastizität in der Energie gering ist, weil Sie dann nachhaltig einen größeren Spielraum haben, nachhaltige Finanzierung für ausgelagerte Formen von Lohnnebenkosten darzustellen.

Ihr Argument bei der letzten Debatte war, daß Sie gesagt haben: Das Problem ist, wenn ich heute Energiesteuern mache, wird weniger Energie verbraucht. Wenn ich weniger Energie


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verbraucht wird, muß ich noch höhere Steuern machen. – Heute haben Sie uns erzählt, die Preiselastizität auf Energie ist gering. (Abg. Dr. Nowotny: Sie haben das mißverstanden! Es wirkt nicht!) – Es wirkt nicht auf die Frage, ob ich jetzt weniger Energie brauche oder nur schrittweise. Aber es gibt eine neue Besteuerungsgrundlage, um Lohnnebenkosten auszulagern, diese Lohnnebenkosten zu substituieren, damit die Arbeitskosten zu senken und damit den tertiären Sektor wieder konkurrenzfähig zu machen. Die Medaille hat zwei Seiten. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Nowotny: Darum habe ich einen Vorschlag gemacht!)

Herr Professor Nowotny! Sie haben auch das dänische Beispiel zitiert, ohne dazu zu sagen – vielleicht war es der Finanzminister –, daß die Unternehmungen in Dänemark die Energiesteuer als Vorsteuer absetzen können, also völlig befreit sind. Die Regelung wirkt sich in Dänemark nicht auf die Stahlindustrie, die sie gar nicht haben, aus (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) – richtig! –, sondern das ist eine klare und deutliche Umlastung derselben Menge an Steuern auf ein neues Steuerungsobjekt weg vom Produktionsfaktor Arbeit, der insbesondere in dem nicht rationalisieren könnenden tertiären Sektor dazu führt, daß wir kostengünstig und wettbewerbsfähig anbieten können. Das ist der Punkt, und darum ist diese Anfrage wirklich dringlich, weil da der Hut in Österreich brennt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Entschuldigen Sie, wenn ich Sie kurz unterbreche, Sie können gleich fortsetzen. Ich bin auch Ihrer Ansicht, daß wir aus dem Paradies vertrieben wurden. Es stimmt, wir sind aus dem Paradies vertrieben worden. Aber glauben Sie wirklich, Herr Finanzminister, daß wir deswegen "lieber Gott" spielen können, weil wir aus dem Paradies vertrieben worden sind, den Ersatz-lieben-Gott, weil wir glauben diese Gesellschaft über eine Summe von ordnungspolitischen Maßnahmen reglementieren zu können und bis in die Mägen unserer Bürger hineinzugreifen, um auch noch die Verdauung regeln zu können? – Das ist doch Ihr Problem! Sie glauben doch wirklich daran, diese Gesellschaft, das Wirtschaften und die Frage der sozialen Sicherheit so regeln zu können, indem Sie noch eine Vorschrift und noch eine Vorschrift erfinden, und im selben Satz beschweren Sie sich dann über die Bürokratie!

Wenn wir schon aus dem Paradies vertrieben worden sind, dann spielen wir doch nicht "lieber Gott", sondern tun wir das, wozu wir als Politiker da sind! Schaffen wir Rahmen! Schaffen wir neue Märkte! Auch im ökologischen Bereich ist es doch viel sinnvoller, statt der Summe von ordnungspolitischen Maßnahmen – ist gleich ordnungspolitische Polizei, die das kontrolliert – neue Märkte zu schaffen, Beispiel Energiezertifikate. Nur die ewige Schieberei dieses Themas wird uns weder auf der ökologischen Seite, die Frau Langthaler beleuchtet hat, noch auf der beschäftigungspolitischen, insbesondere im tertiären Sektor, etwas bringen.

Auch Ihnen sei es ins Stammbuch geschrieben: Wenn Sie hier zu diesem Thema reden, reden Sie immer aus dem Blickwinkel des sekundären Sektors. Ich weiß schon, daß der sekundäre Sektor in Österreich Tolles geleistet hat: 68 Milliarden Schilling Bruttoanlageinvestitionen. Aber wissen Sie, wohin diese fließen? (Abg. Dr. Haselsteiner: Ins Mikrophon!) Hier wird der Produktionsfaktor Kapital eingesetzt, um morgen noch mehr Menschen arbeitslos zu machen. Das ist der Grund, warum investiert wird, weil auch hier die Arbeitskosten schlagend werden. Natürlich bleiben am Ende die Lohnstückkosten gleich bei der steigenden Produktivität, aber mit weniger Beschäftigten.

Sie werden diesen Prozeß nicht aufhalten können, aber Sie können diesen Prozeß mildern, wenn es Ihnen gelingt, die Arbeitskosten zu senken – 20 Prozent Senkung der Arbeitskosten über Auslagern von Arbeitgeberanteilen aus den Lohnnebenkosten in einem schrittweisen Prozeß – und diese über Energie- oder Ressourcensteuern zu finanzieren, bringt Ihnen ein völlig neues Modell, das in Summe dieselbe Menge an Steuerbelastung ausmacht, aber einen Strukturwandel bringt, den auch die Grünen richtigerweise beschäftigungspolitisch einschätzen und zu dem ich Ihnen noch zusätzlich aus dem tertiären Sektor sage, daß einer der Schlüssel darin liegt, daß der tertiäre Sektor in Österreich weiter wettbewerbsfähig bleiben kann und nicht täglich an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Denn die Arbeitskosten betragen im tertiären Sektor 30, 40, 50, sogar 60 Prozent der Gesamtkosten.


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Also jede Steigerung der Arbeitskosten um 1 Prozent ist eine Steigerung der Gesamtkosten dieses Sektors um 0,3, 0,4, 0,5, 0,6 Prozent, wie immer Sie wollen. Das ist der Punkt.

Meine Damen und Herren! Die Industriegesellschaft – ich bin fest davon überzeugt – ist am Ende ihres Lateins. Sie investiert immer mehr Kapital, um immer mehr Menschen arbeitslos zu machen und noch mehr Ressourcen auszubeuten.

Wir haben eine große Staatsquote, und die Finanzierung dieser Staatsquote kann von verschiedenen Bemessungsgrundlagen erfolgen. Sie kann – wie es heute überwiegend der Fall ist – von der Arbeit erfolgen, oder wir können den Mut haben, in einem europäischen Kontext, das gebe ich schon zu, den Produktionsfaktor Kapital mehr zu besteuern. Hier ist der europäische Kontext notwendig, weil, wie Sie richtig sagen, Herr Finanzminister, das Kapital der mobilste Produktionsfaktor ist. Oder wir können eine Mehrbesteuerung der Ressourcen vornehmen, um den Produktionsfaktor Arbeit zu entlasten. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben es selbst gesagt: 1995/1996 hat beides teurer gemacht, die Arbeit und die Energie. Nur die Besteuerung von Kapital blieb gering. Infolgedessen wird Kapital immer dorthin fließen, wo zwei Dinge passieren: wo die Besteuerung gering ist, aber auch wo die Kosten der Kombination der beiden anderen Produktionsfaktoren noch erträglich sind.

Meine Damen und Herren! Wir reden von der Globalisierungsfalle. Ich halte auch das nicht für eine Falle, sondern nur für einen Ausfluß falscher Bewertung der Produktionsfaktoren. Eine höhere Besteuerung – das gebe ich zu, mindestens europaweit, aber darum sind wir ja in der Europäischen Union, um gestaltend einzugreifen – des Faktors Energie ist eine höhere Besteuerung des Faktors Verkehr. Nur dann werden Sie die Arbeitsteilung ohne ordnungspolitische Maßnahmen auf ein vernünftiges Maß reduzieren, wenn Sie den Verkehr verteuern, was heißt, daß Sie voluminöse und schwere, unintelligente Produkte in kleineren Thünenschen Kreisen transportieren können als hochtechnologische und kluge Produkte.

Meine Damen und Herren! Wenn wir die Dringlichkeit dieses Themas nicht bald begreifen, werden die Arbeitslosigkeit in Österreich und das Beschäftigungsproblem nicht nur nicht zu lösen sein, sondern weiterhin gravierender werden. – Ich danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.02

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich ergänzend einige Bemerkungen zu der auch mir nicht besonders dringlich erscheinenden Anfrage machen und auch darauf hinweisen, daß der Teufel auch in dieser Frage sehr stark im Detail steckt, was uns natürlich nicht hindern sollte, weiterzuentwickeln, sodaß wir zu einer höheren Berücksichtigung des Ressourcenverbrauches und auch der Energie, auch im Steuersystem, kommen.

Da liegt Kollegin Langthaler sicher falsch, wenn sie so tut, als wäre nichts geschehen. Ganz im Gegenteil! Der Minister hat das auch nachgewiesen, auch wenn – das gebe ich schon zu – nur ein Teil ökologisch wirksam wurde oder wenn nur ein Teil, vor allem der Gelder, die eingenommen werden, wieder in ökologische Bereiche zurückfloß. Es hat auch nie jemand in der Sozialdemokratischen Partei oder von unseren Ministern bestritten, daß das so ist. Wir haben nie – und auch Vranitzky hat das nie behauptet – gesagt, daß wir eine ausschließlich ökologische Steuerreform gemacht haben.

Daß der Teufel im Detail liegt, möchte ich gerade an den Äußerungen meines Vorredners, des Kollegen Peter, zum Teil ein bisserl polemisch, aber zum Teil auch kurz "überschlagend" zeigen. Ich kann mir nicht vorstellen – das ist jetzt der polemische Teil, Kollege Peter –, daß es an den hohen Arbeitskosten in Ihrer Branche liegt, daß die Frittatensuppe im "Goldenen Hirschen" 120 S kostet. Das kann es ja nicht sein. Das war das polemische, ich gestatte mir das auch!


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Das andere: Wenn du sagst, 20 Prozent Senkung der Lohnnebenkosten wären wünschenswert, dann kann ich sagen, wir haben das überschlagen, das wären etwa 100 Milliarden Schilling, die dann fehlen. Das kann man sich ausrechnen. Jetzt war dein Schluß, die 100 Milliarden bringen wir aus Energiesteuer auf. Dafür hätte ich gerne ein Rezept, denn, Kollege Peter – wieder eine kleine Polemik –, es wird dann so sein ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Ich habe das so verstanden, daß man den Bereichen, die derzeit ein bisserl geschont werden, nämlich der energieintensiven Wirtschaft, den Industriebetrieben, wo wir vernünftigerweise die Deckelung gemacht haben, dann doch alles aufbürdet, um sozusagen die Gastronomie-Dienstleistung zu entlasten. Das würde dann dazu führen – schade, daß Kollege Koppler nicht da ist –, daß die VOESTler dann über kurz oder lang im Gastgewerbe arbeiten würden, aber nicht mehr in ihrem Betrieb.

Das sollte man sich alles ein bisserl überlegen. Ich habe selbst ein wunderbares Beispiel bei mir zu Hause in meinem Bezirk, einen führenden Betrieb, der im Umweltschutz nachweislich sehr erfolgreich war, heute als Werk Weltspitze ist. Aber die Weltspitze schaut halt so aus, daß vermutlich schon woanders Arbeitsplätze geschaffen wurden im Bereich, wo Anlagen erzeugt werden, aber bei uns wurde von 4 000 Leuten auf 2 800 Leute reduziert. Derzeit haben wir schon wieder eine Betriebsberaterfirma im Werk, weil wir aus Konkurrenzgründen wahrscheinlich noch weiter abspecken müssen.

Wir haben halt 3,50 S Umweltkosten pro Kilo Faser, während die vielgerühmten Skandinavier Umweltkosten von 70 Groschen und die Engländer unter 10 Groschen haben. Diesbezüglich setzen wir halt auch viel Erwartung in die EU, aber das wird dauern, bis diese nachziehen müssen. Das muß man hier auch sehen.

Recht gespannt bin ich auch auf die Ausführungen von Kollegen Schweitzer, der noch nach mir spricht, vielleicht ein bisserl detaillierter, bei Böhacker ist mir sehr vieles nicht klar geworden. Es war ein bisserl kurios, aber Kollege Schweitzer wird nur sicherlich noch die reiche Erfahrung im Bereich der Ökologisierung der Steuer näher erklären. (Abg. Dr. Graf: Da haben Sie nicht zugehört!) Böhacker hat sich am konkreten Beispiel dann ein bisserl in einen Wirbel hineingeredet. (Abg. Dr. Graf: Das war Ihnen zu hoch!)

Ich darf jetzt noch auf ein paar Aspekte eingehen. Ich glaube – da stimme ich mit Kollegen Kopf nicht überein –, daß wir in Österreich mit ordnungspolitischen Maßnahmen, mit ordnungspolitischem Rahmen durchaus erfolgreich waren und daß man darüber diskutieren könnte, ob die ökosoziale Marktwirtschaft nicht auch zum Teil Pferdefüße hat und hinkt. Stichwort – ich gehe nicht länger darauf ein – Verpackungsverordnung. Also da bezweifle ich die ökosoziale Marktwirtschaft schon sehr.

Keine Frage, Ökosteuern sollen Lenkungseffekte haben. Aber das hängt von der Elastizität der verschiedenen Sektoren ab. Es ist keine Frage, die Industrie hat tatsächlich gerade in diesem Bereich schon sehr viel Energie eingespart. Man muß sich das nur anschauen. Seit 1970 wurde der Energieinput als Funktion des Bruttoproduktionswertes um 1 Prozent gesenkt. 1 Prozent hört sich nicht arg an, aber der Bruttoproduktionswert ist steil gestiegen. Da wird zum Teil auch nicht mehr sehr viel drinnen sein. Wo etwas drinnen ist, ist logischerweise im Bereich des Wohnens, der privaten Haushalte. Da muß man aber sagen, daß man sie belasten will und wieviel das tatsächlich ausmacht.

Kollegin Langthaler argumentiert immer mit Dänemark. Mich ärgert das, wenn dieses Musterland hier immer wieder genannt wird. Man sucht sich nämlich nur das heraus, was paßt. Die Industrie in Dänemark erhält die Energiesteuern praktisch fast zur Gänze wieder rückvergütet. In Dänemark werden im Prinzip nur die Haushalte belastet. Die CO2-Reduktion, soweit sie sie erreicht haben, ist der Ersatz von Importkohle durch eigenes Erdgas, das sie glücklicherweise haben. Ich ziehe einen Vergleich Dänemark – Österreich: Von 1990 bis 1994 wurden die CO2-Emissionen in Dänemark um 18,9 Prozent erhöht, und in Österreich sind sie im gleichen Zeitraum um bescheidene 1,6 Prozent gesunken. Vorbild ist Dänemark für mich zum Beispiel – darüber könnte man reden – in dem Bereich, daß sie in hohem Ausmaß die Müllverbrennung auch zur Energiegewinnung nützen. Aber davon wollen die Grünen in Wirklichkeit nichts hören.


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Man könnte auch über den Sektor Verkehr reden. Dort ist sicherlich etwas drinnen, wenn man das Verhältnis von Fixkosten zu variablen Kosten irgendwann einmal umdreht – Stichwort Road-Pricing –, da gibt es vernünftige Maßnahmen. Kollegin Langthaler! – Sie ist nicht da. – Das sind ja konkrete Konzepte, die vorliegen. Also diese haben wir sehr wohl, nur bemühen wir uns auch, daß das Konzepte sind, die man tatsächlich auch umsetzen kann.

Ökosteuern sollen ökologisch effektiv sein. Na klar! Sie sollen ja bewirken, daß wir keine Verlagerung haben. Wenn ich zum Beispiel dem Treibhauseffekt gegensteuern will, dann kann ich nicht nur eine Steuer einführen, die das CO2 betrifft, sondern dann muß man vernünftigerweise auch einen anderen Faktor diskutieren, der vielleicht in der Wirksamkeit viel mehr ausmacht, und das ist Methan.

Es gibt eben gewisse Bereiche, Kollege Wabl, wo Methan in besonders hohem Ausmaß vorhanden ist. Und da muß man nicht über die Steuer allein reden, sondern zum Ressourcenverbrauch gehört auch der Boden. Ich rede gerne auch über eine Abgabe betreffend die Versiegelung der nicht erneuerbaren Ressource Boden oder zum Beispiel – eine Lieblingsidee meiner Kollegin Fekter – über die Schotterabgabe, die es in einigen Ländern schon gibt. Da bin ich durchaus gesprächsbereit. Ich habe leider nicht die Zeit, um mich mit den vielen Teufeln im Detail auseinanderzusetzen, was uns aber tatsächlich nicht daran hindern sollte, darüber zu reden.

Kollege Barmüller hat etwa die Idee, die bei meinen Vorrednern nicht unbedingt sehr gefragt ist, wobei ich ihn aber nach wie vor unterstütze und lästig sein werde, eine Art Enquete-Kommission einzusetzen. Es wäre dies vielleicht eine Möglichkeit, um diese ganze Palette, das ganze Spektrum zu behandeln, um wirklich zu vernünftigen Lösungen zu kommen, die nicht unbedingt unser produzierendes Gewerbe und die Industrie ständig schädigen.

Eines steht auch fest: Die Ökosteuer mit Arbeitskostenausgleich bewirkt wenig. Sie tut natürlich Kollegen Peter sehr wohl etwas. Sie wissen aber genau, daß es unheimliche Diskrepanzen zwischen Arbeitskosten und Energiekosten gerade in der Industrie gibt. Das muß man sich genau anschauen: Wir haben ja nichts davon, wenn wir hier entsprechende Schnitte vornehmen und plötzlich ein Volk von Gastwirten sind oder vielleicht darauf spekulieren, daß der Treibhauseffekt uns ein karibisches Klima bescheren wird. (Abg. Mag. Peter: Mein Gott, lieber Keppelmüller!)

Man muß all die Probleme durchreden. Ich komme auch aus der Praxis. Du siehst es aus der Sicht des Gastgewerbes, ich sehe es aus der Sicht der Industrie. Allein in meinem Bezirk sind 2 000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Und darüber muß man reden.

Ich möchte das nicht. Ich glaube nach wie vor, daß wir wertschöpfende, produzierende Betriebe brauchen. Daher: weiterentwickeln ja, aber mit Augenmaß, und die Probleme auch so sehen, daß sie von allen getragen werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

17.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Mag. Schweitzer. – Bitte, Sie haben das Wort.

17.13

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde schon noch gerne vom Herrn Bundesminister erfahren, wie es jetzt weitergeht mit Strom aus erneuerbarer Energie, ob es zu einer Fortsetzung des Abkommens kommt, oder wie mit 1. Jänner kommenden Jahres die Einspeisungsregelung tatsächlich aussehen wird. Eine Antwort auf diese Fragen wäre für mich von großem Interesse, Herr Bundesminister. Ich hoffe, Sie werden die Gelegenheit nützen, um eine entsprechende Antwort zu geben.

Meine Damen und Herren! Was Kollege Kopf von der ÖVP hier zum Thema Ökosteuer von sich gegeben hat, war schon äußerst desillusionierend. Außer der Exhumierung der sozialen Marktwirtschaft ist ihm zu diesem Thema nicht allzuviel eingefallen. Wenn ich ihn richtig interpretiere, hat er gesagt: Wenn überhaupt irgendwann etwas passieren wird, dann nur im internationalen


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Gleichklang, und überdies und außerdem soll das die EU machen – wohl wissend, daß die EU in dieser Frage eine Position bezogen hat, die uns auf den Sankt Nimmerleinstag vertröstet.

Aber vielleicht hat er uns ganz schlicht und einfach nur die Wahrheit gesagt, nicht so wie Kollege Bartenstein seinerzeit, als er am 29. April gesagt hat: Die erste Ökosteuer-Etappe wird am 1. Jänner 1996 realisiert. Schüssel hat ihn unterstützt und gesagt: Damit kommt der Wendepunkt in der österreichischen Umweltpolitik. – Ich darf aus dem Pressedienst zitieren:

Bereits ab 1. Jänner 1996 soll nach den Vorstellungen des designierten Umweltministers Bartenstein die erste Etappe der Ökosteuerreform wirksam werden. Ein aufkommensneutrales Modell hat er damals versprochen, mit Senkungen bei den Lohnnebenkosten, mit dem Ziel der Erhöhung der Arbeitsplatzsicherheit.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Auf dieses Modell warten wir jetzt bereits seit 29. April 1995. Ich meine, es ist Zeit genug verstrichen, jetzt könnten Sie es endlich einmal auf den Tisch legen, wenn das jemals ernst gemeint war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schüssel hat das Ganze noch verstärkt. Der Vorsitzende der ÖVP, Minister Schüssel, hat gesagt, die Ökosteuerreform sei die erste wesentliche Maßnahme, die es für ihn umzusetzen gelte und die von der spannenden Achse Molterer – Ditz – Bartenstein bestens vorbereitet sei. – Ich warte immer noch auf die Umsetzung der von dieser spannenden Achse Molterer – Ditz – Bartenstein bestens vorbereiteten Steuerreform der ÖVP!

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Kommen Sie doch einmal heraus und sagen Sie, wo die Vorschläge dieser spannenden Achse geblieben sind und wann es zur Umsetzung kommen wird! Kollege Cap von der SPÖ hat damals schon gewußt, daß diese Vorschläge den Namen Ökosteuer nicht verdienen, hat aber seinerseits angekündigt, daß die SPÖ ein hervorragendes Konzept hat und dieses umsetzen wird. Die SPÖ hätte ein sozial ausgewogenes und zielgerichtetes Ökosteuerkonzept, das eine Durchforstung des gesamten Steuersystems miteinschließt und auch den Subventionsbereich mit hineinnimmt.

Herr Bundesminister! Wo ist dieses Konzept? Legen Sie uns dieses Konzept einmal vor! Viel besser noch: Setzen Sie dieses Konzept um! Es ist hoch an der Zeit, daß etwas geschieht. Die Ankündigungen haben wir gehört. Aber was bis heute fehlt, sind Ihre Taten, die Taten der Regierungsparteien. Sie haben es in der Hand, etwas weiterzubringen. Bis jetzt haben Sie aber nichts geschafft.

Kollegin Langthaler hat tatsächlich ein komplettes Konzept auf den Tisch gelegt, und ich bin ihr sehr dankbar dafür, daß es etwas gibt, worauf man verweisen kann. Wir haben es ansatzweise, in Teilen auch geschafft, ein Konzept, das umsetzungsfähig ist, auf den Tisch zu bringen. Wenn Ihres nicht umsetzungsfähig ist, dann nehmen Sie das von den Oppositionsparteien, von den Grünen, von den Freiheitlichen oder von den Liberalen. Wir werden Ihnen nicht böse sein, Herr Minister, wenn Sie keine eigenen Konzepte haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Fest steht, daß von Ihrer Seite aus wenig bis gar nichts passiert ist. Sie haben zugegeben: Das einzige, was Sie an Ökosteuer eingeführt haben, diente zum Stopfen des Budgetloches. (Bundesminister Mag. Klima: Auch!) Das haben Sie heute klar und deutlich festgestellt und zugegeben, daß das einzig Wahre an der Geschichte ist. Dafür sind wir Ihnen auch dankbar.

Aber die aktuelle Debatte wird von den Regierungsparteien nicht ernsthaft geführt, Herr Minister. Es steht offensichtlich die Parteipolitik im Vordergrund, weil es keine Fortschritte, ja nicht einmal Lösungsansätze gibt. Die Regierungsparteien benutzen den Begriff Ökosteuer zwar immer wieder gerne werbewirksam und besonders vor Wahlen, aber wenn es dann wirklich darum geht, Taten zu setzen, dann passiert nichts.

Bis heute gibt es kein herzeigbares Ergebnis, Herr Minister – das ist einfach Tatsache –, obwohl es neben diesen Vorschlägen, die von den Oppositionsparteien kommen, auch zahllose andere Vorschläge und Studien gibt, die sicherstellen, daß Ökosteuern nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll sind und die Sozialverträglichkeit durchaus gegeben ist, was Kollege


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Nowotny immer so befürchtet. Nicht nur die Wifo-Studie stellt das unter Beweis, sondern es gibt dazu auch eine hervorragende umfassende Greenpeace-Studie. Vielleicht haben Sie diese noch nicht gelesen, Herr Minister. Ich stelle sie Ihnen sehr, sehr gerne zur Verfügung.

Selbst der nationale Alleingang bringt – wie Beispiele in anderen Ländern zeigen, es wurde ja schon gesagt – keine Beeinträchtigungen. Ökosteuern sind heutzutage einfach unabdingbar. Ökosteuern sind der Marktmechanismus, der den geordneten – das ist ein Zitat – Rückzug des Gesamtkonsums auf ein dauernd aufrechterhaltbares Niveau garantiert, Herr Minister. Und ich glaube, das müssen wir als verantwortungsvolle Politiker alle miteinander anstreben.

Sie haben immer wieder betont – in Ihrem Arbeitsübereinkommen, mit der Unterzeichnung des Toronto-Abkommens oder mit der Klimakonvention –, daß Sie das tun wollen. Ich frage Sie, Herr Minister: Wann werden Sie Ihren Verpflichtungen – Sie haben sich verpflichtet, das habe ich anhand dieser Beispiele gezeigt – nachkommen? Wann schaffen Sie den Marktmechanismus, der die Umweltprobleme wirklich an den Wurzeln packt, der den vorsorgenden Umweltschutz garantiert, der uns die ganze Anlaßgesetzgebung erspart, die dann ohnedies sehr teuer wird und immer wieder in Umweltreparatur ausartet?

Es gibt so viele Vorteile, die alle schon aufgezählt wurden, die wir durch die Umsetzung dieses Systems lukrieren könnten. Allein in der Dämmstoffindustrie könnte man laut einer Studie 15 000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Herr Minister! Ich glaube, es lohnt sich, diese 15 000 zusätzlichen Arbeitsplätze zu schaffen.

Deshalb, Herr Bundesminister, erlaube ich mir, auch noch einen Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Kollegen betreffend Realisierung eines aufkommensneutralen ökologischen Steuersystems

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Konzept zur ökologischen Reform des bestehenden Steuersystems vorzulegen, das eine steuerliche Entlastung der menschlichen Arbeitskraft bei gleichzeitiger Belastung des Verbrauchs von Umwelt vorsieht.

Folgende Punkte sind zu berücksichtigen:

steuerliche beziehungsweise abgabenseitige Belastung des Verbauchs von Primärenergie und des Verbrauchs von nicht erneuerbaren Rohstoffen;

gleichzeitige steuerliche Entlastung von Lohn und Einkommen ("aufkommenneutraler Ansatz");

Sozialverträglichkeit sichern durch Ausgleich über Negativsteuern für Kleinverdiener und Pensionisten sowie über Direktzahlungen in der Landwirtschaft;

Wirtschaftsverträglichkeit durch berechenbare, schrittweise Umsetzung und Begleitmaßnahmen für einzelne Wirtschaftszweige;

Umsetzungsstrategien für den sogenannten nationalen Alleingang.

*****

Herr Bundesminister! Abschließend ein Zitat, das ich Ihnen und Herrn Kollegen Nowotny ans Herz lege: "Die Energieabgabe ist nicht als verzehrender Staatseingriff zu werten, sondern als Korrektur einer falschen Disposition, die externe Kosten nicht berücksichtigt." Aus der Studie "Ökosteuern: Einwände wider die Einwände".


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Ich würde Sie bitten, das wirklich einmal ernsthaft mit Ihren Kollegen durchzuarbeiten. Ich bin überzeugt davon, daß Ihre Einwände durch diese Studie widerlegt werden und wir gemeinsam an der Lösung eines sehr, sehr wichtigen Problems arbeiten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nach der Geschäftsordnung ausreichend unterstützte und soeben vom Abgeordneten Schweitzer vorgetragene Entschließungsantrag wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Sie haben das Wort.

17.22

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt meine ganze Rede abgestimmt auf den Kollegen Kopf – dieser ist nicht da –, auf den Kollegen Keppelmüller und auf den Kollegen Nowotny. Und das ist nicht sehr erfreulich, denn mein Konzept ist jetzt völlig umzustellen. Aber der Herr Bundesminister ist wenigstens dageblieben.

Meine Damen und Herren! Es ist ja erfreulich, daß der Herr Bundesminister noch anwesend ist bei der sehr dringlichen Anfrage und daß auch noch zwei oder drei Liberale hier sind.

Meine Damen und Herren! Es ist eine ganz einfache Diskussion, und deshalb ist sie auch so schwierig. Kollege Keppelmüller hat in einem recht – aber nur in einem. Meine Damen und Herren, er sagt ganz richtig, daß die Vorteile aus der ökologischen Steuerreform, natürlich bei gleichzeitiger Entlastung der Lohnnebenkosten, der Arbeitskosten, wie sie Kollege Peter und wie sie die Grünen fordern, selbstverständlich unterschiedlich auf einzelne Industriebereiche verteilt werden. Wie Keppelmüller ganz richtig sagt, käme es dann zu Problemen, zum Beispiel in der VOEST, zum Beispiel in der Schwerindustrie und so weiter.

Meine Damen und Herren! Das ist auch der Grund, warum sich die Sozialdemokraten so massiv dagegen wehren und warum auf diesem Sektor so wenig weitergeht.

Meine Damen und Herren! Auf eines sollten wir uns einigen. Wenn das Problem der Kostenwahrheit erkannt ist, das heißt, daß bestimmte Kosten nicht im Preis internalisiert sind, nicht in den Energiekosten drinnen sind, dann müssen wir uns die Frage stellen, Herr Bundesminister: Wer bezahlt jene Kosten, die nicht im Preis drinnen sind? – Ist das der Staat? Sind das Dinge, die aufgeschoben werden? Ist das der Privathaushalt? Ist es die Gesundheit der Bevölkerung, die darunter leidet? – Irgendwer muß es bezahlen.

Wir reden von Kostenwahrheit. Ich kann mich erinnern, die Grünen haben vor zehn Jahren massiv forciert, daß man gerade über den Verkehrs- und Energiebereich Kostenwahrheit ermittelt, und Ihr Vorgänger, Kollege Streicher, hat damals auch eine solche Studie anfertigen lassen und sehr, sehr wichtiges Datenmaterial im Zusammenhang mit Energie und Verkehrsinfrastruktur errechnen lassen. Aber wenn es jetzt so ist, daß es keine Kostenwahrheit gibt auf dem Energiesektor und auf dem Verkehrssektor, dann bedeutet das doch, daß wir dieses Geld aus anderen Bereichen zuschießen müssen.

Volkswirtschaftlich greift also das Argument des Wettbewerbsnachteils nicht, wenn wir gleichzeitig jene Gelder, die wir aus dem Energiebereich abziehen, in anderen Bereichen wieder zurückgeben. Natürlich ist das das Problem der ungleichen Verteilung – deshalb der schwierige Kampf zwischen ÖVP und SPÖ.

Meine Damen und Herren! Hier sollten Sie sich einmal entscheiden, wie Sie argumentieren. Professor Nowotny macht ein sehr einfaches Spiel. Bei jeder Rede seit fünf Jahren – eigentlich schon länger – sagt er immer: Ja, aber keine Schnellschüsse, nicht im Alleingang.

Die Sprachregelung innerhalb der Koalition ist offensichtlich noch nicht so weit gediehen, daß man hier kurzgeschlossen hätte. Was heißt denn Schnellschuß? Entweder hat Herr Riegler be


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reits vor zehn Jahren eine ökologische Steuerreform vorgeschlagen, dann ist die Frage: Was ist denn dann ein Schnellschuß? Hat er sie nicht vorgeschlagen, dann frage ich mich, wovon Herr Kollege Kopf redet.

Die andere Regelung sollte innerhalb der Sozialdemokratie ausgemacht werden. Wenn der Herr Minister sagt, diese Maßnahme wurde ausschließlich gemacht, wenn – Konditionalsatz (Abg. Marizzi: Hat er nicht gesagt!), ich sage nur "wenn", er hat ja nicht gesagt –, wenn er also sagen würde (Abg. Marizzi: Sagt er nicht!), das Strukturanpassungsgesetz war ausdrücklich gedacht für die Budgetkonsolidierung, wenn er recht hat, meine Damen und Herren, dann kann nicht gleichzeitig der Herr Bundeskanzler daherkommen und in der Regierungserklärung 1996 sagen – ich zitiere wörtlich: Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky, er wird Ihnen bekannt sein, Herr Marizzi, auch wenn Sie ihn nicht lieben –: "Gleichzeitig ist aber die Ökologisierung des Steuersystems voranzutreiben". (Bundesminister Mag. Klima: Werden wir noch machen!) "In die Energiebesteuerung sind Strom und Erdgas einzubeziehen." Das haben Sie im Strukturanpassungsgesetz gemacht.

Meine Damen und Herren! Dann aber wiederum sollten Sie Ihrem sehr geschätzten Herrn Professor Nowotny mitteilen, daß er nicht hier mit einem Argument hausieren gehen soll, das möglicherweise richtig ist – aufgrund der Einschätzungen von Ökonomen –, daß eine Erhöhung in homöopathischen Dosen nicht sinnvoll ist, weil sie keine ökologische Wirkung hat.

Was stimmt jetzt – die geschätzte Meinung des Herrn Professors, die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers oder die nicht ausschließliche Behauptung, daß die Budgetkonsolidierung nicht allein im Vordergrund gestanden hat, sondern auch das ökologische Interesse?

Meine Damen und Herren! Sie sollten sich hier eine Sprachregelung angewöhnen, damit in diesem Zusammenhang mehr Klarheit besteht. Ich weiß, Kollege Lacina, einer Ihrer Vorgänger, hat hier in diesem Haus massiv gemeint, man müßte das im internationalen Gleichklang machen. Das Liberale Forum hat hier erfreulicherweise auch die Position geändert – denn das war damals noch Argumentationsstand von einigen Vertretern des Liberalen Forums –, daß es nur im internationalen Gleichklang geht. Ich bin sehr erfreut, daß es nun eine klare Linie gibt. (Bundesminister Mag. Klima: Das hat der Peter heute noch gesagt!)

Kollege Nowotny hat gemeint, wir sollten doch endlich mit einem Vorschlag herauskommen und uns nicht vorbeischwindeln. Er hat da dieses wunderschöne Zitat mit dem Pelz und dem Waschen und ähnlichem verwendet. Ich freue mich ja, daß ein Professor so gute Witze macht, aber er sollte wirklich unseren Antrag lesen.

Ich will jetzt nicht die langen Prügeleien von Bregenz bis Wien zitieren, daß die Grünen dafür geprügelt worden sind, daß sie Vorschläge im Energiesteuerbereich, im Benzinpreis gemacht haben – das war ja ein richtiges Halali von Bregenz bis Wien, was die Grünen für Idioten sind.

Dabei waren die Grünen die einzigen, die dazu gesagt haben, das wäre Kostenwahrheit im Sinne des damaligen Verkehrsministers Streicher. Damals ist ganz verschämt der Herr Cap nachgezogen in seiner Zukunftswerkstätte, er hat sogar von 25 S, der Herr Bruckmann damals von 27 S, die Freiheitlichen haben überhaupt von 34 S gesprochen. (Abg. Marizzi: Petrovic 36 S!) Da hat es doch damals einen Umweltsprecher gegeben, außerhalb der Fraktion, der das gemeint hat. Also eines kann man den Grünen hier nicht vorwerfen: daß sie hier nicht mutig gesagt hätten: Ja, wir wollen eine Erhöhung der Energiekosten!

Meine Damen und Herren! Das war klar und deutlich. Die Grünen haben dann, weil sie ja der Meinung sind, ein Schnellschuß sei nicht gut, einen Initiativantrag nach dem anderen gestellt. Der letzte stammt von Monika Langthaler und von Sascha Van der Bellen – wohlbegründet. All das, worauf sich Herr Professor Nowotny beruft, sind natürlich Einschätzungen, und ich gebe schon zu, daß man auch Nachteile erkennen kann, wenn man will.

Eines muß aber klar sein, das sage ich noch einmal: Wenn ich mich einmal darauf einige, daß es hier keine Kostenwahrheit gibt, dann muß ich mir darüber im klaren sein, daß das irgend jemand bezahlen muß. Ich kann dann zwar aufschieben, ich kann dann bremsen, ich kann dann


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diese wunderbaren Sprüche loslassen: Grundsätzlich sehr interessant, grundsätzlich könnten wir dem nähertreten, aber, bitte, das muß genau durchdacht sein und genau überlegt sein.

Kollege Keppelmüller ist leider noch immer da. Ich bitte Sie, verwenden Sie Ihr Augenmaß in Zukunft für andere Dinge. In dieser Frage sind Sie regelmäßig blind und bremsend vorgegangen! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

17.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

17.30

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kurz auf die Ausführungen des Abgeordneten Wabl replizierend, muß schon eines auch klar festgehalten werden: Jede ökologische Steuerreform hält in einem internationalen Zusammenhang einen bestimmten Handlungsspielraum für ein Land bereit, wenn dieses vorausgeht. Diesen Handlungsspielraum auszunützen ist sinnvoll. Zu glauben aber, daß wir, unabhängig davon, was im europäischen Bereich geschieht, etwas machen ... (Abg. Wabl: Das glaubt niemand!) Okay, dann sind wir da einer Meinung.

Wir von den Liberalen sind der Meinung, daß wir hier vorausgehen sollen. Wir dürfen aber nicht so weit vorausgehen, daß uns die anderen nicht mehr sehen, denn dann können sie uns nicht folgen.

Meine Damen und Herren! Daß die ökologische Steuerreform und die Vorbereitungen dazu in Wahrheit völlig eingeschlafen sind, ist etwas, was die Bundesregierung zu verantworten hat, was aber auch diesem Hause angelastet werden kann – ungeachtet der von mir sehr gern gehörten Zustimmung des Abgeordneten Keppelmüller dazu, daß es endlich eine Enquete-Kommission im Hause geben soll, um die Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform zu betrachten.

Wir dürfen nicht übersehen, daß sich mit der Einführung des Binnenmarktes für Elektrizität in der Struktur der Elektrizitätswirtschaft einiges tun wird und daß es jetzt an der Zeit ist, jenen Handlungsspielraum wahrzunehmen, auch auf europäischer Ebene, der den Österreicherinnen und Österreichern versprochen wurde, daß dieser Handlungsspielraum wahrgenommen wird, wenn wir einmal im Bereich der Europäischen Union als Vollmitglied aufgenommen sein werden.

Es erfordert aber, daß wir uns hier in Österreich über unsere Vorstellungen für eine ökologische Steuerreform klar werden. Dabei ist auch jeder Bundesminister aufgefordert, zu zeigen, was er in seinem Repertoire hat, was er sich dabei für sein spezielles Ressort vorstellen kann.

Diese Antworten, Herr Bundesminister, habe ich in concreto bei Ihnen heute vermißt. Ich freue mich, daß es pauschale Bekenntnisse zu einer ökologischen Steuerreform gibt, daß auch in den Unterlagen der Regierung und insbesondere im Nationalen Umweltplan sehr viel über ökologische Steuerreform geschrieben wird davon, daß man auch die erneuerbaren Energieträger bevorzugen müsse. Ich sehe aber mit großer Sorge, daß immer dann, wenn es ums Konkrete geht, das Gegenteil davon gemacht wird. Ich möchte Sie hier nicht aus der Ziehung lassen, Herr Bundesminister, denn wenn Sie sagen, daß auch andere Maßnahmen wichtig sind, dann werden Ihnen die Liberalen zustimmen.

Wenn Sie sagen, daß wir im Bereich der Betriebsanlagenverfahren, die in der Gewerbeordnung geregelt sind, mehr machen müssen und versuchen müssen, endlich zu praktikablen Verfahren zu kommen, dann sage ich Ihnen, wir stimmen Ihnen zu.

Es sind aber einzig die Liberalen, die hier im Hause bisher ein Gewerbegesetz eingebracht haben, welches bereits dem Ausschuß zugewiesen wurde, über das aber interessanterweise, obwohl Sie sagen, das Thema müsse man aufgreifen, nicht verhandelt wird. Es kommt nicht auf die Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses, und damit wird verhindert, daß man endlich an


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Hand dieses sehr konkreten Beispieles, das von seiten des Liberalen Forums in die Diskussion eingebracht worden ist, redet. Es gibt Ankündigungen, aber man bleibt jede Aktion schuldig.

Herr Bundesminister! Zu den von Ihnen angesprochenen zweckgebundenen Mitteln, die etwa jetzt mit dem Strukturanpassungsgesetz an die Länder fließen sollen – das ist noch nicht geschehen –, aber auch zu den Geldern, die aus der Mineralölsteuer an die Länder geflossen sind.

Sie wissen, Herr Bundesminister, daß die Bundesländer diese Mittel primär zur Budgetsanierung verwenden und nicht jenem Zweck zuzuführen, der vorgesehen ist – das betrifft Oberösterreich und auch in vermehrtem Maße die Steiermark.

Meine Damen und Herren! Es wird angeblich übersehen, daß, wenn wir von der Leistungsfähigkeit der österreichischen Industrie reden, gerade auch im Bereich der Exporterfolge für Umwelttechnologie – der Herr Bundesminister hat es auch angesprochen – diese im internationalen Bereich eine sehr weit vorne anzusetzende Stellung hätte.

Faktum ist aber, daß, wenn Sie sich die sieben größten Firmen in wichtigen Ökoproduktbereichen anschauen – die Quelle, aus der ich das entnehme, ist ein Bericht der OECD, allerdings beruhend auf dem Jahr 1992, aber ich behaupte, es hat sich substantiell seit damals nichts geändert –, dann finden Sie weder im Water-Treatment-Equipment noch im Waste-Management, noch in der Luftreinhaltung oder in den Ökodienstleistungen irgendein österreichisches Unternehmen. Das ist nicht der Fall, die Österreicher sind da weit abgeschlagen. (Bundesminister Mag. Klima: Das werden Sie auch in anderen Branchen nicht finden!)

Das stimmt schon, Herr Bundesminister, aber das Beispiel mit der Rauchgasreinigung, das Sie gebracht haben, ist ein richtiges Beispiel. Faktum ist jedoch auch, daß für diese Entwicklungen sehr strenge Auflagen ausschlaggebend waren, es eine sehr entschlossene und vor allem eine sehr konsequente Politik war, die in Österreich betrieben worden ist.

Genau diesen Effekt könnten wir haben, wenn wir mit der ökologischen Steuerreform endlich ernst machen würden. Noch einmal: Wichtig ist, daß wir uns selbst darüber im klaren werden, was denn die wesentlichen Eckpfeiler einer ökologischen Steuerreform sein sollen. Alle Parteien haben in irgendeiner Art und Weise Vorstellungen geäußert, aber wir sind niemals in die Tiefe gegangen und haben gefragt: Wie würde es denn regionalpolitisch ausschauen? Welche Sektoren würden wirklich belastet werden? Wie groß ist denn unser Spielraum?

Das ist etwas, das wir hier im Hause klären müssen! Denn wenn dabei herauskommt, daß es besondere Auswirkungen in bestimmten Bereichen geben wird – nehmen wir etwa die Grundstoffindustrie –, daß sich Auswirkungen regional konzentrieren werden, dann müssen wir auch Strategien anbieten, wie man hier den negativen Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform entgegentreten kann.

