Stenographisches Protokoll

53. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 13. Dezember 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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53. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 13. Dezember 1996

Dauer der Sitzung

Freitag, 13. Dezember 1996: 9.01 Uhr – 22.01 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem Regelungen über den Erwerb von Rechten an Gebäuden und Wohnungen von Bauträgern getroffen werden (Bauträgervertragsgesetz – BTVG) und das Wohnungseigentumsgesetz 1975 geändert wird

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 210/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitszeitgesetz für Angehörige von Gesundheitsberufen in Kranken-, Pflegeanstalten und ähnlichen Einrichtungen geschaffen (Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz – KA-AZG) und das Arbeitszeitgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative Nr. 5 betreffend "Ärzte-Arbeitszeitgesetz"

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 267/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Kinderbetreuungsscheck

9. Punkt: Bericht über den Antrag 302/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 433/1996, geändert wird

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 14

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Edith Haller und Genossen, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 133/A (E) betreffend geschlechtsneutrale Regelung für Nachtarbeit gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 25. Februar 1997 zu setzen 33


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Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 33

Redner:

Edith Haller 144

Rudolf Nürnberger 145

Ridi Steibl 146

Hermann Mentil 147

Dr. Volker Kier 148

Karl Öllinger 148

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 149

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 33

Unterbrechungen der Sitzung 99, 142, 158

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres im Zusammenhang mit dem jüngsten Briefbombenanschlag vom 9. Dezember 1996 gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 192

Bekanntgabe 168

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 169

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 193

Dr. Helene Partik-Pablé 195

Robert Elmecker 196

Ablehnung des Antrages 197

Antrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 348/A (E) betreffend Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit auf den heimischen Straßen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 15. April 1997 zu setzen 131

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG – gemäß § 57b GOG nicht stattgegeben, da bereits zu einem anderen Thema ein derartiges Verlangen eingebracht wurde 131

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 192

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 142

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler betreffend Qualifizierung eines Entschließungsantrages durch den Abgeordneten Dr. Peter Kostelka 157

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder zur Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler 158

Ersuchen (Zwischenruf) des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler um Erteilung eines Ordnungsrufes 197

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zum Ersuchen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler 197

Fragestunde (11.)

Inneres 14

Franz Lafer (86/M); Walter Murauer, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Thomas Barmüller

Paul Kiss (75/M); Mag. Terezija Stoisits, Hans Helmut Moser, Dr. Harald Ofner

Hans Helmut Moser (88/M); Dr. Helene Partik-Pablé, Karl Freund, Mag. Terezija Stoisits

Robert Elmecker (80/M); Elfriede Madl, Jakob Auer, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Thomas Barmüller

Mag. Terezija Stoisits (83/M); Dr. Volker Kier, Dr. Elisabeth Hlavac, Herbert Scheibner, Wolfgang Großruck

Dr. Helene Partik-Pablé (87/M); Dr. Gertrude Brinek, Hans Helmut Moser, Mag. Terezija Stoisits

Günther Platter (76/M); Mag. Terezija Stoisits, Günter Kiermaier, Dr. Volker Kier, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann

Anton Leikam (81/M); Wolfgang Jung, Dr. Karl Maitz, Mag. Terezija Stoisits, Hans Helmut Moser

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 14

Ausschüsse

Zuweisungen 32, 64

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Siebenter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses 33

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend harter Schilling – weicher Euro (1652/J) 99

Begründung: Dr. Jörg Haider 103


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Bundesministerin Dr. Christa Krammer 107

Debatte:

Mag. Erich L. Schreiner 109

Dr. Ewald Nowotny 112

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 114

Mag. Erich L. Schreiner (tatsächliche Berichtigung) 116

Dr. Hans Peter Haselsteiner 117

Dr. Alexander Van der Bellen 119

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 121

Mag. Gilbert Trattner 122

Eleonora Hostasch 123

Rudolf Schwarzböck 125

Mag. Helmut Peter 126

Karl Öllinger 128

Ing. Wolfgang Nußbaumer 130

Dr. Alfred Gusenbauer 131

Johann Kurzbauer 132

Andreas Wabl 133

Maria Rauch-Kallat 134

Mag. Doris Kammerlander 136

Dr. Peter Kostelka 137

Dr. Andreas Khol 138

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 138

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 139

Dr. Volker Kier 140

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Erich L. Schreiner und Genossen betreffend eine Volksabstimmung über die Teilnahme Österreichs an der Einheitswährung "Euro" – Ablehnung 110, 141

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend echte (d. h. vollständige) Privatisierung der Bank Austria und der Creditanstalt – Ablehnung 111, 141

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen betreffend Beschäftigungsoffensive mit Privatisierungserlösen – Ablehnung 111, 141

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen an die Bundesregierung betreffend vollständige Privatisierung aller im öffentlichen Eigentum stehenden österreichischen Banken zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa – Zurückziehung 116, 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend echte Privatisierung der Bank Austria und der Creditanstalt – Ablehnung 127, 141

Entschließungsantrag der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat und Genossen an die Bundesregierung betreffend vollständige Privatisierung aller im öffentlichen Eigentum stehenden österreichischen Banken zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa – Annahme: E 38 (namentliche Abstimmung) 134, 142


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53. Sitzung / Seite 5

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (311 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden (449 d. B.) 34

2. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (312 d. B.): Bundesgesetz, mit dem Regelungen über den Erwerb von Rechten an Gebäuden und Wohnungen von Bauträgern getroffen werden (Bauträgervertragsgesetz – BTVG) und das Wohnungseigentumsgesetz 1975 geändert wird (450 d. B.) 34


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Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 34

Dr. Willi Fuhrmann 36

Mag. Reinhard Firlinger 38

Mag. Thomas Barmüller 40

Mag. Terezija Stoisits 42

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 43

Dr. Walter Schwimmer 45

Kurt Eder 47

Dr. Martin Graf 48

Anna Huber 49

Dr. Harald Ofner 50

Mag. Johann Maier 52

Dr. Harald Ofner (tatsächliche Berichtigung) 53

Annahme der Gesetzentwürfe in 449 und 450 d. B. 54

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 210/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird 54

Redner:

Mag. Thomas Barmüller 54

Dr. Wolfgang Riedler 56

Karlheinz Kopf 57

Mag. Karl Schweitzer 58

Ing. Monika Langthaler 59

Dr. Stefan Salzl 61

Anna Elisabeth Aumayr 62

Ing. Mathias Reichhold 63

Zuweisung des Antrages 210/A an den Justizausschuß 64

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (386 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitszeitgesetz für Angehörige von Gesundheitsberufen in Kranken-, Pflegeanstalten und ähnlichen Einrichtungen geschaffen (Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz – KA-AZG) und das Arbeitszeitgesetz geändert wird (537 d. B.) 64

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürgerinitiative Nr. 5 betreffend "Ärzte-Arbeitszeitgesetz" (538 d. B.)64

Redner:

Dr. Alois Pumberger 64

Mag. Walter Guggenberger 66

Klara Motter 67

Dr. Günther Leiner 69

Karl Öllinger 72

Bundesminister Franz Hums 74

Dr. Elisabeth Pittermann 76

Dr. Brigitte Povysil 78

Karl Donabauer 80

Dr. Martina Gredler 82

Heidrun Silhavy 83

Theresia Haidlmayr 84

Dr. Erwin Rasinger 86

Mag. Herbert Haupt 87

Annahme des Gesetzentwurfes in 537 d. B. 89

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 538 d. B. 89

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (461 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (539 d. B.) 89

Redner:

Sigisbert Dolinschek 90

Helmut Dietachmayr 92

Dr. Volker Kier 94

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 97

Bundesminister Franz Hums 98

Karl Öllinger 149

Marianne Hagenhofer 152

Ing. Wolfgang Nußbaumer 154

Dr. Gottfried Feurstein 156

Mag. Helmut Peter 158

Mag. Dr. Josef Trinkl 161

Anton Blünegger 162

Dr. Hans Peter Haselsteiner 163

Annahme des Gesetzentwurfes in 539 d. B. 164

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend gleiche Schutzbestimmungen für Bundesbedienstete und Arbeitnehmer der Privatwirtschaft – Ablehnung 92, 164

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (462 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (513 d. B.) 164

8. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 267/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Kinderbetreuungsscheck (514 d. B.) 164

9. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 302/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl.


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53. Sitzung / Seite 7

Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 433/1996, geändert wird (515 d. B.) 165

Redner:

Edith Haller 165

Dr. Sonja Moser 167

Karl Öllinger 169

Dr. Ilse Mertel 173

Edith Haller (tatsächliche Berichtigung) 176

Franz Koller 176

Klara Motter 177

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 179

Elfriede Madl 181

Dr. Erwin Rasinger 183

Brigitte Tegischer 184

Dr. Volker Kier 185

Matthias Ellmauer 185

Gabriele Binder 187

Karl Gerfried Müller 188

Ludmilla Parfuss 189

Annahme des Gesetzentwurfes in 513 d. B. 191

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 514 und 515 d. B. 192

Entschließungsantrag der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus – Ablehnung 166, 191

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 – Ablehnung 172, 191

Entschließungsantrag der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen betreffend Beseitigung der sozialen Härten des "Sparpakets" – Ableh-
nung 183, 192

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 32

555: Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 1975 und die Zivilprozeßordnung geändert werden

Bericht 32

III-67: Bericht betreffend Evaluierung der Umweltförderungen des Bundes für den Zeitraum 1. 4. 1993 – 31. 12. 1995; BM f. Umwelt, Jugend und Familie

Anträge der Abgeordneten

Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz, das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen, das Arbeitsverfassungsgesetz und das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz geändert werden (3. Sozialrechtsänderungsgesetz 1996) (361/A)

Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (362/A)

Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen während der Nacht (Nacht


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arbeitsgesetz – NAG) geschaffen und das Arbeitsverfassungsgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden (363/A)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Reform des Eherechts (364/A) (E)

Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Verbesserung des Tierschutzes in der EU (365/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Änderung des § 116 Abs. 2 EStG – Mietzinsrücklagen (366/A) (E)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert wird (367/A)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Neukodifizierung des ArbeitnehmerInnenschutzes (368/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 1994 (ASchG) (BGBl. 450/1994) aufgehoben wird (369/A)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird (370/A)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz von Tieren (371/A)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz zur Begründung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Angelegenheiten des Tierschutzes geändert wird (372/A)

Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, geändert wird (373/A)

Edith Haller und Genossen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus (374/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend harter Schilling – weicher Euro (1652/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1653/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1654/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1655/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien


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Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1656/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1657/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1658/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1659/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1660/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1661/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1662/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1663/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1664/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1665/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Praxis für die Vergabe von Werkverträgen und freien Dienstverträgen im ressortinternen Bereich sowie im Bereich der dem Ressort nachgeordneten Dienststellen (1666/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die geplante Schließung des Wachzimmers des Linzer Stadthafens (1667/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Einführung der Jahresarbeitszeit für Lehrer (1668/J)


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53. Sitzung / Seite 10

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Teilnahme Österreichs an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. 1. 1999 (1669/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Umstrukturierung und Standortverlagerung der Industrie (1670/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend den Brand in der Wiener Hofburg und die Vergabe von Reparatur- und Wiederherstellungsarbeiten (1671/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend psychologische Betreuung von Strafgefangenen (1672/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Finanzzuweisungen an die Gemeinden zur Förderung des Personennahverkehrs (1673/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Unfallaufnahmegebühr (1674/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Finanzzuweisungen an die Gemeinden zur Förderung des Personennahverkehrs in Niederösterreich (1675/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Einführung der Fünftagewoche am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Völkermarkt (1676/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schulstandorte im Bereich des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich (1677/J)

Robert Sigl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Hauptverkehrsachsen im NÖ-Zentralraum und etwaige Infrastrukturänderungen (1678/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend EU-Kontrollen des Vieh- und Fleischverkehrs in Vorarlberg (1679/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ersatz von Lehrzeiten aufgrund schulmäßiger Berufsausbildung (1680/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Deponie Großarl (1681/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die alljährliche Kranzniederlegung vor dem sogenannten Siegesdenkmal in Bozen (1682/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend EU-"Leader-Projekte" (1683/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Bewerbung des Seminarprogramms der Politischen Akademie (1684/J)


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53. Sitzung / Seite 11

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Finanzierung von Blutanalysen für Knochenmarktransplantationen (1685/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend volle Lehrverpflichtung eines Ministerialrates neben seiner Beamtentätigkeit (1686/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend volle Lehrverpflichtung eines Ministerialrates neben seiner Beamtentätigkeit (1687/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Hakenkreuz-Symbole des Österreichischen Turnerbundes (1688/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Werbekampagne "Leben ist lernen" (1689/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend drohende Reduktion von "EBIS" (1690/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Kürzung von Personalsubventionen in "Randbereichen der Erwachsenenbildung" (1691/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Langzeitarbeitslosigkeit (1692/J)

Karl Gerfried Müller und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Investitionsprogramm (1693/J)


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53. Sitzung / Seite 12

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Darlehensverkauf des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an die Österreichische Kommunalkredit (1694/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Darlehensverkauf des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (1695/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Darlehensverkauf des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien (1696/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Darlehensverkauf des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an KNP Leykam Netherlands (1697/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Darlehensverkauf des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an die West-LB (Austria) Hypothekenbank (1698/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Darlehensverkauf des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an die Erste Österreichische Spar-Casse (1699/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Darlehensverkauf des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an die Österreichische Investitionskredit (1700/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Darlehensverkauf des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds an die Raiffeisenzentralbank Österreich (1701/J)

Verena Dunst und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Einreise von 19 Landwirten aus Rumänien zu einer Kursserie über bäuerliche Betriebsführung an der Landwirtschaftlichen Fachschule Güssing (1702/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Veränderungen der Altersstruktur der österreichischen Bevölkerung (1703/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Änderung der Nationalratswahlordnung (1704/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Änderung des Bundespräsidentenwahlgesetzes (1705/J)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Causa Meischberger (1706/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Unregelmäßigkeiten bei der Nachbesetzung der Leitung des Kriminalinspektorates bei der Bundespolizeidirektion Linz (1707/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Vorsorgeuntersuchung (1708/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belastungsstudie für die Festsetzung der Planstellen im Exekutivbereich (1709/J)

Ridi Steibl und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend EU-Mittel zur Frauenförderung (1710/J)

Dr. Alois Mock und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend aufklärungsbedürftige Vorgänge in der Gemeinde Hollenstein an der Ybbs (1711/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend praxisgerechte Regelung für kurzfristige Beschäftigung von Grenzgängern und Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft (1712/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatzabteilung Flughafen der Sicherheitswache Schwechat (1713/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Bahnstrecke Deutschkreutz – Oberloisdorf, Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 17,853 mit der Bundesstraße B 62 ("Deutschkreutzer Straße") (1714/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend linksextreme Ausschreitungen am 30. November 1996 (1715/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bekennerbriefe der "Salzburger Eidgenossenschaft – Bajuwarische Befreiungsarmee" aus dem Innenministerium (1716/J)

*****

Helmut Haigermoser und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend die Einladung zu einem Leseabend im Parlament (8/JPR)


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53. Sitzung / Seite 13

Anfragbeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (1344/AB zu 1367/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (1345/AB zu 1402/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1346/AB zu 1397/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1347/AB zu 1430/J)

 

 


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53. Sitzung / Seite 14

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen und eröffne hiermit die 53. Sitzung des Nationalrats pünktlich, wie sie einberufen wurde.

Das Amtliche Protokoll der 51. Sitzung vom 11. Dezember ist aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Dr. Preisinger, Reitsamer und Dkfm. Holger Bauer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Bundeskanzleramt hat über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Herr Außenminister Vizekanzler Dr. Schüssel wird von Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein vertreten, Herr Bundeskanzler Dr. Vranitzky infolge gleichzeitiger Verhinderung des Vizekanzlers durch den Herrn Bundesminister für Inneres, der Herr Finanzminister durch Frau Bundesministerin Dr. Krammer und der Herr Wissenschaftsminister durch Herrn Bundesminister Hums.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesminister für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Anfrage Nr. 86/M wird Herr Abgeordneter Lafer formulieren. – Bitte.

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Frage lautet:

86/M

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie zur Gewährleistung der Sicherheit am Flughafen Wien Schwechat, die aufgrund aktueller Fälle nicht gegeben scheint, setzen, um illegale Einwanderung zu verhindern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Lafer! Erlauben Sie mir, einleitend festzustellen, daß nach allen mir vorliegenden Informationen die Sicherheit auf dem Flughafen Schwechat durchaus gegeben ist.

In der Anfrage werden auch keine Sachverhalte angeführt, aus denen sich das Gegenteil erschließen ließe. Wenn nun die Anfrage davon ausgeht, daß es im Bereich des Flughafens


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53. Sitzung / Seite 15

Schwechat immer wieder zu Sachverhalten kommt, bei denen Personen eine Einreise nach Österreich versuchen, die die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllen, und daß Passagiere landen, die über keine Dokumente verfügen und daher unter Umständen nicht zurückgewiesen werden können, so ist zu dieser Konstellation folgendes auszuführen:

Sachverhalte wie die angeführten sind für internationale Flughäfen jedenfalls typisch. Es geht nun darum, auf dem Flughafen die entsprechenden grenzkontrollrechtlichen, fremdenpolizeilichen und allenfalls auch asylrechtlichen Vorkehrungen zu treffen, um solche Sachverhalte entscheiden und danach die notwendigen Veranlassungen treffen zu können.

Die Grenzkontrollstelle der Bundespolizeidirektion auf dem Flughafen Schwechat und die fremdenpolizeiliche Abteilung der Bundespolizeidirektion Schwechat sind auf diese Sachverhalte vorbereitet und in der Lage, sehr rasch die entsprechenden fremdenpolizeilichen Verfahren auf dem Flughafen durchzuführen und mit den entsprechenden notwendigen fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu reagieren.

Für den Fall, daß Asylanträge auf dem Flughafen Schwechat gestellt werden, ist eine Koordination zwischen der Behörde in Schwechat und dem Bundesasylamt vorgesehen. Danach werden jene Personen, die mit Sicherheit im Falle abweislicher asylrechtlicher Entscheidungen nicht zurückgewiesen werden können, entsprechend dem Gesetz an das Bundesasylamt – Außenstelle Traiskirchen – weitergeleitet.

In jenen Fällen, in denen bei einer abweislichen asylrechtlichen Entscheidung eine Zurückweisung oder Zurückschiebung in Frage kommt, werden die asylrechtlichen Einvernahmen auf dem Flughafen Schwechat an Ort und Stelle durchgeführt, was es ermöglicht, im Falle der Erforderlichkeit fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach der asylrechtlichen Entscheidung beziehungsweise nach der Rechtskraft der asylrechtlichen Entscheidung unmittelbar zu setzen.

Das Bundesministerium für Inneres hat weiters dafür Sorge getragen, daß bei jenen Abflughäfen, bei denen eine größere Zahl von Passagieren festgestellt werden mußte, die illegal eine Einreise nach Österreich versuchen, eine Vorprüfung der für die Einreise nach Österreich erforderlichen Reisedokumente durchgeführt wird. Dieses System wird flexibel gehandhabt und hat sich bisher außerordentlich bewährt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Minister! In der letzten Zeit hat es bei Abschiebungen immer wieder Probleme mit den Flugunternehmen gegeben, und zwar insofern, als Schubhäftlinge schon bei Androhung eines leichten Widerstandes von den Fluglinien nicht mitgenommen worden sind.

Haben Sie diesbezüglich schon Maßnahmen gesetzt? Gibt es Vereinbarungen mit anderen Ländern, Abschiebungen aus Kosteneinsparungsgründen gemeinsam durchzuführen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Zunächst ist festzustellen, daß die Frage der Mitnahme eines Passagiers – mag er auch ein abzuschiebender Passagier sein – auch eine Entscheidung des Piloten über die Bereitschaft zur Mitnahme voraussetzt. Gelegentlich kommt es zu den von Ihnen angeführten Konstellationen, in denen es Piloten ablehnen, sogenannte Abschüblinge auf ihrem Flug zu transportieren. Unter diesen Bedingungen ist es notwendig, gegebenenfalls den Transport auf andere Weise sicherzustellen. In der Regel geschieht dies dadurch, daß auch andere Fluglinien dafür in Anspruch genommen werden.

Zur anderen Frage, die Sie aufgeworfen haben: Es gibt sehr konkrete Überlegungen, die in Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland am weitesten fortgeschritten sind, gemein


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same Schubtransporte durchzuführen, um dadurch sowohl Kosten zu sparen als auch eine effizientere Lösung insgesamt zu finden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Murauer, bitte.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich gehe davon aus, daß Ihnen die Probleme des Personals, der Personalanzahl sowie der Ausstattung der Sicherheitswache im Flughafen Wien Schwechat bekannt sind.

Sie reden in diesem Zusammenhang von Planpostenabbau. Gebraucht werden aber, um das Schengener Abkommen erfüllen zu können, fünf Planposten und auch fünf Vertragsbedienstete mehr. Weiters benötigt die dortige Sicherheitswache ein Kfz und Räumlichkeiten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um die Frage, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Walter Murauer (fortsetzend): Wann werden Sie diese Erfordernisse im Sinne des Schengener Abkommens erfüllen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Herr Abgeordneter! Die von Ihnen aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt: Wir werden, wie von mir auch gestern angekündigt, alle Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um Schengen-konforme Außengrenzkontrollen durchführen zu können, bis zum 1. Juli des nächsten Jahres geschaffen haben.


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53. Sitzung / Seite 18

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Seit einigen Tagen gibt es Berichte, vor allem in der Tageszeitung "Kurier", über ein Flüchtlingsdrama am Flughafen. Einer algerischen Flüchtlingsfamilie, die nach Österreich geflüchtet ist, wird in Österreich Asyl verweigert. Seit 3. November sitzt eine Familie mit zwei kleinen Kindern im Transitraum des Flughafens und wartet auf eine Entscheidung Ihres Ministeriums.

Wann werden Sie diese Entscheidung endlich treffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Wann werden Sie die Entscheidung treffen?


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Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Frau Abgeordnete! Die gegenständliche Problematik ist mir bekannt. Der zugrunde liegende Sachverhalt besteht darin, daß diese an sich algerische Familie zuvor schon zwei Jahre lang völlig unbehelligt in Tunesien gelebt und dann erst den Weg nach Österreich gefunden hat.

Der Familienerhalter war dort beschäftigt, und es besteht für uns zunächst kein Anlaß zur Annahme, daß es sich in diesem Fall um einen Fluchtgrund aus Algerien handelt. Die Sachverhaltsprüfung besteht nunmehr darin, die Frage einer Rückkehrmöglichkeit nach Tunesien, ohne daß den Betreffenden das Risiko droht, nach Algerien abgeschoben zu werden, zu prüfen. Diese Prüfung ist im Gange.


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53. Sitzung / Seite 20

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Herr Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Das Schengener Abkommen wird am Wiener Flughafen sehr umfangreiche bauliche Maßnahmen nach sich ziehen. Der Flughafen Schwechat macht sich quasi Sorgen darüber, wie das finanziert werden soll. Wird es von seiten des Bundes eine Beteiligung an diesen Umbaumaßnahmen geben? Wenn ja, in welcher Höhe?


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53. Sitzung / Seite 21

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Es wird – auch internationalen Beispielen folgend – keine Beteiligung des Bundes an dieser Finanzierung geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfragen dazu liegen mir nicht mehr vor.

Herr Abgeordneter Kiss! Ich bitte um Verlesung Ihrer Frage.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

75/M

Wie werden Sie die Verläßlichkeitsprüfung nach dem neuen Waffengesetz im Detail ausgestalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Die Verläßlichkeitsprüfung nach dem neuen Waffengesetz wird im wesentlichen dem Modell folgen, das wir aus der verkehrspsychologischen Zuverlässigkeitsprüfung bereits kennen.

Es wird sich dabei zunächst um eine Form der standardisierten Befragung handeln. Das kann ein Fragebogen in Papierform sein, das kann allerdings auch ein computerisiertes Fragebogensystem sein, das nach dem System des Multiple-choice-Tests funktioniert.

Ergeben sich aus diesem ersten Fragebogen Anhaltspunkte dafür, sich näher mit der zu testenden Person zu befassen, kann sich ein psychologisches Explorationsgespräch anschließen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Bundesminister! Diese Aussage war für alle, die sie jetzt registriert haben, von besonderer Bedeutung. Es freut uns, daß Sie zu Ihrer Zusage stehen, dieses standardisierte, sehr einfache Verfahren im Zuge der Verläßlichkeitsprüfung abzuwickeln.

Herr Minister! Ich darf Sie fragen, ob genau dieses Verfahren aber auch so dezentralisiert erfolgt, daß wir es beispielsweise auf den Bezirkshauptmannschaften abwickeln können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Einerseits wäre es überraschend, würde ich mich heute schon an Zusagen von gestern nicht mehr erinnern können, obwohl die Nacht kurz war. (Abg. Dr. Khol : Das kommt aber vor, Herr Minister! Nicht bei Ihnen, aber bei anderen!) – Das wird mir nicht so ohne weiteres vorgeworfen werden können.

Zweitens ist es so, daß wir natürlich aus Gründen der Kundenfreundlichkeit gegenüber den Bürgern, die unsere Leistungen zu bezahlen haben, eine Lösung suchen werden, die eine optimale Dezentralisierung beinhaltet. Ich kann Ihnen allerdings nicht versprechen, daß diese Tests jeweils auf den Bezirkshauptmannschaften stattfinden werden, aber wir werden so nahe wie möglich an die Bürger herankommen und dabei auch bereits bewährte Strukturen nützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Minister! Ich finde es bemerkenswert, daß Sie von Kundenfreundlichkeit sprechen. Bei der von mir vorhin angesprochenen algerischen Familie prüfen Sie seit 43 Tagen, ob ein Abschieben nach Tunesien möglich ist. Halten Sie das für – unter Anführungszeichen – "kundenfreundlich"?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Es ist Ihnen anheimgestellt, ob Sie diese Frage beantworten, weil sie nicht direkt mit der Verläßlichkeitsprüfung des Waffengesetzes zusammenhängt. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ich halte das nicht für eine Frage der Kundenfreundlichkeit, sondern das ist die notwendige Entscheidung, die getroffen werden muß, wenn Personen den Wunsch nach Asyl in Österreich haben und die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Moser.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sind Sie wirklich davon überzeugt, daß die von Ihnen vorgeschlagene und gestern im Parlament beschlossene Regelung auch tatsächlich jenen Effekt bringen wird, den Sie sich erhoffen, nämlich einen Rückgang der Waffenkriminalität?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Ich bin davon überzeugt, sonst hätte ich diese Lösung nicht vorgeschlagen. Ich möchte ergänzend dazu sagen: Wenn wir auch nur einen einzigen Toten oder Schwerverletzten durch diese Maßnahme vermeiden können, dann ist sie bereits gerechtfertigt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Ofner.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Warum bestehen Sie darauf, daß zwar Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere von der Ablegung des Psychotests ausgenommen sein sollen, aber Milizoffiziere und Milizunteroffiziere des Bundesheeres, die dieselbe Ausbildung haben und denselben Dienst versehen, nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Zunächst darf ich darauf hinweisen, daß der Nationalrat gestern eine gesetzliche Lösung beschlossen hat, die das so vorsieht. Ich bestehe daher auf gar nichts. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Das zweite zur inhaltlichen Erläuterung: Dort, wo Menschen in ihrem Beruf, also berufsbedingt, ihnen vom Dienstgeber übergebene Waffen tragen, ist dies auch damit verbunden, daß eine laufende Zuverlässigkeitsprüfung durch den Dienstgeber gewährleistet erscheint. Das ist bei Milizoffizieren, die nur vorübergehend im Militärstand sind, nicht der Fall.

Im übrigen unterstellt Ihre Frage ein Bedürfnis dieser Militärpersonen nach Waffen für den zivilen Gebrauch. Auch das vermag ich nicht auf den ersten Blick zu erkennen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 3. Frage hat die Nummer 88/M, und Herr Abgeordneter Moser wird sie vortragen.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

88/M

Durch welche Maßnahmen wollen Sie die Empfehlungen des Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher Behandlung des Europarates nach einer menschenwürdigen Behandlung von Verdächtigen durch die Bundespolizeidirektion Wien umsetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Mir geht es bei der Reaktion auf den Bericht des CPT-Komitees nicht ausschließlich um Maßnahmen für die Bundespolizeidirektion Wien, sondern um ein Bündel von Maßnahmen, das sich an alle Sicherheitsbehörden und die darin Beschäftigten richten wird.

Ich darf Ihnen einige der Maßnahmen, die wir vorsehen, beispielsweise aufzählen:

Es ist einerseits geplant, in der ersten Jahreshälfte 1997 eine Woche der Menschenrechte durchzuführen. Sie wird im gesamten Ressort stattfinden. Ziel der Veranstaltung ist es, den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine praxisnahe Auseinandersetzung mit Grundrechten und deren Bedeutung für die alltägliche Arbeit zu ermöglichen.

Zweitens: Wir werden, da Mißhandlungsvorwürfe zu einem hohen Anteil auch Fremde betreffen, eine intensivierte Schulung in Angelegenheiten des Fremdenrechts durchführen, die auch im Jahr 1997 bundesweit angeboten und durchgeführt werden wird.

Drittens: Im Rahmen eines Modellprojektes wird demnächst im Bereich der Bundespolizeidirektion Linz und mindestens einer weiteren Sicherheitsdienststelle auch die Dokumentation der Vernehmung von Menschen, die wegen einer schweren Straftat angehalten werden, mittels Videoaufzeichnung erprobt werden. Dies soll belegen, daß eine Kontrolle der Vernehmung insgesamt nicht zu einer Schmälerung der Bedeutung des Personalbeweises führt. Wir folgen darin auch einer Anregung des CPT-Komitees.

Viertens: Das CPT geht in seinem Bericht davon aus, daß ein Angehaltener grundsätzlich ein Recht auf Anwesenheit seines Verteidigers bei seiner Einvernahme haben soll. Auch dies soll Gegenstand des Modellprojektes werden.

Fünftens: Die ärztlichen Kontrollen am Ende der sicherheitsbehördlichen Anhaltungen werden auf alle Fälle ausgedehnt, in denen der Angehaltene eine körperliche Beeinträchtigung behauptet oder sich einem Organ hiefür ein Anhaltspunkt ergibt. Es erfolgt also eine Ausgangs- oder Abschiedsuntersuchung durch den Arzt.

Wir planen weiters die Einrichtung eines Haftberaters und auch darin die Erfüllung einer nachdrücklichen Forderung des CPT.

Schließlich geht es auch darum, eine Verminderung des Schubhaftbelages herzustellen. Die hohe Zahl von Schubhäftlingen stellt den Vollzug im Bereich der Polizeigefangenenhäuser vor große Schwierigkeiten. Im Rahmen des geplanten Fremdenrechtsänderungsgesetzes werden daher unter anderem sogenannte gelindere Mittel zur Schubhaft eingeführt. Zudem wird nach Möglichkeiten gesucht, in Kooperation mit privaten Bauträgern kurzfristig mehr Hafträume zu schaffen.

Abschließend ist auch daran gedacht, die Zusammenarbeit zwischen Organen der Sicherheitsbehörden und der Justizwache zu vertiefen, da die Ausbildung von Polizisten und Gendarmen nicht primär auf den Dienst in Polizeigefangenenhäusern orientiert ist und wir daher eine intensivierte Kooperation mit jenem Wachkörper suchen, der für diese Aufgabe spezialisiert ausgebildet ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich finde es bedauerlich, daß es neuerlich zu einem derartig negativen Bericht dieses Europaratsausschusses gekommen ist. Es ist auch bedauerlich, daß ausschließlich die Wiener Polizei Gegenstand der Kritik ist. Gott sei Dank betrifft kein Kritikpunkt Gendarmerie, Justizanstalten oder Polizeidienststellen außerhalb Wiens.

Herr Bundesminister! Ich führe das auch auf ein Versagen der Führung zurück. Wird es daher auch personelle Konsequenzen geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Nein, Herr Abgeordneter, es wird keine personellen Konsequenzen geben, sondern es wird dort, wo dies erforderlich erscheint, Konsequenzen, was die Struktur der Führung betrifft, geben, aber kein Köpferollen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Frau Dr. Partik-Pablé.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben schon im Ausschuß über dieses Problem beziehungsweise über den Bericht gesprochen. Ich habe damals schon festgestellt, daß in diesem Bericht sehr häufig steht: Wir wurden informiert, daß diese und jene Mißhandlung geschehen ist.

Sind Sie dem eigentlich nachgegangen, wer diese anonymen Informanten waren, ob das seriöse Leute waren oder ob das nur Gerüchte waren, denen die Kommission gefolgt ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Die von Ihnen jetzt hier angeregte Nachgehensprüfung ist in dieser Form nicht möglich. Wir haben aber in jedem Fall, in dem bestrafbares Handeln vorgeworfen worden ist, die erforderlichen Erhebungen gepflogen und Strafanzeige erstattet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Freund.

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! Es gibt natürlich schwarze Schafe bei der Polizei und auch bei anderen Exekutivdienststellen. Ich frage Sie als Innenminister: Was tun Sie, um unsere Exekutive vor ungerechtfertigten Vorwürfen zu schützen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Eine der Maßnahmen, wenn auch die relativ härteste, habe ich gerade in der Beantwortung der Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Partik-Pablé erwähnt. Es ist in allen Fällen, in denen strafbares Verhalten Beamten der Exekutive vorgeworfen wird, notwendig, Strafanzeige zu erstatten, um eine unabhängige Prüfung durch andere Organe als uns selbst zu gewährleisten. Das ist sozusagen das härteste Mittel, dem sich die Exekutive insgesamt aussetzt.

Im übrigen geht es darum, in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob der Vorwurf gerechtfertigt ist, und dort, wo Anhaltspunkte dafür bestehen, daß das Verhalten der Exekutivorgane nicht korrekt ist, das Erforderliche zu veranlassen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Aus Informationen des Innenministeriums ist uns bekannt, daß sich bis zum 1. Dezember 1996 zirka 13 000 Personen in Österreich in Schubhaft befunden haben, davon aber nur 9 000 abgeschoben wurden. Was ist mit den restlichen 4 000? Waren die zu Unrecht in Schubhaft? Was ist mit ihnen passiert?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Die restlichen Personen sind entweder noch nicht abgeschoben oder zum Teil auch aus der Schubhaft wieder entlassen worden, wobei dies nicht notwendigerweise darauf schließen läßt, daß sie zu Unrecht in Schubhaft waren. Denken Sie bloß an den Extremfall, in dem letztendlich eine Abschiebung innerhalb der für die Verhängung der Schubhaft maßgeblichen Fristen nicht bewirkt werden kann oder bewirkt werden konnte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir den dritten Fragenkomplex erledigt.

Wir kommen zur Anfrage 80/M. Bitte, Herr Abgeordneter Elmecker.

Abgeordneter Robert Elmecker (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

80/M

In welchem Stadium befinden sich im Rahmen der Europäischen Union die Vorbereitungen zur Schaffung der erforderlichen Voraussetzungen für ein EU-weites Zeugenschutzprogramm?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Ich habe anläßlich des informellen Justiz- und Innenministerrates der EU am 26. September in Dublin einen Vorstoß Österreichs zur Schaffung einer europaweiten Konvention für den Zeugenschutz unternommen. Wir haben inzwischen die dazu notwendigen technischen und detaillierten rechtlichen Vorbereitungen von seiten Österreichs getroffen und werden nunmehr im Rahmen der holländischen Präsidentschaft und in Absprache mit dieser den formellen Prozeß zur Verfolgung dieses Zieles einleiten, sodaß die Arbeitsgruppen ab Anfang des Jahres 1997 mit dieser Frage auch im Detail befaßt sein werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Madl, bitte.

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen sind in Österreich geplant bezüglich Regelung des Zeugenschutzes, insbesondere was den Straferlaß oder die Anonymität gegenüber Staatsanwalt, Rechtsanwalt oder Geschworenen betrifft und eine neue Identität? Was haben Sie da geplant? Beziehungsweise: Wird es für Beamte in Österreich möglich sein, legal verdeckt zu ermitteln?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist immer eine Zusatzfrage vorgesehen. – Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Sie haben jetzt eine ganze Reihe von an sich technisch unterschiedlichen Fragen miteinander verbunden. Es ist, wie Sie vermutlich wissen, im Rahmen der sogenannten kleinen Kronzeugenregelung eine außerordentliche Strafmilderung für jene Zeugen geplant, die selbst an der Straftat beteiligt waren, falls sie in entsprechender Form mit Polizei und Justiz kooperieren. Es ist weiters geplant, die Möglichkeit der verdeckten Ermittlung rechtlich zu fundieren.

Was die übrigen von Ihnen angesprochenen Fragen betrifft, sind die Diskussionen im dazu eingerichteten Unterausschuß noch nicht weit genug gediehen, um sie beantworten zu können. Die Grundantwort geht allerdings dahin, daß derzeit all die von Ihnen aufgeworfenen Fragen im parlamentarischen Rahmen behandelt werden und nicht von mir als Ressortchef.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Auer, bitte.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Angesichts der bedauerlichen Erfolglosigkeit im Zusammenhang mit den Briefbomben frage ich Sie: Was können Sie unternehmen, damit so schnell wie möglich dieses Zeugenschutzprogramm umgesetzt werden kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Wir können dazu einerseits im Rahmen der entsprechenden Ausschußberatungen des Unterausschusses des Justizausschusses unsere Expertise zur Verfügung stellen. Wir können darüber hinaus – dazu habe ich in der Beant


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wortung der Ausgangsfrage schon Stellung genommen – Voraussetzungen schaffen, die auch die praktische Durchführung des Zeugenschutzes ermöglichen.

In einem Land mit der Größenordnung Österreichs ist Zeugenschutz in sensiblen Fällen nicht ohne weiteres realisierbar, daher ist eine Abstimmung mit anderen Staaten erforderlich. Eine praktische Vorabstimmung etwa mit Deutschland ist weitgehend vorhanden. Es fehlen allerdings die rechtlichen Grundlagen für eine internationale Kooperation in diesem Bereich. Der Vorstoß im Rahmen der EU soll dieses Problem lösen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Ich möchte ausdrücklich betonen, daß wir Ihre europäische Initiative für ein europäisches Zeugenschutzprogramm sehr unterstützen, vor allem auch deshalb, weil Sie das in den Beratungen des Unterausschusses des Justizausschusses bezüglich der neuen Ermittlungsmethoden als Ihr vorrangiges Ziel betont haben. Ich möchte Sie jetzt im Zusammenhang mit dem Lauschangriff fragen – das ist die Ursache für Ihre Initiative, nachdem wir einen namhaften FBI-Experten gemeinsam im Ausschuß gehört haben –: Wie viele mafiaähnliche Verbrecherorganisationen gibt es in Österreich, die man belauschen könnte? Sie haben selbst gesagt, man muß wissen, wozu man lauscht. Das ist die Voraussetzung für einen Lauschangriff.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Ihre Frage geht von der irrtümlichen Annahme aus, daß wir vorhätten, eine dauerhafte Abhörung von Organisationen vorzunehmen. Das ist nicht geplant.

Geplant ist, Instrumente zu schaffen, die geeignet erscheinen, im konkreten Einzelfall die notwendigen Erkenntnisse für eine wirksame Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu gewinnen. Allerdings gehe ich davon aus, daß wir im Standardbereich der Erfolgsbedingungen der Exekutive tätig bleiben sollen. Der Standardbereich ist der, bei dem es um die Vertrauensbeziehung zwischen der Bevölkerung, zwischen Hinweisgebern und der Exekutive geht, weil das das Gros aller Fragen auch in der Spitzenkriminalität zu lösen verspricht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sie haben vorhin gesagt, daß die rechtlichen und technischen Voraussetzungen für das Zeugenschutzprogramm bereits weit gediehen seien, daß auch schon praktische Abstimmungen mit Deutschland bestehen. Mit welchen Kosten muß Österreich im Falle eines solchen Zeugenschutzprogrammes rechnen? Wie wird die Kostenaufteilung zwischen den europäischen Ländern sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Ausländische Erfahrungen zeigen, daß Programme dieser Art durchaus relativ teuer sein können, wobei die Kosten jeweils davon abhängen, wie groß der Kreis der Personen ist, die geschützt werden müßten – oder mit anderen Worten gesagt: in welchem insbesondere familiären Beziehungsgeflecht der zu schützende Zeuge steht und inwieweit dieses Beziehungsgeflecht aufrechterhalten und daher insgesamt geschützt werden muß.

Eine konkrete Zahlenangabe ist dazu nicht zu machen. Es liegt allerdings in der Größenordnung zwischen 100 000 S und Millionen. Die Kostentragung ist nach allen bisherigen Diskussionen so vorgesehen, daß das jeweilige Land, dessen Zeuge zu schützen ist, auch für die Kosten aufzukommen hat. (Abg. Mag. Barmüller: 10 000 S bis 1 Million pro Person? – Bundesminister Dr. Einem: Pro Fall!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.


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Ich bitte Sie, Frau Abgeordnete Stoisits, Ihre Anfrage betreffend Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes vorzutragen.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

83/M

Werden Sie im Rahmen des sogenannten Integrationspaketes (Novellierung des Fremden-, Aufenthalts- und Asylgesetzes) auch einen Entwurf zur Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes vorlegen, damit auch in Österreich der Zugang zur Staatsbürgerschaft ähnlich wie zum Beispiel in Frankreich erleichtert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe zunächst nicht die Absicht, im Rahmen des Integrationspakets auch das Staatsbürgerschaftsgesetz zu ändern. Dies vor allem deshalb, weil es den üblichen bisherigen Gepflogenheiten entspricht, Staatsbürgerschaftsfragen mit den für die Vollziehung in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten zuständigen Ländern vorzuberaten und in weiterer Folge im Konsens mit den Ländern vorzugehen. Meine Absicht geht allerdings dahin, Vorschläge zur Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts mit den Ländern in der nächsten Tagung der Staatsbürgerschaftsreferenten der Länder auf Beamtenebene zu diskutieren, wobei ich davon ausgehe, daß auf der Grundlage dieser Diskussion dann ein Änderungsentwurf ausgearbeitet werden kann.

Überlegungen von meiner Seite gehen in die Richtung, die derzeit länderweise sehr unterschiedliche Praxis bei der Wartefrist für die Einbürgerung bundesweit anzugleichen und auch die Möglichkeit zu schaffen, Fristverkürzungen etwa im Falle einer ausreichenden Sprachbeherrschung anzubieten.

Auch die Frage der Doppelstaatsbürgerschaft und die Frage des erleichterten Erwerbs der Staatsangehörigkeit für sogenannte Gastarbeiterkinder oder Kinder ausländischer Eltern, die in zweiter Generation hier schon leben, sollte gemeinsam mit den Ländern überlegt werden, wobei ich zunächst nicht in Aussicht nehme, den Ländern einen konkreten Vorschlag zu unterbreiten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Aber die Gelegenheit wäre günstig, jetzt im Zusammenhang mit der Akkordierung des sogenannten Integrationspaketes, von dem die Bundesländer ganz wesentlich betroffen sind, diese Fragen anzusprechen. Ich habe bisher den Eindruck gehabt, seit Sie Innenminister geworden sind, ist Ihnen das ein großes Anliegen – mindestens so prioritär wie die Änderung der Fremdengesetze. (Rufe bei der ÖVP: Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.


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Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe leider keine Frage verstanden, daher kann ich sie auch nicht beantworten. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Im Zusammenhang mit Ihren Ausführungen zu der Vorgangsweise zum Staatsbürgerschaftsrecht möchte ich Sie fragen: Sind Sie der Meinung, daß wir vom reinen Abstammungsprinzip, das heute unser Staatsbürgerschaftsrecht dominiert, abgehen und auch Elemente des Ius soli einbringen sollten, damit wir im Rahmen der Integration einen besseren Übergang auch auf der Anspruchsgrundlage zustande bringen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe bei der Beantwortung der Ausgangsfrage darauf hingewiesen, daß ich durchaus offen bin für eine Verständigung mit den zuständigen Bundesländern oder mit den Bundesländern darüber, wie man etwa mit der Frage der Staatsangehörigkeit bei Kindern von Ausländern, die bereits hier geboren und aufgewachsen sind, umgeht. Ich habe aber gleichzeitig zu erkennen gegeben, daß ich dafür nicht mit Vorschlägen in Vorlage treten werde, aber in eine Diskussion mit den Ländern eintreten möchte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, danke.

Frau Abgeordnete Dr. Hlavac, bitte.

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben gestern in erster Lesung zwei Anträge zum Staatsbürgerschaftsgesetz behandelt. Der eine Antrag sieht eine Verlängerung der Frist für den Erwerb auf 15 Jahre vor, der andere eine Verkürzung auf fünf Jahre. Die jetzige Rechtslage sagt zehn Jahre. Herr Minister! Ich frage Sie: Welche Frist halten Sie für angemessen? (Abg. Dr. Graf: Tatsache sind vier Jahre!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Vielleicht darf ich darauf hinweisen, daß im europäischen Raum die normalen Verleihungsfristen zwischen fünf und sieben Jahren betragen. Daher werde auch ich bei einer Novellierung der Fristen eher auf eine Fristverkürzung, jedenfalls nicht auf eine Fristverländerung drängen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage? – Herr Kollege Scheibner.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Im Gegensatz zu dem von Ihnen zuletzt Ausgeführten glauben wir, daß die Staatsbürgerschaft ein sehr wichtiges Gut jedes Staates ist und daß jener, der diese Staatsbürgerschaft erwerben möchte, auch seine Integrationsfähigkeit und -willigkeit unter Beweis stellen sollte.

Herr Bundesminister! Sind Sie nicht bereit, auch in Zukunft auf die Länder dahin gehend einzuwirken, daß bei der Erteilung der Staatsbürgerschaft die Zehn-Jahres-Frist einzuhalten ist und daß vor allem auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache für die Erteilung der Staatsbürgerschaft verlangt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Nein, dazu bin ich nicht bereit. Es gibt derzeit eine gesetzliche Lage, die grundsätzlich eine Einbürgerungsmöglichkeit nach zehn Jahren, bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen bereits nach Ablauf von vier Jahren vorsieht. Die Praxis in dieser Hinsicht ist höchst unterschiedlich, im Durchschnitt erfolgt diese vorzeitige Einbürgerung nach sechs Jahren, tendenziell im Osten früher und im Westen später. Meine Absicht geht dahin, eine Vereinheitlichung der Praxis zu erwirken, wobei ich insgesamt der Meinung bin, daß zwar die Staatsbürgerschaft ein hochwertiges Gut ist, allerdings die Wartezeit erstens einheitlicher und zweitens kürzer sein sollte. Natürlich ist die Frage etwa der Erlernung der Landessprache ein Vorteil für jeden, der sich hier zu integrieren wünscht, und wird daher von uns unterstützt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Großruck, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Österreichische Volkspartei hat heute nacht eine Initiative in Richtung Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes gestartet. Kriterium dabei ist auch die Aufenthaltsdauer. Sind Sie auch der Meinung, daß in Zukunft illegale Aufenthalte von Staatsbürgerschaftswerbern in Österreich nicht mehr der offiziellen Aufenthaltszeit angerechnet werden sollen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Illegale Aufenthalte haben auch bisher schon keine Begünstigung für die Erreichung von Rechten dargestellt. Ich bin der Meinung, das soll auch künftig so sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Anfrage ist Nr. 87/M. – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

87/M

Welche der angekündigten Schließungen von etwa 18 Wiener Polizeiwachzimmern werden aus welchen konkreten Gründen tatsächlich vorgenommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es sind keine Schließungen von Wachzimmern angekündigt, daher ist die Frage in dieser Form nicht zu beantworten. Das, was es tatsächlich zu leisten gilt, ist, daß ein sicherheitspolitisches Konzept für Wien und in diesem Rahmen auch ein Konzept für den optimierten Personal- und Mitteleinsatz in Wien zu erarbeiten ist. Die entsprechenden Arbeiten sind im Gange. Eine Berichterstattung an das Bundesministerium und an mich ist für 1. Februar 1997 vorgesehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Offensichtlich wissen Sie dann weniger als die Bundespolizeidirektion Wien, denn der Herr Polizeidirektor hat schon eine Reihe von Wachzimmern sozusagen freigegeben. Ich frage Sie jetzt: Wieviel Personalfreistellungen für andere Bereiche erwarten Sie sich durch die Schließung von Wachzimmern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es geht hier nicht um Wissensfragen, sondern es gibt klare Anweisungen an die Polizeidirektoren, an die sich auch der Wiener Polizeidirektor hält. Daher geht es nicht darum, daß irgendwelche Wachzimmer bereits freigegeben werden, sondern die Entscheidungen über allenfalls zu treffende Maßnahmen fallen nach entsprechenden Vorschlägen, die am 1. Februar 1997 vorzulegen sein werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Brinek, bitte.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Sicherheitsexekutive speziell in Wien ist von nichtspezifischen Tätigkeiten in hohem Maße befreit worden: ruhender Verkehr, Kurzparkzone, Strafgeldeinhebung und dergleichen. Wie hat sich nun dieses freiwerdende Zeitpotential auf die Außendienstpräsenz ausgewirkt, oder wie wirkt sie sich aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die Entlastung der Exekutive von nichtspezifischen Exekutivaufgaben oder von Aufgaben, die ohne weiteres auch von anderen Organen als von Exekutivorganen wahrgenommen werden können, hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß die Sicherheitsexekutive den vermehrten Arbeitsanfall in anderen Bereichen trotz nicht entsprechender Ausweitung der Kopfzahl zu bewältigen vermag. Dies hat daher natürlich auch einen entsprechenden positiven Einfluß auf die Außendienstpräsenz speziell im Präventivbereich gehabt. Außendienst war auch im Zusammenhang mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs zu leisten. Die Konzentration war allerdings nicht auf jene Felder gerichtet, die zur Vermehrung der Sicherheit im Interesse der


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Bürger notwendig gewesen wären, sondern auf den ruhenden Verkehr, und ich bin froh, daß wir diese Akzentverschiebung erreichen konnten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Moser, bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Nach einer polizeiinternen Statistik liegt Österreich mit 411 Polizisten je 100 000 Einwohner nach Italien und Portugal im europäischen Spitzenfeld. Allerdings sind nur 62 Prozent der rund 6 000 Wiener Polizisten auf Streife. Was werden Sie tun, Herr Bundesminister, um dieses Mißverhältnis zwischen Innendienst und Streifendienst zu verbessern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Zunächst ist diese Prozentbetrachtung nicht unbedingt ein Maßstab für ein unbefriedigendes Verhältnis. Aber alle Maßnahmen, die wir jetzt im Zuge einer Strukturüberprüfung im Rahmen der Bundespolizei vornehmen, sind darauf gerichtet, den exekutiven Außendiensteinsatz zu erhöhen und zu verbessern. Daher werden die konkreten Antworten nach Vorliegen und Beschlußfassung über die entsprechenden Vorschläge zu geben sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Ich begrüße es, daß die Polizisten mehr auf der Straße sind, aber wenn man in ein Wachzimmer, speziell in Wien, kommt, bekommt man oft den Eindruck vorsintflutlicher Verhältnisse, was die Ausstattung mit Computern – die es eben nicht gibt – angeht. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Was werden Sie im Hinblick auf PCs und auf die Software unternehmen, um die Schreibtischarbeit der Polizisten so zu optimieren, daß sie tatsächlich mehr Zeit haben, auf der Straße zu sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Einerseits vermag ich Ihre Einschätzung, es handle sich überwiegend um vorsintflutliche Zustände, nicht zu teilen. Andererseits ist geplant – und das entspricht dem mehrjährigen Ausbauprogramm –, die Vollausstattung mit Computern, die über Zentraleinheiten vernetzt sind, bis zum Jahr 1998 zu erreichen und damit die entsprechenden Voraussetzungen für die Arbeit im Innendienst zu schaffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das hängt wahrscheinlich davon ab, wann man die Sintflut datiert.

Nächste Anfrage: Abgeordneter Platter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

76/M

Ist für die geplante Änderung des Aufenthaltsrechts eine Abstimmung der Quoten nach dem Aufenthaltsgesetz und dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sichergestellt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Den Quoten im Ausländerbeschäftigungsgesetz und im Aufenthaltsrecht liegen jeweils andere Intentionen zugrunde. Während der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Gesamtzahl der zum legalen Arbeitsmarkt zugelassenen unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer jährlich als sogenannte Bundeshöchstzahl im Verordnungswege festlegt, ist es Aufgabe der Bundesregierung, die Neuzuwanderung mittels einer Quote zu regulieren.


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Diese Zahl wurde vor kurzem für das kommende Jahr wie folgt festgelegt: 1 610 Schlüsselkräfte, 9 890 Familienangehörige, 2 370 Studenten und 3 450 Schüler, Pensionisten, Erwerbstätige und privat aufhältige Fremde.

Schon aus dem Nebeneinander beider Gesamtzahlen für das Jahr 1997 – Bundeshöchstzahl: 262 246, Aufenthaltsquote: 17 320 – wird der unterschiedliche Regelungsgegenstand offensichtlich.

Ich werde in den politischen Verhandlungen über das Integrationspaket mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales die unterschiedlichen Probleme und Aspekte dieser in vielen Fällen doppelten Quotierung besprechen und mich bemühen, zu einer für alle Beteiligten befriedigenden Lösung beizutragen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Herr Minister! Sie hatten zugesagt, daß Sie in der äußerst wichtigen Angelegenheit der Harmonisierung des Aufenthaltsgesetzes und des Ausländerbeschäftigungsgesetzes mit den Sozialpartnern noch im Sommer 1996 Verhandlungen führen werden.

Ich frage Sie, Herr Minister: Wann haben Sie diese Verhandlungen mit den Sozialpartnern geführt, und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Die für Sommer 1996 in Aussicht gestellten Verhandlungen habe ich im Sommer 1996 geführt. (Abg. Kiss: In der Bundeswirtschaftskammer weiß aber niemand etwas davon!)

Die Ergebnisse, die Sie ansprechen, werden – so hoffe ich – noch im Laufe des Monats Dezember in einer Weise vorliegen, daß Gespräche mit dem Koalitionspartner, also auch mit Ihnen, dazu möglich sind. (Abg. Kiss: In der Bundeswirtschaftskammer weiß niemand etwas von den Verhandlungen! Das ist erstaunlich!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Für das Jahr 1997 ist die Quote nach dem Aufenthaltsgesetz für die Familienzusammenführung wieder gesenkt worden. Auf der anderen Seite ist die Quote für sogenannte Schlüsselkräfte erhöht worden, obwohl diese Quote in den vergangenen Jahren nie ausgeschöpft wurde.

Können Sie mir plausibel machen, warum Sie diese Vorgangsweise vorgeschlagen haben, zumal es ja im Bereich des Rechtsanspruchs auf Familienzusammenführung einen unheimlichen Rückstau gibt und Menschen jahrelang warten müssen, bis sie gemeinsam leben können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! In Angelegenheiten des Migrationswesens ist es von besonderer Bedeutung, eine sehr enge Abstimmung mit den Bundesländern herbeizuführen. In Sachen der Aufenthaltsquote ist darüber hinaus die Rechtssituation so, daß es an den Bundesländern ist, entsprechende Vorschläge zu erstatten, die dann im Rahmen der Bundesregierung zu akkordieren und zur Beschlußfassung zu bringen sind.

Ich habe auch heuer diesen Weg verfolgt und versucht, jene Prioritäten, die wir sachlich für geboten halten – nicht zuletzt unterstützt durch ein entsprechendes Gutachten des Wirtschaftsforschungsinstitutes –, auch den Bundesländern nahezubringen. Das Ergebnis entspricht dem, was die neun Bundesländer für wünschenswert und vertretbar halten, und wurde daher in der Form von der Bundesregierung und vom Hauptausschuß beschlossen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Kiermaier, bitte.

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen können die Aufenthaltsbehörden setzen, um jene Fremden, die sich zwar legal im Land aufhalten, aber keiner Beschäftigung nachgehen dürfen, dem Bundesminister für Arbeit und Soziales bekanntzugeben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Es gibt tatsächlich eine große Anzahl von Fremden, die seit Jahren legal in Österreich leben, aber sowohl aus beschäftigungsrechtlichen als auch aus aufenthaltsrechtlichen Gründen keinen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt haben. Diese Fremden will ich, sofern sie erwerbsbereit sind, dem Bundesminister für Arbeit und Soziales bekanntgeben, sodaß er weiß, welch erwerbsbereites Arbeitskräftepotential sich in Österreich befindet.

Wenn wir es schaffen, diesen Menschen auch auf dem Arbeitsmarkt eine Perspektive zu bieten, brauchen wir einerseits keine neuen ausländischen Arbeitskräfte ins Land zu holen und haben andererseits die Gewißheit, daß diese Fremden nicht auf den Schwarzarbeitsmarkt ausweichen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. Kier.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Da Sie jetzt nur langsame Fortschritte bei der Harmonisierung der Quoten machen – im Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Plattner –, frage ich Sie: Wann gedenken Sie Gespräche dahin gehend aufzunehmen, daß jemand, der unter der Familienquote nach Österreich gekommen ist, hier auch arbeiten darf, sodaß also nicht nur die Quoten harmonisiert sind, sondern auch die Rechtssituation der Menschen harmonisiert ist? – Die Harmonisierung der Rechtssituation ist für mich nämlich die Schlüsselfrage.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Ich teile die Einschätzung, daß das eine Schlüsselfrage ist, und daher haben die Gespräche dazu bereits begonnen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Hofmann, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Innenminister! Präsident Izetbegovi% hat seine bosnischen Landsleute aufgefordert, in die Heimat zurückzukehren, um dort beim Wiederaufbau zu helfen.

Haben Sie bei der Quotenfestlegung für das Jahr 1997 bosnische Flüchtlinge oder jene, die hier bei uns in Österreich sind – deren Zahl ist rund 65 000, von denen 15 000 in Bundesbetreuung sind –, berücksichtigt, oder denken Sie an die von Ihnen fixierte Rückführung im August des kommenden Jahres, und wie stellen Sie sich diese vor?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Bedauerlicherweise sind in Ihrer Frage eine Reihe von Irrtümern enthalten.

Erstens: Die Zahl der noch im Rahmen der Bund/Länder-Aktion betreuten bosnischen Flüchtlinge beträgt nicht 15 000, sondern noch etwa 11 000.

Zweitens: Es ist dies keine Quotenfrage.


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Wir denken auch nicht daran, zum 31. August eine Rückführung vorzunehmen, sondern es ist derzeit ein Aufenthaltsrecht, das bis 31. August befristet ist, für Flüchtlinge aus Bosnien festgelegt.

Österreichs Ziel besteht darin, allen Flüchtlingen die Rückkehr zu ermöglichen. Die Unterstützung, die wir dafür bieten, ist im wesentlichen, daß einerseits eine Beratung der noch in Österreich befindlichen Flüchtlinge, insbesondere jener, die sich in der Bund/Länder-Aktion befinden, stattfindet und andererseits in Kooperation mit bosnischen Stellen in Bosnien Projekte unterstützt werden, die sowohl der Wohnversorgung als auch der Arbeitsbeschaffung in Bosnien dienen, um auf dieser Basis eine schrittweise freiwillige Rückkehr nach Bosnien zu ermöglichen.

Es zeigt sich, daß dieser österreichische Weg, den wir von Anfang an und konsequent beschritten haben, der mittlerweile erfolgreichste ist, was die Rückkehr bosnischer Flüchtlinge in ihre Heimat betrifft. Jene Staaten, insbesondere Deutschland, die von Anfang an über Zwangsrückkehr oder Rückschiebung gesprochen haben, haben bis jetzt keine vergleichbaren Erfolge erzielen können. Wir werden daher den österreichischen Weg fortsetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Ich bitte Herrn Abgeordneten Leikam, seine Frage – Nummer 81 – zu formulieren.

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

81/M

An welchen Operationen und in welcher Form beteiligt sich Österreich mit Exekutivkräften an friedenserhaltenden und humanitären Aktionen im Ausland?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Ich danke ausdrücklich für diese Frage, weil ich den Eindruck habe, daß der Einsatz der österreichischen Exekutivkräfte in diesem Bereich tatsächlich viel zu wenig beachtet wird.

Zurzeit beteiligt sich Österreich an drei UNO-Missionen durch die Entsendung von insgesamt 24 Gendarmerie- oder Polizeibeamten.

In Bosnien-Herzegowina sind derzeit bei der UNO-Mission UNIPTF 18 Exekutivbeamte eingesetzt. Ihre Aufgabe ist die Überwachung der lokalen Polizeikräfte und die Unterstützung beim Wiederaufbau geordneter Sicherheitsverhältnisse in Bosnien-Herzegowina. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte nach diesem mörderischen Krieg gelegt.

Ein Kontingent von vier Beamten ist in Ostslawonien eingesetzt. Ihre Aufgabe ist der Aufbau einer aus beiden Volksgruppen bestehenden Polizeitruppe. Dabei soll insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den Kroaten und Serben gefördert werden. Selbstverständlich steht auch da die Überwachung der Einhaltung von Menschenrechten im Vordergrund. Aufgrund der erreichten Fortschritte hofft man, daß eine friedliche Übergabe des Gebietes an Kroatien, vor allem aber eine friedliche Koexistenz zwischen Serben und Kroaten in Zukunft möglich sein wird.

Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß die Gesamtleitung der UNO-Zivilpolizeioperation dem österreichischen General Walter Fallmann obliegt. Der österreichischen Exekutive wurde damit die Leitung einer der wichtigsten UN-Missionen anvertraut.

In der Westsahara wurde aufgrund des zum Stillstand gekommenen Referendumprozesses das österreichische Kontingent von zuletzt zehn auf nunmehr zwei Exekutivbeamte reduziert. Die noch im Einsatz befindlichen Beamten halten für den Fall eines neuerlichen Beginns des Identifizierungsprozesses die notwendige Logistik bereit, schützen die noch im Land befindlichen Teile der Wahl- und Registrierungskommission und überwachen die Arbeit der lokalen Polizei.


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Der Ministerrat und der Hauptausschuß haben überdies beschlossen, daß bis zu zehn österreichische Exekutivbeamte an einer humanitären Operation in Ost-Zaire teilnehmen können. Ein Beginn dieses Einsatzes ist aber derzeit noch nicht absehbar.

Abschließend möchte ich bemerken, daß alle bisherigen Einsätze immer auch eine humanitäre Komponente hatten und haben, sei dies nun durch die Unterstützung von Hilfsorganisationen bei ihrer Arbeit oder durch eigene, oft auch privat motivierte Aktionen der Beamten selbst.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.- Zusatzfrage? – Kollege Leikam, bitte.

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Die von Ihnen genannten Auslandseinsätze stehen ja durchwegs unter einem UNO-Mandat. Gibt es in der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen bei diesen Auslandseinsätzen eine gute Kooperation, oder gibt es Schwierigkeiten, wie sie zum Teil auch im militärischen Bereich gegeben sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Ich kann generell sagen: Die Kooperation, die wir bisher gefunden haben, hat sich als außerordentlich gut erwiesen.

Ergänzend zu Ihrer Frage: Es hat einen Einsatz gegeben, der jenseits der UNO stattgefunden hat, nämlich jenen im Rahmen der WEU-, EU-Mission in Mostar, bei dem wir elf Beamte im Einsatz hatten.

Meine Antwort gilt aber generell für alle diese Einsätze: Die Kooperation, sowohl in Mostar als auch mit den Einrichtungen der UN, war hervorragend. Und es zeigt sich, daß die österreichischen Beamten in diesem Bereich einen außerordentlich guten Ruf und Namen haben.

Ich muß sagen, von meiner Seite her sind wir daher gerne bereit, uns nach Maßgabe der budgetären und planstellenmäßigen Möglichkeiten an solchen Einsätzen zu beteiligen, weil sie nicht nur dem konkreten Zweck dienen, sondern Österreich auch in hohem Maße zu Ansehen gereichen. (Beifall des Abg. Kiermaier. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Abgeordneter Jung.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sie haben gesagt: nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten. Meine Frage: Welche Kosten sind im abgelaufenen Jahr für solche Einsätze für Österreich entstanden, und wie hoch ist der geplante Kostenansatz für das nächste Jahr?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß wir einerseits Personalkosten und andererseits Logistikkosten aufzuwenden haben. Naturgemäß kann ich Ihnen die Budgetzahlen jetzt nicht im Detail nennen, aber bei Aufrechterhaltung eines 24köpfigen Kontingents liegen sie in der Größenordnung von etwa 24 Millionen Schilling im Jahr.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. Maitz, bitte.

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Einzelne Kollegen der Sicherheitsexekutive, die im Auslandseinsatz stehen, kritisieren die mangelnde Möglichkeit, sich intensiv auf ihre schwierige Aufgabe vorzubereiten. Welche Verbesserungen haben Sie in diesem Bereich vor?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Es stimmt, daß wir in jedem einzelnen Fall die zu entsendenden Beamten in einer allerdings relativ kurzen Ausbildung auf ihren Einsatz vorbereiten. Dieser Kurs, der jeweils vor Entsendung stattfindet, dauert je nach den Gegebenheiten ein bis zwei Wochen. Ab dem Jahr 1997 wird ein unter anderem von Österreich ausgearbeitetes


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EU-Schulungsmodell als Trainingsstandard verwendet werden. Dieser Kurs wird im Rahmen der von Österreich eingegangenen "Partnership for Peace" auch international angeboten. Derzeit ist innerhalb der EU außer Österreich nur noch Schweden Anbieter eines solchen Kurses.

Wir hoffen, dadurch auch die internationale Kooperation insbesondere im Rahmen der Europäischen Union zu verstärken und zu verbessern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Ich teile Ihre uns geschilderte Auffassung, daß die österreichischen Beamten im Ausland eine wirklich hervorragende Figur machen. Ich konnte mich selbst in Mostar im Rahmen der EU-Zusammenarbeit davon vergewissern. Aber es sind ja nur ein paar Beamte – 24, haben Sie gesagt. Mir geht es im wesentlichen um das Gros der österreichischen Beamten, um die Menschenrechtserziehung der österreichischen Beamten hier in Österreich. Bei der Frage 3 haben Sie ja schon von Projekten, die Sie für das nächste Jahr planen, berichtet.

Mich interessiert: Was ist im regulären Schulungsprogramm der Anteil für Schulungen im Menschenrechtsbereich und im Bereich des Abbaus von Ressentiments und Ausländerfeindlichkeit?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Abgeordnete! Es kann nicht darum gehen, sozusagen Unterrichtseinheiten gegeneinander abzuwägen. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß beides notwendig ist. Einerseits sind das notwendige Wissen und die notwendige Verhaltensfähigkeit zu trainieren, andererseits ist es grundsätzlich mein Anliegen und Ziel, ein Prinzip im Rahmen der Ausbildung zum Exekutivbeamten und auch im Rahmen der Fortbildung zu verankern und zu verwirklichen, das eine menschenrechts- und demokratieverbundene Exekutive stützt und fördert. Es zeigt sich, daß dieses Prinzip und diese Bemühungen durchaus von Erfolg begleitet sind.

Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß gerade diese Woche im Rahmen der Bundespolizeidirektion Wien eine besondere Aktion vorgestellt wurde, bei der es darum geht, gemeinsam mit privaten Anbietern Seminare für Sicherheitsexekutivbeamte zum Thema Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zum Umgang mit derartigen Tendenzen in und außerhalb der Exekutive durchzuführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Letzte Zusatzfrage: Abgeordneter Moser. – Bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Das Engagement unserer Exekutivkräfte im Rahmen der UN oder der Europäischen Union trägt ja wesentlich zum guten Image Österreichs im Ausland bei. Das von Ihnen dargestellte Spektrum ist ja nur ein Teil des Auslandseinsatzes unserer Exekutive.

Herr Bundesminister! Welche Erfahrungen haben Sie beispielsweise im Hinblick auf den Einsatz unserer Exekutive zum Schutz der österreichischen Botschaften im Ausland oder der Begleitung von Fluglinien gemacht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Auch in dieser Hinsicht haben wir bis jetzt durchwegs außerordentlich positive Erfahrungen gemacht. Das Innenministerium sorgt immer dann, wenn besondere Bedrohungslagen dies erforderlich machen, für einen besonderen Schutz, sei es der österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland, sei es auch bestimmter Flugrouten.

In diesem Zusammenhang werden im allgemeinen Beamte des Gendarmerieeinsatzkommandos, die für diesen Zweck gesondert ausgebildet und trainiert sind, eingesetzt. Die Erfahrungen


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auch der letzten Wochen und Monate zeigen, daß sie nicht nur außerordentlich gut auf diesen Einsatz vorbereitet, sondern auch in der Lage sind, überraschend auftretende Probleme wirksam und unter Beachtung des Maßstabes des geringsten noch zum Ziel führenden Mittels durchzuführen. Ich bin daher diesen Beamten für diesen ihren Einsatz, der vielfach sehr gefährlich ist, außerordentlich dankbar.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Herr Bundesminister.

Damit haben wir alle Fragen erledigt, und die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich nach § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 1344/AB bis 1347/AB

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 1975 und die Zivilprozeßordnung geändert werden (555 der Beilagen);

B) Zuweisungen in dieser Sitzung

a) zur Vorberatung:

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 357/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend nationale Aufstockung der EU-BSE-Kompensation,

Antrag 358/A (E) der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Einbeziehung der Schafhalter in die BSE-Kompensationen,

Antrag 359/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Frühvermarktungsprämie,

Antrag 360/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Zurücknahme des ÖPUL-Einstiegsstopps;

Umweltausschuß:

Antrag 354/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer österreichischen Anti-Temelin-Offensive;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Umweltausschuß:

Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Evaluierung der Umweltförderungen des Bundes für den Zeitraum 1. 4. 1993 bis 31. 12. 1995 (III-67 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich mitteilen, daß der 7. Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an die Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der freiheitlichen Abgeordneten hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1652/J der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen an den Herrn Bundesminister für Finanzen betreffend "Harter Schilling – weicher Euro" dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen werden.

Ich darf in Erinnerung rufen, daß ich heute am Beginn der Sitzung mitgeteilt habe, daß der Herr Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima durch Frau Bundesministerin Dr. Christa Krammer vertreten wird. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß die Abgeordneten Haller und Genossen beantragt haben, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 133/A (E) der Abgeordneten Haller und Genossen betreffend geschlechtsneutrale Regelung für Nachtarbeit eine Frist bis 25. Feber 1997 zu setzen.

Dazu liegt das von fünf Abgeordneten nach § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage in Aussicht genommen ist, wird die kurze Debatte im Anschluß an die Erledigung der Dringlichen Anfrage stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird sodann nach Schluß dieser Debatte vorgenommen werden. Ich bitte um Kenntnisnahme.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 4 und 5 sowie 7 bis 9 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es wurde eine Tagesblockzeit von insgesamt 8 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten. Darüber hat der Nationalrat zu entscheiden.

Ich frage, ob es gegen diesen Vorschlag Einwendungen gibt. – Dies ist nicht der Fall. Damit ist das einstimmig so angenommen.


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1. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (311 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden (449 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (312 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem Regelungen über den Erwerb von Rechten an Gebäuden und Wohnungen von Bauträgern getroffen werden (Bauträgervertragsgesetz – BTVG) und das Wohnungseigentumsgesetz 1975 geändert wird (450 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor. Damit entfällt die mündliche Berichterstattung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Redezeit freiwillig: 10 Minuten.

10.04

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Einen schönen guten Morgen noch einmal den schon anwesenden Kollegen.

Wir haben hier heute zwei Justizangelegenheiten zur Beschlußfassung vorliegen. Beim Bauträgervertragsgesetz geht es darum, daß die Wohnungseigentumserwerber davor geschützt werden, daß ihre Vorleistungen, ihre Eigenmittel verlorengehen, wenn zum Beispiel der Bauträger in Konkurs geht. Diese Sicherstellung kann schuldrechtlich mit grundbücherlicher Sicherstellung und Zahlung nach Ratenplan oder durch Pfandrechte erfolgen. Ich glaube, daß wir damit den Konsumentenschutz wieder etwas verbessert haben.

Es war ursprünglich von den Gemeinnützigen gebeten worden, daß man sie ausnehmen möge. Aufgrund der Skandale, die wir aber auch im gemeinnützigen Bereich hatten, stand diese Frage im Ausschuß dann nicht mehr zur Debatte, und natürlich gilt dieses Recht auch im Falle des Wohnungseigentumserwerbes von einer gemeinnützigen Gesellschaft.

Die Bauträger müssen diese Verträge und Sicherungsinstrumente schriftlich abschließen. Tun sie das nicht, gibt es relativ hohe Strafen in der Höhe von 200 000 bis 400 000 S.

Gleichzeitig erleichtern wir die Eintragung ins Grundbuch beim Wohnungseigentum. Die Nutzwertfeststellung kann in Hinkunft von Ziviltechnikern oder von gerichtlich beeideten Sachverständigen durch Gutachten gemacht werden, und mit diesem Gutachten und dem Vertrag kann man ins Grundbuch gelangen, auch lange bevor das Bauwerk fertiggestellt ist. Das sichert die Eigentümer und macht einen langwierigen Aktenlauf bei den Gerichten in Hinkunft nicht mehr notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist wichtig für all jene, die sich in einem Altbau Wohnungseigentum schaffen wollen. Hier hatten wir die Rechtsunsicherheit, daß jemand eine Wohnung um einen akzeptablen Preis gekauft hat, und im nachhinein sind erst die Mängel des alten Hauses zutage getreten, und er ist noch einmal zur Kasse gebeten worden, im Rahmen der gesamten Wohnungseigentümerschaft das Haus zu sanieren.

Daher muß in Hinkunft vor erstmaliger Parifizierung und Nutzwertfeststellung ein Gutachten vorliegen, das den aktuellen Zustand des Hauses beschreibt, um den Erwerber von einer Einheit, von einer Wohnung vor bösen Überraschungen über den Zustand des Hauses zu bewahren.


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Das zweite Gesetz, das wir heute beschließen, betrifft den Konsumentenschutz. Es ist die lang erwartete Konsumentenschutzgesetz-Novelle. Sie hatte einen sehr langen Vorlauf, regelt aber einige für die Menschen in Österreich sehr wesentliche Dinge neu.

Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, kennen alle das Problem mit zugesandten Waren, die nicht bestellt worden sind: Bücher werden einem zugesandt, und dann weiß man nicht: Muß ich sie aufbewahren, muß ich sie bezahlen, muß ich sie zurückschicken (Abg. Dr. Khol: Muß ich sie lesen?), muß ich sie lesen? Natürlich, Herr Kollege! (Abg. Schieder: Der Pröll weiß, was man damit macht! – Heiterkeit.) Und in Hinkunft ist die Rechtslage so: Sie dürfen sie lesen, ohne sie bezahlen zu müssen, und Sie können sie auch nachher wegwerfen und entsorgen. Sie müssen sie nicht aufbewahren! Das heißt, wenn jemand Ungebetenes verschickt, hat er sich damit das Risiko eingehandelt, daß sich niemand mehr dafür verantwortlich fühlt. Die Sache gilt als herrenlos. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben etwas Weiteres sichergestellt: Wenn bei einem Geschäft permanent nur von den Förderungen die Rede ist und versprochen wird, daß es steuerliche Anreize, Förderungen gibt oder daß ein Dritter zur Leistung beiträgt, der aber gar nicht involviert ist, und man dann diese Förderung nicht bekommt, dann besteht ein Rücktrittsrecht ab dem Zeitpunkt, zu dem man Kenntnis hatte, daß es diesen Benefit nicht geben wird.

Ich halte das für wichtig, denn gelegentlich sind den Konsumenten Geschäfte mit dem Argument der Steuerersparnis eingeredet worden, die es letztlich dann gar nicht gegeben hat.

Wir haben auch ein richterliches ... (Abg. Schieder: Frau Kollegin! Wie ist das mit dem Wegschmeißen von zugeschickten Dingen? Gilt das auch für Strafmandate? – Heiterkeit.) Herr Kollege! Nein, und zwar deshalb, weil Sie bei einem Strafmandat, wenn das eindeutig Ihr Kfz betrifft, als ordnungsgemäßer Adressat annehmen müssen, daß es nicht irrtümlich an Sie gegangen ist. Und ich rate Ihnen, gegen solche Strafmandate entweder Berufung einzulegen oder sie einzuzahlen, wenn Sie ein schlechtes Gewissen haben. (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wichtig vorwiegend für die Frauen ist eine neue Regelung bei Bürgschaften und Haftungen für Kredite des Mannes. Grundsätzlich gelten solche Bürgschaften auch nach der Scheidung. Das heißt, sie verlieren nicht die Wirkung, sondern sie bleiben aufrecht. Eine Ehegattin – oder auch der Ehegatte, wenn das umgekehrt ist – hat aber auf Antrag bei Gericht die Möglichkeit, nach der rechtskräftigen Scheidung eine solidarische Bürgschaft in eine Ausfallsbürgschaft umzuwandeln.

Es sind in der Praxis bedauerlicherweise Fälle vorgekommen, wo vermögenslose Ehegattinnen nach der Scheidung erhebliche Beträge für Kredite zahlen, die dem Unternehmen des Mannes zugute kommen. Hier haben wir in Hinkunft ein richterliches Mäßigungsrecht normiert, wonach die Interessen aller Beteiligten, nämlich die der Bank, die des Unternehmens, aber auch die der vermögenslosen Frau, zu berücksichtigen sind. Ich hoffe, daß hier eklatante Ungerechtigkeiten in Hinkunft abgestellt werden.

Bedauerlicherweise sind in der Gesetzwerdung zum Konsumentenschutzgesetz redaktionelle Fehler passiert, die ich durch einen Abänderungsantrag zu Artikel II Z 1 und Artikel III in zweiter Lesung korrigieren möchte. Darüber hinaus soll den Unternehmen, die sich an die neuen Regelungen zu halten haben, Gelegenheit gegeben werden, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen an die geänderten beziehungsweise ergänzten Bestimmungen anzupassen. Immerhin tritt dieses Gesetz mit 1. 1. in Kraft, und Sie wissen alle, jetzt, die letzten Wochen vor Weihnachten, ist es ausgesprochen schwierig für die Unternehmen, ihre Geschäftsbedingungen und Computerprogramme darauf abzustimmen.

Daher bringe ich folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Maria Fekter, Dr. Willi Fuhrmann und Kollegen zum Bericht des Justizausschusses (449 der Beilagen) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit


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dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden (311 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Zu Artikel II (Änderungen des Konsumentenschutzgesetzes)

1. Die Z 22 hat wie folgt zu lauten:

"22. § 31a samt Überschrift entfällt."

2. Die Z 26 hat wie folgt zu lauten:

"26. Dem § 41a werden folgende Abs. 3 und 4 angefügt:

(3) Die Änderungen in § 1 Abs. 4, § 3 Abs. 3, § 3a, § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Z 9, 14 und 15, Abs. 2 Z 6 sowie Abs. 3, § 7, § 16 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3, §19 Z 2, § 20 Abs. 1, § 24 Abs. 1 Z 5, §§ 25a bis 25d, § 26c Abs. 2, § 26d, § 27a, §§ 28 und 29, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2, § 31a, § 31f Abs. 1 und 2, § 32 Abs. 1, § 41a Abs. 1 und § 42 durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. xxx/1996 treten mit 1. Jänner 1997 in Kraft. § 6 Abs. 1 Z 5 und 13 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/1996 tritt mit 1. März 1997 in Kraft.

(4) Nicht in der in Abs. 3 genannten Fassung anzuwenden sind

1. § 28 auf Empfehlungen, die vor dem 1. Jänner 1997 abgegeben worden sind.

2. § 3 Abs. 3, § 3a, § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Z 9, 14 und 15, Abs. 2 Z 6 sowie Abs. 3, § 7, § 16 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3, § 19 Z 2, § 20 Abs. 1, § 24 Abs. 1, §§ 25a bis 25d, § 26c Abs. 2, § 26d, § 27a, § 31 Abs. 2, § 31a, § 31f Abs. 1 und 2 sowie § 32 Abs. 1 auf Verträge, die vor dem 1. Jänner 1997 geschlossen worden sind, sowie

3. § 6 Abs. 1 Z 5 und 13 auf Verträge, die vor dem 1. März 1997 geschlossen worden sind."

Zu Artikel III (Änderungen des Versicherungsvertragsgesetzes)

Der Einleitungssatz hat wie folgt zu lauten:

"Das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, BGBl. Nr. 2/1959, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 447/1996, wird wie folgt geändert."

*****

Ich bedanke mich, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

10.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag von Frau Abgeordneter Dr. Fekter ist ordnungsgemäß eingebracht, steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann.

10.15

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem Frau Kollegin Fekter die wesentlichen Inhalte der beiden jetzt zur Debatte stehenden Gesetzesmaterien schon vorgetragen und liebenswürdigerweise auch den Abänderungsantrag verlesen hat – dieser hat im wesentlichen ja nur zum Inhalt, daß wir in zwei Punkten eine Verschiebung des Wirksamkeitsbeginnes um zwei Monate vornehmen, damit die Computerprogramme noch rechtzeitig der neuen Gesetzeslage angepaßt werden können – und weil sich außerdem meine Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion


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noch detailliert mit verschiedenen Punkten dieser beiden Materien befassen werden, kann ich mich darauf beschränken, einige grundsätzliche Anmerkungen zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir leben mit dem ständigen, manchmal latent im Raum stehenden, aber sehr oft auch sehr deutlich artikulierten Vorwurf, daß wir diese Republik überregulieren, daß wir als Gesetzgeber zu viele Gesetze für notwendig erachten, weil wir glauben, eingreifen zu müssen: in die Wirtschaft, in die Lebensumstände der Menschen dieses Landes. Dieser Vorwurf mag oft, manchmal berechtigt sein. Ich glaube aber, daß wir gerade im gegenständlichen Fall mit Fug und Recht behaupten können, daß in zwei Bereichen erkannt worden ist, daß die Notwendigkeit eines Regelungsbedarfs vorhanden ist.

Oft regen wir uns auf und sagen: Warum muß man diese oder jene Materien unter einem diskutieren? Das paßt doch eigentlich nur sehr schlecht zusammen. In dem Fall kann man in der Tat sagen: Diese beiden Materien passen so gut zusammen, daß es sogar eine Zeitlang im Vorfeld eine Denkschule gegeben hat, die gesagt hat: Warum machen wir nicht das, was im Bauträgervertragsgesetz geregelt wird, gleich im Zusammenhang mit der Novelle zum Konsumentenschutzgesetz, und warum schreiben wir das nicht gleich ins Konsumentenschutzgesetz hinein?

Wir haben uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu entschlossen, das nicht zu tun. Ich glaube, daß das gut und richtig war, weil damit im Bereich Bauträgervertragsrecht eine klare Übersichtlichkeit für die Gesetzesunterworfenen geschaffen worden ist, weil klargestellt worden ist, daß diejenigen, die eine Wohnung zu erwerben beabsichtigen, in welcher Rechtsform auch immer, davor geschützt werden, daß das Geld, das sie schon bezahlen mußten, bevor sie die Wohnung bekommen haben, womöglich verloren ist und sie dann auch keine Wohnung haben. Es war die Gefahr bei dieser Sache, daß man die Dinge legistisch zu kompliziert, zu kasuistisch und zu bürokratisch anlegt. Ich glaube, daß es uns in den intensiven Vorgesprächen gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister und seiner Beamtenschaft gelungen ist, dieser Falle auszuweichen.

Damit ich es nicht vergesse, möchte ich an dieser Stelle einmal ein Wort der Anerkennung an die Adresse des Herrn Bundesministers und seiner Beamtinnen und Beamten richten, weil die Kooperation mit dem Justizbereich wirklich hervorragend funktioniert. Gerade in diesem Punkt kann ich sagen, daß wir in einem sehr konstruktiven, sehr guten Arbeitsklima zueinandergefunden haben. Es war anfangs gar nicht so einfach, denn gewisse politische Wünsche waren im ursprünglichen Entwurf des Ministeriums nicht berücksichtigt. Es wurde dann aber eingesehen und verstanden, warum wir diese Wünsche geäußert haben, und es ist dann in wirklich guter und aufmerksamer Kooperation gelungen, das einzuarbeiten. – Herzlichen Dank!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt eine zweite Gefahr bei solchen Materien, und zwar die, daß wir in der guten Absicht, die Schwächeren, nämlich die Konsumenten, zu schützen, so überregulieren, daß wir die Wirtschaft behindern. Das ist eine große Gefahr und wird auch von den Vertretern der selbständigen Wirtschaft immer wieder in den Verhandlungen vorgebracht: Paßt auf, macht keine Gesetze, die es uns unmöglich machen, im Sinne unserer Ansätze tätig zu werden!

Ich meine, daß wir auch diese Klippe umschifft haben. Wir haben den richtigen Mittelweg gefunden, nämlich einerseits die Schwächeren vor Übervorteilung zu schützen und andererseits den wirtschaftlich Stärkeren, denen, die die Wohnungen herstellen, die die Wohnungen bauen, die die Finanzierung et cetera durchführen, auch die Möglichkeit zu geben, daß sie trotzdem – unter Beachtung des Gedankens der Sicherheit der Konsumenten, der Erwerber – ihre Aufgabe, Wohnungen für die Menschen zu schaffen, vernünftig erfüllen können, ohne das Produkt unsinnig zu verteuern, was sich ja unter dem Strich schlußendlich wieder negativ für die Wohnungswerber auswirken müßte.

Wohnungen werden ja schließlich nicht aus altruistischen Gründen gebaut, sondern um in einer gewissen ökonomischen Relation auch etwas damit zu verdienen. Das muß ja nichts Schlechtes sein.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Änderungen im Zusammenhang mit dem Konsumentenschutzgesetz meine ich, daß wir auch da feststellen können, daß sich gewisse Dinge in der letzten Zeit offenbar im Bewußtsein eingebrannt haben, daß erkannt worden ist, daß es so eigentlich nicht weitergehen sollte, und vernünftig gegengesteuert worden ist.

Als Beispiel führe ich das Problem der unverlangt zugesendeten Waren an, darüber wurde auch im Justizausschuß diskutiert. Nun ist klarstellt, daß das, was ohnehin in der Vergangenheit schon passiert ist, nämlich daß die meisten das wegwerfen und sich nicht darum kümmern, jetzt auch mit gesetzlicher Deckung geschehen kann. Darüber bin ich persönlich sehr froh.

Jetzt mache ich einen Sidestep vom Konsumentenschutz zum verbesserten Schutz der Unfallopfer. Wir haben jetzt ins Gesetz aufgenommen, daß bei absichtlich herbeigeführten Unfällen der Unschuldige, der unschuldig an diesem Unfall Beteiligte – also der Gegner des Wahnsinnigen, der absichtlich den Unfall herbeiführt, meistens deswegen, weil er sich umbringen möchte –, sich nicht nur die Vergütung für seinen Sachschaden bei der gegnerischen Versicherung holen kann und diese sich das dann allenfalls mit den Erben des Selbstmörders ausfechten muß, sondern daß jetzt auch der Personenschaden dieser Regelung unterliegt. Das war bisher sehr schwer zu argumentieren. Das Auto wurde zwar ersetzt, aber Schmerzensgeld, Spitalskosten, allenfalls sogar Dauerschäden, all das wurde nicht abgegolten. Ich meine, das ist eine ganz wesentliche Verbesserung.

Man könnte noch vieles andere aufzählen, aber das brauche ich nicht zu tun, denn ich habe noch sehr kompetente Nachrednerinnen und Nachredner. Ich kann mich daher, dem Gebot der blinkenden Lampe folgend, sehr herzlich bei all jenen bedanken, die zusammengewirkt haben, um die beiden heutigen Gesetzesmaterien zu schaffen. Die Abstimmung wird, wie ich annehme, heute einstimmig erfolgen – es sind lauter Pro-Redner gemeldet –, das stimmt mich sehr froh. Ich glaube, daß das ein recht positiver Beginn des letzten Parlamentsplenartages vor Weihnachten ist. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Fekter und Rosemarie Bauer. )

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger.

10.26

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die freiheitliche Fraktion wird beiden Vorlagen die Zustimmung erteilen, weil auch wir der Ansicht sind, daß mit diesen Regelungen ein tauglicher Kompromiß zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen gefunden werden konnte. Es war natürlich in einzelnen Bereichen ein Nachholbedarf gegeben, sowohl auf der Konsumentenschutzseite, als auch was den Schutz von Wohnungswerbern bezüglich ihrer bereits geleisteten Einlage betrifft. Ich darf daher einige Punkte, die uns ganz wesentlich erscheinen, herausgreifen und in aller Kürze versuchen, noch einmal nachzuhaken.

Ein großes Anliegen war und ist, und zwar, wie ich glaube, einer breiten Mehrheit in diesem Lande, daß dieser Unfug mit der Flut von unbestellten Sendungen abgestellt wird. Kollege Fuhrmann hat das ja auch dankenswerterweise schon angeschnitten. Das ist etwas, was in den letzten Jahren sehr stark ausgeufert ist und schon unglaubliche Dimensionen angenommen hat. Ich meine, daß der Gesetzgeber dem Konsumenten, der von Haus aus in einer etwas schwächeren Position ist, in dieser Hinsicht entgegenkommen muß. Das ist nun geschehen, daher findet diese Regelung absolut unsere Zustimmung.

Mit den Änderungen zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch wurde auch die Frage der Beweislastumkehr im Falle von Vertragsverletzungen geregelt. Es wurde eine Erweiterung vorgenommen. Meine Damen und Herren! Auch das ist zu begrüßen, denn wenn in einem Vertrag die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist, muß sich der Schädiger nicht nur wie bisher vom Verschulden frei beweisen, sondern gegebenenfalls auch vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit.


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Im Konsumentenschutzgesetz Artikel II erscheint uns auch sehr wesentlich, daß die Rücktrittsrechte vom Vertrag jetzt besser und umfangreicher geregelt worden sind, wenn die angeführten besonderen Umstände eintreten. Das wird weitreichende Konsequenzen haben. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie das in der Praxis aussehen wird.

Ich halte es auch für notwendig, darauf hinzuweisen, daß jenem Mißbrauch begegnet wurde, der in der Vergangenheit mit unverständlichen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen getrieben wurde. Nun wird ein verbesserter Schutz des Konsumenten ermöglicht. Der Konsument kann sich ja im Gegensatz zu einer Firma, die einen Vertrag mit einer anderen Firma abschließt, nicht so leicht wehren, ohne einen Rechtsanwalt einzuschalten. Der Konsument ist eindeutig in der schwächeren Position. Man kann davon ausgehen, daß im Verkehr zwischen Wirtschaftskörpern, zwischen Firmen von Haus aus eine größere Rechtssicherheit besteht, weil ja die Instrumente ganz anders genutzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch die Entlastung für Mithaftende, das richterliche Mäßigungsrecht, das hier schon angeschnitten wurde, ist ein wichtiger Reformschritt. Ich möchte mich auch beim Herrn Bundesminister dafür bedanken, weil das wirklich ein drückendes Problem ist. Allein über diesen einen Punkt könnte man einen eigenen Debattenpunkt abführen.

Da gäbe es sehr viel dazu zu sagen. Ich glaube, das ist wirklich ein Schritt in die richtige Richtung und daher auch ganz in unserem Sinn.

Herr Bundesminister! Kritisch möchte ich anmerken, daß in dieser Vorlage die Ausklammerung der Reform des Gewährleistungsrechtes erfolgt ist. Das heißt, es wurden hier anstehende Reformen nicht mit behandelt. Ich nehme aber an, daß Sie hier noch eine Erklärung abgeben und uns mitteilen werden, was diesbezüglich in nächster Zeit beabsichtigt ist und welcher Zeitrahmen dahintersteht.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ganz kurz auf das Bauträgervertragsgesetz eingehen. Das ist ein Punkt, der vielleicht auch aus ideologischer Perspektive interessant erscheint. Den freien Bauträgergesellschaften wurde ja immer mit dem Argument begegnet, sie wären aufgrund mangelnder Bonität nicht förderungswürdig. Nunmehr wurde ein Gesetz geschaffen, das die Abläufe genau regelt. Daher nehme ich an, daß es in Zukunft zu einer Art Gleichstellung zwischen den freien und den gemeinnützigen Wohnbauträgergesellschaften kommen könnte. Jedenfalls wird es zu einer Anhebung der allgemeinen Bonität der freien Wohnbauträgergesellschaften kommen. Das ist sicherlich ein Fortschritt.

Es geht auch darum, daß im Bauträgervertragsgesetz mehr materielle Sicherheit statt einer rein formellen Sicherheit geschaffen wird, indem vertragliche Mindeststandards festgelegt werden, die den Konsumenten direkt berechtigen. Die Erhaltung der Dispositionsfreiheit ist wichtig. Dem wurde auch dadurch Rechnung getragen, daß man eines von mehreren Wahlrechten in Anspruch nimmt, wie die Ansprüche derjenigen, die die Vorauszahlungen leisten, nach individuellem Gestaltungsspielraum abgesichert werden können.

In der Praxis wird sich vermutlich herausstellen, daß das Bankgarantiemodell das gängigste, weil wahrscheinlich auch das billigste, sein wird und daß sich dieses Modell wahrscheinlich zu 70 oder 80 Prozent durchsetzen wird.

Allerdings – und da bin ich mit dem Kollegen Fuhrmann nicht ganz einer Meinung – wird das Bauträgervertragsgesetz natürlich zu etwas höheren Kosten führen, weil jetzt sozusagen die Verpflichtung enthalten ist, eine dieser Absicherungsmodalitäten im Wege der Vertragserstellung sicherzustellen. Ich schätze, daß daraus geringfügige Mehrkosten entstehen, aber ich glaube, das muß uns die Sache wert sein.

Meine Damen und Herren! Wenn ich mir vor Augen führe, was in diesem Bereich schon alles passiert ist – ich nenne nur den Namen Itzlinger; das war ja ein regelrechter Skandal –, dann muß ich sagen, das ist eine Frage der Güterabwägung. Die erhöhte Sicherstellung ist sicher sehr zu begrüßen. Da dürfen 5 000 S, 6 000 S oder 10 000 S – je nach Wohnungsgröße – keine große Rolle spielen.


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Ich möchte dem Herrn Bundesminister auch sagen, daß ich froh bin, daß eine Bestimmung, die uns ursprünglich nicht so sehr gefallen hat, nun im Wege des Abänderungsantrages repariert wurde, nämlich jene, mit der eine Klarstellung hinsichtlich der Zivilingenieure erfolgt ist.

Wenn sich nämlich ein Rechtsanwalt als Treuhänder dieses Instrumentes bedient, war nach dem alten Entwurf nicht so klar, ob eine direkte Haftung gegenüber dem Wohnungserwerber, was seine Leistungen betrifft, eintritt oder nicht. Dafür hat der Abänderungsantrag entsprechende Klarstellung gebracht.

Ich meine, daß auch durch die übrigen Abänderungen noch einige Kleinigkeiten qualitativ verbessert wurden, sodaß wir beiden Vorlagen gerne die Zustimmung erteilen werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Barmüller vor. – Bitte sehr.

10.35

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß die heute unter den ersten beiden Tagesordnungspunkten verhandelten Materien auch im Ausschuß sehr konstruktiv behandelt wurden. Es gab eigentlich eine große Freude darüber, daß sehr positive Dinge endlich umgesetzt werden können.

Von Frau Abgeordneter Fekter ist es schon angesprochen worden: Wenn jemand zum Beispiel unaufgefordert Waren zugesendet bekommt, dann muß man in Zukunft dieses Eigentum nicht mehr achten, weil man es ja überhaupt nicht bestellt hat. Man muß also nicht mehr, wenn das zum Beispiel Bücher sind, gewissermaßen sein Bücherregal mit Büchern vollstellen, die man überhaupt nicht haben will, sondern man kann diese Bücher verwenden, wenn man will, man kann sie aber auch wegwerfen.

Das ist eine Anpassung an eine Richtlinie der Europäischen Union. Ich betrachte es als sehr positiv, daß jetzt im Rahmen der Europäischen Union diese Form des Konsumentenschutzes endlich auch in Österreich Eingang findet, denn national war es bisher nicht möglich, diese Regelung zu treffen. Nun ist es eine notwendige Anpassung, die mit dem Beitritt zur Europäischen Union quasi akut geworden ist und sich sehr zum Vorteil der Verbraucher auswirken wird.

Insgesamt stehen beide Materien sehr im Zeichen dessen, daß man den Verbrauchern eine bessere Stellung einräumen will, daß man sie vermehrt schützen will, aber daraus ergibt sich im Grunde genommen mein Unmut, den ich verspüre. Frau Abgeordnete Fekter! Dabei möchte ich mich genau auf Sie beziehen. Wir haben im Ausschuß darüber gesprochen, ob nicht ein unterschiedlicher Inkraftsetzungstermin für einzelne Vorschriften gemacht werden soll, und sind dann übereingekommen, daß das nicht der Fall sein wird, weil es ja hier in Wahrheit auch nicht um redaktionelle Anpassungen geht.

Was mich so verärgert, ist, daß Sie sich hier herausstellen und sagen, daß das ein kleiner Abänderungsantrag ist, bei dem es nur um redaktionelle Anpassungen von Verträgen geht. – Wahr ist vielmehr, daß der § 6 Abs. 1 Z 5 und Z 13 von uns im Ausschuß – deshalb wird er ja geändert – als den Verbraucher benachteiligend erkannt worden ist. Wir haben gemeint, es ist gerechtfertigt, das mit 1. Jänner in Kraft zu setzen.

Aber jetzt kommen Sie hier heraus und wollen mir erzählen, daß die Zeit bis zum 1. Jänner für die Umstellung nicht reichen würde. – Das ist aber nicht das Problem! In der Ziffer 5 geht es darum, daß derzeit ein Unternehmer, der eine Leistung erbringt und im Vertrag auch vorsieht, daß er ein höheres Entgelt verlangen könnte, wenn Umstände eintreten, die er nicht beeinflussen kann, dieses Risiko quasi auf den Verbraucher abwälzen kann.


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In Zukunft soll es aber so sein, daß der Verbraucher dann, wenn diese Leistung billiger wird – auch aus Umständen, die der Unternehmer nicht beeinflussen kann –, dies geltend machen und sagen kann: Augenblick, das war billiger für dich, daher darf ich diesen Betrag abziehen.

Das heißt, wir haben derzeit eine einseitige, einen Vertragsteil begünstigende Regelung. Und jetzt kommen Sie, Frau Kollegin Fekter, und sagen: Wir wollen das nicht am 1. Jänner in Kraft setzen, sondern erst am 1. März. Der Grund dafür ist natürlich der, daß Sie hoffen, daß im Rahmen des Weihnachtsgeschäftes noch zu bisherigen, einseitigen Bedingungen geliefert wird. – "Hoffen" ist vielleicht nicht das richtige Wort. Faktum ist aber, daß es im Rahmen des Weihnachtsgeschäftes zu Fällen kommen wird, wo solche Lieferungen erfolgen, und wenn dann die Lieferungen erfolgt sind und es für die Verbraucher günstiger werden könnte, dann kann er wegen dieses geänderten ... (Abg. Dr. Fekter: Im Jänner ist das Weihnachtsgeschäft schon vorbei! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja schon, aber da werden Sachen gekauft, und es wird auf Raten gekauft werden, und es werden wahrscheinlich bis zum 1. März einige Verbindlichkeiten notleidend werden.

Würde diese Bestimmung mit 1. Jänner in Kraft treten, könnte man das nicht geltend machen, weil es eine neue Rechtslage gibt. Aber Sie gehen jetzt her und machen das anders. Frau Abgeordnete Fekter! Das ist vor allem aus der Ziffer 11 ersichtlich, weil es da um eine Begrenzung der Verzugszinsen geht. Da werden Sie mir doch nicht erzählen können, daß das nichts mit notleidend werdenden Geschäften zu tun hat!

Das ist nach meinem Dafürhalten eine wirklich einseitige Änderung dessen, was wir im Justizausschuß eigentlich beschlossen haben und worüber wir einvernehmlicher Auffassung waren.

Ich möchte auch, daß wir diese Bestimmungen gesondert abstimmen, denn ich sehe nicht ein, daß eine Materie, die in so vielen Bereichen positiv ist, jetzt dadurch übertüncht wird, daß man hofft, das wenigstens für das große Weihnachtsgeschäft, das noch aussteht, noch so zu belassen. (Abg. Dr. Fekter: Ein Weihnachtsgeschäft gibt es sowieso nicht für diese Art von Geschäft!)

Frau Abgeordnete! Schauen Sie sich einmal an, wie das sein wird. Es wird dann Vertragsbestimmungen geben, die nicht mehr gültig sind und die angefochten werden können. Sie wollen nur eines jetzt erreichen, nämlich daß das jetzt quasi noch gemacht werden kann. Wenn nämlich das, was Sie sagen, richtig wäre, dann bräuchten wir diese Änderung überhaupt nicht.

Darüber hinaus darf ich Sie auch darauf hinweisen, daß die Formulierung etwas eigentümlich ist. Wenn Sie nämlich in Ihrem Abänderungsantrag – bezogen auf die Z 2 Abs. 4 Ihres Abänderungsantrages – schreiben: "nicht in der in Abs. 3 genannten Fassung anzuwenden sind", und dann § 6 Abs. 1 Z 5 und 13 nennen, dann muß ich darauf hinweisen, daß diese von Ihnen angesprochene Bestimmung in Abs. 3 überhaupt nicht vorkommt.

Daher wird es da ein Problem geben. Welche meinen Sie denn? Sie beziehen sich auf eine Bestimmung, die so in der Formulierung gar nicht vorkommt. Sie haben das zu schnell hineingehudelt, und ich meine, daß man diese positiven Bestimmungen, die es heute im Konsumentenschutzgesetz gibt und die man noch verbessern will, nicht dadurch übertünchen soll, indem man noch schnell am Schluß etwas unüberlegt hinzufügt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch noch auf eine Bestimmung eingehen, die sich auf jene Verträge bezieht, durch die vermögens- und einkommenslose Ehegatten eine Haftung mit übernehmen und dann in die Ziehung genommen werden, obwohl vielleicht schon die Scheidung durchgezogen ist, wie Sie das, Frau Abgeordnete Fekter, ohnehin auch richtig dargestellt haben. Die Liberalen haben dazu nämlich schon früher einmal einen Antrag mit einer sehr rigorosen Lösung eingebracht, die gelautet hat, daß solche Bürgschaftsverträge mit einkommens- und vermögenslosen Personen überhaupt nichtig sein sollen. Die Regierungsvorlage geht einen anderen Weg. Sie gestattet es dem Richter unter bestimmten, im Gesetz auch aufgezählten Kriterien, ein Mäßigungsrecht bis hin zu null in Anspruch zu nehmen.


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Meine Damen und Herren! Wiewohl der Antrag, den ich zuerst genannt habe, maßgeblich von mir mit initiiert worden ist, meine ich, daß die jetzt getroffene Lösung eine lebensnähere ist und auch mehr Optionen aufmacht. Daher wird dieser Lösung von uns auch die Zustimmung gegeben werden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits.

10.42

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es besteht überhaupt gar kein Zweifel darüber, daß diese beiden Gesetze, die heute novelliert werden, Angelegenheiten betreffen, hinter denen auch die Grünen in den wesentlichsten Punkten dieser Bestimmungen vorbehaltlos stehen, zumal es ja vor allem hinsichtlich des Konsumentenschutzgesetzes fast ein Jahrzehnt der Verhandlungen bedurft hat.

Was ich ganz besonders bedauere, ist, daß die ursprüngliche Absicht, das Gewährleistungsrecht zu novellieren, nicht umgesetzt wurde, vor allem wenn man weiß, daß die wesentlichen Teile des geltenden Gewährleistungsrechts aus dem Jahr 1811 stammen und deshalb das dringende Erfordernis besteht, sie an das moderne Wirtschaftsleben anzupassen.

Der Herr Bundesminister hat im Ausschuß schon erläutert – das wird er auch jetzt sicher wieder tun –, warum es nicht dazu gekommen ist, obwohl der ursprüngliche Anlaß für all die Angelegenheiten in diesem Zusammenhang die vor allem von der Bundesarbeitskammer erhobene Forderung nach einer tiefgreifenden Gewährleistungsreform war. Das, was jetzt sowohl im Bauträgergesetz als auch im Konsumentenschutzgesetz beschlossen wird, ist jedoch im Sinne eines verbesserten, modernen und auch – wie Kollege Barmüller gesagt hat – europareifen Konsumentenschutzes absolut zu befürworten.

Die Vorgangsweise der Frau Dr. Fekter, jetzt etwas als Abänderungsantrag einzubringen, worüber im Ausschuß ganz konkret gesprochen wurde, finde ich – das muß ich wirklich sagen – ein bißchen befremdlich. Man kann nicht, wenn man im Ausschuß die Zustimmung aller fünf Fraktionen für einen Vorschlag bekommt, jetzt in der zweiten Lesung einen Abänderungsantrag einbringen und versuchen, das so darzustellen – und es hat so geklungen –, als ob das wirklich redaktionelle Fehler gewesen wären.

Das ist es ja nicht! Es ist genau um diese Frist gegangen, wo wir Ihnen – zumindest hat die ganze ÖVP-Fraktion damals auch zugestimmt – plausibel machen konnten, daß es genau diese Notwendigkeit der Fristverschiebung auf jetzt zwei Monate – 1. März – nicht gibt, denn – damit komme ich auf mein erstes Argument zurück – die Unternehmer und die Unternehmerinnen sind ja seit Monaten, wenn nicht seit Jahren auf diese Konsumentenschutzgesetznovelle vorbereitet. Das ist ja für niemanden etwas Neues, zumal ich mich daran erinnere, daß wir schon im Frühjahr darüber diskutiert haben, warum das nicht schon längst in den Justizausschuß gekommen ist.