Ich möchte auf noch ein Beispiel verweisen. Es legt klar, daß von der ökologischen Steuerreform von seiten der Regierung viel geredet wird, auch von seiten der Regierungsfraktionen wird hier am Pult immer wieder beteuert, daß man etwas machen muß, aber in Wahrheit das Gegenteil davon beschlossen wird. Das ist die Deckelung der Energieabgaben für produzierende Unternehmen im Zusammenhang mit dem Erdgasabgabengesetz.

Faktum der Deckelung, die aufgrund internationaler Erfahrungen durchaus ihre Rechtfertigung haben mag, ist, daß das primäre Aufkommen von den privaten Haushalten zu tragen ist. Wir kommen zu der grotesken Situation, daß, wenn etwa Erdgas eingesetzt wird, um damit Strom zu erzeugen, für dieses verheizte Erdgas keine Erdgasabgabe zu entrichten ist.

Wenn Sie aber aus diesem kalorischen Kraftwerk, das mit einem sehr geringen Wirkungsgrad arbeitet, die Wärme auskoppeln und damit etwas Energieeffizienzmäßiges, etwas ökologisch Sinnvolles machen, dann müssen Sie auf einmal für jenen Energieanteil, der ausgekoppelt worden ist, Erdgasabgabe zahlen. Das heißt mit anderen Worten, daß Sie energieeffizienzsteigernde Maßnahmen steuerlich benachteiligen.


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Genau das Gegenteil können Sie aber im nationalen Umweltplan nachlesen. Dort steht drinnen, daß Kraft-Wärme-Koppelung gefördert werden soll, daß wir vermehrt auf erneuerbare Energieträger gehen sollen. Was hier in sinnvoller Weise dem Parlament vorgelegt wird, wird dann in der konkreten Umsetzung nicht gemacht.

Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel zum Schluß nennen. Seit es in Deutschland ein Einspeisegesetz – und ich betone, es ist nicht Ihre Kompetenz, Herr Bundesminister – für erneuerbare Energieträger gibt, hat es einen echten Boom im Bereich der Windkraftindustrie gegeben. Die Windkraftindustrie in Deutschland hat heute rund 15 000 Beschäftigte, ist also wirklich eine industriepolitische Option geworden und hat mit den 15 000 Beschäftigten doppelt so viele wie die gesamte kerntechnische Industrie.

Österreich wäre im Bereich der Biomasse prädestiniert dafür, international eine Vorreiterrolle einzunehmen. Dies würde für den Bereich der Landwirte zusätzliche Einkommen bedeuten, und wir wären nicht in Bedrängnis geraten durch die Schweden und die skandinavischen Länder, die in diesem Bereich sehr viel aufholen, weil es bei uns verabsäumt worden ist, diesen Bereich explizit hervorzuheben und als eine wirklich industriepolitische Option zu erkennen.

Abschließend zum Entschließungsantrag, der vom Kollegen Schweitzer eingebracht worden ist. Meine Damen und Herren! Die Liberalen können ihm inhaltlich durchaus zustimmen. Ich möchte nur auch Abgeordneten Schweitzer daran erinnern, daß im Umweltausschuß bereits ein Entschließungsantrag der Liberalen liegt, der genau dies verlangt und haben will.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Abgeordneter Schweitzer als Obmann des Umweltausschusses endlich diesen Antrag der Liberalen auch auf die Tagesordnung nehmen würde, damit wir endlich dieses Thema weiterbringen können. (Abg. Mag. Schweitzer: Gerne!) Vielleicht kommt heute noch ein Antrag der Freiheitlichen dazu – dann wird es vielleicht ein bißchen schneller gehen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Vorläufig ist als letzter zu Wort gemeldet Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

17.40

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, hier im Hohen Haus ist über die Einführung einer Ökosteuer schon debattiert worden, als viele von den Abgeordneten, die jetzt hier herinnen sitzen, noch gar nicht daran dachten, jemals Abgeordnete zu werden und hier eine Debatte über dieses Thema zu führen. So lange ist das nämlich schon her. Auch bei der letzten Steuerreformdebatte beziehungsweise bei der Debatte über das Belastungspaket ging es um die – auch in der Regierungserklärung festgeschriebene – Einführung einer aufkommensneutralen Ökoabgabe. Die Österreichische Volkspartei hat sich dabei immer dafür stark gemacht, daß es nur eine aufkommensneutrale Ökoabgabe geben kann.

Nur Sie, Herr Finanzminister, haben in Kenntnis der budgetären Situation gesagt, Sie brauchen diese Ökosteuer zum Stopfen von Budgetlöchern beziehungsweise zum Erfüllen der Konvergenzkriterien von Maastricht. Andererseits hat aber der Umweltminister Bartenstein gesagt, wenn man eine Ökoabgabe einführt, dürfen die Erträge daraus nicht zu 100 Prozent zum Stopfen von Budgetlöcher verwendet werden, sondern es müssen 20 Prozent davon für Klimaschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Kraft-Wärme-Kupplungsanlagen, Förderungen der Fernwärme, Wärmedämmung und dergleichen mehr, ausgegeben werden.

Herr Finanzminister! Sagen Sie doch bitte, was mit den 800 Millionen Schilling bisher unternommen wurde, welche Länder Anträge gestellt, welche Länder Zuweisungen erhalten haben, welche Investitionen damit in Gang gesetzt wurden. Ich bitte Sie um Antwort auf diese Frage.

Aber es geht ja hier nicht nur um die Ökoabgabe, sondern es geht auch um die Beschäftigungspolitik, und diese Bundesregierung betreibt derzeit eine Beschäftigungspolitik, die einfach miserabel ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich war in Tirol bei einer Veranstaltung eines Bürgerforums, und dort hat man einen Tiroler Industriellen aufgefordert, zu sagen, seit dem EU-Beitritt seien 40 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. (Abg. Dr. Graf: In Brüssel!) Das war eine Peinlichkeit! Obwohl man weiß, daß eine Baufirma im Außerfern in Konkurs geht, eine Baufirma in Oberland in Konkurs geht, die Coca-Cola-Niederlassung in Innsbruck geschlossen wird, das Zementwerk in Eidenberg geschlossen wird, erdreistet man sich, einen Mitarbeiter sagen zu lassen, 40 neue Arbeitsplätze seien geschaffen worden. Das ist peinlich! Anscheinend wollen Sie die Falschinformation, die Sie bei der Volksabstimmung über den EU-Beitritt Österreichs im Jahre 1994 praktiziert haben, jetzt fortsetzen. Die Bevölkerung kann es ja gar nicht mehr hören, die glaubt es ohnehin nicht mehr.

Es ist schon klar, daß wir ein größeres Konsolidierungserfordernis haben, Herr Finanzminister. Aber Sie haben ja selbst im Konvergenzprogramm angekündigt, daß Sie im Rahmen einer Beschäftigungsoffensive Reinvestitionen aus Privatisierungen tätigen wollen. Was haben Sie denn bis jetzt privatisiert? (Bundesminister Mag. Klima: VA-Stahl ...!) Die CA privatisieren wir jetzt schon seit fünf Jahren. (Bundesminister Mag. Klima: VA-Stahl ...!) Sie können nichts dafür. Aber was ist denn aus den Privatisierungserlösen bisher für die Arbeitsplatzbeschaffung investiert worden? – Kein einziger Schilling! Wir haben nur Arbeitsplätze verloren, wir haben Volksvermögen verloren, und zwar in einer Größenordnung von über 34 Milliarden Schilling, was eigentlich schon wieder ein heimlicher Pleiterekord ist.

Doch noch bedenklicher stimmt, daß Sie es aufgrund Ihrer Finanz- und Steuerpolitik den heimischen Unternehmen nicht möglich gemacht haben, Eigenkapital zu bilden, damit nicht beim ersten Gegenwind ein Konkursverfahren eröffnet wird. Wir haben schon die traurige Zahl von über 2 700 abgewiesenen Konkursanträgen mangels Vermögen erreicht, weil die Unternehmer gar nicht in der Lage sind, Eigenkapital zu bilden. Aber Sie gehen her und sprechen von Gründungssparen, von einer Gründeroffensive, in Kenntnis, daß Sie eine Zwangsabgabe in Form der Körperschaftsteuer von 50 000 S einführen. Da wollen Sie den Jungunternehmern in Österreich erklären, das sei eine Gründungsoffensive. Das glaubt Ihnen doch kein Mensch mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Weiters steht im Konvergenzprogramm, Sie erhöhen Bauleistungen, indem die Mietzinsreserven aktiviert werden. Im selben Atemzug stellen Sie aber das Bauherrenmodell ein, ein Modell, das sehr gut funktioniert hat, das sehr viele kleine und mittlere österreichische Bauunternehmer beschäftigt hat, so daß sehr viele Beschäftigte dadurch einen Arbeitsplatz hatten. Diese Förderung für die Bauwirtschaft beziehungsweise für die Althaussanierung haben Sie mit einem Federstrich abgeschafft.

Herr Finanzminister! Sie haben mit der Aussetzung des Verlustvortrages für die Jahre 1996 und 1997 für sämtliche Projekt- und Bauträgergesellschaften einen weiteren gefährlichen Schritt gesetzt. Diese kommen in größte Schwierigkeiten, weil die nämlich die Gestehungs-, Gründungs-, Finanzierungs-, Grundstücks- und Erschließungskosten für ein und dasselbe Projekt, die in den Jahren 1994 und 1995 angefallen sind, nicht lukriert werden können und sie daher nicht in der Lage sind, die Steuerbelastung aus der Verwertung der Liegenschaft zu bezahlen. Wäre es möglich, die Verlustvorträge aus den projektbezogenen Verlusten geltend zu machen, könnten viel mehr Bauvorhaben realisiert werden und würde es zu viel weniger Pleiten in Österreich kommen.

Aber Sie wollen das überhaupt nicht hören. Sie machen eine Steuerpolitik, ohne irgend etwas bei den Strukturen zu ändern. In Ihrem Budgetprogramm zählen Sie eine Unmenge von Maßnahmen ausgabenseitiger Natur, überhaupt nicht quantifiziert, taxativ auf. Auf der Einnahmenseite ist aber ganz klar herausgekommen – das steht auch im Bericht für den Finanzausgleich –, daß die Steuerbelastung für 1996/97 150 Milliarden Schilling ausmacht. Sie haben damals aber immer wieder gesagt, das Belastungspaket mache nur 100 Milliarden Schilling aus. Das Belastungspaket ist viel größer, und das Belastungspaket ist deshalb viel größer, weil Sie sich damals bei den effektiven Kosten, die auf Sie zukommen, offensichtlich verrechnet haben. Doch jetzt wollen Sie über irgendwelche Schleichwege aus der Staatsverschuldung hinauskommen. Beispiel: Autobahnvignette. Damit Sie über 50 Prozent der Mauteinnahmen zur Refinanzierung der ASFINAG-Schulden verwenden können, werden eben die 73 Milliarden Schilling in der


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ASFINAG gestrichen. Diese scheinen in der öffentlichen Verschuldung nicht auf, aber die Schulden existieren, der Staat muß sie bezahlen.

Herr Finanzminister! Des weiteren verkaufen Sie einfach die Forderungen an den Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds in der Größenordnung von 73 Milliarden Schilling. Gut, recht und schön. Aber die Schulden und die Verbindlichkeiten bleiben bestehen. Sie haben nichts bewegt, Sie haben nichts geändert, Sie haben nur eine Belastung auf die österreichische Bevölkerung, beziehungsweise die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die kleine und mittelständische Wirtschaft überwälzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das einzige, was Sie im Kopf haben, ist der Gedanke: Welche Steuern kann ich noch einheben, in welcher Form auch immer? Sie erhöhen einfach die Vorauszahlungen, damit Sie die Konvergenzkriterien bis zum 31. Dezember 1997 erreichen. Es kam zu beträchtlichen Steuererhöhungen: bei der Einkommensteuer fast 28 Prozent, bei der Lohnsteuer 7,4 Prozent, bei der Kapitalertragsteuer 38 Prozent, bei der KÖSt 43 Prozent. Dazu kam noch die Aussetzung der Freibetragsbescheide.

Herr Finanzminister! Was werden denn Sie machen, wenn am 31. Dezember 1997 alle diese Dinge auslaufen? – Die Steuervorauszahlungen gehen zurück. Die Verlustvorträge kann man wieder geltend machen. Die Aussetzung der Freibetragsbescheide ist wieder aufgehoben. Sie versteuern Mindereinnahmen. Was kommt als nächstes? – Belastungspaket "Klima III", und zwar in einer Größenordnung, daß dieses Belastungspaket im Vergleich ein Lercherl war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen. Bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend Realisierung eines aufkommensneutralen ökologischen Steuersystems.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zur Durchführung einer kurzen Debatte. Die kurze Debatte betrifft den Antrag der Abgeordneten Wabl und Genossen, dem Bautenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 137/A (E) betreffend Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146, Ennsnahe Trasse, eine Frist bis 1. November 1996 zu setzen. Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen nun in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß nach § 57 Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Der Erstredner hat zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Ebenso dürfen Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder von Staatssekretären nicht länger als 10 Minuten dauern.

Als erster Redner erhält das Wort Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

17.51

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben vor einiger Zeit einen Fristsetzungsantrag betreffend unseren Antrag zur Verordnung über die Ennsnahe Trasse gestellt.

Sie, meine Damen und Herren, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion und von der ÖVP, haben damals hier sehr wortgewaltig argumentiert, Sie wollen endlich eine Lösung haben, Sie wollen endlich entscheiden, Sie wollen bei dieser grau


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samen Geschichte im Ennstal, die schon 20 Jahre dauert, endlich den Baubeginn einer sinnvollen Variante haben.

Meine Damen und Herren! Damals hat Herr Abgeordneter Kröll hier sehr heftig dafür plädiert, daß dort endlich gebaut wird. Frau Kollegin Buder hat hier ebenso dazu Stellung bezogen. Aber Sie haben damals gegen den Fristsetzungsantrag gestimmt, weil Sie meinten, es geschehe ohnedies etwas.

Meine Damen und Herren! Sie sind an der Regierung, Sie mit Ihren Ministern, und Sie sind daher verpflichtet, Entscheidungen zu treffen, und zwar auch in dieser Sache, in einer Sache, die bereits die Zumutbarkeit überschritten hat. Sie wissen das ganz genau. Frau Kollegin Buder und Herr Kollege Kröll haben damals hier gemeint – ich nehme an, heute wird Kollege Maitz das Wort dazu ergreifen –, daß die Zustände im Ennstal unzumutbar sind. Aber es ist seither in dieser Sache nichts unternommen worden. Das einzige, was geschehen ist, ist, daß die EU klargestellt hat, daß, sollten Sie an der alten Variante der Ennsnahen Trasse festhalten, eindeutig EU-Richtlinien verletzt würden, EU-Gesetz gebrochen würde.

Meine Damen und Herren! Sie haben längst in allen rechtlichen Verfahren von den zuständigen Instanzen erfahren müssen, daß die Ennsnahe Trasse nicht gebaut werden kann. Es haben Bescheide gefehlt, es hat Rechtsbeugung gegeben. Es hat Planungsfehler gegeben, es sind bürokratische Fehler gemacht worden, es sind Anrainer, Grundstückseigner, Landwirte unterdrückt worden, es ist einfach über Gesetze hinweggegangen worden, und zwar in einer Art und Weise, wie es selten in Österreich geschieht, und Sie sind nicht in der Lage, in dieser Causa zu entscheiden.

Meine Damen und Herren! Warum wir jetzt diesen Fristsetzungsantrag gestellt haben, hat einen einfachen Grund: Vor einigen Tagen hat die Landesregierung in der Steiermark – ÖVP, SPÖ und FPÖ gemeinsam – beschlossen: Die Ennsnahe Trasse wird gebaut! Ich halte es für einen einmaligen Fall in unserer Republik, daß, obwohl klargestellt wurde, daß die Ennsnahe Trasse rechtlich nicht durchsetzbar ist, auch nicht durchsetzbar gegenüber der EU, trotzdem die Regierung sagt: Die Ennsnahe Trasse wird gebaut! Legal oder illegal – und ich sage das dritte Wort nicht –, das ist offensichtlich den Machthabern in der Steiermark egal. Aber ich nehme nicht an, daß das auch den Regierenden in Österreich, im Bundeskanzleramt, im Wirtschaftsministerium und im Landwirtschaftsministerium, egal ist. Deshalb erwarte ich mir von Ihnen, daß dieses Haus, das diese Trassenverordnung beschlossen hat, sofort zu Beratungen zusammentritt, um diesen prekären Fall zu besprechen und schleunigst eine Lösung im Ennstal herbeizuführen.

Frau Kollegin Buder! Das ist eine Zumutung für alle Beteiligten, ganz gleich, ob sie für die Ennstrasse sind oder dagegen. Es muß entschieden werden, und es muß gemäß den Gesetzen agiert werden. Daß wir gegen die Ennsnahe Trasse sind, das ist bekannt, weil wir nicht wollen, daß im Ennstal eine Transitschneise aufgemacht wird. Aber Sie müssen entscheiden, Sie müssen die Verhandlungen aufnehmen, und Sie dürfen sich nicht weigern, in dieser Causa zu agieren. Frau Kollegin Buder, Sie können nicht mehr ins Ennstal zurück, Herr Kollege Maitz, Sie können nicht mehr zurück in die Steiermark, wenn Sie sich weigern, hier in dieser wichtigen politischen Frage eine Entscheidung zu treffen. Haben Sie den Mut, auch wenn Sie offensichtlich jetzt zu dem, was damals der Landeshauptmann Krainer verkündet hat, nämlich einen Paradigmenwechsel im Zusammenhang mit dem Straßenbau, mit Verkehrslösungen, eine konträre Meinung einnehmen!

Kollege Zweytick! Auch Sie werden entscheiden müssen. Das geht nicht, daß Sie sich als gewählter Mandatar, als Abgeordneter aus der Steiermark weigern, in dieser Frage zu entscheiden.

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie, ganz unabhängig davon, ob Sie dafür oder dagegen sind, eine Entscheidung herbeizuführen und möglichst rasch diesem Hohen Haus einen Bericht vorzulegen, damit dieses Kapitel zu Ende geschrieben wird und eine vernünftige Lösung durchgeführt werden kann.


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Herr Kollege Zweytick! Sie werden es vielleicht noch ein paar Wochen aushalten. Herr Kollege Maitz! Sie werden es vielleicht noch ein paar Monate aushalten. Aber Sie werden sich nicht mehr im Ennstal sehen lassen können, wenn Sie diese Art der Politik des Kopf-in-den-Sand-Steckens weiterhin fortführen, wenn Sie diese Art der Politik nicht ändern.

Frau Kollegin Buder! Ich hoffe, Sie werden heute diesem unseren Fristsetzungsantrag zustimmen, und ich hoffe, daß dieses unwürdige Schauspiel bald ein Ende hat. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Buder. – Bitte. Von nun an beträgt die Redezeit für jeden Abgeordneten 5 Minuten.

17.57

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter Wabl! Sie haben gesagt, ich dürfte mich nicht mehr ins Ennstal zurücktrauen. Ja, ich dürfte mich nicht mehr ins Ennstal zurücktrauen, wenn ich hier nicht die Interessen des Ennstales vertreten würde, denn 72 Prozent der Bewohner der Gemeinden, die davon betroffen sind, wollen die Ennsnahe Trasse, die 1990 verordnet wurde. Daher glaube ich, auch der Bautenausschuß wird das als richtig erachten und seine Tagesordnungspunkte so setzen, wie er es für notwendig hält. Sie verlangten eine Fristsetzung am 23. Mai, und Sie verlangen Sie heute wieder, und bei uns draußen heißt es immer nur warten und warten. (Abg. Wabl: Wenn Sie hier im Hohen Haus nicht entscheiden!) Oh doch! (Abg. Wabl: Wo denn? Warum entscheiden Sie denn nicht?) Die Ennsnahe Trasse muß gebaut werden, jetzt endlich! Wir wissen, daß ein diesbezüglicher Brief aus Brüssel gekommen ist, und wir wissen natürlich auch, daß es Mängel im Verfahren gab, aber ich weiß auch, daß die nötigen verfassungsrechtlichen Schritte gesetzt werden, und ich bin überzeugt davon, daß diese für die Ennsnahe Trasse sprechen werden.

Ich weiß auch, daß Brüssel nun endlich auch mit dem Land Steiermark in Verhandlungen treten wird, nicht nur mit der Generaldirektion XI, die für die Umwelt zuständig ist, sondern auch mit der Generaldirektion VII, die für den Verkehr zuständig ist und die in die Verhandlungen mit eingebunden wird. Wenn alle Bescheide positiv erledigt sind, dann hat das Land für Brüssel auch eine gute Verhandlungsposition.

Ich bin froh darüber, daß die Steiermärkische Landesregierung einig ist. Sie wissen es: Die Leute im Ennstal fragen sich schon: Warum wird da nicht weitergebaut? (Abg. Wabl: Ungesetzlich gebaut! Widerrechtlich gebaut!) Die Wanne Stainach und die Sallaberg-Brücke stehen schon, aber Sie werfen mir immer wieder vor, das steht so in der Gegend herum. Natürlich steht das dort, und die Leute, die dort vorbeikommen, fragen sich natürlich: Warum wird dort nicht weitergebaut? Das ist ein Schildbürgerstreich! Haben wir denn so viele Millionen, daß wir sie hinausschmeißen können? Ich glaube nicht, und daher werden wir auch heute diesem Ihrem Fristsetzungsantrag nicht zustimmen. (Abg. Wabl: Sie wollen keine Entscheidung!) Doch, die Entscheidung wird sicher getroffen werden. (Abg. Wabl: Wer ist denn in der Steiermark an der Regierung?) Die Entscheidung ist schon 1990 getroffen worden, als die Trasse verordnet wurde. Das hat damals Bundesminister Schüssel verordnet. Es ist sehr lange darauf gewartet worden.

Herr Abgeordneter Wabl! Ich wünsche es niemandem, einen Lieben der Familie durch einen Verkehrsunfall zu verlieren. Wir haben heuer auf der B 146 wieder Tote gehabt, schreckliche Unfälle. (Abg. Wabl : Wer ist an der Regierung in der Steiermark? Die Grünen vielleicht?)

Ich kann Ihnen noch etwas sagen: Als seinerzeit von Treglwang bis Liezen die Autobahn gebaut wurde, hatten wir jährlich 15 Tote. Nun sind es drei – noch immer um jeden einzelnen zu viel. Ich finde, eine sichere Straße mit weniger Abzweigungen ist auch weniger verkehrsgefährdend und unfallgefährdet. Diese schrecklichen Unfälle, die immer wieder passieren, sollen hintangehalten werden! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich bin sicher, daß die Steiermärkische Landesregierung ihre Sache auch in Brüssel richtig machen wird. Man sollte nicht Wachtelkönig mit Verkehrstoten aufrechnen. Das wäre sicher der


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falsche Weg. Ich bin auch für die Natur und ich kenne die "Roßwiesen", die geschützt ist. Für alle, die sie nicht kennen: Das ist sie! (Die Rednerin hält eine große Farbfotografie in die Höhe, die Grün- und Ackerland zeigt.) Solche Wiesen haben wir Gott sei Dank mehrere in der Steiermark – auch im Ennstal. (Abg. Wabl: Drüber über die Gesetze! Drüber über die Bauern!) Nein! Aber diese verordnete Trasse soll gebaut werden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wabl: Drüber über die Gesetze! Drüber über die Bauern! – Weitere Rufe und Gegenrufe bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie wissen, in unserem Bezirk gibt es eine hohe Arbeitslosenrate, und viele Menschen müssen pendeln. Sie sollen gut an ihren Arbeitsplatz kommen und auch wieder heil zurück zu ihren Familien. Daher trete ich für die B 146, für den Bau der Ennsnahen Trasse ein! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Maitz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.02

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Wabl hat den Beschluß der Landesregierung nicht richtig zitiert. (Abg. Parnigoni : Was zitiert er überhaupt richtig?) Dieser Beschluß, der vor dem Sommer gefaßt wurde, lautet, daß bei Vorliegen aller rechtlichen Voraussetzungen die Landesregierung einhellig für den Bau der Ennsnahen Trasse eintritt. Die Verordnung des Wirtschaftsministers aus dem Jahre 1990 war und bleibt also die bestmögliche Lösung des Problems für die betroffenen Menschen und für die betroffene Umwelt.

Einige offene Fragen wurden angesprochen. Wenn Sie, liebe Kollegin Langthaler, mich vor die Wahl stellen, entweder Junge und Alte, Kinder und Eltern – derzeit gefährdet durch die Verkehrslawine – oder den Wachtelkönig auf 25 Hektar zu schützen, dann bin ich für die Menschen, die Jungen, die Alten, die Kinder und die Eltern, die dort an dieser Straße ihr Leben riskieren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abg. Wabl und Ing. Langthaler .)

Zwei offene Fragen hat Kollege Wabl angesprochen, und zwar erstens den Wasserrechtsbescheid, der im Ministerium zur Überprüfung vorlag und ausreichend und gewissenhaftest überprüft wurde. In den nächsten Tagen ist mit der Entscheidung zu rechnen, und wir werden diese Entscheidung respektieren, weil wir den Rechtsstaat respektieren. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Wenn Sie lachen beim Wort "Rechtsstaat", dann ist das Ihr Problem.

Zweitens: Der naturschutzrechtliche Bescheid läuft mit Ende Oktober 1996 ab, kann aber meiner Meinung nach auch entgegen der Empfehlung, die die Studie des World Birth Life Found Österreich über die Grünen an die EU gegeben hat, verlängert werden, und zwar rechtlich einwandfrei.

Diese Studie, auf die sich die Grünen stützen, würde – man höre und staune – das gesamte steirische Ennstal, politischer Bezirk Liezen, zwischen dem 13. und 14. Grad östlich von Greenwich auf einer Fläche von 24 000 Hektar, Seehöhe 620 bis 740 Meter, unter EU-Schutz stellen wollen. Das würde bedeuten, daß dort sämtliche Bewirtschaftung aufhören, die Fremdenverkehrsregion einpacken und zusperren müßte und wir keinerlei Bauwerke dort errichten könnten.

Die EU-Stellungnahme endet mit folgendem Satz: "Es gibt zurzeit" – trotz dieser Studie – "keine ausreichende sachliche Grundlage für die Unterschutzstellung nach den Richtlinien der EU" – sprich Habitat-Richtlinie und EU-Richtlinie für den Vogelschutz.

Zurzeit – wenn die beiden Rechtsverfahren rechtsgültig abgeschlossen sein werden, und das wird in den nächsten Tagen der Fall sein – hat also das Land Steiermark alle Voraussetzungen dafür geschaffen, daß diese Trasse, die 1990 verordnet wurde, gebaut werden kann. Meine Vorrednerin hat bereits ausgeführt, daß diese Trasse von fünf Gemeinden in einer Volksbefragung im Herbst 1994 zwischen – ich sage es ganz genau – 65,1 und 93,6 Prozent befürwortet wurde. Die Alternative wäre der bestandsnahe Ausbau gewesen, den du ganz genau kennst, Kollege


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Wabl, und den eure Fraktion auch vertreten hat. Dieser wurde jedoch eindeutig von zwei Dritteln bis 93,6 Prozent der Bevölkerung abgelehnt. An diesem Punkt stehen wir nach wie vor.

Es gibt keine andere Variante – nach den 18, die bereits ausgiebig diskutiert worden sind –, als mit dem Bau der Ennsnahen Trasse diese unendliche Geschichte rechtlich einwandfrei zu beenden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol : Ausgezeichnet!)

18.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Bitte.

18.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß eingangs die Anmerkung des Kollegen Wabl richtigstellen, der behauptet hat, die Abstimmung in der Steiermärkischen Landesregierung wäre einstimmig erfolgt. – Ich stelle richtig, daß Herr Landesrat Dipl.-Ing. Schmid zweimal in der steirischen Landesregierung dagegen gestimmt hat, auch das letzte Mal mit dem Hinweis, daß der Weiterbau erst dann erfolgen kann, wenn alle Verfahren rechtlich einwandfrei abgewickelt sind. Er hat das letzte Mal den Antrag von SP-Landesrat Ressel, der auf raschen Weiterbau auch ohne rechtskräftige Bescheide plädiert hat, abgelehnt. – Insofern, Kollege Wabl, bist du falsch informiert. Ich denke, daß das damit klargestellt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen aber diesen Fristsetzungsantrag, und zwar aus dem Grund, weil dadurch an dieser unendlichen Geschichte mit Hunderten Toten, Millionenschäden und einer ungeheuren Belastung der Bevölkerung in diesem Straßenabschnitt endlich etwas weitergehen wird.

Es muß auch endlich etwas weitergehen, weil die Politik in diesem Bereich bisher kläglich versagt hat. Dieser Fristsetzungsantrag wird zumindest eines verursachen: daß endlich die Diskussion auf diesem Gebiet weitergeführt wird, daß es endlich zu einer Entscheidung kommen muß und die Straße, wenn die Verfahren rechtlich alle entsprechend abgewickelt sind, unter Umständen gebaut werden kann.

Bei der von uns bevorzugten Variante würden zumindest die am stärksten belasteten Gebiete im Bereich Stainach mit entsprechenden Ortsumfahrungen versehen, damit die ärgste Belastung für die dortige Bevölkerung einmal behoben ist. Ich meine, daß wir endlich zu dieser Lösung kommen müssen. Es sind bereits mehrere Landeshauptleute und vielleicht auch eine Landeshauptfrau dort "auf der Strecke geblieben". Ich hoffe, daß dieser Antrag der Grünen dazu führen wird, daß diese unendliche Geschichte endlich zu einem Ende kommen wird! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.09

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Buder! Ich glaube, so einfach kann man es sich nicht machen, daß man quasi sagt, daß nur diejenigen, die für die Ennsnahe Trasse sind, für den Menschenschutz dort stehen, und denen, die gegen die Ennsnahe Trasse sind, ist es gleichgültig, ob dort Menschen zu Tode kommen oder nicht.

Das ist eine Dimension, die dieser Auseinandersetzung um die Ennsnahe Trasse wohl nicht gerecht werden kann.

Gerade Sie als eine Abgeordnete der Region wissen doch, daß die Sallabergbrücke vor allem deswegen gebaut worden ist, damit Bewilligungen nicht verfallen sind, damit man schnell noch etwas hingestellt hat, damit man sagen konnte: Wir haben ohnehin schon damit angefangen – obwohl viele Bewilligungen eben noch nicht da waren. Das bezieht sich insbesondere auch auf die wasserrechtlichen Bewilligungen.


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Wenn Herr Abgeordneter Maitz demgegenüber sagt: Na ja, Rechtsstaat ist wichtig!, dann gebe ich ihm vollkommen recht: Rechtsstaat ist wichtig! Dann frage ich mich aber, warum man ohne Bewilligungen bereits zu bauen begonnen hat, zum Beispiel ohne wasserrechtliche Bewilligung. Wenn der Rechtsstaat wichtig ist, Herr Abgeordneter – und da stimme ich Ihnen zu –, dann müßte man konsequenterweise auch sagen: Solange die Bewilligungen nicht da sind, beginnen wir nicht.

Sie sehen es ja auch im Fall Lambach: Wiewohl die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof keine aufschiebende Wirkung gehabt hat, ist durch den Baubeginn das eigentliche Problem entstanden.

Meine Damen und Herren! Ich stimme auch jenen zu, die sagen, wir brauchen im Ennstal eine weniger gefährliche Straße. Das stimmt. Aber Sie wissen auch, meine Damen und Herren, daß jene Planungen für die Ennsnahe Trasse, die zu Anfang gemacht worden sind, mannigfach geändert wurden. Die Straße wurde in ihrer Priorität herabgesetzt. Die Abzweigungen, die dort vorgesehen sind, sind wegen des Fehlens von Beschleunigungsspuren überhaupt nicht sicherer als das, was wir derzeit haben. Und insbesondere muß doch berücksichtigt werden, daß die Situation im Ennstal vor allem deshalb ein Problem ist, weil die Raumordnung dort einfach nicht konsequent eingehalten wird.

Das ist etwas, was man schon auch den Bürgermeistern in diesem Bereich vorhalten muß, weil zuerst einmal der Verkehr durch die Ortschaften direkt gegangen ist – ein heute undenkbarer und unhaltbarer Zustand. Dann hat man den Verkehr hinaus verlegt. Aber dann hat man gesagt: Wunderbar! Jetzt gibt es neues Bauland, jetzt können wir gleich alles wieder umbauen!, mit dem Endeffekt, daß man heute das, was verkehrsentlastend gedacht war, zugebaut hat und wieder sagt: Eigentlich muß man das Ganze schon wieder verlegen, weil die Menschen dort entlastet werden müssen.

Faktum ist auch, meine Damen und Herren, daß bei der Planung der Ennsnahen Trasse, die jetzt vorliegt, der Ausbau der Eisenbahn überhaupt nicht mitberücksichtigt ist, obwohl, wie Sie wissen, die Eisenbahn durch das Ennstal zweigleisig ausgebaut werden muß. Es gibt zwar Überlegungen dazu, es gibt auch sehr konkrete Vorstellungen dazu. Das ist auch schon diskutiert worden. Faktum ist aber, daß das, was umgesetzt werden soll, ohne den Ausbau der Eisenbahn geplant ist.

All das, meine Damen und Herren, macht es notwendig, dieses Projekt neu zu sehen. Es ist auch gerechtfertigt, zu verlangen, daß die Trassenverordnung aufgehoben wird. Das ist das Ziel dieses Antrags der Grünen, um den es heute geht. Auch eine Fristsetzung für diesen Antrag zu machen, kann nicht falsch sein. Ganz im Gegenteil: Es ist falsch, daß Anträge hier im Parlament eingebracht und dem Ausschuß zugewiesen werden und dann einfach liegenbleiben, daß man sich dann nicht mehr darum kümmert. Ich weiß schon, die neue Geschäftsordnung wird das ändern. Faktum ist aber, daß es ein bewährtes Spiel ist, die Anträge der Opposition einfach im Ausschuß "verschimmeln" zu lassen. Das ist aber etwas, was Sie nicht mit der Zustimmung der Liberalen werden machen können.

Meine Damen und Herren! Wir Liberalen werden diesem Fristsetzungsantrag der Grünen zustimmen. Wir meinen, daß diese Sache hier im Nationalrat sehr klar politisch entschieden werden soll, damit alle wissen, wofür man steht – und das wäre besser heute als morgen der Fall. – Auf Wiederschauen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Rufe: Auf Wiederschauen? – Heiterkeit.)

18.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Ich erteile ihr das Wort.

18.13

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Kolleginnen und Kollegen – vor allem an die SPÖ und die ÖVP gerichtet! Sie gebärden sich hier jedes Mal bei diesem Fristsetzungsantrag – denn das ist ja nicht der erste –, als müßten Sie jetzt auf der Stelle entscheiden, für welche


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Trassenlinie Sie sind. Zum einen möchte ich Ihnen einmal in Erinnerung rufen, daß es darum geht, daß Sie überhaupt entscheiden sollen.

Ihre Argumente kann ich nur so interpretieren, daß Sie offensichtlich Angst vor jeder Art der Entscheidung haben, was nicht verwundert, wenn man sich die Geschichte anschaut: Allein im steirischen Landtag war Ihre bisherige Linie eine einzige Zickzacklinie! (Abg. Dr. Maitz: Landesregierung !)

Herr Kollege Maitz! Wenn Sie hier Beschlüsse des Landtags zitieren, wenn wir hier anfangen würden, die Beschlüsse des Landtags oder der Landesregierung zu zitieren (Abg. Dr. Maitz: Nur den letzten!) , dann würden wir heute Abend bis zehn hier sitzen und uns gegenseitig die Beschlüsse der Landesregierung dazu vorlesen und uns wahrscheinlich wundern, was diese darüber schon alles gesagt und beschlossen hat.

Uns geht es einzig und allein darum, daß Sie überhaupt einmal einen Antrag, den wir eingebracht haben, behandeln und daß Sie entscheiden. Wenn Sie meinen, daß diese Trassenführung so gut ist, dann beschließen Sie sie doch, stimmen Sie doch gegen unseren Antrag! Haben Sie doch den Mut, das zu tun! Aber diesen Mut haben Sie ja nicht. Und mit gutem Recht haben Sie nicht den Mut dazu, denn ich sage Ihnen – auch den Kolleginnen der SPÖ, besonders Frau Kollegin Buder –, was fahrlässig ist und was fahrlässige Verkehrspolitik ist: das, was Sie machen, was Sie seit 20 Jahren machen, indem Sie einfach vorgehen, wie Sie wollen, ohne lange zu schauen, ohne zu fragen, ohne sich um Raumplanung zu scheren, um andere Menschen, um den Rechtsstaat oder um Bedingungen zu scheren, die dazu geschaffen wurden, den Straßenbau zu regeln.

Denn genau so haben Sie es im Ennstal gemacht. Sie setzen einfach eine Tatsache und lassen über eine Straße tagtäglich Tausende Autos fahren. Und dann stellen Sie sich hier heraus und sagen: Es steht jetzt der Wachtelkönig gegen das Leben von Menschen. – Das ist nicht die Frage! Es geht um Ihre Verkehrspolitik, die Sie seit zehn oder 20 Jahren betrieben haben. Darum geht es hier. Sie steht hier auf dem Prüfstand! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Die haben Sie seit 20 Jahren verhindert!)

Sie haben geschlafen in der Frage der Ennsnahen Trasse. Sie haben überhaupt nichts unternommen. Sie haben gedacht, Sie können sich einfach hinstellen und die Dinge so laufen lassen, und irgendwann einmal wird die Bevölkerung im wahrsten Sinn des Wortes weichgeklopft sein von dieser Autolawine und wird dem zustimmen, was Sie schon vor langer Zeit geplant haben. Aber inzwischen haben sich die Bedingungen verändert, und Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, daß sich die Bedingungen geändert haben und daß heute die Bevölkerung nicht mehr gewillt ist, Ihren Betonwahn einfach so hinzunehmen, den Sie die längste Zeit ausgelebt haben. (Abg. Steibl : Das ist ein Blödsinn!)

Ich sage Ihnen etwas: Die Pläne für den bestandsnahen Ausbau liegen fertig in der Lade. Gehen Sie doch daran und setzen Sie sie um! Machen Sie doch die Ortsumfahrungen, die schon lange fertig geplant sind! Aber stellen Sie sich doch nicht hier heraus und tun so, als gäbe es nur eine einzige Alternative!

Frau Kollegin Buder! Weil sich die Besucher, wie Sie sagen, so über den Unsinn, den Sie da in den vergangenen Jahren in die Landschaft gestellt haben, wundern, muß ich Ihnen sagen: Sie haben lange genug Zeit gehabt, das entsprechend zu korrigieren – ich betone: entsprechend, und durchaus zum Wohle der Bevölkerung dort. Aber Sie glauben, daß Sie mit Ihrer Verkehrspolitik und mit dem, was Sie in den vergangenen Jahren getan haben, einfach so fortfahren können. Aber das wird nicht gehen.

Auch wenn Sie hier gegen unseren Antrag stimmen, Sie werden ganz sicher – da bin ich mir ganz sicher – irgendwann einmal auch diese Rechnung präsentiert bekommen, und zwar deshalb, weil die Menschen heute sensibel geworden sind. Sie wissen sehr wohl, daß es Alternativen gibt, gerade auch in der Verkehrspolitik, und daß man diese nicht einfach vom Tisch wischen kann, nur weil man vor zehn Jahren oder irgendwann beschlossen hat, genau da muß


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diese Trasse verlaufen. (Abg. Dr. Maitz: 18 Varianten! Ihr habt 20 Jahre lang polemisiert gegen diese Anträge!)

Sie haben sich all die Jahre nicht um die nationale Rechtsgrundlage geschert. Sie haben gedacht, Sie können sich darüber hinwegsetzen, daß Sie einen Wasserrechtsbescheid brauchen. Und nun glauben Sie, Sie können einfach darüber hinweggehen, daß es eine EU-Richtlinie gibt, Sie können das einfach lächerlich machen, Sie können sich hier herausstellen und sagen: Mein Gott! Wenn man das ernst nehmen würde! – Hätten Sie in den vergangenen Jahren manches ernster genommen, als Sie es getan haben, dann müßten wir hier keine Fristsetzungsanträge debattieren.

Noch einmal: Es geht darum, daß Sie entscheiden! Entscheiden Sie! Das ist das einzige, was wir wollen! Wenn Sie so sehr für diese Trasse sind, dann stimmen Sie doch darüber ab, dann entscheiden Sie doch! Nehmen Sie doch unseren Antrag und diskutieren wir ihn hier und entscheiden ihn! Das wäre jedenfalls sinnvoller als das Versteckspiel, das Sie hier aufführen. (Beifall bei den Grünen.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Debatte ist geschlossen.

Ich lasse jetzt über den Antrag abstimmen. – Bitte, die Zeitungsverteilaktionen nach der Abstimmung fortzusetzen!

Wir stimmen ab über den Antrag, dem Bautenausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 137/A (E) der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146, Ennsnahe Trasse, eine Frist bis 1. November 1996 zu setzen.

Wer für diesen Fristsetzungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt worden.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 1 bis 4 der Tagesordnung betreffend die Anträge 289/A, 284/A, 287/A und 292/A (E) wieder auf.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.19

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich zu den Werkverträgen noch zu Wort gemeldet, weil Frau Kollegin Hostasch buchstäblich in der letzten Minute zwei Abänderungsanträge und einen Entschließungsantrag hier im Plenum neu eingebracht hat.

Frau Kollegin! Ich habe mir diese beiden Abänderungsanträge und den Entschließungsantrag angesehen. Ich möchte diese Dinge ganz kurz kommentieren und auch unser Abstimmungsverhalten dazu kundtun.

Frau Kollegin, dem Abänderungsantrag, der die Härtefälle betrifft, zu denen es durch das Hinaufsetzen der Altersgrenze bei Männern im Rahmen der vorzeitigen Alterspension wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit gekommen ist, und auch die Härtefälle, die durch die Änderung des Einkommensbegriffs im Arbeitslosenversicherungsgesetz im Zuge der Strukturanpassung entstanden sind, werden wir unsere Zustimmung geben. Wir halten es für sinnvoll, daß diejenigen, die darauf vertraut haben, daß sie als Arbeitslosengeldbezieher mit 55 Jahren in Pension gehen können, nicht warten müssen, bis sie 57 Jahre alt sind.

Gleiches gilt nach Auffassung unserer Fraktion für Notstandshilfebezieher nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, für diejenigen, die aufgrund eines vor dem 1. Mai 1995 abgeschlos


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senen Sozialplanes diese Notstandshilfe beziehen. Wir müssen dafür Sorge tragen, daß das Vertrauen gerade dieser Menschen in die Politik nicht so sehr erschüttert wird.