Und darum, Frau Dr. Fekter, halte ich das nicht für eine seriöse Vorgangsweise, vor allem dann nicht, wenn Sie vorher schon die Zustimmung aller Fraktionen bekommen haben. Da schließe ich mich den Worten des Herrn Kollegen Barmüller von vorhin an.

Ich möchte den Herrn Bundesminister noch bitten, uns in seiner Wortmeldung zu erläutern, was jetzt mit dem Gewährleistungsrecht ist, wie der Stand der Vorarbeiten aussieht, zumal das ja ein Komplex ist, der immer gemeinsam bearbeitet wurde und wofür es ja schon einen Entwurf samt umfangreichen Stellungnahmen dazu gegeben hat. (Bundesminister Dr. Michalek: Sehr kontroversielle!) Sehr kontroversielle, ja, das ist auch der Grund, warum es nicht zu einer Einigung kam.

Aber dieser berühmte, in der Politik immer wieder zitierte Handlungsbedarf ist hier zweifelsfrei gegeben, und es wäre für den Nationalrat sicher interessant, zu erfahren, was sich da abspielt. Denn wenn man sich zum Beispiel den Bericht zur Lage der VerbraucherInnen, den das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz vorgelegt hat, oder die Statistik des


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Vereins für Konsumenteninformation hinsichtlich der Beratungstätigkeit dieses Vereins anschaut, erkennt man, daß es ja diese Punkte sind, die ganz wesentlich im Vordergrund stehen. – Darum würde ich Sie bitten.

Mein kleiner Groll über die Vorgangsweise der Frau Dr. Fekter und des Herrn Dr. Fuhrmann mit dem Abänderungsantrag wird uns aber nicht daran hindern, diesen positiven Bestimmungen, die sich für die Konsumenten vorteilhaft auswirken werden, zuzustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte sehr.

10.47

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zur Beschlußfassung vorliegende Konsumentenschutzgesetznovelle hat sich der Anhebung des Niveaus des Verbraucherschutzes in Österreich verschrieben. Der Entwurf geht auf außerordentlich langwierige und lang dauernde Vorarbeiten zurück. Man übertreibt nicht, wenn man von einer bald zehnjährigen Genese dieses Vorhabens spricht. Umso mehr freut es mich, daß die Regierungsvorlage nunmehr, wie ich glaube, die besten Aussichten hat, von allen Fraktionen angenommen zu werden, und sich damit bewahrheitet, daß gut Ding wirklich manchmal Weile braucht.

Wir stehen heute mitten in umwälzenden Prozessen, auf die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und damit auch der Verbraucherschutz abgestimmt werden müssen. Entgegen gelegentlichen Besorgnissen kommen neue Impulse in reichem Maße auch im Bereiche des Konsumentenschutzes aus der Rechtsentwicklung der Europäischen Union, wo besonders seit dem Vertrag von Maastricht der Gedanke an Bedeutung gewonnen hat, daß die notwendige Liberalisierung des Wirtschaftslebens durch einen ebenso notwendigen Konsumentenschutz begleitet werden muß, weil Voraussetzung eines funktionierenden Marktes auch ein wirkungsvolles zivilrechtliches Verbraucherschutzrecht ist.

Es wäre völlig verfehlt, Konsumentenschutz als Gegensatz zum freien Wirtschaften und zu weiterer Liberalisierung unternehmerischen Handelns zu verstehen. Ganz im Gegenteil! Ein effektiver Verbraucherschutz stellt eine unerläßliche Ergänzung, ja geradezu einen Eckpfeiler der freien Wirtschaftsordnung dar. Er ist nicht Hemmschuh, sondern essentielle Bedingung für einen fairen Ausgleich wirtschaftlich gegenläufiger Interessen.

Dazu gehört vor allem auch, daß der Konsument über das Produkt und dessen Konkurrenz hinreichend informiert wird, also Transparenz und Freiheit vor Irreführung herrschen, und er nicht durch Überrumpelung, durch psychologischen Druck oder durch ähnliche Fairneßverletzungen in Transaktionen gedrängt wird, die er nicht wirklich sucht und die für ihn letztlich nachteilig sind.

Diese Zielsetzung, die Herbeiführung eines fairen Interessenausgleiches, hat sich die Regierungsvorlage vorgenommen. Sie bemüht sich zum einen, verschiedene Mißbräuche in bestimmten Wirtschaftszweigen einzudämmen, etwa durch die Einräumung des Rücktrittsrechts bei Nichteintreffen besonderer, vom Unternehmer genährter Vorstellungen des Verbrauchers oder durch die Regelung der Wohnungssanierungsverträge.

Zum anderen sieht die Regierungsvorlage aber auch neue Lösungen für verschiedene Problembereiche, beispielsweise für die häufig anzutreffende Vereinbarung weit überhöhter Verzugszinsen und für die bekannten Schwierigkeiten bei der Mithaftung einkommens- und vermögensloser Personen für fremde Kreditverbindlichkeiten, vor.

Wie schon erwähnt, haben wir uns dabei gegen eine Alles-oder-nichts-Lösung, die die Interzession von wirtschaftlich leistungsschwachen Personen generell für unzulässig erklärt, wie das die deutsche Judikatur macht, entschieden, vielmehr in unserem Vorhaben dem Richter die Möglichkeit eingeräumt, anhand differenzierter Kriterien die Verbindlichkeiten des Bürgen oder Mitschuldners in einer den Umständen des konkreten Einzelfalles gerecht werdenden Weise zu


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mäßigen oder auch ganz zu erlassen. Es stellt dies eine sowohl die legitimen Interessen der Kreditwirtschaft als auch den Schutz ökonomisch schwacher Mithaftender angemessen abwägende Regelung dar.

Schließlich setzt die Regierungsvorlage einschlägige Entwicklungen in der Europäischen Union um. Hier ist vor allem auf das Transparenzgebot für Allgemeine Geschäftsbedingungen und auch auf die Einschränkung der Zulässigkeit sogenannter Freizeichnungsklauseln für Personenschäden zu verweisen. Aber auch die im Bereiche des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches getroffenen Vorkehrungen, mit denen vor allem die Unsitte des schon erwähnten unbestellten Zusendens von Waren abgestellt werden soll, konnten unter Berücksichtigung diesbezüglicher Überlegungen zum schon sehr weit vorgeschrittenen Entwurf der EU-Fernabsatzrichtlinie erstellt werden.

Insgesamt stellt die Konsumentenschutzgesetznovelle einen Markstein in den Bemühungen dar, das Niveau des Verbraucherschutzes in Österreich anzuheben. Diese Bemühungen werden damit allerdings nicht abgeschlossen sein, zumal es ganz konkret gilt, die österreichischen Überlegungen zu einer weiteren Verbesserung des Konsumentenschutzes in die diesbezüglichen Aktivitäten der Europäischen Union einzubringen und vor allem auch die im Zuge der Vorbereitungen der Regierungsvorlage zurückgestellten Arbeiten an einer Gewährleistungsreform unter Bedachtnahme auf die Entwicklung auf europäischer Ebene im nationalen Bereich fortzuführen.

Wenn wir diese Zurückstellung vorgenommen haben, so erfolgte dies nicht nur im Hinblick auf die sehr konträren Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren, sondern auch deshalb, weil unsere Überlegungen doch in einigen wesentlichen Punkten im Widerspruch zu den Ansätzen der doch schon einigermaßen vorgeschrittenen Verbrauchsgütergarantie-Richtlinie der Europäischen Union stehen. Insbesondere gibt es einige andere Ansatzpunkte – abgesehen von der Gewährleistungsfrist für bewegliche Verträge –; so etwa hätten wir primär die Verbesserung mangelhafter Leistungen vorgesehen, während dort die Preismäßigung an erster Stelle steht. Uns erschien es daher nicht sinnvoll, jetzt eine nationale Regelung zu treffen, die in einem Jahr, wenn es auf europäischer Ebene zu einer Richtlinie kommt, neuerlich geändert werden muß, und ich glaube, daß diese Verzögerung daher doch gerechtfertigt ist.

Meine Damen und Herren! Auch das Bauträgervertragsrecht dient dem Schutz der Konsumenten, sind doch seine Erwerberschutzbestimmungen zugunsten von Verbrauchern zwingend. Angesichts der hohen Summen, die beim Kauf einer Wohnung oder eines Reihenhauses auf dem Spiel stehen, sind Schutzbestimmungen hier auch besonders dringend nötig.

Schon derzeit wird zwar von seriösen Bauträgern meist ein Rechtsbeistand eingeschaltet, der für eine möglichst risikolose finanzielle Abwicklung Sorge trägt, gesetzliche Schutzbestimmungen oder Mindeststandards der Absicherung gibt es in diesem Bereich aber in Österreich bisher nicht. Dabei liegt beim Bauträgervertrag das Risiko des Vorleistungen erbringenden Erwerbers nicht nur in der Höhe dieser Vorleistungen, sondern auch in der großen Zeitspanne zwischen der Zahlung und der Übergabe des fertiggestellten Vertragsgegenstandes.

Daß Sicherheit auch Aufwand für Kontrolle und Sicherstellungsmaßnahmen erfordert und damit schlicht Geld kosten kann, ist selbstverständlich. Zu prüfen ist aber stets das Verhältnis zwischen dem finanziellen Mehraufwand und damit bewirkter Erhöhung der Sicherheit. Wir haben uns sehr bemüht, den Bauträgern kein enges Korsett zu schnüren, sondern ihnen möglichst vielfältige Sicherungsmodelle zur Auswahl zu stellen. Jeder Bauträger soll sich unter mehreren Möglichkeiten die für ihn kostengünstigste Variante aussuchen können, aber zumindest einer dieser Möglichkeiten muß er sich im Interesse der Erwerber bedienen.

Dabei haben wir auf in der Praxis schon eingeführte Sicherungs- und Abwicklungsmodelle zurückgegriffen, deren Kosten heute schon anfallen, sodaß die von gewisser Seite behauptete zu erwartende Kostenbelastung, wenn eine solche überhaupt eintritt, sich in engsten, durchaus vertretbaren Grenzen halten wird und nur dort zusätzlich anfallen wird, wo bisher – gar nicht selten zum Schaden der Erwerber – keinerlei Sicherungen vorgesehen waren.


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Bei der grundbücherlichen Sicherstellung der Erwerber auf den zu bebauenden Liegenschaften etwa wird schon derzeit meist ein Rechtsbeistand als Treuhänder beigezogen, und auch die Einschaltung eines Ziviltechnikers oder Sachverständigen zur Feststellung des Baufortschrittes ist dort nichts Neues, wo der oder die Erwerber mit Kreditmitteln finanzieren, die nach Baufortschritt ausbezahlt werden.

Für diese Baufortschrittskontrolle im Rahmen des Ratenplans genügen einige Besichtigungen durch einen Sachverständigen auf der Baustelle, deren Kosten sich für den einzelnen Erwerber wirklich nicht gravierend zu Buche schlagen. Andererseits wird dadurch sichergestellt, daß der Erwerber nicht mehr an Vorauszahlungen an den Bauträger leistet, als der tatsächlichen Wertsteigerung der ihm zustehenden Liegenschaft oder des Liegenschaftsanteiles entspricht.

Wenn der Bauträger die Erwerber durch eine Bankgarantie sichern will, so hängen deren Kosten sehr von der Bonität des Bauträgers ab. Bei guter Bonität belaufen sich derzeit die Kosten auf deutlich unter 1 Prozent pro Jahr der besicherten Summe.

Schließlich besteht im geförderten Wohnbau auch die Möglichkeit, daß die Förderungsstellen der Länder für eine gleichwertige Sicherstellung des Erwerbers Sorge tragen und damit die Sicherungspflicht des Bauträgers erfüllt wird.

Ich bin jedenfalls erleichtert, daß angesichts der leider nicht allzu rosigen Konjunkturerwartungen der Baubranche das Bauträgervertragsgesetz nun beschlossen wird und damit in Zukunft gewährleistet ist, daß die oft größte Investition, die jemand im Laufe seines Lebens tätigt – oft unter Heranziehung aller seiner Ersparnisse, Hilfestellung durch die Familie, Aufnahme eines Kredites –, künftig nicht, jedenfalls nicht in existenzbedrohender Weise verlorengehen kann. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Freiwillige Redezeit: 6 Minuten.

10.59

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In Österreich werden im langjährigen Durchschnitt fast 50 000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt, neu errichtet – und das in einer durchaus begrüßenswerten Vielfalt. Neben den Wohnungen, die vom Eigentümer in Form eines Eigenheimes selbst errichtet werden, gibt es private Bauträger, gemeinnützige Bauträger und öffentlich-rechtliche Bauträger, die diese Wohnungen errichten. Es gibt Wohnungen, die mit öffentlicher Förderung unterschiedlich nach den Regelungen unserer neun Bundesländer – das ist verländert worden – finanziert werden, und es gibt auch Wohnungen, die völlig frei finanziert errichtet werden.

Beim größten Teil dieser fast 50 000 Wohnungen pro Jahr gibt es Gott sei Dank auch keine Probleme. Die Erwartungen des Wohnungswerbers werden erfüllt. Aufsehen erregen natürlich die Ausnahmen, die Ausreißer. Sie erregen nicht nur Aufsehen, sondern sie treffen auch den Wohnungswerber hart, weil dieser oft vor der Situation steht, weder Wohnung noch Geld zu haben. Aufgrund der Kosten, die die Errichtung einer Wohnung verursacht, und der Kosten, die Finanzierungen verursachen, sind die Bauträger bestrebt, möglichst große Zahlungen schon vor Fertigstellung vom Wohnungswerber zu erhalten. Da geht es oft um Hunderttausende Schilling.

Wenn da etwas passiert, wenn entweder von vornherein unseriös gehandelt wird – der Name Itzlinger ist als wirklich fatales Beispiel bereits genannt worden – oder man sich einfach verkalkuliert, wenn es dazu kommt, daß ein Bauträger seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann oder in Konkurs geht, dann sind Wohnung und Geld futsch.

Das in Zukunft zu verhindern, ist Sache und ist Sinn des Bauträgervertragsrechtes. Ich halte es für sehr gut, daß die Initiative sogar von den gewerblichen Bauträgern selbst ausgegangen ist, die Seriosität auf dem Markt herstellen wollten. Ich glaube, mit diesem Gesetz gelingt dies auch.


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Immer dann, wenn die Zahlung des Wohnungswerbers vor Fertigstellung der Wohnung 2 000 S und mehr pro Quadratmeter Nutzfläche beträgt, kommt es zur Anwendung dieses Gesetzes mit allen seinen Kautelen: schriftlicher Vertrag, Rücktrittsrechte, wenn es nicht die entsprechenden Informationen gibt, und vor allem die Sicherungsmaßnahmen, die – das hat der Herr Bundesminister schon ausgeführt – auch wieder Wahlmöglichkeiten eröffnen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es ist nicht so, daß das Gesetz genau auf Punkt und Beistrich vorschreibt: Es ist nur diese eine Sicherungsmaßnahme möglich!, sondern aufgrund von wirtschaftlichen Überlegungen sind es gleichwertige Sicherungsmaßnahmen, die vom Bauträger oder eben im Vertrag auch vom Wohnungswerber gemeinsam ausgewählt werden können. Von der Bürgschaft oder Garantie durch eine Gebietskörperschaft, eine Versicherung, eine Bank, über die pfandrechtliche Sicherung oder Treuhänder oder eben auch – weil man dadurch Kosten sparen kann – durch eine sehr genaue Kontrolle durch den Förderungsgeber, der dann nicht nur den Baufortschritt, sondern auch den Einsatz sämtlicher Mittel und die Verbücherung bei Wohnungseigentum zu kontrollieren hat, gibt es gleichwertige Sicherungsmöglichkeiten, von denen die kostengünstigste ausgewählt werden kann.

Ich möchte einige Detailanmerkungen zum letzten Punkt machen, in dem festgehalten ist, daß eine entsprechende Kontrolle durch den Förderungsgeber gleichwertig mit den anderen Sicherungsmaßnahmen ist. Da heißt es im Gesetz: Die Gleichwertigkeit ist bei vier Fällen in der Regel gegeben. Das heißt – auch wenn es manchmal falsch ausgelegt wird – ganz klar, daß, wenn diese vier Fälle gegeben sind, die Gleichwertigkeit jedenfalls gegeben ist. Im Ausschußbericht heißt es dazu: Wenn der Förderungsgeber eine andere sinnvolle, eben gleichwertige Sicherungsmaßnahme wählt, ist in der Regel die Gleichwertigkeit auch gegeben, in Wahrheit gibt es sogar eine größere Vielfalt an Sicherungsmöglichkeiten.

Was ich auch sehr begrüße, sind bestimmte Kautelen, die aufgrund der Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes vorgenommen werden. Es wird bei der neuen Form der Nutzwertfeststellung, die dereguliert und nicht ausschließlich durch das Gericht erfolgen muß, sondern auch durch Ziviltechniker und Sachverständige erfolgen kann, von vornherein darauf Bedacht genommen, daß wir mit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz festgelegt haben, in welchen Fällen – nämlich bei Substandardwohnungen – Wohnungseigentum eben nicht begründet werden kann. Wohnungseigentum soll eine moderne, zielführende, in die Zukunft weisende Form des Wohnens sein. Das ist bei Substandardwohnungen nicht sinnvoll. Es ist im Gutachten von vornherein ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in diesem Fall Wohnungseigentum nicht begründet werden kann. Es kann zwar vorgesehen werden, daß, wenn eine Verbesserung stattgefunden hat, es eine entsprechende Anmerkung gibt, jedoch kann nicht sofort ein Wohnungseigentum begründet werden.

Noch etwas – und auch das geht aus dem Ausschußbericht hervor –: Es ist ein zusätzlicher Vorteil: Man braucht nicht mehr erst zu Gericht zu gehen, um den Nutzwert feststellen zu lassen, und dann wegen einer Grundbucheintragung noch einmal zu Gericht, sondern man kann das gleich mit dem Gutachten erledigen.

Wie aber auch im Ausschußbericht deutlich gesagt wird, sind die Fälle des Abs. 2 im § 3 Wohnungseigentumsgesetz nicht taxativ aufgezählt, sondern demonstrativ. Das heißt, es gibt auch andere Fälle, wo man von sich aus zu Gericht gehen und einen Antrag auf Nutzwertfeststellung einbringen kann, etwa in den Fällen des § 16 Abs. 3 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz oder wenn es der Förderungsgeber verlangt.

Ich glaube, mit diesen Klarstellungen, die ich auch für richtig halte, kann ich zusammenfassend sagen, daß damit ein gutes Gesetz zum Schutz der Wohnungswerber beschlossen wird, die in Zukunft darauf bauen können, daß wenigstens ihr Geld sichergestellt ist, sollte etwas mit der Errichtung der Wohnung schiefgehen. Es ist dies ein Gesetz, dem wir gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.07


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

11.07

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute steht, wie wir ja schon gehört haben, das Bauträgervertragsgesetz zur Beratung und Entscheidung an. Die Vorgeschichte dieser Regierungsvorlage reicht, wie bereits erwähnt wurde, schon einige Jahre zurück und zeigt doch auch eine sehr wechselhafte Entwicklung.

Die gewerblichen Bauträger verfolgten mit ihrer Initiative eindeutig das Ziel, gegenüber den Wohnbauförderungsstellen ihre Gleichwertigkeit mit den gemeinnützigen Bauträgern unter Beweis zu stellen, indem sie nach einer Reihe von Pleitefällen mit verheerenden Folgen für ihre Mieter oder Kaufanwärter zu Recht einen entsprechenden Handlungsbedarf sahen.

Die Konsumentenschutzinstitutionen griffen in weiterer Folge diese Initiative auf und verlangten notwendige Ergänzungen und Verbesserungen für den Schutz der Konsumenten bei der Beschaffung von Wohnraum. So wurde das Bauträgergesetz neben dem schon vor dem Sommer im Hohen Haus beschlossenen Maklergesetz zu einem Schwerpunkt der Wohn- und Konsumentenschutzpolitik.

Die von Herrn Justizminister Michalek eingebrachte Regierungsvorlage enthielt schließlich ein Bündel von Sicherungsinstrumenten, mit denen Bauträger ihre Kunden vor Vermögensnachteilen zu schützen haben. Dafür bin ich dem Herrn Bundesminister sehr dankbar.

Zur Komplettierung der Sicherungsinstrumente wurden auch Änderungen im Wohnungseigentumsgesetz vorgesehen, die vor allem den Wohnungseigentumsbewerbern im Neubau, aber auch bei der durchgreifenden Sanierung von Altbauten und bei Abverkauf von Alteigentumswohnungen eine grundbücherliche Sicherstellung, aber auch eine gewährleistungsrechtliche Absicherung bieten sollen.

Ich bin aufgrund der unzähligen Fallbeispiele, die von Konsumentenschutzorganisationen gesammelt wurden, überzeugt, daß wir mit dem Bauträgervertragsgesetz einen absolut notwendigen Beitrag zur Verbesserung des Konsumentenschutzes leisten. Wir bekennen uns damit zu der Grundhaltung, daß wirtschaftlich schwächere Partner im Wirtschaftsleben einen besonderen gesetzlichen Schutz brauchen, um ihre wirtschaftlichen Interessen vertreten zu können und vor oftmals existenzbedrohenden Nachteilen geschützt zu werden.

Wir bekennen uns dazu, daß alle diese Sicherungsinstrumente und Schutzmaßnahmen Kosten verursachen, die letztlich von allen Wohnungssuchenden getragen werden müssen, obwohl nur in wenigen Fällen Kauf- und Mietanwärter tatsächlich zu Schaden gekommen sind. Es muß uns also bewußt sein, daß wir in einer Art Versicherungssystem von allen Wohnungssuchenden einen Beitrag verlangen, um in wenigen Fällen die existenzbedrohenden Pfuschereien oder Betrügereien zu verhindern beziehungsweise ihre Auswirkungen zu begrenzen. Ich bin daher sehr froh, daß es in der letzten Phase des Gesetzwerdungsprozesses noch gelungen ist, die Regierungsvorlage zu ergänzen und zu verbessern, indem die Wirksamkeit einzelner Sicherungsinstrumente erhöht wurde, unnötige Verdoppelungen von Sicherungsmaßnahmen und damit kostensteigende Entwicklungen, vor allem im Bereich des geförderten Wohnbaus, also im sozialen Wohnbau, vermieden werden konnten. Es wäre wohn- und konsumentenpolitisch absolut unvertretbar gewesen, Bauträger und Konsumenten auch in den Fällen mit zusätzlichen Sicherungskosten zu belasten, in denen aufgrund förderrechtlicher Vorschriften ohnehin schon ein gleichwertiger Schutz der wohnungssuchenden Konsumenten, der Bauträgerkunden vorgesehen ist.

Das Bauträgervertragsgesetz soll und muß aber dort seine volle Anwendbarkeit und Wirksamkeit entwickeln, wo die Wohnbauförderungsvorschriften eines Landes die Miet- oder Kaufanwärter von gewerblichen wie auch gemeinnützigen Bauträgern nur unzureichend schützen.


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Überall dort aber, wo die wohnbauförderungsrechtlichen Vorschriften einen Sicherungsstandard erreichen, der in seiner Wirkung für die Bauträgerkunden zumindest mit dem des treuhänderkontrollierten Ratenplanmodells gemäß § 10 des Bauträgervertragsgesetzes vergleichbar ist, darf eine Verdoppelung von Sicherungskosten nicht eintreten.

Meine Damen und Herren! Bei einer derart realistischen Einschätzung der Reichweite des Konsumentenschutzes durch das Bauträgervertragsgesetz können wir mit berechtigter Genugtuung feststellen, daß es sich hier um ein sehr gutes Konsumentenschutzgesetz handelt, das eine ausgewogene Lösung darstellt, sowohl was Konsumenten als auch politisch notwendige Schutzbestimmungen und dadurch verursachte Kosten angeht. Aus diesem Grund können wir diesem Gesetz ohne Vorbehalt unsere Zustimmung geben, und es freut mich, daß dieses Gesetz anscheinend die Chance hat, die Zustimmung aller Fraktionen dieses Hauses zu erfahren. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

11.12

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Bei der vorliegenden Gesetzesnovelle betreffend Konsumentenschutzgesetz und andere Bestimmungen sieht man, daß es durchaus möglich ist, mit wenigen Seiten einen Handlungsbedarf effizient zu verwirklichen, der durchaus auch einhellige Zustimmung finden wird.

Ich möchte aber noch ganz kurz zurückkommen auf die von Frau Kollegin Fekter angekündigte redaktionelle Berichtigung, die, wie ich mittlerweile von meinen Vorrednern vernommen habe, keine solche ist. Man muß die Kirche im Dorf lassen, aber die Vorgangsweise, daß Sie hier vom Rednerpult aus eine redaktionelle Änderung ankündigen, die tatsächlich keine ist, muß doch als einigermaßen befremdlich bezeichnet werden. (Abg. Dr. Fekter: Eine Anpassung der allgemeinen Geschäftsbedingungen!) Im Ausschuß selbst wären wir dafür auch eingetreten, weil natürlich die Interessen der Unternehmerseite und auch der Kreditwirtschaft durchaus zu beachten sind. Man muß auch dem Unternehmer die Möglichkeit geben, innerhalb einer angemessenen Frist – und dazu stehen wir auch – seine Drucksorten und seinen Geschäftsbetrieb umzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, daß wir auch dieser Änderung mit dem Wermutstropfen, daß sie von diesem Pult aus verkündet wurde, durchaus zustimmen können.

Zum Inhalt selbst. – Ich möchte etwas, was Kollegin Fekter ebenfalls hier vom Rednerpult aus gesagt hat und was tatsächlich nicht richtig ist, richtigstellen, weil man ganz einfach, wenn eine Justizausschußobfrau zu einem Thema etwas in der Debatte sagt, was falsch ist, das nicht unwidersprochen im Protokoll stehenlassen darf. Sie hat gesagt – vielleicht in ihrem überschießenden Eifer –, daß man in Zukunft ein unerwünscht zugesandtes Buch durchaus lesen und nachher wegwerfen darf. Das ist nicht richtig, denn es ist ausdrücklich geregelt worden, daß die Rechte des Konsumenten nicht so weit gehen können, daß er die unerwünscht zugesendete Ware verwendet, nämlich in diesem Fall das Buch liest, und nachher wegwirft, ohne daß er hiefür auch bezahlt. (Abg. Dr. Fekter: Da werden Sie aber Beweisschwierigkeiten haben, Herr Kollege Graf!) – Die Frage des Beweises ist eine andere Frage, aber ich glaube, wir alle streben an, daß in einer Norm, die wir verwirklicht haben wollen, letztlich auch der Zweck verfolgt wird, daß sich der Bürger an die Gesetze hält. Wenn hier vom Rednerpult aus Gesetze relativiert werden, findet das Eingang in die Judikatur, weil es heißt: Die Frau Abgeordnete Fekter hat damals als Justizauschußobfrau gesagt, man kann durchaus auch alles verwenden und nachher wegwerfen, man braucht es nicht zu bezahlen. So kann es nicht sein, und so wird es auch nicht sein, und ich hoffe, daß das von Ihrer Seite auch noch einmal berichtigt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Martin, übersetz’ ihr den Begriff "Judikatur"!) – Ja, das werde ich gelegentlich machen, wenn ich mehr Zeit habe.


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Der Verwendungsanspruch wird natürlich weiterhin gelten auch auf Seite des Unternehmers, allerdings mit Einschränkungen; bei Postkarten beispielsweise wird man es sicherlich nicht so eng fassen können.

Das also zur Richtigstellung für das Protokoll und allfällige zukünftige Judikatur.

Wichtig ist in dieser Gesetzesnovelle auch, daß Wertgrenzenanpassungen im KSchG vorgenommen werden, denn nach 16 Jahren ist das Geld eben weniger wert. Ich glaube, es war notwendig und richtig, daß man da die Grenzen beziehungsweise die Beträge verdoppelt hat.

Nicht ganz einverstanden bin ich mit der Einführung eines neuen Begriffes in die Terminologie der Juristen, und zwar mit dem Begriff Interzedenz, der in Wirklichkeit ein untechnischer Begriff ist, aber als Sammelbegriff für mitverpflichtete Garanten und ähnliches gelten soll. Wir werden uns damit anzufreunden haben.

Ich bin sehr froh, daß gerade in diesem Bereich eine wirklich vernünftige Lösung seitens des Justizministeriums vorgeschlagen wurde und daß man nicht generell Bürgschaften oder andere Interzessionsarten verboten hat, so wie es Tendenzen in unserem Lande und auch im benachbarten Ausland gibt, sondern daß man ganz eindeutig auch auf den Zweck Bedacht genommen hat und somit das richterliche Mäßigungsrecht berücksichtigt, das bis zu Null, bis zur völligen Erlassung der Schuld als Naturalobligation gehen kann. Es wird damit einem tatsächlich vorhandenen Regelungbedarf Rechnung getragen.

Die Judikatur ist schon in der Vergangenheit in diese Richtung gegangen, aber wir wollten sie in diesem Bereich absichern, weil sich ja jede Judikatur ändern kann. Das ist hiermit gelungen. Man hat den Ehegatten nicht generell für geschäftsunfähig erklärt, und dafür bin ich dankbar. Ich glaube, es ist auch im Sinne der partnerschaftlichen Gemeinschaft richtig, und es sind auch die Interessen der Kreditwirtschaft beziehungsweise der Unternehmungen abgesichert, sodaß man nicht durch geschickte Vermögenstransaktionen unter Umständen einen Gläubiger benachteiligen kann.

Hier hat man den richtigen Weg eingeschlagen, und wir können dem Gesetz daher unsere Zustimmung erteilen. Die Frau Kollegin Fekter fordere ich allerdings auf, uns in Zukunft einzuladen bei derart wichtigen und begründeten Berichtungen, dann kann man vielleicht auch in diesem Fall einen Fünf-Parteien-Antrag einbringen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Anna Huber. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.18

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Vor 17 Jahren ist in diesem Haus ein Konsumentenschutzgesetz beschlossen worden, das zum damaligen Zeitpunkt innovativ und einzigartig und ohne vergleichbares Gegenstück in Europa war. Die Markt- und die Rahmenbedingungen haben sich aber seit dieser Zeit sehr wesentlich geändert, und die Diskussion um die Änderung des Konsumentenschutzgesetzes hat daher schon vor zehn Jahren eingesetzt; der Herr Minister hat es bereits erwähnt. Wenn gut Ding Weile braucht, dann muß dieses Konsumentenschutzgesetz ein gutes Ding sein.

Der Verbraucherschutz hat nämlich das bestehende Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Konsumenten auszugleichen, und Verbraucherschutz ist – und das möchte ich wirklich mit allem Nachdruck betonen – eine unbedingt notwendige Ergänzung zu einer freien Wirtschaftsordnung und die einzige Antwort auf die Liberalisierung.

Jetzt ist es soweit, daß wir endlich die Konsumentenschutzbestimmungen den geänderten Marktbedingungen anpassen und damit die Verbraucher vor dem Hintergrund neuer Angebotsformen und auch vor dem Hintergrund eines deregulierten Marktes stärken. Ich begrüße daher die heute zu beschließenden Präzisierungen im ABGB und im Kosumentenschutzgesetz,


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verhehle aber gleichzeitig auch nicht, daß aus meiner Sicht in einigen Bereichen wohl weitergehende Änderungen wünschenswert gewesen wären.

Auch ich möchte betonen, daß ich besonders zwei Punkte sehr positiv empfinde – sie sind heute schon mehrfach angesprochen worden –: Der eine ist die Einführung des richterlichen Mäßigungsrechtes. Dabei geht es um mittellose Personen, und in den meisten Fällen sind das Ehefrauen. Ich könnte Ihnen da aus meiner Praxis als Sparkassenangestellte einige Geschichten erzählen; es kommt da zu menschlichen Katastrophen.

Es ist gar kein Einzelfall, daß Frauen nach einer Scheidung vor dem totalen finanziellen Ruin stehen, weil sie eben die Schulden ihres geschiedenen Mannes abzahlen müssen.

Dieses neue Gesetz schafft nun endlich für den Richter die Möglichkeit, die Schulden, die in einer unverhältnismäßigen Höhe zum Einkommen des Bürgen stehen, sozusagen zu reduzieren – und zwar bis auf Null zu reduzieren! – und damit menschliche Katastrophen zu verhindern.

Für positiv halte ich auch das Rücktrittsrecht bei irreführenden Finanzierungs- und Förderungszusagen. Da wird ja sehr oft das Blaue vom Himmel erzählt: eine Abschreibung dort, eine Förderung hier. In Wahrheit sieht es dann anders aus: Der Kreditvertrag kommt nicht zustande, aber es war bisher nicht möglich, in diesem Falle vom Kaufvertrag zurückzutreten. Der Konsument kann nun, wenn die Bedingungen nicht stimmen, vom Vertrag zurücktreten.

Weitere sehr positive Neuerungen betreffen auch die Zusendung von nicht bestellten Waren, eine Höchstgrenze für Verzugszinsen und mehr Transparenz bei Inkassogebühren.

Ein nächster Schritt aber – und das ist ein Schritt, der meiner Meinung nach sehr, sehr rasch erfolgen muß – ist die Reform des Gewährleistungsrechtes, die ausgeklammert wurde. Ich verstehe zwar das Argument, ich stimme ihm auch zum Teil zu, aber gerade die Tatsache, daß sich laut Bericht zur Lage der Verbraucher mehr als ein Drittel der Beschwerden der Verbraucher genau auf den Bereich Gewährleistung bezogen hat, zeigt eigentlich, daß dort wirklich der Hase im Pfeffer liegt und somit Handlungsbedarf besteht.

Da geht es mir vor allem um eine einheitliche Frist für bewegliche und unbewegliche Güter und um eine durchgängige Beweislastumkehr. Ich denke, es ist dem Verbraucher nicht zuzumuten, daß er beweisen muß, daß ein Mangel an einer gekauften Ware nicht nach dem Kauf selbst von ihm verschuldet worden ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Konsumentenschutzgesetz-Novelle 1996 ist in ihrer Dimension nicht mit dem bahnbrechenden Gesetz aus dem Jahre 1979 vergleichbar, sie gibt aber einen sehr umfassenden Schutzrahmen für die Herausforderungen dieses Jahrzehnts.

Ich werde aber – ich hoffe, gemeinsam mit allen Konsumentenschützern in diesem Haus und den Institutionen, die sich damit beschäftigen – auch künftig nicht ruhen. Wir werden weiterhin sehr scharfe Beobachter der konsumentenpolitischen Rahmenbedingungen sein, und wir werden danach trachten und auch danach trachten müssen, die Regelungen im Sinne der Bürger weiter auszubauen und zu verfeinern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

11.23

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Bauträgervertragsgesetz ist der Versuch, eine boomende Branche rechtlich in den Griff zu bekommen. Tatsächlich gibt es auf dem Wohnungssektor die klassische Mietwohnung betreffend seit 80 Jahren keinen funktionierenden Markt. Das führt dazu, daß österreichweit etwa eine Viertelmillion Wohnungen unvermietet sind, obwohl sie dringend von jenen, die Wohnungen suchen, gebraucht werden würden.


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Aber wirtschaftliche Notwendigkeiten, Notwendigkeiten des Lebens brechen sich ihre Bahn, und so ist es dazu gekommen, daß mittlerweile von den verschiedensten Bauorganisatoren, von den verschiedensten Veranlassungsseiten her Wohnungen gebaut werden und daher in so großer Zahl zur Verfügung stehen wie niemals zuvor.

Aber die Dinge, die mit der Errichtung, mit dem Verkauf und mit dem Erwerb dieser Wohnungen, auch mit der Anmietung der Wohnungen in Verbindung stehen, sind rechtlich bisher nur dürftig geregelt. Tatsächlich ist es so, daß einem ungeheuren Angebot von Wohnungen eine große Zahl von Interessenten gegenübersteht, daß es darum geht, mit relativ wenigen Reibungsverlusten, aber zugleich mit wenig Risiko die Eigentumsübergänge und ähnliches über die Bühne zu bringen. Aber wir müssen auch beobachten, daß das Wohnungsangebot, weil es strikte an den Errichtungskosten und an den Regeln des Marktes orientiert ist, für viele einfach zu teuer ist.

Viele sehen nur eine Möglichkeit, zu einer Wohnung zu kommen, nämlich sich eine auf dem freien Markt zu beschaffen, und sie müssen alle Reserven, die die ganze Familie aufbringen kann, dann in diesen Wohnungserwerb hineinbuttern. Bis zur Großmutter räumen alle ihre Sparbücher aus, und trotzdem bleibt so viel an monatlichen Notwendigkeiten übrig, daß eine junge Familie, etwa ein junges Ehepaar, gar nicht daran denken kann, sich auch noch Kinder anzuschaffen.

Ich glaube, daß daher ein wichtiger Schritt noch aussteht. Der eine wichtige Schritt war zweifellos der, daß wir uns dazu gefunden haben, unter entsprechender Vorarbeit und Mitwirkung des Justizressorts, umfassende Regelungen auf diesem Sektor, die von der Seite aller Beteiligten her außer Streit gestellt worden sind, einzuführen. Ich glaube aber auch, daß wir die Konsequenz daraus ziehen werden müssen, daß diese Wohnungen, die jetzt den Markt weitgehend dominieren, die in ausreichender Zahl jenen, die Wohnungen suchen, zur Verfügung stehen, die aber sehr teuer sind, auch für jene, die sie brauchen, die sie sich aber ohne fremde Hilfe nicht leisten können, erschwinglich werden.

Ich glaube, wir werden hier zu einer besonderen Form der Subjektförderung finden müssen. Wir werden davon wegkommen müssen, daß global gefördert wird, egal wer letztendlich in der Wohnung wohnen wird – ob er sich die Wohnung leisten kann oder nicht –, wir werden dazu kommen müssen, im Zeichen der Notwendigkeit deutlicherer Sparsamkeit, aber auch im Zeichen einer ausgeprägten Gerechtigkeit, die da Platz greifen sollte, daß nur der, der es wirklich notwendig hat, von der Öffentlichkeit Unterstützung auf diesem Sektor erhält – der aber ordentlich, und nicht so wie bisher alle nach dem Gießkannenprinzip. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Also, wie gesagt, in der Situation, daß sich die Mietrechtsgesetzgebung bis zum heutigen Tag – und in der Gegenwart beobachten wir in dieser Richtung wieder sehr schwierig zu bewältigende Probleme – in einem Zustand befindet, der es mit sich bringt, daß es keinen Markt gibt, hat sich die privatwirtschaftliche und auch die genossenschaftliche Seite einen Weg gebrochen, und wir sind jetzt dabei, die entsprechenden Regeln für diese Tätigkeit aufzustellen. Wir müssen aber dazu übergehen, die Armen – und nur die Armen und nicht alle nach dem Gießkannenprinzip! – entsprechend zu fördern.

Ich darf noch eine Anmerkung machen: Was für ein himmelhoher Unterschied zwischen der Vorgangsweise des Justizministers in dieser und auch in anderen Materien und der von Ministerkollegen, die wir – nicht heute, aber sonst – von der Regierungsbank her erleben haben müssen! Er wirkt erläuternd und nicht belehrend, er geht auf Sachfragen, auf die entsprechenden Probleme in seinen Wortmeldungen ein, er schafft eine Atmosphäre, in der alle – und zwar Abgeordnete der Regierungsparteien genauso wie die der Opposition – den Eindruck haben, mit vernünftigen Einwänden zumindest gehört, mitunter auch berücksichtigt zu werden. Ich würde mir wünschen, daß andere Minister, die erst vor kurzem in ihr Amt hineingeschnuppert haben, ein bißchen von ihrem hohen Roß heruntersteigen und etwas von dem annehmen würden, was erfreulicherweise seit eh und je in der Justiz gang und gäbe ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.29


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53. Sitzung / Seite 52

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Letzter Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter. Auch Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

11.29

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich 17 Jahre als Leiter einer Konsumentenberatungsstelle tätig bin, bin ich heute sehr froh, daß es zu dieser Novellierung des Konsumentenschutzgesetzes kommt und auch zum Bauträgervertragsgesetz. Zahlreiche Forderungen der österreichischen Konsumentenschützer werden nun endlich erfüllt!

Ich möchte auf die Geschichte des Zustandekommens dieses Gesetzes gar nicht eingehen – sie ist hinlänglich bekannt –, möchte aber darauf hinweisen, daß damit kein Ende der Konsumentenpolitik in Österreich festgestellt werden darf. Ich glaube, Konsumentenprobleme müssen eine ständige Herausforderung für dieses Haus sein, und wir müssen bereit sein, gerade auch im Rahmen der Europäischen Integration Standards auf europäischer Ebene zum Schutz der österreichischen Verbraucher zu schaffen.

Ich möchte mich aber schwerpunktmäßig mit dem Bauträgervertragsgesetz auseinandersetzen. Ein Artikel aus den "Salzburger Nachrichten" trägt die Überschrift: "40 Salzburger könnten für ihre Wohnungen zweimal zahlen". Ich zitiere:

"Im Sommer 1993 schlitterten die Bauträgerfirmen des Johann Linsmayer in die Pleite. Der Bauunternehmer, Schloßherr von Freisaal, sowie sein damaliger Anwalt Wolf Dietrich Jetzelsberger wurden verhaftet, nach rund einem halben Jahr aber gegen Kaution und Abgabe ihres Reisepasses freigelassen. Gegen sie ermittelt die Salzburger Staatsanwaltschaft u.a. wegen Verdachtes der Veruntreuung, des Betruges und der betrügerischen Krida."

Um was ging es dabei? – Die Zahlungen der Wohnungskäufer wurden nicht für den Bau verwendet. Die Wohnungskäufer wurden nicht in das Grundbuch eingetragen. Das bedeutet, daß sie nun für die pfandrechtlich belasteten Liegenschaften unter Umständen ein zweites Mal zahlen müssen.

Die Frage, um die es heute hier in diesem Hause geht, muß aber sein: Wird die Situation für die österreichischen Wohnungswerber besser? Ich möchte vorweg sagen, in diesem speziellen Fall wird sie nicht besser. Auch wenn wir damals bereits das Bauträgervertragsgesetz gehabt hätten, würden die Probleme der Wohnungskäufer die gleichen sein, wie sie derzeit sind.

Zum Bauträgervertragsgesetz. Die wichtigste Bestimmung finde ich im § 7, in dem die Sicherstellungen genau definiert sind. Die Sicherung kann entweder durch eine schuldrechtliche Sicherung, durch grundbücherliche Sicherstellung des Rechtserwerbs auf der zu bebauenden Liegenschaft, und zwar in Verbindung mit der Zahlung nach Ratenplan, oder durch pfandrechtliche Sicherung erfolgen. Mit diesem Regelungsinstrumentarium soll im Insolvenzfall des Bauträgers sichergestellt werden, daß die Wohnungswerber ihr Geld zurückbekommen. Allerdings ist – und das ist das Entscheidende – bei der grundbücherlichen Sicherstellung die Einschaltung eines Treuhänders erforderlich. Es gibt in diesem Falle – und das möchte ich ganz offen sagen – auch eine Treuhänderproblematik. Wer sich mit der Thematik auseinandergesetzt hat, weiß, daß im Bereich des Notariats ein für jeden Notar verbindliches Treuhandregister, wobei die Abwicklung über die Treuhandbank erfolgt, eingerichtet wurde. Ich muß feststellen, daß dies eine für ganz Europa vorbildhafte Einrichtung ist.

Es gibt einen Versicherungsschutz über 100 Millionen Schilling, und zwar sowohl für die Haftpflichtversicherung als auch für die Vertrauensschadensversicherung. Nicht gibt es diese Absicherung jedoch im Bereich der Anwaltschaft. Da sehe ich einige Probleme, Probleme für die Wohnungswerber, aber auch Probleme für die seriöse Anwaltschaft, die sich an gesetzliche Bestimmungen zum Wohl der österreichischen Konsumenten hält. Ich glaube daher, daß wir uns auch damit auseinandersetzen müssen, wie wir Rechtsanwälte wie die Itzlingers, wie die Jetzelsbergers, die ja bekannt sind und die einen Milliardenschaden zu Lasten der österreichi


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53. Sitzung / Seite 53

schen Konsumenten beim Erwerb von Wohnungen verursacht haben, besser und verstärkt kontrollieren können.

Die Berufsvertretung der Anwaltschaft ist aufgefordert, für bessere Regelungen zu sorgen. Ich sehe dann einen Handlungsbedarf in diesem Haus, wenn es nicht gelingt, die Konsumenten entsprechend abzusichern, wie etwa im Bereich des Notariats. Mit diesem Gesetz wird jedenfalls im Konkursfall des Bauträgers für die Konsumenten eine bessere Rechtssituation geschaffen. Im Bereich des Treuhändertums sollten wir uns und sollte sich dieses Haus noch bemühen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Ofner hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.34

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Ich berichtige die Ausführungen meines unmittelbaren Vorredners tatsächlich wie folgt: Er hat mit seinen Ausführungen den Eindruck erweckt, wie wenn man durch gesetzliche Regelungen in diesem Bereich ... (Abg. Schieder: Man muß eine Aussage berichtigen, keinen Eindruck! Du hast eine Aussage zu berichtigen!) Peter, warum pudelst du dich in aller Früh schon wieder so auf?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (fortsetzend): Herr Präsident! Danke, daß Sie mich in Schutz nehmen, aber wir sollten heute nicht mit demselben Klima wie gestern anfangen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mein Vorredner hat erklärt, daß man mit gesetzlichen Regelungen auch betrügerische Handlungen so in den Griff bekommen könnte, daß sie nicht stattfinden können. Ich berichtige tatsächlich: Mit Regelungen wie der gegenständlichen kann man vorbeugen, daß fahrlässig etwas passiert. Betrügern kann man in keinem Beruf der Welt, auch in keinem Beruf in Österreich und auch in keinem Beruf im Zusammenhang mit dem Bauträgervertragswesen das Handwerk legen. Verbrecher sind Verbrecher und bleiben Verbrecher! Wenn einer stehlen will und veruntreuen will, kann man ihn auch mit gesetzlichen Regelungen nicht in den Griff bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort wird vom Berichterstatter nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung , die über jeden Ausschußantrag getrennt erfolgt. – Ich bitte die Abgeordneten, die Plätze einzunehmen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden, samt Titel und Eingang in 311 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Fuhrmann und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel II Ziffern 22 und 26 sowie Artikel III Einleitungssatz eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, werde ich sogleich über den Gesetzentwurf in 311 der Beilagen in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Fuhrmann und Genossen abstimmen lassen.


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53. Sitzung / Seite 54

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf in der Fassung des Abänderungsantrages ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte diejenigen, die in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über den Erwerb von Rechten an Gebäuden und Wohnungen von Bauträgern getroffen werden und das Wohnungseigentumsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 450 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch in dritter Lesung erfolgt eine einstimmige Annahme .

3. Punkt

Erste Lesung des Antrages 210/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile zunächst dem Antragsteller, Mag. Barmüller, das Wort.

11.38

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In dem liberalen Antrag, der heute hier zur ersten Lesung ansteht, geht es darum, daß gewisse Adaptierungen im Gentechnikgesetz gemacht werden. Es sind im Rahmen der Technologiefolgenabschätzung, die wir im Rahmen der Enquete-Kommission hier im Hause bereits vor mehreren Jahren hatten und die eigentlich die Voraussetzung für dieses Gentechnikgesetz war, Vorschläge gemacht, aber im Gentechnikgesetz nicht umgesetzt worden. Wir versuchen nun, diese doch noch in das Gesetz aufzunehmen. Das ist insofern mittlerweile auch von besonderer Wichtigkeit, als ja gentechnisch veränderte Produkte immer stärker auf den Markt kommen und mittlerweile auch gentechnisch veränderter Mais von der Europäischen Union zugelassen worden ist und die Gefahr oder die Vermutung besteht, daß Ampicillin-Resistenzen aufgebaut werden, wenn dieser gentechnisch veränderte Mais in die Nahrungskette gelangt.

Auch die Europäische Union ist in dieser Frage unsicher. Es gibt weitere Studien, die in Auftrag gegeben worden sind, um diesem konkreten Problemfall nachzugehen. Das ist vor allem aus folgendem Grund wichtig: Wenn einmal eine solche Resistenz gegeben ist, dann ist die Folge, daß auch gegen andere Penizilline Resistenzen aufgebaut werden. Sollte jemand ernsthaft krank werden und Penizillin bekommen, dann spricht er in dieser kritischen Situation darauf nicht an. Das weiß man allerdings vorher nicht, und daher steht man vor einem ernsten Problem.

Faktum ist, daß mit der heutigen Gesetzeslage und mit den heutigen Haftungsregelungen – und darum geht es insbesondere in unserem Antrag – nicht gewährleistet ist, daß Personen, die zu Schaden kommen, diesen Schaden auch wirklich ersetzt bekommen. Darum, meine Damen und Herren, meinen wir, daß es notwendig ist, gerade im Zusammenhang mit dieser Technologie


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53. Sitzung / Seite 55

und im Rahmen des Gentechnikgesetzes neue Haftungsregelungen einzuführen. Das ist ja auch etwas, was im Grunde genommen versprochen worden ist, nämlich daß ein Umwelthaftungsgesetz geschaffen wird, das parallel mit dem Gentechnikgesetz in Kraft treten sollte.

Wahr ist aber vielmehr, daß, nachdem das Gentechnikgesetz gemacht worden ist, alle Verhandlungen über das Umwelthaftungsgesetz eingeschlafen sind und dieses heute schubladisiert ist. Das ist etwas, was wir massiv kritisieren und was wir geändert haben wollen. Die Liberalen wollen endlich Haftungsregelungen für den Bereich der Gentechnologie in Österreich verankert sehen.

Unser Antrag, meine Damen und Herren, hat in seinen Grundzügen noch einen anderen Zugang, nämlich ... – Bitte? (Abg. Mag. Schweitzer: Wenn wir es gar nicht hereinholen, brauchen wir es nicht zu machen!) Man kann es nicht nicht hereinholen. Wir können auch nicht ausschließen, daß es bei einzelnen Produkten, wo es etwa nicht mehr unmittelbar nachweisbar ist, so etwas gibt. Und Faktum ist auch – das weiß auch der Kollege Schweitzer –, daß es etwa im Bereich der Medizin durchaus sehr positive Aspekte der Gentechnologie gibt, die nicht abgeschnitten werden sollten. Unserer Auffassung nach ist es sinnvoll, wenn einzelne Firmen Forschungen betreiben und daraus auch einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen, aber auch für jene Risken, die damit eröffnet werden, haften sollen. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir. Ich meine, daß das ein fairer Interessenausgleich ist. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Schweitzer: Im Bereich der Medizin kann ich dir folgen!)

Meine Damen und Herren! Wir haben in unserem Antrag auch angeregt – und das weiß auch Herr Abgeordneter Schweitzer, und dem stimmt er sicherlich zu –, daß auch die Umweltanwälte und ähnliche Einrichtungen der Bundesländer, die zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt berufen sind, die Möglichkeit haben sollen, im Gentechnikverfahren Parteienstellung zu erhalten, und auch ein Beschwerderecht an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekommen sollen. Wir meinen – das nur nebenbei –, daß jene Bevorzugungen, die gegeben sind, nämlich daß die Gentechnikbehörden innerhalb von drei Monaten zu entscheiden haben – schnellstens, aber zumindest innerhalb von drei Monaten –, eigentlich sachlich nicht gerechtfertigt sind, weil ja generell im Verwaltungsverfahren der Grundsatz gilt, daß schnellstmöglich zu entscheiden ist, längstens jedoch innerhalb von sechs Monaten. Wir glauben, daß diese allgemeine Regelung auch für den Bereich der Gentechnik ausreichen müßte.

Wir haben darüber hinaus in diesem Antrag, der hier zur Diskussion steht, auch den Vorschlag gemacht, daß die Frist, die eingehalten werden muß, um Unfälle den Behörden bekanntzugeben, von zwei Wochen auf eine Woche verkürzt wird, und wir haben präzisiert, daß wir nicht irgendeine Kennzeichnung gentechnisch veränderter Produkte wünschen, sondern daß es auch eine klar ersichtliche und verständliche Kennzeichnung sein muß. Das ist eine Forderung, die im Bericht der Enquete-Kommission bereits einstimmig hier im Hause beschlossen, aber dann, wie gesagt, im Gentechnikgesetz nicht umgesetzt worden ist. Faktum ist: Das ganze Haus hat sich zu einer solchen klar ersichtlichen und verständlichen Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Produkten bekannt, und wir sollten diese nun endlich wirklich umsetzen.

Schließlich sei noch angemerkt, daß wir meinen, es wäre sinnvoll, in der Gentechnik-Kommission nicht nur "Gott und die Welt innerhalb von Österreich" sitzen zu haben, sondern wenigstens auch Vertreter der parlamentarischen Klubs in diesem Hause, um zu gewährleisten, daß der Informationsfluß aufrecht bleibt, weil damit insbesondere die Informationsmöglichkeiten – und um nicht mehr geht es bei der Anwesenheit eines Vertreters der Klubs in der Gentechnik-Kommission – verbessert werden. Die Informations- und Kontrollmöglichkeiten würden auch durch die Schaffung eines Gentechnikregisters, wie es in unserem Antrag vorgeschlagen ist, verbessert werden. All das deshalb, meine Damen und Herren, um letztlich jene Haftungsansprüche, die noch zu etablieren sein werden, dann leichter durchsetzen zu können.

Ich möchte eines nicht verschweigen: Ein entscheidendes Problem bei den jetzigen Haftungsregelungen ist, daß man als einzelner Geschädigter in der Regel einem sehr großen Unternehmen gegenübersteht und Kosten zu tragen hat, die man persönlich nicht tragen kann, vor allem dann nicht, wenn man quasi bis zum Schluß alles selbst durchbeweisen muß.


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Wir meinen daher, es wäre sinnvoll, daß es, wenn begründete Annahme besteht, daß Schäden durch gentechnisch veränderte Produkte oder Organismen hervorgerufen worden sind, zu einer Beweiserleichterung und zu einer erhöhten Mitwirkungspflicht von seiten des belangten Unternehmens kommt, um dem einzelnen Geschädigten nicht zu hohe Kosten aufzubürden. Daher fordern wir eine Beweiserleichterung für die Geschädigten und auch eine Verbandsklage. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist gegen diese Lösung immer wieder das Argument ins Treffen geführt worden, daß es sich hier quasi um eine Umkehr der Beweislast handelt und daß es so etwas in unserem Haftungsrecht nicht gebe. Ich halte fest, meine Damen und Herren: In unserem Antrag geht es nicht um eine Umkehr der Beweislast, sondern wirklich nur um eine Beweiserleichterung, und wir haben das Modell auch nicht selbst erfunden, sondern es ist im Forstgesetz 1975 bereits verankert. Das heißt, dort, wo es Schwierigkeiten des Nachweises gibt, etwa wo es große Flächen beeinträchtigter Wälder gibt, wo man nicht dezidiert, nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit sagen kann, wer der wirkliche Verursacher dieser Schäden ist, gelten diese Beweiserleichterungen. Daher ist diese Rechtsfigur bei uns im Rechtssystem bereits eingeführt, und wir meinen, es wäre Zeit, sie auf die neuen Technologien der Gentechnik auch wirklich anzuwenden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Riedler. – Bitte.

11.46

Abgeordneter Dr. Wolfgang Riedler (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Barmüller! Ich bin der Auffassung, daß der von Ihnen vorgelegte Entwurf interessante und überlegenswerte Regelungen enthält, und es wird daher eine grundsätzlich positive Einstellung zu dieser Vorlage von seiten der sozialdemokratischen Fraktion geben, auch wenn die Regelungen selbstverständlich im Detail genau überlegt und diskutiert werden sollten.

Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen einige Dinge erwähnen, die in Ihrem Entwurf festgehalten sind und die ich auch für notwendige Fortschritte halten würde. Das vorgeschlagene Gentechnikregister würde im Sinne der Transparenz in dieser sehr sensiblen Materie, in dieser Materie, die ja auch die Öffentlichkeit in einem ausgesprochen hohen Maße interessiert, einen wesentlichen Fortschritt und Erleichterungen mit sich bringen. Ich bin der Auffassung, daß die Haftungsregelungen im speziellen gut überlegt und dahin gehend festgelegt werden sollten, daß tatsächlich Haftungen in Anspruch genommen werden können, auch wenn ich der Meinung bin, daß die beste Regelung jene ist, die dazu führt, daß Haftungsforderungen gar nicht erst entstehen können. Wenn diese Regelung dazu führen sollte, daß sie eine Art Freikarte für eine Liberalisierung im Gentechnikbereich ist – ich vermute, das ist nicht Ihre Absicht –, dann würden wir einen falschen Schritt setzen. Das muß auf alle Fälle verhindert werden.

Ich persönlich habe aus juristischer Sicht gewisse Probleme mit der Formulierung des Verursachungsnachweises, weil ich der Meinung bin, daß die hier gewählten Formulierungen sehr, sehr unscharf sind und daher auch schwer zu judizieren sein werden und einen hohen Spezifizierungsbedarf in der Judikatur hätten. Ich glaube, daß es sinnvoll und notwendig wäre, zu überlegen, ob man nicht zu konkreteren und klareren Lösungen als den vorgeschlagenen kommen könnte.

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, daß wir uns auch im Zusammenhang mit der Verbandsklage überlegen sollten, welchen Vereinen wir das Recht und die Möglichkeit einer Verbandsklage geben. Ich meine, daß die sehr allgemeine Formulierung: "Vereine, die sich dem Umweltschutz widmen und bereits seit fünf Jahren bestehen", sehr weit gefaßt ist und mehr oder weniger fast jedem durchschnittlichen Verein Tür und Tor öffnen würde. Ich würde bevorzugen, daß wir zu einer größeren Spezifizierung und klareren Definition jener Vereine kommen, die diese Verbandsklage in Anspruch nehmen können, etwa zum Beispiel dadurch, daß wir eine Regelung treffen, wonach diese Vereine überregional tätig sein sollten. Das wäre eine Möglichkeit, die mir sinnvoll erschiene.


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Die Deckungsvorsorge halte ich auch für eine richtige und gute Überlegung, die man anstellen sollte. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein in Anspruch zu Nehmender, wenn er bereits so weit ist, daß er diese Deckungsvorsorge nicht getroffen hat und persönlich haftend wird, bei den Schäden, die möglicherweise im gentechnischen Bereich eintreten, noch in der Lage sein wird, einen sinnvollen Haftungsausgleich zu leisten. Das ist natürlich auch eine Frage, über die man sich Gedanken machen sollte.

Ich bin dagegen, eine zahnlose Regelung zu kreieren beziehungsweise einzuführen. Ich bin durchaus der Auffassung, daß man auf der Grundlage Ihres Vorschlages weitere Überlegungen anstellen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

11.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Herr Abgeordneter, bitte. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

11.50

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich freue mich, daß es zu diesem Thema zumindest von den bisherigen Rednern keinerlei Polemik und keinerlei allgemeine Verteufelung dieser Technologie gegeben hat. (Abg. Mag. Schweitzer: Das wird sich noch ändern!) – Das wird sich noch ändern, ich weiß. Darum sage ich es ja, Herr Kollege Schweitzer!

Ich glaube, daß wir schon davon ausgehen können und dürfen, daß diese Zukunftstechnologie nicht nur in der Medizin, sondern auch in anderen Bereichen durchaus imstande ist, für die Menschheit auch einiges an Positivem, ja sogar an Segen zu bringen. Mediziner werden dir das bestätigen können, Kollege Schweitzer! (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Mag. Schweitzer. – Abg. Dr. Stummvoll, auf Abg. Mag. Schweitzer weisend: Applaus von Schweitzer!)

Dazu kommt, daß bei einem vernünftigen und sinnvollen Einsatz dieser Technologie auch viele Chancen für unseren Wirtschaftsstandort zu lukrieren sind. Denn einen Trend können wir überall feststellen: daß Produktionsstandorte inzwischen sehr häufig den Standorten der Forschung folgen. Österreich hat durchaus eine starke molekularbiologische Forschung in der Pharmaindustrie.

Es sind natürlich auch Gefahren damit verbunden. Das ist keine Frage, und das soll auch nicht verschwiegen werden. Es gibt aber kaum gesicherte Erkenntnisse über diese Gefahren. Es ist vielmehr ein hohes Maß an Verunsicherung entstanden. Wir haben aber in Österreich ein Gentechnikgesetz, das sich wirklich nicht nur sehen lassen kann, sondern das nahezu einzigartig ist. Es regelt in einem ausgezeichneten Maße die Arbeit mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen dieser Organismen und das Inverkehrbringen und Kennzeichnen. (Abg. Aumayr: Ganz einmalig!)

Gerade im Bereich der Kennzeichnung vollzieht die Novel-food-Verordnung der EU doch eigentlich nur das, was wir in unserem Gentechnikgesetz bereits vorweggenommen haben. Darin ist eine Verordnungsermächtigung an die Gesundheitsministerin enthalten, und deren erster Vorschlag zur Kennzeichnung ist mir, gelinde gesagt, etwas zu einfallslos. Ich glaube, daß man sich über eine geschickte Kennzeichnungsform, die nicht nur einen Warnhinweis enthält, schon noch eingehend Gedanken machen muß.

Unsere Position: Keine pauschale Verteufelung dieser Zukunftstechnologie, aber umfassende Information, die dann dem Konsumenten die Wahlmöglichkeit bietet, indem er selbst entscheiden kann, was davon er konsumieren und anwenden will. Davon abzuleiten ist eine umfassende Verpflichtung gleichermaßen für uns Politiker als auch für die Industrie. Das ist gar keine Frage.

Zu deinem Antrag, Kollege Barmüller, ein paar Bemerkungen: Die Parteienstellung für die Umweltanwälte – als Beispiel nur erwähnt – ist ein Wiederaufwärmen einer Diskussion, an der sich ja nichts geändert hat. Es gab sie schon zum Gentechnikgesetz. (Abg. Dr. Khol: Vollkommen


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richtig!) Wir sind nach wie vor der Meinung, daß es über den Kreis der wirklich Betroffenen hinaus keine Parteienstellung geben soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Abschaffung der 90-Tage-Frist betrifft: Diese ist doch zumindest ein Hinweis darauf, daß Verfahren, wie du schon richtig gesagt hast, rasch abgewickelt werden sollen. Diese begrenzte Frist ist einfach ein deutlicher Hinweis darauf. Ich glaube, eine Abschaffung würde nur zu Endlosverfahren führen. Ich sehe wirklich keinen Sinn darin, das zu ändern.

Beim Gentechnikregister sehe ich auch große Gefahr von Mißbrauch.

Bezüglich der Gentechnik-Kommission: Eine Verpolitisierung dieser Kommission halte ich wirklich nicht für sinnvoll. Die Kommission hat sich bisher mit grundsätzlichen Fragen beschäftigt, sie hat die Behörde beraten, sie hat ja nicht Einzelfälle behandelt und soll das auch weiterhin nicht tun. Es ist ja im Gentechnikgesetz vorgesehen, daß ab 1998 jeweils im Dreijahresrhythmus ein Bericht über den Vollzug dieses Gesetzes vorgelegt werden soll.

Noch ganz kurz zur Haftungsfrage: Ich glaube, daß wir im Produkthaftungsgesetz schon ein sehr hohes Maß an Schutz haben. Das ist im Gentechnikgesetz noch ergänzt worden, indem Ausnahmen beseitigt worden sind. Ich meine nach wie vor, daß es nicht sinnvoll ist, ähnlich wie bei Verfahrensfragen in anderen Materien auch Haftungsfragen in Materiengesetze hineinzupacken, da das zu einer argen Zersplitterung des Ganzen führen würde.

Ich glaube, wir sollten trachten, daß wir in Umsetzung der Lugano-Konvention das Umwelthaftungsgesetz in einer vernünftigen und akzeptablen Form auf den Tisch bekommen. Vielleicht kann die EU-Richtlinie bei dieser Umsetzung noch eine Hilfestellung bieten. Aber Spezialhaftungen in allen möglichen Materiengesetzen lehne ich persönlich ab, denn ich halte, wie ich nochmals betonen muß, die Gefahr der Zersplitterung einfach für zu groß. Wir sehen das in anderen Gesetzen ja auch.

Zur konkreten Vorgangsweise: Ich glaube, daß es keiner Änderung des Gentechnikgesetzes bedarf. Die Haftungsfrage soll in Umsetzung der EU-Richtlinie gesamthaft gelöst werden und nicht im Materiengesetz. Was wir brauchen, ist endlich eine rasche Kennzeichnung mit einer durchdachten Lösung, die uns die Gesundheitsministerin dringend vorschlagen sollte. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

11.56

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine lieben Vorredner! Ich finde, es ist falsch, sich erst den Kopf darüber zu zerbrechen, was man tut, wenn der Fall bereits eingetreten ist. Viel sinnvoller wäre es, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was man tut, um zu verhindern, daß der Fall eintritt. Ich glaube, das wäre die richtige Vorgangsweise! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hier ganz einfach von einer "Zukunftstechnologie" zu sprechen, finde ich doch etwas dreist. Darüber kann man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Erst die Geschichte, Herr Kollege Leiner, wird darüber urteilen können, ob es sich da um eine Zukunftstechnologie handelt, die auch ein kleines Restrisiko in sich geborgen hat. Tschernobyl ist einfach Geschichte, und über diese Ereignisse können auch Sie nicht hinweggehen. Diese müssen Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Leiner: Und die Patienten? Sagen Sie das den Patienten!) – Darüber besteht doch wohl Einigkeit, daß bei Tschernobyl auch nur das Restrisiko zum Tragen gekommen ist!

Der Weg, den Sie gehen wollen, den die Bundesregierung gehen will, den Frau Minister Krammer gehen will, läßt die Entscheidung des einzelnen nicht mehr zu. Sie wollen zwangsbeglücken! Diese Verordnung über neuartige Lebensmittel und Zutaten macht die Entscheidung für den Konsumenten nahezu unmöglich. Das muß man einmal klar und deutlich festhalten,


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auch wenn Frau Minister Krammer immer wieder betont, es handle sich hier um einen Kompromiß, der durchaus der österreichischen Haltung entspreche und im Interesse der österreichischen Bevölkerung beschlossen wurde.

Ich glaube, da irrt die Frau Minister gewaltig! Und das im nächsten Jahr im Mai über die Bühne gehende Volksbegehren wird ihr dies auch entsprechend vor Augen führen. Kollegin Krammer verschließt halt ein bissel die Augen vor der Realität!

Das Europäische Parlament hat bereits am 14. März. 1996 die meisten im Konsumenteninteresse gemachten Verbesserungsvorschläge abgelehnt. Aber selbst die Vorschläge des Europäischen Parlaments, die an sich schon inakzeptabel sind, waren dann noch zuviel und wurden in diese Kompromißformel nicht hineinverpackt. Die bescheidene Lösung, die vom Europäischen Parlament vorgeschlagen wurde, war für den Rat nicht akzeptabel, und deshalb ist es im Vermittlungsausschuß zu einer weiteren Verwässerung gekommen, was schließlich dazu geführt hat, daß sich die Lebensmittelindustrie vollinhaltlich gegenüber den Interessen der Konsumenten durchgesetzt hat.

Heute von einer umfassenden Kennzeichnung zu sprechen, Kollege Leiner, das ist unfaßlicher Hohn! Da steht: Der Letztverbraucher ist demgemäß durch die Kennzeichnung über folgendes zu informieren: Sofern eine wissenschaftliche Prüfung, die auf einer geeigneten Analyse aller vorhandenen Daten beruht, ergibt, daß sich das Lebensmittel in den genannten Eigenschaften von einem herkömmlichen Lebensmittel unterscheidet, dann ist zu kennzeichnen. In diesen Fällen sind auf der Kennzeichnung jedenfalls die veränderten Eigenschaften sowie das Verfahren, mit dem diese Eigenschaften erzielt wurden, anzugeben.

Den Einkauf einer Hausfrau möchte ich sehen, wenn sie bei jedem Produkt auf diese Dinge Rücksicht nehmen muß! Sie braucht zwei Tage, um für das Frühstück einzukaufen. Das wird sich wahrscheinlich nicht ausgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Kennzeichnung ist nicht informativ für den Konsumenten, sie ist nicht für alle Beteiligten handhabbar, so wie es da drinnen heißt, und sie ist nicht leicht kontrollierbar. Überlassen wir deshalb die Entscheidung zu diesem Thema der Bevölkerung. Wir werden das Volksbegehren massiv unterstützen. Ich kann Ihnen heute schon versprechen: Die österreichische Bevölkerung wird all das, was hier von einigen Lobbyisten in Richtung Gentechnik umzusetzen versucht wird, von sich weisen. Dieses Volksbegehren im Mai 1997 wird mit unserer Unterstützung sicherlich ein großer Erfolg der umweltbewußten Österreicher werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

12.01

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Bin ich auch so laut? Offenbar sind alle noch müde und lärmempfindlich. Ich werde leiser sprechen. (Abg. Dr. Leiner: Wir haben gestern lange warten müssen auf Sie!)

Ich bin froh, daß wir heute dieses Thema debattieren können, das in den vergangenen Wochen sehr im Zentrum des öffentlichen Interesses gestanden ist. Erst diese Woche wurde das Volksbegehren von den diversen Organisationen, die es tragen werden, vorgestellt. Eines ist dabei wirklich wichtig zu beachten: Dieses Volksbegehren – wie alle anderen Volksbegehren, die es in den nächsten Jahren geben wird – wird ja nicht initiiert, weil die Leute, die sich da engagieren, nichts Besseres zu tun haben, sondern weil es in einigen Politikbereichen ein ganz massives Versagen der Bundesregierung gibt. Nirgendwo wird das so besonders deutlich wie im Bereich der Gentechnik. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Abg. Dr. Gredler. )

Es wurde monatelang von seiten der diversen Umweltorganisationen, von seiten der verschiedenen Landwirtschaftsbereiche, die mitbeteiligt sind, aber auch von seiten der katholischen und der evangelischen Kirche, die bei diesem Volksbegehren mitarbeiten werden, versucht, mit den


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zuständigen Regierungsmitgliedern zu reden, um endlich darauf aufmerksam zu machen, daß es gerade im Bereich der Gentechnologie um ein hohes Risiko geht.

Wenn hier von seiten der ÖVP so unkritisch von einer "Zukunftstechnologie" gesprochen und überhaupt nicht beachtet wird, welche Risiken diesem Bereich natürlich innewohnen (Abg. Dr. Leiner: Das ist ja nicht unkritisch!), dann muß ich sagen, ich verstehe wirklich nicht, wo Sie in der gesamten Umweltdebatte der letzten 15, 20 Jahre waren.

Es ist schon berechtigt, so wie mein Vorredner die Parallele zur Atomtechnologie zu ziehen. Auch damals haben sich sehr viele Politiker und Firmenvertreter hingestellt und gesagt: Wir haben das alles im Griff, das ist überhaupt kein Problem, das ist eine neue Zukunftstechnologie, damit lösen wir das Energieproblem. – Jetzt sagen viele: Das ist eine wichtige neue Zukunftstechnologie, und damit lösen wir zum Beispiel das Ernährungsproblem.

Von seiten der Grünen wurde immer versucht, zwischen dem Einsatz der Gentechnologie im Bereich der Medizin und dem Einsatz der Gentechnologie im Bereich der Lebensmittelproduktion zu unterscheiden. In der Medizin gibt es Bereiche, wo das tatsächlich sinnvoll ist und wo auch die Forschung intensiviert werden soll. Im Bereich der Lebensmittel hat die Gentechnik nichts verloren, absolut nichts, und zwar aus mehreren Gründen: nicht nur, weil man das Risiko, das tatsächlich für die Konsumenten entstehen wird, überhaupt noch nicht abschätzen kann, sondern weil die ökologischen Folgewirkungen dramatisch sein werden. Dafür gibt es schon Beweise. Deshalb ist es mir völlig unverständlich, wenn Abgeordneter Kopf hier vom Rednerpult aus sagt, es gibt bisher überhaupt keinen Hinweis, daß bei der Produktion von Lebensmitteln Probleme mit der Gentechnologie auftreten.

Allein in diesem Jahr hat es schon fünf Fälle gegeben, in denen sich die Wissenschaft eindeutig geirrt hat:

Es gibt das dänische Beispiel, wo es zu Auskreuzungen gekommen ist, obwohl man nie vermutet hätte, daß sich gentechnisch veränderte Hybride auskreuzen werden. Ein weiteres Beispiel ist der unglaubliche Pollenflug in Schottland, wo es auch zu Auskreuzungen und zur Neuentwicklung von nicht geplanten herbizidresistenten Pflanzen kam.

In Texas wollte die Firma Monsanto Weizen gegenüber einem bestimmten Wurm, dem Bowlworm, resistent machen, aber die gesamte erste Ernte wurde gerade durch den Schädling, gegen die Pflanze eigentlich resistent gemacht werden sollte, vernichtet. Bis heute ist nicht klar, was da passiert ist, außer daß man die umliegende Flora und Fauna erheblich verändert hat. Es mußte in Amerika ein großes Forschungsprojekt – mit Steuergeldern finanziert – gestartet werden, um das zu klären.

Ein weiteres Beispiel, das prominenteste wahrscheinlich, ist die Sojabohne mit dem Gen der Paranuß von Ciba-Geigy, wo es nur durch einen Zufall gelungen ist, sie nicht auf den Markt zu bringen, weil das Allergikern erhebliche Probleme verursacht hätte.

Das heißt also, allein in diesem Jahr gab es fünf Beispiele, wo sich die gesamte Wissenschaft hinsichtlich des Einsatzes der Gentechnik in diesem Bereich geirrt hat.

Jener Bereich der Wissenschaft, der sich enorm kritisch mit diesem Thema auseinandersetzt, wird bei uns leider – auch hier im Hohen Haus – von den Regierungsparteien ganz einfach totgeschwiegen.

Ich begrüße den Vorschlag der liberalen Fraktion, eine Novelle zum Gentechnikgesetz vorzulegen, und zwar schon deshalb, weil es notwendig ist, dieses Thema wieder in das Hohe Haus zurückzubringen. Es sollte ein entsprechender Unterausschuß eingesetzt werden, um über eine Novelle zum Gentechnikgesetz zu beraten. Ich begrüße die Vorschläge, die im Antrag der Liberalen enthalten sind, weil sie mehr Transparenz, mehr Information und mehr Kontrolle gewährleisten würden. Ich halte ein Gentechnikregister, wie es vorgeschlagen ist, für sinnvoll. Es ist aus den angeführten Gründen wichtig, zu mehr Information und mehr Kontrollmöglichkeiten zu kommen. Es ist notwendig, daß je ein Vertreter der im Nationalrat vertretenen Parteien in der Gen


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technikkommission vertreten ist, und es müßte auch zivilrechtliche Haftungsregelungen geben. Wir haben das alles bei den Verhandlungen zum Gentechnikgesetz besprochen und gefordert; es ist leider nicht durchgeführt worden.

Ich möchte auch nochmals darauf hinweisen, daß die gentechnisch veränderten Organismen, die in den Anlagen erzeugt werden, nach wie vor keiner UVP unterliegen. Wir haben einen entsprechenden Gesetzesantrag eingebracht, der von den Regierungsparteien erst vor zwei Wochen abgelehnt wurde. Auch das müßte bei einer Novelle des Gentechnikgesetzes endlich durchgesetzt werden. Es ist ein Unding, daß alle anderen Industriebereiche einer UVP unterzogen werden und nur der Bereich der Gentechnik vollständig ausgespart wird.

Ganz kurz noch zum angeblichen Wundermittel der Kennzeichnung, wo es heißt, die Leute müssen das ja nicht kaufen, wenn sie nicht wollen, und wir müssen nur umfassend kennzeichnen. – Die Kennzeichnung ist überhaupt kein Wundermittel, vor allem dann nicht, wenn sie nicht lückenlos erfolgt. Leider wird das nicht der Fall sein, es wird keine lückenlose Kennzeichnung geben. Der Kompromiß, der vom Vermittlungsausschuß im Rahmen der EU ausverhandelt wurde, stellt sicherlich keine lückenlose Kennzeichnung dar. Gekennzeichnet wird nur dann, wenn eine Nachweisbarkeit der entsprechend gentechnisch veränderten Substanzen besteht. Das noch größere Problem ist aber: Wenn es so ist, wie wir den Entwurf interpretieren, nämlich daß die Kennzeichungsverordnung nur für jene Produkte, die erst nach Inkrafttreten der Verordnung von der EU-Kommission bewilligt werden, anzuwenden ist, dann wird sie sicher nicht für all jene gentechnisch veränderten Produkte gelten, bei denen die Sojabohne verarbeitet wurde. Für 30 000 bis 40 000 Produkte würde diese Verordnung also überhaupt nicht gelten.

Wir haben mehrmals die Gesundheitsministerin aufgefordert, uns zu erklären – wir werden das auch in einer parlamentarischen Anfrage machen –, ob die Auffassung, die uns Brüssel vorgelegt hat, tatsächlich stimmt, denn es wäre ein unglaublicher Skandal, wenn die Bevölkerung beruhigt wird, daß ja ohnehin gekennzeichnet wird, die Verordnung dann aber so spät in Kraft tritt, daß ein großer Teil nicht berücksichtigt wird.

Ich gebe Kollegen Schweitzer völlig recht, wenn er meint, die Kennzeichnung sei vor allem in der Praxis keine Lösung. Man stelle sich den Alltag vor: gestreßte Frauen, die in den Supermärkten mit der Notwendigkeit konfrontiert sind, sich eine halbe Stunde oder Stunde nur damit zu beschäftigen, sich ganz genau anzusehen, ob ein gentechnisch verändertes Produkt dabei ist oder nicht. Das muß man dann tatsächlich bei jedem Produkt, das man in die Hand nimmt, genau überprüfen. Man wird erst sehen, wie das angeschrieben sein wird. Es gibt viele Umfragen – wir haben selber einmal eine gemacht –, wie es mit dem Wissen der Konsumenten die Inhaltsstoffe im Chemikalienbereich betreffend aussieht. Von 1 000 Befragten wußte eine einzige Person, was die E-Nummern auf den Lebensmitteln überhaupt bedeuten, und diese Person war eine Chemikerin der Lebensmitteluntersuchungsanstalt. Ansonsten wußte überhaupt niemand, was das bedeutet!

Es geht also auch darum, wie deutlich, wie transparent und wie vernünftig man eine entsprechende Kennzeichnung auf dem Produkt anbringt – neben den ganz praktischen Problemen, die in diesem Haus übersehen werden, nämlich wie es Leuten wirklich geht, die meistens gestreßt einkaufen gehen.

Es geht bei Produkten, die ein großes Risiko beinhalten, nicht darum, den freien Zugang zu gewährleisten, sondern die Politik muß die Gesellschaft vor gefährlichen Entwicklungen und auch vor gefährlichen Produkten schützen. Wir glauben, daß die Gentechnik im Lebensmittelbereich nichts verloren hat, daß das zu verbieten ist. Die Ministerin muß endlich einen Importstopp verhängen für Produkte aus der gentechnisch veränderten Sojabohne. – Danke. (Beifall bei den Grünen, den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.)


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12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

12.11

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bedingt durch die Diskussion der letzten Wochen und Monate ist die Novellierung des Gentechnikgesetzes aktueller denn je. Während Biotechnologie, Gentechnik aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken sind, ja in der Medizin sogar lebensnotwendig geworden sind, sind sie im Bereich der Lebensmittelproduktion mehr als umstritten. Wir erleben dies ja gerade in bezug auf das gentechnisch veränderte Soja der Firma Monsanto, wo mit Demonstrationen und Blockaden versucht wird, dieses Produkt vom Markt fernzuhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade in der Lebensmittelerzeugung ist weniger die Qualitätsverbesserung Ziel der Gentechnik, sondern da geht es hauptsächlich um Profit, um die Herabsetzung der Produktionskosten und um die Vereinfachung von Herstellungsprozessen. Es soll vor allem die industrielle Massenproduktion ermöglicht werden, egal, ob dies der Konsument will oder nicht. Derzeit wird nach dem Motto agiert: Wenn man wissenschaftlich nicht nachweisen kann, daß etwas gefährlich ist, dann gilt es automatisch als ungefährlich. (Abg. Aumayr: Als gesund!)

Wenn man weiter unter diesem Motto agiert, dann wird die Unwissenheit zum Sicherheitsrisiko. Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Mit Ihrer Säumigkeit setzen Sie die Bevölkerung diesem Risiko aus. Ich bin mit meiner Meinung sicherlich nicht allein, sondern viele Experten vertreten die gleiche Meinung.

Um dieses Sicherheitsrisiko weitestgehend auszuschließen, müssen rasch klare Regelungen her. Es muß eine rechtliche Regelung erfolgen, die unverzüglich eine umfangreiche Kennzeichnungspflicht vorsieht. Und was wir ebenfalls möglichst rasch schaffen müssen, ist eine Gefährdungshaftung mit Beweislastumkehr, und dies in unbegrenzter oder möglichst unbegrenzter Deckungshöhe.

Ich glaube, diese Novellierung muß möglichst rasch erfolgen, und ich sehe den Antrag des Liberalen Forums als gute Diskussionsgrundlage, zumal dieser weitestgehend identisch ist mit dem freiheitlichen Antrag, den wir bereits am 22. Mai 1996 eingebracht haben.

Auch in unserem Antrag sind die zentralen Punkte die Haftungsfrage, der Verursachernachweis und die Deckungsvorsorge. Und ich freue mich schon, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf die Diskussion über diese Novelle im zuständigen Ausschuß. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Aumayr. – Gleichfalls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

12.14

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Bei der Gentechnik gilt wie in vielen anderen Bereichen, daß die Regierungsparteien auf allen Linien umgefallen sind. Ich erinnere nur daran, wie sich die ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament bei der Abstimmung über den Euratom-Vertrag oder vor kurzem bei der Abstimmung über die Trinkwasserrichtlinie verhalten haben. (Abg. Mag. Barmüller: Was war da?) Da ist es jetzt zu einer völligen Freigabe der Pestizide im Trinkwasser gekommen. Das kann man beliebig fortsetzen. Das heißt, SPÖ und ÖVP sind beim Schutz der Konsumenten wirklich säumig beziehungsweise fahrlässig.

SPÖ wie ÖVP befinden sich vollständig in Geiselhaft der Chemie, und die Frau Gesundheitsministerin hat alle Versprechen gebrochen. Sie geht grob fahrlässig mit der Gesundheit der Konsumenten und mit der Gesundheit unserer Kinder um. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das, was die Gesundheitsministerin mit dieser mickrigen Kennzeichnung gemacht hat, ist genau das, wonach die Genlobby in Brüssel verlangt. Diese spärliche Kennzeichnung für genmanipulierte Nahrung wollte die Genlobby. Alle Nahrungsmittel, deren Eigenschaften nicht gravierend verändert wurden, müssen nicht gekennzeichnet werden, meine Damen und Herren!


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Und obwohl die Forschung mit ihren Untersuchungen über die Nebenwirkungen des Genfutters erst am Anfang steht, spricht selbst die deutsche Industriezeitung "Lebensmittel" von einem unüberschaubaren Risiko für die Konsumenten durch genmanipulierte Lebensmittel.

Das alles stört Sie nicht – weder Sie von der SPÖ noch Sie von der ÖVP. Die Bezeichnung "Gesundheitsministerin" ist eigentlich nicht angebracht. Sie sollte besser "Chemie-" oder "Genministerin" heißen.

Ich muß ganz ehrlich sagen: Was sich auf diesem Sektor abspielt und wieviel Geld bereits eingesetzt wird, ist erschreckend. Und ich habe wirklich Angst, so sehr ich den Antrag des Kollegen Barmüller und alle Aktivitäten gegen die genmanipulierten Waren unterstütze, daß wir diesen Kampf bereits verloren haben, denn bis in das Jahr 2000 werden Umsätze von 1 000 Milliarden Schilling bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln erzielt werden. Und wissen Sie, was das bedeutet? Da wird unbeschreiblich viel Geld verdient und absolut keine Rücksicht auf die Gesundheit der Bevölkerung genommen. Da wird lieber Gott gespielt.

Man muß sich vorstellen, jetzt wird bereits das Klima ausgeschaltet! Erdbeerpflanzen wird bereits ein Antifrostgen eingesetzt, damit sie auch in unserem Klima besser wachsen. Eiweißgene werden der Erdbeere eingepflanzt, und es ist völlig egal, ob Menschen dann krank werden oder eine Allergie bekommen – zum Beispiel jene, die gegen Eiweiß allergisch sind –, das ist dieser Genlobby völlig egal.

Aber während wir hier über eine Kennzeichnung von normalen Lebensmitteln reden, ist Deutschland bereits viel weiter. Deutschland hat mit Hilfe des deutschen EU-Kommissärs Martin Bangemann – Herr Kollege Barmüller, ein Parteikollege von Ihnen ... (Abg. Dr. Gredler: Er ist nicht Mitglied vom Liberalen Forum!) Na, die Liberalen in Deutschland stehen Ihnen ja nicht so fern!

Martin Bangemann gelang ein echtes Bubenstück, Herr Kollege Barmüller. Laut Verordnung über den ökologischen Landbau dürfen in Deutschland auch genmanipulierte Lebensmittel als Ökoprodukte bezeichnet werden. Wissen Sie, was das heißt? – Das ist echter Betrug am Konsumenten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Verordnung, die zwar vorschreibt, daß gentechnisch verändertes Soja, gentechnisch veränderter Mais gekennzeichnet werden müssen, aber gentechnisch verändertes Sojaöl oder Maiskeimöl oder alle anderen Folgeprodukte nicht, ist eindeutig abzulehnen. Da sind Sie in die Knie gegangen vor der Chemielobby, und alle anderen Beteuerungen von Rot, von Schwarz und zum Teil auch von den Liberalen sind nur Lippenbekenntnisse. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte, Sie haben das Wort.

12.19

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Gentechnik hat sicherlich ihre Berechtigung im medizinischen Bereich, nicht aber in der Lebensmittelproduktion. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und der faule Kompromiß, der im Europäischen Parlament hinsichtlich der Novel-Food-Verordnung auch mit Zustimmung Ihrer Fraktion, der ÖVP, zustande gekommen ist, gleicht einer Täuschung der Konsumenten. Wie Kollegin Langthaler bereits angeführt hat: Sojasaatgut muß gekennzeichnet werden, Sojaöl aber nicht. Sojaöl kauft aber der Konsument.

Maissaatgut muß gekennzeichnet werden, Maiskeimöl, das der Konsument kauft, aber nicht. Das ist eine glatte Täuschung der Konsumenten, das ist verantwortungslos!

Meine Herrschaften von der linken Seite dieses Hauses! Ich verstehe nicht, mit welcher Gleichgültigkeit, mit welchem Wurschtigkeitsgefühl, mit welcher Verantwortungslosigkeit Sie dem Konsumenten gegenübertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es haben sich, wie bereits Kollegin Aumayr gesagt hat, die Chemie-Agro-Multis und die Genlobbies in Brüssel voll durchgesetzt. Damit ist der Grundstein für die totale Industrialisierung der Landwirtschaft gelegt. Aber das läßt die Bauernbundvertreter völlig kalt. Entweder kapieren sie nicht, was hier vorgeht, oder es ist ihnen die Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft auch schon egal.

Die Abhängigkeit, die mit der Gentechnik geschaffen wird, die Vernichtung Tausender Arbeitsplätze in der kleinbäuerlich strukturierten Landwirtschaft in Österreich ist ja die Konsequenz dieser Entwicklung, die mit der Gentechnik in Österreich und in Europa eingeleitet wird.

Ich kann nicht verstehen, mit welcher Doppelzüngigkeit vor allem die ÖVP auch in dieser Frage agiert. Da werden großartige Bundesverfassungsgesetze vorgelegt mit dem Ziel, die flächendeckende Landwirtschaft zu erhalten, den ländlichen Raum weiterzuentwickeln. Es sind Ihnen diese Anträge aber kein großes Anliegen, denn Sie vergessen sie am Klosett, sodaß wir sie aufgreifen und hier im Nationalrat einbringen können. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da jubeln die Präsidenten der Landwirtschaftskammern über den gefundenen Kompromiß zur Kennzeichnung der Gentechnik und kapieren nicht, daß das der Grundstein zur Vernichtung Tausender kleinbäuerlicher Betriebe ist. Entweder haben sie nicht begriffen, was da vorgeht, oder es ist ihnen die Erhaltung einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft, die Erhaltung Tausender Arbeitsplätze in der Landwirtschaft kein Anliegen mehr.

Wir Freiheitliche werden dafür kämpfen, daß wir diese Auswirkungen für unser Land und für unsere Bauern verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 210/A dem Justizausschuß zu.

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (386 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitszeitgesetz für Angehörige von Gesundheitsberufen in Kranken-, Pflegeanstalten und ähnlichen Einrichtungen geschaffen (Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz – KA-AZG) und das Arbeitszeitgesetz geändert wird (537 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürgerinitiative Nr. 5 betreffend "Ärzte-Arbeitszeitgesetz" (538 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte in einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile daher sogleich als erstem Redner dem Abgeordneten Dr. Pumberger das Wort. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten.

12.23

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Eine Arbeitszeitregelung, wie sie die EU-Richtlinie 93/104 vorgesehen hat, hat in erster Linie zum Ziel, daß sie patientengerecht und arbeitnehmergerecht ist. Genau diesen Patientenschutz und diesen Arbeitnehmerschutz vermisse ich bei diesem Arbeitszeitgesetz, Herr Bundesminister. Es tut mir leid, daß Sie


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sich von den Bundesländern über den Tisch haben ziehen lassen. (Abg. Dr. Leiner: Dann haben Sie es nicht gelesen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In letzter Minute hat uns bei der Sozialausschußsitzung die Koalition ein Abänderungspaket auf den Tisch geknallt, das dieses Arbeitszeitgesetz in einer Weise aushöhlt und verwässert, daß es von uns nicht mehr mitzutragen ist. Die ursprüngliche Regierungsvorlage hätten wir als Minimalkonsens und als Minimalkompromiß gerade noch mitgetragen. Wir hatten unsere Zustimmung schon signalisiert. Dann hat Kollege Feurstein, seines Zeichens Sozialsprecher der ÖVP, der dem Druck der ÖVP-Bundesländer Salzburg und Oberösterreich ausgesetzt war, damit die Bundesländer die Zustimmung zum Arbeitszeitgesetz geben, eine Vertagung beantragt. Diese Vertagung war dem Bundesminister sehr zuwider, er wollte sie nicht, hat jedoch trotzdem, in Koalitionseintracht, der Vertagung zugestimmt – und dann folgte dieses verheerende Abänderungspaket, das in erster Linie den Patientenschutz und Arbeitnehmerschutz in unseren Spitälern für 100 000 Spitalsbedienstete unterminiert.

Herr Bundesminister! Es tut mir leid für Sie, denn ich glaube, dieser Freitag, der 13 ist für Sie wirklich ein "Freitag der 13." Ich kenne Sie, ich habe wirklich eine gute Meinung von Ihnen, und ich weiß, Sie können mit diesem Gesetz nicht zufrieden sein. Es ist unglaublich, was Sie da alles noch akzeptieren mußten: die Ausnahmeregelungen, die Verschiebungen, die Verzögerungen.

Die Gründe liegen ja in der Vergangenheit: Das gesamte Krankenanstaltengesetz, die ärztliche Rufbereitschaft und das Arbeitszeitgesetz hängen ja direkt zusammen. Die Bundesländer haben eine Zustimmung zum Arbeitsgesetz nur dann signalisiert, wenn die Rufbereitschaft eingeführt wird. Daß dieser Mehrbedarf an Spitalspersonal, an Spitalsärzten, der durch das Arbeitszeitgesetz zwangsläufig notwendig geworden ist, nicht eintritt, hat man durch die Einführung der Rufbereitschaft vom Bundesminister erkauft, erzwungen.

Jetzt haben wir die Rufbereitschaft, die Fachärzte werden in der Nacht und an den Wochenenden nach Hause geschickt, der Turnusarzt übernimmt allein die Verantwortung und die Erstversorgung von Akutpatienten. Die Bundesländer sparen dadurch Spitalsärzte und Spitalspersonal ein, gleichzeitig, sofort nach Beschlußfassung der Rufbereitschaft, üben die Länder Druck auf die Koalition aus, die ÖVP gibt dem Druck nach, übt ihrerseits Druck auf den Sozialminister aus, die Koalition fällt um. Nur um eine Zustimmung von den Bundesländern zu erreichen, wird jetzt das mit diesen Abänderungsanträgen ausgehöhlte Arbeitszeitgesetz durchgedrückt.

Herr Bundesminister, ich bin wirklich enttäuscht. Der Presse entnehme ich folgende Erklärung von Ihnen: Arbeitnehmerschutz ist eindeutig Bundessache. Das gilt auch für Ärzte und Pflegepersonal. – Da gebe ich Ihnen 100prozentig recht. Und ich gehe auch noch weiter: Nicht nur der Arbeitnehmerschutz ist Bundessache, sondern auch der Patientenschutz ist Bundessache. Diesbezüglich sind Sie kläglich umgefallen. Sie haben den Patientenschutz wirklich fahrlässig vernachlässigt. Und Sie haben auch den Arbeitnehmerschutz, der Ihre Aufgabe als Sozialminister ist, bei diesem Arbeitszeitgesetz fahrlässig vernachlässigt. Daher verstehe ich das ganz einfach nicht, ich glaube jedoch, die Gründe dafür zu kennen. Die Gründe dafür liegen – wie in so vielen anderen Bereichen – allein beim Geld.

Der Salzburger Finanzlandesrat Arno Gasteiger von der ÖVP sagt klipp und klar – und damit hat er recht –: Durch die Limitierung der Beiträge, durch die Pauschalierung und Deckelung der Beiträge von den Sozialversicherungen und vom Bund zu den Länderfonds bleibt das Risiko Nummer eins bei den Ländern. Risiko Nummer eins ist, daß die Länder mit dem Geld nicht auskommen, das ihnen von den Länderfonds zur Verfügung gestellt wird. Diese Verlustabdeckung haben die Länder zu tragen.

Da man aber weiß, daß zwei Drittel der Spitalskosten Personalkosten sind und das Arbeitszeitgesetz eine Erhöhung der Spitalskosten hervorrufen würde, hat man zuerst einmal mit der Rufbereitschaft diesen Mehrbedarf liquidiert und gleichzeitig dafür gesorgt, daß dieses Arbeitszeitgesetz in seiner Umsetzung völlig wirkungslos sein wird.


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Herr Bundesminister! Sie haben mit diesen Abänderungsanträgen, die Sie heute einbringen, gesichert, daß die Bundesländer über das Jahr 2000 hinaus dieses Arbeitszeitgesetz praktisch überhaupt nicht anwenden müssen. Der gesamte Durchrechnungszeitraum für die verlängerten Dienste wird bis zu einem halben Jahr verlängert, durch Betriebsvereinbarung abgesegnet, und dadurch haben Sie Ihr Gewissen noch ein bißchen beruhigt. Aber das kann es doch nicht sein: ein halbes Jahr statt – wie bisher vorgesehen – 17 Wochen.

Weiters steht da: Das Einvernehmen mit der Personalvertretung muß gesucht werden. Ich sage Ihnen eines: Ein Arzt oder eine Krankenschwester, der/die oft jahrelang auf eine Arbeit warten, werden mit jeder Arbeitszeitregelung einverstanden sein – und es wird ihnen auch das Arbeitsinspektorat nicht helfen. Sie werden es nicht wagen, das Arbeitsinspektorat anzurufen und zu klagen, daß ihnen unmenschliche Arbeitszeiten aufgebürdet werden.

Es werden auch in Zukunft – das kann ich Ihnen versichern – die Patienten übermüdetem Personal gegenüberstehen. Die Qualität der Versorgung in den Spitälern wird weiterhin vernachlässigt werden, den Patienten werden weiterhin unzumutbar übermüdete Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger zugetraut. Den Arbeitnehmern im Spital – und das sind Hundertausende in Österreich – werden unzumutbare Arbeitszeitregelungen auch über das Jahr 2000 hinaus zugemutet, Herr Bundesminister. Daher glaube ich, daß wir bei dieser Regelung und bei diesem Gesetz wirklich mit gutem Gewissen unsere Ablehnung signalisieren können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Guggenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

12.31

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, daß vielen – nicht nur in diesem Saal – gar nicht bewußt ist, wie essentiell und wie wesentlich das Gesetz ist, das wir heute beschließen werden. Es geht um nicht weniger als darum, auch in den österreichischen Krankenanstalten endlich geregelte Arbeitszeitbedingungen zu schaffen, und es hat lange genug gedauert, bis uns dieses gelungen ist. Deshalb ist dieser Tag kein schlechter Tag, wie Kollege Pumberger gemeint hat, sondern dieser Freitag, der 13. ist ein guter Tag für die Arbeitnehmer in den österreichischen Krankenanstalten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf daran erinnern, wie es zu diesem Gesetz gekommen ist. Sie alle können sich noch erinnern – es ist ungefähr zweieinhalb Jahre her –, als Herr Dozent Dr. Grünwald von der Innsbrucker Universitätsklinik im ORF einen sehr bewegenden Auftritt gehabt hat. Er kam damals direkt von der Klinik ins Studio zum "Runden Tisch" des Elmar Oberhauser und schilderte, daß er nun schon 60 Stunden ununterbrochen an der Klinik Dienst gemacht hatte. (Abg. Dr. Leiner: Er hat einen anderen zitiert!)

Das hat zu einer großen öffentlichen Debatte geführt, und einige Monate später hat dieses Hohe Haus auch der Fall Poigenfürst beschäftigt. Dabei ist es um ein ganz anderes Problem gegangen. Da haben sich nämlich Ärzte der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt darüber aufgeregt, daß ein allzu enges arbeitszeitrechtliches Korsett es ihnen nicht ermöglicht, ihren Dienst an den Patienten zu machen.

Es herrscht in der Tat eine groteske Situation in den österreichischen Krankenanstalten. Die einen wollen länger arbeiten, operieren, behandeln, dürfen es aber nicht, während die anderen nach oben unlimitiert arbeiten müssen, weil es kein entsprechendes Gesetz gibt.

Mit diesem heutigen neuen Gesetz ist diese groteske Situation in den österreichischen Krankenanstalten ein- für allemal vorbei. Es wird in allen österreichischen Krankenanstalten einheitliche Arbeitszeitgesetzregelungen geben. Es war ein Entschließungsantrag dieses Nationalrates, der die Bundesregierung ersucht hat, ein derartiges Gesetzeswerk vorzulegen. Es war Minister Josef Hesoun, der die Arbeiten begonnen hat, und dann ist Minister Franz Hums an seine Stelle


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getreten. Er und seine Beamten haben sich in unzähligen Verhandlungsrunden mit den Ärztevertretern, mit den Vertretern des Pflegepersonals Stück für Stück auf ein Gesetzeswerk geeinigt, das uns nun vorliegt und dem wir mit ganz großer Freude und mit Genugtuung über das gemeinsam Erreichte unsere Zustimmung geben können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was steht denn dabei im Vordergrund? – Im Vordergrund steht das Ziel, Ärzte und Pflegepersonal in ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit im Krankenhaus vor Überlastung zu schützen und dadurch auch die Patienten zu schützen, um ihnen eine bestmögliche Betreuung im Spital zu sichern.

Es geht darum, Ärzte und Pflegepersonal zu schützen. Das haben wir Sozialdemokraten von allem Anfang an klargestellt. Für uns sind beide Berufsgruppen in den Krankenhäusern gleichrangig und gleich wichtig.

Es geht uns darum, eine Vereinheitlichung zu schaffen – unabhängig vom Rechtsträger, unabhängig davon, ob das eine Universitätsklinik ist, unabhängig davon, ob das ein Krankenhaus einer Gebietskörperschaft ist oder eine private Krankenanstalt: Für alle österreichischen Krankenanstalten muß das gleiche Gesetz gelten.

Wir haben einen Etappenplan eingezogen, weil wir natürlich wissen, daß dieses ambitionierte Ziel nicht von einem Tag auf den anderen erreicht werden kann, und wir haben nicht zuletzt – und das ist eine ganz wichtige Sache – dafür gesorgt, daß durch die Möglichkeit flexibler Bestimmungen, durch Betriebsvereinbarungen mit den dort Beschäftigten auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Krankenhauses, ja jeder einzelnen Abteilung eingegangen werden kann.

Das ist eine sehr gute Sache, und ich meine, man sollte natürlich auch in dieser Stunde nicht verhehlen, daß der ursprüngliche Entwurf, der mit den Ärztekammervertretern, mit dem Pflegepersonal bis ins Detail ausgehandelt war, eine Gegnerschaft gefunden hat, die für uns unverständlich war. Da haben plötzlich Landeshauptleute in dieser Republik gemeint, ob man dieses Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz nicht in Staatsverträgen mit den einzelnen Ländern regeln könnte. Da haben Landeshauptleute gemeint, man könne das per 15a-Vereinbarungen regeln.

Wir haben ganz klar und deutlich gesagt: Arbeitnehmerschutz ist Bundessache, das zu regeln kann nie und nimmer Angelegenheit der Länder sein. Das wäre ein Dammbruch, das lassen wir nicht zu. In dieser Frage haben wir uns ganz entscheidend durchgesetzt, es ist weiterhin Bundessache. (Beifall bei der SPÖ.)

Da hat es einige gegeben, die gefragt haben, ob Turnusärzte auch Arbeitnehmer sind, die stehen doch nur in Ausbildung. Sie haben vorgeschlagen, dieses Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz soll für alle in den Spitälern gelten, nur für die Turnusärzte nicht. Auch da haben wir Sozialdemokraten ganz klar Position bezogen und gesagt: Ein Gesetz, das Turnusärzte als einzige in den Spitälern Tätige nicht schützt, kommt für uns überhaupt nicht in Frage. Turnusärzte sind Arbeitnehmer wie alle anderen auch. Diesbezüglich haben wir uns auch durchgesetzt, und das steht nun klar im Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme schon zum Schluß. Auch in den österreichischen Krankenanstalten wird ab dem kommenden Jänner ein neues Gesetz gelten, das den dort Beschäftigten geregelte Arbeitsbedingungen sichert. Und ich darf abschließend wiederholen, was ich eingangs gesagt habe: Dieser Freitag, der 13. ist ein guter Tag für die in den österreichischen Krankenanstalten beschäftigten Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter.

12.39

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Guggenberger! Ich würde Ihnen gerne ein Bibel


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zitat ins Stammbuch schreiben (Abg. Dr. Khol: Bitte!) : Nimm dein Bett und wandle, denn dein Glaube hat dir geholfen!, doch ich kann es nicht. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: " ... doch ich kann es nicht" ist nicht mehr Bibel-Zitat!)

Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlußfassung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes wird ein neues Kapitel in der unendlichen Geschichte des KRAZAF im österreichischen Gesundheitswesen geschrieben, ein Kapitel, mit dessen Inhalt wir uns auch in Zukunft öfter befassen werden müssen, davon bin ich heute schon überzeugt. Denn durch die weitere Kompetenzübergabe an die Länder werden in Zukunft neun Bundesländer über das Wohl der kranken Mitmenschen in unserem Land befinden können.

Je nach Bedarf und finanziellen Mitteln kann in den Krankenanstalten nach eigenem Gutdünken gehandelt werden. Ob das immer zum Wohl des Patienten ist, das sei dahingestellt.

Wir wissen auch, daß die sogenannte Rufbereitschaft in Kraft tritt, mit der nicht nur die Ärztekammer als Vertreterin der Ärzteschaft, sondern auch die Bevölkerung unzufrieden ist, denn dadurch ist eine gewisse Verunsicherung eingetreten. Ein entsprechendes Volksbegehren ist angekündigt und findet bereits heute schon große Resonanz in der Bevölkerung.

Wir erleben heute weiters, wie eine gute Gesetzesvorlage verwässert wurde, nur um den Forderungen der Bundesländer das Wort zu reden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich kann nur noch einmal, wie schon im Ausschuß, wiederholen: Sie haben eine klare Position zugunsten der Bundesländer aufgegeben. Sie ließen es zu, daß ein gutes Gesetz durch Abstriche zu einer Gesetzesmaterie verkommt, die es wirklich nicht mehr verdient, als zielführend bezeichnet zu werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das Ärzte-Arbeitszeitgesetz stand, wie bereits bekannt, im vorletzten Sozialausschuß zur Debatte und wurde nur auf Wunsch der Österreichischen Volkspartei vertagt – dies nur, weil die ÖVP-regierten Bundesländer den Poker gewinnen wollten. Leider, meine Damen und Herren, haben sie diesen Poker auch gewonnen.

Wir Liberalen waren damals bereit, dem Gesetz zuzustimmen. Heute, nach Kenntnis der Abänderung, können wir nur noch ein klares Nein dazu sagen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Denn, meine Damen und Herren, mit den Bestimmungen, den Änderungen im Ärzte-Arbeitszeitgesetz, wie sie im vergangenen Sozialausschuß beschlossen wurden, werden Fristen für die Einhaltung und das Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes hinausgezögert. Bis 1999 kann nämlich der Status quo verlängert werden, wenn in einem Spital die Arbeitszeitbestimmungen nicht verwirklicht werden können.

Wer glaubt denn wirklich, daß sich nach diesen Bestimmungen die Länder ernsthaft bemühen werden, möglichst schnell für ausreichendes Ärztepersonal in den Spitälern zu sorgen, wenn sie in Zukunft für die Finanzierung verantwortlich sind?

Ebenso werden sich die Länder in ihrer Verantwortlichkeit nicht um genügend Pflegepersonal bemühen, nachdem im zu beschließenden Antrag der Absatz 5 des § 4 gestrichen wurde, der verlängerte Dienste nur mehr für Ärzte erlaubt hätte. Abgesehen von der Unzumutbarkeit, Ärzte mehrere Überstunden – und dies insbesondere während der Nachtzeiten – machen zu lassen, ist es auch nicht einsehbar, daß Patienten weiterhin von übermüdetem Personal betreut werden müssen.