Frau Kollegin Hostasch, in Ihrem Abänderungsantrag ist im Zusammenhang mit den Notstandshilfebeziehern von sogenannten Gnadenpensionen die Rede. Der Ausdruck "Gnadenpension", Frau Kollegin, ist wohl etwas hart. Wenn jemand aus unserer Fraktion einen solchen Ausdruck verwenden würde, würde man uns vorwerfen, daß das menschenverachtend ist. Ein Gnadenbrot gibt man vielleicht einem alten Pferd, aber bei einem Notstandshilfebezieher hat man mit diesem Ausdruck wohl wirklich völlig danebengegriffen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Personenkreis, Frau Kollegin Hostasch, hat ja nicht von Gottes Gnaden eine Pension zu erwarten, sondern er hat sich eine Pension erarbeitet.

Was die weitere Abänderung bei der Werkvertragsregelung betrifft – daß nämlich bei einer Änderung der Umstände die Anmeldung unverzüglich ab Beginn des Monats, in welchem abzusehen ist, daß der Betrag gemäß § 5a Abs. 1 im Durchschnitt der Kalendermonate des jeweiligen Kalenderjahres überschritten wird, zu erfolgen hat –, muß ich sagen: Wenn Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, das genau lesen, wird Ihnen auffallen, daß das einfach nicht möglich ist. Es ist einfach nicht möglich, daß jemand, wenn er am 20. Oktober draufkommt, daß eine Änderung der Umstände eingetreten ist, dies unverzüglich ab Beginn des Monats, in welchem das abzusehen ist, meldet. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, wenn jemand am 20. Oktober draufkommt und das am 1. Oktober melden soll. Das ist einfach nicht durchführbar.

Das ist schon der nächste Murks, den Sie produzieren bei diesem gesamten Werkvertrags-Murks. Das ist einfach nicht reparabel. Es ist Ihnen schon oft genug gesagt worden, die Werkvertragsregelung, wie sie seit 1. Juli besteht, ist einfach zu streichen.

Auch die Maßnahmen, die Sie in bezug auf die Lehrlinge setzen, wo sich für die Lehrlinge für die Dauer des ersten Lehrjahres der allgemeine Sozialversicherungsbeitrag um eineinhalb Prozent der allgemeinen Beitragsgrundlage verringert, das ist ja alles nur eine halbe Lösung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie müssen sich einmal echte Maßnahmen, ja eine Reform der Lehrlingsausbildung überhaupt überlegen. Der Entfall der Kommunalsteuer auf die Lehrlingsentschädigung, der Entfall der Sozialversicherungsbeiträge für Lehrlinge, also der Dienstgeber- und Dienstnehmerbeitrag, und die Möglichkeit einer Mitversicherung bei den Eltern, wie dies auch bei den Schülern der Fall ist – das alles sind Maßnahmen, die Sie sich überlegen können.

Sie müssen sich überhaupt eine Neuorganisation der Lehrlingsausbildung überlegen, und auch das Jugendbeschäftigungsgesetz müssen Sie einmal überdenken. Es ist nämlich nicht möglich, daß jemand den Beruf Maler erlernt, wenn er bis zum zweiten Lehrjahr nicht auf das Gerüst hinaufdarf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jemand kann nicht den Beruf Kellner erlernen, wenn er während der Sommerzeit um 9 Uhr aufhören muß. Das ist einfach nicht möglich! Es darf nicht so sein, daß ein Tischlerlehrling die Maschinen nicht in Betrieb nehmen darf. Und es kann jemand nicht Bäcker werden, wenn er nicht um 4 Uhr in der Früh anfangen kann.

Über all das müssen Sie sich einmal den Kopf zerbrechen, dann können wir hier weiterreden.

Der Entschließungsantrag, sehr geehrte Damen und Herren, in dem die Bundesregierung ersucht wird, unter Beiziehung der Sozialpartner und Experten im Rahmen einer Arbeitsgruppe die Weiterentwicklung des österreichischen Sozialversicherungssystems mit dem Ziel einer breiten und fairen Einbeziehung aller Erwerbseinkommen und einer einheitlichen Sozialversicherung bis Ende 1997 zu erarbeiten, wäre selbstverständlich in Ordnung, wenn das alles nicht eine Inzucht wäre, eine Inzucht derer, die bisher nichts weitergebracht haben.


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Treten Sie zurück, geben Sie die Regierung auf, schreiben Sie Neuwahlen aus! – Wir übernehmen gerne die Regierung. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als vorläufig letzte Rednerin ist jetzt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. (Ruf bei der SPÖ: Sozialsprecherin!)

18.26

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Entschließungsantrag, den Frau Kollegin Hostasch eingebracht hat, ist – und ich brauche nicht Sozialsprecherin zu sein, um das festzustellen – hinten und vorne ein Pfusch. (Beifall bei den Grünen.) Das erkennt man mit freiem Auge, ganz egal, welche Sprecherin man ist.

Uns ist es ja nur recht, wenn die betroffenen Personen die versprochenen Pensionen auch wirklich bekommen. Aber wenn Sie hier – was natürlich legitim ist – die Chance ergreifen, wenn man schon das ASVG bei der Hand hat, gleich auch einen Abänderungsantrag einzubringen, der die Stahlpensionisten betrifft, muß ich sagen: Das hätten Sie sich auch ein bißchen früher überlegen können, und das hätten Sie auch eleganter lösen können! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Druck ist natürlich groß, nachdem der Auftakt für Ihren EU-Wahlkampf beinahe ins Wasser gefallen wäre – und das nicht nur aufgrund des schlechten Wetters damals, sondern vor allem aufgrund der angekündigten Protestaktionen eben gerade jener Stahlpensionisten, die sich da betrogen gefühlt haben um Ihr Versprechen, das Sie einmal abgegeben haben. Und da Sie natürlich nicht wollen, daß Ihr Wahlergebnis in dieser Region ganz in den Keller sinkt, ergreifen Sie nun diese Chance. Okay, aber eine Horuck- und eine Pfuschaktion bleibt es allemal, auch wenn es der Sache dient und gerecht ist. Dem Antrag werden wir aber zustimmen.

Ich fände es sehr gut, bei dieser Gelegenheit wieder einmal darauf hinzuweisen, daß Sie ja vielleicht mehr Verbündete hier im Haus, bei den anderen Fraktionen hätten, wenn solche Dinge nicht die letzte Rednerin in der letzten Minute vor der Abstimmung einbrächte, sondern wenn Sie vielleicht vorher schon ankündigen würden, daß Sie dies oder jenes vorhaben.

Das Pikante daran ist ja, daß das offenbar ein Koalitionsgeschäft ist. Auf der einen Seite bekommt die SPÖ das, was sie braucht und was sie will, nämlich daß das Wahlversprechen gegenüber den Stahlpensionisten erfüllt wird, und auf der anderen Seite scheint das Abtauschgeschäft für die ÖVP das zu sein, daß bei diesen Werkvertragsregelungen der Lehrlingsfonds wieder gestrichen wird und damit offensichtlich jenen entgegengekommen wird, die – vermutlich bei der ÖVP, denn es ist ja ihre Klientel – wahrscheinlich gejammert haben wegen dieses Fonds.

Die Frage ist nur, ob Sie damit der Zielrichtung gerecht werden. Denn jetzt anstelle des Lehrlingsfonds zu sagen: 1,5 Prozent der Versicherungsbeiträge, das ist eine wirklich schwache Sache, kann ich Ihnen nur sagen. Das zeigt, wie wenig ernst Sie die Situation nehmen, und dies gerade angesichts der neuesten Meldungen über die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen, denen es nicht möglich ist, Lehrstellen zu finden. Diese Meldungen bestätigen, daß das ein sehr, sehr dringendes Problem ist. Sie aber gehen her und beseitigen den einzigen guten Ansatz in diesem ganzen Pfuschwerk der Werkvertragsregelung, nämlich die Schaffung eines Lehrlingsfonds. Eigentlich waren wir schon gespannt auf die geeigneten Maßnahmen, die Sie setzen wollen. Ich weiß nicht, ob es für oder gegen Ihre Politik spricht, diesen Fonds wieder zu streichen, auf jeden Fall aber spricht es nicht für die Anliegen der Jugendlichen, die auf der Straße stehen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist bestürzend, daß Sie eine so wichtige Materie wie die Jugendarbeitslosigkeit so wenig ernst nehmen und – so husch, pfusch – diesen Fonds, den Sie hier vorgehabt haben, wieder streichen und das alles in der letzten Wortmeldung kurz vor einer Abstimmung bekanntgeben.


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Wir werden diesem Abänderungsantrag jedenfalls nicht zustimmen, dem Antrag betreffend die Stahlpensionisten aber sehr wohl.

Es bleibt bei den Koalitionsparteien aber sicher der Eindruck zurück, daß sie hier in einer Art und Weise vorgegangen sind in der ganzen Materie – das haben viele Rednerinnen und Redner vor mir schon gesagt, man kann es nur noch einmal unterstreichen –, in der Materie Werkverträge, die ihren Regierungsstil auszeichnet, nämlich sehr, sehr schlampig und sehr, sehr unüberlegt. (Beifall bei den Grünen.)

18.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin verzichtet offensichtlich auf ein Schlußwort.

Wir kommen jetzt zu einer Reihe von Abstimmungen, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 325 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Zusatzantrag vorgelegt.

Die Abgeordneten Hostasch, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Abänderungs- sowie einen Zusatzantrag eingebracht.

Darüber hinaus haben die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungs- sowie einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile in numerischer Reihenfolge und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Hostasch, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel l Z 9, 14 und 17 § 566 Abs. 1 Z 1 eingebracht, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Abänderungsantrag ist mit Mehrheit angenommen worden.

Die Abgeordneten Hostasch, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer Z 12a in Artikel I zum Inhalt hat.

Wer für diesen Zusatzantrag ist, möge dies durch ein entsprechendes Zeichen kundtun. – Der Zusatzantrag ist mit Mehrheit angenommen worden.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Z 14a in Artikel I zum Inhalt hat.

Jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Zusatzantrag ist somit abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf Artikel I bezieht und die Einfügung neuer Z 14b und 16b zum Inhalt hat.

Wer für diesen Zusatzantrag ist, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Auch dieser Zusatzantrag hat keine Mehrheit gefunden, er ist abgelehnt.


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Die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen haben die Einfügung einer Z 15a in Artikel I beantragt.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Bejahung geben. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen worden.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 17 § 566 Abs. 1 Z 2 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Artikel I Z 17 § 566 Abs. 1 Z 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Gesetzesteil ist mit Mehrheit angenommen worden.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer Z 3 in Artikel I § 566 Abs. 1 zum Inhalt hat.

Wer für diesen Zusatzantrag ist, möge ein Zeichen der Bejahung geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Zusatzantrag ist abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer Z 3 in Artikel I § 566 Abs. 1 eingebracht.

Jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag sind, bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Zusatzantrag ist mit Mehrheit angenommen worden.

Die Abgeordneten Hostasch, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel II Z 2, Artikel III Z 1 und Artikel IV Z 1 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, möge ein Zeichen der Bejahung geben. – Dieser Abänderungsantrag ist mit Mehrheit angenommen worden.

Ferner haben die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer Z 2a in Artikel II, einer Z 1a in Artikel III und von Z 3 und 4 in Artikel VI bezieht.

Jene Damen und Herren, die dafür sind, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Zusatzantrag ist mehrheitlich angenommen worden.

Weiters haben die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel II Z 3 und Artikel III Z 2 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Abänderungsantrag ist mehrheitlich angenommen worden.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hostasch, Dr. Feurstein und Genossen betreffend Weiterentwicklung der Sozialversicherung.


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Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Entschließungsantrag ist mit Mehrheit angenommen worden. (E 24.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 326 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen geben. – Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen worden.

Nun stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 327 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen geben. – Dieser Bericht ist mit Mehrheit angenommen worden.

Und schließlich stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 328 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen worden.

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (318 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung geändert werden (329 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (89 der Beilagen): Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung; Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers (330 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (201 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnungen (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit geändert wird (331 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zu den Punkten 5 bis 7 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatte in einem durchgeführt wird. Es sind dies Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlagen

(318 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung geändert werden (329 der Beilagen),

(89 der Beilagen): Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung; Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers (330 der Beilagen) und

(201 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnungen (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit geändert wird (331 der Beilagen).

Berichterstatterin zu Punkt 5 ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Auf die mündliche Berichterstattung wird verzichtet. Das gilt für alle drei Punkte.


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Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Nürnberger zu Wort gemeldet. – Ich erteile es ihm.

18.40

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz einige Bemerkungen zur Novelle des Arbeitsverfassungsgesetzes und zu dessen wichtigstem Punkt, die Einführung Europäischer Betriebsräte, machen.

Seit den frühen siebziger Jahren diskutieren die Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Euro-Betriebsräte und konnten sich erst 1994 auf eine gemeinsame Richtlinie einigen. Jetzt – wieder zwei Jahre später – tritt sie in Kraft und wird von einzelnen Ländern ins nationale Recht umgesetzt. Belgien, Finnland, Schweden, Irland, Deutschland und Dänemark haben das schon erledigt, und heute sind wir aufgerufen, diese gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immerhin werden rund 30 österreichische Großbetriebe und an die 200 Niederlassungen ausländischer Unternehmungen davon betroffen sein. Die langen, teilweise zähen Verhandlungen zeigen sehr gut, wie weit wir tatsächlich noch von einem sozialen Europa, von einem gemeinsamen Europa der Arbeitnehmer entfernt sind, wie schleppend die Verwirklichung vorangeht. Trotzdem ist gerade diese Richtlinie 94/45 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates ein weiterer kleiner Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt, der nicht zuletzt in Zeiten zunehmender Globalisierung und grenzüberschreitender Multis dringend notwendig war.

Bestes Beispiel hiefür ist sicherlich Semperit-Traiskirchen. Was hier vor sich geht, wie verantwortungslos die deutsche Konzernleitung trotz Rekordgewinnen und Megadividenden mit Arbeitsplätzen umgeht, wie brutal sie die einzelnen Standorte gegeneinander ausspielt, zeigt sehr gut, daß es dafür nur eine Gegenstrategie gibt: die internationale Zusammenarbeit der Arbeitnehmer.

Gefordert sind da in erster Linie natürlich die Betriebsräte. Sie müssen lernen, nicht nur an ihren eigenen Standort zu denken. Sie müssen erkennen, daß sie Teil eines größeren europäischen Ganzen sind, wo es nichts hilft, den Kopf einzuziehen und froh darüber zu sein, daß es einen nicht erwischt hat, sondern den anderen, denn morgen schon könnte man selbst an der Reihe sein. Notwendig ist da sicher eine neue Kultur zur Zusammenarbeit, und zwar sowohl zwischen den Betriebsräten untereinander als auch zwischen Sozialpartnern auf Konzernebene.

Bei Conti scheinen die Betriebsräte das schon begriffen zu haben. Das Europaforum der Betriebsräte hat bei seiner jüngsten Europatagung eine Resolution beschlossen, in der die Betriebsräte aus ganz Europa den Vorstand vor dem hohen Risiko bei Auslandsaktivitäten warnen. Sie drücken dabei ihre Sorge über die Unternehmenspolitik aus, die darauf ausgerichtet ist, zu Lasten der meisten europäischen Standorte weltweit in Ländern mit niedrigen Lohnkosten zu produzieren.

Genau das ist es, wozu Euro-Betriebsräte da sind: solidarische Vorgangsweise im Sinne aller europäischen Arbeitnehmer. Trotzdem ist festzuhalten, daß die vorliegende EU-Richtlinie bei weitem noch nicht genügt und daß vieles noch vor uns liegt, wollen wir das europäische Sozial- und Gesellschaftsmodell mit all seinen sozialen Grundwerten tatsächlich verwirklichen und so einen humanen Ausgleich zum Binnenmarktmodell schaffen.

Zweifellos ist das Anhörungs- und Informationsrecht für Arbeitnehmer als wichtiger sozialpolitischer Fortschritt und als Erfolg der europäischen Gewerkschaftsbewegung zu werten, die in den letzten Jahren großen Druck gemacht hat. Die logische Konsequenz kann aber nur sein, daß Europäischen Betriebsräten auch Mitbestimmungsrechte zugestanden werden. Gerade bei langfristigen strategischen Konzernentscheidungen ist das besonders wichtig.


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Daß Euro-Betriebsräte durchaus akzeptiert werden, beweist die große Zahl der schon jetzt freiwilligen Vereinbarungen. In Frankreich beispielsweise hat bereits jedes fünfte den EU-Richtlinien unterliegende Unternehmen ein derartiges Forum, einen derartigen Betriebsrat installiert. Europaweit sollen es nach Schätzung der EU heute über 200 Konzerne, davon alleine in der Metallindustrie über 100 sein. Das ist ein Sechstel aller in Frage kommenden Unternehmungen. Insgesamt werden in naher Zukunft 12 Millionen Arbeitnehmer von Euro-Betriebsräten profitieren. An den Betriebsräten und ihren Gewerkschaften wird es liegen, in Zukunft europaweit zum Wohle der Arbeitnehmer tätig zu sein. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol .)

18.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

18.44

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute – nach einer ziemlich langen Diskussion – einen Schritt in ein Neuland, in ein Neuland, das eine Antwort auf eine Herausforderung darstellt. Die Herausforderung besteht darin, daß im Laufe der vergangenen Jahre, ja sogar Jahrzehnte sich immer mehr Unternehmen zusammengeschlossen haben, immer mehr Fusionen stattgefunden haben, für die Grenzen keine Barrieren dargestellt haben, immer mehr Unternehmungen von anderen Unternehmungen, die in anderen Ländern beheimatet sind, übernommen worden sind, Joint-ventures eingegangen worden sind. Das heißt, wir haben es im Bereich des Wirtschaftslebens, im Bereich des Finanzlebens mit länderübergreifenden Strukturen zu tun.

Die Frage war nun: Wie können wir auf diese Entwicklung, die im Wirtschafts- und Finanzleben Selbstverständlichkeit geworden ist, eine Antwort finden, damit diejenigen, die als Arbeitnehmer von solchen Entscheidungen länderübergreifender Unternehmungen oder Unternehmensstrukturen betroffen sind, nicht unter die Räder geraten? – Das war die Frage, die der Ausgangspunkt war, um dieser Herausforderung begegnen zu können.

Wir wissen – mein Vorredner hat es auch betont –, daß nun Jahre darüber diskutiert worden ist, und gerade wir in Österreich können ja auf eine Tradition zurückblicken, nämlich eine Tradition, wonach in diesen vergangenen Jahrzehnten jeweils von einem Partner im Bereich des Arbeits- und des Wirtschaftslebens versucht worden ist, sich auch in den anderen Partner hineinzudenken. Und das, was als Sozialpartnerschaft oder Wirtschaftspartnerschaft – je nach dem, von welcher Seite es betrachtet wird – bezeichnet worden ist, ist etwas, was diese Interessen jeweils berücksichtigt hat.

Was wir heute beschließen und was eben eine Richtlinie der Europäischen Union ist, ist die europäische Antwort auf diese Herausforderung. Wir wissen, daß es erst ein Schritt ist, daß es eine Etappe einer Entwicklung ist, allerdings glaube ich, daß eine Europäisierung von Wirtschafts- und Finanzentscheidungen nur mit einer Europäisierung der Mitgestaltung auch der Arbeitnehmer einhergehen kann, ansonsten ist das, was wir als sozialpartnerschaftliches Zusammengehen, als Miteinander-Reden, als Erfolgreich-miteinander-Verhandeln bezeichnen, auf der größeren Ebene, auf der europäischen Ebene nicht vorhanden.

Ich bin überzeugt davon, daß mit diesem heutigen Beschluß tatsächlich dieses Ziel erreicht werden kann, Europäische Betriebsräte in diesen größeren, länderübergreifenden Unternehmen einzurichten oder als Alternative wenigstens diese Anhörung, diese Information der Arbeitnehmer sicherzustellen. Zweifellos wissen wir, womit die bessere Lösung gegeben ist, da die Anhörung allein natürlich nicht jenes Ausmaß an Mitgestaltung ermöglicht, welche das Ziel eines partnerschaftlichen Zusammenwirkens darstellt.

Wir müssen wissen, daß in Österreich rund 30 solche größeren Unternehmungen betroffen sind, nämlich jene, die insgesamt mehr als 1 000 Arbeitnehmer umfassen, wobei in zwei Mitgliedstaaten davon mindestens über 150 Arbeitnehmer vorhanden sein müssen. Ich glaube, damit wird ein Modell beschlossen, das einen sinnvollen Weg darstellt, positive partnerschaftliche Lösungen auch auf der europäischen Ebene zu finden.


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In diesem Sinne sagen wir von der Volkspartei – und ich glaube, es sagen das auch all jene, die sich zu einem partnerschaftlichen Modell des Wirtschafts- und Soziallebens bekennen – aus vollem Herzen ja und hoffen, daß aus diesen neuen Regelungen auch ein positives Zusammenstehen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern und ihren Vertretern entstehen wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten angegeben. (Abg. Leikam: Also kurz halten!)

18.50

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch die Globalisierung der Wirtschaft ist es sicherlich notwendig, bei den Konzernen die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates umzusetzen, um eine gewisse Anhörung, eine gewisse Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung sicherzustellen. Ich glaube aber, daß es vor allem notwendig sein wird, ein gewisses Umdenken der Manager zu bewirken, die an den Schalthebeln der Wirtschaft stehen, um ihnen klarzumachen, daß von ihnen und ihren Familien nicht nur die Infrastruktur – Verkehrswege, Bildungseinrichtungen, soziale Einrichtungen – in den hochentwickelten europäischen Ländern beansprucht werden kann, während in Billiglohnländern mit Kinderarbeit und mit billigsten Löhnen produziert wird. Wie lange das im Endeffekt gehen kann, ist nur eine Frage der Zeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zu dieser Regierungsvorlage gewisse Kritikpunkte anzubringen, und zwar was den Kollektivvertrag überhaupt betrifft. In einer Passage, nämlich in Punkt 2 des Artikels I § 21 Abs. 1 lautet der erste Satz: "Die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung ist im ‚Amtsblatt zur Wiener Zeitung’ kundzumachen."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das bedeutet eine Beschränkung auf eine Erklärung im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung". Es ist nicht mehr notwendig, die komplette Änderung der Kollektivverträge kundzutun, nicht mehr den gesamten Inhalt, sondern nur mehr diese Änderung.

Wenn man weiß, wie das bei den Kollektivverträgen ist, wie man überhaupt zu einem Kollektivvertrag kommt, so wundert mich das schon, denn einen Kollektivvertrag für Arbeitnehmer bekommt jemand nur als Gewerkschaftsmitglied der betreffenden Branche, der Dienstgeber erhält diesen von seiner Interessenvertretung, also von der Wirtschaftskammer kostenlos, und jetzt wird das durch eine Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes statt der Veröffentlichung der Satzung im vollen Wortlaut auf eine Erklärung im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" beschränkt.

Für mich ist das ganz einfach unverständlich, meine Damen und Herren, denn damit würde den von einer derartigen Erweiterung des Wirkungsbereiches eines Kollektivvertrages betroffenen Arbeitnehmern der Zugang zum Text des Kollektivvertrages deutlich erschwert werden.

Ich fordere daher alle Kolleginnen und Kollegen auf, dahin gehend zu arbeiten, daß jeder Arbeitnehmer von seiner gesetzlichen Interessenvertretung, sprich der Arbeiterkammer, den ihn betreffenden Kollektivvertrag auf Anforderung kostenlos erhält, weiters sollten Kollektivverträge öffentlich publiziert werden, wie es auch bei einem Gesetz üblich ist, um die Zugänglichkeit und die Transparenz von Kollektivverträgen auch für branchenfremde Interessierte gegen Entgelt zu ermöglichen. In Zeiten, in denen über flexible Arbeitszeiten diskutiert wird, wäre eine diesbezügliche Zugänglichkeit nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig, damit Arbeitssuchende, die die Branche wechseln wollen, auch die Möglichkeit haben, sich über den für sie zutreffenden Kollektivvertrag zu informieren.

Frau Kollegin Hostasch! Für Sie als Vorsitzende der Bundesarbeitskammer wäre das als Anregung zu sehen. Die freiheitlichen Arbeitnehmer werden bei der Vollversammlung der Arbeiterkammer sicherlich einen diesbezüglichen Antrag einbringen. Überlegen Sie sich das,


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was ich jetzt in bezug auf die Flexibilisierung und die Zugänglichkeit der Kollektivverträge gesagt habe. Es wäre den unselbständig Erwerbstätigen nur dienlich.

Ich bringe dazu nun folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Sigisbert Dolinschek, Josef Meisinger, Edith Haller und Elfriede Madl zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung geändert werden (318 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (329 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Artikel I Z 2 lautet:

"2. § 15 lautet:

‚Ausfolgung von Kollektivverträgen

§ 15. Die zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vom Abschluß eines Kollektivvertrages binnen drei Tagen nach dem Tage der Kundmachung (§ 14 Abs. 3) zu verständigen und ihnen den Kollektivvertrag auf Anfrage kostenlos zu übermitteln. Gegen Kostenersatz sind Kollektivverträge auch an nicht betroffene Personen auszufolgen.‘"

2. In Artikel I Z 16 wird in § 208 Abs. 7 "21 Abs. 1 erster Satz" durch "15" ersetzt.

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Stimmen Sie diesem Abänderungsantrag der Freiheitlichen zu! Er dient der Transparenz und der Zugänglichkeit der Kollektivverträge. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist geschäftsordnungsmäßig unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.56

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im wesentlichen sind die fachlichen Aspekte der vorliegenden Materie, insbesondere des Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung, vereinfacht auch Post-Betriebsverfassungsgesetz, geändert werden, schon vielfach vorgetragen worden, und es hat ja auch eine Diskussion im Ausschuß dazu stattgefunden.

Anmerken möchte ich schon, daß die makabre Situation auf uns zukommt, daß wir im Rahmen der Europäischen Betriebsräte erleben werden, daß das Demokratiedefizit, das es in Österreich gibt, jetzt besonders sichtbar werden wird, denn wir werden es im Rahmen dieser Betriebsratskonstruktion erleben, daß wir in den entsprechenden international übergreifenden Unternehmen auf Betriebsräte stoßen werden, die auch dann, wenn sie nicht jeweils Bürger des jeweiligen Landes waren, passiv wahlberechtigt waren, wohingegen die Betriebsräte, die aus der öster


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reichischen Szene kommen, nicht dieses Element tragen werden. Wir werden also einmal mehr auf europäischer Ebene manifest vorgehalten bekommen, daß wir geringere demokratische Standards haben.

Das ist vielleicht anzumerken – bei allen positiven Aspekten, die in diesem Gesetz enthalten sind.

Etwas ist mir besonders wichtig, und das möchte ich hier ganz deutlich herausarbeiten und festhalten: Wir novellieren hier drei Gesetze. Wir novellieren das Arbeitsverfassungsgesetz – so weit, so gut –, wir novellieren das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz – in Ordnung –, und wir novellieren das Post-Betriebsverfassungsgesetz. Jetzt ist vielleicht doch interessant, daß wir uns in Erinnerung rufen, daß dieses Post-Betriebsverfassungsgesetz im BGBl. Nr. 326/1996 veröffentlicht wurde. Das heißt: Ein Gesetz, das wir gerade erst geschaffen haben, novellieren wir bereits wieder. Man könnte nun sagen, das kann vorkommen, denn es handelt sich hier um eine internationale Harmonisierung, und davon ist eben auch ein Gesetz mehr betroffen, mag es auch ein junges Gesetz sein.

Aber – und das sei bitte den Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von den Regierungsparteien, ins Stammbuch geschrieben – dieses Post-Betriebsverfassungsgesetz ist ein an und für sich als solches überflüssiges Gesetz. (Beifall der Abg. Meisinger und Öllinger .) Es wurde nämlich geschaffen, um im Rahmen der ausgegliederten Post letztlich die Regelungen des Arbeitsverfassungsgesetzes anwenden zu können. Das war der komplizierteste Weg, den man wählen konnte. Es wurde auch weitläufig aus dem Arbeitsverfassungsgesetz abgeschrieben – mit dem Ergebnis, daß wir im Bereich der ausgegliederten Post jetzt einen neuen Dienstnehmerbegriff geschaffen haben und daß wir in allen Novellen, die wir in Zukunft werden machen müssen, im Gesetzestitel ständig um ein Gesetz mehr werden stehen haben.

Es bestand im Ausschuß darüber völlige Einigung, und auch der Herr Bundesminister für Soziales konnte das nachvollziehen, daß das ein Problem ist, aber das Post-Betriebsverfassungsgesetz stammte aus der Feder des – verkürzt gesagt – Verkehrsministers und wurde seinerzeit hier einfach als Regierungsvorlage vorgelegt. Und anstatt daß man jetzt wenigstens diese Gelegenheit benützt hätte, diese beiden Gesetze zu fusionieren, werden wir in den nächsten Jahren das Arbeitsverfassungsgesetz und das Post-Betriebsverfassungsgesetz, die – ich möchte es noch einmal sagen – annähernd wortidentisch sind, immer in einer Parallelaktion novellieren müssen.

Das ist ein ganz klassischer Fall eines Gesetzes, das man abschaffen könnte, ohne seinen Regelungsinhalt zu berühren, indem man eben diesen einen Absatz mehr in das Arbeitsverfassungsgesetz hineinschreibt. Es wäre dies ein Beitrag, die Gesetzesflut zurückzudämmen.

Dies wäre – das verstehe ich schon – aus der Sicht der Regierungsparteien ein Schönheitsfehler, da sie ein Gesetz abschaffen müßten, das sie gerade erst beschlossen haben. Unter "Entrümpelung" versteht man ja eher das Bereinigen eines veralteten Rechtsbestandes. Hier ist jedoch der Regelungsbereich gar nicht veraltet, sondern diese Materie ist nur in einer völlig falschen und überflüssigen Form abgewickelt worden.

Es war mir ein Bedürfnis, die Gelegenheit zu nützen, das im Rahmen dieser Debatte zu sagen. Und jedesmal, wenn wieder solch eine Parallelaktion ins Haus stehen wird und wir einen längeren Titel im Gesetz haben, wo eben neben dem Arbeitsverfassungsgesetz auch das Post-Betriebsverfassungsgesetz stehen wird, werde ich dies erwähnen, und zwar so lange, bis diese beiden Gesetze fusioniert sind. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. ) Richtig. Und ich meine eben, da wäre eine Fusion von Gesetzen angesagt, aber ich fürchte, das wird an der Bürokratie der Häuser scheitern – vielleicht weniger am Willen der Regierungsmitglieder als an der Tatsache, daß die einzelnen legistischen Abteilungen der betroffenen Häuser ihre eigene Notwendigkeit nicht beweisen können, wenn sie keine eigenen Gesetzentwürfe produzieren. In diesem Fall war jetzt hier Gelegenheit, darauf hinzuweisen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.01


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Stenographisches Protokoll
40. Sitzung / Seite 125

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde Ihnen jetzt, zu dieser Stunde, ersparen, daß ich Ihnen die Leidensgeschichte der Bildung der Europäischen Betriebsräte, die Chronologie der Ereignisse erzähle, Ihnen erzähle, wie viele Jahre es gedauert hat, bis nach langem Bitten und Betteln – anders kann man es nicht bezeichnen – die Bildung von Europäischen Betriebsräten doch endlich durchgesetzt werden konnte. Aber um welchen Preis? Den Preis gibt es schon noch: Die Europäischen Betriebsräte haben Anhörungs- und Informationsrechte, Kollege Koppler. (Abg. Koppler: Erster Schritt! – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.) Ein erster Schritt, sagst du. Du weißt aber, daß das für lange Zeit der letzte Schritt ist. (Abg. Koppler: Ich hoffe es nicht!) Wir werden wieder Jahrzehnte warten, bis wir über dieses Stadium hinauskommen. Du weißt, was es heißt, nur Anhörungs- und Informationsrechte zu erhalten, die noch dazu relativ ungenau definiert sind.

Ich denke, es ist trotzdem ein erster Schritt, ein sehr, sehr bescheidener Schritt. Aber das, was mich an diesem ersten kleinen, bescheidenen Schritt ärgert, ist, daß er durch diese Erbsünde, die wir mit dem passiven Wahlrecht hineintragen, wirklich unattraktiv wird. Es ist ja schon fast erbärmlich, daß folgende Situation auf europäischer Ebene möglich ist: Für einen Konzern, der zum Beispiel aus deutschen und österreichischen Zweigbetrieben besteht, kann von deutscher Seite her ein österreichischer Betriebsrat teilnehmen – und solch österreichische Betriebsräte gibt es etliche in Deutschland –, weil er dort das passive Wahlrecht hat, aber von österreichischer Seite her darf kein türkischer Betriebsrat teilnehmen. Von deutscher Seite her darf nicht nur ein Österreicher teilnehmen, sondern auch ein Türke, von österreichischer Seite her darf zwar ein Deutscher teilnehmen, wenn es einen gäbe, aber ein Türke darf nicht teilnehmen. – Das ist erbärmlich.

Es muß klipp und klar gesagt werden, daß es nicht geht, daß wir jetzt, wenn wir sozusagen die große Europäische-Betriebsräte-Frage zumindest in einem ersten Schritt zu regeln versuchen, wieder das kleinkarierte Europa zeichnen, das nur aus den 15 Mitgliedstaaten bestehen darf und in dem die Bürger, die außerhalb dieses Europas der EU liegen, nichts mitzureden haben – zumindest nicht in dem Sinn, daß sie selbst kandidieren dürfen. – Das ist – um es noch einmal zu sagen – wirklich erbärmlich und tut dem Gesetz auf Dauer nicht gut.

Es könnte irgend jemand, der etliche internationale Verträge auch außerhalb der EU unterschrieben hat, auf die Idee kommen und tatsächlich einmal fragen, ob dieses Gesetz in dieser Hinsicht legitimiert ist und ob wir die internationalen Verträge wirklich so einhalten, wie dies in dieser Frage notwendig wäre.

Ich brauche ja kein Geheimnis zu verraten; jeder weiß, daß wir sie nicht einhalten. Die Klagslegitimation bei völkerrechtlichen Verträgen ist das Problem. Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß, daß Österreich in dieser Frage seine internationalen Verträge verletzt, aber klagen könnten nur Kollege Koppler, sprich: der ÖGB – das bist du nicht, ich weiß es schon –, die Arbeiterkammer oder eine andere Interessenvertretung. Nachdem diese es nicht tun, weil sie es ja selbst für richtig befinden oder zumindest für nicht ganz so falsch, wird auch nichts weiter geschehen. – Das ist zu diesem Kapitel Europäische Betriebsräte und zu der wirklich erbärmlichen Regelung in bezug auf das passive Wahlrecht zu sagen.

Das, was Kollege Kier in bezug auf das Post-Betriebsverfassungsgesetz gesagt hat, möchte ich noch einmal unterstreichen, weil mich die Ankündigung unseres Herrn Ministers in der Ausschußsitzung nicht sehr beruhigt hat, nämlich daß es langfristig zur Abschaffung des Post-Betriebsverfassungsgesetzes und zu seiner Eingliederung in das Arbeitsverfassungsgesetz kommen werde. Diese langfristige Erlösung, die er uns angekündigt hat, empfinde ich eher als Bedrohung. Ich würde ihn doch sehr bitten, diese langfristige Orientierung – gerade angesichts der Amtszeit von Ministern und der Amtszeit, die wir hier im Haus haben – doch in eine kurz


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40. Sitzung / Seite 126

fristige umzuwandeln, sodaß wir uns zumindest in dieser Legislaturperiode noch daran erinnern können, daß wir einmal ein Gesetz beschlossen haben, das wir eigentlich nicht hätten beschließen sollen, weil es wesentlich einfacher im Arbeitsverfassungsgesetz geregelt ist. Wenn es in dieser Legislaturperiode noch einen entsprechenden Entwurf gibt, vielleicht schaffen wir es dann auch, Einigkeit in dieser Frage herzustellen. Unsere Bereitschaft dazu besteht jedenfalls. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.06


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Stenographisches Protokoll
40. Sitzung / Seite 127

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Koppler. Freiwillige Redezeit: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Aumayr: Das Rednerpult ist ein wenig hoch oben! – Abg. Koppler: So wie für dich!)

19.07

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich, bevor ich meine Ausführungen zum Europäischen Betriebsrat tätige, noch ganz kurz auf den ersten Punkt unserer heutigen Tagesordnung zu sprechen komme, und zwar auf die Problematik der Stahlpensionisten.

Ich möchte hier namens der Stahlpensionisten allen, die mitgeholfen haben, die Problematik der Stahlpensionisten zu regeln, herzlich danken. Vor allem möchte ich dem Herrn Bundesminister und seinen Beamten sehr herzlich dafür danken, daß wir doch zu einer Lösung gekommen sind. Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle zum Arbeitsverfassungsgesetz wird, wie ich meine, ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Arbeitsrechtes gesetzt. Angesichts der Konzentration der Wirtschaft in großen Wirtschaftsräumen gewinnt die grenzüberschreitende Mitbestimmung an Bedeutung. Gerade die aktuelle Situation bei Semperit – sie wurde heute schon angesprochen – zeigt deutlich, wie wichtig zeitgemäße Information und die Einbindung der Betriebsräte gewesen wäre.

Die Bedeutung der Mitbestimmung wird aber auch in vielen täglichen Diskussionen und Auseinandersetzungen sehr deutlich. Der zuletzt von den Metallarbeitern und der Gewerkschaft für Privatangestellte erzielte Lohn- und Gehaltsabschluß hat viele zu – wie ich meine – völlig unerklärlichen Äußerungen hinreißen lassen, zu ständigen Drohungen, durch Lohn- und Gehaltserhöhungen würden Arbeitsplätze in Billigstaaten ausgelagert werden. Damit wird meiner Meinung nach auf schamlose Weise Einkommens- und Sozialdumping auf dem Rücken der Arbeitnehmer betrieben.

Diese Tendenz, meine sehr verehrten Damen und Herren, unterstreicht die Notwendigkeit, daß in globalen Wirtschaftsräumen übergreifende Mitbestimmung gewährleistet wird. Der Europäische Betriebsrat erhält insbesondere Informations- und Beratungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Auch ich bin der Meinung des Herrn Abgeordneten Öllinger, daß dies ein erster Schritt ist, und hoffe, daß hinsichtlich dieser Problematik etwas weitergeht. Wir können uns nicht zufriedengeben mit den vorhandenen Gegebenheiten, nämlich: Informationspflicht der Unternehmer bei Auslagerungen, Spaltung der Unternehmen, Schließung von Betriebsteilen und Fusionierungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heißt, durch den Europäischen Betriebsrat können wirtschaftliche Interessen des jeweiligen Landes zum Thema gemacht werden, damit können in kritischen Situationen auch Arbeitsplätze erhalten werden.

Inwieweit die gesetzliche Bestimmung des Arbeitsverfassungsgesetzes den Anforderungen entsprechen wird, wird sich zeigen. Mit dieser Regelung, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird ein erster und – wie ich meine, und wie schon ausgeführt wurde – richtiger Schritt gesetzt, der meine und unsere volle Zustimmung findet. – Ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Madl. Es wird gewünscht, die Redezeit auf 5 Minuten zu beschränken. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.11

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Koppler ist jetzt schon entschwunden. – Ah, da sitzt er ja eh! (Abg. Koppler: Ich habe zwei Brillen mit. Darf ich Ihnen eine geben?)

Die Steuerpensionisten werden Ihnen erst dann herzlich danken, wenn Sie Gesetzen zustimmen, die sie nicht monatelang verunsichern (Abg. Koppler: Mir geht es nicht um Stimmen, mir geht es darum, den Menschen zu helfen!) , die nicht zu ihrem Nachteil sind.

Sie verfolgen in letzter Minute eine bestimmte Strategie. Das heutige Abstimmungsvorhaben war ja wirklich signifikant für die Lage, in der Sie sich befinden. Zuerst beschließen Sie Gesetze – und dann bringen Sie zig Abänderungs- und Zusatzanträge ein. (Abg. Dr. Feurstein: Sie auch!) Die Steuerpensionisten werden Ihnen erst dann dankbar sein, wenn Sie solche Sachen nicht einfach mitbeschließen – überhaupt Sie als sogenannter Arbeitnehmervertreter. Diese Ihre Strategie, sich jetzt sozusagen als Retter der Nation darzustellen, die ist sehr tief, und die werden Ihnen die Steuerpensionisten nicht danken, die werden Ihnen das auch gar nicht glauben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Ja, das ist ja klar! Es gehen ja auch immer weniger Arbeitnehmer zu Betriebsratswahlen. (Abg. Koppler: 99 Prozent Beteiligung!)

Ich komme jetzt auf die Regierungsvorlage zu sprechen, aber das habe ich sagen müssen, denn: Sich hier als Retter der Nation herzustellen und ein Dankeschön zu erwarten für einen Pfusch, der zum Himmel schreit, das ist ja wirklich das Größte, was Sie sich diesbezüglich leisten können! (Abg. Koppler: Das ist sicher groß!) Das sehen Sie hoffentlich selber auch ein.

Ich stelle fest, daß diese Regierungsvorlage zur Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes wieder ein Gesetz ist, das wir nachvollziehen müssen, da wir verpflichtet sind, diese Richtlinien nach dem EU-Recht umzusetzen. Ich stelle das hier nur fest, weil wir Freiheitlichen in den letzten Jahren, seit wir der EU beigetreten sind, ja schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht haben, daß wir eigentlich hier im Parlament zum Großteil nur mehr eine Vollzugsorganisation der EU-Richtlinien sind. Aber das wurde ja immer bestritten. Heute behandeln wir wieder eine solche Richtlinie, die wir nachvollziehen müssen. Das stelle ich somit ausdrücklich fest.

Zweitens: Österreich war wieder einmal säumig. Diese Regierungsvorlage hätte ja schon per 22. September 1996 in Kraft treten müssen. Jetzt haben wir schon Oktober, und heute behandeln wir es erst im Parlament. Bis es dann schließlich verordnet ist, dauert es wieder einen Monat. Wir sind also säumig. – Das stelle ich auch fest.

Ich gehe nun näher auf den § 179 Abs. 1 ein, der die Entsendung der Mitglieder zum besonderen Verhandlungskomitee regeln soll. Wir haben eine gesonderte Abstimmung diesen Paragraphen betreffend beantragt, weil es einfach nicht einzusehen ist, daß die zu diesem besonderen Verhandlungskomitee zu entsendenden österreichischen Mitglieder Mitglieder des Betriebsrates, aber auch Funktionäre der Interessenvertretung oder auch deren Arbeitnehmer sein können. Wir Freiheitlichen stehen auf dem Standpunkt, daß sowohl beim Europäischen Betriebsrat als auch beim besonderen Verhandlungskomitee wirklich nur demokratisch gewählte Betriebsräte der zu entsendenden Mitglieder dort ein Stimmrecht, ein Verhandlungsrecht haben, um dort ihre Rechte für ihren Betrieb zu vertreten beziehungsweise kundzutun.