Es ist weiters nicht einzusehen, daß zum Beispiel durch die Verlängerung der Fristen bis zum Jahr 2004 Ärzte und Pflegepersonal weiterhin benachteiligt sind. In diesem Zusammenhang möchte ich auch anmerken, daß wir auch im Jahr 2004 kein EU-konformes Arbeitszeitgesetz im Spitalsbereich haben werden.

Meine Damen und Herren! Zur Erinnerung – mein Vorredner, Mag. Guggenberger, hat es auch schon angesprochen, ich möchte es aber trotzdem nochmals tun –: Das Versäumnis, das seit


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vielen Jahre ansteht, wurde erst durch den öffentlichen Druck nach den Ereignissen im Lorenz-Böhler-Krankenhaus und durch die mediale Aufdeckung von Primarius Poigenfürst ein öffentliches Thema. (Abg. Dr. Pumberger: Auf eine Sondersitzung der Freiheitlichen ...!) – Sie haben recht, Herr Kollege. Genauso war es. Sie waren wirklich sofort am Ball und haben eine Dringliche gemacht, ich weiß es.

Meine Damen und Herren! Das war ein Thema, das wachrüttelte, das aber auch die Verantwortlichen in der Politik zum Handeln zwang.

Herr Bundesminister Hums! Sie haben uns ein brauchbares Gesetz vorgelegt. Sie haben jetzt aber zugelassen, daß durch Verwässerungen eine gute Gesetzesvorlage wieder entwertet wird. Ich frage Sie: Wo ist denn da die Ernsthaftigkeit, mit der dieses Gesetz jetzt durchgesetzt werden soll, wenn schon vor Inkrafttreten den Ländern signalisiert wird, daß die Verzögerungstaktik aufgeht? Wie soll man zum Beispiel auch die Ausschußfeststellungen interpretieren, daß im Jahr 2003 Überprüfungen stattfinden sollen, ob verlängerte Dienste für Angehörige von Gesundheitsberufen weiter zulässig sein sollen? Soll das eine Vertröstung sein? Oder kann man dies doch eher schon als Drohung sehen, daß eine geregelte Arbeitszeit in dieser Berufssparte auch ins dritte Jahrtausend hinein eine Illusion bleiben wird? (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren der Sozialdemokratischen Partei! – Diese sind jetzt wahrscheinlich alle beim Mittagessen. Das kann ich auch verstehen. – Mich wundert auch, daß Sie als deklarierte Arbeitnehmerschützer bei Ärzten und Pflegepersonal mit zweierlei Maß messen. Denn ein Handelsangestellter, der künftig an einem Samstag arbeitet, hat den darauffolgenden Samstag frei. Beim Spitalspersonal, bei dem es um die Betreuung und eventuell auch um die Rettung von Menschenleben geht, sind Sie sehr großzügig. (Beifall des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Abschließend kann ich nur festhalten, daß heute wieder eine Chance in der so dringenden Gesamtreform in unserem österreichischen Gesundheitswesen vertan wird. Ich stelle auch zum wiederholten Male fest, daß durch die Aufsplitterung der Kompetenzen ein weiterer Meilenstein gesetzt wird, der sicher nicht dazu beiträgt, baldigst eine befriedigende Situation für alle Beteiligten herbeizuführen.

Herr Kollege Leiner! Ich nehme gleich etwas vorweg, denn ich weiß, daß Sie mich wieder der Schwarzmalerei bezichtigen werden. Ich möchte Ihnen ans Herz legen, den heutigen Artikel der "Salzburger Nachrichten" mit dem Titel: Im neuen Jahr wird alles anders! zu lesen. – Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. – Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. (Abg. Mag. Barmüller: Herr Abgeordneter Leiner! Keine Polemik vom Rednerpult!)

12.46

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Das tue ich nie. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren auf der Galerie! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) 28 Prozent wählen halt auch die ÖVP. Und das nächste Mal sind es 32! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Pumberger: Nach deiner Rede wählt euch keiner mehr! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Gut, also gehe ich gleich auf die Schreierpartei los. – Ist euch das schon bewußt, Herr Pumberger, daß wir einen föderalistischen Staat haben? Es mag schon sein, daß die Dritte Republik das abschaffen will. Das kann schon sein. Aber jetzt haben wir das noch, und deshalb haben wir darauf Rücksicht zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Länder müssen halt eingebaut werden. Sie haben auch die finanziellen Mittel herzugeben. Das ist zu berücksichtigen. Ob man jetzt überall nachgeben muß, das ist eine andere Frage. Wir haben ja auch gekämpft. Ich bin auch der Meinung, daß man nicht überall den Bedürfnissen nachgeben darf. (Abg. Dr. Pumberger: Arbeitnehmerschutz ist Bundessache!)


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Frau Motter – sie ist doch da – möchte ich doch sagen, ich glaube einfach nicht, daß hier im Parlament die Braven und in den Ländern die Bösen sind. Denn die nützen sie dann aus. Wir machen die guten Gesetze, und die in den Ländern machen schlechte Gesetze. – So haben Sie es dargestellt.

Ich meine, wir dürfen doch auch von unseren Kolleginnen und Kollegen in den Ländern annehmen, daß sie auch Verantwortung haben, daß sie auch ein Gewissen haben und die entsprechenden Maßnahmen ergreifen werden, um den Ärzten entgegenzukommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich, ich finde es tragisch, daß es die Causa Poigenfürst hat geben müssen, daß es die EU vorschreibt, daß wir jetzt erst dazukommen, daß wir überhaupt ein Arbeitszeitgesetz für die Gesundheitsberufe und die Ärzte zustande gebracht haben. (Abg. Dr. Pumberger: Der Konsultationsmechanismus hat schon gegriffen!) Das gestehe ich ein, daß diese 100 Stunden pro Woche jetzt einmal passé sind. Wenn wir aber über Arbeitszeit und Arbeit in den Krankenhäusern sprechen, dann müssen wir auch einmal davon sprechen, welche Aufgaben ein Krankenhaus überhaupt zu erfüllen hat.

Für mich hat das Krankenhaus drei Aufgaben zu erfüllen: erstens die Patientenversorgung, zweitens die Ausbildungsfunktion und Weiterbildungsfunktion, auch der Kollegen im Umfeld, und drittens eine wissenschaftliche Funktion. Diese Funktionen zusammen brauchen natürlich Zeit. Aber wir wissen ganz genau, daß eben der Arztberuf und der Pflegeberuf keine Berufe sind, die man im Rahmen einer 40-Stunden-Woche abdienen kann. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Arzt sein heißt, glaube ich, wesentlich mehr, vielleicht nicht Tierarzt sein, aber Arzt sein heißt halt mehr, heißt Dienst am nächsten, heißt Engagement für den kranken Mitmenschen. Manche Operationen können halt nicht verschoben und müssen durchgeführt werden. Ich kann nicht das Besteck um 19 Uhr weglegen oder einen Patienten mit einem Herzinfarkt einfach liegenlassen, sondern ich muß weiterarbeiten.

Ich glaube, daß man diese Aspekte miteinbringen muß. Das darf natürlich nicht bis zur Ausbeutung gehen, davon bin ich auch überzeugt. Aber dem ist in diesem Gesetz wirklich Rechnung getragen worden. Ich glaube, es wurde schon aufgezeigt, daß eben die entsprechenden Regelmechanismen eingebaut wurden.

Mit diesem Arbeitszeitgesetz wird die Qualität der medizinischen Versorgung meiner Meinung nach wesentlich verbessert. (Abg. Dr. Pumberger: Na geh!) – Dem Vorwurf, daß die Kollegen in den Krankenhäusern schlafen und sich ausruhen können, möchte ich ganz entschieden entgegenhalten, daß selbst ein Schlaf im Krankenhaus sehr oberflächlich ist, weil einen die Sorge um die schwerkranken Patienten doch nicht wirklich schlafen läßt. Ich selbst habe zwölf Jahre in einem Schwerpunktkrankenhaus in einer internen Station Dienst gemacht, vom Assistenzdienst bis zum Oberarztdienst, und weiß, wovon ich hier spreche.

Auch wenn man nur einmal aufstehen muß, kann man oft nicht mehr einschlafen, wenn der Patient so schwer krank ist, daß einen die Sorge um ihn nicht mehr zur Ruhe kommen läßt. Das muß man schon mitberücksichtigen.

Auf der anderen Seite muß ich natürlich sagen, in einem 400-Betten-Krankenhaus in Österreich sind in der Nacht durchschnittlich vier bis fünf Aufnahmen pro Monat auf der Chirurgie. Wir haben das in einem Schwerpunktkrankenhaus mit 400 Betten in Österreich erheben lassen: vier bis fünf Aufnahmen. Bis durchschnittlich 22 Uhr sind in diesem Krankenhaus sämtliche Operationen abgeschlossen gewesen. Also damit ist auch die Problematik der Rufbereitschaft aufgezeigt.

Ich möchte nur noch einen Aspekt erwähnen, nämlich daß jungen Kollegen in einem Krankenhaus auch die Möglichkeit geboten werden sollte, dort wissenschaftlich tätig zu sein, daß sie auch einmal am Samstag und am Sonntag hineingehen können und nicht eine starre Regle


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mentierung Platz greifen darf. Viele Ärzte arbeiten nach dem Dienst auch noch in einem Labor und möchten sich auch für die Gesellschaft, für die Patienten wissenschaftlich betätigen.

Natürlich dürfen dort, wo der Patient betroffen ist, wo der psychische Druck des Patientenleids und die Verantwortung über Leben und Tod mitspielen, Monsterdienste nicht mehr der Normalfall sein. Das ist durch dieses Gesetz geregelt worden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Das ist weder für den Patienten noch für den Arzt gut. Das wissen wir alle, das wissen auch Sie, Herr Kollege Pumberger! Wir wissen ja auch, wie hoch die Selbstmordrate bei den Kollegen gerade auch wegen ihrer Überarbeitung ist. (Abg. Dr. Pumberger: Weil Sie kein ordentliches Arbeitszeitgesetz schaffen! Das ist Ihre Schuld! Geben Sie es wenigstens zu!)

Wir müssen eben für das Ärzte- und Pflegepersonal ein Recht schaffen, das menschenwürdig ist und das auch für die Patienten günstig und gut ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen aber auch danach trachten, daß die Kontinuität gewährleistet ist. Sie wissen ganz genau, es ist nicht gut, wenn jeden Tag ein anderer Arzt bei den Patienten ist. Wir müssen schauen, daß immer die Kontinuität der Patientenversorgung gewährleistet ist, und sie ist auch durch dieses Gesetz gewährleistet worden.

Ich bin sehr froh, daß wir im Parlament den Konsens zwischen berechtigtem Arbeitnehmerschutz, Patienteninteressen und der Realität in den Spitälern draußen geschaffen haben und die Bundesländer nun mitgehen können.

Es hat da eine gewisse Verwirrung gegeben, denn in der EU wurde einfach festgestellt, daß praktizierende Ärzte in den Krankenhäusern nicht in die Arbeitszeitregelung miteinbezogen werden sollten. Ich bin dafür, und ich bin sogar sehr dafür, daß diese praktizierenden Ärzte – da waren jene gemeint, die 14 Tage oder drei Wochen im Krankenhaus praktizieren –, die natürlich ein Arbeitsverhältnis haben, in die Arbeitszeitregelung miteingebaut werden müssen. Ich wäre sonst nie mitgegangen, und ich bin auch davon überzeugt, daß das unbedingt notwendig ist.

Ich möchte nur vor etwas warnen: Wir müssen aufpassen, daß einerseits die vielen jungen Mediziner, die von der Uni kommen – Stichwort Ärzteschwemme –, nicht ausgenützt und ausgebeutet werden. Auf der anderen Seite müssen wir aufpassen, daß es nicht zu einer starken Betonung einer gewerkschaftlich streng reglementierten Jobmentalität kommt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Was meine ich denn mit Jobmentalität? – Man signalisiert uns vom Kostenträger, die Medizin ist ein Job wie jeder andere, man bekommt einen Kurzzeitjob mit relativ wenig Gehalt, in Wien von 8 Uhr bis 13 Uhr, inklusive vier Nachtdienste. Man soll sich daneben aber einen zweiten Job suchen, Privatordination oder sonst irgendeinen. Daß es trotzdem viele engagierte und gewissenhafte Ärzte gibt, spricht für die Ärzte, aber nicht für das System. Auf das möchte ich wirklich noch hinweisen.

Mehr Zeit, menschliche Zuwendung zum Patienten bei allen Heilberufen ist das anzustrebende Ziel. Es ergeben sich beim Pflegepersonal und bei den Ärzten die gleichen Probleme. Es muß einerseits danach getrachtet werden, eine verstärkte persönliche Zuwendung zum Beruf und zunehmend zum Patienten zu fördern, auch zu belohnen, andererseits muß vermieden werden, daß unter ständigem Hinweis auf die hohe ethische Verantwortung mit der Menschengruppe, die sich um die kranken Menschen bemüht, hintergründig ein Ausnützungssystem betrieben wird. Das gab und gibt es vielfach, wie ja überhaupt dort besonders viel von Ethik die Rede ist, wo man berechtigte Forderungen eines anderen desavouieren will. Wer immer den goldenen Mittelweg in dieser Situation geht, hat sich richtig entschieden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)


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12.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.56

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte jetzt hergehen und den Bibelspruch, den Kollegin Motter für Kollegen Guggenberger zitiert hat, auch für Kollegen Leiner extemporieren und sagen: "Nimm dein Bett und geh, Kollege Leiner!" (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. )

Ich wünsche viel Glück in diesen Krankenanstalten, in denen es nach wie vor nicht möglich ist, damit zu rechnen, daß man einen ausgeruhten Arzt, daß man ein ausgeruhtes Pflegeperson antrifft. Das ist das Problem. Wir Grüne stehen zu Arbeitszeiten für Ärzte- und Pflegepersonal, die aus gesundheitspolitischen und arbeitsmedizinischen Gründen verantwortbar sind.

Wenn Sie mir einen Arbeitsmediziner nennen können, Herr Kollege Leiner, der sagt, 60 Stunden ununterbrochener Dienst seien arbeitsmedizinisch vertretbar, dann bin ich froh und glücklich. Sie werden ihn nicht finden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Wir Grüne können deshalb auch nicht zu einem eigenen Arbeitszeitrecht stehen, das nur aus Kostengründen – das ist der einzige Grund: nur aus Kostengründen – Ärzte und pflegendes Personal von den Arbeitszeiten in Arbeitszeitregelungen ausnimmt und für alle anderen beschäftigten Gruppen gelten soll. Da hat Kollegin Motter meiner Ansicht nach durchaus einen richtigen Hinweis eingebracht.

Meine Damen und Herren vor allem von der Sozialdemokratischen Partei! Sie waren bei der gestrigen Debatte über die Ladenöffnungszeiten sehr stolz, daß es möglich war, für die im Handel Beschäftigten eine "Arbeitsruhe" als Ersatz für die Samstagarbeit einzuführen. Wir wären sehr froh, wenn es entsprechende Arbeitsruheregelungen auch für das pflegende Personal und für die Ärzte gäbe. Es ist nicht einzusehen, daß es ein unterschiedliches Arbeitszeitrecht gibt, nur weil den Ländern das Geld und auch die Bereitschaft fehlen, tatsächlich ein gemeinsames Arbeitszeitrecht zu akzeptieren. (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Guggenberger! Du hast sehr schön erklärt, wie es zu diesem Gesetz gekommen ist. Du hast aber nicht erklärt, warum wir jetzt dieses Gesetz in dieser geänderten Version haben: weil es der ÖVP gelungen ist, mit einem Vertagungsantrag noch einige Verschlechterungen durchzusetzen. Das können wir als Resümee dieser Entwicklung betrachten.

Das kann es doch nicht sein, daß wir auch noch darauf stolz sein sollen, daß wir Verschlechterungen in diesem ohnehin schon knapp die EU-Standards erreichenden ursprünglichen Entwurf erreicht haben. Da gibt es nichts, weswegen man sich auf die Schulter klopfen kann. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich halte den ursprünglichen Entwurf, den Herr Minister Hums eingebracht hat, gerade noch für akzeptabel. Ich habe das auch im Ausschuß und auch hier im Hohen Haus bereits vertreten. Ich halte das gerade noch für akzeptabel, aber es ist auch bei diesem ursprünglichen Entwurf ein trauriges Zeichen, daß wir nur dazu gekommen sind, weil uns eine EU-Arbeitszeitrichtlinie das aufdrängt.

Das muß man auch einmal festhalten, daß Sie nur deswegen dazu bereit waren, dieses Recht zu beschließen, weil Sie wissen, Sie können nicht anders, Sie müssen es machen. – Damit habe ich auch schon das nächste Problem beschrieben, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Pumberger: Der ÖVP ist der Patientenschutz egal!)

Meine Damen und Herren! Das nächste Problem: Wir können mit dem, was wir hier im Ärztearbeitszeitgesetz paktiert haben, den EU-Standards nur dann gerecht werden, wenn wir nicht nur mit den Augen zwinkern, sondern beide Augen zudrücken. Die Übergangsbestimmungen, die enthalten sind – das sagt auch der Verfassungsdienst, Kollege Guggenberger –, sind nicht EU-konform. Sie sind beim Ärztearbeitszeitgesetz genauso wenig EU-konform, so wie die langen Übergangszeiten beim ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das wir danach diskutieren, nicht EU-konform sind!

Na gut, zucken wir mit der Schulter! Kann man halt nichts machen, das ist halt so in Österreich! Wir werden uns schon irgendwie durchschwindeln! Wir können schon damit rechnen, daß die EU-Kommission oder sonst irgendwer, der sich mit dieser Sache beschäftigt, das Ganze für Österreich nicht so tragisch nehmen wird. – Möglicherweise wird uns nichts passieren, mög


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licherweise wird das Arbeitszeitregime, das die EU Gott sei Dank entwickelt hat, ohnehin noch einmal durch die Überprüfung vor dem Europäischen Gerichtshof, den Großbritannien anruft, weil es ja nicht einmal mit diesen minimalen Arbeitszeitregelungen der EU einverstanden ist, kippen. Vielleicht hofft Österreich inzwischen auch schon darauf, daß die Arbeitszeitrichtlinie der EU, die eine Minimalrichtlinie ist, kippt, denn dann könnten wir vielleicht auch mit unserem Ärztearbeitszeitgesetz durchkommen, dann wäre das alles nicht so schlimm.

Ich kann nicht darauf hoffen, denn es geht um sehr viel. Es geht um die Gesundheit der Patienten, es geht um die Gesundheit der Ärzte, und es geht auch darum – das sage ich als Sozialpolitiker –, daß durch ein eigenes Arbeitszeitgesetz für die Ärzte und das pflegende Personal eine Bresche in das gemeinsame Arbeitszeitrecht geschlagen wurde.

Jetzt gibt es eine Ausnahme für eine bestimmte Berufsgruppe. Vielleicht, Kollege Guggenberger, werden wir nächstes Jahr dann ein eigenes Arbeitszeitrecht für die Handelsangestellten beschließen und vielleicht übernächstes Jahr eines für eine andere Berufsgruppe – für die Politiker beispielsweise.

Ich bin nicht damit einverstanden, Kollege Guggenberger, daß man es sich hier so leichtmacht und Ausnahmen einfach augenzwinkernd oder augenzudrückend zur Kenntnis nimmt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. )

Als großer Fortschritt ist uns angepriesen worden – es ist auch ein kleiner Fortschritt –, daß es dadurch ein einheitliches Arbeitszeitregime für alle Krankenanstalten gibt. Aber gleichzeitig, Kollege Guggenberger, ist nicht gesagt worden, daß es für die in privaten Krankenanstalten Beschäftigten dadurch auch zu Verschlechterungen kommen kann. Das halte ich für nicht unentscheidend! Man kann nicht nur hergehen und sagen: Ein großer Erfolg!, wenn man gleichzeitig weiß, es bringt unter Umständen auch Verschlechterungen für die in privaten Krankenanstalten Beschäftigten.

Es ist in der Ausschußberatung auch gesagt worden, die Beschäftigten wollen diese Ausnahmen, sie möchten auch in Zukunft möglichst lang arbeiten. Kollege Guggenberger, du hast es nicht gesagt, aber es ist im Ausschuß gesagt worden. – Die längeren Arbeitszeiten der Beschäftigten werden von ihnen nur deswegen gewünscht, weil das Einkommen sonst zu gering ist. Eine Banalität für das pflegende Personal! Es ist so! – Gleichzeitig sind die überlangen Arbeitszeiten, die es vorher gegeben hat und die auch nach diesem Arbeitszeitgesetz möglich sind, der Grund dafür, warum so viele in pflegenden Berufen Tätige früh, allzu früh, ihren Beruf aufgeben – der Durchschnitt der beruflichen Tätigkeit der in pflegenden Berufen Beschäftigten ist kürzer als ihre Ausbildungszeit.

Das spielt keine Rolle in Österreich! Wir haben es ja! Wir können uns das leisten, daß diplomiertes Krankenpflegepersonal im Durchschnitt nur ein paar Jahre beschäftigt ist. Das spielt keine Rolle. Wir müssen dann das Krankenpflegepersonal aus anderen Ländern importieren, wir müssen es hier beschäftigen, um es sozusagen nach unseren Regeln auszunehmen, wir müssen es unter gesundheitspolitisch und arbeitsmedizinisch bedenklichen Umständen beschäftigen und dann wieder nach Hause schicken. Dann nehmen wir wieder neue aus irgendeinem anderen Land, das bietet sich ja an – nur weil wir nicht mit unserer gesundheitspolitischen, mit unserer arbeitsmedizinischen und mit unserer sozialpolitischen Verantwortung zurechtkommen wollen.

Das liegt in erster Linie – das gebe ich schon zu – nicht in der Verantwortung des Bundesministers, sondern in jener der Länder. Kollege Leiner hat das klar gesagt: Der Föderalismus muß ziehen! – Am liebsten wäre ihm offensichtlich ein anderes Arbeitszeitrecht für Vorarlberg als für Wien; in Salzburg soll es in der Mitte liegen, weil Salzburg in der Mitte von Österreich liegt, und am längsten sollen wahrscheinlich die Vorarlberger und die Tiroler arbeiten dürfen – so ist das zu verstehen.

Ich halte es nicht für verantwortbar, daß man den Föderalismus dazu benützt (Zwischenruf der Abg. Silhavy ) , um unterschiedliche Arbeitszeitregelungen zu fordern, um unterschiedliche Anforderungen an pflegendes Personal und an Ärzte zu stellen. (Beifall bei den Grünen.)


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Es gibt im Entwurf außerdem keine Regelung der Rufbereitschaft – das ist auch ein Grund, der nicht genügend moniert werden kann. Es sollte dieses Gesetz – das füge ich nur an, obwohl es auch in unserer abweichenden Stellungnahme enthalten ist – auch für Pflegeabteilungen von Pensionistenheimen gelten. Das wäre notwendig, da die Personen, die in Pflegeabteilungen von Pensionistenheimen arbeiten, unter besonderen Arbeitsbelastungen leiden. Es ist undenkbar, daß diese verlängerten Dienste bis zu einem Durchschnitt von 60 Wochenstunden akzeptiert werden können. Sie können niemandem weismachen, daß das auch nur irgendwie rechtfertigbar ist.

Herr Minister! Wir haben damals bei den Beratungen gesagt, dieses Gesetz sei ein Tunnel-Gesetz: Viel Dunkel und wenig Licht, aber immerhin gibt es die Hoffnung, daß man irgendwann einmal ins Freie kommt. – Das war beim ursprünglichen Entwurf.

Inzwischen haben Sie wieder weitere Ausnahmen eingeführt, weitere Verschlechterungen gemacht, und so bleibe ich dabei: Es ist ein Euro-Tunnel-Gesetz. Das Risiko ist zu groß, die Durchfahrt, bis man irgendwann einmal ein Licht sehen kann, dauert zu lange, und der Preis für die Allgemeinheit mit diesem Gesetz ist zu hoch. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

13.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Hums. – Bitte, Herr Bundesminister.

13.07

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem heute vorliegenden Gesetz wird erstmals für die Krankenanstalten im Bereich öffentlich-rechtlicher Krankenanstaltenträger eine Arbeitszeitregelung getroffen. Bisher galt und auch heute noch gilt in diesen Bereichen eine Arbeitszeitregelung, die nicht existent ist, das heißt, ohne Limit können dort Pflegerinnen, Pfleger, Ärzte eingesetzt werden. Und sie werden es leider auch!

Daher war es dringend notwendig, daß wir – nicht wegen der EU, sondern im Interesse des Arbeitnehmerschutzes und im Interesse der Patienten – eine Regelung treffen und diese Regelung so treffen, daß sie künftig für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in privaten Spitälern genauso gilt wie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in öffentlich-rechtlichen Spitälern und Krankenanstalten.

Das Thema war sicher nicht leicht zu behandeln. Auf der einen Seite hat die Diskussion deshalb begonnen, weil wir ungeheure Überlastungen in den Spitälern öffentlich-rechtlicher Eigentümer hatten – das wurde zu Recht kritisiert –, auf der anderen Seite – Sie haben hier bereits die Diskussionsangelegenheit im Zusammenhang mit Primarius Dr. Poigenfürst zitiert – bestanden der Wunsch und die Notwendigkeit, die von den Ärzten angeführt wurden, daß in privaten Spitälern die Arbeitszeitregelungen flexibler werden sollten. Mit diesem Gesetz tragen wir beidem Rechnung: Wir haben erstmals Arbeitnehmerschutzregelungen und damit auch Patientenschutzregelungen in beiden Bereichen nach sehr langen Verhandlungen geschaffen. Und ich stimme allen durchaus zu: Es sind auch Kompromisse in diesem Gesetz enthalten, wie bei fast jedem Gesetz, das hier beschlossen wird, aber ich stehe zu diesem Gesetz, und ich halte es für richtig, daß es heute so beschlossen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Auch während der Verhandlungen mit den Ländern in den letzten Wochen – es war nur ein Teil der Verhandlungen, mit den Ländern gab es schon eineinhalb bis zwei Jahre intensive Verhandlungen, weil sie ja zum Teil Dienstgebervertreter sind – wurde an dem Gesetz nichts Essentielles verändert, und ich werde Ihnen das auch nachher gleich beweisen.

Die Grundsituation ist, daß wir für die Arbeitszeit Regelungen haben, die vorsehen, daß die maximale Tagesarbeitszeit 13 Stunden beträgt und daß im Durchschnitt von 17 Wochen – das bleibt weiter aufrecht – die wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten darf.


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In dem Entwurf war bereits enthalten – auch über Wunsch der Ärzte und der Mitarberinnen und Mitarbeiter in den Spitälern –, daß man flexibler gestalten kann, wenn es keine durchgehende Inanspruchnahme gibt. Nur dann, wenn es keine durchgehende Inanspruchnahme gibt, kann von diesen Arbeitszeiten abgewichen werden, und zwar abgewichen werden im Rahmen des Gesetzes. Auch hiefür ist der Gesetzesrahmen für Betriebsvereinbarungen vorgegeben.

Bei den Verhandlungen über diese Betriebsvereinbarungen sind – das ist auch neu – die Vertreterinnen und Vertreter der betroffenen Gruppe einzubeziehen. Das ist völlig neu. Nur mit deren Zustimmung kann es Abweichungen von der Arbeitszeit 13 Stunden pro Tag beziehungsweise 48 Stunden pro Woche in einem 17wöchigen Durchschnitt geben. Nur mit deren Zustimmung: das möchte ich hier nochmals festhalten! Erstmals wurde festgelegt, daß in diese Verhandlungen die Vertreterinnen und Vertreter der betroffenen Gruppe einzubeziehen sind, weil es natürlich in jedem Krankenhaus andere Voraussetzungen gibt. Innerhalb der Krankenhäuser sind praktisch in jeder Abteilung – daher ist diese Notwendigkeit praxisgerecht – die Sprecher der betroffenen Gruppe einzubeziehen.

All das war in dem Entwurf schon drinnen, dem Sie, Herr Dr. Pumberger, auch im Ausschuß durchaus zugestimmt hätten. Auch Kollege Öllinger hat das bestätigt. Damals gab es bei den Verhandlungen mit den Ländern noch einen sehr strittigen Punkt, nämlich ob auch Turnusärzte in dieses Gesetz einzubeziehen sind. Hier haben sich viele, die das nicht wollten, auf die EU-Richtlinie bezogen und erklärt, daß in der EU-Richtlinie eine Bestimmung enthalten ist, wonach Ärzte in Ausbildung nicht einzubeziehen sind.

Ich möchte hier betonen: Nicht alle Länder, aber einige Länder haben von Beginn an erklärt, daß sie mit der ursprünglichen Fassung durchaus einverstanden sind, beispielsweise Wien, Burgenland und Kärnten; ich nenne sie nur als Beispiele. Und bei diesen Verhandlungen war strittig, ob Turnusärzte einzubeziehen sind, weil argumentiert wurde, das seien nur Ärzte in Ausbildung.

Wir haben uns voll durchgesetzt, denn die Ärzte leisten in den Spitälern sehr wichtige Arbeit, und es wäre unverständlich gewesen, wenn wir sie ausgeschlossen hätten. Ich glaube, das war eines der Hauptthemen in den Auseinandersetzungen der letzten Monate über dieses Gesetz.

Das nächste Thema in den Verhandlungen mit den Ländern, die nicht leicht waren, war, daß etliche Länder wollten, daß wir diese Frage bezüglich der Spitäler des öffentlichen Bereiches überhaupt den Ländern übertragen und nur die Privatspitäler weiter auf Bundesebene regeln. Auch das haben wir strikt abgelehnt, weil es unmöglich wäre, die Verantwortung jenen zu geben, die in diesen Verhandlungen schon erklären, daß sie sich eigentlich an keine Bestimmungen halten wollen. Das wäre daher nicht zu verantworten gewesen. Daher haben wir strikt erklärt, es bleibt Bundessache. – Auch das ist erledigt.

Zur Frage der Rufbereitschaft: Die Rufbereitschaft wurde von mir nie mit diesem Gesetz in irgendeiner Junktimierung zugelassen. Daher enthält dieses Gesetz auch keine Bestimmungen über die Rufbereitschaft, denn die Rufbereitschaft ist so zu behandeln, wie sie in allen anderen Arbeitsverhältnissen zu behandeln ist. Diesbezüglich gibt es oberstgerichtliche Entscheidungen, die definieren, was eigentlich Arbeitszeit, was eigentlich Rufbereitschaft ist. Diese Frage wird hier nicht geregelt, denn wenn es eine Quasi-Rufbereitschaft ist, bei der die Ärzte in Wirklichkeit nicht rufbereit sind, sondern das als Arbeitszeit zu werten ist, dann wäre das ohnehin nach den erfolgten oberstgerichtlichen Entscheidungen zu behandeln. Das möchte ich hier feststellen.

Zu den Ausnahmeregelungen, die jetzt im Gegensatz zum ersten Entwurf, dem Sie zugestimmt hätten, drinnen sind. Ich bitte Sie noch einmal, diese Ausnahmeregelungen genau durchzulesen. Sie werden draufkommen, wenn Sie dem ersten Entwurf im Ausschuß Ihre Zustimmung geben wollten, dann können und sollen Sie auch der zweiten Fassung zustimmen. Wie sind die Ausnahmeregelungen gefaßt? – Die Ausnahmeregelungen sind derart restriktiv gefaßt, daß sie nur dann zur Anwendung kommen können, wenn nicht genügend Fachärzte in nächster Zeit zur Verfügung stehen.

Ein Beispiel für eine Ausnahme: Es wurde im ersten Entwurf festgelegt – das ist doch in der Praxis nicht umgehbar –, daß bis 1997, jetzt bis Ende 1999, andere Regelungen noch getroffen


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werden können, wenn trotz Ausschreibung nachweislich ein Facharzt für die betreffende Abteilung nicht gefunden werden kann. Und das gilt natürlich nur für den Bereich und in dem Maße, wie die Arbeitszeit geregelt werden muß, wenn ein Arzt trotz Ausschreibung nachweislich nicht gefunden werden kann. Wenn für ein Spital ein Arzt nachweislich trotz Ausschreibung nicht gefunden werden kann – ich glaube, das wird nur mehr für einen sehr kurzen Zeitraum der Fall sein –, dann wäre es unmöglich gewesen, das im Gesetz zu negieren. Denn was hätten wir dann tun müssen? – Wir hätten das Spital schließen müssen, weil wir niemanden zwangsverpflichten können.

Ich bin der Überzeugung, die Formulierung: trotz Ausschreibung nachweislich niemand gefunden, und nur in dem Ausmaß darf man abweichen, in dem das notwendig ist, und das befristet!, ist eine von der Praxis her und nicht eine von den Ländern vorgesehene und erzwungene Maßnahme.

Die Bestimmung, daß vorübergehend Ausnahmeregelungen getroffen werden können, ist derart restriktiv, daß auch sie mit Sicherheit nicht willkürlich genützt werden kann, denn es steht drinnen: vorübergehend, also wenn das anders nicht machbar ist, eben aufgrund des Fehlens von Ärzten. Es ist nur vorübergehend, und zwar wenn es keine durchgehende Inanspruchnahme gibt, also ist die Regelung 13 Stunden Arbeitszeit davon nicht betroffen. Es kann nur vorübergehend abgewichen werden, wenn es eine Betriebsvereinbarung darüber gibt, bei der die betroffene Gruppe mitredet und der der einzelne zustimmt. Jemand darf keine Nachteile dadurch haben, daß er das nicht macht. Es wird dem Arbeitsinspektorat eine Liste der betroffenen Arbeitnehmer übermittelt, und das Arbeitsinspektorat – nicht der Landeshauptmann oder irgend jemand sonst – hat dann, auch wenn eine Vereinbarung vorliegt, zu prüfen, ob die Notwendigkeit wirklich besteht und ob auf alle Fälle der Arbeitnehmerschutz gesichert ist.

Wenn das nicht der Fall ist, dann wird das Arbeitsinspektorat derartige vorübergehende Regelungen unterbinden. Daher wird es auch in Zukunft nach diesem Gesetz keine Überbeanspruchung mehr geben können, weil auch diese vorübergehenden Übergangsregelungen der Kontrolle des Arbeitsinspektorates unterstehen. Kein Land wird es sich richten können, und jeder Landeshauptmann, der derzeit vielleicht behauptet, er wird es sich mit irgend jemandem richten, wann er diese Normen einführt, irrt gewaltig. Denn "vorübergehend" heißt nur, wenn der Bedarf anders nicht gedeckt werden kann, wenn die Betriebsvereinbarung das zuläßt, wenn der einzelne dem zustimmt und wenn das Arbeitsinspektorat anerkennt, daß das noch immer im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes ist. Restriktivere Ausnahmeregelungen sind sicher nicht mehr möglich.

Das heißt, die Länder haben in Wirklichkeit nach sehr langem Zögern akzeptiert, daß in diesem Bereich Arbeitnehmerschutz, Patientenschutz notwendig sind. Wir werden darauf achten, daß auch die Übergangsregelungen äußerst restriktiv gehandhabt werden. Dafür wird auch das Arbeitsinspektorat sorgen – im Interesse der Arbeitnehmer, im Interesse der Ärzte, im Interesse der Krankenschwestern, Pfleger und Pflegerinnen und ganz besonders natürlich auch im Interesse der Patienten. Daher hoffe ich, daß Sie trotzdem diesem Gesetz, das neue Regelungen bringt, heute zustimmen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. (Abg. Dr. Pumberger: Das Gesetz ist ein Placebo!)

13.19

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Placebos sind normalerweise auch wirksam. Das wissen wir ja. 60 Prozent der Medikamentenwirkung ist Placebowirkung.

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Die EU schreibt Arbeitnehmerschutz auch für den öffentlichen Bereich vor. In Österreich hat der öffentliche Dienst häufig bessere Bedingungen als der Privatbereich. Lassen Sie mich nur ein paar Beispiele anführen: lange Mittagspausen, Samstags-Feiertage werden als Urlaubstage ersetzt, zu Allerseelen gibt es Freizeit, Überstundenpauschale, früher großzügigste Pensionsregelungen mit


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leichtem Zugang, Durchschnittsalter um 52 Jahre, lange, wenig kontrollierte Krankenstände, Kündigungs- und Versetzungsschutz, traumhafte Ferienregelungen für Schulen, Gerichte, Universitäten, honorierte Wandertage, Skikurse und Supplierungen, seit Einführung des Sparpakets weniger Wandertage, dafür Herbstferien.

Schulen orientieren sich weniger an den Bildungsbedürfnissen. Das sieht man: Latein wird als Studienzulassung für Medizin und Jus benötigt, der fließende Gebrauch lebender Fremdsprachen wäre wichtiger. Gerichte brauchen ewig für Urteilsausfertigungen. Das Universitätsjahr ist auf ein Zweidritteljahr beschränkt. – Wie gesagt: Bis auf einige Ausnahmen, die Medizin eben, mußte man sich um den Arbeitnehmerschutz für Beamte keine Sorgen machen. Großzügige Regelungen, wo man selbst berufliche Erfahrungen hat oder übermächtigen Lobbies gegenübersteht, andererseits Dominanz des Spargedankens bei den Gesundheitsausgaben.

Ich bin für sinnvolle Kostensenkung im Gesundheitsbereich durch Forcierung der Prävention, wie die drastische Einschränkung des Alkohol- und Nikotingebrauches, besser: -mißbrauches. Welche fadenscheinigen Argumente gibt es gegen die Einführung von 0,5 Promille, wie lax wird das Tabakgesetz gehandhabt. Erkrankungen, Unfälle und hohe Medikamentenkosten werden durch diese beiden Gifte verursacht. In unserer Vorbildwirkung als Politiker sollten wir auf beides im Parlament, unserem Arbeitsplatz, gänzlich verzichten.

Die Lebensumstände der Menschen zu verbessern, hilft Gesundheitskosten einzusparen. Wer diesen vernünftigen Weg nicht gehen will, versucht, durch Verknappen der Ressourcen, Senken der medizinischen Standards und Verminderung des Arbeitnehmerschutzes Kosten einzusparen – und da kennt die Phantasie keine Grenzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Vor mehr als zwei Jahren beschloß dieses Hohe Haus endlich, ein Arbeitszeitgesetz für Bedienstete von Krankenanstalten zu schaffen (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger ) – das war die Einleitung (Abg. Dr. Pumberger: Eine lange Einleitung!) –, da zuerst Herr Universitätsdozent Dr. Grünewald wegen unmenschlicher, unverantwortlicher Verhältnisse im Bereich der Innsbrucker Klinik und dann Universitätsprofessor Dr. Poigenfürst Alarm schlugen.

Kollege Öllinger! Das Arbeitszeitgesetz für Ärzte war auch von den Ärzten gewünscht, denn wir wollten im Spital Kontinuität. Ich komme selbst aus einem Bereich, in dem das alte Arbeitszeitgesetz gegolten hätte. (Abg. Öllinger: Die Ärzte allein sind nicht maßgebend!) Nein. Auch die Schwestern wollten, wie gesagt, die zwölf Stunden, weil sie den Tag nicht so getrennt haben wollten. Daß die Arbeitszeitgesetze dort anders gehandhabt wurden, war zum Großteil der Wunsch der Bediensteten. Ob es immer sinnvoll ist, ist die Frage, aber es war der Wunsch der Bediensteten.

Ich frage mich aber: Zwänge uns der EU-Beitritt nicht, den Arbeitnehmerschutz auf öffentliche Spitäler zu erweitern, wäre dieses Gesetz von den Ländern zu Fall gebracht worden?

Das, was wir heute beschließen, weicht leider von der ursprünglichen Fassung ab. Selbst die im Ministerrat beschlossene Regierungsvorlage wurde auf Länderwunsch noch einmal verschlechtert. Die Beschränkung auf zehn verlängerte Dienste im Monat für Turnusärzte erschien den verantwortlichen Landespolitikern zu kostspielig. Ob diese jede dritte Nacht arbeitend an ihrem Dienstort verbringen? – Ich bezweifle, daß jemand, der nicht verantwortungsvolle Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit leistet, weiß, wie belastend diese Dienste sind, mit Auswirkungen auf Familie, Körper und Seele.

Bis zu 26 Dienste in einem Monat wurden in manchen Bundesländern absolviert. Manchmal durften Kollegen das Spital acht bis zehn Tage lang überhaupt nicht verlassen; nur der ach so teure Wasserkopf Wien betrieb keine derartige Ausbeutung. Den Verantwortlichen waren Ärzte und Patienten völlig gleichgültig, sonst hätten sie derartige Dienste niemals zulassen dürfen. Ein ausgebrannter Arzt wird weder über die manuelle Geschicklichkeit noch über die diagnostischen und therapeutischen Fähigkeiten eines ausgeruhten Arztes verfügen.

Der Durchrechnungszeitraum für verlängerte Dienste und Überstunden wurde gegenüber der ursprünglichen Fassung verdoppelt, die Fristen zur Herabsetzung höchstzulässiger Dienste


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verlängert, bei den Überstundenzuschlägen das Wort "mindestens" gestrichen, die Ausnahmen so abgefaßt, daß dieses Gesetz für Primarärzte eventuell nicht gilt – dies ist ebenfalls in den Bundesländern sehr günstig, denn dann kann der Primararzt immer anwesend sein – und Schwestern auch nach dem Jahr 2004 verlängerte Dienste machen müssen.

Die Strafandrohungen für Gesetzesverstöße sind relativ gering, und trotzdem glaube ich, wir würden dieses Gesetz heute nicht beschließen, wäre nicht das Inkrafttreten der Rufbereitschaft daran gekoppelt. Da die Rufbereitschaft keine Arbeitszeit ist und nicht unter die Höchstgrenzen fällt, wurde sie so dringend gewünscht und erzwungen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Echte Rufbereitschaft nach OGH-Definition ist für Patienten lebensgefährlich. Rasche Erreichbarkeit wäre nur bei Arbeitsbereitschaft – und diese ist Arbeitszeit – möglich. (Abg. Dr. Pumberger: Das steht aber in der Ausschußfeststellung anders drinnen!) Nach dem OGH-Urteil muß ich nur mitteilen, wo ich zu erreichen bin, aber nicht, wie schnell ich da sein kann (Abg. Dr. Pumberger: Rufbereitschaft ist keine Arbeitszeit!) ; daher kann ich auch erst nach zwei Stunden da sein, und das ist für einen Patienten nicht gut. So ist das OGH-Urteil. Das bedeutet, daß ich die Freiheit habe, zu kommen, wenn ich soweit bin. Ich muß nur erreichbar sein. Erreichbar kann ich auch in Linz sein, wenn ich in Wien Rufbereitschaft habe. (Abg. Dr. Pumberger: Und der Turnusarzt hat die ganzen Notfälle in der Zwischenzeit!) – Habe ich gesagt, daß ich für die Rufbereitschaft bin? (Demonstrativer Beifall des Abg. Haigermoser. )

Die gesetzlich vorgesehenen halbstündigen Ruhepausen gibt es im Spital nicht. Wörtlich hält dieses Gesetz fest, daß alles, was die Normalarbeitszeit von 8 Stunden täglich oder 40 Stunden wöchentlich überschreitet, Überstunden sind. Über diese Äußerung bin ich sehr froh. Derzeit haben wir so viele arbeitslose Ärzte, daß wir das Gesetz früher erfüllen könnten.

Ich danke Herrn Bundesminister Hums sowie unserer Vorsitzenden des Sozialausschusses, Frau Abgeordneter Reitsamer, für ihr entschiedenes Eintreten, daß es zur Beschlußfassung wenigstens dieses Gesetzes kommt. Ich hoffe sehr, daß es aus Verantwortung für Patienten und Arbeitnehmer eingehalten wird, und ersuche den Herrn Bundesminister, durch Kontrollen dafür zu sorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Povysil vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

13.27

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Nun liegt es auf dem Tisch, das lang ersehnte, das heiß umstrittene Arbeitszeitgesetz.

Herr Minister! Ich glaube Ihnen Ihr ehrliches Bemühen, ich achte Ihre fachliche Kompetenz, aber Sie haben sich bei diesem Gesetz über den Tisch ziehen lassen, und das Ergebnis ist halt für die Betroffenen ganz einfach dasselbe.

Wir hätten dieses Gesetz, wie Sie wissen, in der Erstfassung akzeptiert. Es ist dies ein Gesetz ... (Abg. Mag. Guggenberger: Sie haben ihm nicht zugehört, wie er argumentiert hat!) Ich höre allen gut zu, Herr Magister, und hören Sie, bitte, jetzt mir gut zu, denn Sie kommen nämlich ein bißchen später in meiner Rede auch vor. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist dies ein Gesetz, das endlich für eine Berufsgruppe, die bis jetzt im gesetzlichen Niemandsland agiert hat, eine Arbeitszeitregelung gebracht hätte. Es ist dies ein Gesetz, das als eine der ganz wenigen EU-Anpassungen auch neue Arbeitsplätze hätte schaffen können.

Sie müssen schon bedenken, daß derzeit 2 500 Studenten pro Jahr beginnen, Medizin zu studieren – 1 000 mehr als 1988! Das sind in Österreich dreimal soviel wie im Durchschnitt in Amerika. Für diese jungen Kollegen müssen wir doch Arbeitsplätze schaffen, die müssen wir doch irgendwo unterbringen. Jetzt schon haben wir mindestens 600 fertige, arbeitslose Ärzte mit Jus practicandi, die einen Arbeitsplatz brauchen.


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Was ist bei diesem Gesetz passiert? – Das ursprüngliche Gesetz wurde Schritt für Schritt demontiert.

Demontage Nummer eins von Frau Gesundheitsministerin Krammer: Sie hat als Zuckerl, wie wir alle wissen, für die Länder, damit diese ihren Gesetzen zustimmen, die Rufbereitschaft eingeführt; die Rufbereitschaft, die von allen Gesundheitsberufen dezidiert abgelehnt wurde. Und dann ist der Herr Minister, der an sich ein gutes Gesetz gemacht hätte, von den Koalitionspartnern, von den Ländern in die Knie gezwungen worden, und zwar gerade von jenen Ländern, die dieses Gesetz am notwendigsten gebraucht hätten, zum Beispiel von meinem Bundesland Oberösterreich. (Abg. Dr. Leiner: Die haben alle dafür gestimmt!) Mein Bundesland hat nämlich pro 100 Betten nur 17 Ärzte, in Wien sind es 34 Ärzte pro 100 Betten. Dort braucht man Ärzte, gerade dort wäre die ursprüngliche Fassung des Arbeitszeitgesetzes wirklich ein Gewinn gewesen.

Die gesetzliche Regelung ist nach wie vor unklar. In der Ausschußfeststellung steht ja, daß die Rufbereitschaft nicht Arbeitszeit ist. Verwiesen wird auf OGH-Urteile. Ich zitiere Ihnen jetzt das OGH-Urteil, auf das verwiesen wird; ich habe es mir natürlich angesehen, weil ich wissen wollte, worum es geht.

Da heißt es: Nach ständiger Judikatur und Lehre handelt es sich beim Bereitschaftsdienst in Form der Rufbereitschaft, bei der der Dienstnehmer nicht an der Arbeitsstätte selbst oder in deren unmittelbaren Nähe anwesend zu sein hat, sondern seinen jeweiligen Aufenthaltsort wählen kann, so wie er will, und den Dienstgeber nur davon unterrichten muß, wo er erreichbar ist, nicht um eine Arbeitsleistung selbst, sondern um eine andere Leistung, die der Dienstnehmer nicht schon aufgrund der ihn betreffenden allgemeinen Treuepflicht zu erbringen hat, sondern die ausdrücklich vereinbart werden muß.

Das bedeutet, er kann dort sein, wo er will. Aber so ist es ja nicht bei der ärztlichen Rufbereitschaft! Bei der ärztlichen Rufbereitschaft muß der Arzt in absehbarer Zeit da sein, sonst ist es ja sinnlos. Der Arzt kann nicht seinen Aufenthaltsort, wie Frau Kollegin Pittermann gesagt hat, wenn er in Wien arbeitet, in Linz oder am Attersee wählen, sondern er muß da sein. Und wenn er Arbeitszeit hat, wenn er drei Stunden zum Beispiel anwesend ist, wird er ja sogar gleich entlohnt, als müßte er einen Anwesenheitsdienst insgesamt machen. Also auch das ist Arbeitszeit und nicht Rufbereitschaft!

Der Streitpunkt ist die Fahrzeit. Was machen wir denn mit der Fahrzeit? Ist das Arbeitszeit oder nicht? – Sie wissen auch, daß diese Regelung nicht mit den EU-Richtlinien übereinstimmt, die nur eine Ruhezeit und eine Arbeitszeit kennen, aber keine Rufbereitschaft.

Nächster Punkt: Arbeitnehmerschutz. Ich mit meiner naiven politischen Auffassung habe mir gedacht, daß Sie (in Richtung SPÖ) die Fraktion sind, die sich wirklich mit Arbeitnehmerschutz befaßt und sich wirklich darum kümmert. (Abg. Mag. Guggenberger: Das ist nicht naiv, sondern das ist richtig!) Aber mit diesem Punkt der Ausnahmeregeln, Herr Magister, daß nämlich durch Betriebsvereinbarungen oder im Einvernehmen mit der Personalvertretung vom ohnehin schon aufgeweichten Arbeitszeitgesetz vorübergehend Ausnahmen gemacht werden können, wenn die Wahrung der Interessen von Patienten oder die Aufrechterhaltung des Krankenanstaltenbetriebs diese notwendig machen, haben Sie das Gegenteil bewiesen.

Dieser Punkt ist ja sehr weit gefaßt, denn der Dienstgeber kann immer argumentieren: Die Wahrung der Interessen von Patienten, die Aufrechterhaltung des Krankenanstaltenbetriebs machen dies notwendig. Und der Dienstnehmer, zum Beispiel der kleine Turnusarzt, wird "sicher nicht", wenn schon zehn andere auf den gleichen Platz warten wie er, in die Betriebsvereinbarung einwilligen, der wird sagen: Nein, ich nicht! Ich stelle meinen Arbeitsplatz gerne den neun anderen, die darauf warten, zur Verfügung.

Es ist dies für mich wirklich kein gesetzlich definierter Arbeitsschutz! (Beifall bei den Freiheitlichen und der Abg. Dr. Gredler. )


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Herr Magister! Wissen Sie, was Sie am 14. November in einer Presseaussendung gesagt haben? Wissen Sie das noch? (Abg. Mag. Guggenberger: Das weiß ich schon!) Sie haben gesagt – ich darf es aber auch den anderen Kollegen mitteilen; ich zitiere –: SPÖ-Gesundheitssprecher Walter Guggenberger unterstützt Hums. (Abg. Mag. Guggenberger: Natürlich unterstützt er ihn!) Von seinem Entwurf – und das, Herr Minister, war der ursprüngliche Entwurf, also nicht die Zweitfassung – dürfe nichts zurückgenommen werden. (Abg. Mag. Guggenberger: Es ist auch in der Substanz nichts zurückgenommen worden!) – Hören Sie mir zu, das kann man noch besser argumentieren! – Es handle sich um einen Mindestschutz für Ärzte und Gesundheitspersonal. (Abg. Dr. Pumberger: Umfaller!)

Also: Wenn das der Mindestschutz war, was ist dann das jetzige? – Der Mindestmindestmindestschutz oder gar kein Schutz mehr? Was ist er, wenn das schon der Mindestschutz war?

Wer diesen Mindestschutz nicht ermögliche, gefährde letztlich auch die bestmögliche Betreuung der Patienten.

Herr Magister! Man kann nicht am 14. November eine Presseaussendung machen und sagen, das sei der Mindestschutz, und dann das Gesetz ändern, wodurch der Schutz verschlechtert wird (Abg. Mag. Guggenberger: Es hat sich in der Substanz nichts verschlechtert, Frau Kollegin! Das ist Ihnen doch erklärt worden!) , und hier sagen, das sei staatstragend, das sei ein essentielles Gesetz. – Sie haben sich nicht durchgesetzt! Tut mir leid! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Umgefallen ist er! – Abg. Mag. Guggenberger: Es hat sich in der Substanz nichts geändert! – Sie wollen das nicht verstehen!) Das kann man mir nicht erklären, weil es nicht so ist. – Es tut mir leid, aber Sie sind umgefallen! (Abg. Mag. Guggenberger: Die Ärztekammer ist einverstanden! Sie sind die einzige!)

Herr Minister! Sie und Ihre Arbeitskollegin Ministerin Krammer haben jetzt leider dieses Gesetz geschaffen. Die Rufbereitschaft und das Arbeitszeitgesetz sind nicht trennbar, sie sind in der Praxis für einen, der in einem Gesundheitsberuf arbeitet, nicht trennbar. Und auch Sie müssen zugeben, daß das eine in das andere greift. Es ist dies ein Gesetz, das meiner Meinung nach jetzt in dieser Ausprägung leider arbeitnehmerfeindlich ist, das eine Minimierung jener Arbeitsplätze bewirkt, die für die jetzt hereinströmenden Ärzte zur Verfügung gestanden wären, und das auch patientenfeindlich und -gefährdend ist.