Ich sehe es absolut nicht ein, daß ein Betriebsrat, der von den Mitgliedern und von der Arbeitnehmerschaft gewählt worden ist, der aus irgendwelchen Gründen zurückgezogen wird, von einem Funktionär oder einem Arbeitnehmer der Arbeiterkammer, des Gewerkschaftsbundes oder einer anderen Interessenvertretung vertreten werden soll, der dann an seiner Stelle diese Leute vertreten soll.


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Das finden wir undemokratisch, und darum haben wir eine gesonderte Abstimmung beantragt. Ich hoffe, Sie sehen das ein, auch wenn Sie ständig betonen, welch guter Arbeitnehmervertreter Sie sind und welch hohe Ergebnisse Sie bei den Betriebsratswahlen erzielt haben. Setzen Sie sich dafür ein, daß diese Betriebsräte nun auch in den Verhandlungskomitees, auch in den besonderen Verhandlungskomitees, unterkommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster gelangt Herr Abgeordneter Helmut Peter zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.16

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! – Der Bundesminister ist nicht da. – Hohes Haus! (Abg. Koppler: Da ist er doch!) – Ich sehe ihn nicht.

Ich möchte zum Punkt der Internationalen Arbeitskonferenz über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers Stellung nehmen. Ich glaube, daß es ein sinnvolles Übereinkommen ist, und wir Liberale werden dem auch zustimmen. Ich frage mich nur, warum wir in Österreich diese sinnvolle Rahmengesetzgebung mit unserem Insolvenz-Entgeltausgleichsfonds übererfüllen müssen, was wir uns offensichtlich nicht leisten können.

Herr Bundesminister Hums hat am 27. Juni 1995 eine Anfrage des Herrn Abgeordneten Öllinger beantwortet. Die Frage lautete: Wie war der Schuldenstand jeweils zu Jahresende? – Antwort: 1992: 1,1 Milliarden, 1993: 3,5 Milliarden, 1994: 5,2 Milliarden, 1996: 6 Milliarden, vielleicht sogar 7 Milliarden Schilling. – Herr Bundesminister, werden wir das so weiterbetreiben?

Herr Abgeordneter Öllinger hat Sie dann auch gefragt: Wie prognostizieren Sie die finanzielle Situation des Insolvenz-Entgeltausgleichsfonds für die Folgejahre? Sie, Herr Bundesminister Hums, haben geantwortet – nicht nur mir, sondern auch dem Herrn Abgeordneten Öllinger, ja dem Hohen Haus –: Zu dieser Frage kann keine fundierte Aussage abgegeben werden. – Das heißt, Sie versprechen soziale Leistungen, die Sie nicht finanzieren können. Das beunruhigt offensichtlich niemanden.

Es geht dann weiter. Frage: Wie viele Personen, deren Forderungen durch den Ausfallfonds befriedigt wurden, waren danach im selben Betrieb, im Nachfolgebetrieb beschäftigt? Darauf haben Sie ganz lapidar geantwortet: Eine derartige Erfassung erfolgt nicht.

Herr Bundesminister Hums! Wissen Sie nicht, was sich abspielt? Wissen Sie, daß Mitarbeiter von ihrem Recht auf vorzeitigen Austritt bei Insolvenz des Unternehmens Gebrauch machen, alle ihre sozialen Rechte auf Kosten dieses Fonds lukrieren, um anschließend dort wieder eingestellt zu werden – siehe Hallein Papier? Das interessiert Sie nicht, das wissen Sie nicht, das erheben Sie nicht.

Herr Bundesminister! Professor Lehner vom Wifo hat Ihnen bereits vor einem Jahr gesagt, daß diese Art der Gestaltung des Fonds – der übrigens auch zu den Maastricht-Kriterien zählt –, nämlich ein Defizit von 6 bis 7 Milliarden Schilling, eine echte Gefährdung darstellt. Sie haben darauf gemeint, so hoch seien die Schulden des Fonds auch wieder nicht, daß sie im Hinblick auf das Budgetdefizit wirklich ins Gewicht fallen würden – das ist ein wörtliches Zitat von Ihnen.

Professor Lehner hat Ihnen gesagt, daß Sie dort auch einen Arbeitnehmerbeitrag einheben werden müssen, wenn Sie bei der Konstruktion bleiben, die ich persönlich prinzipiell für falsch halte. Wir Liberale haben Ihnen im Jahre 1995 – wenn Sie schon bei der Konstruktion bleiben wollen – vorgeschlagen, daß Sie die Auszahlungsmodalitäten ändern, und daß Sie zum Beispiel Auszahlungen prinzipiell bis maximal zur Höchstbemessungsgrundlage vornehmen.

Worum geht es denn, wenn eine Firma pleite ist? – Es geht doch darum, die größten Härten von den Arbeitnehmern abzuwenden. Darum geht es doch, denn Sie finanzieren über 0,7 Prozent der Bruttolohnsumme, also über die Lohnnebenkosten. Damit steigern Sie die Arbeitskosten, und wenn Sie die Arbeitskosten steigern, schmälern Sie die Beschäftigung. Das ist doch mittlerweile schon oft diskutiert worden, und trotzdem haben Sie 6 Milliarden Schulden, Herr


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Bundesminister Hums. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Hums. ) Doch, Sie haben sie, denn Sie sind dafür verantwortlich. Ich nehme an, daß Sie als Regierungsmitglied für die Gebarung dieses Fonds, solange er in staatlicher Hand ist, verantwortlich sind.

Sie werden, wenn Sie wirklich die sozialen Härten abfedern müssen, die Auszahlung mit der Höchstbemessungsgrundlage begrenzen müssen. Daß die Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen ihre vollen Ansprüche bekommen, ist ja selbstverständlich. Diesen Leuten müssen Sie wirklich helfen.

Darüber hinaus werden Sie sich eine Deckelung einfallen lassen müssen, die ähnlich wie beim Entgeltfortzahlungsfonds der Arbeiter im Krankheitsfalle funktioniert, wo die Unternehmer ja auch nur 70 Prozent der Beiträge bekommen, obwohl sie 2,3 Prozent der Bruttolohnsumme einzahlen.

Das alles ist ein Gebäude, das Sie gebaut haben, das Ihnen offensichtlich entgleitet. Beiträge, Beiträge, Beiträge – mehr fällt Ihnen dazu nicht ein. Jetzt sind wir bei 0,7 Prozent – darf es ein bißchen mehr sein? Wie wär’s mit 1 Prozent? Wenn es dann noch immer nicht reicht, steigern Sie auf 1,2 Prozent. Das ist doch der Punkt. Stellen Sie sich doch dieser Frage!

Der Chef des KSV hat wörtlich gesagt, der IAG-Fonds ist eine öffentliche Einrichtung und wie alle vom Staat kontrollierten Geldquellen wird er schamlos ausgenützt. Ich meine, wir sollten doch den Mut haben und den Schritt tun, diesen Fonds privat verwalten zu lassen. Noch gescheiter wäre es, den Unternehmen eine Versicherungspflicht aufzuerlegen, wo es – je nach Bonität des Unternehmens – eine private Versicherungspolizze mit Kontrahierungszwang gibt; solche Modelle gibt es im Versicherungswesen. Dieses Risiko, daß Mitarbeiter im Falle der Insolvenz des Unternehmens ihre Gehälter nicht bekommen, könnte man somit über private Versicherungen abdecken – teurer als Ihr Fonds kann das nicht sein.

Herr Bundesminister Hums! Diese Debatte bietet Gelegenheit, Sie darauf hinzuweisen, daß Sie ein Problem haben, an dem Sie sich nicht vorbeischwindeln können. 6 Milliarden Schilling Schulden sind wahrlich genug für diesen Fonds. Wer die Insolvenzstatistik des heurigen Jahres prüft und wer den Mißbrauch, der mit diesem Fonds betrieben wird, sieht, kann nur eines sagen: Herr Bundesminister, Sie haben Handlungsbedarf! Reformieren Sie diesen Fonds, legen Sie dem Parlament Vorschläge vor, wie Sie sowohl die Schulden abbauen als auch den Mißbrauch verhindern und wie Sie die überzogenen Auszahlungen eindämmen, um wieder einen ordnungsgemäßen Rechtszustand herzustellen. (Beifall des Abg. Dr. Kier. )

19.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. Sie hat das Wort.

19.22

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen Herrn Bundesminister Hums und seinem Team, aber auch allen anderen, die mitgeholfen haben, daß die Verschlechterungen für die Stahlpensionisten nicht zum Tragen kommen, herzlich danken (Beifall bei der SPÖ), wenn es auch der Frau Abgeordneten Madl nicht paßt, was ich ja verstehe. Wenn man nämlich nichts dazu beiträgt, kann man sich auch darüber ärgern, wenn es für andere einen Erfolg gibt.

Ich möchte nur kurz zum Europabetriebsrat Stellung nehmen, da ja Herr Abgeordneter Koppler schon sehr ausführlich darüber berichtet hat. Ich möchte als Betriebsratsvorsitzende in der Textil- und Lederbranche ein paar zusätzliche Punkte aufzeigen.

Erstens: Die Wichtigkeit dieser Funktion sehe ich darin, daß für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig mehr Informationen zur Verfügung stehen.

Zweitens: Es bringt auch den Vorteil, daß wir Aussagen der örtlichen Geschäftsleitung nicht mehr unkontrolliert hinnehmen müssen. Durch den Europabetriebsrat werden Arbeitnehmerin


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40. Sitzung / Seite 130

nen und Arbeitnehmer künftig über die Gesamtsituation des Konzerns in Kenntnis gesetzt. Wir hoffen, daß durch die besseren Informationsmöglichkeiten Mißstände in der Arbeitswelt früher aufgezeigt und eher beseitigt werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke da zum Beispiel an Mißstände in manchen Ländern, wo durch die Konkurrenz in unseren Branchen mit Hilfe von Kinderarbeit billigst produziert wird. Diese Mißstände müssen durch gemeinsames Vorgehen abgestellt werden.

Es werden zum Beispiel auch Standortverlagerungen, die ja nicht von heute auf morgen entschieden werden, früher vorhersehbar sein. Vor allem aber können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, und deshalb ist es für mich wichtig, daß ein Europabetriebsrat geschaffen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe auch noch folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (330 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (89 der Beilagen): Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung; Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Anträge des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Bericht 330 der Beilagen werden wie folgt abgeändert:

1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung (89 der Beilagen) wird genehmigt.

2. Die Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers wird zur Kenntnis genommen.

3. Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

*****

Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben referierte Abänderungsantrag ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Meisinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.26

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wenn sich schon die Abgeordneten Koppler und Bauer in solch ehrfürchtiger Weise vor dem Bundesminister verneigen und sich für die großzügige Unterstützung der Stahlarbeiter bedanken, dann muß ich euch schon einmal ganz ehrlich sagen: Ihr wart diejenigen, die mit der Betriebsleitung so viele Tausende in den Notstand getrieben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Mit 50 Jahren wurden Arbeitnehmer aus den Betrieben abgeschoben. So schaut die Realität aus! Sich da herzustellen und den scheinheiligen Arbeitnehmervertreter zu spielen, das ist ja doch die Höhe. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )


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Herr Abgeordneter Öllinger hat heute schon die treffenden Worte gefunden: Das ist beschämend für ehemalige sozialistische Arbeitervertreter. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihr könnt nur voller Andacht an eure Vorgänger aus euren Reihen zurückdenken, die vor 50 Jahren Arbeiterinteressen vertreten haben. Davon seid ihr meilenweit entfernt. Daher werden euch auch die Arbeiter reihenweise davonlaufen. Wir sehen es beim ÖGB, wir sehen es bei Ihrer Parteimitgliedschaft, welch katastrophaler Zustand in Ihren Reihen herrscht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Und noch etwas: Welch starken Druck haben Sie auf die Arbeitnehmer ausgeübt! (Heiterkeit des Abg. Koppler. ) Nicht lachen! Die Arbeitnehmer biegen sich förmlich – aber nicht vor Lachen, sondern unter dem Druck, wie er von den sozialistischen Betriebsräten ausgeübt wird. So schaut die Realität in der Stahlindustrie aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber jetzt zu den Regierungsvorlagen 318 und 329, Arbeitsverfassungsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz. Es heißt hier: Kommt ein Wahlausschuß den in Abs. 1 und 2 genannten Verpflichtungen nicht oder nur unzureichend nach, so kann er vom für die Bestellung zuständigen Personalvertretungsorgan enthoben werden.

Das heißt konkret: Gewählte Betriebsräte, die in diesem Ausschuß sind, können, wenn sie den ÖGB-Funktionären oder den Arbeiterkammerfunktionären nicht gefügig sind, von ihrem Amt enthoben werden. Gewählte Betriebsräte können von Funktionären enthoben werden! Meine Herrschaften! Das hat für mich stark marxistische Züge, wie sie in weiten Bereichen Europas der Vergangenheit angehören, während sie bei uns unter dem Deckmantel der EU wiedereingeführt werden. Auf solche Einführungen braucht ihr nicht stolz zu sein! Das sind vielmehr Rückschritte, die zeigen, daß der Mensch beziehungsweise der Arbeitnehmer sehr wenig zählt.

Wenn Abgeordneter Kier von dieser Stelle aus vom Selbstzweck und von der Politik für eigene Leute gesprochen hat, dann hat er vollkommen recht. Im Zuge dieses Schlamassels der Werkverträge wird reine Versorgungspolitik für abgetakelte sozialistische Politiker, Betriebsräte und Funktionäre der ÖBB und der Post betrieben.

Das ist das eigentliche Problem, das diese Regierung und diese Personalvertreter hinterlassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich einen Punkt weitergehe und unter § 53 lese, daß die Vertrauenspersonen im Fall der Verhinderung vertreten werden können, dann möchte ich darauf eingehen, daß zum Beispiel bei den ÖBB jeder zehnte Vertrauensmann freigestellt ist und auch ein Büro zur Verfügung hat. Jene ÖBBler, die arbeiten würden, werden reihenweise eingespart. Solche, die bei den ÖBB nur auf der Gehaltsliste stehen, behält man. So werden Sie die ÖBB sicher nicht auf die Gewinnerstraße bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei der Post ist es ähnlich. Es wurde ein Post-Betriebsverfassungsgesetz beschlossen, das im Grunde genommen für die Bediensteten nichts anderes ist als das Arbeitsverfassungsgesetz, aber die doppelte Zahl an freigestellten Personalvertretern vorsieht – das unter dem Vorwand der Aktion "Fairness", die vor einem Jahr vom ÖGB so großspurig angekündigt wurde. 27 Jahre sozialistisch dominierte Regierungspolitik war nicht in der Lage, eine Zusammenführung der Arbeiter und Angestellten und in weiterer Folge der Bediensteten bei den Verkehrsbetrieben zu ermöglichen. Eure Politik ist gescheitert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Koppler, du kannst leicht lachen, denn du brauchst dich dem Konkurrenzkampf nicht zu stellen. Du bist einer jener, die fette Bezüge kassieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die freiwillige Redezeit wäre beendet, aber Sie können am Wort bleiben.

Abgeordneter Josef Meisinger (fortsetzend) : Ich danke dir, Abgeordneter Koppler (Abg. Koppler: Glaubst du, was du da redest?) , für den Dienst, den du den Freiheitlichen erweist,


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40. Sitzung / Seite 132

denn du treibst die Wähler, die Arbeitnehmer scharenweise in unsere Reihen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Abgeordneter Öllinger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Ich mache auf die Geschäftsordnung aufmerksam. Neue Redezeit: 2 Minuten.

19.32

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Abgeordneter Meisinger hat im Rahmen seiner Wortmeldung behauptet, daß ich im Zusammenhang mit den Betriebspensionen für VOEST-Pensionisten von einer beschämenden Regelung gesprochen hätte. Diese Behauptung ist unrichtig. Ich habe nicht im Zusammenhang mit der Regelung für die Stahl-Pensionisten von einer beschämenden Regelung gesprochen, sondern im Zusammenhang mit der Regelung bei den europäischen Betriebsräten, wo nach wie vor ausländische Arbeitnehmer vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen bleiben. (Abg. Koppler: Das versteht er ja nicht, der Meisinger!)

19.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung geändert werden, samt Titel und Eingang in 329 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen des Abgeordneten Dolinschek auf getrennte Abstimmung vor.

Außerdem haben die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Abänderungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und sodann über die restlichen Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Ziffern 2 und 16 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Artikel I Ziffern 2 und 16 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Abgeordneter Dolinschek hat, wie soeben erwähnt, ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich Artikel I Ziffer 14 § 179 Absatz 1 und § 207 gestellt.

Ich trage diesem Verlangen auf getrennte Abstimmung Rechnung und ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich für diese Bestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Auch hier bitte ich jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist einstimmig so beschlossen.


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40. Sitzung / Seite 133

Damit ist die zweite Lesung beendet. Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen wollen, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung einstimmig angenommen wurde.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen, dem Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung in 89 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Beschluß des Nationalrates dazu ist einstimmig.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen, die Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers in 89 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Antrages stimmen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich lasse abstimmen über den Antrag, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist gleichfalls einstimmig beschlossen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnung (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit geändert wird, samt Titel und Eingang in 201 der Beilagen.

Auch hier darf ich jene Damen und Herren, die für diese Vorlage stimmen wollen, um ein Zeichen ersuchen. – Ich stelle fest, daß dies in zweiter Lesung einstimmig angenommen ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Damit haben wir diesen Teil der Tagesordnung erledigt.

8. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Berufsbildungsbericht 1995 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-11/67 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 161/A (E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend umfassende Attraktivierung der Lehre (332 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 8 und 9 der heutigen Tagesordnung. Es sind dies Berichte des Wirtschaftsausschusses über den Berufsbildungsbericht 1995 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten in III-11 der Beilagen und


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des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 161/A (E) der Abgeordneten Dolinschek und Genossen betreffend umfassende Attraktivierung der Lehre in 332 der Beilagen.

Die Debatte wird unter einem durchgeführt.

Ein Verlangen nach Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Wir gehen damit unmittelbar in die Debatte ein.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dolinschek vor. Ich erteile ihm das Wort.

19.38

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit 1945 werden in Österreich im Rahmen der dualen Berufsausbildung Lehrlinge ausgebildet. Dieses duale Berufsausbildungssystem, das sich hauptsächlich auf Österreich und auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt, ist auch von anderen Ländern immer wieder als vorbildhaft bezeichnet worden, aber im großen und ganzen sind jetzt doch Abnützungserscheinungen bemerkbar.

Herr Kollege Puttinger! Die jüngsten Statistiken belegen die seit Jahren katastrophale Entwicklung im Bereich der Lehre. Es müßte auch dir bekannt sein, daß die Lehrlingszahlen von seinerzeit 48 Prozent auf knapp 42 Prozent, also drastisch zurückgegangen sind. (Abg. Dr. Khol: Drastisch ist etwas anderes!) Selbstverständlich ist das drastisch, Herr Klubobmann Khol, wenn ein Rückgang von 6 Prozent festzustellen ist. Oder sind Ihnen die aktuellen Zahlen vielleicht nicht geläufig? (Abg. Dr. Khol: Die sind mir sehr geläufig!)

Es scheint nicht so zu sein, denn sonst würden Sie da Handlungsbedarf sehen. Sie als Klubobmann einer der Regierungsfraktionen dieses Hohen Hauses müßten in diesem Falle schon längst gehandelt haben, aber anscheinend ist Ihnen die Entwicklung auf dem Lehrlingssektor völlig egal.

Die Zahl der offenen Lehrstellen ist ebenfalls stark zurückgegangen. Herr Dr. Khol! Wie Sie wahrscheinlich beobachtet haben, ist die Jugendarbeitslosigkeit bei uns heute noch relativ gering – sie liegt bei ungefähr 5,5 Prozent –, während sie im europäischen Durchschnitt bei etwas über 20 Prozent liegt. Hier liegen wir also noch relativ gut. (Abg. Dr. Khol: Wir sind die Besten!) Aber wenn die Zahl der offenen Lehrstellen weiterhin so zurückgeht und auch die Zahl der Lehrlinge zurückgeht, kann ich nur sagen: Gute Nacht, Österreich! Dann kommen wir schön langsam zu einer Jugendarbeitslosigkeit, die sich dem europäischen Durchschnitt nähert. (Abg. Dr. Khol: Wenn die Katze eine Henne wäre, würde sie Eier legen – so ähnlich ist Ihr Argument!) Ja, aber die Katze ist eben keine Henne. Das, was Sie jetzt in die Waagschale werfen, Herr Dr. Khol, ist überhaupt kein Argument, sondern das ist ein großer Blödsinn. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja warum regen Sie sich denn so auf, liebe Kollegen von der Österreichischen Volkspartei? Wieso handeln Sie denn nicht? Wenn es 5 000 offene Lehrstellen weniger gibt als Lehrstellensuchende, dann ist das, so meine ich, einfach eine Katastrophe! (Rufe bei der ÖVP: Das sind nur die Zahlen vom Arbeitsamt!)

Worauf ist das zurückzuführen, meine Damen und Herren? – Ganz einfach auf die Tatsache, daß in Österreich die Lehre nicht mehr attraktiv genug ist. Der Lehrberuf ist nicht attraktiv genug. (Rufe bei der ÖVP: Keine Ahnung!) Entgegen langjährigen Versprechungen der Bundesregierung und von Ihrer Seite ist für die Lehrlinge und für die Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, einfach nichts getan worden, sondern die Lehre ist immer uninteressanter geworden. Eine Verbesserung der Lehrlingssituation ist angesichts der Äußerungen von Ihrer Seite auch in Zukunft nicht zu erwarten.

Die Arbeitnehmervertretung tritt für die Anliegen der Lehrlinge auch nicht mehr merklich ein. Die Arbeitgebervertretung, vor allem die Bundeswirtschaftskammer, tritt sogar für das Einfrieren der Lehrlingsentschädigung ein, was angesichts der gewerkschaftlichen Überlegungen im Hinblick


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auf eine Nullohnrunde ja gar nicht mehr so unrealistisch ist. Die Bundesregierung wiederum, in der Sie ebenfalls verankert sind, belastet die Betriebe durch die Ausweitung der Kommunalsteuer auf die Lehrlingsentschädigung und steigert dadurch allgemein die Lohnnebenkosten, belastet die Leistungslöhne und nimmt offenbar das langsame Sterben der Lehrlingsbetriebe und des Lehrlings überhaupt reaktionslos hin.

Die Arbeitssituation verändert sich ganz einfach. Vor 20 Jahren war es anders als heute. Heute gibt es den Trend zur Dienstleistung, zur Reparaturtätigkeit, zur Überwachung von Maschinen und so weiter. Die Lehrlingsausbildung kostet den österreichischen Staat ein Zehntel der Ausbildung in mittleren und höheren Schulen. Ein Lehrling ist dem österreichischen Staat ungefähr 6 000 S bis 8 000 S wert, ein AHS-Schüler zirka 60 000 S.

Die Lehrlinge sind heute für diese Betriebe ganz einfach zu teuer. Die Abgaben sind einfach zu hoch, die Vorschriften zu restriktiv. Das Jugendbeschäftigungsgesetz haben wir erst vor kurzem behandelt. Sie in Ihrer Engstirnigkeit haben unseren Antrag abgelehnt.

Es ist nicht mehr möglich, Lehrlinge auszubilden. Jemand kann nicht Maler lernen, wenn er auf kein Gerüst steigen darf. Es wird keiner aufgenommen. Ein Bäckerlehrling kann den Bäckerberuf nur erlernen, wenn er um 4 Uhr in der Früh aufsteht, und der Kellnerlehrling kann ebenfalls diesen Beruf nur ergreifen, wenn er am Abend länger aufbleibt. Kein Jugendlicher wird eine solche Lehre anfangen, wenn er weiß, daß er nicht immer dann, wenn es notwendig ist, eingesetzt werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird oft darüber diskutiert, die Schulzeit des Lehrlings zu verlängern. Das wäre kein Problem, wenn der Lehrling wie der Schüler bei den Eltern mitversichert wäre und für die Schulzeit keine Lehrlingsentschädigung erhalten würde. Nur für jene Tätigkeit, die er in einem Betrieb während seiner Lehrlingsausbildung verrichtet, sollte der Lehrling eine Lehrlingsentschädigung bekommen. Diese müßte ebenfalls etwas attraktiver gestaltet werden.

Wir haben heute Lehrlingswerkstätten, wir haben Fachschulen. Im Rahmen der Lehrlingswerkstätte gibt es eine Berufsschule und einen Praxisunterricht am selben Standort. Die Lehrlingsentschädigung geht meist für die Internatskosten auf.

In den Fachschulen, wo die Unterrichtsdauer 40 Stunden pro Woche beträgt, wird der Unterricht zirka 50 : 50 in Praxisunterricht und Theorieunterricht aufgeteilt. Da gibt es keine Lehrlingsentschädigung. Diese Schüler sind bei den Eltern mitversichert. Wieso ist dies nicht auch bei Lehrlingen möglich?

Die Lehrlingswerkstätten in den privaten Betrieben müßten gefördert werden. Es sollten keine Fonds errichtet werden, wie es die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion vorhaben, sondern eine Förderung sollte über steuerliche Erleichterungen erfolgen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es müßte ganz einfach dazu kommen, daß die Lehre attraktiver wird. Ich fordere hier folgende Maßnahmen: eine gesetzliche Festlegung einer jährlichen Mindeststeigerung der Lehrlingsentschädigung im Ausmaß der sonstigen kollektivvertraglichen Lohnerhöhung im jeweiligen Wirtschaftszweig, also eine Mindestlehrlingsentschädigung. Herr Kollege Feurstein meinte im Ausschuß, die Kollektivvertragspartner würden dabei übergangen, in die Kollektivvertragshoheit dürfe man nicht eingreifen. Ich meine, wenn die Sozialpartner nichts mehr weiterbringen – die bringen heute sowieso nichts mehr weiter –, dann muß man eben andere Regelungen treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiters fordere ich ein vom Bund finanziertes Leistungsstipendium für überdurchschnittliche Leistungen bis zu jener Höhe der Kosten, die auch für AHS-Schüler anfallen, eine steuerliche Erleichterung für Lehrlinge ausbildende Betriebe, einen Entfall der Kommunalsteuer auf Lehrlingsentschädigung, eine frühzeitig beginnende Information aller Schüler über sämtliche Bildungs- und Berufsmöglichkeiten sowie einen Entfall der Sozialversicherungsbeiträge und die Möglichkeit einer Mitversicherung bei den Eltern, eine Neuorganisation der Lehrlingsausbildung durch eine nach Wirtschaftsbereichen getrennte konzentrierte schulische Ausbildung anstelle


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des überholten Polytechnischen Lehrganges vor der berufsspezifischen betrieblichen Lehre, eine verbesserte verpflichtende Aus- und Weiterbildung für unsere Berufsschullehrer, eine allgemeine Förderung der Lehrlingsweiterbildung im Ausland, eine Gleichstellung der Meisterprüfung mit der B-Matura im öffentlichen Dienst und natürlich den freien Zugang zu den Fachhochschulen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie bei der Lehrlingsausbildung etwas weiterbringen wollen, dann nehmen Sie unsere Vorschläge auf und stimmen Sie diesen auch zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. Freiwillige Redezeit: 10 Minuten.

19.48

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dolinschek! Ich freue mich, daß Sie einige Punkte, die Sie hier angeführt haben, dem Programm der Wirtschaftskammer Österreich entnommen haben. Dieses ist selbstverständlich für alle offen. Ich freue mich ja sehr, daß Sie einige Punkte davon übernommen haben.

Sie haben gesagt, daß die Lehrlingsausbildung nur in Deutschland und Österreich stattfindet. Da gehe ich keineswegs mit Ihnen d’accord. Da haben Sie sich noch zu wenig informiert. Die Lehrlingsausbildung gibt es in den Ländern Dänemark, Schweiz, Luxemburg, in Teilen von Italien, nämlich in Südtirol. Überall dort, wo es diese Lehrlingsausbildung gibt, sind die Arbeitslosenraten bei Jugendlichen viel geringer als in jenen Ländern, die keine duale Ausbildung haben.

Wir haben allerdings festgestellt, daß die Lehrlingszahlen zurückgehen. Das ist allerdings auch darauf zurückzuführen, daß der Andrang zu den berufsbildenden weiterführenden Schulen größer ist, was wiederum höhere Kosten für den Staat verursacht, da dort die Ausbildung nur durch die Schule und nicht durch Betriebe erfolgt.

Es gibt aber auch eine Untersuchung, warum die Lehrlingszahlen zurückgegangen sind. Die Tatsache, daß die Industrie insgesamt ein Drittel weniger Lehrlinge aufnimmt, hat sicher da oder dort mit der Globalisierung unserer Wirtschaft zu tun, auch mit einer Neustrukturierung der Arbeitsprozesse.

Zweitens gibt es Probleme. Dies ist immer wieder angeschnitten worden, Herr Kollege Dolinschek, auch Sie haben es angeschnitten. Ein Hauptgrund dafür, warum Betriebe immer weniger bereit sind, Lehrlinge auszubilden, ist das Arbeits- und Jugendbeschäftigungsrecht. Im Industrieausschuß wurde vor dem Sommer ein gemeinsamer Entschließungsantrag gestellt, worin die Bundesregierung aufgefordert wird, einzelne Maßnahmen zu überprüfen. Unter anderem wurde der Herr Sozialminister gebeten, zu überlegen, ob man nicht alle Jugendlichen gleichstellen könnte, egal, ob sie Lehrling, Schüler oder ungelernt sind. Von Bedeutung sollte nur das Alter, nämlich bis 18 Jahre, sein.

Ein 18jähriger kann einen Führerschein erwerben, er kann allerdings dann nicht auf eine Leiter hinaufsteigen, oder er kann nicht länger in einem Gastronomiebetrieb arbeiten, wenn er 19 und Lehrling ist. Da gehört einiges in dieser Richtung geändert. (Abg. Haigermoser: 10 Jahre hören wir das! Wie eine tibetanische Gebetsmühle!)

Da ich schon einige Zeit hier im Hause verbringe, weiß ich, Herr Abgeordneter Haigermoser, daß nur langsam ein Umdenken in den Köpfen einzelner, die nicht tagtäglich mit der Lehrlingsausbildung betraut sind, möglich ist, aber es muß ein Umdenken stattfinden. Langsam, so glaube ich, Herr Sozialminister, wird auch in dieser Richtung ein Umdenken in Ihren Reihen möglich, und dafür bin ich dankbar.


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Wir brauchen für eine erfolgreiche Ausbildung im dualen System – nach dem Motto "Karriere mit Lehre" – auch ein Umdenken der Eltern, daß man nämlich mit einer Lehrlingsausbildung auch Karriere machen kann. Solange die Eltern nicht davon überzeugt sind, mit einer Berufsausbildung im dualen System Erfolg zu haben, wird es schwer sein, die jungen Menschen dafür zu motivieren.

Fünf Gründe sind für ein Lehrlingssystem besonders wichtig:

Erstens: Gerade die Ausbildung im dualen System erbringt uns aus diesem System neue Unternehmer. 52 Prozent aller, die eine Lehre gemacht haben, machen sich dann selbständig. Wir brauchen junge Unternehmer, wir brauchen neue Unternehmer. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt zeigt, daß wir eine sehr gute Ausbildung haben. Das zeigen immer wieder alle internationalen Konkurrenzen, wo Österreich europaweit führend ist an Medaillen und an dem Können, das die Lehrlinge unter Beweis stellen.

Drittens hat eben, wie vorhin schon kurz erwähnt, das Ausbildungssystem dazu geführt, daß die Jugendarbeitslosigkeit in Grenzen gehalten werden konnte.

Viertens ist es ganz wichtig, daß die Ausbildungsautonomie für die Betriebe erhalten bleibt, denn die wissen wirklich, welche Fachkräfte sie brauchen und in welcher Richtung ausgebildet wird.

Fünftens ist es auch wichtig, daß sich die Kosten des dualen Ausbildungssystems, denn sie werden ja großteils von den Betrieben übernommen, im Rahmen halten.

Was wir aber weiters tun müssen, um diesen Bereich attraktiver zu machen, ist in dem Entschließungsantrag des Industrieausschusses bereits angeführt worden. Wir brauchen eine stärkere Flexibilisierung, damit wir die Möglichkeit schaffen, einem Jugendlichen durch Schaffung von Gruppenlehrberufen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen. Weiters sollten wir vielleicht auch daran denken, daß die öffentliche Hand, und zwar die einzelnen Ministerien und öffentlichen Körperschaften, sehr gerne – vielleicht auch das Parlament – ausgebildete Handwerker in den öffentlichen Dienst aufnimmt, die natürlich in der Privatwirtschaft ausgebildet worden sind.

Das kostet natürlich auch der Privatwirtschaft etwas, wenn sie Fachkräfte ausbildet und diese dann nicht mehr in ihren Betrieben zur Verfügung stehen. Ich glaube, auch darauf sollte man beim Lastenausgleich, den wir noch zu diskutieren haben, zu sprechen kommen.

In dem Ausbildungsbericht, der noch unter der Ägide von Wirtschaftsminister Ditz entstanden ist, sind auch Zukunftsaspekte enthalten, und ich glaube, auf diese Zukunftsaspekte sollten wir weiterhin aufbauen. Denn wir sprechen ja nicht nur in der Europäischen Union, sondern auch bei uns vom lebensbegleitenden Lernen, wo wir verschiedene neue Methoden finden müssen, damit das Lernen nicht nach der Schulzeit, der Ausbildungszeit beendet wird, sondern auch weitere Möglichkeiten geschaffen werden, um in andere Bereiche umsteigen zu können, Möglichkeiten, durch die eben das lebensbegleitende Lernen gewährleistet wird. Wobei aber auch darauf hingewiesen werden muß, daß lebensbegleitendes Lernen von den Menschen selbst angestrebt werden muß, die Ausbildungsangebote auch angenommen werden müssen. Denn nur wenn sie sich selbst qualifizieren, haben sie auch mehr Chancen am Arbeitsplatz, und gerade durch die Globalisierung der Wirtschaft ist das eine Herausforderung, die jeder Mensch braucht und der auch jeder Mensch nachgehen soll.

Meine Damen und Herren! Meine Kollegen, die nach mir noch zu diesem Thema sprechen werden, werden Ihnen noch sagen, daß die Lehrlingssituation in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ist, daß wir sehr wohl Bundesländer haben, wo die jungen Menschen Lehrplätze gefunden haben, und Bundesländer haben, wo das nicht in dem gewünschten Ausmaß funktioniert. Ich hoffe, daß wir die Verbesserungsvorschläge, die in dem Entschließungsantrag des Industrieausschusses enthalten sind, zeitgerecht diskutieren können, damit wir die Lehre für die jungen Menschen und auch deren Eltern noch attraktiver gestalten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.56


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Er hat das Wort.

19.56

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Ich kann Ihnen nicht widersprechen. (Beifall bei der ÖVP.) Nur, die Frage ist halt schon die ... (Abg. Schwarzenberger: Kommen Sie zu uns!) – Mein Gott, lieber Herr Schwarzenberger, diese Einladung war nicht notwendig, ihr wird auch nicht Folge geleistet werden. (Abg. Haigermoser: Was hat er denn gesagt?) Er hat mich aufgefordert, zu ihm zu kommen. Ich nehme an, er hat mich privat zu sich nach Hause eingeladen auf einen Schnaps. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. (Abg. Haigermoser: Da komm lieber zu uns! – Abg. Dr. Khol: Sie kennen das Lied von den 10 kleinen Negerlein!)

Ich schlage Ihnen vor, wir reden jetzt wieder über den Berufsausbildungsbericht.

Frau Vizepräsidentin! Ich kann Ihnen also wirklich inhaltlich nicht widersprechen, ich frage mich nur, wieso wir diese Diskussion so spät führen. Dieses Land Österreich hat ein ganz großartiges Ergebnis in der dualen Ausbildung bisher erzielt, und nicht erst seit heuer brechen die Lehrlingszahlen ein, und es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum Betriebe sich nicht mehr imstande sehen, ihrer natürlichen Verpflichtung, Lehrlinge auszubilden, nachzukommen.

Es gibt jetzt drei Denkschulen: Die einen wollen Berufsausbildungsfonds einführen, die anderen wollen steuerliche Maßnahmen haben, und die dritten wollen Direktzuschüsse für die Lehrlinge. All das sind Reparaturen an einem bestehenden System, mit dem wir offensichtlich erfolgreich in der Vergangenheit waren, aber in der Zukunft nicht das Auslangen finden werden.

Zu den Berufsausbildungsfonds: Die Industriellenvereinigung warnt uns vor einer Ausbildungssteuer und spricht von Kosten in der Höhe von 6 Milliarden Schilling für die Wirtschaft, wenn jede Ausbildungsstelle mit 4 000 S pro Monat gefördert wird. Halten wir also fest, daß diese 6 Milliarden Schilling zusätzliche Lohnnebenkosten sind. Und ich meine, niemand kann in der heutigen Zeit wirklich 6 Milliarden Schilling zusätzliche Lohnnebenkosten wollen.

Herr Bundeskanzler Vranitzky hält dazu fest, daß er bereit ist, zwei Drittel, sogar 75 Prozent dieser Kosten – so in einer Aussendung der APA vom 17. September 1996 – zu übernehmen. Halten wir auch das fest für ein wirkliches Modell zur Reform der Lehrausbildung.

Die zweiten – dazu zählt Dr. Pühringer, Landeshauptmann von Oberösterreich – glauben, mit Appellen erreichen zu können, daß mehr Lehrlinge ausgebildet werden, und bitten die Betriebe, kurzfristig zusätzliche Lehrstellen zur Verfügung zu stellen. Auch das kann es ja schließlich nicht sein. Die Streichung der Kommunalsteuer wird zwar eine Entlastung der Kosten der Lehrbetriebe bringen, aber nicht die Lösung sein.

Meine Damen und Herren! Ich schlage wirklich vor, daß wir die duale Ausbildung intensiver diskutieren, über Reparaturen am System hinausgehen und sie neu aufbauen, denn sie ist in unserem Lande wirklich unverzichtbar. Trennen wir doch die Lehrzeit von der Berufsschulzeit! Bauen wir eigene Berufsausbildungszentren auf, die nach einem Berufsausbildungsjahr, zu dem der Polytechnische Lehrgang umgestaltet werden soll, die nach diesem Polytechnischen Lehrgang eine Berufsschulzeit von drei bis sechs Monaten modulartig vorsehen.

Geben wir doch den jungen Leuten die Möglichkeit, in ihrem Durchlaufen der sekundären Bildungsstufe eine intensivere Ausbildung zu haben, in der Berufsschule selbst. Schaffen wir doch die wahre Dualität zwischen Betrieb und Lehre! Schaffen wir doch die Möglichkeit, daß Betriebe mehr Lehrlinge aufnehmen, weil sie wissen, drei oder sechs Monate im Betrieb, das macht statt einem Lehrling zwei Lehrlinge im Betrieb. Das wird aber nur dann gehen, und diesen Widerstand der Unternehmervertretungen werden wir nur dann brechen, wenn wir die Entgeltfrage trennen zwischen der betrieblichen Zeit und der Berufsschulzeit.


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Der Lehrling soll in seiner Berufsschulzeit so behandelt werden, wie er behandelt wird als Schüler in der sekundären Bildungsstufe mit allen sozialrechtlichen und ausbildungsrechtlichen Verpflichtungen. Es ist nun einmal das Thema, daß eine zunehmende Anzahl von Betrieben sagt – es gibt da Untersuchungen –, wir können uns die Lehrlingsausbildung mit diesem Kostenbild heute nicht mehr leisten. Es ist in den meisten Betrieben, in vielen zumindest, das Fett draußen. Lean-management ist angesagt. Jeder durchforstet seine Kostenstruktur. Vor allem in den Betrieben, die aufgrund einer natürlichen Fluktuation den Lehrling, den sie ausbilden, nicht als jungen Facharbeiter in ihrem Betrieb behalten, schlagen die Ausbildungskosten besonders durch.

Auf der anderen Seite steht selbstverständlich – Frau Präsidentin Tichy-Schreder sprach davon, Kollege Dolinschek auch – die Unmöglichkeit, Lehrlinge wirklich einzusetzen, weil wir eine Summe von Vorschriften gemacht haben, die möglicherweise gut gemeint waren, aber da und dort – und das ist zu überprüfen – ihre Sinnhaftigkeit verloren haben.

Meine Damen und Herren! Der wirkliche Zugang ist die volle Gleichstellung des Lehrlings im sekundären Bildungsweg, die Trennung von Berufsschulzeit und Lehrzeit im Betrieb, und zwar inhaltlich, zeitlich, entgeltlich, und vor allem die vollkommene Umgestaltung der Berufsschule. Die Berufsschule hat genügt in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren. Die duale Ausbildung war erfolgreich, gar keine Frage. Nur, sie muß weiter erfolgreich sein mit neuen Strategien.

Sprachen für alle jungen Mitarbeiter, Lehrlinge, Auszubildende, Schüler in der sekundären Bildungsstufe. Neben wirklich guten Deutschkenntnissen – es ist bedauerlich, daß ich das sagen muß, es ist keine Selbstverständlichkeit – ist Englisch die zweite Sprache, die wir in einem weltweiten Wettbewerb in der Europäischen Union brauchen.

Als dritte Grundkenntnis, meine ich, sollte jeder von uns in seinem Bundesland die Sprache lernen, die über seiner Grenze gesprochen wird. Was hindert einen Burgenländer daran, Ungarisch – zumindest die Grundkenntnisse – zu lernen, einen Oberösterreicher, etwas Tschechisch zu lernen? Nur dann werden wir die Grenzen vergessen können, nur dann wird die Erweiterung der Europäischen Union auch sprachlich ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger .) Lieber Dr. Puttinger, Sie haben Glück. Bei Ihnen fällt mir aber auch eine Sprache ein. Bei den Kärntnern fiele mir Slowenisch ein, bei den Tirolern fiele mir Italienisch ein. Wollen wir nicht dieses gemeinsame Europa? Wollen wir nicht die Osterweiterung? Dann werden wir aber auch die Sprache unserer Nachbarn zumindest in Grundkenntnissen sprechen müssen. Man sage mir also nicht, es gehe uns der Inhalt aus von dem, was wir die Lehrlinge in der Berufsschule lehren sollen. (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Lehrlingsausbildung ist eine viel zu wichtige Frage, als daß wir an dem bestehenden System nur in kleinen Reformen herumdoktern dürfen. Wir müssen eine wirklich grundsätzliche Reform einleiten, um die Betriebe wieder dazu zu bringen, daß sie mehr ihrer Verpflichtung, der Ausbildung, gerecht werden. Wir müssen uns die Motive der Betriebe anschauen, die dazu geführt haben, daß sie mit der Lehrlingsausbildung aufgehört haben.