Sie haben dem politischen Druck des Koalitionspartners und der Länder nachgegeben, die aus rein finanziellen, ökonomischen Gesichtspunkten gehandelt haben – auf Kosten der Patienten, auf Kosten des Berufsstandes, auf Kosten jener, die, wenn sie krank sind, einen Arzt brauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie, die Sie dieses Gesetz beschlossen haben und beschließen werden, müssen die Verantwortung dafür tragen. Und – es tut mir leid, das sagen zu müssen – ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. (Abg. Haigermoser: Guggenberger, das habe ich nicht von dir geglaubt, daß du so umfällst!)

13.35

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Hohes Haus! Frau Primaria! Sie stecken eh nicht in unserer Haut, und wir fühlen uns wohl (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und des Abg. Mag. Guggenberger ), denn wir haben heute ein Gesetz zu beschließen, von dem wir überzeugt sind, daß es einen wichtigen Schritt in der Krankenhaus- und Beschäftigungspolitik darstellt.

Herr Bundesminister! Ich darf sagen: Sie haben sich nicht über den Tisch ziehen lassen, sondern Sie waren ein hervorragender Krisenmanager, gemeinsam mit unserem Dr. Gottfried Feurstein, und haben in einer sehr komplizierten Materie eine exzellente Gesetzesvorlage ausver


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handelt. Das soll anerkannt werden, und ich möchte sagen: Es ist das großartig! (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Mag. Guggenberger. – Abg. Haigermoser: Ich glaube, du brauchst einen Arzt! Donabauer braucht dringend einen Arzt!)

Meine Damen und Herren! Es gab hier eine allgemeine Bejammerei der Ärzte. Aber im Bericht des Ausschusses steht – auch in der Regierungsvorlage –, daß dieses Arbeitszeitgesetz für Angehörige von Gesundheitsberufen in Kranken- und Pflegeanstalten und ähnlichen Einrichtungen gilt. Es geht also nicht nur um die Ärzte, sondern auch um alle anderen, die dort arbeiten. Herr Dr. Pumberger! Warum bedeutet Ihnen die Pflegeschwester nichts? Warum bedeutet Ihnen der Pflegedienstleiter nichts? – Das sind ja auch Leute, die dort arbeiten und großartige Dienste für uns verrichten!

Ich denke seit geraumer Zeit etwas anders, nämlich seit ich einmal um 1.30 Uhr nachts heimfuhr und einen schweren Verkehrsunfall auf der Autobahn mitansehen und dann erkennen mußte, was Menschen nach Mitternacht anrichten (Abg. Dr. Pumberger: ... Geisterfahrer!) – ich bin kein Geisterfahrer, Herr Dr. Pumberger, nein, bitte, laß diese Unterstellung! – und was Ärzte dann in höchster Anspannung leisten müssen. – Die Ärzte verdienen sich mehr, als hier nur bejammert und besudelt zu werden.

Meine Damen und Herren! Es geht erstens darum, daß dieses Gesetz ein Gesetz für die Arbeitnehmer in diesen Häusern und ein Gesetz zum Wohle der Patienten ist.

Zweitens geht es darum, daß der Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Anstalten endlich beseitigt wird, daß die gleichen Rechte gelten! (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens geht es darum, daß hier der Passus der freien Betriebsvereinbarung enthalten ist. Das bedeutet, die Dienstnehmer können mitbestimmen.

Herr Dr. Pumberger! All das ist nachzulesen. Wenn Sie dafür keine Zeit haben, dann hören Sie mir zu. All das ist positiv! Und wenn Sie jetzt behaupten, daß das mit den Interessen der Länder verquickt wurde, muß ich Ihnen sagen: Sie sind ja auch die Spitalserhalter, sind die, die zahlen müssen. Daher haben sie ja wohl auch das Recht, daß sie ihre Interessen einbringen! – Das ist meine persönliche Meinung. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben heute hier mehrmals über die Rufbereitschaft gejammert. Ich darf Ihnen daher sagen: Ich lese da überhaupt nichts von Rufbereitschaft. Die Rufbereitschaft ist eine andere Materie. Das einzige, das hier steht, ist, daß Rufbereitschaft nicht als Arbeitszeit gewertet wird! (Zwischenruf der Abg. Motter. ) Wir reden über das Gesetz, Frau Kollegin!

Das sind die wesentlichen Dinge, und ich meine, daß wir sie aufzeigen sollen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Hören Sie mir zu!

Politisieren besteht nicht nur aus polemisieren. Das haben Sie ja schon gemacht, als Sie den Fall des Herrn Primarius Dr. Poigenfürst hier umfassend bejammert haben. Jetzt haben wir eine klare Vorgabe, daß solche Dinge nicht mehr passieren und daß es solche Entwicklungen nicht mehr gibt.

Ich persönlich bin überzeugt davon, daß es sich um ein gutes Gesetz handelt, das vielleicht im Laufe der Zeit noch ausgebaut, den Erfordernissen angepaßt werden könnte. Und weil es ein gutes Gesetz ist, ein Schlußpunkt nach einer schwierigen Verhandlungsrunde über eine ungemein konfliktträchtige Problematik, verdient es unsere Zustimmung. Wir geben sie gerne – im Interesse der Ärzte und zum Wohle der Patienten sowie der Bürger unseres Landes Österreich! (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Wallner. – Abg. Dr. Pumberger: Das war schwach, Donabauer!)


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13.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.40

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Donabauer! Wir haben bei der letzten Sitzung ein Gesetz vertagen müssen – es betraf die Rufbereitschaft –, damit wir dieses Gesetz jetzt beschließen können, damit das andere wieder Wirksamkeit haben kann. Also tun Sie nicht so, als würden diese zwei Dinge nicht zusammengehören. Sie gehören zusammen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Ich glaube, daß die Diskussionen um das Burn-out-Syndrom der Ärzte nicht nur dazu geführt haben, daß sich die Ärzte um den Kollegen Poigenfürst aufgeregt haben, sondern auch dazu, daß dies vom Parlament aufgegriffen worden ist, zugegebenermaßen von der freiheitlichen Fraktion. Aber ich glaube, daß die gesamte Ärzteschaft dies damals zum Anlaß genommen hat, sich darüber aufzuregen, daß es einen Unterschied in der Behandlung gibt zwischen jenen Ärzten, die in öffentlichen Krankenhäusern angestellt sind, und jenen Ärzten, die in Privatkrankenanstalten fungieren.

Daher war es höchst an der Zeit, daß wir uns in Österreich diesbezüglich einiges überlegten. Die EU ist uns insofern zuvorgekommen, und wir müssen nun Anpassungen durchführen. Nur, welche Anpassungen sind das wirklich? Da gebe ich Kollegen Öllinger, der zurzeit nicht da ist, recht: Ärzte oder medizinisches Personal sind anscheinend immer anders behandelt worden. Es gab das Nachtarbeitsverbot für Frauen, aber natürlich galt das nicht für das Spitalspersonal. Die Stationsgehilfinnen, die Krankenschwestern, die OP-Schwestern, die Intensivschwestern, die Ärztinnen sind natürlich ausgenommen worden, weil sonst das System zusammengebrochen wäre. In diesem Fall war nicht das Geschlecht ausschlaggebend, sondern im Vordergrund stand das, was die Gesellschaft benötigt hat.

Und jetzt führt man wieder eine andere Sicht ein und zieht andere Kriterien bei den Ärzten heran als jene, die für andere Leute in dieser Republik gelten. Hier sprechen wir von 48 Stunden pro Woche, sonst sprechen wir von 40 Stunden pro Woche, die eigentlich auf 38 beziehungsweise 36 Stunden pro Woche reduziert werden sollten. Es ist interessant, daß die Ärzte und das übrige medizinische Personal hier sehr wohl ausgenommen werden sollten.

Also ich glaube nicht, daß man von einem Fortschritt sprechen könnte.

Ich meine, der erste Schritt muß sein, daß man sich die Einkommenspyramide in den Krankenhäusern anschaut, denn da gibt es keine Stimmigkeit. Die einzige Möglichkeit, die Leute zu motivieren, in der Nacht zu arbeiten, ist nun einmal die Remuneration der zusätzlichen Dienste, die sie abzuleisten haben. Das ist einmal in Ordnung zu bringen.

Zweitens ist es notwendig, jene Regelungen in diesem Bereich einzuführen, die für alle anderen in Österreich auch gelten, damit wir auch irgendwann einmal die 40 Stunden-Woche erreichen.

Wir haben anscheinend zuwenig Ärzte, die diese Dienste durchführen können. Jetzt hat man sich einfallen lassen, daß Turnusärzte sehr wohl das eine oder andere übernehmen sollten. – Kollege Leiner ist jetzt anscheinend auch beim Mittagessen, also dürfte es für die Kollegen von der ÖVP doch nicht so wichtig sein, zu hören, was die Opposition dazu zu sagen hat. Ich hätte ihn nur gerne gefragt, ob er sich als Internist in der Lage fühlt, wenn er in einem Krankenhaus zu einem Nabelschnurvorfall gerufen wird, eine Not-Sectio durchzuführen. Denn das Kind ist innerhalb von drei Minuten hirngeschädigt und innerhalb von fünf bis sieben Minuten tot. Also wenn er sich das zutraut, dann Hut ab! Ich würde mir das nicht zutrauen, obwohl ich, so glaube ich, mehr Erfahrung in manchen Bereichen habe als er, zumindest in der Gynäkologie.

Was ich absolut nicht verstehen kann, ist das, was man sich bezüglich der Gestaltung der Freizeit der Ärzte herausnimmt. Also erstens einmal sind sie rufbereit und müssen – es ist zwar noch nicht geregelt, lautet aber so ungefähr – innerhalb von 15 Minuten im Spital sein. Das bedeutet für manche Ärzte, daß sie voll angezogen im Auto bei laufendem Motor sitzen müssen, weil sich das sonst nicht ausgeht. Wenn ich im Ärztehaus daneben wohne, geht sich das selbstverständlich aus. Also das ist einmal die erste Schwierigkeit.


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Eines kann ich nicht verstehen: Im 15a-Vertrag betreffend die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenhausfinanzierung sind im Artikel 22 die Landeskommissionen vorgesehen. Da steht: Die Landeskommissionen sollen die Eindämmung der Nebenbeschäftigungen von in Krankenanstalten beschäftigten Ärzten in Form einer Niederlassung in freier Praxis erwirken. – Na, das ist ja toll! Jetzt wird sogar geregelt, was der Arzt in der Freizeit zu tun hat, er darf sich auch nicht mehr niederlassen, wie er will. Kompliment an diejenigen, die das geschaffen haben! Also nicht nur, daß man die Rufbereitschaft so regelt, daß der Arzt auch in seiner Freizeit im Dienst ist, er wird nur nicht dafür bezahlt, nein, ein Arzt darf sich auch nicht in der freien Praxis niederlassen, wenn er in einem Krankenhaus angestellt ist. Also das geht wirklich zu weit! Es ist unglaublich, welche Regelungswut man da entwickelt!

Ich würde mir den freien Kassenzugang für alle Ärzte wünschen. Das würde eine Verbesserung der Qualität bringen, das würde mehr Konkurrenz bringen, das heißt, das würde auch für den Patienten mehr Zuwendung vom Arzt bringen.

Ich glaube, daß das eine sinnvolle Regelung ist, aber ich glaube nicht, daß man über Regelungen von Freizeit, über Verbote eine Verbesserung des Gesundheitssystems erwirken kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Rasinger! Sie werden mir dann sagen, ob Sie damit einverstanden sind, daß Ärzten, die im Krankenhaus angestellt sind, eine freie Niederlassung nicht gewährt wird. Ich glaube, daß das absolut nicht in Ihrem persönlichen Interesse sein kann – und auch nicht im Interesse der Patienten, die Sie in der freien Niederlassung betreuen.

Ich halte das deswegen für einen Humbug, weil ich gerne von jenem Mann oder von jener Frau nach einer Operation in der freien Praxis betreut werden möchte, der in mir "herumgewühlt" hat. Ich glaube, daß man das dem Patienten zugestehen sollte, und deswegen sehe ich nicht ein, warum dies in einer §-15a-Vereinbarung geregelt werden sollte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

13.47

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Krankenschwester, die im Spital eines privaten Rechtsträgers mit Engagement und mit großem persönlichem Einsatz die Patientinnen und Patienten pflegt, ist als Arbeitnehmerin durch das Arbeitszeitgesetz geschützt. Wenn diese Krankenschwester ihre Arbeit, die gerade für die Beschäftigten in den Gesundheitsberufen oft nicht Beruf, sondern Berufung ist, als öffentlich Bedienstete verrichtet, hat sie als Arbeitnehmerin diesen arbeitszeitgesetzlichen Schutz nicht.

Ich möchte hier schon betonen – weil mir vorkommt, daß diese Diskussion ein bißchen sehr einseitig nur eine Gruppe der Gesundheitsberufe, nämlich die, die in der Hierarchie an der obersten Stelle sind, hervorhebt –, daß wir mit dem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz nicht nur für Ärzte, sondern auch für die große Gruppe der Angehörigen der Gesundheitsberufe ein einheitliches und zugleich praktikables Arbeitszeitrecht schaffen.

Es ist nicht nur die EU-Richtlinie, die eine Anpassung erfordert, sondern es sind gerade die jahrelangen Bemühungen der Vertreterinnen und Vertreter der "Fachgruppe Gesundheitsberufe im ÖGB", die durch beharrliche Vorarbeiten einen wesentlichen Beitrag zu dieser wichtigen Arbeitnehmerschutzbestimmung geleistet haben.

Kollege Öllinger formuliert ja selbst in seiner abweichenden Stellungnahme, daß es nicht erst seit diesen zwei Jahren, sondern bereits seit Beginn der neunziger Jahre Bemühungen gibt, die Arbeitszeit in den Spitälern zu humanisieren und menschenwürdige Arbeitsbedingungen auch für diese Berufsgruppe zu schaffen.

Das ist richtig. Er verschweigt allerdings, daß das vor allem die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter und die SPÖ gemacht haben.


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Wer nun mit der Ausrede des nicht akzeptablen Kompromisses dieses Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz ablehnt, verhindert nicht nur die Schaffung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen für eine Berufsgruppe, die wahrlich eine verantwortungsvolle Aufgabe zum Wohle der Patientinnen und Patienten erfüllt, sondern es scheint auch, daß das Patientenwohl für diese Personen nur dann im Vordergrund steht, wenn man sich mit politischen Krokodilstränen einen Vorteil herausschlagen kann.

Wenn Kollege Öllinger den Mangel an Krankenschwestern beklagt hat, dann weiß er ganz genau, daß viele Krankenschwestern, vor allem wenn sie Familie haben, deshalb aus ihrem Beruf ausscheiden, weil gerade aufgrund fehlender arbeitszeitrechtlicher Regelungen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für diese Berufsgruppe kaum möglich ist.

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen die Arbeitnehmerinnen und deren Arbeitsbedingungen im Vordergrund unserer Interessen, und zwar nicht nur zum Vorteil der Beschäftigten, sondern letztendlich auch zum Wohle der Patientinnen und Patienten.

Deshalb, Herr Bundesminister, ist es mir ein persönliches Anliegen, Ihnen für Ihren Einsatz, daß wir zu diesen Regelungen kommen, zu danken. Und ich denke, es werden Ihnen die Kolleginnen und Kollegen in den Gesundheitsberufen ebenso danken. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne ersuche ich jene, die momentan noch glauben, diesen Regelungen nicht zustimmen zu können, ihre Position zu überdenken und diesem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.50

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fassung des Arbeitszeitgesetzes in der ersten Phase, die halbwegs noch EU-konform war, hätten wir – zwar mit Bauchweh, aber doch – zustimmen können. Was jetzt daraus gemacht worden ist, ist einfach unerträglich und kann in keinem Sinne für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenanstalten gutgeheißen werden.

Herr Minister! In ganz, ganz wenigen Arbeitsbereichen ist es verantwortbar beziehungsweise überhaupt machbar, mehr als 40 Stunden zu arbeiten. Im Krankenhausbereich, wo es um die Gesundheit von Menschen geht, wo es um kranke Menschen geht, die ein Recht darauf haben, gut behandelt zu werden, um wieder gesund zu werden, mutet man den Menschen zu, daß sie mit übermüdeten Ärzten konfrontiert sind, mutet man den Menschen zu, daß sie mit einem Pflegepersonal konfrontiert sind, das ihre Arbeit nicht mehr so machen kann, wie es das gerne wollte, weil es einfach nicht machbar ist, über einen Zeitraum von 10 bis 15 Stunden pro Tag die volle Leistung zu erbringen. Das geht ganz einfach nicht.

Es ist unverantwortlich, wenn man den Patienten zumutet, daß sie sich von Personal, das weit über seine Grenzen hinaus arbeiten muß, betreuen und pflegen lassen müssen. Dieses Personal kann die ihm auferlegte Verantwortung nicht mehr länger tragen.

Herr Minister! Ich kann einen guten Vergleich bringen. Ich glaube, niemand von uns, der hier sitzt, würde einem Autobuschauffeur, der auch dafür verantwortlich ist, daß er seine Fahrgäste gut und sicher befördert, zumuten, 60 Stunden durchzufahren. Denn dadurch würde nicht nur er, sondern würden auch jene Personen, die im Bus sitzen, in einem erheblichen Ausmaß gefährdet, und die Sicherheit wäre nicht mehr gewährleistet. – Im Krankenhausbereich ist es genauso. Es ist nicht machbar, so lange intensiv zu arbeiten und die Garantie zu haben, daß das Personal das leisten kann.

Es ist schon sehr löblich, Herr Minister, daß Sie die Kompetenz nicht aus der Hand gegeben haben und die Arbeitszeitregelungen nicht Ländersache werden. Wir wissen, was die Länder


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daraus gemacht hätten und daß es neun verschiedene Regelungen in neun verschiedenen Bundesländern gegeben hätte.

Ich bezweifle aber, daß dieses Gesetz, das zwar eine Grundlage, einen Rahmen für eine neue Arbeitszeitregelung bietet, nicht auch dazu dient, daß die Länder trotzdem machen können und auch machen werden, was sie wollen. Sie haben es bereits vorgezeigt, wie es geht, damit sie machen können, was sie wollen, nämlich dadurch, daß sie den halbwegs EU-konformen Entwurf nicht nur in Frage gestellt, sondern Sie so weit gebracht haben, Herr Minister, daß Sie diesen Entwurf zurückgenommen, sich an den Ländern orientiert und die Länderwünsche im Grunde genommen 1:1 erfüllt haben.

Herr Minister! Es liegt in Ihrer Verantwortung, daß heute dieses Gesetz, so wie es jetzt mit den Abänderungsanträgen von SPÖ und ÖVP ausschauen soll, nicht beschlossen wird, denn es widerspricht ganz einfach den Richtlinien der EU, und es widerspricht jeder Zumutbarkeit für Ärzte und Pflegepersonal in Krankenanstalten.

Herr Minister! In den Unterlagen des Ausschußberichtes steht, daß es durch Betriebsvereinbarungen oder Vereinbarungen mit Einzelpersonen möglich ist, über die neuen Arbeitszeiten hinaus, die ja ohnehin noch viel zu lang sind, zu arbeiten. Und dann steht dabei: Aber es muß sichergestellt werden, daß es trotzdem noch zum Wohle der Patienten ist.

Herr Minister! Da stimmt irgend etwas nicht! Wir alle wissen – und die Ärzte haben es in vielen Dokumentationen bereits niedergeschrieben –: Es ist nicht im Interesse der Patienten und keinesfalls zu deren Wohle, wenn Ärzte über die normale Arbeitszeit hinaus arbeiten müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Bei dem, was hier im § 8 gefordert wird, geht es nicht um das Wohl, sondern um das Risiko. Es müßte, wenn man fair wäre, in diesem Absatz drinstehen: soweit es das Maximum an Risiko für die Patienten noch zuläßt. Ich glaube, mit diesem Wort wäre für alle klar, daß es nicht um das Wohl geht, sondern wirklich um die Maximierung des Risikos für den einzelnen Patienten im Krankenhaus. Und ich glaube, eine ordentliche Gesundheitspolitik, eine gute Sozialpolitik darf nicht mehr darauf aufbauen, daß man sagt: Wir übernehmen das Maximum an Risiko!, sondern es ist unsere Verantwortung, das Risiko zu minimieren und im Sinne der Patienten in diesem Fall zu arbeiten und Gesetze zu erlassen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Es ist für mich wirklich unerklärlich, was Sie dazu bewogen hat, so viel Kompetenz, die Sie haben, an die Länder abzugeben. Es ist für mich auch unerklärlich, warum Sie nicht bereit sind, im Interesse der Ärzteschaft, im Interesse des Pflegepersonals zu handeln, wo Sie doch immer sagen, daß Österreich eines jener Länder ist, in dem hohe Ansprüche an den Sozialstaat erfüllt werden. In diesem Fall geht es um einen Teil des Gesundheitswesens und um eine Arbeitnehmerregelung. Aber da stellen Sie anscheinend diesen Anspruch nicht mehr.

Herr Minister! Sie haben es verabsäumt, den Ländern klarzumachen, daß sie hier die Verantwortung tragen. Und weil sie hier die Verantwortung tragen, müßte es auch klar sein, daß sie diese Verantwortung, wenn sie sie ernst nehmen, nur dann in der Praxis einlösen können, wenn es zu vernünftigen Regelungen kommt, die für alle im Krankenhaus tätigen Personen sicherstellen, daß sie unter akzeptablen Bedingungen arbeiten können. Dieser Neuentwurf stellt das nicht mehr klar.

Mit diesem neuen Entwurf, Herr Minister, haben Sie sich in die Verlegenheit gebracht, daß Sie den Ländern Zugeständnisse dahin gehend gemacht haben, daß es zu neuen Regelungen kommen wird, die zwar in einzelnen Bereichen ein bißchen besser sind als das, was bisher an Arbeitszeitregelungen beziehungsweise Nichtarbeitszeitregelungen in Österreichs Krankenanstalten gegolten hat, aber mit denen nicht sichergestellt ist, daß die Qualität im Pflegebereich, daß die Qualität im Ärztebereich, die Bedingungen für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit und verantwortungsvollen Behandlung von Patienten und von alten Menschen so gewährleistet werden können, daß niemand mehr, wenn er ins Krankenhaus kommt, Angst zu haben braucht, daß er dort auf einen Arzt trifft, der bereits durchgehend 50, 55 Stunden lang gearbeitet hat und es jetzt auch noch schaffen muß, die richtige Diagnose für den neuen Patienten zu stellen und


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entsprechend zu handeln. Die Folgeschäden werden sich nicht minimieren, sondern wie bisher wachsen und unser Gesundheitssystem weiter belasten.

Herr Minister! Das wird die Fluktuation im Krankenhausbereich nicht reduzieren, sondern im Gegenteil maximieren. Sie werden mit dieser Gesetzeslage erreichen, daß niemand mehr im Krankenbereich tätig sein möchte, weil unter diesen Bedingungen die Aufgaben nicht erfüllt werden können. Ein verantwortungsbewußter Mensch, der im Interesse der Patienten arbeiten will, wird sehr bald nicht mehr weiter wissen.

Das ist mit ein Grund dafür, daß sehr viele, die im Krankenbereich tätig sind, aussteigen und sagen: Unter diesen Bedingungen kann ich meine Arbeit nicht mehr leisten, unter diesen Bedingungen ist es mir nicht mehr möglich, das, was ich meinem Berufsstand schuldig bin, tatsächlich zu machen. – Ich glaube, Sie erweisen damit allen, die jetzt im Krankenbereich tätig sind, keinen guten Dienst. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Sie machen es außerdem jenen, die beabsichtigen, in diesem Bereich tätig zu werden, noch viel, viel schwerer, einen derartigen Beruf auszuüben, weil die Risken, die sie schon beim Berufseintritt erwarten, so hoch sind, daß es viele nicht mehr verantworten werden können.

Herr Minister! Wir wären bereit, den ersten Entwurf, der halbwegs den EU-Richtlinien entsprochen hat, mitzutragen. Aber das, was daraus gemacht wurde, können wir nicht gutheißen, da können wir nicht mit. Es tut uns leid, daß es so ist, denn wir wollten eine Verbesserung für alle, die im Krankenbereich arbeiten, erreichen. Leider haben SPÖ und ÖVP verhindert, das sicherzustellen. Wir bedauern das sehr. (Beifall bei den Grünen.)

14.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

14.04

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Gredler hat behauptet, das Gesetz sei nicht gut, und ihre Kollegin hat gemeint, es werde damit ein weiteres Kapitel in der unsäglichen Geschichte der österreichischen Gesundheitspolitik eröffnet. – Ich aber sage Ihnen, es wurde ein sehr langwieriges, schwieriges Kapitel der österreichischen Gesundheitspolitik positiv abgeschlossen, und der "Oberschließer" dieses Kapitels ist allen voran Herr Minister Hums, dem ich dafür ausdrücklich danken möchte. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Guggenberger: Frau Dr. Povysil! Hören Sie zu, Sie können etwas lernen!)

Es ist ihm in äußerst schwierigen Verhandlungen gelungen, einen realistischen Kompromiß zustande zu bringen, der den Kern des Gesetzes überhaupt nicht verletzt. Außerdem ist es ein Musterbeispiel eines Gesetzes, das laufend mit den Betroffenen gemeinsam verhandelt wurde. Es wurde also nicht "drübergefahren" und an Betroffenen vorbei verhandelt. Mein Dank geht aber auch an meinen Fraktionskollegen Dr. Feurstein, der dabei wirklich sehr wertvolle Hilfe geleistet hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist heute in der Diskussion überhaupt noch nicht erwähnt worden, daß dieses Gesetz nicht nur im Krankenhausbereich neue Standards setzt – 110 Stunden Dienstzeit und 15 Nachtdienste pro Monat werden der Vergangenheit angehören –, sondern auch ein Frauenschutzgesetz ist, das muß ich als Mann einmal deutlich sagen.

Bedenken Sie, daß die Frauen in den Gesundheitsberufen die große Mehrheit ausmachen. Beim Krankenpflegepersonal ist das schon lange der Fall, aber auch praktisch die Hälfte der Jungärzte sind heute schon Frauen. Ich meine, daß es, da wir immer von Förderung der Familie reden, ein Signal ist, wenn man sagt, daß durchschnittlich 60 Stunden im Spital genug sind. Ich glaube, auch die Frauen im Spital, auch Ärztinnen und Krankenschwestern haben ein Recht auf Kinder und Kinderbetreuung. Auch in diesem Sinne ein Dank an den zuständigen Minister!


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Zweitens ist es sehr wichtig, daß man nicht auf die Kleinsten der Kleinen vergessen hat, nämlich auf die Turnusärzte. Die EU-Richtlinie hätte da immerhin Spielraum gelassen. Aber ich denke, es wäre fatal gewesen, wenn man aus Kostengründen gesagt hätte, wir nehmen die Kleinen von jeglichen Schutzbestimmungen aus. (Abg. Dr. Pumberger: Die ÖVP wollte keinen Arbeitnehmerschutz hineinnehmen!)

Dritter Punkt – gut aufpassen, Herr Abgeordneter Pumberger, du könntest da etwas lernen –: Dieses Gesetz beendet die Zweiklassenbehandlung von Mitarbeitern in Spitälern. Denken Sie etwa an die Steiermark: Da konnte in ein und derselben Abteilung ein Dienstnehmer, wenn er ein Holding-Mitarbeiter war, nach der 40-Stunden-Woche arbeiten, und alle 13 Stunden mußte gewechselt werden, während ein Landesbediensteter rund um die Uhr drei oder vier Tage lang durchgehend im Spital sein und 110 Stunden arbeiten mußte. Machen Sie einmal der Bevölkerung klar, daß das kein Unsinn ist. – Natürlich war es ein Unsinn, daher auch mein Dank dafür, daß dieser Unsinn abgeschafft wurde! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte in die gleiche Kerbe wie Abgeordneter Leiner schlagen, der das Problem mit dem Schlafen erwähnt hat, das da immer so subkutan kommt. Ich mache Sie aufmerksam, daß zum Beispiel die Anästhesie in erster Linie von Frauen ausgeübt wird und daß das ein sehr, sehr belastender Beruf ist. Im AKH haben voriges Jahr drei Kollegen und Kolleginnen Selbstmord begangen, weil der Beruf zu einer derartigen Überlastung geführt hat. (Abg. Dr. Pumberger: Weil ihr so ein schlechtes Arbeitszeitgesetz macht!)

Auch das müssen wir sagen: Es geht schlicht und einfach um Arbeitnehmerschutz, und Arbeitnehmerschutz im Spital ist zugleich Patientenschutz. Auch ich möchte nicht von einem übermüdeten Arzt betreut werden.

Last, but not least möchte ich sagen: Angesichts einer in unserer Gesellschaft üblichen 40-Stunden-Woche ist die 60-Stunden-Woche nur damit zu begründen, daß ohne Idealismus und Aufopferung im Spital auch weiterhin nichts gehen wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten wird angezeigt. (Abg. Mag. Guggenberger: 3 Minuten würden auch reichen, Herr Kollege!)

14.09

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß schon, daß das vorliegende Gesetz selbstverständlich kein Tierärztegesetz ist. Dieses Gesetz wurde aber nicht nur für die Ärzte und das Pflegepersonal geschaffen, sondern im Vordergrund stehen die Patienten, die Patientenbetreuung und die Patientensicherheit.

Insgesamt ist zu diesem Gesetz aus freiheitlicher Sicht festzustellen, daß wir die ursprüngliche Regierungsvorlage, die ausgesandt worden ist, unterstützt haben und nach wie vor unterstützen und in der getrennten Abstimmung den Paragraphen dieser ursprünglichen Regierungsvorlage auch die Zustimmung geben werden. Das, was von den Ländern hineinreklamiert worden ist, und das, was von den Ländern, die ÖVP-dominiert sind, bis zum Schluß versucht wurde, war aus freiheitlicher Sicht schon von Anfang an abzulehnen. Was mein Vorredner Kollege Rasinger hier gesagt hat, nämlich daß die Turnusärzte Gott sei Dank in die Regelung aufgenommen wurden, war zwar immer sein persönliches Bestreben, die ÖVP-Landesfürsten in Salzburg und Oberösterreich jedoch haben bis zum letzten Tag vehement versucht, das zu verhindern. Ich glaube, erst der Wille der gesamten Opposition, die ursprüngliche Regierungsvorlage nur unter Einbeziehung der Turnusärzte zu verabschieden, hat fünf Minuten vor zwölf doch noch auch für die Turnusärzte das rettende Ufer einer Arbeitszeitregelung ermöglicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich meine, da sollte man doch die Pferde im Stall lassen. Nicht die Österreichische Volkspartei und schon gar nicht die ÖVP Salzburg und Oberösterreich haben sich für die Patienten, für das


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Pflegepersonal und für die Rechte der in den Krankenhäusern angestellten Ärzte stark gemacht, sondern im Gegenteil: Gerade jene beiden Bundesländer haben sich als sehr schlechte Dienstgeber herausgestellt, die in ihrem eigenen Bereich unter dem Titel Föderalismus nicht bereit sind, zeitgerechte, zeitkonforme und zukunftsweisende Arbeitszeitregelungen einzuführen, wie in dieser Republik im Rahmen der freien Wirtschaft und deren Mitarbeiter üblich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Unterschied ist nunmehr gemildert. Daß aber diese Regierungsvorlage über das hinausgeht, was die EU-Richtlinie zur Regelung der Arbeitszeit als Mindeststandard festschreibt, ist unbestrittene Tatsache. Erst im Jahr 2004 oder 2005 werden wir soweit sein, wie es die EU-Richtlinie in den wichtigsten Punkten festsetzt. Umzusetzen gehabt hätten wir sie – das soll auch noch einmal in Erinnerung gerufen werden – im November 1996, also vor knapp drei Wochen, und nicht im Jahr 2005. – Also so gut und so fortschrittlich ist dieses Gesetz nicht!

Ich gebe dir schon recht, lieber Kollege Rasinger, daß die 100 Stunden Dienstzeit und die 15 Nachtdienste pro Monat Vergangenheit sein werden. Aber aufgrund des Ärzteausbildungsgesetzes und der jetzigen Regelung der Übergangsfristen wird es für Turnusärzte noch zwei Jahre lang 12 entsprechend verlängerte Dienste pro Monat geben. Es wird auch noch immer die Möglichkeit geben, bei Notfällen – da sehe ich es ein –, aber auch bei sonstigen Engpässen die Höchstzeitregelungen mit Zustimmung der Beschäftigten zu überschreiten.

Eines weiß nämlich jeder in dieser Republik: Jene, die in Ausbildung stehen, und jene, die in Regionen wohnen, wo Arbeitslosigkeit herrscht, werden nicht die Wahl haben, diese Überschreitungen der Höchstzeitregelungen abzulehnen, wenn sie nicht – mit einem gewissen Abstand von drei oder vier Monaten, den der Dienstgeber einhält, um dem Gesetz Genüge zu tun und nicht den direkten Zusammenhang erkennen zu lassen – auf der Straße stehen und sich einen anderen Job suchen wollen.

Uns Freiheitlichen war immer bewußt, daß sowohl bei den Krankenpflegeberufen als auch bei den Ärztinnen und Ärzten die Ausstiegsquote wegen des enormen physischen und psychischen Drucks, den diese Berufe auslösen, extrem hoch ist, viel höher als in den meisten anderen Berufsgruppen. Wir wissen auch, daß Nikotin-Abusus, Alkohol-Abusus, psychische Krisen in diesen Berufen sehr weit verbreitet sind. Dieses Gesetz ist möglicherweise der erste Schritt dazu, allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Bereich, von der Putzfrau über den Portier bis hin zum Arzt am Krankenbett, in entsprechender Form Erleichterung zu bringen. Aber es ist, Herr Bundesminister, darüber sind wir uns sicherlich einig, noch nicht das Gelbe vom Ei. In den nächsten sechs Jahren wird es immer noch zu einer Unterschreitung der EU-Richtlinie zu Lasten der Arbeitnehmer – um das klar und deutlich zu sagen – und zu keiner Besserstellung kommen.

Ich glaube daher, daß die Haltung der Freiheitlichen in dieser Angelegenheit eine konsequente war, nämlich die Patienten und das Pflegepersonal wie auch die Ärzte gleichermaßen zu vertreten. Wir sind keinen Millimeter von unseren Forderungen abgegangen. Wir werden heute dem, was wir zu Beginn dieser Diskussion unterstützt haben, unsere Zustimmung geben; aber das, was an Verschlechterungen in den letzten Wochen und Monaten hinzugekommen ist, werden wir ablehnen. Wir werden es deshalb konsequent ablehnen, weil wir meinen, daß die österreichischen Sozialversicherungsbeitrags- und Steuerzahler das Recht haben, im Krankheitsfall von zu ordnungsgemäßen Bedingungen beschäftigtem Pflegepersonal, von ordnungsgemäß trainierten und auch in Fortbildung geschulten Ärzten, die ihren Beruf im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten ausüben, betreut zu werden, aber nicht von Leuten, die irgendwann spät nachts mit dem Auto zur Arbeitsstätte rasen und mit einem Fall betraut werden, der unter Umständen noch zu retten gewesen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich lehne im übrigen gemeinsam mit meiner Fraktion die beiden Ausschußerklärungen ab, weil ich glaube, daß sie nicht hilfreich sind. Die Evaluierung der überlangen Dienste kommt aus unserer Sicht drei Jahre zu spät. Erst im Jahr 2000 wird der Finanzrahmen für die derzeitige gesetzliche Lage abgeschlossen sein, und erst drei Jahre danach wird zu sehen sein, wie sich das auswirkt. Das halten wir schlicht und einfach für drei Jahre zu spät. Wenn Sie gesagt hätten,


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Sie werden das spätestens im Jahr 2000 machen, dann hätten wir wenigstens dieser Ausschußerklärung die Zustimmung geben können. Aber drei Jahre im nachhinein, nach dem Jahr 2004, Herr Bundesminister, das ist für einen gelernten Österreicher wie mich zu spät. Die nächsten Verschlechterungen in diesem System werden sicher dann kommen, wenn die jetzigen Regelungen für die Finanzierung im Jahr 2001 auslaufen werden. Daher hätten wir uns die Evaluierung zu diesem Zeitpunkt gewünscht, aber nicht erst sieben Jahre später. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort wird vom Berichterstatter nicht gewünscht.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen. Ich bitte auch die Mitarbeiter, die Gänge zwischen den Abgeordnetenreihen zu verlassen.

Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 537 der Beilagen.

Hiezu hat der Abgeordnete Mag. Haupt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich mehrerer Teile des Gesetzentwurfes gestellt.

Ich werde zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen, und zwar jeweils in der Fassung des Ausschußberichtes.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über Artikel I, §§ 1, 2, 3 Abs. 1 bis 3, § 4 Abs. 1 bis 4, §§ 5, 6, 7, § 8 Abs. 1 und 2, §§ 9, 10, 11, 12, 13, 14 und § 15 Abs. 1 sowie Artikel II in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Ich komme zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls durch die Mehrheit . Der Gesetzentwurf ist daher in dritter Lesung angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 538 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen .

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (461 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), das Ar


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beitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (539 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder : Wir gelangen nunmehr zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Eine freiwillige Beschränkung der Redezeit auf 8 Minuten wird angezeigt.

14.20

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Das Arbeitnehmerschutzgesetz, das wir jetzt behandeln, beinhaltet die Verhütung und die Vermeidung von Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer. Ein vorbeugender Arbeitnehmerschutz hat das Ziel, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und sonstige arbeitsbedingte Erkrankungen vermeiden zu helfen und allen Arbeitnehmern ein Arbeitsleben und einen Ruhestand ohne arbeitsbedingte gesundheitliche Benachteiligungen oder Beeinträchtigungen zu ermöglichen. Eine Verringerung der Zahl der Arbeitsunfälle und arbeitsbedingter Erkrankungen muß also unser aller Ziel sein.

Da durch verbesserten vorbeugenden Schutz der Arbeitnehmer Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Krankheiten vermieden und auch die betrieblichen und volkswirtschaftlichen Kosten sowie die Sozialausgaben verringert werden können, müssen bestehende Gefahren und festgelegte Schutzmaßnahmen künftig auch dokumentiert werden, was bisher nicht der Fall war. Die Fristen für die Fertigstellung der Gefahrenermittlung und Maßnahmenfestlegung sind gestaffelt und laufen je nach Unternehmensgröße zwischen 1. Juli 1997 und 1. Juli 2000 ab.

Seit Jahresbeginn 1995, also vor knapp zwei Jahren, sind Arbeitgeber mit mehr als 250 Mitarbeitern dazu verpflichtet, einen Arbeitsmediziner zu bestellen oder die Dienste eines arbeitsmedizinischen Institutes in Anspruch zu nehmen. Die Grenze von 250 Arbeitnehmern wird jetzt im erwähnten Stufenplan jährlich so verringert, daß an jedem Arbeitsplatz eine medizinische Betreuung gewährleistet wird. Diese Mindesteinsatzzeit richtet sich nach der Zahl der Mitarbeiter in den jeweiligen Betrieben. In Kleinbetrieben beträgt diese Mindesteinsatzzeit eines Arbeitsmediziners eine Stunde pro Jahr.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, daß es nicht ganz richtig ist, sich nur an der Zahl der Mitarbeiter zu orientieren. Es ist ein großer Unterschied, ob jemand in einem Betrieb beschäftigt ist, wo er mit gefährlichen Stoffen hantiert, oder ob jemand in einem Betrieb beschäftigt ist, wo er Umwelteinflüssen ausgesetzt ist, und es ist auch nicht egal, mit welchen Maschinen oder Werkzeugen ein Mitarbeiter im jeweiligen Betrieb zu tun hat. Es ist einfach ein Unterschied, ob jemand mit Giften, Chemikalien, Säuren und Laugen zu tun hat oder ob er einen Arbeitsplatz hat, wo er diesen gefährlichen Stoffen nicht ausgesetzt ist. Das wird in diesem Arbeitnehmerschutzgesetz keineswegs berücksichtigt.

Im Zusammenhang mit gefährlichen Stoffen und der Gesundheitsüberwachung der Arbeitnehmer sieht dieses Arbeitnehmerschutzgesetz für Arbeitgeber bestimmte Aufzeichnungspflichten vor. In Zukunft können die Arbeitnehmer in bezug auf gefährliche Arbeitsstoffe von den sie persönlich betreffenden Aufzeichnungen Kopien vom jeweiligen Dienstgeber verlangen, was ich in diesem Falle als positiv empfinde, weil der Verwaltungsaufwand dafür relativ gering ist und jeder Arbeitnehmer meiner Meinung nach natürlich auch das Recht hat, jene Aufzeichnungen, die ihn auf seinem Arbeitsplatz betreffen, in die Hand zu bekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Arbeitnehmerschutzgesetz verpflichtet aber Arbeitgeber auch, in Aufenthaltsräumen oder an sonst geeigneten Stellen der Arbeitsstätte neben Einrichtungen zum Wärmen auch Einrichtungen zum Kühlen von mitgebrachten Speisen und Getränken zur Verfügung zu stellen.


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Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat meiner Meinung nach mit Arbeitnehmerschutz überhaupt nichts zu tun, und ich glaube, daß diese Bestimmung hier fehl am Platze ist. Es wäre meiner Meinung nach viel gescheiter, den Unterschied bei der sogenannten Wurstsemmelsteuer endlich einmal aufzuheben. Ich weiß, Herr Bundesminister, daß Sie dafür nicht zuständig sind, sondern der Herr Finanzminister, aber es ist einfach ein Unding, wenn heute Mitarbeiter, die in einem Bereich beschäftigt sind, wo sie die Möglichkeit haben, ein Kantinenessen zu sich zu nehmen oder in Gastwirtschaften einzukehren, wo sie steuerbegünstigt Mahlzeiten einnehmen können, bevorzugt sind gegenüber jenen Arbeitnehmern, die auspendeln oder an Betriebsstätten arbeiten, wo sie praktisch von ihrem Nettolohn ihre Jause selbst kaufen müssen.

Das ist eine steuerliche Ungerechtigkeit, aber vielleicht erhören Sie als verantwortungsvoller Bundesminister meine Anregung, Herr Bundesminister, und drängen darauf, daß der Herr Finanzminister doch einmal eine diesbezügliche Regelung einführt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Künftig sind Arbeitgeber auch verpflichtet, die Arbeiterkammer, also die Interessengemeinschaft der Arbeitnehmer, über die Kündigung und Entlassung von Sicherheitsvertrauenspersonen zu informieren. Wird diese Mitteilung unterlassen, kann sich die Anfechtungsfrist von einer Woche auf maximal vier Wochen verlängern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte diese Informationspflicht für äußerst positiv, die Anfechtungsfrist halte ich aber ganz einfach für eine Augenauswischerei, denn was nützt die Ausweitung der Anfechtungsfrist von einer Woche auf vier Wochen, wenn eine Sicherheitsvertrauensperson dafür zur Verantwortung gezogen wird, daß irgend etwas im Betrieb nicht in Ordnung ist, worauf diese den Chef schon ein paarmal aufmerksam gemacht hat und der alles abstreitet. Es bedarf einfach eines besseren Kündigungsschutzes für die Sicherheitsvertrauenspersonen, und der müßte hier eigentlich vorgesehen werden.

Im Mai 1994, bei der letzten Beratung zum Arbeitnehmerschutzgesetz, hat der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer, Herr Kollege Stummvoll (Abg. Dr. Stummvoll: Bitte sehr! Was gibt es?), gemeint – ich habe mir das aus den Protokollen herausgesucht und zitiere jetzt –: "Die Wirtschaft hat immer eine Formel gehabt, diese hat gelautet: Gesundheit – ja, Bürokratie und Schikane – nein!" (Abg. Dr. Stummvoll: Jawohl! Richtig!) "Und diese Formel wird auch in Zukunft gelten. Sie bringt uns auch heute dazu, ja zu sagen, weil wir glauben, daß es in diesem Gesetz tatsächlich um Gesundheitsvorsorge und nicht um Bürokratie und Schikane geht." – Das war im Mai 1994, Herr Generalsekretär! (Abg. Dr. Stummvoll: Bei der Vollziehung hat sich herausgestellt, das ist doch bürokratisch, darum machen wir heute die Novelle!) Und jetzt wird von der Bundeswirtschaftskammer immer wieder bekrittelt, daß es zuviel Bürokratie gibt.

Seinerzeit haben Sie gesagt, es gibt keine Bürokratie. (Abg. Blünegger: Fragen Sie einmal die Unternehmer!) Im Ausschuß haben Sie ebenfalls gesagt, Betriebe sagen ja zum Arbeitnehmerschutz, ja zur Gesundheitsvorsorge, nein zu Bürokratie. Die Gesundheitsvorsorge müßte verstärkt werden – da sind wir ja einer Meinung –, aber von Bürokratieabbau ist in diesem Gesetz keine Rede. Das ist hier überhaupt nicht vorgesehen. Denn wenn Sie meinen, daß die Fristenverlängerung mit weniger Bürokratie zu tun hat, dann weiß ich nicht, was Bürokratie ist. Diese Fristenverlängerung bedeutet jedenfalls nicht weniger Bürokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird außerdem keineswegs erreicht, daß alle Arbeitnehmer den gleichen Schutzbestimmungen unterliegen. Es gibt noch immer die Zweiklassengesellschaft. Herr Bundesminister, ich weiß, daß Sie immer wieder darauf hingewiesen haben und eigentlich meine Meinung teilen, daß es nur einen Arbeitnehmerbegriff geben sollte, aber wir haben heute Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, wir haben jene im öffentlichen Dienst und andere, die in Bergbaubetrieben ihre Arbeit versehen, und es gibt einfach einen Unterschied zwischen jenen im öffentlichen Dienst und jenen in der Privatwirtschaft. Diese Gleichstellung ist noch immer nicht vollzogen worden.


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Es gibt den einheitlichen Arbeitnehmerbegriff noch nicht, und es gibt auch Unterschiede im Arbeitnehmerschutzgesetz zwischen diesen beiden Bereichen. Bezüglich dieser Ungleichbehandlung höre ich keine Kritik von der Bundeswirtschaftskammer, ich höre keine Kritik vom Österreichischen Gewerkschaftsbund, aber es gibt hier auch eine Wettbewerbsverzerrung zwischen öffentlichen Betrieben, also dem Staat, und den Privatbetrieben.

Ich frage mich, warum es zu so einer Anpassung bisher noch nicht gekommen ist, denn wenn man an den Standard der Europäischen Union herankommen möchte, die eine Gleichstellung aller Arbeitnehmer vorsieht, dann müßte das eigentlich jetzt gleichzeitig erledigt werden. Das geschieht aber nicht. Ich weiß, Herr Sozialminister ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er kann nicht aufpassen jetzt, weil er mit der Kollegin plaudert! Ausgerechnet, wenn ein Freiheitlicher spricht! – Zwischenruf der Abg. Silhavy, die bei Bundesminister Hums an der Regierungsbank steht.) Ja, das ist des öfteren der Fall. Herr Sozialminister, hören Sie mir jetzt zu. Ich weiß, daß nicht Sie dafür zuständig sind, sondern daß das Bundeskanzleramt säumig ist, aber da Sie ein verantwortungsvoller Bundesminister sind, drängen Sie darauf, daß das Bundeskanzleramt tätig wird. Sie haben ja übrigens auch schon vor zwei Jahren erwähnt, daß Sie darauf drängen werden, daß das Bundeskanzleramt diesbezüglich eine Gleichstellung herbeiführen wird. Nur, bis heute ist praktisch nichts geschehen.

Ich bin der Meinung, was für die Privatwirtschaft gilt, soll auch für den Staat gelten, und deshalb bringe ich jetzt folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Josef Meisinger, Mag. Herbert Haupt betreffend gleiche Schutzbestimmungen für Bundesbedienstete und Arbeitnehmer der Privatwirtschaft

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundeskanzler wird ersucht, dem Nationalrat bis 31. März 1997 einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der für die Bundesbediensteten die Einbeziehung in das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (oder ein dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz entsprechendes neues Bundesbedienstetenschutzgesetz) vorsieht."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Arbeitnehmerschutzgesetz sieht keinen Bürokratieabbau vor, keine Gleichbehandlung der Arbeitnehmer in diesen Bereichen, also kann es auch keine Zustimmung von unserer Seite dafür geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

14.30

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Thema Arbeitnehmerschutz paßt heute sehr gut, wenn ich an den gestrigen 18-Stunden-Tag hier in diesem Haus denke, wobei ich nicht primär uns Abgeordnete meine, denn wir sind ja freiwillig hier, sondern vielmehr an all jene, die hier rund um uns beschäftigt sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt, Frau Kollegin Silhavy, können Sie plaudern mit dem Herrn Minister! Wenn Ihr eigener Abgeordneter spricht, hätte er Zeit! – Abg. Blünegger: Jetzt hat der Minister Zeit! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt hört er zu! Das ist signifikant!) Daher, meine ich, sollten auch die Arbeitsbedingungen in diesem Haus einmal ein bißchen untersucht werden, vor allem die Luft hier herinnen, denn die ist ja auch nicht die beste.


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Das 1994 beschlossene Arbeitnehmerschutzgesetz, meine Damen und Herren, stellt sicher, daß zeitgemäße Maßnahmen zur Unfallverhütung und Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz gesetzt werden. Unfallverhütung und der Schutz vor arbeitsbedingten Erkrankungen müßten eigentlich allen ein wichtiges Anliegen sein, daher ist dieses Gesetz ständig zu verbessern.

Unfallverhütung und präventive Maßnahmen sollen nicht nur viel menschliches Leid vermeiden, sondern auch die Kosten sowohl für die Unternehmen als auch für die gesamte Volkswirtschaft minimieren.

Mit dieser Novelle werden die Fristen für die Fertigstellung der systematischen Ermittlung von Gefahren und die Festlegung von Vorsorgemaßnahmen dem Stufenplan für das Inkrafttreten zur Bestellung von Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizinern angeglichen. Ich möchte, da mein Vorredner auf die einzelnen Punkte schon hingewiesen hat, nicht mehr näher eingehen auf die Erleichterungen bei Kleinbetrieben für die Gefahrenermittlung, auf die Verständigung der gesetzlichen Interessenvertretung vor Kündigung und Entlassung von Sicherheitsvertrauenspersonen und auch nicht auf die Bestimmungen, daß Kühlmöglichkeiten für mitgebrachte Speisen und Getränke für Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden müssen, wiewohl ich sagen möchte, daß ich letztere Maßnahme schon für sinnvoll halte, auch wenn mein Vorredner das anders sieht.

Aber ein Punkt scheint mir gerade angesichts zunehmender Telearbeit zu Hause sehr wichtig zu sein: Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Bildschirmgeräte müssen den gleichen technischen Anforderungen entsprechen wie jene im Betrieb.

Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Gelegenheit jetzt benutzen, noch auf ein anderes Thema hinzuweisen, denn nicht alles, was Einfluß auf die Gefährdung der Gesundheit am Arbeitsplatz hat, kann durch gesetzliche Maßnahmen geregelt werden. Ich möchte hier ganz besonders ein Problem ansprechen, das immer häufiger als Ursache für die gesundheitliche Gefährdung am Arbeitsplatz vorkommt. Dazu zitiere ich die gestrigen "Oberösterreichischen Nachrichten", wo folgende Überschrift zu lesen ist:

"Die Ellbogen werden zum Arbeitsbehelf – Die Rivalität unter den Arbeitnehmern nimmt in Österreich zu. Davon sind 42 Prozent der Österreicher überzeugt, ergab eine repräsentative Umfrage ..." – "Es hätte zwei Möglichkeiten gegeben, wie die Österreicher auf die prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt reagieren. Entweder zusammenrücken oder auf das eigene Fortkommen zu schauen. Letzteres wird offensichtlich bevorzugt."

Meine Damen und Herren! Man sollte diesen Punkt nicht unterschätzen. Konflikte und Streitereien am Arbeitsplatz hat es wahrscheinlich schon immer gegeben. In letzter Zeit – bedingt durch die Arbeitsverdichtung, aber auch durch steigende Arbeitslosigkeit – werden schwerwiegende Fälle von Psychoterror am Arbeitsplatz bekannt. Mobbing bezeichnet jene Konflikte, bei denen einzelne Personen auf Dauer Druck, Isolation, Verleumdung, ungerechtfertigten schlechten Arbeitsbedingungen bis hin zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgesetzt sind.

Meistens ist Mobbing ein Ventil für strukturelle Probleme innerhalb eines Betriebes. Beruflicher Streß durch Überforderung am Arbeitsplatz und Überlastung sind oft der Nährboden für Streitereien zwischen gereizten Kolleginnen und Kollegen – oft aus nichtigen Anlässen. Beruflicher Streß ist der beste Nährboden für Mobbing. Durch eine permanente Überlastung kommt es deshalb auch immer wieder innerhalb der Gruppe wegen jeder Kleinigkeit zu Streitereien. Mit den schon erwähnten Sticheleien und Untergriffen wird nun das Opfer oft in Teamarbeit systematisch fertiggemacht. Die Geschäftsleitung erfährt meistens auch von diesen Problemen in der Abteilung und setzt ihrerseits Maßnahmen, die von Versetzung bis zur Kündigung des Mobbingopfers gehen.