Da gibt es drei Ebenen: Das eine sind die hausgemachten österreichischen Faktoren. Die wichtigsten: 68 Prozent sagen, daß die Regelungen im Arbeitsrecht eine Ausbildung nicht ermöglichen. 67 Prozent der Betriebe sagen, es ist die Ausbildung zu teuer geworden, und 48 Prozent sagen, die Berufsschulzeit wäre zu lang. Das sagen sie aber nur deswegen, weil in diesen Zeiten die Lehrlingsentschädigung gezahlt werden muß. Diesem Argument ist die Grundlage zu entziehen.

Moralisch gibt es aber auch noch 20 Prozent, die sagen: Wenn ich als Ausbildungsberechtigter ständig schlechtgemacht werde in der Öffentlichkeit, vergeht mir die Lust zur Ausbildung. Es sind nur 8 Prozent oder 6 Prozent der Betriebe, die strukturelle Gründe, wie zum Beispiel die Spezialisierung des Betriebes oder innerbetriebliche Umstrukturierungen dafür angeben, daß sie keine Lehrlinge mehr ausbilden. Der Großteil – zwei Drittel – der Gründe, warum Lehrlinge nicht ausgebildet werden, liegt also in unserem Gestaltungsbereich. Wir sollten ihn nutzen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.05


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Eleonora Hostasch. – Bitte.

20.05

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Berichte sind für uns Abgeordnete immer eine wichtige Grundlage, um einen Überblick über Trends zu bekommen, über die Ist-Situation, aber wir haben bei Berichten auch das Bedürfnis, aus diesen Analysen Orientierungshilfen für zukünftige politische Entscheidungen und auch für eine richtige Weiterentwicklung eines Themas zu bekommen.

Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Mir ist bewußt, daß dieser Berufsausbildungsbericht zu einem Zeitpunkt fertiggestellt wurde, wo Sie noch nicht die Verantwortung in diesem Ressort gehabt haben. Daher möchte ich die Bitte für den kommenden Berufsausbildungsbericht dahin gehend jetzt an Sie richten, daß wir im nächsten Bericht vielleicht noch mehr zukünftige Perspektiven, Lösungsansätze und Vorschläge vorfinden, wie wir die Trends, die wir erkennen und auch festhalten mit vielen Ziffern, bewältigen können, um unserer Jugend, dem Wirtschaftsstandort Österreich, der Facharbeit jenen Stellenwert beimessen zu können, den wir ganz einfach wollen.

Wenn vom Fehlen geeigneter Bewerber bei Lehrstellen gesprochen wird, wenn die Ausbildungskosten oder arbeitsrechtliche Bestimmungen als Ursachen dafür genannt werden, daß die Ausbildungsbetriebe Lehrlinge nicht im früheren Ausmaß aufnehmen, dann möchte ich schon ein bißchen kritisch anmerken, daß die Arbeitgeberseite doch sehr einseitig motiviert formuliert hat und Argumente dieser Seite am Bildungsmarkt Eingang gefunden haben.

Ich glaube, es bringt uns nicht weiter, wenn wir Lehrlingsausbildung und Lehrlinge zu reinen Kostenfaktoren machen und ständig über zuviel Englisch, Deutsch oder auch andere fachliche Gegenstände in der Berufsschule klagen, sondern ich denke, es gilt, verstärkte Kooperationen bei allen Beteiligten zustande zu bringen, auch bei den Berufsschulen.

Es gibt auch sehr gute Beispiele. Ich erwähne Wien – nicht weil in Wien in Kürze Gemeinderatswahlen stattfinden –, wo durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmerförderungsfonds, dem Arbeitsmarktservice, mit der Wirtschaft und auch der Wiener Politik, nicht zuletzt mit den Interessenvertretungen versucht wird, maßgeschneiderte Aktionen zu gestalten. Wir können da zwar auch nicht all das erreichen, was wir uns vorgenommen haben, aber doch eine Besserung der Situation zustande bringen.

Um hier Wien aus der Schußlinie zu nehmen, möchte ich auch ein Beispiel aus Vorarlberg bringen, wo seit 1979 in der Industriefachgruppe des Metall- und Elektrobereiches von allen Betrieben ein Zuschlag zur Grundumlage eingehoben wird und über diese Grundumlage auch eine Förderung, eine Ausbildungsprämie an jene Betriebe verteilt wird, die Lehrlinge ausbilden, und immerhin geht es dabei um eine Leistung von 30 000 S pro Lehrling.

Ich möchte nicht sagen, daß das ein allgemeingültiges Modell sein kann, aber es zeigt, daß man mit Ideen doch einiges bewirken kann.

Ich glaube auch, sehr geschätzte Damen und Herren, daß wir uns wirklich klar zur dualen Berufsausbildung bekennen müssen, aber nicht nur verbal, sondern auch durch nachvollziehbare Weiterentwicklung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß wir im Parlament und zuerst im Industrieausschuß einen Entschließungsantrag verabschiedet haben, der sich mit der Reform der Lehrlingsausbildung befaßt. Ich möchte die erfreulichen Maßnahmen ansprechen, die hier schon in Angriff genommen wurden, Maßnahmen zur Einführung der Berufsreife für Lehrlinge und Fachschüler im Hinblick auf den allgemeinen Hochschulzugang, aber auch Maßnahmen zur Einführung einer Berufsorientierung für alle Schüler in der Mittelstufe und nicht zuletzt auch die vereinbarte Förderung von jenen Lehrwerkstätten, die über ihren Bedarf hinaus ausbilden.


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40. Sitzung / Seite 141

Ich könnte noch ein Reizwort erwähnen, auch wenn es hier in einer neutraleren Form formuliert wird, nämlich den Finanzierungsmodus eines Lastenausgleiches zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Betrieben.

Geschätzte Damen und Herren! Wir müssen uns bewußt sein, daß wir nicht von anderen in der Form kritisiert werden dürfen, daß Papier ganz einfach geduldig ist, sondern wir müssen das Berufsausbildungssystem konkret weiterentwickeln.

Wenn jetzt zum Beispiel in Wien versucht würde, über den Stadtschulrat die Berufsschulen anzubieten, also daß für Lehrlinge, die noch keinen Lehrplatz gefunden haben, die Berufsschule als Auffangmöglichkeit besteht, so betrachte ich das als eine Übergangslösung, damit Jugendliche nicht auf der Straße stehen. Aber es kann nicht die letzte Entwicklung sein, weil diese Form nicht in unser gesamten System der dualen Berufsausbildung eingebunden ist. (Beifall des Abg. Dr. Khol. )

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn Kollege Peter von den Motiven der Betriebe für die Berufsausbildung gesprochen hat, dann möchte ich dazu sagen, auch Eltern und Jugendliche haben Motive bei der Entscheidung für die Berufsausbildung. Und auch diese sind zu berücksichtigen, wenn wir die Reform des Berufsausbildungswesens weiter vorantreiben wollen.

Ich glaube, dabei sollten wir ehrlich sein. Jeder muß über seinen eigenen Schatten springen, wenn wir Erfolg erzielen wollen, aber die Zukunft unserer Jugend muß uns das wert sein. (Beifall bei der SPÖ.)

20.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort.

20.12

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich nicht herausgekommen, um die Schwurhand für die Verteidigung des dualen Ausbildungssystems zu heben. Das duale Ausbildungssystem ist schon wichtig, aber ich will auch Taten sehen. Und wenn es wirklich so ist, wie Abgeordnete Hostasch gemeint hat, daß die Regierungsparteien jetzt die Reform der dualen Ausbildung rasch vorantreiben wollen, dann bitte ich, Kollegin Hostasch, diese wirklich schneller zu machen, als die Lehrlingsausbildung zurückgeht, sonst haben wir nichts mehr, was wir an Reform vorantreiben können.

Wenn man sich die Zahlen in diesem Bericht ansieht – wenn ich mich recht zurückerinnere, dann ist dieser heute überhaupt noch nicht diskutiert worden, und das sagt auch einiges über die Qualität dieses Berichts aus –, dann muß man ehrlich sagen, daß sie bestürzend sind. Es gibt einen Verlust von einem Viertel der Lehrlinge in der dualen Ausbildung. Ein Viertel weniger Personen sind in der dualen Ausbildung! Angesichts dessen müßte man schon hergehen und nicht nur Treueschwüre auf die duale Ausbildung ablegen und sagen: Wir sind dafür!, sondern man müßte etwas in die Tiefe gehen und auch fragen, was die Gründe dafür sind.

Ich würde es mir nicht so leichtmachen und sagen – wie das Abgeordnete Tichy-Schreder gemacht hat –, die Globalisierung sei schuld daran, daß in Österreich weniger Lehrlinge ausgebildet werden. Ich möchte gerne wissen, was die Globalisierung und der zunehmende Wettbewerb auf Weltmärkten mit der Lehrlingsausbildung zu tun haben. Wenn mir Abgeordnete Tichy-Schreder diesen unmittelbaren Zusammenhang, diesen abstrakten Zusammenhang zwischen der Globalisierung und dem Rückgang der Lehrlingsausbildung klarmachen kann, dann wären wir vielleicht schon einen Schritt weiter.

Aber was Kollegin Tichy-Schreder meint, ist natürlich klar: Globalisierung steht hier als Synonym für Kostensenkungsprogramme. Das hat dann Abgeordneter Helmut Peter sehr eindeutig gesagt: Es geht um lean production, lean management, und "lean" heißt nicht nur schlank, sondern heißt auch dürftig. Es geht um dürftiges Management und um dürftige Produktion, das ist das


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Problem. Wenn die Unternehmen tatsächlich sparen wollen und glauben, bei der Lehrlingsausbildung sparen zu müssen, dann befinden sie sich auf dem Holzweg.

Die Lehrlingsausbildung in Form der dualen Ausbildung ist derzeit das einzig bekannte System in Österreich, mit dem wir bestimmte Erfolge erzielt haben. Ich meine, es wäre an der Zeit, sich schön langsam anzuschauen – das ist sicherlich nicht eine Aufgabe, die wir dem Wirtschaftsminister anvertrauen können, weil er ressortmäßig nicht dafür zuständig ist –, welche anderen europäischen Staaten mit anderen Berufsausbildungssystemen Erfolge erzielt haben. Ich verweise beispielsweise nur auf – Herr Minister, Sie sind jetzt da zu diesem Bericht – das französische System, das sehr gut funktioniert, das eine wesentlich größere Differenzierung in der Berufsausbildung bietet, das wesentlich besser auf den europäischen Markt und dessen Anforderungen abgestimmt ist, als es derzeit das österreichische und das bundesrepublikanische System sind.

Zumindest findet in der Bundesrepublik eine ernsthafte Diskussion darüber statt. Sie sagen, wir müßten doch eigentlich etwas über unseren Tellerrand hinausblicken und uns einmal anschauen, wie das in anderen europäischen Ländern funktioniert. Es gibt Systeme wie das britische, das sehr schlecht funktioniert, keine Frage, weil dort nie etwas investiert wurde, weil dort die Betriebe nie Ausbildung betrieben haben, weil das nie etwas war, was die dortigen Betriebe interessiert hat. Aber es gibt andere Länder, die mit anderen Systemen Erfolg haben. Ich meine damit nicht, daß man jetzt unbedingt das französische System kopieren soll. Ich stehe nicht hier, um Sie aufzufordern, das französische System zu übernehmen, sondern ich meine: Schauen wir uns das an! Schauen wir uns doch an, was in anderen europäischen Ländern gemacht wird, dann würde meiner Ansicht nach die Qualität dieses Berichts – Entschuldigung, Herr Minister – anders aussehen.

Dieser Bericht, dieser Berufsbildungsbericht ist aus Zahlen und einigen dürftigen, spindeldürren Sätzen zusammengefügt. Das ist sozusagen der lean Berufsausbildungsbericht, den Sie produziert haben. Das ist mir zuwenig. Ich meine, es muß ein Mehr an Qualität auch in der Berichterstattung geben, wenn wir uns ernsthaft mit den Folgen und den Konsequenzen dieser Krise der dualen Ausbildung auseinandersetzen wollen.

Und ich meine, um darauf zurückzukommen, es geht nicht nur um Kostensenkung. Man wird auch über Kostensenkung reden müssen und reden dürfen. Es geht zum Beispiel darum: Wer bildet in Österreich aus? Und nach wie vor vermisse ich eine Debatte darüber, daß wir ordentliche Flächenberufe bekommen, daß wir moderne Berufsbilder bekommen. Ich vermisse die Debatte darüber, daß nach wie vor staatliche Institutionen – der Staat als Arbeitgeber –, aber auch staatsnahe Institutionen, wie beispielsweise der ORF, keine Ausbildung machen. Das ist kein Thema.

Wenn man über einen Berufsausbildungsfonds ernsthaft diskutiert, dann kann das eigentlich nur heißen, daß alle in den berufsausbildenden Fonds einzahlen. Eine Entschuldigung ist schnell gefunden für einen Arbeitgeber, egal, ob er ein Privater oder ein Staatlicher ist, eine Entschuldigung ist schnell gefunden, warum er nicht ausbilden kann, warum er deshalb nicht einzahlen kann und warum das verfehlt und ungerecht wäre.

Wenn wir weiterhin die Idee eines Berufsausbildungsfonds verfolgen, ernsthaft verfolgen, dann hat das nur dann einen Sinn, wenn an alle Betriebe und öffentlichen Institutionen die Aufforderung ergeht, Lehrlingsausbildung zu betreiben.

Ich sehe nicht ein, warum der Bürokaufmann als Lehrausbildung in einem Ministerium nicht möglich sein soll. Ich sehe nicht ein, warum die Ausbildung zum Medienkaufmann nicht möglich sein soll im ORF. Ich sehe nicht ein, warum es nicht einen Sozialversicherungskaufmann oder ein ähnliches Berufsbild in Sozialversicherungsinstitutionen geben soll. Und da gäbe es noch einige Beispiele mehr, die man finden könnte, mit denen man erklären könnte, warum auch staatliche Institutionen gefordert sind, ihr Gehirnschmalz oder ihr Geld zu verwenden, um Lehrausbildung zu betreiben.


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Aber noch einmal: Das kann nicht alles sein! Ich bin dafür, daß wir einen Berufsausbildungsfonds durch alle Arbeitgeber, private und öffentliche Arbeitgeber, finanzieren. Alle zahlen ein, und dann kommt unter dem Strich ein Plus für diejenigen heraus, die Ausbildung betreiben. Das würde die Kostenfrage schon etwas verändern, da kämen wir schon einen Schritt weiter.

Aber auch ein Zweites wäre notwendig: Wenn die Kosten für die Lehrausbildung auf der einen Seite schon so gering sind, wenn auf der anderen Seite die Kosten für die Verwaltungsakademien des Bundes beispielsweise deswegen sehr hoch sind, weil der Staat die Ausbildung in diesen Verwaltungsakademien nicht nur fördert, sondern auch dadurch subventioniert, daß den Leuten der Lohn, das Gehalt weiter bezahlt wird, dann muß es auch möglich sein, über eine Ausbildung auf einer anderen beruflichen Ebene und deren Finanzierung durch den Staat zu diskutieren.

Es kann nicht so sein, daß der Staat sich das Recht herausnimmt, zu sagen: Unsere Beamten bilden wir hervorragend aus, zu Superbeamten in den Verwaltungsakademien, und das soll primär die Allgemeinheit zahlen, aber die Lehrlingsausbildung ist ein Geschäft, um das wir uns nicht so gerne kümmern wollen.

Ich denke, hier wäre mehr Ehrlichkeit angebracht. Hier müßte man, wenn man die Ausbildungskosten tatsächlich ernsthaft vergleichen will – auch die Kosten für die universitäre Ausbildung spielen dabei eine Rolle –, eine Rechnung machen, die alles umfaßt und nicht nur einen Sektor gegen den anderen ausspielt. Dann würde man vermutlich ein etwas realistischeres Bild und ein etwas vorteilhafteres Bild für die Möglichkeiten der Finanzierung der Lehrlingsausbildung bekommen. Ich glaube, hier wäre einiges zu machen.

Notwendig wäre – ich habe das schon gesagt – auch die Überlegung, ob man bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen – das kommt darauf an, welche anderen Maßnahmen man in Betracht zieht – nicht beispielsweise auch als ein Kriterium im Bundesvergabegesetz verankern könnte, ob dieser Betrieb, der einen öffentlichen Auftrag erhalten soll, Lehrausbildung betreibt oder Fortbildung betreibt. Das wäre eine Möglichkeit, die man überlegen könnte, wenn man es wirklich ernst meint mit der Förderung von Lehrlingsausbildung.

Aber wir haben hier schon sehr oft darüber diskutiert, und ich höre immer die Schwüre, die duale Ausbildung muß verbessert werden, aber wenig Konkretes an Reformen. Selbstverständlich sind auch Modelle, wie sie Kollege Peter angedacht hat, denkbar. Auch hier wird über die Kosten zu reden sein. Was mir an dem Modell des Kollegen Peter nicht gefällt, ist die Idee, die möglicherweise dahintersteht, daß der Lehrling in dem halben Jahr, das er dann beim Lehrherrn bleibt, trotzdem eine sehr geringe Lehrlingsentschädigung – so wie bisher – erhält.

Das kann es nicht sein, Kollege Peter! Das kann es nicht sein, daß man sagt, ein halbes Jahr soll der Staat ausbilden und er soll dafür die Kosten übernehmen oder die Eltern sollen die Kosten für den Lehrling übernehmen oder wer auch sonst immer. Möglicherweise fördert der Staat auch mittels Subventionen, aber wir im Betrieb können dann nach wie vor nur die Lehrlingsentschädigung, die nicht überall, aber in manchen Berufen beschämend niedrig ist, bezahlen. Das kann es dann nicht sein! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .) Es ist nicht größtenteils so. Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Berufe, dort ist die Bezahlung sehr ordentlich, dort ist man sehr schnell – ich weiß es – auf dem Gehalt, das man dann später auch in der Privatwirtschaft lukrieren kann. Maurer beispielsweise ist ein sehr gutbezahlter Lehrberuf. Aber bei den Fliesenlegern und den Malern, die hart arbeiten müssen und oftmals kaum Ausbildung erleben, außer das Schleifen, ist das nicht so. Herr Kollege Haigermoser! Ich habe viel mit Lehrlingen gearbeitet, mit Lehrlingen auf dem Land, nicht in der Stadt, und da ist das Bild oft sehr deprimierend.

Man müßte einige Fragen sehr genau diskutieren. Man müßte sich andere Modelle ansehen. Man müßte diese Modelle auch hier im Hohen Haus oder in einem Bericht studieren, und man müßte mehr Experimente zulassen. Es geht schließlich darum, ob unsere Jugendlichen eine ordentliche Ausbildung erhalten. Ich halte es für durchaus denkbar, daß man diesbezüglich mit Modellschulen im Ausbildungsbereich arbeitet, daß man Modelle einer Berufsausbildung ent


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wickelt, die sich am dualen System vorbeientwickeln und sich parallel zu diesem entwickeln. Ich halte es für denkbar, daß man etwa den Weg für überlegenswert hält, den Frankreich in der beruflichen Bildung eingeschlagen hat.

Es wären noch viele Fragen zu klären, so auch die Frage, die im Berufsbildungsbericht nur ganz kurz und sehr unzureichend angedeutet ist, des lebensbegleitenden Lernens, der beruflichen Fort- und Weiterbildung.

Ich gebe Ihnen eine Anekdote zum besten, die einiges über das Verständnis von beruflicher Weiterbildung und vom Ja zum lebensbegleitenden Lernen, in dem wir uns ja gerade befinden, illustriert. Das Jahr des lebensbegleitenden Lernens wurde mit einer Eröffnungsveranstaltung eingeleitet, und ich war dabei: Es waren mehrere Sektionschefs aus verschiedenen Ministerien dabei. Einen habe ich erlebt, der hat ganz lustlos – ich weiß nicht, von welchem Ministerium er kam, ob von Ihrem oder von einem anderen – seinen Text heruntergelesen. Es war erkennbar, das Thema interessiert ihn nicht. Der zweite war ein Eröffnungsredner von der EU-Kommission, der diese Programme betreut. Und das ist die eigentliche Anekdote. Er hat deutsch gesprochen, nicht sehr gut, sondern eher schlecht, und er hat sich für sein schlechtes Deutsch entschuldigt, mit der Begründung, aufgrund der hohen Arbeitsüberlastung sei er in den letzten zehn bis 20 Jahren nicht dazugekommen, sein Deutsch aufzufrischen.

Ich finde, das illustriert das Jahr des lebensbegleitenden Lernens besser als alles andere. Viele Menschen, offensichtlich auch der Beamte, der dieses lebensbegleitende Lernen macht, sind so mit Arbeit überlastet, daß sie nicht mehr zum lebensbegleitenden Lernen kommen.

Wir müßten, wenn wir diesen Gedanken des lebensbegleitenden Lernens auch ernst nehmen, wenn wir berufliche Fort- und Weiterbildung ernst nehmen, uns endlich einmal in diesem Hause darüber unterhalten, wie wir es denn mit dem Bildungsurlaub halten. Wie halten wir es mit Modellen von Bildungsurlaub, die über die Ein-Wochen- und Zwei-Wochen-Grenze hinausgehen?

Frau Kollegin Steibl! Ich weiß, der Bildungsurlaub, den Sie meinen und den ich meine, ist ein Jahr lang oder bis zu einem Jahr lang. Er orientiert sich an bestimmten ausländischen Modellen, über die wir hier diskutieren sollten, aber nicht erst in zwei, drei oder vier Jahren oder nur, wenn wir Artikel für Zeitungen schreiben, sondern hier sollten wir einen Schritt weiterkommen.

Ich halte es für durchaus denkbar und möglich, das zu finanzieren. Ich halte es für denkbar, hier einmal einen ordentlichen Fortschritt zu machen. Ich weiß schon, es wird mit Modellen experimentiert, das halte ich aber für völlig unzureichend. Beim Bildungsurlaub müßten wir auf den Punkt kommen, daß wir sagen, wir wollen nicht nur Arbeitslose in Beschäftigung bringen, sondern auch den Beschäftigten lebensbegleitendes Lernen in einem Ausmaß ermöglichen, das sozusagen über das nächtliche Studium irgendwelcher Dokumente oder Computer beziehungsweise Kurse hinausgeht.

Es gäbe viele Beispiele, die man noch diskutieren könnte, wenn es um berufliche Bildung geht, wenn es um eine Reform der beruflichen Bildung geht, wenn es um neue Modelle geht. Wichtig ist mir, nachdem ich jetzt schon mehrmals Debatten um die berufliche Bildung, um die duale Ausbildung in diesem Hohen Hause erlebt habe, daß hier endlich etwas weitergeht.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ihren Willen, in dieser Frage der beruflichen Ausbildung etwas weiterzubringen, vermisse ich. Wenn ich mir ansehen muß, daß die Frage Berufsausbildungsfonds nach wie vor an den inneren Zwistigkeiten der Sozialpartner zu scheitern droht, dann frage ich mich: Wozu diskutieren wir hier? Da werden Resolutionen, Entschließungsanträge gefaßt, und dann erklärt Herr Maderthaner: Ich will eigentlich nicht!, obwohl er diese Entschließung gefaßt hat.

Kollegin Hostasch kommt ans Rednerpult und sagt: Ich nenne das Reizwort Berufsausbildungsfonds nicht. Ja wo sind wir denn? Wir haben hier in diesem Hohen Hause beschlossen, daß wir das durchführen wollen, und dann heißt es irgendwo aus einem Hinterkammerl einer Interessen


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organisation: Njet!, obwohl derselbe Parlamentarier, der das Njet gesprochen hat, hier in diesem Hohen Hause sitzt.

Ich denke, man muß sich das überlegen, bevor man einen Entschließungsantrag macht. Man muß sich überlegen, was man will. Und man muß vor allem den Willen demonstrieren, daß man es wirklich ernst meint mit einer Reform in der beruflichen Ausbildung.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Da sind Sie in erster Linie gefordert. Wir bringen gute Vorschläge – so denke ich doch – ein, quer durch die Oppositionsparteien, einen nach dem anderen, und Sie sagen eigentlich immer nur Njet! (Beifall bei den Grünen.)

20.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steindl. Er hat das Wort.

20.29

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Ich gebe Kollegen Öllinger nicht recht. Ich habe mir den Berufsbildungsbericht sehr genau angesehen, und er ist sehr offen und sehr kritisch und beinhaltet auch eine umfassende Statistik. Diese Statistik zeigt den derzeitigen Berufsbildungsstand auf, und man kann ihn mit einigen Sätzen zusammenfassen.

Erstens einmal: Das duale Ausbildungssystem hat sich in Österreich bewährt, und wir können auf dieses duale Ausbildungssystem stolz sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht eindeutig hervor, je praxisnäher eine Ausbildung ist, desto höher ist der Nutzen für den einzelnen Lehrling und für den Betrieb, aber auch für die Volkswirtschaft, und man braucht internationale Vergleiche nicht zu scheuen. Wenn man sich zum Beispiel die Abschlußquoten ansieht (Zwischenruf des Abg. Öllinger ) – ich habe mir den Bericht sehr genau angesehen –, stellt man fest – Herr Kollege Öllinger, blättern Sie einmal nach auf Seite 28 –, man kann sehr wohl vergleichen Frankreich, England, aber auch andere Länder. Die Abschlußquoten sind in Österreich ungleich höher.

Wir brauchen diese internationalen Vergleiche nicht zu scheuen, aber – ich gebe Ihnen recht – wir stehen halt vor Problemen. Dieser Prozeß ist nie abgeschlossen, und es tut sich eine Schere zwischen den offenen Stellen und dem Angebot auf. Es gibt sehr viele Ursachen für diesen Rückgang. Zwei sind im Bericht erwähnt; sie sind heute noch nicht angesprochen worden, nämlich die demographische Entwicklung und die Veränderung in der sozialen Bildungsnachfrage.

Schauen Sie sich die Statistik an! Es ist ein Trend nach mehr Bildung, mehr Allgemeinbildung feststellbar. Das dokumentiert sich auch in der Statistik und drückt sich auch in der Lehrlingsstatistik aus.

Ich glaube aber, daß wir nach wie vor all unsere Kräfte einsetzen sollten, um eine Bewußtseinsänderung herbeizuführen und eine Imagekampagne zu starten. Es ist eigentlich Aufgabe der Politik, Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Wenn man sich den Grund anschaut, warum immer weniger Betriebe ausbilden, so stellt man fest, es sind zweifellos auch die Kosten, die hohen Ausbildungskosten – das gebe ich gerne zu –, aber auch die gesetzlichen Regelungen.

Es gibt eine Menge an Maßnahmen, die auch in den einzelnen Bundesländern getroffen werden. Mir liegt das Ergebnis eines Lehrlingsgipfels im Burgenland vor. Da haben sich alle zusammengetan und haben für unsere – es waren nur 300 Lehrlinge – Jugendlichen, die einen Lehrplatz suchen, ein Modell entwickelt, um zusätzliche Lehrstellen zu schaffen: Betriebe erhalten monatlich bis zu 4 000 S Unterstützung im ersten Lehrjahr, weniger im zweiten und im dritten Lehrjahr. Aber immerhin könnten unter Umständen 200 Lehrlinge im Burgenland untergebracht werden. Das Geld gibt es auch aus dem Sonderprogramm der Arbeitsmarktverwaltung – dank der geschickten Verhandlung der beiden Minister. In Österreich sind das 300 Millionen Schilling. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) – Nein, das stimmt nicht.

Es gibt auch das Modell – darüber haben wir uns gestern geeinigt –, daß das Land Burgenland Lehrlinge aufnimmt, und zwar für die Zeit des ersten und zweiten Lehrganges, um die Berufs


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schule zu ermöglichen. Man versucht jetzt schon, mit privaten Betrieben Kooperationen einzugehen, zum Beispiel mit der Großküche im Krankenhaus Oberwart, für Gärtner in den Landesgärten und und und. Es gibt – das habe ich heute in der morgigen "Kurier"-Ausgabe gelesen – auch schon Überlegungen seitens des Bundes, wie man zum Beispiel verschiedene Lehrberufe zusammenfassen kann, um den Lehrlingen mehr Ausbildung zu ermöglichen.

All das sind natürlich Maßnahmen, die schön und gut sind, dennoch, so glaube ich, müssen wir als Politiker auch langfristige Perspektiven entwickeln. Ich habe schon von Imagewerbung, vom Umdenken gesprochen, und das muß in den Köpfen stattfinden und kann nicht verordnet und nicht subventioniert werden. Wir müssen die berufliche Weiterbildung in Richtung Fremdsprachen anbieten – das hat, glaube ich, Kollege Peter angesprochen; das gefällt mir ganz gut, Herr Kollege –, und zwar in der Weiterbildung und nicht in der Ausbildung, und vor allem gestützt. Man muß das unternehmerische Denken fördern, das ist ganz wichtig.

Ich habe als Bürgermeister deutsche Gesellen – diese waren schon ausgebildet – erlebt, die auf Wanderung waren. Warum geht so etwas nicht in Österreich? – Das könnte ich mir ganz gut vorstellen, da lernt man sehr viel kennen, man tourt durch Europa und organisiert das dementsprechend auch mit. Ich weiß schon: die unnötige Bürokratie! Sicherlich, da gibt es unverständliche Bestimmungen im Jugendbeschäftigungsgesetz zum Beispiel, die sehr wohl ausgeräumt gehören.

Herr Scheibner hat mich angesprochen. Die FPÖ ist ja derzeit mit Herrn Haider auf Stimmenfang, zum Beispiel in Donnerskirchen ist sie mit 1 Million Schilling auf Stimmenwerbung. Ihr habt plakatiert: "Wahltag ist Zahltag", und das Geld aufs Handerl habt ihr auch versprochen, 1 Million Schilling für die Kleinkläranlage! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Besser wäre es, wenn Herr Haider das in die Lehrlingsausbildung investieren würde und nicht dafür, in Donnerskirchen Wähler zu ködern, denn Sie werden am 13. Oktober keine zusätzlichen Wähler bekommen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Er hat das Wort.

20.36

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Auf den letzten Einwurf des Kollegen Bürgermeister möchte ich gar nicht eingehen, denn sonst müßte ich ihn im Hinblick auf seine letzten Worte fragen, ob er nicht heute schon einige Heurigenbesuche in Donnerskirchen hinter sich gebracht hat. (Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Es ist festzustellen, daß die überwiegende Mehrheit der österreichischen Lehrlinge bestens ausgebildet wird. Das, glaube ich, ist einmal feststellbar. Natürlich ist Kritik am System angebracht, aber Faktum ist – noch einmal –, hier ist ein Vorzeigesystem der Ausbildung für Europa feststellbar. Das einmal aus der Sicht der Freiheitlichen.

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hostasch sagte, Orientierungshilfen seien gefragt. Nun, was sind denn Orientierungshilfen? – Faktum ist, daß die Kooperation Berufsschule – Betriebe vorhanden ist. Sie funktioniert da besser, dort etwas weniger gut, aber grundsätzlich gibt es diese Kooperation.

Zum Fonds nur eine Kurzanmerkung: Der Ruf nach einem Fonds, das heißt, nach mehr Bürokratie, hat noch keinen einzigen Lehrlingsplatz gesichert, höchstens einen in der Bürokratie, meine Damen und Herren! Das ist, glaube ich, erwiesen. Daher ist es besser, die Betriebe zu entlasten, wiewohl ich zugebe, daß die Kostenfrage nicht die einzige ist. Aber positives Denken gehört entlastet, anstatt wiederum einen neuen Steuer- oder Abgabentopf einzuführen. – Das zum einen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frankreich, Kollege Öllinger, hat eine der höchsten Jugendarbeitslosenraten Europas. Frankreich – mit dem dortigen System, das Sie als vorzeigens- oder nachahmenswertes System in Österreich einführen wollen. Nicht mit uns, meine Damen und Herren!


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Ich meine, daß es natürlich Beispiele sonder Zahl gibt und auch Enqueten gegeben hat, nicht nur diesen Berufsbildungsbericht, den es heute zu diskutieren gilt, Enqueten, Zusammenkünfte in den Ländern, im Parlament, bei den Sozialpartnern. Da gab es eine parlamentarische Enquete über die Zukunft der Lehrlingsausbildung am 24. Februar 1993 in diesem Haus hier. Viele Dinge wurden aufgelistet, die zu erledigen gewesen wären, die konsensfähig waren. Wenn man genau nachschaut, was tatsächlich verbessert wurde, stellt man fest, es war eigentlich Null Komma Josef! Null Komma Josef, insbesondere was die Kostensituation, die Erleichterung für die Betriebe anlangt.

Ich schlage das Protokoll auf und zitiere aus dieser Enquete. Da sagt ein Experte, der Herr Referent Max Mathys aus der Schweiz vom Schweizerischen Institut für Berufspädagogik – ein weiteres Beispiel aus dem Ausland –, auf die Situation der Schweiz angesprochen: Es wird immer bemerkt, daß die Betriebe an den Lehrlingen verdienen. – Das hat man heute auch ein bisserl herausgehört: Öllinger, Hostasch und so weiter. – Durch eine Untersuchung an der Hochschule von St. Gallen wird dieses Argument klar widerlegt. Die zusätzlichen Kosten belaufen sich – je nach Intensität der Ausbildung – also unterschiedliche Berufsbilder – auf zwischen 20 000 und 70 000 Schweizer Franken jährlich. Das sind umgerechnet etwa 160 000 bis 560 000 S, was an zusätzlichen Kosten anfällt. Das heißt, daß wir uns an dieser Kostenfront treffen müssen, um zu entlasten, und nicht einen Fonds einführen sollen, der neue Belastungen für Betriebe bedeuten würde, meine Damen und Herren!

Das heißt also, wenn man in diesen Enquete-Protokollen, bei all den Berichten, die ins Haus kommen, fündig werden will, dann wären wir sehr schnell bei einer Verbesserung der derzeitigen Situation.

Meine Damen und Herren! Alles, was an Bürokratie beschlossen wird, hindert Betriebe, Lehrlinge auszubilden, sei es die Werkvertragssituation et cetera.

Was die begleitenden Maßnahmen – eine Anmerkung noch – durch die Betriebe anlangt, was die zusätzlichen Lerninitiativen anlangt, so ist es ganz interessant, in diesen Bericht hineinzuschauen. Auf Seite 64 wird festgestellt, daß für die außerschulische zusätzliche Bildung von den Betrieben 63 Prozent der Kosten freiwillig getragen werden. 63 Prozent der Kosten werden von den Betrieben trotz der hohen Kostenbelastungen freiwillig geleistet! Das muß man auch einmal anerkennen. Das soll nichts verniedlichen, das soll in keiner Weise die Frage verniedlichen, daß wir uns natürlich, was die Flächenberufe anlangt, weiterentwickeln müssen.

Wenn man sich die Lehrlingsstatistik 1995 zum Beispiel aus dem Bundesland Salzburg anschaut, dann stellt man fest, es gibt einen Lehrling für Wagenhersteller und einen für Werkzeugmaschineur. Die Frage ist also – das ist nur ein kleines Beispiel aus einer Vielzahl –, wie man Flächenberufe schafft, daß damit auch die Ausbildung verbessert werden könnte oder soll und darüber hinaus auch die Berufschancen des Lehrlings in Hinkunft verbessert oder geebnet werden können. – Ich kann mir vorstellen, daß ein Wagenherstellungslehrling im Vergleich zu anderen natürlich schlechte Berufsaussichten hat. Daher muß man über Flächenberufe reden, Herr Kollege Öllinger! Da bin ich, da sind wir bei Ihnen.

Da gibt es zweifelsohne Ansätze zur Verbesserung der Situation. Das darf aber nicht auf die lange Bank geschoben werden. Da wären jetzt die Sozialpartner am Zug, denn das steht auch unter "Zukunft der Lehrlingsausbildung" 1993, und man hat nichts umgesetzt, sondern hat die Hände in den Schoß gelegt und macht jetzt das berühmte Pingpongspiel bei den Sozialpartnern und sagt: Eigentlich ist eh alles paletti! et cetera.

Eine letzte Anmerkung, meine Damen und Herren: Ich werde nicht müde werden, die Kommunalsteuer, im Volksmund Lehrlingssteuer genannt, anzuprangern, denn diese ist sicherlich keine Offensive, was die Lehrlingsausbildung, die Verbesserung der Lehrlingsausbildung in den Betrieben anlangt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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20.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. Er hat das Wort.

20.42

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Haigermoser, hat zu seinem Vorredner, Herrn Abgeordneten Steindl, als erstes gesagt, er habe den Eindruck, daß er einige Heurigenbesuche in Donnerskirchen gemacht habe. (Abg. Haigermoser: Ich hoffe nicht, daß er einige Heurigenbesuche gemacht hat, habe ich gesagt!) Auf jeden Fall hat das so geklungen, als ob Sie ... (Abg. Haigermoser: Zitieren Sie mich nicht falsch!)

Ich sage Ihnen eines: Ich habe diese Bemerkung als sehr stillos empfunden, und ich fühle mich einfach veranlaßt (Abg. Haigermoser : Das ist mir ziemlich Wurscht, was Sie empfinden!) , ich fühle mich einfach veranlaßt, das festzustellen. Ich bin nicht der Verteidiger des Herrn Steindl, das hat er nicht notwendig. Aber ich halte das eigentlich in der Debatte, die derzeit doch auf einem sehr hohen Niveau läuft, für stillos, und ich wollte Ihnen das sagen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Abgeordneter Steindl hat davon gesprochen, daß Fremdsprachenausbildung wichtig ist, als Weiterbildung wichtig ist. Ich glaube, man kann auch im Zusammenhang mit der Lehrlingsausbildung sagen, daß Fremdsprachenausbildung auch für Lehrlinge wichtig und eine Weiterbildung ist. Ist es doch so, daß wir in der Pflichtschule mindestens eine Fremdsprache im Ausbildungskatalog haben und daher für Lehrlinge Englisch auch in der weiterführenden Entwicklung der Sprache wichtig wäre.

Herr Abgeordneter Peter vom Liberalen Forum hat gemeint, der Lehrling solle so behandelt werden wie Schüler in der Schulzeit. Er hat damit gemeint, daß die Lehrlingsentschädigung unter Umständen auch nur für die Zeit, die im Betrieb verbracht wird, gewährt werden soll. Er ist jetzt leider nicht mehr da. Ich sehe vom Liberalen Forum eigentlich überhaupt niemanden mehr – na ja, wenige. (Abg. Mag. Barmüller : Herr Abgeordneter! Sie können meine Brille haben, wenn Sie möchten!) – Barmüller ist da.

Ich will nur eines sagen: Man sollte etwas so nennen, wie es gemeint war. Das Liberale Forum – so habe ich es verstanden – tritt dafür ein, die Lehrlingsentschädigung aller Lehrlinge in unserem Land um zirka 30 Prozent zu senken. Das wäre der umgesetzte Vorschlag, und dem, glaube ich, können wir doch nicht zustimmen.

Sehr verehrte Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ihr Sprecher Dolinschek hat wiederum gemeint, die Arbeitnehmervertreter würden nicht mehr für Lehrlinge eintreten. Es würden Nullohnrunden akzeptiert und ähnliches. Ich darf ein bißchen Nachhilfe geben. Gerade in der Metallindustrie – in wenigen Tagen voraussichtlich auch im Metallgewerbe und in anderen Branchen – haben wir vor wenigen Tagen auch für Lehrlinge die Lehrlingsentschädigungen im Einvernehmen mit der Wirtschaft erhöht. Wir haben beispielsweise jetzt im vierten Lehrjahr für Metallarbeiterlehrlinge eine Lehrlingsentschädigung in der Höhe von über 12 000 S brutto. Das ist ein Satz, der einvernehmlich festgelegt ist, der sichtlich gerechtfertigt ist und der den Vorwurf des Abgeordneten Dolinschek doch relativiert, der meinte, da geschehe nichts und da werde auf die Lehrlinge vergessen.

Ich glaube, im Zusammenhang mit der Jugendbeschäftigung insgesamt – das geht auch aus dem Bericht, der zur Diskussion steht, hervor – können wir eines feststellen: Wir haben im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern bei der Jugendarbeitslosigkeit den letzten Platz in der EU. Darauf können und sollen wir auch im Rahmen einer solchen Debatte hinweisen und stolz sein. Nirgendwo in der EU ist die Jugendarbeitslosenrate so niedrig wie bei uns, und wir haben alles dafür zu tun, damit das so bleibt. Ich glaube, es gibt genügend Ansätze quer durch die Parteien – die Diskussion hat es auch gezeigt –, daß man bei gutem Willen auch zu Verbesserungen kommt. Ich gebe auch all jenen recht, die, wie auch Kollegen Öllinger, meinten, daß wir nicht viel Zeit vergehen lassen sollten, sondern das ein bißchen schneller und effizienter auf allen Ebenen vorantreiben sollten.

Ich möchte zum Schluß einen Hinweis geben, der auch wichtig ist: Ich möchte den Lehrberechtigten, also jenen, die Lehrlinge ausbilden, einmal danken – vor allem jenen Lehrberechtigten,


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die die Ausbildung im Betrieb planmäßig durchführen und nicht dem Zufall überlassen. Ich möchte jenen Lehrberechtigten danken, die den Lehrling als wertvollen Mitarbeiter und nicht als Belastungsfaktor sehen. Und ich möchte jenen Lehrberechtigten danken, die sich freuen, wenn der Lehrling in der Berufsschule etwas lernt, und nicht jammern, daß er dann im Betrieb fehlt.

Ich möchte aber auch, sehr verehrte Damen und Herren, jenen Lehrlingen danken, die bereit sind, sich in unserem Land weiterzubilden, auch über den Beruf hinaus, die bereit sind, engagiert aufzutreten und aufzuzeigen, wenn es Mißstände gibt, so wie beispielsweise jene Berufsschüler, die in der Wiener Elektrotechnikerberufsschule von einem "Nazi-Lehrer" unterrichtet worden sind, der vorige Woche vor Gericht gestanden ist, und die sich dagegen wehrten. Das Verfahren – wir alle wissen das – ist noch nicht abgeschlossen. Wir werden sehen, was herauskommt, aber ein Detail ist im Rahmen dieses Verfahrens bekanntgeworden, nämlich das Detail, daß dieser "Nazi-Lehrer" zu einer politischen Partei ein sehr enges Naheverhältnis hat.

Herr Abgeordneter Stadler hat am 26. April 1996 von diesem Rednerpult aus in einem anderen Zusammenhang gesagt, die Öffentlichkeit habe ein Recht auf Aufklärung. – Und ich meine, auch in dieser Frage hat die Öffentlichkeit ein Recht auf Aufklärung, zum Beispiel darüber: Wie nahe ist das Verhältnis des Berufsschullehrers R.R. zur FPÖ? Oder eine zweite Frage: Warum glauben Sie, sehr verehrte Kollegen – Herr Scheibner kommt gleich dran, er kann dann, wenn er will, diese Fragen beantworten oder auch unbeantwortet lassen –, warum glauben Sie, Herr Kollege Scheibner, fühlen sich solche Leute in Ihrer Partei sehr wohl? – Das sind Fragen, die die Öffentlichkeit interessieren. Ich ersuche Sie, sie zu beantworten. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte sehr.

20.49

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat von einer Debatte auf hohem Niveau gesprochen. Kollege Riepl! Bei Ihrer Rede habe ich dieses hohe Niveau wirklich vermißt, und zwar schmerzlich vermißt (Beifall bei den Freiheitlichen) , denn, Herr Kollege Riepl, Sie sind Abgeordneter einer Regierungspartei. Sie sind Abgeordneter einer Partei, die sich – teilweise sicherlich zu Recht; ich vermisse heute leider Abgeordneten Koppler, der wirklich glaubwürdig die Interessen der Lehrlinge vertritt – immer auf die Fahnen heftet, daß sie die Interessen der Lehrlinge vertritt. – Und dann gehen Sie hier herunter, verteilen Zensuren, verweisen noch – das ist ja kaum mehr anzuhören – auf die internationale Statistik, daß es unseren Lehrlingen viel besser gehe als jenen in anderen Ländern, und dann kommen Sie noch mit dem Schwachsinn von diesem Berufsschullehrer daher.

Ich hätte mir von Ihnen eher erwartet, daß Sie Lösungsvorschläge bringen, daß Sie die Probleme beschreiben und kritisieren und daß Sie hier als Vertreter einer Regierungspartei Lösungsansätze für die Probleme der Lehrlinge bringen und nicht diese alten Platitüden, die vielleicht in eine Wahlkampfrede passen, herunterbeten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Riepl! Ich möchte es nicht noch einmal zitieren, weil ich es das letzte Mal schon getan habe, aber anscheinend waren Sie nicht dabei. Aber wenn Sie hier schon über Radikalismus und Diffamierung sprechen, dann werde ich Ihnen heute einmal vortragen, wie Sie oder Ihre befreundeten Organisationen mit den Lehrlingen umgehen, welches Image Sie den Lehrlingen verpassen.

Die sozialistischen "Kinderfreunde" haben eine Broschüre herausgegeben: "Zutaten zu Taten. Was Sie immer schon gegen Rechts tun sollten." In dieser Broschüre werden für Kinder und Jugendliche Spiele vorgeschlagen, wie man mit dem Rechtsextremismus umzugehen hat. Dafür wurden Fragekarten konzipiert, und interessanterweise liegt alles auf einer Linie: Der Gymnasiast wird als braver Antifaschist dargestellt, der immer und überall gegen den Rechtsextremismus auftritt. Der Hauptschüler ist schon ein bisserl differenziert und problematisch, aber er ist noch zu retten, weil er sagt: Eigentlich will ich mit dieser Ausländerfeindlichkeit nichts zu tun haben. Aber dann kommt der Lehrling, meine Damen und Herren, Herr Kollege Riepl, und ich


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lese Ihnen jetzt vor, was Ihren sozialistischen "Kinderfreunden" zum Lehrling einfällt: – Meinungskarte zwei: Es gibt viele Nazis in Österreich, und das finde ich gut. Denn die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze und die Wohnungen weg. Wir sollen auch noch spenden für die Ausländer. Aber wenn es einem Österreicher schlechtgeht, dann hilft ihm niemand. Privat habe ich und will ich keinen Kontakt mit Ausländern haben. – Siegfried, 15 Jahre, Lehrling.

Herr Kollege Riepl! Sie sollten in Ihren eigenen Reihen etwas dagegen tun, daß die Lehrlinge wirklich auf das mieseste diffamiert werden! Da hätten Sie einiges zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Barmüller. )

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Selbstverständlich gibt es in diesem Hohen Haus, wie ich meine, einen Konsens darüber, daß wir uns alle mit den Fragen der Lehrlinge zu beschäftigen haben, denn diese Problematik muß uns wirklich alle beschäftigen. Wir stehen nämlich, entgegen allen internationalen Statistiken, vor der Problematik, Herr Kollege, daß wir seit 1979 um 40 Prozent weniger Lehrlinge haben, daß wir seit zwei oder drei Jahren erstmals noch weniger Lehrstellen haben als Lehrstellensuchende. Der Gerichtspräsident des Jugendgerichtshofs, Jesionek, der Ihrer Partei nahestehen soll, hat sich auch sehr eindeutig geäußert, als es um die Jugendkriminalität gegangen ist, Herr Kollege Riepl, die in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent angestiegen ist. Jesionek hat gemeint: Wenn sich der Lehrstellenmangel der Zukunft weiter so gestaltet, ist das eine Zeitbombe für unsere Gesellschaft. (Zwischenruf des Abg. Riepl. )

Herr Kollege Riepl! Hören Sie jetzt wirklich mit diesem Berufsschullehrer auf! Es geht hier um die Sachen der Lehrlinge und nicht um Ihre Parteipropaganda. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Kümmern Sie sich endlich – so wie viele andere, wie etwa ihr Kollege Koppler – um die Anliegen der Lehrlinge – damit hätten Sie genug zu tun –, und hören Sie auf mit dieser Parteipropaganda! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Puttinger. Er hat das Wort.

20.53

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zu Beginn möchte ich einige grundsätzliche Punkte zu der beruflichen Bildung erwähnen. Zuerst möchte ich gleich vorweg ein Bekenntnis zum dualen Ausbildungssystem ablegen, wie es fast alle Vorredner hier an diesem Pult getan haben.

Aus dem Bericht 1995 geht hervor – und das sollte man hier eindeutig festhalten –, daß die Arbeitslosigkeit in all jenen Staaten, die ein duales Ausbildungssystem haben, nämlich die Schweiz, Dänemark, Deutschland, Österreich, gerade bei den Jugendlichen die geringste ist. Ich glaube, wir haben daher das duale Ausbildungssystem letzten Endes zu verteidigen und klarzustellen, daß dieses System in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage das beste ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens möchte ich feststellen, daß sich die Unternehmen in Österreich von den jahrzehntelangen Bemühungen der Verfechter der sozialistischen Doktrin, die eine heile Welt außerhalb der praxisnahen Ausbildung zu vermitteln versuchten, nicht beirren ließen. Es war Kreisky-Politik, so viele Jugendliche wie möglich in weiterführende Schulen zu bringen, die in vielen Fällen das Manko aufweisen, weitab von irgendeiner beruflichen Praxis auszubilden. Eine Konsequenz dieser Überlegungen war es, so viele Jugendliche wie möglich in Hochschulen und Universitäten hineinzustopfen. – Das Ergebnis kennen wir. Wir wissen, daß wir ein nicht befriedigbares Überangebot in manchen Berufszweigen haben. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein .) Sie werden doch Ihrem Parteivorsitzenden recht geben, der das immer gepredigt hat! Oder sind Sie anderer Meinung? Sie werden sich doch dazu bekennen! Oder wollen Sie das leugnen? Das kann ich mir nicht vorstellen!

Drittens: Das sukzessive Sinken der Lehrlingszahlen auf unter 50 Prozent – wir liegen derzeit bei 47 Prozent – ist aber nicht nur auf die gesellschaftspolitische Höherstellung der schulischen


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Ausbildung zurückzuführen. Ich glaube, es muß hier auch einmal festgestellt werden, daß auch immer Verunglimpfungen der Lehrlinge stattgefunden haben. Diese Haltung wurde in dauerndem Wiederkäuen in der Öffentlichkeit weitergegeben.

So eindeutig wie bei diesen Verunglimpfungen, meine sehr verehrten Damen, verhielt man sich aber hinsichtlich der Ausbildung nicht. Einerseits kritisierte man immer die betriebliche Ausbildung. Man führte längere Berufsschulzeiten ein, war aber dann nicht mehr bereit, als die Kosten zu hoch wurden, dies in den staatlichen und halbstaatlichen industriellen Betrieben, in denen es eine Vielzahl von Ausbildungsplätzen gegeben hat, auch tatsächlich umzusetzen. Ich sage Ihnen: Die Unternehmer haben die Jugendlichen nicht im Stich gelassen, was von falschen Propheten so oft behauptet wurde. Ich habe mich anhand der Zahlen in Salzburg vom September dieses Jahres persönlich davon überzeugt, daß es sich hiebei um Daten handelt, die eindeutig beweisen, daß wir mehr Lehrlinge im ersten Lehrjahr haben, als wir früher gehabt haben. Ich bitte Sie: Vollziehen Sie das nach und stellen Sie in der Öffentlichkeit nicht immer andere Daten und Fakten dar! (Beifall bei der ÖVP.)

Wer sich diese grundsätzlichen Bemerkungen zu Gemüte führt und dann noch einen Ausbildungsfonds fordert, befindet am Gipfel der Ahnungslosigkeit oder der Unkenntnis. Er braucht Nachhilfe in sozialer Marktwirtschaft. Gott sei Dank scheint aber doch die Vernunft zu siegen. Ein Fonds, der bereits – das können Sie auch nachvollziehen – im Rahmen des 7. ÖGB-Kongresses 1972 gefordert wurde, wird jetzt nicht eingerichtet. Das ist sicherlich eine veraltete Forderung, ich möchte fast sagen, die Forderung einer nach rückwärts schauenden Partei.

Etwas möchte ich aber trotzdem hier klar und deutlich zum Fonds sagen: Was hätte man sich von einem Fonds versprechen können, der eine Ausbildung fördert, die über den eigenen Bedarf hinausgeht? Was hätten wir von einem Fonds, der nur für die Betriebe da ist, die eine höhere Ausbildungsqualität anbieten? Sie wissen ganz genau, daß in den Erläuterten Bemerkungen steht, daß es sich hiebei nur um Lehrwerkstätten handelt. Was bezwecken Sie ehrlicherweise – die Grünen wie die SPÖ – mit diesem Vorhaben? Sie wollen meiner Meinung nach damit nichts anderes als eine gelenkte staatliche Ausbildung erreichen. – Wir können dazu sagen: Wir stehen zu einem dualen Ausbildungssystem, und diese Abkoppelung der Lehrlingsausbildung vom Arbeitsmarkt findet für uns nicht statt. Das ist ein gesellschaftliches Problem, das ich hier gerne zur Diskussion stelle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ÖVP geht einen anderen Weg. Ich möchte nur vier Punkte aufzählen, die die Richtung verdeutlichen, in die wir gehen:

Erstens: Das Ziel aller Reformmaßnahmen muß die Erhöhung der Attraktivität der Lehrlingsausbildung sein – sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer, in diesem Fall den Lehrling. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Zweitens fordern wir von der ÖVP die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Es wurde einiges davon schon erwähnt.

Lassen Sie mich aber ergänzend zum ersten Punkt noch etwas feststellen. (Abg. Koppler: Lehrling ist gleich Kostenfaktor!) Darüber werde ich noch sprechen! – Lassen Sie mich eines noch feststellen: Einen weiteren Irrweg, den wir jetzt zu gehen drohen, dürfen wir auch nicht beschreiten, nämlich daß wir Lehrlinge, die keine Lehrstelle bekommen, als nicht gesellschaftsfähig betrachten. Wir haben die Anlehre genauso zu fördern, und wir haben zu prüfen, welche Möglichkeiten wir für unsere Jugendlichen in der Anlehre schaffen können. Es handelt sich hiebei nicht um aus der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen. Sie brauchen kein zehntes Schuljahr, sondern man muß klarstellen, daß sie dort glücklich werden können, wo Möglichkeiten für sie bestehen, etwa als Hilfsarbeiter im Baugewerbe, als Taxifahrer oder als Schankbursch im Gastgewerbe. Nehmen wir uns auch dieser Menschen an! Schaffen wir für sie auch die entsprechenden Möglichkeiten! Wir haben sie! (Beifall bei der ÖVP.) Ich gebe Ihnen gerne eine Liste aller Anlernberufe, damit Sie all diese Anlernberufe diesen Menschen zur Verfügung stellen können!


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Drittens: Die ÖVP ist überzeugt davon, daß wir neue Erfordernisse in der betrieblichen Ausbildung zu erfüllen haben. Es muß Lehrlinge selbstverständlich auch in neuen Berufssparten geben. In diesem Punkt gebe ich Herrn Öllinger recht. Aber diese neuen Berufssparten befinden sich nicht nur im staatlichen Bereich, sondern es sind auch im privaten Bereich genügend zu finden.

Viertens und letztens: Die Kostenbelastung ist schon mehrmals aufgezeigt worden. Wir sind selbstverständlich dafür, daß Entlastungen gewährt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen die Unternehmer von dem Gefühl befreien, daß die Berufsausbildung auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Dann werden wir in Zukunft auch für diese Ausbildung aufgeschlossene Unternehmer in genügender Zahl zur Verfügung haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Er hat das Wort.

21.01

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei meinen Vorrednern von den Regierungsparteien hat man jetzt das Gefühl gehabt, daß lauter Oppositionsangehörige reden. Man hat den Eindruck, daß sie unzählige Ideen haben und nur darauf warten, endlich an die Regierung zu kommen, um diese verwirklichen zu können. Dabei sitzen die einen bereits seit einem Jahrzehnt und die anderen noch viel länger hier und hätten in Wahrheit längst schon alles verwirklichen können, wenn sie es nur ernst meinten und wirklich wollten! (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich weiß im Unterschied zu anderen wenigstens, wovon die Rede ist, wenn es um die Lehrlinge geht. Ich habe am 7. September 1947 bei Siemens zu lernen begonnen und im März 1950 nach Ablegung der Facharbeiterprüfung die Lehre beendet. Ich habe damals einen wöchentlichen Bezug gehabt, den man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Damals war der Schilling allerdings mehr wert als heute. Ich habe pro Woche am Anfang 8 S verdient. Dieser Bezug wurde nach einiger Zeit auf 10 S und dann auf 12 S erhöht, und ich war stolz wie ein Pfau. Ich war stolz wie ein Pfau über dieses selbstverdiente Geld.

Ich habe den Eindruck, daß sich die Probleme, die wir damals gehabt haben, bis zum heutigen Tag nicht wirklich wesentlich geändert haben. Es ist darum gegangen, eine "gute Lehre" – das war damals eine Art Fachausdruck – zu finden. Wenn jemand einen Vater gehabt hat, der sich um einen angenommen hat – und mein Vater hat das getan –, so wurde er an der Hand genommen, und man ist miteinander eine Lehre suchen gegangen. Heute ist es wieder so wie damals: Eine "gute Lehre" zu finden ist schwierig, es ist überhaupt schwierig, eine Lehre zu finden.

Ich glaube, man macht es mitunter denen, die Lehrlinge aufnehmen könnten und auch aufnehmen wollen, zu schwer. Es ist auf den ersten Blick sehr unbequem, diesen Schritt wirklich zu tun. – Ich habe vor einiger Zeit überlegt, in meiner Kanzlei einen Bürolehrling aufzunehmen. Es kam dann jedoch nicht dazu, weil mir meine Frau gesagt hat: In einem solchen Fall brauchst du jemanden, der eine Prüfung abgelegt hat, die ihn dazu berechtigt, einen Lehrling auszubilden. – Daher frage ich Sie: Wer unternimmt es schon in einem kleineren Bereich, sich einer Ausbildung und einer Prüfung zu unterziehen, nur um Lehrlinge beschäftigen zu können? Bei aller Qualität der Ausbildung, die damit vielleicht gewonnen werden mag, wenn man diese Voraussetzung verlangt, gebe ich zu bedenken, daß auf diese Weise viele, viele Tausend möglicher Lehrstellen verhindert werden.

Wenn man heute, im Gegensatz zur Situation von vor einigen Jahren, viel weniger Lehrstellen hat als Lehrlinge, dann darf man nicht dirigistische Maßnahmen ergreifen, sondern muß Erleichterungen schaffen, daß Lehrlinge beschäftigt werden. Man muß den Lehrlingen und auch den Lehrherren – ein alter, aber zutreffender Ausdruck – helfen.

Die Lehrlinge sind stolzer, als die, die das nie gewesen sind, glauben. Die Lehrlinge wollen die Lehre und die Schulausbildung und auch die damit im Zusammenhang stehende Prüfung als


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Sprungbrett für ihr weiteres Leben sehen. Heute müssen sie die Lehre absolvieren und dann die Gesellenprüfung oder Facharbeiterprüfung ablegen. Dann sind sie Gehilfen oder Gesellen oder Facharbeiter. Das scheint vielen zu wenig zu sein, und sie bemühen sich dann darum, in Abendkursen, in Werkmeisterschulen oder in Maturaschulen ihre Bildung zu vervollständigen.

Ich halte es für sinnvoll, wenn man es ermöglicht, daß jemand, der die Lehre absolviert und die Facharbeiterprüfung abgelegt hat, mit Ablegung dieser Prüfung weitere Voraussetzungen hat, als es jetzt der Fall ist. Er soll es sich, wenn er eine bestimmte Praxiszeit hinter sich gebracht hat, ersparen können, weitere Ausbildungs- und Prüfungsstufen hinter sich bringen zu müssen, um sich selbständig machen zu können.

Ich könnte mir auch vorstellen, daß man unterschiedliche Ausbildungs- und auch Abschlußvorgänge für die Lehrlinge einführt. Lehrling und Lehrling ist ja nicht dasselbe. Wir wissen das. Es gibt aufgeweckte und weniger aufgeweckte. Es gibt interessiertere und weniger interessierte. Man sollte eventuell verschiedene Stufen des Abschlusses offenhalten, damit der, der bereit ist, sich mehr anzustrengen und mehr Zeit und Energie in seine Ausbildung zu investieren, auch eine höhere Abschlußstufe erreicht, was im weiteren Leben für ihn von Vorteil ist.

Geld spielt da natürlich auch eine Rolle. Es ist heute bekannt, daß jeder Schüler und jeder Student die öffentliche Hand wesentlich mehr kostet als ein Lehrling. Daher wäre es sehr sinnvoll, wenn man aus öffentlichen Mitteln die Möglichkeit schaffen würde, den Lehrlingen ein echtes Salär einzuräumen. Das käme wesentlich billiger, als die Jugendlichen gegen ihren Willen, bis zum Selbstmord mitunter, in die weiterführenden Schulen zu pressen. Denn für diese Plätze in den Schulen und auch im universitären Bereich muß man viel mehr ausgeben, als wenn man die Lehrlinge gleich in die Lage versetzt, über entsprechende finanzielle Mittel zu verfügen.

Es soll gute Lehren geben. Daher müssen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Es muß dem Bildungsbedürfnis der Lehrlinge entsprochen und ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, gegebenenfalls nach einem Stufensystem weiter zu kommen, als es bisher der Fall ist. Und man muß sie ordentlich entlohnen. – Das wäre, glaube ich, das Geheimnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

21.07

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann nahtlos an die Ausführungen des Kollegen Ofner anschließen. Ohne einen Keil hinein treiben zu wollen, stelle ich fest: Ein Student kostet die Republik im Jahr 250 000 S, ein Lehrling 18 000 S. Das ist nicht mein persönliches Steckenpferd, aber ich halte fest, daß die Gewerkschaft und sehr viele, die in der Republik Verantwortung tragen, über den gemeinsamen Arbeitnehmerbegriff nachdenken. Denn an diesem scheitert es auch schon. Der eine ist der Schlosser – und der andere ist der Herr Maturant.

Es ist eben so im Leben. Die Eltern sagen: Meinem Kind soll es besser gehen, es soll lieber ins Realgymnasium gehen als irgendwo als Malerlehrling anfangen. Darin liegt die ganze Problematik. Wir diskutieren diese Situation schon länger, ich glaube, schon die fünfte Runde, und es hat sich vielleicht auch einiges geändert, aber es ist noch nicht zufriedenstellend.

Herr Bundesminister! Das ist keine Kritik an Ihnen, aber der Berufsbildungsbericht ist eher eine Berufsbildungsstatistik, und es sind keine neuen Perspektiven und Ideen darin enthalten. Das Parlament sollte aber aufgrund dieses Berichtes neue Ideen haben.

Herr Kollege Haigermoser! Ich gebe dir recht – obwohl dein Ausrutscher mit Kollegen Steindl überflüssig war –, daß die Berufsausbildung in Österreich eine sehr gute ist! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Die Studentenzahlen nehmen zu, die Lehrlingszahlen nehmen ab. Die Zahl der Lehrstellen wird sowieso geringer, und im Jahr 2001, meine sehr geehrten Damen und


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Herren, wird jeder dritte Schulabgänger ein Maturant sein. Wir reden vom Wirtschaftsstandort Österreich. Wir reden von Milliardeninvestitionen und sind glücklich, daß etwa jetzt BMW oder Steyr investieren. Aber wir reden nicht von den Facharbeitern, die wir später einmal brauchen werden, um uns gegen die Tigerstaaten und gegen China oder Malaysia zu wehren. Denn dort werden enorme Investitionen vorgenommen. Und ich will, pointiert gesprochen, nicht, daß wir ein Volk von Jodlern und Schuhplattlern werden, das die Chinesen als folkloristisch fotografieren, weil wir keine Facharbeiter mehr haben.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Kollege Puttinger! Sie haben von meinem Bezirk geschrieben: Diesem Bezirk geht es heute so gut wie noch nie. Herr Bundesminister Farnleitner! Wir haben das modernste Ausbildungszentrum in Ternitz gehabt: mehr Privat, weniger Staat. Es wurde privatisiert. Ich bin nicht gegen die Privatisierung. Aber in diesem Fall hat man eiskalt das Ausbildungszentrum mit 260 hochqualifizierten Ausbildungsplätzen geschlossen. Es war keiner mehr da, der das finanziert hätte. Jetzt ist dort jemand anderer. Aber das macht Ihnen nichts! Lehrwerkstätten wurden zugesperrt, es wurde Geld vernichtet, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dort wurden in Summe 20 000 Lehrlinge in den letzten Jahren ausgebildet. Darüber geht man jedoch kalt hinweg.

Einerseits sehe ich heute die Investitionen der Europäischen Union, auf der anderen Seite lese ich im "Standard" vom Samstag: "Creditanstalt plant bis 1998 den Abbau von 1 000 Mitarbeitern." Das ist die Hälfte der Zahl der Mitarbeiter von Semperit, das sind viermal so viele wie bei Euro-Quartz. Freiwilligen Aussteigern wird der Abgang mit zusätzlichem Geld versüßt. Heute ist es so, daß jeder belohnt wird, wenn er Beschäftigte reduziert. Der Arbeiter oder der Angestellte hat ... (Zwischenruf des Abg. Meisinger. ) Kollege Meisinger! Die Debatte hatte ein hohes Niveau, bis Sie sich eingemischt haben! (Beifall bei der SPÖ.) Ich weiß schon, daß wir in der Regierung sind. Aber wenn man heute eine Debatte über die Zukunft der Bildungspolitik der österreichischen Lehrlinge führt, dann muß man manchmal auch auf andere hören. Ich habe Kollegen Ofner auch recht gegeben, weil er in der Analyse richtig lag. Das haben Sie, Kollege Meisinger, wahrscheinlich überhört.

Meine letzten zwei Sätze: Es gibt ein Papier, das ist von Ihnen, Herr Bundesminister, von Herrn Minister Hums, von Herrn Präsidenten Maderthaner und von Herrn Präsident Verzetnitsch unterschrieben. Jetzt höre ich, daß dieses wieder nicht gelten soll. Vielleicht können Sie uns darüber aufklären. Darin geht es nämlich um die Lehrlinge. Es geht um den ersten Schritt, und ich glaube, das ist sehr wichtig, denn die jungen Menschen – und das sind sehr viele – glauben an die Wirtschaft in dieser Republik. Wir sollten aber nicht nur mit Schlagworten wie "Karriere durch Lehre" operieren, sondern wir sollten diesen Menschen zumindest eine Waffengleichheit gegenüber den Maturanten geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte, Frau Abgeordnete. Redezeit: 4 Minuten.

21.12

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es hat sich heute nicht nur einmal erwiesen, daß in Österreich derzeit eine schlampige Politik gemacht wird. Und die derzeit übliche schlampige Berichterstattung leistet dem noch Vorschub, daß eine Ankündigungspolitik à la Kollegen Puttinger oder eine Ablenkungspolitik à la Kollegen Riepl noch stärker Fuß fassen kann! Daß all das auf dem Rücken der Jugend geschieht, über der wirklich das drohende Schwert der Jugendarbeitslosigkeit hängt, macht mich besonders traurig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Marizzi! Es war die SPÖ, die in den letzten Jahren diese Regierung dominiert hat. Sie sind mir heute bei Ihrer Wortmeldung aber wie ein Oppositionspolitiker vorgekommen. – Bisher verhielt es sich so, daß jeder zweite Schüler zwischen 15 und 18 Jahren seine Ausbildung über ein Lehrverhältnis erworben hat. Gegenwärtiges Faktum: Im Juli 1996 hat es 10 100 Lehrstellensuchende gegeben und nur mehr 4 400 offene Lehrplätze. Besonders gravierend ist die Situation in Tirol. Auch wenn von seiten der ÖVP diese Daten angezweifelt werden: Es sind die offi


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ziellen Daten. Im Juli 1994 gab es in Tirol 1 411 offene Lehrstellenplätze, 1995 waren es 1 107, 1996 ... (Abg. Puttinger: Wissen Sie, wieviel Prozent durch das Arbeitsmarktservice vermittelt werden?) Ich weiß es genau, Herr Kollege Puttinger! Ich bin nur mit Ihnen nicht einer Meinung, weil Sie für diese Entwicklung genauso zuständig sind wie die SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es handelt sich um einen Einbruch von mehr als 50 Prozent innerhalb von zwei Jahren, Herr Kollege Puttinger! Verheimlichen Sie das nicht!

Es hat Jubelmeldungen am 4. Juli gegeben. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Er hört deswegen nicht zu, weil ihm die ganze Sache äußerst peinlich ist. Es hat im Juli Jubelmeldungen über den Abschluß eines Lehrlingspakets gegeben, das – ich zitiere – "sicherstellen soll, daß im Herbst genügend Ausbildungsplätze für Lehrlinge bereitgestellt werden können."

Das sind unisono die Meldungen von ÖVP und SPÖ im Juli dieses Jahres. Und was ist de facto passiert, trotz eines grundsätzlichen Konsenses aller hier anwesenden Parteien über die Problematik in dem Bereich? Nichts und noch einmal nichts, es gab nur Ankündigungen!

Es gibt derzeit de facto Streit, das haben Sie mir bestätigt, Herr Kollege Puttinger, zwischen ÖGB und Wirtschaftskammer. Der ÖGB will nur einen Berufsausbildungsfonds unterstützen, die Wirtschaftskammer ist dagegen, sie will die Lehrlingsentschädigung einfrieren. Die Wirtschaftskammer fordert auch eine Entlastung der Lehrbetriebe.

Vor zehn Tagen ist Ihr Präsident Maderthaner mit der vollmundigen Ankündigung in die Presse gegangen, daß in Zukunft die Lehrlinge im ersten Lehrjahr keine Sozialversicherungsbeiträge mehr zahlen müssen. Ich bin im Sozialausschuß der Sache nachgegangen. Herr Bundesminister Hums hat kräftig abgeblockt. Und beim heutigen Abänderungsantrag der Kollegin Hostasch sind wir draufgekommen, wie das in Zukunft ausschauen wird: Eine Reduzierung von 1,5 Prozent der Beitragsgrundlage wird es geben. Das ist de facto nur die Hälfte dessen, was Sie uns in Form einer Belastung durch die Einbeziehungen in die Kommunalbesteuerung aufoktroyiert haben. Herr Kollege Puttinger! Das ist doch kein Anreiz für Lehrbetriebe, mehr Lehrlinge einzustellen! (Abg. Dr. Puttinger: Das hat ja niemand behauptet!) Das wissen Sie doch ganz genau. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitliche haben einen sehr vernünftigen Antrag eingebracht, der die Problematik in diesem Bereich, die wirklich vielschichtig ist, insgesamt abdeckt. Aber der wird natürlich wieder einmal abgelehnt! Dieser Antrag will die Lehrlingsentschädigung nicht kürzen. Wir wollen eine kollektive Mindestanpassung. Wir wollen auch Leistungsstipendien. Wir wollen eine steuerliche Entlastung für Betriebe, weil gerade diese Kostenbelastung ein Faktor ist, warum Betriebe vor einer Neueinstellung zurückschrecken. Natürlich muß diese Kommunalsteuer fallen! Wir wollen aber auch eine Attraktivierung der Lehre an und für sich durch eine Neuorganisierung der Ausbildung und so weiter und so fort. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich bin beim Schlußsatz: Als wir heute diese Diskussion beobachtet haben, sind wir draufgekommen, daß diese Koalition die Interessen der Lehrlinge in diesem Land wirklich nur mangelhaft vertritt. Und mir ist unsere Jugend zu schade, wenn man sich bei den beiden Regierungsparteien nur darauf beschränkt, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeit: 7 Minuten. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam: Bei der freiwilligen Redezeitbeschränkung habe ich kein Recht, jemanden zu stoppen.

21.17

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Nach diesem hitzigen Debattenbeitrag meiner Vorrednerin möchte ich konkret auf einen Punkt in diesem Berufsbildungsbericht eingehen, und zwar auf die berufliche Weiterbildung. Dieser Teil des Berufsbildungsberichtes zeigt insofern nüchtern die Ist-Situation, weil man in Anbetracht der Zahlen auch ein wenig darüber nachdenken soll, ob es nicht manchmal auch bei den jungen Menschen


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selbst beziehungsweise bei den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen liegt, inwieweit die Angebote an Weiterbildung auch angenommen werden.

Dieser Bericht zeigt nämlich, daß die Annahme nach beruflicher Weiterbildung im letzten Jahrzehnt nur ganz wenig gestiegen ist. Das heißt, daß bislang nur ein Viertel der Berufstätigen überhaupt Weiterbildung annimmt. Das Statistische Zentralamt hat vor kurzem veröffentlicht, daß nur drei Prozent der Österreicher und Österreicherinnen zwischen 15 und 25 Jahren außerschulische Weiterbildung für die berufliche Weiterbildung heranziehen. Das ist überhaupt nur etwa ein Prozent der Bevölkerung.

Wenn wir jetzt über die Absicherung der Lehrlingsplätze diskutieren, dann muß uns klar sein, daß das Motto: "Karriere mit Lehre" immens wichtig ist und nicht nur ein Schlagwort sein darf. Wir müssen uns wirklich mehr denn je ernstlich damit beschäftigen und auch Taten setzen. Denn es macht schon sehr nachdenklich, wenn man sieht, wie wenig von den Angeboten angenommen wird und wie wenig danach gestrebt wird, wirklich eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung zu bekommen.

Gravierend ist auch, daß jeder fünfte Jugendliche nach wie vor keine abgeschlossene Berufsausbildung hat: Ich möchte die Frage in den Raum stellen: Woran liegt das? – Auch in diesem Fall müßten beide Seiten aktiver werden. Es ist eine logische Folgerung, daß wir für bessere Rahmenbedingungen sorgen müssen. Aber wir können nicht alles vorgeben. Rahmenbedingungen schaffen, das heißt, daß die Betriebe ihre unternehmerischen Aufgaben wahrnehmen können, die sie wahrnehmen müssen, und das auch ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, seien sie jetzt ganz jung oder auch schon älter oder vor der Pensionierung, vermitteln.

Ich glaube auch, daß etwas wesentlich sein wird, was wir manchmal noch nicht genügend ernst nehmen: gesteigerte Information und Transparenz bezüglich all der Möglichkeiten, die es für Weiterbildung gibt. Die veraltete Aufspaltung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung sollte eigentlich der Geschichte angehören, und das lebenslange Lernen muß im Mittelpunkt stehen.

Wenn wir von beruflicher Weiterbildung sprechen, dann muß ich sagen: Ich glaube, daß eine zu enge Erstausbildung sicher nicht zielführend ist. Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Erstausbildung brauchen die jungen Menschen eigentlich? – Darüber diskutieren wir ja. Wir sollten mehr Erfahrungen einbringen, nicht nur im Kopf, sondern auch im mechanischen Bereich.

Wir müssen darüber reden, wie die Bildungsfinanzierung in Zukunft vor sich gehen soll – wer bezahlt was, wie wird zugeteilt, wie wird umgeschichtet? –, und auch über eine bessere Bildungsökonomie.

Ziel ist eine stärkere Vernetzung, und ich glaube, daran müssen wir alle arbeiten. Es müssen Akzente gesetzt werden, Fachwissen sollte mit Praxis gepaart sein – das geht mir manchmal sehr stark ab. Ich glaube auch, daß es besser ist, nicht so viel zu lamentieren und zu jammern, sondern zu schauen, daß wir weiterkommen. Denn 70 Prozent der Jobs werden sich bis zum Jahr 2000 verändern, und das erfordert mehr denn je ein Umdenken für alle: für die Arbeitgeber, die Unternehmer, für die Arbeitnehmer und auch für die dritte Seite, die Anbieter.

Wenn man sieht, was sich diesbezüglich im Ausland schon tut, so meine ich, daß zwar sicher nicht alles nachvollziehbar ist, aber doch einiges machbar wäre. Wir müssen darangehen, einiges zu verändern – Kollege Öllinger hat das in der Diskussion auch angesprochen –, sei es jetzt ein Sabbatjahr – egal ob zwei oder drei Monate –, sei es die Arbeitszeitflexibilisierung, sei es ein Jahresarbeitszeitmodell und vieles mehr in der Richtung, wovon wir schon sehr, sehr lange sprechen, was wir aber noch nicht umgesetzt haben. Das liegt natürlich auch ein wenig bei den Sozialpartnern – ich sage ganz bewußt ein wenig –, weil es nottut, daß da etwas weitergeht.

All dies wäre einzubringen, und wenn wir einen Berufsbildungsbericht 1996 zur Begutachtung bekommen, der hoffentlich nicht erst fast ein Jahr später vorliegt, so müßte einiges darin als verbessert aufscheinen, was heute noch nicht zufriedenstellend ist. Aber ich glaube, das geht nur


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gemeinsam, und wenn wir hin- und herstreiten, wie Lehrplätze oder wie berufliche Weiterbildung gesichert werden können, so wird das vor Ort keinem Menschen wirklich helfen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte. 6 Minuten Redezeit haben Sie angekündigt.

21.23

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein erster Lehrberuf war Einzelhandelskaufmann, und mein zweiter Beruf nach dem Militär war Kellner. Ich habe also zwei Berufe erlernt.

Ich habe später die Ausbilderprüfung gemacht und bilde laufend Lehrlinge aus. Ich habe aus dieser Zeit durchaus Erfolge zu vermelden und habe einige sehr gute Ergebnisse erzielt, daher weiß ich, wovon ich rede. Ich stehe natürlich auch voll hinter dem dualen Ausbildungssystem.

Ich möchte schon einmal sagen: Viele ehemalige österreichische Lehrlinge sind in aller Welt als Manager, Hoteldirektoren, Werksleiter und dergleichen tätig, und diese tragen dazu bei, den Namen Österreich in aller Welt gut dastehen zu lassen.

Ein Grund, daß Österreich eine relativ geringe Jugendarbeitslosigkeit hat, ist, daß immer noch ein erheblicher Teil der Jugendlichen in Lehrberufen tätig ist. Es ist aber besorgniserregend, zu sehen, daß der Trend sich jetzt ins Gegenteil verkehrt. Es ist eigentlich erschreckend, daß Betriebe, die immer gerne und laufend Lehrlinge ausgebildet haben, auf einmal nicht mehr bereit sind, dies zu tun. Das kann man nicht nur mit einer Wirtschaftsflaute argumentieren, da gibt es schon verschiedene andere Dinge, die hier mitspielen, so zum Beispiel auch die Rahmenbedingungen, die einfach nicht stimmen.

Es wird in vernünftigen – und ich betone, in vernünftigen – Diskussionen versucht werden müssen, diesbezüglich Lösungen zu finden. Natürlich ist zum Beispiel die Arbeitszeitregelung eine Sache, die man sehr genau beachten muß. Man hört, daß zum Beispiel bei den Bäckern eine gute Lösung gefunden wurde. Es ist nicht mehr so, wie es früher war, nämlich daß die Bäckerlehrlinge erst gekommen sind, wenn die Semmeln schon fertig gebacken waren, sie sie nur mehr einzählen konnten in den Korb und nie erlebt haben, wie man eine Semmel eigentlich richtig macht. Das kann es ja wohl nicht gewesen sein.

Ähnlich ist die Situation in der Gastronomie, wo um 22 Uhr, wie heute schon erwähnt wurde, die Gäste kommen, der Gastgarten sich füllt – und die Lehrlinge gehen müssen. Das kann nicht die richtige Lösung sein.

Ich möchte aber schon eines sagen – und da appelliere ich wirklich an dieses Haus und auch an die Sozialpartner –: Das ist kein Thema, meine Damen und Herren, für Lautstärke. Das ist ein Thema, das es erforderlich macht, daß man sich zusammensetzt – nach guter österreichischer Manier und nach österreichischer Tradition – und miteinander redet. Die Sozialpartner sollten miteinander reden und versuchen, die Wünsche des einen dem anderen klarzumachen und nach guter österreichischer Art einen Mittelweg zu finden. Man sollte nicht den anderen als Klassenfeind oder in einer anderen Form abkanzeln. Das, glaube ich, ist nicht der richtige Weg, und der Erfolg wäre sehr bescheiden, wenn wir auf diese Art und Weise versuchen würden, das Problem zu lösen.

Es ist auch wichtig, sowohl den Lehrlingen als auch den Ausbildnern die Wertigkeit des Lehrlings und des Facharbeiters klarzumachen. Der Monteuranzug, das Kochgewand, die Maurerbluse sind mindestens soviel wert wie Krawatte und Sakko. Es hat nämlich eine Zeitlang so ausgesehen, als ob die Lehrlinge eben diejenigen seien, die für keinen anderen Beruf zu gebrauchen sind: Dann macht er halt eine Lehre! – Es ist wirklich wichtig, daß man das klarstellt.

Es ist heute schon angeklungen – mein Kollege Marizzi hat es schon gesagt –, was die höheren Schulen kosten und was ein Lehrling kostet. Es ist einfach so, man muß das einmal sagen: Die


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Zeit, in der man mit Lehrlingen das große Geld verdient hat, ist längst vorbei, sonst wäre der Trend nicht so, wie er jetzt ist.

Ich möchte auch noch etwas zur Berufsschule sagen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt fallweise noch das Modell des eintägigen Berufsschulbesuchs. Ich glaube, dieses Modell ist out. Es ist der Blockunterricht von 10 Wochen sicherlich die bessere Lösung, und ich glaube, diese sollte man auch anstreben. Aber um bei den Kosten zu bleiben: Ein Lehrling, der wöchentlich einen Tag in die Schule geht, hat keine Kosten. Bei einem, der 10 Wochen lang in die Schule fährt, zahlen entweder die Eltern oder der Schüler selber oder der Lehrberechtigte 6 000 S bis 8 000 S. Das ist im Schnitt immerhin die eineinhalbfache Lehrlingsentschädigung.

Es gäbe dazu eine Menge zu sagen, und ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Ich bitte wirklich um ein ruhiges Klima hier, um ernsthafte Gespräche, die getragen sind vom gegenseitigen Verständnis. Ich möchte mich auch bei allen Lehrlingen bedanken für den Mut, einen Lehrberuf gewählt zu haben, und bei allen Ausbildnern, daß sie Geduld haben. Ich wünsche ihnen, daß sie ein Erfolgserlebnis haben, wenn sie einen jungen Menschen in der Berufsausbildung begleiten und dann sehen, daß er ein guter Nachfolger in ihrer Branche ist. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte, Sie haben das Wort. 7 Minuten.

21.29

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Den Chinesen sagt man sehr weise Sprichwörter nach. Und einer der weisen Sprüche der Chinesen heißt: Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist: Mäuse muß sie fangen können.

Was hat das mit der Lehrlingsproblematik zu tun? – Ich möchte damit sagen: Es ist egal, von welcher Seite man dieses Problem angeht, von welcher Seite man dieses Problem sieht, ob von seiten der Unternehmer, ob von seiten der Lehrlinge: Zufriedenstellende Lösungen für die Jugendlichen werden gebraucht. Und ich glaube, alle Kollegen hier herinnen machen dieselben Erfahrungen, wenn zu Sprechtagen verzweifelte Jugendliche kommen, die keine Lehrplätze, keine Lehrstellen finden, Jugendliche, deren Erfolgserlebnisse sich in Grenzen halten.

Ab und zu gelingt es, einem Jugendlichen doch zu helfen. Und ich möchte nicht das Wort "verdammte Pflicht" strapazieren, sondern ich möchte sagen: Wir haben die heilige Pflicht, unseren Jugendlichen Optimismus und Bildungschancen zu geben! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben die Pflicht, unseren Jugendlichen die Chance zu geben, sich im Beruf oder in der Weiterbildung entfalten zu können. Und darum geht es bei dieser ganzen Problematik. Es ist nicht nur Aufgabe der Unternehmungen, nicht nur der Betriebe, sondern der gesamten Gesellschaft, unseren Jugendlichen entsprechende Ziele zu geben.

Die Ursachen, warum wir vor dieser Problematik stehen, die in Relation zu anderen Staaten – wie schon erwähnt – viel weniger tragisch ist als anderswo, sind verschiedenartig, und eine Schwarz-Weiß-Malerei wäre falsch. Einige Ursachen sind schon erwähnt worden.

Es hat zum Beispiel in Oberösterreich – ganz aktuell – am 24. September 1996 ein Lehrlingshearing stattgefunden. Ich möchte Ihnen nur einiges von dem zur Kenntnis bringen, wovon die Lehrlinge gesagt haben, daß es verbessert gehört. Es sind keine gigantischen Forderungen, es sind da und dort nur kleine Akzente, die gesetzt werden müssen – auch in der Optik, auch in der Chemie: eine weitere Attraktivitätssteigerung der Lehre. Und Beispiele beweisen uns, daß Lehrlinge es auch zu Generaldirektoren gebracht haben.

Wichtig sind eine Verbesserung der Berufsinformation, damit die Jugendlichen sich nicht immer nur für einige wenige klassische Lehrberufe entscheiden, die Entwicklung neuer Berufsbilder, vor allem in den Bereichen High-Tech und Informationstechnologien, eine Durchforstung der


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Schutzbestimmungen für Lehrlinge, Regelungen nur dort, wo sie im Interesse der Lehrlinge wirklich notwendig sind. Dort, wo Schutzbestimmungen überzogen und einen guten Ausbildungsplatz sogar verhindern, sollten sie geändert werden. Das sagen die Lehrlinge von sich aus.