Menschen, die permanent Mobbing ausgesetzt sind, haben natürlich ein sehr geringes Selbstwertgefühl und sind daher meistens mit ihrer Situation im Betrieb alleine. Sie verfügen nicht mehr über die ausreichenden persönlichen und psychischen Ressourcen, um eine lange Konfliktzeit zu überstehen, und sind meist sowohl psychisch als auch physisch erkrankt.


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Die Mobber dagegen sind daran erkennbar, daß sie in einem Konflikt bei der Abwägung verschiedener Verhaltensweisen stets die aggressivere wählen. Sie sorgen aktiv für das Eskalieren und Fortführen von Konflikten, sie zeigen in der Regel kein Schuldbewußtsein, sondern sind im Gegenteil von ihrer Schuldlosigkeit überzeugt und suchen die Schuld ausschließlich beim Mobbingopfer. – Es gäbe sehr viele Beispiele hiefür; ich kann sie aus Zeitgründen nicht erwähnen.

Wenn in einem Betrieb Mobbing betrieben wird, so hat das natürlich auch betriebswirtschaftliche Auswirkungen. Hier sollten vor allem die Dienstgeber ansetzen, denn eine Studie in den Vereinigten Staaten stellte fest, daß Arbeitnehmer im Durchschnitt 40 Prozent ihrer Energie während des Arbeitsprozesses darauf verwenden, sich gegen feindselige Aggressionen anderer zu verteidigen. Wenn in einem Betrieb eine Mobbingsituation herrscht – manchmal gehört es allerdings auch zur Strategie der Unternehmensleitung, den Konkurrenzkampf der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewußt zu nutzen und zu schüren, in der Hoffnung, dadurch eine Mehrleistung der Mitarbeiter zu provozieren –, entsteht ein äußerst ungünstiges Arbeitsklima, eine der Tierwelt nachgebildete Hackordnung, in der festgelegt wird, wem gegenüber man zu buckeln hat und wen man ungestraft treten kann.

Zur Konfliktlösung gibt es bereits ein Buch von Henry Walter mit dem Titel "Mobbing – Kleinkrieg am Arbeitsplatz". Es gibt diesbezüglich von der Gewerkschaft der Privatangestellten auch Unterstützung für die Betriebsräte in Form von Erstberatung sowie entsprechendes Informationsmaterial.

Abschließend, meine Damen und Herren: Um das Phänomen Mobbing grundsätzlich zu vermeiden oder nach einer überstandenen Konfliktphase ein neues, tragfähiges Betriebsklima zu schaffen, ist eine neue Streitkultur im Betrieb einzuführen. Eine Unternehmenskultur, in der laut gedacht und geredet wird, ist das beste Frühwarnsystem gegen Mobbing.

Uns Sozialdemokraten ist der Schutz der Arbeitnehmer auch in Bereichen, die bis jetzt noch nicht gesetzlich geregelt sind, immer ein besonders Anliegen, denn bei uns kommt der Mensch zuerst. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vor von Herrn Abgeordneten Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.38

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Dietachmayr hat mir geradezu die perfekte Chance für dialogischen Parlamentarismus gegeben. Ich möchte nämlich auf das, was er am Ende seiner Rede ausgeführt hat, dann gerne auch noch ausdrücklich eingehen, vorweg allerdings ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum Regelungskreis machen, mit dem wir uns heute in Form einer Novelle beschäftigen.

Daß es diese Novelle gibt, ist leider einer von vielen anderen Beweisen dafür, daß das Gesetz mißlungen ist. Zur Tiefe dieses Mißlingens wird sich mein Kollege Helmut Peter noch qualifiziert äußern. Ich möchte hier kurz die strukturellen Fehler beleuchten.

Es ist der notwendigerweise mißlungene Versuch, durch taxative Regelungen Arbeitnehmerschutz herzustellen, und es ist bedauerlicherweise nicht der Ansatz gewählt worden, das durch grundsätzliche Regelungen zu schaffen, durch Regelungen, die auch ein Selbststeuerungselement enthalten. Daher – das ist jetzt mein erster Rückbezug auf Kollegen Dietachmayr – ist der Satz nur zu wahr, daß nicht alles, was Mitarbeiter schädigen kann, gesetzlich geregelt werden kann. Das ist nur zu wahr!

Aber in diesem Gesetz hier – und das ist ja auch der Grund für die Novelle – ist eine Methode gewählt worden, die notwendigerweise mißlingen muß. Die wirklich zentralen Ansätze für Arbeitnehmerschutz sind nicht im Visier des Gesetzgebers geblieben, nämlich die Frage: Wie halten wir es mit unseren Betriebsstätten und den Betriebsanlagen? – Das ist nämlich der


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Schlüsselpunkt. Die Frage ist: Was kann unser Normungswesen leisten, warum drängen wir die Rolle der AVUA zurück, und warum überlegen wir uns nicht noch viel mehr im Bereich des Haftungsrechtes in Form von abstrakten Haftungen zugunsten von Mitarbeitern? – Wenn ich nämlich ein solches Fundament lege, dann wird manches, was hier auf sehr komplexe und teilweise wirklichkeitsfremde Weise durch taxative Vorschriften erzwungen werden soll, aus der Rationalität einer modernen Betriebsführung heraus und zur Vermeidung von anderen Kosten viel schneller, viel besser und viel gleichmäßiger stattfinden, und es wird außerdem die Leistungsfähigkeit der Unternehmen widerspiegeln. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Gesunde und erfolgsorientierte Betriebe sind – schon allein aus Eigennutz – hundertprozentig daran interessiert, gesunde und nicht durch Unfall und sonstige Gefährdungen verletzte, beeinträchtigte oder nicht mehr einsatzfähige Mitarbeiter zu haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie mir nicht den altruistischen Ansatz glauben, so glauben Sie mir bitte wenigstens diesen rein rationalen und seelenlosen Ansatz. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum.) Es ist nämlich keineswegs so, daß es zur Freude der Unternehmensführungen dient, wenn im eigenen Betrieb Unfälle passieren – nicht nur aus menschlichen Gründen, selbstverständlich das auch, sondern weil im Regelfall ein sehr wertvoller Mitarbeiter auf lange Zeit ausfällt. Daher müssen Sie alles unternehmen, um diesen ohnedies vorhandenen Effekt durch Lenkungsmaßnahmen zu stützen. Wenn ein Betrieb ordentlich geführt ist, wenn die Betriebsanlagen in Ordnung sind, wenn die Aufklärung im Betrieb funktioniert, wenn auch die interne Aufsicht betreffend Einhaltung von Schutzmaßnahmen funktioniert, dann erspart sich der Betrieb ohnedies relativ viel Geld, nämlich Folgekosten, die er dann auf jeden Fall hätte. Wenn Sie dort Verstärker im Bereich von Haftungen oder im Bereich des Normungswesens setzen, dann erreichen Sie mehr als durch eine noch so lange Liste taxativer Vorschriften, die letztlich niemand mehr überblickt, die im Regelfall sogar umgangen und so gehandhabt werden, daß manchmal das Arbeitsinspektorat bei Besichtigungen den Leuten eher einen Ratschlag erteilen muß, wie man so tut, als ob man etwas, was nicht den Vorschriften entspricht, nicht bemerkt hätte, weil bestimmte Sachen manchmal einfach nicht lebbar sind. Das zum Grundsätzlichen.

Jetzt an den Schluß gestellt meine versprochenen Ausführungen zu der Rede des Kollegen Dietachmayr. Bezüglich dessen, was Sie als Befund in Richtung Mobbing und Unternehmens- und Streitkultur ausgeführt haben, bin ich ganz bei Ihnen. Ich hoffe nicht, daß Sie der Meinung sind, daß man das gesetzlich in den Griff bekommen kann. Ansonsten sind wir annähernd deckungsgleich. Ich frage mich aber: Woran liegt es, daß die Unternehmenskultur teilweise im argen liegt, daß die Streitkultur unterentwickelt ist, daß Mobbing als Instrument der Unterdrückung eingesetzt wird? Ist es ein Betriebsphänomen oder ist es nicht vielleicht ein Phänomen unserer Gesellschaft überhaupt, daß wir schon in der Erziehung nicht auf Emanzipation, sondern eher auf Duckmäusertum setzen, daß wir in der Erziehung, in der Ausbildung nicht auf Teamfähigkeit setzen, sondern auf Reproduktion, daß wir keine Führungsqualitäten entwickeln, die interaktiv sind, sondern daß wir nach wie vor insbesondere in den Schulen autoritäre Modelle vorführen?

Schauen Sie sich erfolgreiche Unternehmen an! Sie sind in ihren Entscheidungen hochgradig nach Sachkriterien dezentralisiert, und sie sind fehlertolerant aufgebaut, nicht zentralisiert an einer Stelle alles zusammenlaufend, was automatisch Hierarchien bedeutet, die sich für Mobbing eignen. In einem gut organisierten Betrieb wird die nächsthöhere Ebene niemals damit Freude haben können, wie die darunterliegende Ebene ihre eigenen nachgeordneten Mitarbeiter terrorisiert – ich will es einmal so ausdrücken. Das ist nämlich weder für die Produktivität noch für das Betriebsklima noch für die Unternehmenskultur und daher schon gar nicht für den Unternehmenserfolg gut.

Und auch hier ist wieder eine Parallelität gegeben: Unternehmensleitungen schätzen das weder aus zwischenmenschlichen Gründen noch aus Gründen der Effizienz.

Wenn es Ihnen gelingt, durch Regelungen dieses Doppelinteresse lebbar zu machen, dann werden Sie erfolgreich sein. Und daher sage ich Ihnen noch einmal: Das vorliegende Gesetz macht dieses Doppelinteresse nicht lebbar, sondern es erschwert dieses Doppelinteresse, weil


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es nämlich unterstellt, daß man den Mitarbeiter gegen einen feindlichen Chef schützen muß – nicht gegen einen vielleicht nachlässigen, sondern gegen einen feindlichen. Es wird also die Fiktion einer Gegnerschaft und einer Interessenverschiedenheit aufgebaut. Mit diesem Gesetz wird so getan, als ob jemand, der dieses Gesetz nicht befolgen müßte, ein erfolgreicherer Unternehmer wäre, und man ihn daher über das Gesetz dazu zwingen muß. Und glauben Sie mir: Das ist der eigentliche Denkfehler!

Daher: Wenn Sie Lenkungsinstrumente einsetzen, die diesen Erfolg beschleunigen, dann sind Sie erfolgreich mit solch einer Regelung; wenn Sie taxative Regelungen treffen, dann sind Sie nicht erfolgreich.

Eine Fußnote zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen: Er ist richtig und falsch zugleich. Richtig ist er deswegen, weil es natürlich unerträglich ist, daß die Bundesbediensteten aus diesem Gesetz zur Gänze ausgenommen sind, sodaß eine völlige Ungleichheit auch in Kostenfragen und so weiter gegeben ist. Falsch ist er deswegen, weil damit ein an und für sich mißlungenes Gesetz auch noch auf den Bundesbereich ausgedehnt würde.

Daher ist es ein ganz klassischer Fall von Weder-Noch: Weder wollen wir, daß es ungleich bleibt, so wie es jetzt ist, noch hätten wir gerne, daß dieses mißlungene Gesetz auf den Bundesbereich ausgedehnt wird. Wir wünschen uns eine echte Reform! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

14.47

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir vielleicht zwei Vorbemerkungen:

Erste Vorbemerkung: Unsere Betriebe in Österreich, die Unternehmer bekennen sich zur sozialen Verantwortung, sie bekennen sich zur Gesundheitsvorsorge, zur menschengerechten Arbeitsgestaltung und zum Gesundheitsschutz im Betrieb. – Diese Anerkennung und diese Priorität sind letztlich die Konsequenz aus der Erkenntnis, daß das Humankapital, die menschlichen Ressourcen unserer Mitarbeiter, das wertvollste Kapital ist, das wir in Österreich besitzen.

Zweite Feststellung, Herr Kollege: Wenn trotz dieser Situation und wenn trotz dieser sozialen Verantwortung unserer Unternehmer in den letzten Monaten das Arbeitnehmerschutzgesetz in den Betrieben, bei den Unternehmern gleichsam zum Feindbild Nummer 1 geworden ist, zum Schrecken aller Betriebe, dann müssen wir uns fragen: Wo liegen die Wurzeln für diese Diskrepanz: einerseits das Bekenntnis zur Gesundheitsvorsorge, zum Arbeitnehmerschutz, zur menschengerechten Arbeitsgestaltung, zur Humanisierung der Arbeitswelt, auf der anderen Seite, wie gesagt, Feindbild Nummer 1 und eigentlich der Schrecken aller Betriebe?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Begründung für diese Diskrepanz liegt darin, daß es tatsächlich nicht gelungen ist, den Grundsatz, der bei der Beschlußfassung stipuliert wurde – nämlich ein Ja zur Gesundheitsvorsorge, ein Ja zum Arbeitnehmerschutz, aber ein Nein zu Bürokratie, ein Nein zu Schikanen, ein Nein zum Papierkrieg –, auch tatsächlich umzusetzen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das war doch vorhersehbar!) Das war nicht vorhersehbar, Herr Kollege Haselsteiner!

Ich darf Ihnen ein Beispiel sagen und, Herr Sozialminister, auch gleich ankündigen, daß unser Schwerpunkt nach Beschlußfassung dieser Novelle die Beachtung der Vollziehung dieses Gesetzes ist. Ich glaube, wir sollten als Parlamentarier auch immer wieder darauf hinweisen, daß all das, was vielfach mit Bürokratie des Gesetzgebers assoziiert wird, tatsächlich nicht von uns ausgeht. Und wenn alle über die Flut der Gesetze klagen und die Zahl der Bundesgesetzblätter heranziehen: Wer einmal in die Bundesgesetzblätter hineingeschaut hat, wird sehen, daß ungefähr ein Drittel Bundesgesetze sind – die machen wir –, und zwei Drittel sind Verordnungen, Erlässe, Kundmachungen. Daher haben wir sehr genau darauf zu achten, ob in der


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Vollziehung dessen, was wir heute an Korrekturen beschließen, auch tatsächlich der gewünschte Effekt eintritt.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß das Hohe Haus Respekt fordert und sicherlich kein Kabarett ist, aber ich nenne Ihnen nur ein kleines Beispiel, wie sehr Gesetzgebung oder EU-Richtlinie oft abweicht von dem, was sich in der Vollziehung abspielt:

Allen Ernstes sind zur Thematik Bildschirmarbeit in der EU-Richtlinie zwei Sätze enthalten – die haben wir Parlamentarier nie gesehen, nicht beschlossen, Herr Kollege Haselsteiner, daher meine massive Kritik an der Vollziehung von Gesetzen, worauf wir uns in Zukunft verstärkt konzentrieren werden müssen –, wonach die Vollziehung folgendermaßen vorzugehen hat.

Es ist tatsächlich ein Entwurf in die Begutachtung gegangen, der lautet – ich zitiere –: "Bildschirmarbeitsplätze sind so zu gestalten, daß den Arbeitnehmern bei aufrechter Kopfhaltung die Einhaltung folgender Sitzposition ermöglicht wird: Bei locker herabhängenden Oberarmen sollen sich die Unterarme in Arbeitshaltung annähernd in der Horizontalen befinden. Bei etwa horizontal verlaufenden Oberschenkeln, die mit dem Rumpf einen Winkel von ungefähr 90 Grad einschließen, und ganzflächig auf dem Fußboden aufgestellten Füßen soll der Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel mindestens 90 Grad betragen. Dabei soll die Tiefe der Sitzflächen voll ausgenutzt werden und der untere als auch der mittlere Teil der Wirbelsäule durch den Lendenbausch und den darüberliegenden Teil der Rückenlehne des Arbeitsstuhls wirksam abgestützt sein."

Im nächsten Paragraphen heißt es dann: "Dem Arbeitnehmer sind Fußstützen zur Verfügung zu stellen" und so weiter. "Sie sind so zu gestalten, daß die Füße bei leicht geöffneten Beinen ganzflächig auf den Fußstützen aufgestellt werden können und die Sitzposition nach § 6 Abs. 1 mit der Maßgabe eingenommen werden kann, daß der Winkel zwischen Unterschenkel und Füßen etwa 90 Grad beträgt."

Meine Damen und Herren, das haben wir hier nie beschlossen! Das ist die konkrete Vollziehung eines Gesetzes, das ist Mißbrauch des Gesetzes, und das, Herr Kollege Haselsteiner, war nicht vorhersehbar. Das übersteigt meine kühnsten Erwartungen. So etwas läßt sich nicht erfinden, so etwas läßt sich nicht erahnen, und daher mein Credo: Wir müssen in Zukunft, Herr Minister, ich kündige das in aller Freundschaft an, verstärkt darauf schauen, wie unsere Gesetze in der Praxis vollzogen werden. (Beifall des Abg. Dr. Feurstein. )

Ein weiterer Punkt als Beispiel und als Beweis dafür, wie sehr unsere Betriebe den Arbeitnehmerschutz, die Gesundheitsvorsorge ernst nehmen. Die Erfolgsbilanz zeigt, daß seit Jahren ein kontinuierlicher Rückgang der Arbeitsunfälle zu verzeichnen ist. Wir haben heute in den Unfallspitälern der AUVA ungefähr 20 Prozent Arbeitsunfallversehrte und 80 Prozent Opfer von Haushaltsunfällen, Freizeitunfällen, Sportunfällen. (Abg. Öllinger: Das stimmt doch nicht!) Das können Sie alles nachlesen, Herr Kollege. Die Zeit ist zu kurz, um Ihnen hier Nachhilfeunterricht zu geben.

Meine Damen und Herren! Es ist festzustellen, daß auch die Berufskrankheiten eine rückläufige Tendenz haben. Herr Kollege, ich habe Ihnen im Ausschuß schon gesagt, es ist eine Manipulation von Ihnen, zu sagen, die steigende Zahl der Berufsunfähigkeitspensionen sei der Beweis dafür, wie gefährlich die Arbeitswelt ist. Auch hiezu: Der Bezug einer Berufsunfähigkeitspension oder Invaliditätspension sagt ja überhaupt nichts darüber aus, wo die Ursache der Gesundheitsschädigung liegt: ob in der Arbeitswelt, in der Freizeit oder in sonstigen Fehlverhaltensweisen. Das ist also eine bewußte Manipulation, ich sage es gleich vorbeugend, denn Sie werden es sicherlich wieder hier bringen, Herr Kollege.

Und noch eines: Was wir hier heute beschließen, ist für ungefähr 90 Prozent unserer Betriebe – nämlich für die Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern – eine gewaltige Erleichterung, weil damit Papierkrieg und Bürokratie abgebaut werden. Auf einem Blatt Papier, auf einer Seite können die Betriebe die Gefahrenevaluierung vornehmen. Ganz trennen können wir uns nicht davon, weil es der EU-Richtlinie und der EU-Gesetzgebung entspricht, eine Gefahrenevaluierung fortzuführen. Für 90 Prozent der Betriebe fällt aber der Papierkrieg weg.


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Es ist auch zweifellos ein wesentlicher Schritt, daß es gelungen ist – was wir immer gefordert haben –, die Harmonisierung der Fristen zwischen Einführung prophylaktischer Dienste und der konkreten Evaluierungsverordnungen zu erreichen.

Es ist weiters ein großer Vorteil, daß die Strafen wegfallen, wenn die Evaluierung nicht vorliegt. Liegt sie tatsächlich nicht vor, hat der Arbeitsinspektor den Betrieb aufzufordern, sie in angemessener Frist nachzureichen, also: keine Bestrafung durch den Arbeitsinspektor.

Mit dieser Novelle wird außerdem die Haftung für betriebsfremde Gefahren eliminiert. Der Arbeitgeber ist bei Tätigkeit betriebsfremder Arbeiter nur verpflichtet, sie über die konkreten Gesundheitsgefahren, die in seinem Betrieb entstehen, zu informieren – und über sonst nichts.

Insgesamt, meine Damen und Herren, möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß diese Korrektur, die wir heute beschließen, mit dazu beiträgt, daß dieses Feindbild Arbeitnehmerschutzgesetz – und ich bedaure das sehr, weil ich glaube, daß unsere Betriebe tatsächlich in sozialer Verantwortung ihren Mitarbeitern gegenüber handeln – abgebaut werden kann.

Meine Damen und Herren, noch einmal: Es geht nicht nur darum, was wir hier beschließen. Es geht in hohem Ausmaß auch darum, was in der Praxis daraus gemacht wird.

Ein letzter Punkt, Herr Minister – wir sind da einer Meinung, aber wir sollten uns, glaube ich, auch bemühen, daß es zu diesbezüglichen Beschlußfassungen im Hohen Haus kommt –: Wir von der Wirtschaft sehen wirklich nicht ein, daß wir eine Zweiklassengesellschaft haben, in der für die Privatwirtschaft der Grundsatz Arbeitnehmerschutzgesetz gilt, für den öffentlichen Bereich aber nicht. Ich bin nicht bereit, auf Dauer eine solche Zweiklassengesellschaft hinzunehmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Am Wort ist nun der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.57

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In aller Kürze, Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll, zu Ihrer letzten Anregung, auch für den öffentlichen Bereich die Arbeitnehmerschutzbestimmungen einzuführen: Sie werden dort ja weitgehend gehalten, aber was die formelle Gleichstellung angeht, bin ich durchaus Ihrer Meinung, und ich habe das, auch gegen den Widerstand aus ÖVP-Bereichen, beim Arbeitszeitgesetz im Bereich der Krankenanstalten bereits bewiesen. Da hat es großen Widerstand aus Ihren Reihen gegeben, und ich hoffe, Sie unterstützen mich in Zukunft auch in diesen Fällen.

Zweitens bin ich mit Ihnen einer Meinung bezüglich Gesundheitsschutz, Arbeitnehmerschutz. Das darf wirklich nicht verwässert werden, das muß noch verbessert werden. Ich habe von Beginn an erklärt, daß ich jederzeit bereit bin, bürokratische Hemmnisse abzubauen – im Interesse aller. Daher diese Gesetzesvorlage.

Ich möchte Sie aber bitten, zu Entwürfen aus dem Haus, die Ihnen vorgelegt werden, im Rahmen der Begutachtung Stellung zu nehmen. Es ist keine Verordnung, die Sie hier zitiert haben, aber man muß bestimmte Dinge auch beschreiben, damit sie nachvollziehbar sind.

Dieses Gesetz wurde hier von Ihnen richtigerweise mitbeschlossen, Herr Dr. Stummvoll, weil es ein notwendiges Gesetz ist – keine Frage. Und alle Verordnungen, die dazu ergangen sind, werden zwar nicht Ihnen als Abgeordnetem, aber der Wirtschaftskammer zur Stellungnahme vorgelegt. Die Verordnungen sind daher auf diesem Weg entstanden.

Ich bin mit Ihnen einer Meinung: Wir müssen noch viel mehr als bisher in allen Bereichen danach trachten, Bürokratiehemmnisse abzubauen, und ich habe den Arbeitsinspektoren meine Bitte übermittelt, auch im Länderbereich und so weiter zu schauen, welche Gesetze vereinfacht werden könnten. Dafür stehe ich jederzeit auch zur Verfügung. (Präsident Dr. Fischer über


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nimmt den Vorsitz.) Noch einmal: Es darf sich aber nichts an der Qualität des Arbeitnehmerschutzes verändern.

Die Dramatisierung der Gefahrenermittlung war völlig unnötig, denn das geht weit einfacher, als allen Unternehmen erklärt wurde, und zwar mit Begriffen, die in der Öffentlichkeit kaum im Zusammenhang mit der Tatsache gesehen wurden, daß nur die Gefahren ermittelt werden sollen. Niemand wird bestreiten, daß das in einem Unternehmen notwendig ist, damit man schaut, wie man sie abbauen kann.

Ich möchte Sie hier noch einmal bitten: Ersetzen wir endlich dieses irreführende Wort der Evaluierung, das in allen Fällen paßt, aber hier überhaupt nichts aussagt, durch das Wort Gefahrenermittlung. Ermitteln wir die Gefahren, beseitigen wir sie im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Interesse der gesamten Wirtschaft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Entweder redet nun Kollege Öllinger noch eine Minute, oder wir unterbrechen für eine Minute, oder wir beginnen mit der Dringlichen Anfrage mit dem Hinweis, daß sie spätestens um 15 Uhr aufzurufen wäre. – Wir unterbrechen die Sitzung für eine Minute.

(Die Sitzung wird um 14.59 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich nehme nun, um 15 Uhr, die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Haider und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend harter Schilling – weicher Euro (1652/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1652/J. Diese ist inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Nachdem am Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union im Dezember 1995 in Madrid der Europäische Rat bekräftigte, daß die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion entsprechend den Konvergenzkriterien, dem Zeitplan, den Protokollen und Verfahren, die im Vertrag von Maastricht festgelegt sind, am 1. Jänner 1999 beginnen soll und auch der Name der europäischen Währung, Euro, beschlossen wurde, ist der Euro ein zentrales Thema und sorgt für heftige Diskussionen und Auseinandersetzungen.

Zum einen werden die entsprechenden Vorbereitungen für die Einführung der gemeinsamen Währung, die Dr. Breuss als das "größte monetäre Experiment der Wirtschaftsgeschichte" bezeichnete, in den EU-Gremien mit Nachdruck vorangetrieben, wobei sich immer mehr herausstellt, daß es über wesentliche Fragen, wie z.B. Verhältnis zwischen Teilnehmer und Nichtteilnehmer, Einhaltung der Konvergenzkriterien nach Eintritt in die 3. Stufe der WWU etc., bislang keine politische Einigung und Sicherheit gibt. Zum anderen nehmen angesichts der dramatisch hohen Arbeitslosigkeit (EU-weit sind rd. 18 Millionen Menschen ohne Arbeit), angesichts des hohen Konsolidierungsbedarfs der jeweiligen nationalen Budgets und vor dem Hintergrund einer abgebremsten Konjunktur die Skepsis und Kritik am Fahrplan zur Einführung des Euro ständig zu. Der Bevölkerung wird immer bewußter, daß durch die zum Teil "Euro-bedingten" drastischen budgetären Maßnahmen (Stichwort: Belastungspakete) und den strikten Sparkurs der öffentlichen Hand mit dem Ziel, die fiskalischen Konvergenzkriterien auf Biegen und Brechen zu erfüllen, die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit zunehmen und es zu einem weiteren Sozialabbau kommen wird. Die jüngsten Streiks in Frankreich und anderen EU-Mitgliedsstaaten müßten ein warnendes Beispiel für den Unmut in der Bevölkerung sein.

Ungeachtet der negativen Stimmung in der Bevölkerung (in Österreich lehnen lt. Umfragen 43 % den Euro ab, 61 % der Deutschen sehen der EWU mit Befürchtung entgegen) und ungeachtet


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der Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, daß nämlich die Einführung des Euro das Gespenst der Geldentwertung der Nachkriegszeit wieder heraufbeschwört, werden die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beim Gipfel in Dublin wesentliche Entscheidungen hinsichtlich des sog. EWS II und vor allem hinsichtlich des Stabilitätspakts treffen, durchaus sinnvolle Forderungen, wie Einbeziehung der Arbeitslosigkeit als zusätzliches Kriterium (Europäischer Gewerkschaftspräsident Verzetnitsch), oder eine allfällige Verschiebung der EWU allerdings elegant umschiffen.

Doch gerade in der Frage der Stabilität des Euro ist, wie jüngste Aussagen von Bundeskanzler Dr. Vranitzky und Finanzminister Mag. Klima zeigen, ein fauler politischer Kompromiß zu befürchten, der bisherigen Versprechungen der Bundesregierung diametral gegenübersteht. Die österreichische Bundesregierung, allen voran der Bundeskanzler, hat bislang stets versichert, daß "der Euro so hart sein muß wie der Schilling" (News, 50/96) und daß "das neue Geld in Österreich nur eingeführt werde, wenn es dem Schilling gleichwertig ist" (WirtschaftsWoche 51/1996). Nunmehr zeichnet sich jedoch ab, daß diese verbalen Beruhigungspillen, die der österreichischen Bevölkerung immer wieder aufgetischt werden, nicht mit dem Verhalten der österreichischen Regierungsmitglieder auf europäischer Ebene im Einklang stehen. Wäre es nämlich der österreichischen Bundesregierung hinsichtlich der Stabilität des Euro wirklich ernst, dann müßte sie sich auf die Seite Deutschlands stellen und für einen möglichst straff geschnürten Stabilitätspakt, den Frankreich in dieser Form ablehnt, eintreten.

Doch sowohl Bundeskanzler Dr. Vranitzky als auch Finanzminister Mag. Klima lehnen den von Deutschland geforderten Strafautomatismus ab und plädieren für eine politische Entscheidung nach Überprüfung eines Verstoßes gegen die Maastricht-Kriterien (APA, 12.12.1996), was bedeutet, daß Stabilisierungsmaßnahmen ins Ermessen des EU-Rates gestellt werden, mit der Folge und Gefahr, daß es "lange politische Verhandlungen gibt, die zu nichts führen" (Univ.Prof. Dr. Felderer) oder zu einem Tauschgeschäft werden und den Euro tendenziell weicher machen dürften.

Abgesehen von der Tatsache, daß die nunmehr von der österreichischen Regierung vertretene gemäßigte Stabilitätspolitik und die Diskussion um den angemessenen Härtegrad des Euro -den einzelnen österreichischen Wirtschaftszweigen vielleicht zugute kommen könnte- ist es politisch unredlich und gegenüber der österreichischen Bevölkerung absolut nicht vertretbar, daß die Spitzen der österreichischen Regierung auf EU-Ebene "einer Politik das Wort reden, die tendenziell geeignet ist, den Euro letztlich ein bisserl weicher ausfallen zu lassen, als der Schilling derzeit ist – und gleichzeitig der besorgten Bevölkerung vollmundig versprechen, daß genau dies nicht passieren wird", wie Ortner in der WirtschaftsWoche (51/1996) treffend kritisierte.

Diese Vorgangsweise paßt genau zum bisherigen Verhalten der Bundesregierung bei der Aufklärung der Bevölkerung über die Vor- und Nachteile eines allfälligen Eintritts Österreichs in die 3. Stufe der WWU. Nicht objektive und sachliche Information wird geboten, sondern der Bevölkerung wird eine Werbekampagne über die Europäische Währungsunion vorgesetzt, die "allen gesellschaftlichen Ebenen die Vorteile der WWU klarmachen und die Folgen eines eventuellen Nichtbeitritts verdeutlichen" soll, wie Bundeskanzler Dr. Vranitzky am 21. November 1996 in einer Pressekonferenz ankündigte, und Finanzminister Mag. Klima sekundierte, indem er meinte, daß es bis zur Einführung des Euro in Österreich darum geht, "gegen die emotionellen Widerstände der Bevölkerung eine Kampagne zu fahren, um sie überzeugen zu können" (OTS097, 22.11.1996). Diese Ankündigungen und Absichten seitens der Bundesregierung zeigen einmal mehr, daß das fehlende Vertrauen der Finanzmärkte in die geplante EWU, vor allem aber die mangelnde Zustimmung der Bevölkerung durch billige Werbung (Stichwort: Ederer-Tausender) wettgemacht werden soll. Eine entsprechende Glaubwürdigkeit und die notwendige Legitimation, die wesentliche Voraussetzungen und Grundbedingungen für einen erfolgreichen Start der EWU wären, können nicht durch eine Werbekampagne erreicht werden. Vielmehr erscheint vor einer derart weitreichenden Entscheidung, nämlich der Ablösung des österreichischen Schillings durch eine gemeinsame europäische Währung, den Euro, die Zustimmung der österreichischen Bevölkerung, die im Rahmen einer Volksabstimmung zum Ausdruck gebracht wird, unbedingt notwendig.


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In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Durch welche Maßnahmen wird sichergestellt, daß der Euro genauso hart sein wird wie der österreichische Schilling?

2. Werden Sie einen tendenziell weicheren Euro befürworten?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

3. Treten Sie hinsichtlich des von Deutschland vorgeschlagenen Stabilitätspakts für einen Automatismus von Sanktionen bei Verstößen gegen die Maastricht-Stabilitätskriterien ein?

Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

4. Welche Konvergenzkriterien wird Österreich 1997 voraussichtlich erfüllen und welche wird es nicht erfüllen?

5. Wird der österreichische Vertreter im Rat dafür eintreten, daß die Konvergenzkriterien durch eine politische Entscheidung weiter ausgelegt werden, damit eine möglichst große Zahl der EU-Mitgliedsstaaten von Beginn an an der 3. Stufe der WWU teilnehmen können?

Wenn ja, welche Kriterien können Ihrer Meinung nach um wieviel aufgeweicht werden?

6. Treten Sie, wie ua. vom Präsidenten des EGB, Verzetnitsch, gefordert, für die Aufnahme der Beschäftigung als zusätzliches Konvergenzkriterium ein?

Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

7. Wie bewerten Sie die Aussage des Präsidenten des EWI, Lamfalussy, der bezweifelt, daß der Euro positive Auswirkungen auf die Beschäftigung haben wird?

8. Treten Sie dafür ein, daß alle EU-Mitgliedsstaaten von Beginn an an der 3. Stufe der WWU teilnehmen?

Wenn ja, welche Auswirkungen hätte dies auf die Stabilität des österreichischen Schillings?

Wenn nein, welche EU-Mitgliedsstaaten sollten Ihrer Ansicht nach unbedingt eine gemeinsame europäische Währung einführen?

9. Sind Sie ebenfalls, wie der frühere Wirtschaftsminister, Dr. Ditz, der Auffassung, daß verschiedene Eintrittstermine der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu starken Wettbewerbsverzerrungen führen würden?

Wenn nein, warum nicht?

10. Können Sie in diesem Fall ausschließen, daß die traditionellen Hartwährungsländer zusätzliche Transferzahlungen an die schwächeren Mitgliedsstaaten leisten müssen?

Wenn ja, warum?

11. Was ist Ihrer Meinung nach die Folge, wenn man Länder von unterschiedlicher Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit in einer Währungsunion vereinigt?


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12. Welche Verluste würden in welcher Höhe für die österreichische Volkswirtschaft entstehen, wenn Italien – der zweitwichtigste Handelspartner Österreichs – nicht, Österreich hingegen von Beginn an an der 3. Stufe der WWU teilnimmt?

13. Gibt es seitens Ihres Ressorts über die Vor- und Nachteile einer einheitlichen Währung für Österreich Berechnungen oder Studien?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche und was besagen diese konkret für die verschiedenen Volkswirtschaftssubjekte, und wann werden Sie diese dem österreichischen Parlament zur Verfügung stellen?

14. Treten Sie vor Einführung des Euro in Österreich für eine österreichische Volksabstimmung ein?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt sollte diese erfolgen?

15. Sie treten in der Übergangszeit vom 1.1.2002 bis zum 30.6.2002 für eine doppelte Preisauszeichnung ein. Auf welche Höhe werden sich die Kosten dieser doppelten Preisauszeichnung belaufen, und wer soll für die anfallenden Kosten aufkommen?

16. Welche Schwierigkeiten erwarten Sie für die Unternehmen, insbesondere im Zeitraum 1999 bis 2002, in der es bei unbaren Transaktionen eine Parallelführung von nationaler Währung und dem Euro geben wird?

17. Wie hoch schätzen Sie die Kosten, die durch die Einführung des Euro den Unternehmen im Bereich EDV (Software im Bereich des betrieblichen Rechnungswesens etc.) Mitarbeiter(um)schulungen, Marketing etc. erwachsen werden?

18. Ministerpräsident Schröder vertritt die Ansicht, daß man eine offene Diskussion über Bedingungen und Risiken der EWU nicht dadurch unterbinden dürfe, daß man jeden Zweifler unter dem Vorwurf, der europäischen Idee zu schaden, diskreditiert. Teilen Sie diese Auffassung?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

19. Aus welchen Gründen erachten Sie es für notwendig, "gegen die emotionellen Widerstände der Bevölkerung eine Kampagne zu fahren"?

20. CA-Generaldirektor Dr. Schmidt-Chiari meinte in der ZiB 2 am 12.12.1996, daß im Zuge eines "Euro-fit"-Programms der CA 1000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Welche weiteren Arbeitsplatzverluste sind durch sog. "Euro-fit"-Programme im Zusammenhang mit der Einführung des Euro in Österreich in welcher Höhe und in welchen Branchen bzw. Institutionen zu erwarten?

21. Welche Maßnahmen beabsichtigen Sie zu setzen, um die österreichische Bankenwirtschaft "Euro-fit" zu machen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR vor Eingang in die Tagesordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erster Fragesteller erhält Herr Abgeordneter Dr. Haider zur Begründung der Anfrage das Wort. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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15.01

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Es ist sicherlich symptomatisch für das Thema, das wir gewählt haben, daß die beiden Regierungsparteien im wesentlichen auf der Flucht vor einer klaren Entscheidung im Zusammenhang mit der Aufgabe des Schillings und der Umstellung auf eine europäische Einheitswährung sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nur den Nowotny haben sie geschickt!)

Meine Damen und Herren! Für uns Freiheitliche ist das aber ein Thema, das von so grundlegender Bedeutung auch für die Zukunft dieses Landes ist, daß wir es als notwendig erachtet haben, heute eine Dringliche Anfrage einzubringen, weil uns die Nachrichten aus Dublin und das Verhalten der österreichischen Regierungsvertreter in Dublin einigermaßen irritiert haben.

Am 4. Dezember hat "Die Presse" unter dem Titel "Euro-Skepsis setzt Schilling unter Druck" deutlich gemacht, welch sensibles Thema die Währungsreform ist. Wenn sie nicht eindeutig gut und funktionell angegangen wird, wenn die Risiken nicht einigermaßen realistisch abgeschätzt werden, dann besteht in einem erheblichen Ausmaß die Gefahr, daß der Schilling und damit jene Menschen, die in Österreich auf den Schilling setzen, die Sparer, die Pensionisten, die Menschen, die Lebensversicherungen haben, die Menschen, die ein Vermögen gebildet haben, durch eine folgende abgewertete Euro-Währung auf der Strecke bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist es, was wir Freiheitlichen vermuten. Daher möchten wir, da es nur mehr 750 Tage sind, bis der Schilling abgeschafft werden soll, daran erinnern, daß es viele Versprechen gegeben hat: 1994 hat es im Zusammenhang mit der Abstimmung um den Beitritt zur Europäischen Union einen Werbespruch der Bundesregierung gegeben, der hieß: Wer ja sagt zur EU, sagt ja zu einem harten Schilling.

Heute sagt uns dieselbe Bundesregierung, die diesen Werbespruch abgegeben hat: Wir haben schon 1994 der Abschaffung des Schillings zugestimmt. – War das im Werbespruch "Wer ja sagt zur EU, sagt ja zu einem harten Schilling!" begründet? – Damals habe ich nichts von einer Aufgabe gelesen.

Noch 1996 sagte der Vizekanzler in einer Fernsehdiskussion: Der Euro kommt nur in Frage, wenn er mindestens so hart ist wie der Schilling und die D-Mark. – Ich darf Sie daran erinnern, daß es dieses Versprechen der Bundesregierung eigentlich notwendig gemacht hätte, in Dublin ein anderes Abstimmungsverhalten an den Tag zu legen. Denn wenn man wirklich will, daß der Euro so hart wird wie der Schilling, Herr Kollege Nowotny, dann hätte man jetzt dem vom deutschen Finanzminister Waigel geforderten Stabilitätspakt zustimmen müssen, der auch für die Folgejahre die Stabilität der Währung garantiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Waigel ist es nämlich, der gesagt hat: Wir müssen auch die Verantwortung für eine stabile Währung nach dem Prüfungszeitraum und nach dem Zeitpunkt der Einführung der europäischen Einheitswährung zum 1.1.1999 gewährleisten. Die anderen haben gesagt: So genau nehmen wir es nicht mit der Stabilität, sondern wir wollen einen größeren Interpretationsspielraum haben.

Interessanterweise stimmen dieselben Regierungsmitglieder, die hier von der Regierungsbank aus oder im Fernsehen oder bei Wahlveranstaltungen, ob Kanzler oder Vizekanzler, beteuert haben, daß der Euro mindestens so hart sein muß wie der Schilling, jetzt in Dublin einem weichen Euro, der weniger hart sein wird als der Schilling und weniger hart sein wird als die D-Mark, zu. Das ist der nächste Schritt nach dem Betrug an den Pensionisten: Mit dem Pensionistenbrief hat man die Österreicher auch in der Frage der Währungsreform hineingelegt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Man hat – um es deutlich zu sagen, meine Damen und Herren – eine ökonomische Frage wieder einmal politisch entschieden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das interessiert die Sozialisten nicht!)

Wir sind auf dem Weg in eine Inflationsgemeinschaft: weiche Währung, weich steigende Zinsen, steigende Arbeitslosigkeit. Das ist die entsprechende Linie, die eingeschlagen worden ist.


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Das ist eine Stabilitätspolitik, die mit Augenzwinkern versprochen wird. Warum sage ich "mit Augenzwinkern"? – Man braucht sich nur anzuschauen, wie das alles geplant ist: Die französische Telecom leiht der französischen Republik 80 Milliarden Francs, damit sie das Budgetgleichgewicht herstellt und die Maastricht-Kriterien zum Prüfungszeitpunkt 1999 erfüllt. Aber dann geht das Geld wieder zurück, und es hat sich nichts geändert.

Auch die österreichische Post leiht dem Finanzminister 5 Milliarden Schilling, um das Budgetgleichgewicht für die Maastricht-Kriterien herzustellen, um es dann wieder zurückzufordern beziehungsweise die Haftung der Republik zu übernehmen. Man ist also in Wirklichkeit gar nicht bereit, für eine dauerhafte stabile Währung, die den Schilling ersetzen soll und gleich stark sein soll, zu sorgen. Das haben sogar die Exponenten einer Euro-Währung in Österreich, etwa die Redakteure der "WirtschaftsWoche" in der jüngsten Ausgabe, erkannt. So schreibt etwa Christian Ortner: Nicht vertretbar ist es, in Brüssel einer Politik das Wort zu reden, "die tendenziell geeignet ist, den Euro letztlich ein bisserl weicher ausfallen zu lassen, als der Schilling derzeit ist – und gleichzeitig der besorgten Bevölkerung vollmundig zu versprechen, daß genau dies nicht passieren wird".

Genau das ist es, Sie verfolgen eine Doppelstrategie: Hier in Österreich sagen Sie: Keine Angst, der Euro wird so hart sein wie der Schilling!, aber in Brüssel verkaufen Sie die österreichischen Interessen, wie Sie das 1994 mit dem EU-Beitritt bereits getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist ein echter Bruch von Wahlversprechungen. Das ist ein echter Schlag gegen all jene Sparer, die darauf vertraut haben, daß der Schilling beziehungsweise eine Nachfolgewährung stabil sein wird. Das ist ein Bruch des Vertrauens gegenüber jenen Menschen, die sich durch ihren Fleiß, durch ihre Arbeit Vermögen geschaffen haben und jetzt auf diese Weise vor den Kopf gestoßen werden.

Das ist auch ein Kurswechsel in der österreichischen Politik. Ich kann mich erinnern, wie Kollege Nowotny hier immer wieder belehrend aufgetreten ist, wenn wir gefragt haben, ob wir uns so sklavisch an die D-Mark anlehnen müssen im Wert unserer Währung. Da hat Herr Kollege Nowotny gesagt, es gibt ein Prinzip in Österreich, das ist eine entschlossene Hartwährungspolitik, und ein stabiler Schilling ist die beste Voraussetzung für Arbeitsplätze. (Abg. Dr. Karlsson: Sie haben den Schilling schon lange abwerten wollen!)

Meine Damen und Herren! Gestern haben Sie die Kurve gekratzt: Jetzt sind Sie für eine weiche Währung (Beifall bei den Freiheitlichen), jetzt sind Sie für eine Abwertung, jetzt sind Sie für den Verlust von Arbeitsplätzen!

Meine Damen und Herren! Denn was heißt denn soziale Währung? (Weiterer Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson. ) Frau Kollegin! Sie sollten zuerst an der Hochschule das Einmaleins der Wirtschaftspolitik lernen, bevor Sie sich hier einmengen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Denn eine Partei wie die Sozialdemokraten ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson. ) Zwischenrufe nur vom Platz aus, liebe Frau Kollegin! Aber Sie sind noch nicht so lange im Parlament, Sie kennen sich nicht aus. Aber das ist Ihr Problem.

Eine weiche Währung, wie sie hier angestrebt wird, ist auch zweifelsohne verbunden mit dem Risiko, daß es zu einer Inflationsentwicklung kommt, und diese Inflationsentwicklung ist der erste Schritt, um weitere Arbeitslosigkeit zu schaffen.

Der "stern" von dieser Woche macht eine Reportage über die Situation vor der Einführung des Euro. Da schreibt man unter dem Kapitel Österreich: Mit sozialen Einschnitten und neuen Steuern setzt Kanzler Franz Vranitzky voll auf den Euro.

Mit sozialen Einschnitten und neuen Steuern setzt Kanzler Vranitzky auf den Euro. –

Das ist die Botschaft, die die Sozialdemokraten den Österreichern zu geben haben, nachzulesen in der neuesten Ausgabe des "stern" in Deutschland, der hier auch vorliegt. (Abg. Dr.


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Partik-Pablé: Was hat er versprochen?) Er hat versprochen, daß er rasch Arbeitsplätze schaffen wird, und vieles andere mehr.

Meine Damen und Herren! Die Hartwährungspolitik, so wie sie Kollege Nowotny immer eingefordert hat, hat sicherlich einen Bonus gehabt, zweifelsohne, und der Bonus war, daß es vor allem ein niedriges Zinsniveau gegeben hat. Dieses niedrige Zinsniveau ist wiederum wichtig für die Wirtschaft bei der Kreditaufnahme.

Wenn es geringere Kreditbelastungen für die Wirtschaft gibt, dann ist das wiederum gut für Investitionen in der Wirtschaft, und Investitionen sind ja bekanntlich die Voraussetzung, um Arbeitsplätze auf Dauer schaffen zu können. Aber von diesem Weg gehen Sie jetzt ab, Herr Kollege Nowotny! Zuerst haben Sie uns kritisiert, als wir die sklavische Bindung nicht mehr haben wollten, jetzt beschreiten Sie aber einen viel extremeren Weg: Sie opfern den stabilen Schilling und begeben sich in eine weiche Währung, von der die Experten sagen, daß sie eine Inflationswährung sein wird. (Abg. Mag. Stadler: Zu Lasten der Sparer!)

Sie verweigern sogar ÖGB-Präsident Verzetnitsch die Gefolgschaft in der Frage, ob man nicht das Kriterium der Arbeitslosigkeit noch zu den Grundlagen der neuen Währung machen sollte, wie Verzetnitsch es gefordert hat.

Wir wissen heute ganz genau, wenn der Wechselkursautomatismus wegfällt, dann bleibt nur mehr der Lohndruck als Regulator übrig. Es ist eine interessante Politik, daß Sie sich für den Lohndruck entscheiden, obwohl die Sozialdemokraten immer versucht haben, das in Abrede zu stellen, und daß Sie damit dem kleinen Mann wieder in die Tasche greifen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Ederer: Ist der Dollar hart oder weich?)

Meine Damen und Herren! Wir wissen heute ganz genau, daß es auf diesem neuen Weg, den man beschritten hat, keine Schuldendisziplin gibt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Ederer. ) – Geben Sie mir zuerst den Tausender, den Sie mir versprochen haben, bevor Sie da den Mund aufmachen, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Reichhold: Was ist mit dem Tausender?) Diese 1 000 S sind Sie noch vielen schuldig! (Abg. Mag. Stadler: Der Ederer-Tausender! Gitti!)

Meine Damen und Herren! Der Präsident des Deutschen Volksbanken- und Raiffeisenverbandes sagte jüngst in einem Interview mit dem "WirtschaftsBlatt": Mit dem Euro droht uns eine Inflationsgemeinschaft. – Das sagen auch andere Leute, die sehr lange und sehr erfahren im Geld- und Kreditgeschäft tätig sind. – Und er sagt ganz offen: Es gibt bei dieser Währung, die jetzt geplant ist und die nicht stabil sein wird, entweder die Möglichkeit, daß es eine Spaltung zwischen Arm und Reich innerhalb der EU geben wird, oder es werden die reichen Länder über steigende Transferzahlungen die Arbeitslosigkeit in den ärmeren Ländern finanzieren müssen.

Damit geben Sie zu, daß dieser Weg in eine weiche Währung auch bedeutet, daß Österreich als Nettozahler weitere Belastungen zur Linderung der Arbeitslosigkeit in unseren Nachbarländern wird hinnehmen müssen. Wenn das Ihre Politik ist, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, liebe Österreicher!, denn dann drohen ihnen wirklich neue Steuern, neue Abgaben und zugleich der Verfall einer traditionell stabilen Währung. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist nicht das, was wir uns vorgestellt haben.

Für uns sieht es so aus, daß in Wirklichkeit die Währungspolitik, die Vereinheitlichung der Währung – das weiß jeder – eigentlich der Schlußpunkt der Entwicklung sein sollte. Erst dann, wenn die Volkswirtschaften ausreichend harmonisiert sind, macht es Sinn, eine gemeinsame Währung anzugehen. Das Experiment einer Kunstwährung ohne Harmonisierung der Volkswirtschaften hat es in der Geschichte überhaupt noch nie gegeben. Daher kann es auch nicht funktionieren!

Denn wenn am Anfang nur der kleine harte Kern – Deutschland, Holland, die Benelux-Staaten und Österreich – versucht, diese Währungsunion zu bilden, dann bleibt Italien draußen und damit unser zweitwichtigster Handelspartner. Damit schädigen wir unsere Interessen, weil die


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Italiener weiter abwerten, unsere Exportgeschäfte ruinieren und den Tourismus gefährden können. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

Kollege Kukacka! Nehmen wir aber die Italiener herein und bilden eine große Gemeinschaft, dann haben wir unter den Bedingungen, wie die Regierung sie jetzt ausgehandelt hat, eine Inflationsgemeinschaft mit einer weichen Währung, die schlechter als der Schilling ist. Damit verbunden sind eine Inflationstendenz, steigende Zinsen für die Wirtschaft, auch die Gefahr des Verlusts von Arbeitsplätzen und erhöhte Transferzahlungen, die wir an die ärmeren Länder zu leisten haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist keine gute Politik! Daher sage ich Ihnen: Unser Ziel ist es, zu erreichen, daß wir die österreichische Bundesregierung und die Mehrheit in diesem Hause davon überzeugen, daß, bevor die Aufgabe des Schillings erfolgt, im Rahmen einer Volksabstimmung der österreichischen Bevölkerung das Recht eingeräumt werden soll, darüber zu entscheiden, ob sie wirklich den Schilling zugunsten einer weichen Währung aufgeben will. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In jedem demokratischen Land der Welt ist es selbstverständlich, daß das Volk in einer so entscheidenden Frage konsultiert wird. Dänemark hat abgestimmt. Das dänische Volk hat nein gesagt. Daher ist Dänemark jetzt nicht beim schwindligen Euro-System dabei, das jetzt ausgehandelt worden ist. Die Deutschen müssen noch im Bundestag darüber abstimmen, und die Schweden im Reichstag.

Nur in Österreich fährt man drüber und sagt: Mit der Abstimmung 1994 ist alles erledigt. Die Bevölkerung hat in dieser Frage nichts zu reden. – Das machen Sie in einer Situation, in der Experten wie etwa Bundesbankpräsident Dr. Tietmeyer sagen: Die Währungsunion ist im wirtschaftlichen Sinn absolut nicht notwendig.

Der ehemalige Bundesbankpräsident Dr. Pöhl – ein Sozialdemokrat – sagte in einer Ausgabe der "WirtschaftsWoche" vor wenigen Wochen: Einen harten Euro kann wirklich niemand versprechen. Auch SPD-Ministerpräsident Schröder hat gestern in einer Debatte ganz massiv darauf hingewiesen.

Frau Kollegin Ederer, mit Ihren 1 000 S, die Sie uns noch schuldig sind: Sie wollen nur deshalb eine schwindlige Währung haben, damit Sie weniger zurückzahlen müssen! Damit werden Sie Ihre Schulden bei den Österreichern los! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Frau Ederer lacht nur darüber!)

Herr Generaldirektor Randa, der ja von der linken Reichshälfte als großer Generaldirektor gelobt wird, äußerte Bedenken im Sparkassenausschuß. Ich zitiere aus dem Protokoll: Zur für den 1. Jänner 1999 geplanten Einführung einer einheitlichen europäischen Währung weist Randa auf die umstellungsbedingte Kostenbelastung und die völlig neuen Dimensionen betreffend die Produktpalette und Konkurrenzlandschaft hin. Schon jetzt, so sagte Randa, kann eine Skepsis des Marktes bei längerfristigen Veranlagungen in EU-Währungen beobachtet werden, wobei für die Veranlagungen in Schweizer Franken unsere Schweizer Tochter an Bedeutung gewinnen wird. – Zitatende. (Abg. Mag. Stadler: So! so! Angeblich so ein armer Staat!)