Und ich habe hier eine Pressemeldung, in der es heißt: Ich darf manche Arbeiten gar nicht oder nur unter Aufsicht ausführen. Am Ende der Lehrzeit erwartet man aber, daß ich selbständig arbeiten kann, erläutert ein Installateurlehrling. – Das ist die Realität, meine Damen und Herren! Wir müssen auch im Bereich des Lehrlingsschutzes vernünftige Regelungen finden. Mein Vorredner, Kollege Kiermaier, hat bereits den Sektor Gastronomie erwähnt: Mir hat der Kellerwirt der Brauerei Ried gesagt: Ich ärgere mich. Ich habe Lehrlinge, die um 22 Uhr nach Hause gehen müssen, und dann sehe ich sie um 3 oder 4 Uhr früh von der Disco nach Hause gehen.

Das sind die Bedingungen, unter denen heute Lehrplätze angeboten werden. Auch da ist Umdenken angesagt, und zwar in die Richtung, daß die Lehrlinge dann arbeiten dürfen, wenn es die Wirtschaft des Betriebes erfordert – bei allem Arbeitnehmerschutz, der notwendig ist.

Es müssen – das sagen auch die Lehrlinge – die Lehrpläne aktualisiert werden. Die Lehrlinge sollten nur das lernen, was sie im Berufsleben tatsächlich umsetzen können. Und bei der ganzen Debatte, meine Damen und Herren, dürfen wir nicht die unterschiedlichen Fähigkeiten übersehen. Es kann nicht jeder studieren, es kann nicht jeder Handwerker werden, es kann nicht jeder jeden Beruf ergreifen. Jeder soll den Beruf ergreifen, für den er die Fähigkeiten mitbekommen hat. Und deshalb ist auch die Frage der generellen Fremdsprachenregelung für Lehrbetriebe auch nur relativ zu sehen, denn es gibt eben welche – das wissen wir – die sich schwertun mit dem Lernen von Sprachen. Denen sollte keine Fremdsprache aufgezwungen werden. Das ist vielleicht der beste Dachdecker, den es geben kann, aber er tut sich halt schwer mit dem Lernen. Ich glaube, auch auf diese Eigenheiten muß Rücksicht genommen werden. Daher: keinen Bürstenhaarschnitt quer durch die Lehrberufe, sondern individuelles Eingehen auf die jeweilige Situation.

Lassen Sie mich am Schluß meiner Ausführungen eine Forderung aussprechen – sie hängt auch mit den Lehrplätzen zusammen –: die Einführung des Mopedführerscheins ab 15 Jahre. Für Wien ist das wahrscheinlich kein Thema, da können die Lehrlinge mit der U-Bahn, mit der Straßenbahn, mit öffentlichen Verkehrsmitteln jeden Lehrplatz erreichen. In ländlichen Gebieten aber – und das ist auch eine Forderung der Lehrlinge –, wo es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt, wo keine Arbeitsplätze am Wohnort sind, sind Lehrlinge darauf angewiesen, daß sie entweder jemand im Auto mitnimmt – oder sie müssen selber hinfahren. Und es wäre eine große Hilfe gerade für den ländlichen Raum, wenn sich Herr Bundesminister Scholten endlich dazu durchringen könnte, dem Antrag, der schon lange hier im Parlament liegt, zum Durchbruch zu verhelfen, nämlich die Erlaubnis zum Mopedfahren um ein Jahr – auf 15 Jahre – herabzusetzen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Zwei Jahre!)

Das, meine Damen und Herren, ist eine bescheidene, kleine, aber in manchen Dingen sehr wirkungsvolle Maßnahme. Und ich darf sagen, daß sich auch unser sozialistischer Landesrat Ackerl aus Oberösterreich vorige Woche bei einer Diskussion in einem Gymnasium, wo ich dabei war, vehement für die Herabsetzung des Alters für den Mopedführerschein auf 15 Jahre ausgesprochen hat. Und er hat gesagt, er wird sich bei Bundesminister Scholten dafür verwenden, daß das auch eingeführt wird. (Abg. Mag. Barmüller: 14 Jahre!) Ich hoffe, daß er es auch tut. Damit hätten wir ein kleines Problem gelöst. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Heindl. )

21.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte. 6 Minuten Redezeit.

21.36

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, aus allen Wortmeldungen war eines sehr deutlich herauszuhören: Die Lage ist wirklich dramatisch. Nur mehr 40 Prozent eines Jahrganges


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erlernen einen Lehrberuf. Und ich glaube, bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen sollte man sehr wohl einmal nachdenken, wodurch das entstanden ist und wie wir die Probleme lösen können.

Aber eine Frage kann ich Ihnen nicht ersparen: Ist Ihnen aufgefallen, daß niemand diesen so beliebten, populären Slogan "Karriere mit Lehre" erwähnt hat? (Abg. Meisinger: Das ist doch gesagt worden!) Ich glaube, das ist ein Zeichen dafür, daß auch Sie nicht mehr so sehr an die Karriere mit Lehre glauben.

Und ich sage Ihnen als Beispiel, wie es mir schon mehrmals auf dem Land ergangen ist, in einer Region, die wirtschaftlich sicherlich benachteiligt ist. Dort sagen mir junge Leute: Ihr Politiker sagt immer, mach eine Lehre, wir brauchen qualifizierte Arbeitskräfte, bilde dich weiter! Und jetzt sagen wir euch, welche Situation wir vorfinden: Wir müssen schauen, daß wir überhaupt einen Lehrplatz kriegen. Ob das der Lehrberuf ist, der uns tatsächlich Spaß macht oder der, den wir erlernen wollen, ist nicht sicher.

Zum zweiten: Ihr sagt, ich soll mich weiterbilden. Tatsache ist aber, daß der Chef bestenfalls einen Meister, aber höchstens zwei, drei Gesellen und ein paar Lehrlinge anstellt. Ich kann mich weiterbilden, so viel ich will – ich habe keine Chance, Karriere zu machen.

Ein anderes Beispiel: Ein sehr erfolgreicher Unternehmer hat mich auf das Problem aufmerksam gemacht, daß ihn die HTL sehr gerne für Weiterbildungskurse hätte. Das Problem liegt darin, welche Bezahlung er für diesen Kurs bekommt, denn seine Meisterprüfung, seine Qualifikation wird dort sehr niedrig angesetzt. Und wir wissen, wenn ein Meister die Beamtenlaufbahn einschlägt, landet er zuerst einmal in d und kommt bestenfalls in c. – Ich glaube, meine Damen und Herren, das sind sehr wohl Dinge, die wir hinterfragen müssen, und wir sollten schauen, wie wir die Situation verbessern können.

Ich entnehme auch dem Bericht einiges, Herr Bundesminister, was für mich sehr signifikant ist: Ein Drittel der Lehrlinge wechselt nach kurzer Zeit die Berufsgruppe. Mehr als die Hälfte verläßt nach kurzer Zeit den Lehrbetrieb. – Meine Damen und Herren, das hat doch Gründe, und ich denke, daß all das, was uns teilweise so an Stimmungsbildern präsentiert wird, eben nicht der richtige Weg ist.

Herr Kollege Puttinger hat heute durchaus Richtiges gesagt, aber seine emotionale Kampfrede war wohl eher für eine Versammlung in der Wirtschaftskammer gedacht. Fast jeder sagt hier am Rednerpult: Wir dürfen uns nicht darauf ausreden, die Lehrlinge seien zu teuer, aber in Wirklichkeit sagen alle, Lehrlinge ausbilden sei zu teuer!

Tatsache ist, daß bei einer Befragung – ich habe das mitgenommen – 58 Prozent, also knapp mehr als die Hälfte der Unternehmer, sagen: Ich stelle keine Lehrlinge mehr ein, weil die Ausbildung zu teuer ist. (Abg. Dr. Ofner: Das ist aber ein bißchen viel! Überleg einmal: 58 Prozent!) Wir wissen aber aus Erfahrung, daß in sehr vielen Lehrberufen ein Lehrling im zweiten Lehrjahr eine vollwertige Kraft ist.

Es wurde die Berufsschule angesprochen. Mein Vorredner hat gesagt, es gehören endlich einmal die Lehrpläne entrümpelt. – Ich nehme an, Sie beschäftigen sich nicht sehr intensiv mit dieser Frage. Ich bin Berufsschullehrer. Wir sind auf diesem Stand ... (Abg. Dr. Ofner: Ich war Lehrling!) Ja, Herr Kollege Ofner, ich habe es gehört, aber in den vierziger Jahren. Da ist in der Zwischenzeit einiges passiert. (Abg. Dr. Ofner: Bis in die fünfziger Jahre! Aber die Mollardschule ist schon gestanden!) Wir arbeiten sehr viel im Bereich der Schule. – Aber zurück zum Thema.

Meine Damen und Herren! Es heißt auch immer wieder, daß die Berufsschulzeit, die Ausbildungszeit in der Berufsschule zu lang sei, aber nur ein Drittel der Unternehmer bekritteln das tatsächlich. Ich meine, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt für mich, wir müssen die Lehrlingsfrage in einer seriöseren Art und Weise angehen. Wenn Herr Piskati von der Wirtschaftskammer im "Kurier" sagt – ich zitiere –: "Wir müssen den Unternehmern Lust und Laune machen, damit sie Lehrlinge ausbilden", dann frage ich mich, ob Lehrlingsausbildung für Sie


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eine Frage von Lust und Laune ist oder eine Frage des Selbsterhaltungstriebes für die Wirtschaft und die Beschäftigungssituation in Österreich.

Ich frage mich auch, wie die Aussage eines Unternehmers zu beurteilen ist, der hergeht und sagt: Wozu braucht ein Maurer Englisch und Staatsbürgerkunde? – Das sind für mich Positionen, meine Damen und Herren, die ein erschütterndes Bild ergeben. Aber nichtsdestotrotz würde ich mir eines wünschen: daß diese Debatte zum Lehrlingsbericht nicht in Grabenkämpfen endet. Das Wesentliche und Zielführende ist für mich, daß sozialpartnerschaftliche Verhandlungen geführt werden, und zwar mit Vernunft und mit Verantwortungsbewußtsein. (Beifall bei der SPÖ.)

21.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte. 7 Minuten.

21.43

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zum Berufsausbildungsbericht und zur Situation der Lehrlinge. Herr Kollege Schwemlein! Die Lehrlinge hatten und haben die Möglichkeit der Karriere. Wir müssen dies erkennen und einige Verbesserungen vornehmen.

Ich darf daran erinnern, daß gerade in Österreich die Lehrausbildung entsprechend Tradition und auch Qualifikation hat. Das duale Berufsausbildungssystem hat nicht nur national in unserem Land, sondern international größte Erfolge zu verzeichnen. Der Bericht weist ja darauf hin. Die österreichischen Lehrlinge haben bei Wettbewerben eine Menge von Preisen gewonnen, Medaillen wurden ihnen überreicht. Wir können zu Recht stolz sein auf diese Ausbildung und auf unsere Lehrlinge, die bereit sind, einen Beruf zu erlernen und die wir ausbilden.

Wir haben auch das Bildungssystem durchlässig gemacht und Fachmatura und Fachhochschule installiert, sodaß die Lehrlingsausbildung keine Einbahnstraße ist, sondern Aussichten für mehr Bildung bestehen, um sich am Arbeitsmarkt bewähren zu können.

Der Jugendarbeitslosigkeit wurde in unserem Land entsprechend entgegengewirkt. Beim einen oder anderen Redner habe ich mir gedacht: Bitte, wovon spricht er? Nur davon, daß man die Lehrlinge nicht unterbringt und niemand sich den Beruf aussuchen kann. – Ich meine, das Gegenteil war doch immer der Fall. Es waren genügend Lehrplätze da. Die Jugend konnte sich nach ihrer Neigung den Lehrplatz aussuchen, und die Wirtschaft war froh, wenn genügend Lehrlinge da waren. In letzter Zeit hat es hierbei eine Veränderung gegeben, die man beachten muß, aber in den vergangenen Jahrzehnten war dies sicher anders.

Ich darf daran erinnern, daß Betriebsansiedelungen und Standortfestigungen gerade aufgrund des Facharbeiterpotentials stattgefunden haben. Wegen der Lehrlinge, die bereit waren, einen entsprechenden Beruf zu ergreifen, haben sich Betriebe angesiedelt. Ich weise mit Stolz darauf hin, daß gerade bei uns in Steyr BMW sich deswegen vor Jahren angesiedelt hat, weil man wußte, daß es genug ausgebildete Facharbeiter gibt, die auf eine erfolgreich abgeschlossene Lehre zurückblicken können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! So katastrophal, wie die Situation heute hier dargestellt wird, ist sie wirklich nicht, lange nicht.

Wir sind auch schon ein wenig – und auf das möchte ich in aller Kürze noch hinweisen –, selber schuld daran, daß die Lehre an Attraktivität verloren hat, daß der gesellschaftliche Stellenwert des Lehrlings ein geringer ist. Haben wir nicht unserer Jugend immer wieder gesagt, daß die manuelle Arbeit nicht das Richtige wäre, daß alle unbedingt in höhere Schulen gehen müssen, um in der Gesellschaft einen entsprechenden Wert zu haben? Haben wir nicht gesagt: Du sollst es besser haben!, und gemeint: Geh solange in die Schule, wie du nur kannst, das ist für dich und für uns das Allerbeste!? – Also, wir haben doch auch vor unserer eigenen Türe zu kehren. Aber es ist unsere Aufgabe, nicht nur in diesem Haus, sondern eines jeden auf seinem Platz, die Attraktivität der Lehrlingsausbildung zu ändern.


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Meine Damen und Herren! Wir haben Risken und negative Entwicklungen wahrzunehmen und entsprechend zu diskutieren, aufzuzeigen. Es kann nur unsere primäre Aufgabe sein, der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzutreten, und diese Absicht, meine ich, ist bei jedem der heutigen Diskussionsredner zu erkennen gewesen.

Es gibt nicht nur den Lehrlingsmangel, sondern es gibt auch Lehrstellenangebote, wo durchaus noch Lehrstellen frei wären. Leider haben wir die Situation, daß nicht jeder Lehrling den Posten, der frei wird, annimmt, und daß sich die weiblichen und auch die männlichen Lehrlinge auf einige wenige Berufe konzentrieren und nicht in den Tourismus, in das Gastgewerbe, in das Baugewerbe, um einiges aufzuzählen, gehen – denn hier gäbe es durchaus noch freie Lehrplätze.

Meine Damen und Herren! Der Staat hat überreguliert und gemeint, er müsse den Lehrling schützen, und er hat für den ausbildenden Betrieb natürlich Hürden aufgebaut. Ich meine, daß wir den Lehrling unter dem Strich fast zu Tode geschützt haben. Die heutige Situation behindert die Ausbildung, sie macht es den Gewerbetreibenden, den ausbildenden Betrieben entsprechend schwer, behindert aber auch den Lehrling in seinem Arbeitenwollen, in seinem Bedürfnis, eine entsprechende Ausbildung zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Als Konsequenz sollte nicht wieder ein besonderes Förderungssystem ins Leben gerufen werden, wieder nachgedacht werden, wem welche Förderung gegeben wird, und irgend jemand diese Förderung wieder verteilen, die alle einbezahlen. Ich meine, wir müssen die Hürden wegräumen, wir müssen entlasten, wir müssen entrümpeln, dann haben all jene Freiraum, die einen Lehrling aufnehmen wollen, und auch jene Jugendlichen, die sich einer Ausbildung als Lehrling unterziehen möchten.

Wir müssen die Lehrlinge an die Geräte, an die Maschinen lassen und sie nicht behindern. Wir müssen die Arbeitszeiten flexibilisieren und ermöglichen, daß auch ein wenig länger gearbeitet werden kann, wenn es zum Beispiel die Sommerzeit im Gastgewerbe erforderlich erscheinen läßt. Eine Umfrage des Linzer Market-Instituts sagt deutlich: 67 Prozent wollen selbst entscheiden, ob sie Überstunden machen oder nicht. Die Lehrlinge wollen arbeiten. Sie wollen sich auch die Lehrlingsentschädigung aufbessern. Es sollte nicht alles vom Staat geregelt und die Ausbildung damit eher behindert werden.

Die Mitversicherung bei den Eltern scheint mir eine Zeitlang sehr, sehr vernünftig zu sein. Wir müssen aber aufpassen, daß es zu keiner Verschlechterung der Situation der Lehrlinge kommt, sondern daß Pensionszeiten erworben werden. Auch das Karenzgeld ist eine wichtige Maßnahme, die dabei nicht verlorengehen darf.

Meine Damen und Herren! Auf die Lehrlingsentschädigung möchte ich noch besonders aufmerksam machen. Es gibt natürlich auch gutbezahlte Lehrlinge. Gerade in der metallverarbeitenden Industrie ist es wieder gelungen, eine Erhöhung der Entschädigung zu erreichen. Es gibt aber auch Lehrberufe, bei denen die Lehrlingsentschädigung äußerst niedrig ist. In diesen Fällen muß man einer Erhöhung wirklich das Wort reden. Das möchte ich in diesem Zusammenhang betonen.

Auch das Mofafahren ab 15 Jahren möchte ich unterstützen.

Meine Damen und Herren! Der Bericht ist zur Kenntnis zu nehmen, und wir sind aufgerufen, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Die Österreichische Volkspartei hat hiezu einen entsprechenden Forderungskatalog. (Beifall bei der ÖVP.)

21.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Farnleitner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister!

21.51

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Mehrere Damen und Herren Abgeordnete, ganz konkret Herr Abgeordneter Marizzi, haben das Drei-Punkte-Programm angesprochen und diesbezüglich Fragen gestellt.


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Ich möchte, was die Regierungsseite anbelangt, dazu sagen, daß der Punkt betreffend entsprechende Maßnahmen hinsichtlich der Kapazität von Lehrwerkstätten, die über den Bedarf ausbilden, in der Zwischenzeit bereits erfüllt worden ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, daß aufgrund einer von mir vor zwei Tagen unterschriebenen Verordnung nach § 8a des Berufsausbildungsgesetzes ein Ausbildungsversuch gestartet wird, wonach in einer Lehrzeit mehrere Berufsqualifikationen erworben werden können. Diese Verordnung ist bereits in Kraft getreten.

Betreffend den dritten Punkt, nämlich die gemeinsame Erarbeitung von zeitgemäßen Bedingungen für das Lehrlingswesen – auch das ist sehr oft angesprochen worden – möchte ich feststellen, daß die Experten beider Häuser den Sommer genutzt haben. Wir werden in wenigen Tagen beziehungsweise, wie ich hoffe, in zwei Wochen mit entsprechenden Verordnungs- beziehungsweise Gesetzentwürfen in die Begutachtung gehen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort wird von der Berichterstattung nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung , die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, den vorliegenden Berufsbildungsbericht 1995 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-11 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Bericht ist mit Mehrheit angenommen .

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 332 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit . Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen worden.

10. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 136/A (E) der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Abschaffung der Eintragungsgebühren in der Wirtschaftskammer (246 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangen wir zum 10. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 136/A (E) der Abgeordneten Haigermoser und Genossen betreffend die Abschaffung der Eintragungsgebühren in der Wirtschaftskammer (246 der Beilagen).

Es hat sich niemand als Berichterstatter gemeldet. Es wurde daher auf die mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich zu diesem Tagesordnungspunkt als erster Redner Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. 11 Minuten Redezeit.

21.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Eintragungsgebühr, früher Einverleibungsgebühr, ist nicht nur nach Meinung der Freiheitlichen, sondern auch nach der Meinung der Jung


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unternehmer ersatzlos zu streichen. Aus diesem Grund wurde dieser Antrag eingebracht. Es hat sich nämlich immer wieder herausgestellt, daß es sich lediglich um Lippenbekenntnisse seitens der Bundeswirtschaftskammer handelt, wenn von einer Gründungsoffensive gesprochen wird. Gehandelt wird dann eben anders.

Sehr geehrte Damen und Herren! Insbesondere die ÖVP, die Wirtschaftskammer, der Wirtschaftsbund – Herr Bundesminister! Sie kommen aus diesem Bereich! – haben diese Betriebsgründungsoffensive mehrmals angekündigt. Tatsache ist jedoch, daß jener, der sich dazu entschließt, in das Leben eines Gewerbetreibenden einzusteigen und sich selbständig zu machen, ein Hemmnis dadurch erfährt, daß er gleich einmal zu Beginn dazu genötigt wird, 5 000 S pro Fachgruppe – sollte er mehrere Gewerbe ausüben wollen, dann natürlich entsprechend vervielfacht – bei der Bundeswirtschaftskammer zu entrichten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Jungunternehmer von heute, denen Sie dabei behilflich sein wollen, diesen Schritt in die Selbständigkeit zu wagen, sind jene, die die Arbeitsplätze von morgen schaffen und sichern. Sie, sehr geehrte Damen und Herren, haben in diesem Zusammenhang die Chance, Sorge dafür zu tragen, daß der Gewerbezugang zumindest diesbezüglich erleichtert wird. Sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere der Wirtschaftskammer, des Wirtschaftsbundes! Lernen Sie daher, mit dem Geld der künftigen Mitglieder sowie natürlich auch mit dem Geld der bisherigen Mitglieder mit etwas mehr Sorgfalt und etwas mehr Einfühlungsvermögen umzugehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich weiß, daß Ihnen das nicht immer besonders leicht fällt. Ich kenne die nahezu endlose Geschichte mit den Außenhandelsförderungsbeiträgen, von denen Sie alle, die Sie hier sitzen, wissen, daß sie rechtswidrig eingehoben wurden, und zwar rechtswidrig nach entsprechender Feststellung des VfGH im Jahr 1993. Das heißt, die Außenhandelsförderungsbeiträge wurden eingehoben, und der VfGH verlangte die Rückerstattung dieser Beiträge vom Finanzministerium. Es sollte das natürlich dann von der Wirtschaftskammer an das Finanzministerium gehen, da nicht einzusehen ist, daß diese rechtswidrig eingehobenen Beiträge eine zusätzliche Belastung des Steuerzahlers sein sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich erlaube mir daher, einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Haigermoser, Dipl.-Ing. Prinzhorn und Böhacker betreffend die Dringlichkeit der Rückerstattung der zu Unrecht einbehaltenen Außenhandelsförderungsbeiträge einzubringen.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend Bericht darüber zu erstatten, welche Summe an Außenhandelsförderungsbeiträgen bereits rückerstattet wurde, auf welche Gesamthöhe sich die Rückerstattungsbeträge belaufen beziehungsweise in welcher Höhe die der Wirtschaft durch die Verzögerung der Rückerstattung entstandenen Zinsenentgänge liegen.

Der Bundesminister für Finanzen wird ferner aufgefordert, die umgehende Rückerstattung der zu Unrecht einbehaltenen Außenhandelsförderungsbeiträge an die Unternehmer sicherzustellen und weiters den Unternehmen den durch die Verzögerung bei der Rückerstattung der Beiträge entstandenen Zinsentgang entsprechend abzugelten."

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie können entsprechende Maßnahmen hier im Hause setzen, um das zu realisieren, was Sie draußen ankündigen und den Leuten versprechen. Tun Sie es! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.58


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Der von Abgeordnetem Dipl.-Ing. Hofmann verlesene und geschäftsordnungsmäßig ausreichend unterstützte Antrag wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. Redezeit: 10 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

21.58

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich könnte das Motto "das Kind mit dem Bade ausschütten" über das Begehren der Vertreter der FPÖ betreffend Abschaffung der Eintragungsgebühren der Fachgruppen der Wirtschaftskammern stellen.

Der Ausgangspunkt – das unterstelle ich Ihnen im positiven Sinne – waren sicher Ihre Überlegungen betreffend die geringe Selbständigenquote in Österreich. In diesem Punkt stimme ich Ihnen zu, daß Änderungen notwendig sind. Wir haben in Österreich mehr als 3,2 Millionen unselbständig Beschäftigte, von denen allein 653 000 im öffentlichen Dienst arbeiten. Diesem Beamtenheer stehen nur 250 000 aktive Unternehmer gegenüber. – Zum Vergleich: In der Schweiz oder in Schweden sind es 400 000, in den Niederlanden und in Belgien 800 000. Änderungen sind also sicherlich vonnöten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Unternehmer zu sein, beginnt jedoch im Kopf. Unternehmensgründungen scheitern sicherlich nicht an 5 000 S Einverleibungsgebühr. Wir brauchen vielmehr eine Änderung der Einstellung: Weg vom Denken des Beamtenstaates hin zu einer risikofreudigeren wirtschaftlichen Orientierung. Dazu ist es notwendig, daß eine Reihe von bürokratischen Hindernissen aus dem Weg geräumt wird. Die Hürden für die Unternehmensgründungen sind nämlich dermaßen hoch, daß sie offenbar wirklich nur von den Härtesten und Ausdauerndsten übersprungen werden können, so nach dem Motto: Nur die Härtesten kommen durch.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich stimme daher mit Ihnen überein, daß Änderungen nötig sind. Es nützt nichts, wenn in Portugal schon ein zehnjähriges Firmenjubiläum gefeiert wird, während bei uns erst die ersten Maschinen zu laufen beginnen. Es geht nicht um die 5 000 S Einverleibungsgebühr, die Sie hier anführen. Viel mehr wäre Jungunternehmern etwa bei der Übernahme eines Betriebes geholfen, wenn sie eine Atempause von zum Beispiel fünf Jahren für neu verfügte Auflagen bekämen oder wenn ihnen ein kürzeres Behördenverfahren zur Verfügung stände. Wir von der ÖVP fordern jedenfalls Neuerungen beziehungsweise Änderungen und werden diese auch verwirklichen! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Minister! Für Ihre Vorschläge in dieser Hinsicht und für Ihre Vorarbeiten möchte ich Ihnen heute und hier schon danken!

Nun zu einem anderen zu behandelnden Thema. Man sollte sich in diesem Zusammenhang nicht abschotten, sondern ganz offen diskutieren: Das Pfuscherwesen treibt tolle Blüten. Laut einer Studie der Universität Linz haben Pfuschereinkommen bereits einen Anteil von 7 Prozent am österreichischen Bruttoinlandsprodukts. Dieser Anteil wird im nächsten Jahr auf 8 Prozent ansteigen. Wo bleibt da die Chancengleichheit für die gewerblichen Betriebe, die Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen?

Doch nun zurück zum Motto der Freiheitlichen: das Kind mit dem Bade ausgießen. Ich freue mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Ihnen allen Mitstreiter beim Bürokratieabbau zu sehen. Für fadenscheinige Anträge bin ich aber nicht zu haben. Es ist typisch für die F-Vertreter, daß sie Vorschläge machen, ohne sich auch nur im mindesten den Kopf darüber zu zerbrechen, wie diese realisierbar sind. Das ist natürlich ein Privileg der Opposition! Sie können sich das leisten! Sie brauchen dafür nicht geradezustehen! Ich kann Sie in diesem Punkt aber nicht ernst nehmen. (Zwischenruf des Abg. Meisinger .) Ich kann Sie nicht ernst nehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FPÖ, wenn Sie im Rahmen eines Budgets 40 Millionen Schilling an zusätzlichen Belastungen fordern! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl .) Ich kann Sie nicht ernst nehmen, wenn Sie mehrmals die Abschaffung der Getränkesteuer


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fordern und keine Bedeckung für die Gemeinden haben, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FPÖ! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich kann Sie nicht ernst nehmen, wenn Sie die Abschaffung der Einverleibungsgebühren fordern, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie die Fachgruppen, in denen auch Ihre Vertreter sitzen, überhaupt finanziert werden sollen, weil sie auf diesen Finanzierungsbestandteil angewiesen sind.

Im Handel etwa sind sie – das müßte Herr Kollege Haigermoser doch besser beziehungsweise am besten wissen! – absolut auf diese Einnahmen angewiesen. Es gibt viele Bereiche, die sich zu 40, 45 oder 50 Prozent aus diesem Bereich finanzieren. Wenn Sie mir sagen, wie das anders zu regeln ist, bin ich jederzeit gerne bereit, darüber zu diskutieren. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die Zahlen sprechen Bände, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen. Ich habe daher eine Bitte an Sie: Informieren Sie sich, bevor Sie einen Antrag einbringen. Sie behaupten zum Beispiel, daß die Eintragungsgebühren in allen Fachgruppen 5 000 S betragen. – Ich darf Ihnen hingegen sagen: Sie liegen zwischen 500 S und 2 000 S, und nur in einem einzigen Fall betragen sie 5 000 S. Es mag schon sein, daß der Betrag von 5 000 S sehr hoch ist, ich bitte Sie aber trotzdem: Verallgemeinern Sie nicht! Wir sind das von Ihnen zwar gewohnt, aber als Wirtschaftsvertreter kann ich das im Sinne der Wirtschaft von Ihrer Partei auch einfordern. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FPÖ! Wenn Sie verallgemeinern, dann ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner .) Das glaube ich Ihnen. Ich habe schon oft Leute von Ihnen schreien gehört. Wenn Sie verallgemeinern, dann ist das Ihr Recht. Aber mein Recht ist es auch – und das müssen Sie akzeptieren –, Ihre Behauptungen richtigzustellen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.05

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Dr. Puttinger! Das einzige, was Sie an den Pfuschern stört, ist, daß sie keine Einverleibungsgebühr zahlen. Das verstehe ich ja! (Heiterkeit beim Liberalen Forum. – Beifall des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl .)

Ich meine ... (Abg. Dr. Puttinger: Keine Steuern, keine Sozialversicherung!) Ja, ja. Aber wirklich zu Herzen geht Ihnen nur der Entgang der Einverleibungsgebühr! (Abg. Dr. Puttinger: Wer sagt das?)

Es ist ganz erstaunlich, wenn Sie erzählen, daß sich die Fachgruppen des Handels bis zu 50 Prozent aus den Einverleibungsgebühren finanzieren. Das hieße ja, daß sie nur davon leben, daß möglichst viele in Konkurs gehen und wieder aufsperren, weil auf diese Weise Einverleibungsgebühren hereinkommen.

Aber nun zum Ernst der Sache: Meine Damen und Herren Wirtschaftskämmerer, die Sie ja ehrenvollerweise in großer Dichte hier sitzen! Sie brauchen jedes Jahr 6,7 Milliarden Schilling – in Worten: 6 700 Millionen Schilling! –, um die Interessen der Unternehmer so mies zu vertreten, wie das in Österreich der Fall ist. Wenn für das viele Geld, das wir Ihnen geben, zumindest die Rahmenbedingungen gut wären, wenn wir zumindest sagen könnten: Wir Unternehmer in Österreich leben wie in einem Paradies, da wir jährlich 6 700 Millionen Schilling aufbringen, damit Sie uns vertreten!, wäre er ja noch einigermaßen zu vertreten, dieser Aufwand. – Das ist jedoch nicht der Fall! (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger .) Es ist vielmehr so, daß wir die dritthöchsten Arbeitskosten haben, daß wir über viel Bürokratie jammern müssen et cetera.

Wollen Sie 6 700 Millionen Schilling im Jahr, um damit die Macht der ÖVP zu erhalten? – Die Interessen der ÖVP sind aber nicht die Interessen der österreichischen Unternehmer. Es gibt


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immer noch einige wenige "irregeleitete" Unternehmer, die nicht bei der ÖVP sind. Die Parteipolitik hat mit den Unternehmen in Wirklichkeit nämlich überhaupt nichts zu tun. Sie verbrauchen 6 700 Millionen Schilling im Jahr, um angeblich die Interessen der Unternehmer zu vertreten! Das ist der Punkt, über den wir hier diskutieren! (Abg. Dr. Puttinger: Das ist die Einverleibungsgebühr!)

Die Einverleibungsgebühr ist nur eine von vier Einnahmequellen, die Sie haben, von denen Sie – wie Sie sehr gut wissen – nur zwei Ihren Mitgliedern offenlegen. Die Einverleibungsgebühr muß mit Erlagschein eingezahlt werden. Kaum wird ein Unternehmen geboren, flutsch!, bekommt es einen Erlagschein. Sie könnten zumindest einen Brief schicken, in dem Sie dazuschreiben: Wir freuen uns, daß Sie auf die Welt gekommen sind!

Dann ist regelmäßig fairerweise und richtigerweise eine Grundumlage zu bezahlen, die die Fachgruppe kassiert. Dazu kommt aber klammheimlich – 90 Prozent der Unternehmer wissen das gar nicht – die KU 2 von den Lohnnebenkosten. – Höre ich richtig? Die Wirtschaftskammer finanziert sich aus den Lohnnebenkosten? – Herr Dr. Heindl, das kann doch gar nicht sein! Die Wirtschaftskammer ist doch gegen die Lohnnebenkosten! Sie kann sich doch unmöglich aus den Lohnnebenkosten finanzieren!

Und dann kommen noch klammheimlich von der Vorsteuer ein paar Promille. (Abg. Dr. Stummvoll: Was heißt "klammheimlich"?) Sie haben ja nicht einmal den Mut, Ihren Mitgliedern zu sagen, was Sie wirklich von ihnen kassieren! Schreiben Sie doch Ihren Mitgliedern einmal im Jahr einen Brief, in dem es heißt: Lieber Unternehmer! Du hast mir auch heuer wieder gezahlt: Einverleibungsgebühr, Grundumlage, KU 1, KU 2, das macht insgesamt soundsoviel aus. Sind wir dir das wert? Erbringen wir eine so gute Leistung? Erbringen wir so gute Dienstleistungen den Mitgliedern, daß es ihnen das wert ist?

Noch einmal: 6 700 Millionen Schilling im Jahr für die Interessenvertretung der Unternehmer in Österreich ist einfach zu viel. (Beifall des Abg. Haigermoser. ) Sparen Sie ein! Arbeiten Sie wirtschaftlicher! Schicken Sie die Sektionen nach Hause! Schichten Sie um in Ihrem Haus! Stellen Sie einmal in Ihrem Unternehmen fest, was wir in unseren Unternehmen täglich feststellen: daß wir Kosten einzusparen haben! (Abg. Wurmitzer: Das ist Demagogie!) Lieber Kollege, das ist keine Demagogie! Dazu kenne ich den Verein viel zu gut. Sie haben Fachgruppen: Diese sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Daneben gibt es noch die Fachverbände und die Sektionen. Sie können sich den Kopf darüber zerbrechen, wie Sie neue Strukturen schaffen. Sie werden jedoch so lange keine neuen Strukturen schaffen, solange Sie wissen, daß Sie jedes Jahr 6 700 Millionen Schilling auf den Tisch des Hauses bekommen. Unter diesen Umständen werden Sie nie unter dem Druck stehen, wirtschaftlicher arbeiten zu müssen.

Noch einige kurze Bemerkungen: Ich habe die Ehre gehabt, lange Sektionsleitungen anzugehören. Ich habe aber nie verstanden, warum es Sektionen gibt. Die Sektionen haben sich gänzlich überholt. Die Fachgruppen haben eine ganz wichtige Funktion, die Fachverbände sind wichtige Institutionen. Es ist jedoch die einzige Funktion der Sektionen auf Bundes- und Landesebene, auf die Fachgruppen aufzupassen, wahrscheinlich, damit sie keinen Blödsinn machen, damit sie nicht gegen den Mainstream schwimmen, den es in der Wirtschaftskammer zu geben hat.

Sparen Sie ein! 6 700 Millionen sind zuviel! Und die Abschaffung der Einverleibungsgebühr ist der erste Schritt dazu! (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.09

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir diskutieren einen Entschließungsantrag der Freiheitlichen zum Thema Eintragungsgebühren. In Wirklichkeit geht es aber um mehr, und ich glaube auch, daß die ganze Aufregung in eine falsche Richtung führt.


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Ich glaube, daß eigentlich alle in diesem Haus wollen müssen, daß es mehr Leute gibt, die sich unternehmerisch betätigen, und wenn wir das ernsthaft wollen, dann müssen wir feststellen, daß es nicht an den Eintragungsgebühren liegt. In diesem Punkt stimme ich mit Kollegen Puttinger völlig überein: Wichtig ist eine Bewußtseinsänderung.

Herr Kollege Puttinger! Ich muß aber etwas dazusagen: Ich glaube auch, daß sich die mentale Einstellung zuerst ändern muß. Wenn wir jedoch alles so belassen, wie es jetzt ist – auch wenn wir das nicht wollen –, dann ist das auch ein Thema. Und es geht ja nicht nur um die Eintragungsgebühr. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .)

Lieber Kollege Haigermoser! Du weißt es ganz genau. Es gibt eine Fülle von Kosten vorher zu entrichten, und deswegen haben wir in der letzten Wirtschaftsausschußsitzung den Herrn Wirtschaftsminister mit einem Entschließungsantrag aufgefordert, alle Kosten, die mit dem Zugang zum Gewerbe verbunden sind, zu prüfen und auch zu überprüfen, welche Kosten beseitigt werden können. Denn diese Kosten sind höher als 500 S oder 1 000 S oder 5 000 S. Ich meine etwa Prüfungstaxen, Kurskosten, Anmeldeformulare. Ich meine den Hürdenlauf zu den Behörden. Darum geht es!

Wie bei der letzten Debatte anläßlich der ersten Lesung des Antrages der Liberalen schon gesagt: Wir wollen eine radikale Kur, und zu einer radikalen Kur gehört nicht nur eine Bewußtseinsänderung und Deregulierung. Vielmehr muß auch die gesamte Kostenfrage geklärt werden. Und das ist nur im Rahmen eines Gesamtpakets möglich, und wir wollen dieses so rasch wie möglich. Ich habe das letzte Mal gesagt: Mir wäre es am liebsten, wir hätten es schon. In diesem Zusammenhang ist das Thema Eintragungsgebühr aber wirklich nur ganz geringfügig. Wir wollen eine Gesamtreform, durch welche viele Österreicherinnen und Österreicher ermutigt werden sollen, unternehmerisch tätig zu werden. Da müssen wir aber viel beseitigen, nicht nur die Eintragungsgebühr. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

22.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Haigermoser. Herr Abgeordneter! Ihre Fraktion hat noch 7 Minuten Gesamtredezeit. – Bitte.

22.12

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Kollege Puttinger! Sie haben gesagt, daß sich der Wille, Unternehmer zu sein, in den Köpfen festsetzen muß. Es gibt einen offenen Brief des Herrn Günther Gerwein aus Linz vom 18. September 1996, der auch an die Kammer gerichtet war, und interessanterweise heißt es darin wörtlich: "In der von der Wirtschaftskammer unter den Titel gestellten Betriebsgründungswoche ’96 erhebt gerade die Fachvertretung eben dieser Kammer Einspruch gegen die mir von der Verkehrsabteilung des Landes Oberösterreich bewilligte Nachsichtserteilung."

Das heißt, es wird von der Kammer verhindert, daß sich, obwohl die Behörde Nachsicht geübt hat, jemand selbständig macht! Von diesem Mann will die Kammer offensichtlich nicht einmal die Einverleibungsgebühr! In diesem Fall wollen Sie nur einen Unternehmer vom Gründen eines Betriebs abhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.)

Das ist also die Offensive Maderthaners, daß es sofort 55 000 neue Unternehmer geben soll! Man schickt den 44jährigen Günther Gerwein als nicht vermittelbar in die Arbeitslose. Das verbessert zwar die Statistik nicht, aber die Kammer hat Ruhe, und es gibt weniger Konkurrenz. – Das sind Fakten, und der vorgetragene ist kein Einzelfall, sondern so etwas kann man täglich erleben, meine Damen und Herren. Daher müssen wir diese traurige Geschichte hier leider Gottes verkünden!

Wir könnten jetzt über die Praxis im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung reden. Es wird schon lange von vielen Vernünftigen in diesem Hause versucht, etwas zu verbessern. Es geschieht jedoch nichts, es wird nur gemauert.

Meine Damen und Herren! Ich bringe meine Punkte jetzt wirklich im Eilzugstempo vor: Was kostet die Gründung einer GesmbH in Österreich im Verhältnis zu den Kosten einer solchen


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Gründung in Deutschland? Vergleichen muß man immer gleiches: In Österreich kostet eine solche Gründung 118 330 S, in der Bundesrepublik kostet die Gründung eines gleichen Unternehmens insgesamt 8 350 S. (Abg. Dr. Puttinger: Das sind aber nicht die Kosten der Kammer!) – Ich bin dankbar für diesen Zwischenruf!

Die Eintragungsgebühr – oder Einverleibungsgebühr, wie sie im Volksmund in Österreich heißt – beträgt bei uns 20 000 S und in der Bundesrepublik null Schilling. (Abg. Dr. Puttinger: Das stimmt nicht! Das gibt es gar nicht!) Dort zahlt man überhaupt nichts! In Österreich werden jedoch 20 000 S abkassiert!

Wenn wir das bei der Wirtschaftskammervollversammlung vorbringen, bekommen wir aber zu hören: Was regt ihr euch denn auf? Da sagt etwa ein hochrangiger Innungschef wie der Fachverbandsvorsteher für Güterbeförderung, Herr Moser aus Stockerau: "Derjenige, der nicht bereit ist, die Einverleibungsgebühr zu bezahlen" – so steht es im Protokoll –, "der soll es bleiben lassen!" Er sagt dem Grunde nach: Wenn heute jemand in einen Tennisklub oder in einen Golfklub eintritt, dann ist er bereit, 50 000 S bis 150 000 S an Eintragungsgebühr zu bezahlen, bei uns hingegen will er nichts zahlen! Dann soll er es überhaupt bleiben lassen.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Puttinger! Es muß sich wirklich etwas in den Köpfen abspielen, aber in eine andere Richtung, in eine offensive Richtung! Es darf nicht bei der so versteinerten, verzopften, verknöcherten Kämmererkopfarbeit bleiben! Das ist ja kontraproduktiv! Hast du das noch nicht erkannt, Kollege Puttinger? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist ja vom Hinterwald!

Aber leider Gottes ist dies kein Einzelfall, sondern eines geht nahtlos ins andere über. Es werden Resolutionen von eben diesen besorgten Unternehmern gefaßt, etwa betreffend Gewerbe, Handwerk am 17. September: "Die Mandatare und Funktionäre der Wirtschaftskammer" – auch Sie, Herr Präsident Puttinger, Herr Stummvoll! – "werden dringend gebeten, Gesetzesinitiativen dahin gehend zu ergreifen, daß die derzeitige Werkvertragsregelung ersatzlos gestrichen wird." Auch das gehört zu diesem Paket: In den Köpfen muß sich das Unternehmerwerden abspielen.

Was tun jedoch Sie in diesem Haus? – Sie stimmen gegen die Interessen Ihrer eigenen Kammerfunktionären! Meine Damen und Herren! Da wird klar, wo der Hase im Pfeffer liegt! Sie sind auf dem falschen Trip. Sie mauern ab, hängen sich bei verschiedenen Betonierern ein – so möchte ich das jetzt formulieren – und sind nicht bereit, die Unternehmeroffensive, von der Sie in Ihren Sonntagsreden sprechen, umzusetzen. Das ist das Problem!

Sie sagen: 5 000 S sind kein Problem, der Beitritt zu einem Golfklub kostet viel mehr, und im Ausland ist es noch viel schlimmer. Bei uns ist ohnedies alles paletti. – Aber bei einem Taxifahrer, der sich selbständig machen will, mauern Sie ab und sind nicht bereit, ihn sein Gewerbe ausüben zu lassen und ihn aus der Arbeitslosigkeit zu befreien, meine Damen und Herren. Das ist Doppelzüngigkeit, das ist eine Politik der Unglaubwürdigkeit! Sie brauchen überhaupt nicht auf die Freiheitlichen zu zeigen! Sie sind einmal mehr auf frischer Tat ertappt worden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich komme zum Schluß: Das schlechte Gewissen ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Heindl .) Kollege Heindl! Ich bin dankbar für den Einwurf, daß eurerseits im Ausschuß ein Entschließungsantrag der Koalition eingebracht wurde! Die meisten wissen aber gar nicht, was in diesem Entschließungsantrag steht. Es wird dort zugegeben, daß die Einverleibungsgebühr auch ein Hindernis auf dem Weg in die Selbständigkeit ist. Da heißt es: "Diese Einverleibungsgebühr verursacht insgesamt hohe Kosten, die für die Jungunternehmer eine große finanzielle Belastung sind. Eine Reform der Zugangsvoraussetzung erfordert auch eine Überprüfung der Kosten des Gewerbeeintrittes."

Jetzt sind aber schon wieder vier Monate seit dem Beschluß dieses Antrages vergangen. Was ist passiert? – Der Herr Bundesminister wird uns nicht sagen können, daß er bereits tätig geworden ist, sicherlich nicht. Oder werden Sie mich jetzt eines Besseren belehren, Herr Bundesminister? Wann wollen Sie denn tätig werden, am Sankt-Nimmerleins-Tag oder überhaupt nicht? Bekennen Sie Farbe!


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Wir halten Sie nicht auf, offensiv zu werden, Stolpersteine auf dem Weg zum Selbständigwerden wegzuräumen, damit wir wirklich zu einer Gründeroffensive und zu einer Entlastung der Unternehmer kommen. Fangen Sie bei sich selbst und bei der Wirtschaftskammer an! Sie werden sowieso im Zusammenhang mit der KU 1 aufgrund der Prozesse, die die eigenen Mitglieder führen, noch hin und wieder das Fürchten lernen und ins Schwitzen kommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren betreffend den Antrag des Wirtschaftsausschusses, seinen Bericht 246 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen, ein.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Danke. Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 246 der Beilagen beigedruckte Entschließung .

Ich bitte gleichfalls im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist abermals die Mehrheit. Angenommen. (E 25.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haigermoser und Genossen betreffend Dringlichkeit der Rückerstattung der zu Unrecht einbehaltenen Außenhandelsförderungsbeiträge.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag beitreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

11. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 20/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Kraft-Wärme-Kopplungen (245 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zum Punkt 11 der Tagesordnung: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 20/A (E) der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend Kraft-Wärme-Kopplungen (245 der Beilagen).

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten damit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben 1 Minute Redezeit.

22.19

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Aus freiheitlicher Sicht stimmen wir dem Antrag, dem Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung verstärkt zum Durchbruch zu verhelfen, sicherlich zu. Das ist ökologisch sinnvoll, es ist zweckmäßig und energiewirtschaftlich sinnvoll. Es können entsprechende Wirkungsgradverbesserungen damit erreicht werden.

Ich gebe hierzu einige Zahlen bekannt: Österreichische kalorische Kraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 30 bis 42 Prozent, bei Einsatz einer Kraft-Wärme-Kopplung ist mit 80 bis 85 Prozent zu rechnen.

Sehr negativ zu vermerken ist die Ökosteuer, die keine Ökosteuer, sondern eine Budgetlochstopfsteuer ist, und ich möchte auch nicht verabsäumen, in aller Kürze hier noch einmal die


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Regelung der Energieeinspeisevergütung anzusprechen – ein Problem, von dem Sie wissen, daß es behandelt werden und einer vernünftigen Lösung zugeführt werden muß. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

22.21

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Entschließungsantrag bereits im Ausschuß diskutiert, und ich habe dort schon darauf hingewiesen, daß die in der Einleitung gemachte Feststellung zu diesem Entschließungsantrag, Herr Kollege Barmüller, nämlich der Hinweis auf das von der Bundesregierung unterzeichnete Toronto-Abkommen, nicht richtig ist. Es gibt kein von der österreichischen Bundesregierung unterzeichnetes Toronto-Abkommen. Es ist vielmehr so, daß in einer in Toronto stattgefundenen Wissenschafter-Konferenz erklärt wurde, daß eine Senkung der CO2-Emissionen um 20 Prozent bis zum Jahr 2005 ein wünschenswertes Ziel wäre.

Wir Österreicher haben uns dieses Ziel, wie im letzten Energiebericht erwähnt, selbst auferlegt. In der Diskussion zum Energiechartaprotokoll, das wir im Hause bereits beschlossen haben, wird von Energieeffizienz und damit verbundenen Umweltaspekten gesprochen, und ausdrücklich wird auf die Unterstützung und Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungen als eine wichtige Maßnahme zur Erhöhung der Energieeffizienz hingewiesen. Wir wissen, daß die Erhöhung der Energieeffizienz mit einer Reduktion des CO2-Ausstoßes in Österreich einhergeht. Die österreichische CO2-Kommission spricht in diesem Zusammenhang von 1,2 Prozent Verringerung, die dabei angenommen werden.

In diesem Entschließungsantrag werden also Einspeisebedingungen gefordert. Dazu möchte ich auf das verweisen, was ich in diesem Zusammenhang schon gesagt habe: Meine Fraktion wird beim Wirtschaftsminister dafür eintreten, daß das bestehende Generalübereinkommen so lange verlängert wird, bis wir in einem Energieorganisationsgesetz die Einspeiseregelung neu festlegen können. Ich bin der Meinung, daß wir die Frage der Kraft-Wärme-Kopplung in diesem Zusammenhang ebenfalls mit überlegen sollten.

Aus all diesen Gründen, meine Damen und Herren, ist unserer Meinung nach kein eigener Entschließungsantrag erforderlich. Wir werden daher nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

22.23

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Oberhaidinger! Die Einleitung ist in diesem Punkt von Ihnen zu Recht kritisiert worden. Gott sei Dank beschließen wir nicht die Begründung des Antrages, sondern nur den Text der Entschließung. Und dieser Text nimmt darauf Bezug, daß Kraft-Wärme-Kopplung verstärkt eingesetzt werden soll. Das haben wir uns nicht einfach aus den Fingern gesogen, meine Damen und Herren, das ist eigentlich hier im Hause schon durchaus Stand der Diskussion, und es ist – ich verweise abermals darauf – im Nationalen Umweltplan auch expressis verbis festgeschrieben.

Meine Damen und Herren! Da steht auf Seite 123, daß etwa Programme zur Sanierung der thermischen Gebäudequalität und zur Verbreitung von Wärme-Kraft-Technologien erste Priorität verdienen – nicht zweite oder dritte, nein, erste Priorität! Es steht ebenfalls auf Seite 123 des NUP geschrieben, daß bei der thermischen Nutzung von Energie soweit als möglich der Einsatz von Wärme-Kraft-Technologien vorzusehen ist.


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Herr Abgeordneter Oberhaidinger! Hinsichtlich Verlängerung des freiwilligen Generalabkommens betreffend die Einspeiserichtlinie oder die Vergütungen steht im Nationalen Umweltplan – von den Regierungsparteien hier im Hause schon intern in Beratung genommen, wie ich hoffe, jedenfalls uns von der Regierung schon zugewiesen –: In vielen Fällen sind es institutionelle Hemmnisse wie nicht verbindliche Rückspeisetarife in die öffentlichen Netze, die diese innovativen Energietechnologien, nämlich die Kraft-Wärme-Kopplungen, behindern.

Meine Damen und Herren! Es ist ganz klar, was die Probleme sind: Die erneuerbaren Energieträger werden nicht in dem Maße eingesetzt, wie es von der Bundesregierung, wie es von Ihnen selbst erwünscht ist. Ich verstehe nicht, meine Damen und Herren, und Sie haben mir das bis heute nicht erklären können, wie es dazu kommen kann, daß Sie zwar in dicken Berichten diese Bekenntnisse abgeben, aber dann etwa im Strukturanpassungsgesetz eine eklatante Benachteiligung der erneuerbaren Energieträger durch Unterwerfung unter die Elektrizitätsabgabe beschließen, ohne sich zu fragen, ob das nicht an Ihrer Glaubwürdigkeit zehrt, ohne sich zu fragen, ob damit nicht alles, was Sie hier einbringen und in der Regierung beschließen wollen, nicht schon Makulatur ist, bevor es hier im Hause überhaupt in Diskussion gezogen worden ist.

Herr Abgeordneter Oberhaidinger! Es tut mir leid, aber Ihre Begründung für die Ablehnung des Antrags ist substantiell nicht gerechtfertigt, und ich versichere Ihnen heute schon, daß im neuen Energieorganisationsgesetz des Herrn Bundesministers Farnleitner ein Schmarren drinstehen wird über die erneuerbaren Energieträger und deren Bevorzugung zum Zwecke der Hintanhaltung von negativen Effekten für die Umwelt. Es wird nichts drinstehen zur Bevorzugung der erneuerbaren Energieträger, um etwa unsere Auslandsabhängigkeit im Rahmen der Energieversorgung zu senken. Es muß erst der Verbund-Generaldirektor auftreten und Ihnen sagen, daß Wasserkraftwerke in Österreich nicht mehr wirtschaftlich sind. Aber man verweigert sich in Österreich kontinuierlich der Biomasse, und damit weigert man sich auch, der Landwirtschaft, den Bauern in Österreich ein zusätzliches Einkommen zu ermöglichen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

All das, meine Damen und Herren, ist Ihnen bekannt, aber Sie tun nichts. Genau das ist es, was Ihre Glaubwürdigkeit in den Augen vieler Österreicherinnen und Österreicher hintanhält.

Meine Damen und Herren! Was Sie im Nationalen Umweltplan versprochen haben, sollten Sie auch umsetzen. Das ist eine Gelegenheit dazu; ich sehe, es ist für Sie wieder eine versäumte Gelegenheit. Ich nehme an, es wird nicht die letzte sein, denn ich versichere Ihnen, daß wir nicht ruhen werden, bis wir in Österreich für die erneuerbaren Energieträger Biomasse, Biogas, Windenergie, Sonnenenergienutzung endlich jene Bedingungen haben, die Umweltbelastungen hintanhalten, unserer Landwirtschaft, den Bauern ein zusätzliches Einkommen sichern, damit wir endlich eine erhöhte Versorgungssicherheit und eine größere Unabhängigkeit von Energieträgerimporten in Österreich erreichen können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

22.28

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Barmüller hat uns gerade den Nationalen Umweltplan vorgehalten. – Es ist eigentlich verwunderlich, Herr Kollege Barmüller, daß Sie von uns verlangen, etwas zu beschließen, was die Bundesregierung im Nationalen Umweltplan bereits festgelegt hat. Es ist also widersinnig, was Sie von uns verlangen, und ich sage Ihnen: Die Österreichische Volkspartei konnte und kann dem Antrag des Liberalen Forums nicht zustimmen.

Ich möchte nicht sagen, daß er schlecht gemeint ist, im Gegenteil. Er ist sogar gut gemeint; er ist aber in der Situation, in der sich Österreich befindet, sehr wenig hilfreich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte das nicht nur feststellen, sondern auch begründen. Die bisherigen Leistungen der österreichischen Unternehmen in bezug auf die CO2-Reduktion können sich sowohl national wie


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40. Sitzung / Seite 173

auch international in jeder Art und Weise sehen lassen. Die Situation ist heute so, daß ein einziges Werk im Ausland mehr CO2-Emissionen verursacht als die Summe der österreichischen Betriebe. Das muß man hier einmal feststellen.

Es ist auch die Frage der Konkurrenzfähigkeit zu stellen, denn ab einer gewissen Rate ist jedes Prozent mehr an CO2-Reduktion sehr deutlich merkbar.

Die zweite Begründung, Herr Kollege Barmüller: In vielen Bereichen der Industrie sind Kraft-Wärme-Kopplungen gang und gäbe. In der österreichischen Stahlindustrie kommen 62 Prozent des Stromverbrauchs aus Eigenproduktion, in der Papierindustrie sind es mehr als 53 Prozent, in der chemischen Industrie mehr als 20 Prozent.

Ich gebe aber zu, daß es gewisse Hindernisse gibt. Das sind zum einen die Einspeisetarife, da haben Sie recht. In Kärnten haben wir ein Beispiel gesetzt: Bei uns wird eine Kilowattstunde aus Photovoltaik mit 10 S abgegolten – allerdings mit einer Begrenzung nach oben, weil EVUs eine gewisse Grenzenlosigkeit nicht ertragen können. (Abg. Wabl: Investitionszuschuß?)

Aber ich muß noch dazusagen, Herr Kollege Barmüller, daß das größte Problem nicht die legistische Seite und nicht die Regierung, sondern die Versorgungsgarantie darstellt. Wenn die Versorgungsgarantie gewährleistet werden soll, müssen Parallelsysteme gefahren werden. Ich kann Ihnen das sagen, weil ich aus einer Gemeinde in Österreich komme, die bereits seit drei Jahren ein Blockheizkraftwerk zur Wärmeerzeugung in Betrieb hat. Und ich kenne die Probleme sehr, sehr genau. Ich weiß daher ganz genau, wovon ich spreche.

Der dritte Grund: Kraft-Wärme-Kopplung bedeutet auch eine Gesamtumstellung des österreichischen Systems. Es ist ein dezentrales System, und es müssen Angebot und Verbrauch neuerlich koordiniert werden. Das hängt mit dem jahreszeitlich unterschiedlichen Angebot zusammen und erfordert daher eine Systemumstellung im gesamten Bereich.

Wir vertreten die Meinung, daß eine Systemumstellung nur im Gleichklang mit der EU erfolgen soll. Es ist Ihnen bekannt, daß ab 1. Jänner 1997 eine neue Richtlinie für den Strommarkt in der EU Geltung haben wird (Abg. Wabl: Kollege Wurmitzer, wie ist das mit den 10 S?), und aus diesem Grund wird Herr Bundesminister Farnleitner im nächsten Jahr nach Inkrafttreten dieser Richtlinie auch ein entsprechendes Elektrizitätsorganisationsgesetz für Österreich vorlegen. Darin werden wir alle Anstrengungen, die Zielsetzungen der Kraft-Wärme-Kopplung zu forcieren und die Effizienz der eingesetzten Primärenergie noch weiter zu steigern, unternehmen. (Abg. Wabl: Wie ist das mit den 10 S?)

Wenn Sie hier feststellen, daß ein Informationsdefizit besteht, dann muß ich sagen: Es kann sein, daß dieses Defizit beim Liberalen Forum vorhanden ist – bei den Regierungsparteien ist es jedenfalls nicht feststellbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Barmüller: Sie werden also dem Antrag zustimmen?)

Herr Kollege Barmüller, ich kann Ihnen gerne Nachhilfestunden in diesen Fragen geben, weil ich aus einer Gemeinde in Österreich komme, die über ein Energiekonzept verfügt, welches sie in Bälde energiemäßig völlig autark machen wird. Wir kennen uns also aus, und gerade weil wir uns auskennen, können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.33


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40. Sitzung / Seite 174

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

22.33

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Wir haben diese Diskussion bereits geführt, auch in den letzten Plenardebatten. Ich habe nur eine ganz bescheidene Bitte bei dieser Debatte: Verschweigen Sie sich nicht, Herr Wirtschaftsminister Farnleitner und Herr Umweltminister Bartenstein, sagen Sie, was Sie von diesem Thema halten. Ich bitte darum. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

22.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, seinen Bericht 245 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

12. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 9/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich (233 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen schließlich zu Punkt 12 der Tagesordnung: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 9/A (E) der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich (233 der Beilagen).

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten damit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

22.35

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit möchte ich mich so kurz wie möglich fassen. Ich erkenne aus dem Sitzungsverlauf und der Anordnung der Tagesordnung, daß dieses Thema heute sicher nicht ernsthaft hätte diskutiert werden können. Das ist kein so besonderes Unding, wir haben ja bei anderen Gelegenheiten schon erlebt, daß, wenn man Sachvorschläge bringt, diese nur widerwillig diskutiert werden.

Trotzdem eine Bemerkung zur Sache:

Die Zielrichtung unseres Entschließungsantrages war es, das Recht jedes Kindes auf ein Existenzminimum durchzusetzen, mit anderen Worten, die soziale Treffsicherheit der in Geld ausgezahlten Transfers im Familienbereich zu verbessern. Jeder kennt die Verteilungsstudien, jeder kennt die Problematik der horizontalen Verteilungsgerechtigkeit. Das ist ein Teilelement davon.

Das Ergebnis dieses Antrags war, daß er zuerst zwischen dem Sozialausschuß und dem Familienausschuß tischtennisartig hin- und hergespielt und dann mehr oder weniger diskussionslos niedergestimmt wurde. Ich gehe daher davon aus, daß auch in der heutigen Abstimmung der negative Ausschußbericht die satte Regierungsmehrheit finden wird.

Ich glaube daher, das Beste, was man tun kann, ist, a) zur Kenntnis zu nehmen, daß das so sein wird, und b) sich vorzunehmen, diese Initiative neu einzubringen – ich sage das ganz bewußt –, selbstverständlich modifiziert und insbesondere auch darauf gestützt, daß inzwischen der Herr Bundeskanzler und der Herr Finanzminister, aber auch andere Mitglieder der Bundesregierung zu erkennen gegeben haben, daß eine einkommensabhängige Gestaltung der Transferleistungen in diesem Bereich auch für sie durchaus vorstellbar zu werden beginnt.

Ich meine, es wäre bitter und dringend notwendig, daß wir uns endlich dazu entschließen, dort, wo echte Armut vorherrscht und wo die prekären Verhältnisse bereits zum Himmel schreien,


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nicht nur kleine, sondern nennenswerte Beträge zu zahlen, damit eben für jedes Kind ein auskömmliches Existenzminimum zur Verfügung steht, für das leistungsfähige Eltern großteils oder auch zur Gänze selber aufkommen werden können, weniger leistungsfähige Eltern allerdings gar nicht. Und denen helfen diese linearen Zahlungen nichts.

Es ist ein falscher Zugang zum Gleichheitsanspruch, wenn man meint, man könne ihn damit einlösen, daß man jedem dasselbe zahlt, ohne Ansehen des Umfeldes. Wir meinen eben, daß jedes Kind dasselbe auskömmliche Existenzminimum haben sollte – unter Inanspruchnahme der Leistungsfähigkeit des Umfeldes und in zweiter Linie selbstverständlich unter Inanspruchnahme der Solidaritätsgemeinschaft.

Ich glaube, dieser Gedanke wird sich durchsetzen. Daher werden wir die heutige Abstimmungsniederlage mit Fassung tragen und unsere Initiative neu formulieren, das Gespräch neu aufnehmen. Wir haben auch bei anderer Gelegenheit gelernt: Nur wenn man ausdauernd ist in manchen Fragen, bewegt man etwas, und wir blicken Ihrem Stimmverhalten mit Traurigkeit, aber auch mit Gelassenheit entgegen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

22.38

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! – Herr Abgeordneter Kier! Sie haben schon in Ihrer Rede vom 18. April 1996 – wenn Sie mir Ihr geneigtes Ohr schenken würden, dann könnte ich Ihnen auf das, was Sie gesagt haben, antworten – beklagt, daß auf den Vorschlag des Liberalen Forums nicht eingegangen wird. Es gibt keinen Vorschlag, nur einen Antrag, der auf viele Fragen Antworten schuldig bleibt. Aber zunächst möchte ich vier Fakten voranstellen:

Faktum eins: Österreich liegt in der Familienförderung im österreichischen, nein, im europäischen Spitzenfeld. (Abg. Dr. Graf: Im österreichischen Spitzenfeld, da haben Sie recht!) Wenn Sie bei Ihrer eigenen Wortwahl immer so genau wären und sich zuhören könnten, dann würden Sie merken, daß das manchmal kabarettreif ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Faktum zwei: 1995 und 1996 waren Strukturanpassungen notwendig, und zwar wegen der Ausweitung von sozial- und familienpolitischen Maßnahmen, und der Familienlastenausgleichsfonds ist defizitär geworden. Defizit bedeutet Schulden, Schulden beim allgemeinen Budget, und Schulden müssen zurückgezahlt werden. Das heißt, daß der FLAF erhebliche Strukturprobleme hat.

Wir haben auch ein Faktum drei, nämlich den rasanten Strukturwandel der Familie. Jede dritte Ehe wird geschieden, jede fünfte Familie ist eine Alleinerzieherfamilie, und neue Familienformen entstehen. Heute steht im "Kurier", daß die Anzahl der Singles rapide wächst.

Das vierte Faktum ist, daß wir zunehmend dem Phänomen der neuen Armut gegenüberstehen. Besonders armutsgefährdet sind nach Ansicht vieler Experten Alleinerzieherinnen, Alleinverdiener mit niedrigem Einkommen und Mehrkindfamilien mit niedrigem Einkommen. Das sind Fakten, und daraus ergibt sich schlüssig, daß ein Reform- und Regelungsbedarf im familienpolitischen Förderungswesen besteht.

Wir haben auch eine neue Situation aufgrund eines Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes wegen einer Beschwerde. Diese Beschwerde wird zu einer Überprüfung der steuerlichen Aspekte der Familienförderung führen, und da möchte ich einhaken. Es ist nämlich meiner Meinung nach äußerst problematisch, nur einen Aspekt, nämlich den steuerlichen Aspekt, herauszugreifen und eine Reform im steuerlichen Bereich zu fordern.

Trotz aller Reformbestrebungen muß man nämlich sagen, daß bei einer Reform alle Leistungen zu sehen sind, das gesamte Paket zu betrachten ist, nämlich alle Leistungen, die der Familie zur Verfügung stehen. Das wären Transferleistungen, steuerliche Maßnahmen, Leistungen der


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40. Sitzung / Seite 176

Sozialversicherung, Sachleistungen und Leistungen der Länder und der Gemeinden. Es kann doch nicht unser Ziel sein, daß bei einer durchaus notwendigen Reform der Familienförderung die Besserverdienenden noch mehr Leistungen in Anspruch nehmen als die weniger gut Verdienenden. Im Gegenteil, die Niedrigsteinkommenbezieher müssen im Mittelpunkt der Reform stehen, es muß im Mittelpunkt der Reform stehen, daß bei Einzelleistungen in Form einer sozialen Staffelung der sozialen und ökonomischen Situation der einzelnen Familie Rechnung getragen wird – selbstverständlich unter Aufrechterhaltung der Individualbesteuerung.

Wenn daher Herr Abgeordneter Kier in seiner Rede im April 1996 vom Gießkannenprinzip gesprochen hat – was überhaupt eine Standardaussage des Liberalen Forums ist – und im Antrag auf die Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Bezug genommen hat, dann hat er dort angeschlossen, wo in der Öffentlichkeit immer wieder dargestellt wird, daß der Lastenausgleich zwischen Kinderlosen und jenen, die Kinder haben, nicht ausreichend ist.

Das Gegenteil ist der Fall. In der Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes, die dem Parlament bereits vorliegt und in den nächsten Tagen im Finanzausschuß diskutiert werden wird, wird ausdrücklich betont, daß bei der Familienförderung der Lastenausgleich dominiert, und sie beurteilt das Familienförderungssystem in der Richtung, daß vertikal umverteilt wird, also von oben nach unten. Nur in bestimmten Teilbereichen erfolgt die Umverteilung von unten nach oben, nämlich durch die Altersstaffel der Familie und durch die Dauer der Ausbildung.

Nun zu Ihrem Antrag, Herr Abgeordneter Kier, zum Antrag des Liberalen Forums. Auch Ihnen unterläuft ein Fehler: Sie sehen nur einen Teilbereich der Förderung. Sie nehmen nur einen Teil heraus, nämlich die Familienbeihilfe, und verlassen die Gesamtschau des Leistungskataloges. In meinen Augen ist das ein etwas unausgegorener Antrag, er bleibt einiges schuldig. Sie definieren im Antrag nicht, was Sie unter dem Existenzminimum für jedes Kind verstehen. Sie definieren nicht das verfügbare Jahresnettoeinkommen. Sie erklären auch nicht, wie man mit Ihrem Vorschlag umgehen sollte, der einen überdurchschnittlichen Verwaltungsaufwand bedeutet und ausgesprochen kostenintensiv ist. Außerdem verliert Ihr Antrag an Wert, weil er ja eigentlich keine detaillierten Berechnungen beigelegt hat, und es ist auch nicht ersichtlich, wie Ihr Modell einem Einspruch des Verfassungsgerichtshofes entgehen wird.

Eine weitere Frage: Sie wollen einen neuen Familienfonds gründen. Wie die Finanzierung erfolgen soll, diese Frage lassen Sie offen. Ich glaube auch, daß ein neuer Fonds nicht das richtige Mittel ist, um Strukturprobleme zu lösen.

Dennoch bin ich zuversichtlich, daß wir in den nächsten Monaten, nachdem wir eingehend und gründlich Beratungen abgehalten haben, zu einer sinnvollen Lösung im Interesse der Familie kommen werden.

Aber eines möchte ich hier und heute eindeutig betonen: Reform ist kein Synonym für zusätzliche finanzielle Belastungen der öffentlichen Hand. Ziel einer Reform können nur mehr soziale Ausgewogenheit und effizienterer Einsatz der Mittel sein. Dadurch, daß wir die ökonomische Situation der Familie verstärkt berücksichtigen, aber vor allem für die Problemfamilien, die Problemgruppen, wie sie auch Familienminister Bartenstein wiederholt in den Medien angesprochen hat, nämlich die Alleinerzieherinnen, die Alleinerzieher und Mehrkindfamilien mit niedrigem Einkommen, wollen wir eine deutliche Verbesserung der Situation erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

22.46

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit versuche ich, es ganz kurz zu machen. (Abg. Dr. Mertel: Das haben Sie das letzte Mal auch gesagt, und dann waren Sie eine halbe Minute kürzer als ich!) Wenn Sie mich nicht unterbrechen, geht es noch schneller!


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40. Sitzung / Seite 177

Positiv am Modell der Liberalen ist, daß es Bezug nimmt auf ein Existenzminimum. Ich halte das für wichtig. Positiv am Modell der Liberalen ist, daß versucht wird, dieses Existenzminimum nicht an der steuerlichen Förderung aufzuhängen. (Abg. Dr. Mertel: Dann kennen Sie das Modell! Wir kennen nur den Antrag!) Ich kenne auch nur den Antrag, aber das läßt sich daraus schon entnehmen.

Negativ am Modell ist, daß es den Familienlastenausgleich in keiner Weise berücksichtigt. Was meine ich damit? – Eine Familie mit mittlerem Einkommen und Kindern ist im Vergleich zu einer Familie mit mittlerem Einkommen ohne Kinder durch das Familienmodell der Liberalen in keiner Weise berücksichtigt. Da gibt es überhaupt keinen Lastenausgleich mehr. Das ist ein großes Problem. Ich finde, wenn man über Familienförderung diskutiert und wenn man weiß, was sich derzeit abspielt, auch bei Familien mit mittleren Einkommen, wenn sie mehrere Kinder haben, daß da schnell die Armutsgrenze erreicht ist, wenn nur eines oder zwei dieser Kinder studieren, wenn man das weiß, dann kann man dieses Modell nicht vertreten.

Negativ am Modell der Liberalen ist, daß es keine Beitragsgerechtigkeit versucht. Es versucht nicht einmal, Beitragsgerechtigkeit auf der Einnahmenseite herzustellen. Negativ am Modell der Liberalen ist auch die stark degressive Wirkung. Es ist, lieber Kollege Kier, ein Sparpaketmodell. Das ist auch klar. Ihr habt es in Zeiten des Sparpakets verkündet, und es löst sich nicht vom Sparpaketgedanken, nämlich dem der Einsparung.

Negativ am Modell der Liberalen ist, daß es kompliziert ist – das ist schon gesagt worden – und nicht einfach handhabbar. Negativ ist meiner Ansicht nach, daß es sich am Unterhaltsrecht aufhängt, an einem Unterhaltsrecht, von dem wir wissen, daß es dringend verbesserungswürdig wäre. Es wäre notwendig, tatsächlich bestimmte Klarheiten zu schaffen, was im bestehenden Unterhaltsrecht nicht gegeben ist. Wir wissen doch aus allen Untersuchungen über das Unterhaltsrecht, über die Einforderung von Unterhaltsansprüchen, daß 50 Prozent der Unterhaltsansprüche hängenbleiben. Wie schaut das in diesem Modell aus, wenn Jugendliche beispielsweise die Ansprüche von ihren Eltern einfordern? Wie soll das funktionieren? – Das ist ein Negativum.

Ich glaube, wir brauchen nach wie vor einen Familienlastenausgleich. Wir Grüne bekennen uns auch zu einer horizontalen Förderung, die eben gerade durch den Familienlastenausgleich gewährleistet ist. Wir müssen in die Richtung des Existenzminimums gehen – das ist das Gemeinsame nicht nur mit dem liberalen Modell, sondern wahrscheinlich mit vielen anderen hier in diesem Haus auch. Wir müssen die Situation von Alleinerziehern bei der Förderung des Existenzminimums berücksichtigen und jene von Mehrkindfamilien. Wir brauchen aber auch Beitragsgerechtigkeit.

Ich denke, es sollte eine offene Debatte darüber im Ausschuß und hier in diesem Hohen Haus stattfinden. Aber aus den genannten Gründen können wir dem Antrag der Liberalen in dieser Frage ganz sicher nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

22.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Bauer. – Bitte.

22.50

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich möchte ich feststellen, daß wir von der Österreichischen Volkspartei zu dem bewährten System der Familienförderung, auf das wir stolz sein können und das sich auch im europäischen Vergleich sehen lassen kann, stehen. Wir werden es verbessern und ausbauen und können es auf jeden Fall sichern.

Für uns ist der horizontale Lastenausgleich ein wichtiges Kapitel im Bereich der Familien, wobei wir darum bemüht sind, die Familienförderung beziehungsweise die Grundsicherung der familiären Existenz treffsicherer und auch effizienter zu machen. (Beifall bei der ÖVP.) Es ist aber natürlich erlaubt, in diesem Zusammenhang über verschiedene Formen der Durchführung nachzudenken.


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40. Sitzung / Seite 178

Herr Abgeordneter Kier! Ihren Antrag können wir aus verschiedensten Gründen nicht annehmen. Wir lehnen ihn ab, weil wir der Meinung sind – und das ist unser Grundprinzip –, daß Familienförderung ein Begriff ist, Sozialpolitik aber ein anderer. Für die Grundsicherung der Existenz und die Armutsbekämpfung gibt es aus unserer Sicht im Bereich der Sozialpolitik viele Möglichkeiten, und diese sind auch dort zu verfolgen.

Die Familienpolitik und im besonderen der horizontale Lastenausgleich sollen eine Unterstützung darstellen, wobei der Familienlastenausgleich als Ausgleich zwischen jenen Familien, die Kinder haben, und jenen, die keine Kinder haben, geschaffen wurde. Es wäre unsinnig, in Zeiten wie diesen von diesem Prinzip abzugehen. Ich glaube, man wird sehr intensiv darüber nachdenken müssen, ob der soziale Frieden in Hinkunft bei der demographischen Entwicklung, die wir zurzeit haben, zwischen Jung und Alt erhalten bleiben kann.

Man wird sich überlegen müssen, welche Möglichkeiten wir haben, tatsächlich einen Lastenausgleich weiterhin nicht nur zu verfolgen, sondern auch eine Anerkennung für jene Familien und vor allem für jene Frauen zu finden, die sich der Familienarbeit, sei es überhaupt oder vorübergehend, widmen. – In diesem Bereich haben wir schon einige positive Schritte in diese Richtung gesetzt.

Wir haben uns immer dagegen ausgesprochen, daß Familien sozusagen Almosenempfänger des Staates sind. Die Familienförderung ist für uns eine ganz klar anspruchsberechtigte Förderung, die sich auf die Familien mit Kindern konzentriert und auch entsprechend nach dem Alter beziehungsweise nach der Anzahl der Kinder gestaffelt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können uns nicht vorstellen, daß, wie in Ihrem Antrag vorgesehen, die Familie Bittsteller beim Staat wird, indem man um die Familienbeihilfe ansuchen muß. (Abg. Dr. Mertel: Man muß jetzt auch ansuchen!) Es ist hier aber explizit ausgeführt, daß man einen Nachweis über die Einkommensverhältnisse erbringen müßte. – Ich stelle mir das ungeheuer schwierig vor. Das wäre ein großer, mit sehr hohem Zeitaufwand und hohen Kosten verbundener bürokratischer Aufwand.

Letztendlich – diese Argumentation ist überhaupt besonders einfach – kann es sich bei diesem Antrag um keine familienfreundlichen Maßnahmen handeln, wenn von Einsparungen in der Höhe von 5 bis 7 Milliarden Schilling zugunsten des Finanzministers die Rede ist. Dazu muß ich sagen: In Zeiten wie diesen, in denen ich mir hier vom Rednerpult aus von den verschiedenen Parteien – auch von Ihrer! – immer anhören muß, daß die Familien immer ärmer werden, fehlt mir wirklich jedes Verständnis dafür, daß ihnen noch etwas von den Transferleistungen weggenommen werden soll! Daher lehnen wir auch Ihren Antrag ab.

Ich möchte Sie auf noch etwas aufmerksam machen: Die Wifo-Studie wird natürlich gebogen und gezogen. Ich habe den Eindruck, daß vieles davon mißverstanden wird. Die Studie zeigt natürlich auf, daß die Familiengelder aus dem FLAF nur zu 18 Prozent in das untere Einkommensdrittel fallen. – Aber dort gibt es auch nur 17 Prozent der Kinder! (Abg. Dr. Kier: Ja warum denn?) Ein Großteil der Mittel geht hingegen an die oberen 45 Prozent, denn dort sind auch 68 Prozent der Kinder. (Abg. Dr. Mertel : Die Reichen können sich die Kinder eben leisten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kier! Frau Mertel! Ich glaube, daß heute eine gute Familienbeihilfe oder ähnliches nicht allein ausschlaggebend dafür ist, ob man sich zu Kindern bekennt. (Abg. Dr. Mertel : Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden!) Gerade wir Frauen wissen, daß es viel mehr Hemmnisse gibt, Kinder zu haben. Man muß für die Versorgung von Kindern auf den Beruf verzichten. (Abg. Dr. Mertel : Es fehlen Kinderbetreuungseinrichtungen!)

In Sachen Kinderbetreuungseinrichtungen könnte ich Ihnen jetzt aus Niederösterreich etwas erzählen. Ich hebe mir das aber gerne für einen späteren Zeitpunkt auf, zu dem ich ein bißchen mehr Zeit habe. Im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung wurde von der öffentlichen Meinung beziehungsweise von der veröffentlichten Meinung die Diskussion zum Teil fehlgeleitet, statt darüber zu reden, wo es Möglichkeiten gäbe, effizienter und besser den Familien und Frauen zu helfen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)


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40. Sitzung / Seite 179

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal betonen, daß dieser Antrag, daß man Familienbeihilfe nur dann bekommen soll, wenn man arm oder armutsgefährdet ist, ein Weniger an Mitteln für die Familie und ein Mehr an Bürokratie bedeutet. Dies widerspricht unseren Grundprinzipien der Familienförderung, und daher können wir nicht dafür sein. (Beifall bei der ÖVP.)

22.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste auf der Rednerliste ist Frau Abgeordnete Haller mit einer Redezeit von 1 Minute. – Bitte sehr.

22.56

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): In der gebotenen Kürze halte ich fest, daß wir Freiheitliche dem Antrag der Liberalen nicht zustimmen können, obwohl er zugegebenermaßen in manchen Bereichen recht vernünftig klingt.

Eine kurze Begründung: Es hat in der letzten Zeit in der österreichischen Familienpolitik absolut familienfeindliche Tendenzen gegeben. Ich erinnere an die beiden Sparpakete.

Die Liberalen haben es sich bei diesem Antrag leider mit der Formulierung zu leichtgemacht. Sie haben noch dazu für die Einleitung eine Absichtserklärung der Regierung aus dem Jahre 1994 verwendet, die mich persönlich als engagierte Familienpolitikerin befürchten läßt, daß dieser Antrag der Liberalen, wenn man ihn so annehmen würde, in die falsche Richtung gehen könnte. Deshalb können wir nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl : Was macht Firlinger jetzt?)

22.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schuster. – Bitte sehr.

22.57

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Politiker dürfen nicht länger schweigen, wenn sie meinen, daß bei den Familien etwas schiefläuft, daß Gelder zweckentfremdet verwendet werden oder die Geburtenrate – wie jetzt bei uns in Österreich – sehr rückläufig ist.

Wir müssen nach Ursachen suchen und diese Ursachen auch bekämpfen.

Der Antrag, der uns heute vorliegt, hat einige Inhalte – sie wurden von meinen Vorrednern bereits erwähnt –, die wir nicht gutheißen. Meine Damen und Herren! Es ist ein Gebot der steuerlichen Gerechtigkeit, das Existenzminimum eines Kindes nicht der Besteuerung zu unterwerfen. Am gerechtesten wäre dies zu erreichen, indem wir für alle Familienmitglieder ein Existenzminimum von der Steuer freistellen, was laut neuester Umfrage von mehr als 50 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gutgeheißen wird. Wir müssen uns aber parallel dazu fragen: Wann können wir uns das leisten? – Darauf ist natürlich auch eine Antwort notwendig.

Der Themenkreis Familie bedeutet aber mehr als nur einen Anlaß zur Diskussion über Familienbeihilfen und Transferzahlungen. Ich meine, die Familie ist die erste Schule der Menschlichkeit, die wir erfahren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel : Man muß sie sich aber auch leisten können!)

Im Antrag des Liberalen Forums heißt es – und das ist sehr interessant – auf der einen Seite, daß sämtliche Steuerzahler Österreichs in den Familienlastenausgleichsfonds einzahlen. Es heißt aber weiter: "Reicht die Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen aus, die Existenzminima aufzubringen, so ist eine Transferleistung zur Befriedigung der Kinderansprüche nicht nötig." Wenn ich das umlege auf eine Generation später, dann bedeutet das, daß man es beim LIF so handhaben will, daß man bei den Menschen, die jahrzehntelang ins Pensionssystem eingezahlt haben, dann, wenn sie pensionsberechtigt sind und man draufkommt, daß sie ein Sparbuch haben und auf die Pension gar nicht angewiesen sind, die Pension einstellt. Ich möchte wirklich vor solchen Entwicklungen warnen, und die Volkspartei wird dem natürlich unter keinen Umständen zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)


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40. Sitzung / Seite 180

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Vom Antragsteller wurde die Wifo-Studie natürlich aus seiner Sicht interpretiert. Ich möchte eine sehr interessante Passage aus dieser Wifo-Studie wortwörtlich bringen. An einer Stelle heißt es – ich zitiere –: "Faßt man den Begriff Familienpolitik weit, so sind öffentliche Leistungen in der Höhe von rund 10 Prozent des Volkseinkommens familienpolitisch motiviert. Die direkten Leistungen aus dem Familienlastenausgleich und der steuerlichen Förderung belaufen sich im Jahre 1995 auf rund 70 Milliarden Schilling. Auch im internationalen Vergleich zählt Österreich zu den Ländern mit den höchsten Familienförderungen."

Wir glauben, daß wir uns dafür nicht zu schämen brauchen. Diese Bundesregierung mit dem dafür zuständigen Bundesminister für Familie Dr. Bartenstein braucht bei Gott in diesem Bereich keine Nachhilfestunden durch das Liberale Forum. Daher werden wir diesem Antrag keine Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

23.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

23.02

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Gestatten Sie mir nur einige ganz kurze Anmerkungen zum Schluß dieser Debatte oder im Anschluß an diese Debatte.

Herr Kollege Kier! Ich halte es für wesentlich, auch auf die Schwachstellen Ihres Antrages hinzuweisen. So schlagen Sie leichtfertig vor, die Finanzierungsgrundlage des FLAF aufzugeben, indem Sie die Dienstgeberbeiträge reduzieren wollen, die die Säule der FLAF-Finanzierung mit mehr als 30 Milliarden Schilling darstellen, und statt dessen eine etwas nebulose Finanzierung aus einer Ökologisierung des Steuersystems vornehmen möchten. Herr Kollege Kier! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß diese Abgabe aber zwangsläufig, da es sich hiebei um eine Lenkungsabgabe handeln würde, im Laufe der Zeit geringer werden würde. Das halte ich für ein Vabanquespiel mit dem Familienlastenausgleichsfonds, was Ihren Antrag prinzipiell wenig nachvollziehbar macht.

Ich möchte bei Herrn Abgeordneten Schuster anschließen, der richtigerweise sagt, daß es primär darum ginge, ein steuerfreies Existenzminimum zu ermöglichen, wobei noch die Frage besteht, ob ich ein steuerfreies Existenzminimum sicherstellen möchte, also im Notfall noch dazuzahle, oder ob ich dieses steuerfreie Existenzminimum steuerfrei stelle, wenn die entsprechenden Einnahmen vorhanden sind. Sie nehmen jedoch lediglich die Darstellung eines besteuerten Existenzminimums vor.

Herr Abgeordneter Kier! Frau Abgeordnete Mertel hat ganz richtig gesagt, daß das dem zu erwartenden Erkenntnis des VfGH geradezu diametral entgegen liefe. Eine soziale Staffelung der Familienbeihilfe nach dem Einkommen mag anfangs schön ausschauen und recht gut klingen. Sie vergessen dabei aber, daß Sie damit implizit einen Rückschritt in Richtung Besteuerung des Familieneinkommens als Ganzes verlangen, weil das mit dem System der Individualbesteuerung, an dem wir von der Regierungskoalition festhalten wollen, nicht in Einklang zu bringen ist. Es soll auch weiterhin das Prinzip des Lastenausgleichs gesichert und daran festgehalten werden.

Allein schon der Terminus "Familienförderung" ist nicht ganz richtig. Ich möchte damit schließen, daß Frau Abgeordnete Bauer richtigerweise gesagt hat, daß es sich hiebei um keine besonders sinnvolle Familiensteuerreform handeln kann, wenn sie den Familien 5 bis 7 Milliarden Schilling weniger an Lastenausgleich bringt. Denn Sie selbst behaupten, daß Ihre Familiensteuerpolitik 5 bis 7 Milliarden Schilling an Einsparungen brächte. Es würde also den Familien weniger bleiben. – Ich bedanke mich für die Erteilung des Wortes, Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP.)

23.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.


Nationalrat, XX.GP
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40. Sitzung / Seite 181

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht in 233 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Ausschusses zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Anträge 300/A bis 307/A und die Anfragen 1284/J bis 1305/J eingelangt sind.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich vereinbarungsgemäß für morgen, Donnerstag, den 3. Oktober 1996, 9 Uhr ein. Die Tagesordnung ist schriftlich verteilt worden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 23.05 Uhr