Das heißt, die Bank Austria sichert sich bereits ab und sagt: Wir müssen das Institut in der Schweiz ausbauen, weil die Fluchtwährung, wenn der Euro kommt, der Schweizer Franken sein wird, und da können wir mit der Tochter der Bank Austria in der Schweiz ein Bombengeschäft machen. (Abg. Mag. Stadler: Die verabschieden sich schon! So ist es!) Das sind die wirtschaftspolitischen Realitäten, mit denen Sie konfrontiert sind.

Daher sage ich Ihnen: Wir wollen, daß das Volk vor der Aufgabe des Schilling abstimmen darf und sich die Regierung nicht heimlich nach Dublin schleichen kann, um dort unsere Währung zu Grabe zu tragen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch Sie von der Österreichischen Volkspartei sind gefordert, denn auch Ihr Herr Schüssel hat diesem Weg zugestimmt, obwohl er etwas ganz anderes versprochen hat. Sie verschlafen diese


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wirtschaftspolitischen Entwicklungen genauso, wie Sie die ganze Frage der CA-Privatisierung verschlafen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch das hat Ihnen heute schon gedämmert.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Zuerst haben Sie sich bei diesem Deal zwischen CA und Bank Austria empört und gemeint, daraus werde eine Koalitionsfrage. Aber in Wien bildeten Sie eine Koalition mit der SPÖ und stimmten allem vor wenigen Wochen zu, nämlich daß weiterhin eine kommunalisierte Großbank existieren soll. (Abg. Mag. Kukacka: Sie stimmen ja auch zu! Sie sind dafür!)

Herr Kukacka! Ich darf Ihnen nachhelfen. Sie haben ja noch etwas vergessen. (Abg. Mag. Kukacka: Sie sind für den Deal der Bank Austria!) Sie haben im Frühjahr des heurigen Jahres als Abgeordneter – leihen Sie mir Ihre geneigte Aufmerksamkeit! – mit dafür gestimmt, daß die Konsolidierungsbestimmungen nach dem Bankwesengesetz geändert werden und daß die ÖVP zustimmt, daß die Bank Austria bis zum Jahre 2000 die Konsolidierungsbestimmungen nicht einhalten muß, daher 11 Milliarden Schilling Eigenkapital nicht bilden muß und daher nun das Körberlgeld hat, um die CA zu kaufen. Das ist dank Ihrer Politik passiert, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In der Zwischenzeit ist schon die fünfte Kolonne der Sozialdemokratie im Raiffeisenlook unterwegs und will einen Deal hinter dem Rücken der ÖVP machen, damit, wenn die Bank Austria die CA schluckt, eben auf der anderen Seite der Raiffeisenriese die PSK schluckt. Dann wäre der Deal perfekt.

Das werden wir aber nicht zulassen, meine Damen und Herren! Wir werden Ihnen heute die Möglichkeit geben, über einen Antrag abzustimmen, und zwar über die Privatisierung in diesem Bankenbereich. Denn wenn große Fusionen mit der Zielrichtung, daß wir am Standort Österreich auch eine bedeutende Bank haben, die international von Wichtigkeit ist, Sinn machen sollen, dann darf das nicht ein Duell zwischen der roten und der schwarzen Reichshälfte um die Vormachtstellung im Bankenbereich sein. Das wird nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn wir in der Lage sind, im Parlament diesen rot-schwarzen Bankenpoker zu beenden, und zwar durch eine volle Privatisierung der rot-schwarzen Bankenlandschaft. Das können Sie heute mitvollziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was soll sich denn der kleine Gewerbetreibende, der Wirtschaftstreibende denken, wenn er nur mehr in parteipolitischen Kategorien denken muß, wenn er vor der Entscheidung steht, einen Kredit aufzunehmen, weil es Ihnen – auch bei der CA-Privatisierung! – fünf Jahre hindurch nur darum gegangen ist, den ÖVP-Hoheitsbereich zu sichern?

Jetzt sind Sie dabei selber auf die Nase gefallen, weil Sie falsch taktiert und falsch verhandelt haben. Weil jetzt die Roten zuschnappen, ist das große Wehklagen ausgebrochen.

Wir geben Ihnen die Gelegenheit, in diesem Bereich Ordnung zu machen. Beseitigen Sie mit einem klaren Gesetzesauftrag in Richtung volle Privatisierung der österreichischen Bankenlandschaft diese rot-schwarze Proporzwirtschaft! Dann werden Sie auch unsere Unterstützung bekommen. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand hat sich die den Herrn Bundesminister für Finanzen vertretende Frau Bundesminister Dr. Christa Krammer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.

15.21

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die heutige Dringliche Anfrage kann ich Ihnen versichern, daß die österreichische Bundesregierung ihren stabilitätsorientierten Kurs der Wirtschaftspolitik, den sie in der Vergangenheit verfolgt hat, ungeachtet Ihrer und anderer Zwischenrufe mit stetig sich ändernden Standpunkten, weiterverfolgen wird.


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(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist eine gefährliche Drohung!) Dies wird durch die ebenfalls stabilitätsorientierte Währungspolitik der Oesterreichischen Nationalbank unterstützt.

Ein gewisses Erstaunen muß der Zeitpunkt der Anfrage jedoch bei jedem halbwegs aufmerksamen Leser von Zeitungen auslösen. Bekanntlich fand gestern abend bis in die heutigen frühen Morgenstunden eine Sitzung des ECOFIN-Rates in Dublin statt. Heute und morgen finden die Beratungen der Staats- und Regierungschefs statt, wobei die Finanzminister anwesend sein werden. Wie Sie wissen, werden dort genau jene Themen behandelt, die einem Teil der Anfrage zugrunde liegen. Wie Sie weiters sogar den Medien entnehmen können, nimmt die österreichische Bundesregierung hiebei eine Haltung ein, die sich auf den EU-Vertrag stützt und die Stabilität der zukünftigen europäischen Währung sicherstellt.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Durch den bewährten Kurs der österreichischen Wirtschaftspolitik wurde erreicht und sichergestellt, daß der Schilling weltweit zu einer der härtesten Währungen zählt. (Abg. Haigermoser: Darum geben wir sie auf!) Dies hat unserem Land deutliche und von der Wissenschaft ausgewiesene wirtschaftliche Vorteile gebracht, die von einer Verbilligung von Importen, einer Stabilisierung der Erwartungshaltung von Exporteuren bis hin zu – im europäischen Vergleich – außerordentlich niedrigen Zinsen gereicht haben. (Abg. Haigermoser: Halleluja!)

Wie Sie wissen, ist gemäß den Bestimmungen des EU-Vertrages vorgesehen, mit 1. Jänner 1999 in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion einzutreten. Das ist auch von den EU-Staats- und Regierungschefs anläßlich der Sitzung des Europäischen Rates im Dezember 1995 in Madrid bekräftigt worden.

Den Bestimmungen dieses Vertrages ist Österreich aufgrund der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 und des Beitrittes zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 beigetreten. Seitens der österreichischen Bundesregierung wurden die Bestimmungen über die Währungsunion stets als mit dem österreichischen Stabilitätsziel voll vereinbar betrachtet, wobei mit der Herstellung eines gemeinsamen Währungsraumes in der EU zusätzliche wirtschaftliche Vorteile für Österreich verbunden sein werden.

Zusätzlich zu den Bestimmungen des EU-Vertrages selbst haben im Laufe des vergangenen Jahres weitere Beratungen stattgefunden, deren Ergebnisse in der heutigen Sitzung des EU-Rates beratschlagt beziehungsweise beschlossen werden sollen. Dazu zählen neben der sogenannten Euro-Verordnung, mittels derer das Währungsrecht des Euro festgelegt wird, das sogenannte EWS II, mittels dessen durch die Vermeidung von Währungsschwankungen zwischen dem Euro und den Währungen der Nichtteilnehmer für Stabilität gesorgt wird, sowie der Stabilitätspakt, dessen Zielrichtung die Konkretisierung der bereits im EU-Vertrag festgelegten primärrechtlichen Bestimmungen ist.

Hiedurch wird sichergestellt, daß die Mitgliedstaaten tatsächlich dem im Vertrag festgelegten Erfordernis der budgetären Stabilität folgen. Dies steht auch im Einklang mit dem budgetpolitischen Kurs der österreichischen Bundesregierung, deren Zielrichtung es ist, nicht Konsolidierung um der Budgetkonsolidierung willen zu betreiben, sondern durch eine sparsame Politik mit Augenmaß einen künftigen Spielraum für eine aktive Wirtschaftspolitik wiederzugewinnen.

Auch mittels dieser Maßnahmen wird sichergestellt, daß der Euro so hart wie der Schilling sein wird. Dies wird auch nicht zuletzt durch die Europäische Zentralbank gesichert, deren Mandat auf eine Aufrechterhaltung der Preisstabilität ausgerichtet ist.

Österreich erfüllt bereits jetzt wesentliche Voraussetzungen, um diesem stabilitätsorientierten Kurs gerecht zu werden und hievon zu profitieren. Dies bedeutet natürlich nicht, daß nicht auch in Hinkunft die Wirtschaftspolitik durch strukturelle Maßnahmen sicherzustellen hat, daß die Wettbewerbfähigkeit der österreichischen Volkswirtschaft gewahrt und verbessert wird. Durch die Verbesserung der budgetären Rahmenbedingungen wird bis Ende 1997 ein Erreichen sämtlicher Konvergenzkriterien sichergestellt werden, ohne daß es – wie bei einigen Vorschlägen der Freiheitlichen – zu einem Zusammenbruch des Systems der sozialen Absicherung kommt.


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Die Währungsunion schafft lediglich positive Rahmenbedingungen, auf denen national aufzubauen ist. Im Gebiet der Währungsunion entfallen nicht nur Umtauschaktionen für private Unternehmungen, sondern es wird durch die Vollendung und Ergänzung des Binnenmarktes durch eine einheitliche Währung dessen Konsistenz und Kohärenz gewährleistet. Dies wird sicherstellen, daß die daran teilnehmenden Volkswirtschaften zu ähnlichen Bedingungen wie innerhalb eines Staates operieren können. Dies sollte mittel- und langfristig positive Wettbewerbseffekte für die europäische Volkswirtschaft und daher natürlich auch für die österreichische Volkswirtschaft haben.

Besonders wichtig im Zusammenhang mit den Beschlüssen über die Wirtschafts- und Währungsunion sind die Beratungen der Staats- und Regierungschefs über Maßnahmen einer gesamteuropäischen Beschäftigungspolitik. Dabei wurden im irischen Vorschlag über das Ergebnis der laufenden Regierungskonferenz die österreichischen Vorstellungen über ein Beschäftigungskapitel weitgehend übernommen, die auch auf breite Zustimmung stoßen. Damit wird ein vernünftiger Ansatz gewählt, nicht zusätzliche Formalkriterien für die Wirtschafts- und Währungsunion einzubauen, sondern einen darüber hinausgehenden Rahmen für aktive Beschäftigungspolitik festzulegen.

Unbestritten ist, daß im Bankenbereich gewisse Geschäftsfelder entfallen werden, vor allem jene, die derzeit auf den Umtausch von Devisen ausgerichtet sind. In der gesamten EU und auch in Ländern, die nicht in der EU sind, finden derzeit verstärkte Rationalisierungsanstrengungen im Bankensektor statt. Wie aber bereits Äußerungen hochrangiger Bankenvertreter zu entnehmen ist, arbeiten unsere Finanzdienstleistungsunternehmen daran, neue Geschäftsfelder zu erschließen, sodaß der Übergang zum Euro und die auch sonst erforderlichen Restrukturierungen ihres Geschäftes mit möglichst geringen negativen Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in diesem Sektor bleiben. (Abg. Haigermoser: Das glaubt doch kein Mensch! Lesen Sie keine Zeitungen?)

Dies wird durch eine positive Arbeitsmarktbilanz ergänzt werden, die durch die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Volkswirtschaft erzielt werden sollte. Der wesentlichste kurzfristige Effekt wird jedoch sein, daß im Laufe weniger Jahre Abwertungen wesentlicher Handelspartner nicht mehr Arbeitsplätze österreichischer Unternehmen beziehungsweise österreichischer Arbeitnehmer gefährden können. Ich bin mir bewußt, daß dies für manche nicht von Interesse ist, meine aber doch, daß der Großteil der österreichischen Arbeitnehmer diesem Ziel der Wirtschaftspolitik, nämlich der Sicherung von Arbeitsplätzen, doch etwas abgewinnen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Sinne der Geschäftsordnung des Nationalrates wird die Beantwortung der einzelnen Fragen im Detail schriftlich erfolgen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir beginnen nun die Debatte. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die Bestimmungen der Geschäftsordnung vorsehen, daß keinem Redner mehr als 10 Minuten und keinem Klub mehr als 25 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. – Bitte.

15.30

Abgeordneter Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Frau Bundesministerin erklärte uns in der Beantwortung der Dringlichen Anfrage, daß die Nationalbank die Stabilitätspolitik der Bundesregierung unterstütze.

Frau Bundesminister! Mit der Einführung einer europäischen Einheitswährung kann die österreichische Notenbank diese Stabilitiätskriterien nicht mehr unterstützen, da diese Kompetenz an die Europäische Zentralbank übergeht. – Erste Feststellung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Zweite Feststellung: Frau Bundesminister! Sie sagten – ich habe nicht im Traum erwartet, diese Meinung von der Regierungsbank zu hören –, daß das Europäische Währungssystem II die Stabilität des Euro und der anderen Währungen in Europa garantieren wird.

Meine Damen und Herren! Das EWS II wird eine Schwankungsbreite von 15 Prozent nach oben und nach unten aufweisen. Wie kann man da bitte von stabilen Verhältnissen sprechen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drittens: Frau Bundesminister! Heute morgen hörte ich in den Nachrichten, daß in der vergangenen Nacht die Stabilitätskriterien, an die sich Österreich lange Zeit gehalten hat, von Finanzminister Klima in einer Nachtsitzung des ECOFIN-Rats geopfert wurden. Hier von der Regierungsbank aus erklärte er uns immer wieder, daß es einen stabilen Euro als Nachfolger eines stabilen Schillings, eines stabilen holländischen Guldens, einer stabilen deutschen D-Mark geben wird.

Was passierte aber jetzt? – Die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland verkündeten vergangene Nacht bei den Verhandlungen des ECOFIN-Rates, daß ein automatischer Eingreifmechanismus notwendig sei, falls die Budgetdefizite der einzelnen Länder überborden sollten und in weiterer Folge die Stabilität des Euro gefährden würden. Nur die Niederlande und Deutschland waren dieser Meinung. Alle anderen Länder haben gemeint, mit einer Art Augenzwinkern da durchkommen zu können. Sie dachten, daß es ohne weiteres möglich sein würde, eine Möglichkeit zu schaffen, über die 3 Prozent Neuverschuldung zu gehen und auch die 60 Prozent Gesamtverschuldung etwas zu überschreiten.

Frau Bundesminister! Das ist die wirkliche Crux an der Sache: Mit diesem Augenzwinkern gefährden Sie die europäische Einheitswährung schon von Anfang an (Beifall bei den Freiheitlichen) , und zwar deswegen, weil das ja nicht nur eine europäische Angelegenheit ist. Der Euro liegt am Präsentierteller der internationalen Finanzwelt. Daher meinen wir, daß alle 15 EU-Länder daran teilnehmen müssen, wenn dieses Experiment – und es ist ein Experiment der Finanz- und Währungswissenschaft – überhaupt gelingen soll. Es ist unmöglich, ein Europa der zwei Geschwindigkeiten zu haben, in dem sechs oder sieben Staaten an der Währungsunion teilnehmen – und die restlichen Mitgliedsstaaten befinden sich im EWS II mit einer Schwankungsbreite von 15 Prozent nach oben oder 15 Prozent nach unten. – Das ist in hohem Maße unseriös, aber Finanzminister Klima hat dem heute nacht einfach zugestimmt. Er läßt damit eine Situation einreißen, bei der zwar das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, bei der aber gewissermaßen schon in Klammern steht, daß man auch bei einem 1,5prozentigen Sinken des Wirtschaftswachstums die 3-Prozent- beziehungsweise die 60-Prozent-Verschuldensgrenze überschreiten kann.

Ich bringe daher, auch weil die Akzeptanz der Bevölkerung da wirklich nicht klar ist, namens meiner Fraktion folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schreiner und Kollegen betreffend eine Volksabstimmung über die Teilnahme Österreichs an der Einheitswährung "Euro"

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, in den Verhandlungen zur Einführung der zukünftigen gemeinsamen Währung den österreichischen Standpunkt klarzustellen, daß

1. eine Teilnahme Österreichs an der Einheitswährung nur dann in Betracht kommt, wenn die gemeinsame Währung gegenüber dem österreichischen Schilling keine Einbuße an Stabilität mit sich bringt, und


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2. eine Teilnahme Österreichs nach vorheriger Durchführung einer Volksabstimmung erfolgen wird.

*****

Ich bringe auch noch einen weiteren Entschließungsantrag ein, weil es uns bei der Budgetpolitik auch darum geht, daß es nicht angeht, daß wir an einer europäischen Einheitswährung teilnehmen, ohne zu wissen, ob wir unser Haus gut bestellt haben. Der Bundesfinanzminister hat nämlich mit hängender Zunge die Budgets 1996 und 1997 durchgepeitscht und behauptet, er würde so die Konvergenzkriterien erreichen. Die Situation danach interessiert ihn nicht mehr, so nach dem Motto: Hinter mir die Sintflut!

Wir benötigen daher Finanzmittel, die durch Privatisierung von Bundesbeteiligungen ohne weiteres aufgebracht werden könnten, um das Budget gänzlich oder teilweise zu sanieren.

Ich bringe daher folgenden weiteren Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen betreffend echte (das heißt vollständige) Privatisierung der Bank Austria und der Creditanstalt

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, für eine ehestmöglich echte (das heißt vollständige) Privatisierung der im unmittelbaren und mittelbaren Eigentum der Gebietskörperschaften oder sonst in dem Einflußbereich stehenden (zum Beispiel AVZ) Anteile an der Bank Austria und der Creditanstalt einzutreten. Der Verkauf der Bundesanteile an der Creditanstalt an die Bank Austria soll unter der Bedingung einer zukünftigen echten (das heißt vollständigen) Privatisierung der Bank Austria erfolgen."

*****

Nun noch ein weiterer Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Trattner und Kollegen betreffend Beschäftigungsoffensive mit Privatisierungserlösen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, nach Möglichkeiten 50 Prozent des Verkaufserlöses der Bundesanteile an der Creditanstalt, zumindest aber jenen Mehrerlös, der aufgrund des nunmehrigen Letztanbotes zu erzielen ist, im Rahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik für eine Beschäftigungsoffensive zu verwenden."

*****

Hohes Haus! Dieser dritte Entschließungsantrag ist auch deswegen wichtig, weil wir gerade durch die Einführung des Euro dringend beschäftigungspolitische Maßnahmen benötigen. In Österreich werden wir alleine im Bankenbereich an die 20 000 bis 25 000 Arbeitsplätze verlieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden erhebliche Nachteile zu spüren bekommen, wenn lediglich sechs bis sieben Länder den Euro einführen, während die übrigen Länder draußen bleiben. Österreich ist schon jetzt Nettozahler, aber dann werden wir vermutlich eine zweite Entwicklungshilfeaktion starten


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müssen: mit jährlichen Zahlungen um die 20 bis 30 Milliarden Schilling. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend: Ich meine, daß das Experiment Euro sozusagen die Krönung eines Binnenmarktes sein könnte, allerdings am Ende dieser Entwicklung – aber nicht jetzt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die drei referierten Entschließungsanträge entsprechen den Bestimmungen der Geschäftsordnung und stehen daher mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte sehr.

15.39

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es ist eigenartig: Da gibt es offensichtlich eine alte, aber irgendwie unglückliche Liebe des Herrn Dr. Haider zur Währungspolitik. Er macht immer wieder währungspolitische Vorstöße – und jedesmal endet es mit einer Blamage. Und so war es auch heute bei seiner Rede. (Beifall bei der SPÖ.- Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich könnte hier eine ganze Chronik solcher Blamagen vortragen, möchte mich jetzt aber nur auf ein paar beschränken; es sind das alles APA-Aussendungen.

12. Juni 1992 – ich zitiere –: Haider behauptet, daß die Währungsreserven Österreichs gesunken sind. (Abg. Haigermoser: Erzählen Sie uns, was Sie wollen!) Tatsächlich aber sind sie gestiegen! – Nur ein paar Fakten, damit man weiß, was von Ihren Aussagen zu halten ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Am 18. August 1992 schlägt Haider vor, mittels einer Auflösung von 50 Prozent der Notenbankreserven das Budget zu sanieren. – Jetzt wissen Sie, was davon zu halten ist! Das wäre glatte Geldschöpfung mit inflationären Effekten. Das ist der Mann, der sich heute heuchlerisch hier um die Stabilität der Währung bemüht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Das ist Gewalt der Sprache! – Abg. Mag. Schreiner: Selber heuchlerischer Oberlehrer! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich rüge immer solche Ausdrücke und bitte, das zu unterlassen. – Bitte setzen Sie fort!

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (fortsetzend) : Ich werde keine Adjektive mehr verwenden, denn die Tatsachen sprechen für sich. Ich brauche hier überhaupt keine Adjektive zu verwenden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Am 30. Oktober 1992 wird Haider schon etwas vorsichtiger, denn da verlangt er nur mehr, 60 Milliarden Schilling aus den Währungsreserven heranzuziehen. Man muß also zugeben, es gibt bei ihm gewisse Lernprozesse, wenn auch nur sehr langsame, denn am 14. Jänner 1993 verlangt Haider nur noch, 20 Milliarden Schilling aus den Währungsreserven heranzuziehen.

Das heißt, Herr Dr. Haider, Sie haben einen sehr lockeren Umgang mit der Notenbank und mit Währungsreserven, der Sie eigentlich völlig disqualifziert, zu diesem Thema überhaupt das Wort zu ergreifen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Verschwender!)

Ich betone: Die Regierung und die Oesterreichische Nationalbank – die ich überhaupt nicht in das politische Spektrum hineinbringen möchte, aber es muß gesagt werden – haben im währungspolitischen Bereich stets verantwortungsbewußt gehandelt. Die Währungspolitik wird daher auch in Zukunft in guten Händen sein. Eine Währungspolitik à la Haider hingegen wäre eine Währungspolitik der Spekulation, eine Währungspolitik des Hasardierens, eine Politik von jemandem, dem es nicht um die Sache, sondern nur um politisches Kleingeld geht. Und dafür stehen wir Sozialdemokraten nicht! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wie unseriös das ist, zeigt sich auch in der heutigen Dringlichen Anfrage. Schon der erste Absatz, Herr Dr. Haider, zeigt den Unernst, mit dem Sie an die Sache herangehen, wenn Sie eine Dringliche Anfrage an Finanzminister Klima stellen, obwohl Sie genau wissen, daß er sich derzeit in Dublin aufhält. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Dr. Vranitzky, Dr. Schüssel und Mag. Klima arbeiten in Dublin für Österreich. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie aber, Herr Dr. Haider, arbeiten hier gegen Österreich: Sie wollen Angst schüren, und Sie wollen Ihre politischen Spielchen treiben. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Sie betreiben nur Polemik! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin, offen gesagt, nicht bereit, auf diese Fülle von Halbwahrheiten und Verdrehungen im einzelnen einzugehen. (Abg. Dr. Krüger: Sie sind dazu nicht in der Lage!) Ich bin aber bereit, Ihnen etwas anderes anzubieten. Ich bin bereit, Ihnen eine Chance zu geben, einmal in aller Objektivität und Nüchternheit über einige Punkte der EWU hier zu diskutieren, und ich wende mich ...(Abg. Dr. Graf: Kollege Nowotny! Früher habe ich geglaubt, Sie sind ein wirklich fundierter Wissenschaftler! Jetzt weiß ich, daß Sie genauso ein Parteipolitiker sind wie alle anderen Kollegen! Sie betreiben nur Polemik!)

Herr Kollege! Ich biete jenen von Ihnen, die interessiert sind, eine Chance, darüber zu diskutieren. Jenen, die nicht daran interessiert sind, die nur schreien wollen, würde ich empfehlen, das draußen zu machen. Ich glaube aber, es würde ihnen etwas entgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zunächst einmal bitte ich Sie um eine ganz praktische und nüchterne Überlegung. Wir alle wissen: Der Euro wird nur kommen, wenn Deutschland mitmacht, das ist doch völlig klar. (Rufe bei den Freiheitlichen: Hört, hört! "Neue" Erkenntnisse!)

Wenn Deutschland aber mitmacht, dann ist es doch wohl selbstverständlich, daß es für Österreich sinnvoll ist, ebenfalls an der Währungsunion teilzunehmen. Das ist doch das einzig realistische Szenario. Es ist doch klar, daß Österreich an diesem Szenario mitmachen muß. Alles andere würde doch bedeuten, daß Österreich sich von der europäischen Entwicklung und auch von der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland währungspolitisch abkoppelt. – Daß Sie dafür eintreten, das sollten Sie einmal ganz deutlich sagen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Fragen Sie das Volk!)

Herr Dr. Haider! Man kann es auf die simple Formel bringen: Wenn der Euro kommt, dann kommt er mit Deutschland und dann heißt das für Österreich eine Fortsetzung der bisherigen Hartwährungspolitik. Das ist doch währungspolitisch eine Politik der Kontinuität! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Wissenschaftlich gehen Sie an die Angelegenheit nicht heran! – Abg. Ing. Reichhold: Eine Frage an Sie: Sind Sie für die währungspolitische Teilung Europas?)

Wir sind dafür, daß der österreichische Schilling das gleiche Schicksal hat wie die D-Mark und daß beide gemeinsam in einem harten Euro aufgehen. Das ist doch eine vernünftige Politik. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schreiner. ) – Herr Kollege Schreiner! Ich schätze Sie sehr, aber ich kann mich immer nur mit einem Zwischenrufer unterhalten. (Abg. Ing. Reichhold: Aber Sie weichen der Frage aus!)

Zur Frage, ob ich für eine währungspolitische Teilung Europas bin: Dazu muß ich deutlich sagen: Wenn wir einen harten Euro wollen, so ist es klar, daß nicht gleich im ersten Moment alle europäischen Staaten mitmachen können. Man muß das aber bitte mit dem gegenwärtigen Zustand vergleichen: Derzeit haben wir einen Binnenmarkt mit 15 Staaten und 14 Währungen. Wir streben mit dem Euro einen Binnenmarkt an, wo zumindest für einen Stabilitätskern eine einheitliche Währung besteht. Die anderen europäischen Staaten sollen jedoch die Chance haben, zu diesem Stabilitätskern aufzuschließen. – Das ist eine vernünftige Argumentation, und darüber gibt es ja auch breitesten Konsens. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Ein Einwurf, Herr Professor!) Sie müssen nicht aufzeigen, ich höre Sie auch so. Aber Sie können gerne etwas sagen. (Abg. Ing. Reichhold: Sie stehen damit im Widerspruch zur ursprünglichen


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Argumentation! Sie hängen Ihr Fähnlein in den Wind! Vor Beginn der Einführung der Euro-Währung war das ein Dogma! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Lieber Herr Kollege! Sie haben zwar brav aufgezeigt, aber Sie haben nicht gut zugehört. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich versuche ohnehin, Ihnen das zu erklären. Aber leider kann ich es Ihnen nur einmal erklären, öfter erlaubt es meine Redezeit nicht. (Abg. Dr. Graf: Als Wissenschaftler müssen Sie alle Varianten untersuchen!)

Eine Reihe von europäischen Staaten schließt sich zu einem Stabilitätsbereich zusammen, der der Kern einer gesamteuropäischen Währungsunion ist. Diesen stabilen Kern von Staaten sehen wir als Fortsetzung der österreichischen Hartwährungspolitik. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Die Kärntner Bauern verlieren den oberitalienischen Markt! – Abg. Dr. Graf: Ein schweres Schicksal als Wissenschaftler! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich würde mir wünschen – vielleicht könnten Sie ein bißchen leiser sein –, über dieses zweifellos wichtige Thema ruhig und seriös, wie das wünschenswert wäre, diskutieren zu können. Dies ist leider im Augenblick nicht möglich, aber ich lade Sie dazu ein.

Ich versichere Ihnen, daß die Position der Bundesregierung, die von der Sozialdemokratie voll unterstützt wird, lautet: Wir wollen einen stabilen Euro! Wir werden ihn zu den entsprechenden Bedingungen bekommen. Die Europäische Währungsunion wird sowohl Preisstabilität als auch entsprechende beschäftigungspolitische Impulse bringen. Das ist unsere Aufgabe, und dieses Ziel werden wir erreichen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Er hat das Wort.

15.48

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Gestatten Sie mir, im Anschluß an die Ausführungen meiner Vorredner ein paar Worte zur Europäischen Währungsunion zu sagen.

Kluge Leute haben schon in den fünfziger Jahren eine Prognose abgegeben, zum Beispiel Jacques Rueff, der Berater von Charles de Gaulle, der Ende der fünfziger Jahre meinte, ein gemeinsames Europa werde es entweder als Währungsunion oder überhaupt nicht geben.

Was ist damit gemeint, meine Damen und Herren? – Ein Binnenmarkt ohne gemeinsame Währung ist ein Fragment, gleichsam ein Torso, der auf Dauer keinen Bestand hat. Das heißt, die Frage der Währungsunion ist nicht, wie manche glauben, lediglich eine währungspolitische Frage, sondern es ist das eine zutiefst politische Frage, eine Frage im Sinne der Zukunft unseres Kontinents, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir von der Volkspartei haben uns seit jeher dazu bekannt: Wir wollen diese Friedenskonzeption für Europa, die allerdings die Währungsunion als wirtschaftliches Fundament braucht, um jenes gemeinsame Europa zu schaffen, das weit ins nächste Jahrtausend hinein den Frieden in Europa sichern wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir jetzt, zum zweiten Hauptthema der heutigen Diskussion Stellung zu nehmen, nämlich zur Frage der Privatisierung der Creditanstalt, ein Thema, das derzeit sehr viele Menschen in unserem Lande zu Recht bewegt.

Meine Damen und Herren! Ich habe hier vor zwei Tagen, und zwar bei der Debatte um die Steueranpassungsgesetze, gemeint, jede Transaktion, die hier erfolgt, wird von uns an ordnungspolitischen Grundsätzen gemessen.

Da gibt es einen Grundsatz, der auch im Regierungsprogramm sehr deutlich verankert ist, nämlich daß sich die öffentliche Hand von unternehmerischen Funktionen zurückziehen soll. Das bedeutet die vollständige Privatisierung öffentlichen Eigentums dort, wo es um unternehme


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rische Funktionen geht. Wir stehen zu diesem Passus im Koalitionspakt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Österreichische Volkspartei hat über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg immer die ordnungspolitische Position bezogen. Egal, in welchen Bereichen: Wir wollen keine Machtzusammenballungen haben! Wir wollen auch auf dem Geld- und Kreditsektor keine Machtzusammenballungen zu Lasten der mittelständischen Wirtschaft und zu Lasten der kleinen Sparer, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Jede konkrete Transaktion wird an diesen Grundsätzen gemessen. Jetzt kann man sicher sagen: Es ist noch zu früh, um ein endgültiges Urteil abzugeben, weil die Frist für die Offerterstellung noch bis Montag, dem 16. dieses Monats, läuft. Ich halte mich daran. Ich gehe auf keine Einzelheiten ein. Eine Evaluierung der einzelnen Offerte im Detail ist sicherlich erst nach deren Offenlegung, also nach dem 16. dieses Monats, möglich. Aber gewisse Grundsätze sieht man auch jetzt schon.

All das, was bis jetzt bekannt wurde, würde bedeuten, daß, was das Übernahmeangebot der Bank Austria betrifft, ein mehrheitlich im öffentlichen Eigentum befindliches Unternehmen ein anderes, zu privatisierendes Unternehmen kaufen möchte. Meine Damen und Herren! Das ist keine Privatisierung! Das ist das Gegenteil einer Privatisierung, das ist eigentlich eine Reverstaatlichung, eine Kommunalisierung. Und für mich ist Kommunalisierung keine Zukunftsstrategie, sondern ein Schritt in die Vergangenheit, ein Rückschritt! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Man weiß, wie die Konstruktion der Anteilsverwaltung Zentralsparkasse im Detail ausschaut. Dort sind Gemeinderatsbeschlüsse notwendig, dort haben die Betriebsräte ein Vetorecht. Unter solchen Voraussetzungen sind wir als Volkspartei nicht bereit, über eine Zukunftsstrategie für den Bankensektor zu reden. Das wäre ein Rückschritt, ein Schritt in die Vergangenheit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Oberhaidinger: Privatisierung à la ÖVP!)

Meine Damen und Herren! Was das Stichwort "Zusammenballung wirtschaftlicher Macht" betrifft: Ich möchte jetzt gar nicht darauf eingehen, daß diese beiden großen Banken, Bank Austria und Creditanstalt, heute 95 Prozent der Großbetriebe und ungefähr 65 Prozent der mittelständischen Wirtschaft als Kunden haben, sondern darauf, daß beide Banken auch Industriekonzerne haben, die zusammengelegt die Größenordnung der früheren verstaatlichten Industrie hätten. Unselige Erinnerungen werden da wach. Ich möchte das sehr deutlich sagen.

Meine Damen und Herren! Eine Feststellung gestatten Sie mir auch noch: Was mich bedrückt, seit dieses Offert bekannt wurde, ist, daß eigentlich kein Vertrauensklima mehr besteht. Wenn heute die Mitarbeiter und die Führungskräfte der Creditanstalt klar zum Ausdruck gebracht haben, daß sie dieses Angebot als "hostile takeover", als feindliche Übernahme, bewerten, wenn da von Beginn an ein Mißtrauen vorhanden ist, so ist das ein sehr schlechtes Startzeichen, denn die Herausforderung, die Strukturen im Geld- und Kreditapparat an die Zukunftserfordernisse anzupassen, ist eine gewaltige und kann nur im Klima des Vertrauens und nicht des Mißtrauens erfolgreich bewältigt werden. (Ruf bei den Freiheitlichen: Ganz etwas "Neues"! – Zwischenruf des Abg. Marizzi. )

Meine Damen und Herren! Wir dürfen auch die Mitarbeiter nicht vergessen! Und wenn es erste Befürchtungen gibt, daß es vielleicht zu einer Kündigungswelle von letztlich 4000 bis 5000 Mitarbeitern kommt, dann muß man eines schon sehr deutlich sagen: Unternehmensführung kann man nicht gegen die Mitarbeiter, sondern nur mit den Mitarbeitern erfolgreich betreiben! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol, in Richtung SPÖ: Ihr seid eine schöne Arbeiterpartei! – Zwischenruf des Abg. Edler. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus all diesen Erwägungen darf ich namens meiner Fraktion folgenden


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Entschließungsantrag einbringen und hiermit verlesen (Ruf bei der SPÖ: Heuchelei!) :

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Dr. Stummvoll und Kollegen betreffend vollständige Privatisierung aller im öffentlichen Eigentum stehender österreichischer Banken zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Verfolgung der Zielsetzungen des CA-Privatisierungsgesetzes aus dem Jahre 1991 alle geeignet erscheinenden Maßnahmen zu setzen, um eine rasche und vollständige Privatisierung der Creditanstalt und der Bank Austria umzusetzen. In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung des weiteren ersucht, bei all diesen Privatisierungsschritten auf die Wahrung österreichischer Interessen Bedacht zu nehmen und damit Verbesserungen der Struktur des österreichischen Bankwesens zu bewirken. Sinnvolle Privatisierung" – (Abg. Marizzi: So wie Schönbrunn!) – " kann in diesem Zusammenhang nur bedeuten, die Bundesanteile an CA und Bank Austria echt zu privatisieren und nicht durch die Abgabe dieser Anteile an in öffentlichem Eigentum befindliche Unternehmen eine Re-Verstaatlichung durchzuführen, die alle Privatisierungsfortschritte der österreichischen Bundesregierungen seit den letzten zehn Jahren konterkarieren würde. Ebenso ist darauf zu achten, daß durch die Privatisierung von CA und Bank Austria es nicht zur Vernichtung von Tausenden – erste Schätzungen sprechen von 4000 bis 5000 – Arbeitsplätzen kommt. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, auf die Gemeinde Wien dahin gehend einzuwirken, daß diese sicherstellt, daß die Anteilsverwaltung Zentralsparkasse ihre Anteile an der Bank Austria gleichfalls an private Interessenten veräußert, bevor es zu einem allfälligen Kauf von CA-Anteilen durch die Bank Austria kommt."

*****

Meine Damen und Herren! Das ist ein sehr klares Bekenntnis zu jenen Grundsätzen, zu denen die Volkspartei seit Jahren steht und die in diesem Fall als Privatisierungsstrategie auch im Koalitionspakt fest verankert sind. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf Herrn Kollegen Stummvoll für einen Moment zu mir aufs Präsidium bitten.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Schreiner gemeldet. Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten.

15.56

Abgeordneter Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich berichtige Herrn Abgeordneten Nowotny tatsächlich.

Herr Abgeordneter! Sie haben in Ihrem Redebeitrag erwähnt: Es ist unter Fachleuten unumstritten, daß an der Europäischen Währungsunion in der ersten Stufe einige EU-Staaten, aber nicht alle teilnehmen können.

Herr Abgeordneter! Das ist unrichtig. Richtig ist vielmehr – Ihre Meinung ist sehr umstritten –, daß sich anerkannte Fachleute bei einer der größten Informationsveranstaltungen des Europäischen Parlaments dafür aussprachen, daß alle 15 EU-Staaten von Beginn an daran teilnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Das ist eine politische Erklärung und keine tatsächliche Berichtigung!)


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15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Stummvoll entspricht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und steht mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte sehr.

15.57

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der langanhaltende Applaus und der verhältnismäßig volle Saal zeigen uns, daß wir heute gleich zwei emotional besetzte Themen diskutieren, einmal die Dringliche Anfrage und darüber hinaus aus gegebenem Anlaß natürlich auch die Causa CA.

Ich möchte zuerst auf die Dringliche Anfrage eingehen. Sie ist heute ausnahmsweise einmal wirklich dringlich, denn die Koinzidenz mit den Beratungen in Dublin und deren Auswirkungen rechtfertigen ohne Zweifel eine Anfrage. Bedauerlicherweise haben die Initiatoren vergessen, daß der zuständige Minister nicht anwesend sein wird (Abg. Dr. Haider: Reden Sie über seine falsche Haltung in Dublin!) , oder sie legen auf einen Dialog keinen besonderen Wert. Das sei ihnen überlassen.

Daß es ein sensibles Thema ist, lieber Jörg, das wissen wir. Daß du aber aus parteitaktischen Gründen die Ängste ausnützt und damit destabilisierst, weil du das Wort "Staatsräson" in deinem Wortschatz nicht kennst, das ist ein Vorwurf, den ich dir immer wieder machen muß. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: War das gestern keine Parteitaktik, daß Sie gestern nicht da waren bei der Abstimmung?)

Es gäbe zum Einmaleins der Wirtschafts- und Währungspolitik viel zu sagen. Auch du müßtest noch einiges lernen, zum Beispiel, daß gerade die sensible Frage der Destabilisierung einer Währung nicht viele Worte verträgt und schon gar keine polemischen, lauten und dummen Worte rechtfertigt. (Abg. Dr. Graf: Wo waren Sie gestern bei der Abstimmung? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und da können Sie schreien, solange Sie wollen, das bleibt trotzdem wahr! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Wo warst du bei der Abstimmung gestern?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Auf der anderen Seite ist es natürlich wirklich ärgerlich, daß wir neuerlich vor dem alten ÖVP-SPÖ-Schmäh stehen, der schon bei der EU-Abstimmung so unglücklich war, mit dem man Beschwichtungspolitik mit Drüberschwindeln und Sand-in-die-Augen-Streuen betreibt, anstatt aufzuklären und zu informieren. Diese Beschwichtigungspolitik findet hier statt, und Sie sind selbst daran schuld, daß Sie diesen Raum für Polemik und Destabilisierung einräumen.

Wir haben in dieser Sachfrage sachlich aufzuklären, aber wir haben nicht den Eiertanz zu versuchen: auf der einen Seite Beschäftigungspolitik und Beschäftigungsinitiativen, auf der anderen Seite die Forderung nach harter Währung und einem harten, stabilen Schilling, wobei Sie auch noch sachlich hin und wieder einfach auf dem Holzweg sind. Wenn Sie, Frau Ministerin, sagen, der Euro werde so hart sein wie der Schilling, dann muß ich entgegnen: Das stimmt nicht. Er wird eine eigene Härte haben. So hart wie der Schilling ist er nie. Das ist nicht logisch. Sie sagen ja nur wieder zur Beruhigung: Habt keine Angst, liebe Bürger, eurem Sparguthaben wird nichts passieren, und allem anderen wird auch nichts passieren! – So werden Sie es nicht rüberbringen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Klären Sie auf und argumentieren Sie sachlich! Auf der einen Seite die Verknüpfung Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktinitiativen und auf der anderen Seite der harte Euro – das ist ein Zielkonflikt, meine Damen und Herren! Das müssen Sie doch wissen! Es ist ja überhaupt nicht möglich, heute vor dem Euro der Europäischen Union arbeitsmarktpolitische Maßnahmen abzuverlangen. Erst dann, wenn wir den Euro haben, werden wir da als Europäer einen neuen Spielraum bekommen. Denken Sie daran, was das für eine vereinigte Volkswirtschaft mit einer 8prozentigen Außenverflechtung bedeutet, wieviel Unabhängigkeit uns das schafft – gegenüber einer 41prozentigen Außenverflechtung, die Österreich heute hat. Hier, glaube ich, ist die Argumentation einfach unaufrichtig und dazu geeignet, zu beschwichtigen, und das müssen wir ablehnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich hat die Dringliche Anfrage recht, wenn sie sagt: Wie ist das: harter Euro? Möglichst hart, aber ja nicht die strengstmöglichen Stabilitätskriterien. –


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Das ist ein Widerspruch. (Abg. Dr. Haider: Da sagen wir ja!) Ich sage ja auch, daß das richtig ist; ich erwähne ja nicht immer nur etwas Falsches, sondern auch etwas Richtiges. Du mußt nur zuhören! (Abg. Dr. Haider: Ich höre eh schon die ganze Zeit zu!) – Fein. (Abg. Dr. Haider: Du bist ja so wenig da!) Viel, viel mehr als du, lieber Jörg!

Es bleibt dabei, meine Damen und Herren: Wenn wir eine harte Währung haben wollen, dann brauchen wir auch harte Stabilitätskriterien. Und wenn wir uns heute davon wegbewegen wollen und sagen: Nein, das ist nicht so dramatisch, weichen wir ein bißchen auf!, dann erweisen wir der Sache natürlich keinen guten Dienst, dann fördern wir diese Unsicherheit.

Glauben Sie mir noch etwas: Stabilitätskriterien und einen Stabilitätspakt brauchen wir erstens, solange der Euro noch nicht installiert ist, einige Jahre nach Einführung, und zweitens solange, als potentielle Teilnehmerländer den Euro noch nicht eingeführt haben. Danach, meine Damen und Herren, wird die Volkswirtschaft, wird diese große europäische, einheitliche Volkswirtschaft ein anderes, viel wirksameres Argument und viel... (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) – Jawohl, es wird die Zinsenkeule kommen. Diejenigen, die schlecht wirtschaften, bestraft der Zinssatz. Das wird ein Problem sein für diejenigen, die es nicht können. (Abg. Dr. Haider: Zuerst müssen wir die Arbeitslosen finanzieren!)

Meine Damen und Herren! Bei all dem muß ich zum Schluß noch eine Frage zu diesem Kapitel stellen: Was ist die Alternative zum Euro? Ich hätte mir gewünscht, daß das auch einmal angesprochen wird. Was ist die Alternative zum Euro, wenn er nicht eingeführt werden soll? Da muß ich sagen – weil du immer erklärst, es sei ein Experiment, und das dann so negativ wertest –: Ich persönlich wäre bereit, jedes Experiment zu wagen, wenn es der Friedenssicherung, der Einheit Europas und der Tatsache, daß wir als erste Generation nicht Krieg führen mußten, dient. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der ÖVP.) Jedes Experiment, und sei es auch ein noch so wagsames, ist diesen Einsatz wert!

Meine Damen und Herren! Was wäre die Alternative für Österreich, wenn wir dem Euro nicht beitreten? Das mußt du ja auch sagen! – Das hieße 15 Prozent Abwertung. Das hieße Massenarbeitslosigkeit. Das hieße weitere Verarmung in der österreichischen Bevölkerung. Das wollen wir verhindern! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher sehen wir bei aller Skepsis, bei allen Problemen keine glaubwürdige und echte Alternative. Wir sollten daher, wenn wir die Staatsraison und nicht die Parteitaktik in den Vordergrund stellen, auch einmal so weit kommen, daß wir wie bei der Beitrittsfrage auch bei dieser wichtigen europäischen Frage an einem Strang ziehen. Wir können dann unsere Differenzen und die verschiedenen Standpunkte immer noch ausgiebig diskutieren und von mir aus auch darüber streiten. Aber dieses Land sollte nicht darunter leiden, daß wir hier parteipolitische Erwägungen in den Vordergrund stellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir auch noch einige Worte zur CA, denn Herr Stummvoll hat ja seine Redezeit fast ausschließlich für dieses Thema aufgewendet.

Herr Stummvoll! Ich bin eigentlich sprachlos. Sie kommen da heraus und sagen: Wir, die ÖVP, wollen keine Machtkonzentration. (Abg. Dr. Khol: Jetzt brennt schon das rote Licht!) – Sie wollen sie nicht, wenn sie nicht schwarz ist. Jede Machtkonzentration ist Ihnen recht, nur diese nicht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Denn eines, Herr Stummvoll, sage ich Ihnen: Die von Ihnen favorisierte Strukturreform wäre um keinen Deut besser als die hier vorgeschlagene. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß die notwendige Privatisierung der Anteilsverwaltung der Gemeinde Wien ein gemeinsames Anliegen ist. Aber das so scheinheilig zu vertreten, Herr Stummvoll! Sie merken selber nicht, wie Sie an Glaubwürdigkeit verlieren. Das müssen Sie doch sehen. Die Machtkonzentrationen im Bankwesen sind bei Raiffeisen, sie sind auf dem Sparkassensektor, und erst an dritter Stelle wird die Vereinigung aller österreichischen Aktienbanken kommen, wenn diese überhaupt vorstellbar wäre. Das müssen Sie halt auch dazusagen. Denn ein paar Leute gibt es auch in diesem Haus, die sich wenigstens ein bißchen auskennen und Ihnen nicht alles glauben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)


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Wenn Sie, Herr Stummvoll, sagen: Die Betriebsräte stimmen mit!, dann tun Sie so, als würden sie bei der Ersten Österreichischen Sparkasse nicht mitbestimmen. Dort bestimmen sie ja auch mit. Nur, sie sind natürlich anders eingefärbt in der Wolle. Was Ihnen da recht ist, ist Ihnen dort unrecht, und das ist unglaubwürdig, Herr Stummvoll! (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Das möchte ich Ihnen auch noch sagen, und ich beziehe mich jetzt auf diese Tränendrüse: Denken Sie an die Mitarbeiter!: Ich glaube, für die Mitarbeiter aller Industriebetriebe, aller Bankdienstleistungsunternehmungen sind Veränderungen, wie sie notwendig sind, wie sie unvermeidbar sind, angsterregend. Wir hätten die Aufgabe, diese Ängste abzubauen. Aber, Herr Stummvoll, wir haben nicht die Aufgabe, diese Ängste auszunützen und Tausende Mitarbeiter vor den eigenen Karren zu spannen, indem wir sagen, das sei ein "hostile takeover". Das ist nicht zulässig! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Jedenfalls war mehr Engagement als bei der Rede vom Nowotny zu bemerken! – Abg. Dr. Stummvoll: So ein Schauspieler!)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. Er hat das Wort.

16.08

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde auch mit der Währungsunion beginnen und nachher – nolens volens – einige Worte über die Bank Austria beziehungsweise die CA verlieren, obwohl das mit dem heutigen Thema eigentlich so gut wie nichts zu tun hat. Wenn es aber schon vorgebracht wird, bitte.

Herr Dr. Haider hat in einem recht: Wir brauchen mehr Aufklärung und keine Werbekampagnen, was den Euro betrifft. Allerdings haben Sie mich in einigen Punkten diesbezüglich etwas enttäuscht, Herr Kollege Haider. Wenn Sie zum Beispiel vom Übergang zum Euro unter dem Stichwort "Währungsreform" sprechen, dann müßten Sie doch wissen, daß dieses Wort gewisse Assoziationen hervorruft: 1923, 1948. Und das ist genau das, was der Euro nicht machen wird. Das ist etwas ganz anderes.

Ich halte es auch für falsch, wenn Sie hier die Inflationsängste, die zweifellos in der Bevölkerung bestehen, ... (Abg. Dr. Haider: Das sagen die Experten!) – Nein, nein, 99 Prozent der Experten sagen etwas ganz anderes. Aber ich gebe gerne zu, daß es immer 1 Prozent unter den 100 Prozent Experten gibt, die halt Ihrer Meinung sind. (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen sowie bei der SPÖ.) Aber die Mehrheit der Ökonomen hat zumindest bezüglich der Inflationsängste eine ganz andere Meinung. (Abg. Dr. Haider: Ein mächtiger Mann!) Das mag schon sein. Sie zitieren immer sehr selektiv, Herr Dr. Haider. Das ist mir schon aufgefallen.

Sie zitieren immer sehr selektiv, Herr Dr. Haider, das ist mir schon aufgefallen. Man kann natürlich Herrn Pöhl zitieren, aber dann müßten Sie auch Herrn Schlesinger zitieren, der ebenfalls Präsident der Deutschen Bundesbank war und im "Economist" in meinen Augen sehr richtig argumentiert hat. (Abg. Dr. Ofner: Sie zitieren ja nur, wer Ihnen gefällt!) Manche haben recht und manche haben unrecht. (Abg. Dr. Graf: Die Expertenmeinungen gehören gewogen und nicht gezählt!)

Die Inflationsängste, was die sogenannte Härte des Euro nach innen betrifft, Herr Kollege, halte ich für völlig unbegründet. Aber ich meine, es ist hier nicht der richtige Rahmen, das jetzt auszudiskutieren.

In einem anderen Punkt gibt es Spekulationen, und da kann Ihnen keiner – auch keiner der sogenannten Experten – sagen, was wirklich sein wird: das ist der Wechselkurs des Euro gegenüber den anderen Währungen: dem Dollar, dem Yen, dem australischen Dollar und so weiter. Da gibt es einen Unsicherheitsbereich, aber im Innenverhältnis nicht.


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53. Sitzung / Seite 120

Ich bitte Sie um eines dringlich: Die ganze Diskussion um den Euro würde wirklich profitieren, wenn wir die Effekte der Währungsunion, die Effekte der Konvergenzkriterien und die Effekte des sogenannten Stabilitätspaktes auseinanderhalten.

Ich bin zum Beispiel durchaus der Meinung, daß die Arbeitslosigkeit durch die Währungsunion als solche kaum positiv beeinflußt wird. Diese Effekte dürften im großen und ganzen neutral sein. Die Effekte, die man sich erhofft, beruhen im wesentlichen auf einem Sinken der Zinssätze, und ob die realen Zinssätze speziell in Österreich und Deutschland sinken werden, ist äußerst ungewiß. Auch das möchte ich hier nur in den Raum stellen.

Negative Beschäftigungseffekte gehen im Rahmen der Währungsunion nicht von der Währungsunion als solcher aus, sondern von den sogenannten Konvergenzkriterien, die jetzt durch den sogenannten Stabilitätspakt noch verstärkt werden sollen. Da Sie so viel zitiert haben, Herr Dr. Haider, empfehle ich Ihnen – Sie sprechen sicher ausgezeichnet Englisch, davon gehe ich aus –, sich den "American Economic Review" vom Mai 1996 anzuschauen, darin sind einige ganz kurze Artikel, die auch für Nichtspezialisten ohneweiters zu lesen sind. (Abg. Dr. Haider: Da gibt es etwas Neues: "Europe΄s Global Currencies"! Das können Sie lesen!) Mai 1996, das ist nicht neu, aber ziemlich neu.

Richard Portes: Die Fiskalkontraktion im Rahmen mit den Konvergenzkriterien wird prozyklische Auswirkungen haben in einem Europa, das ohnedies außergewöhnlich hohe Arbeitslosenraten hat. – Das geht durchaus in Ihre Richtung und in meine Richtung. Da sind wir uns ja einig, glaube ich.

Die Konvergenzkriterien haben eine sehr problematische Wirkung, ich komme auf diesen Punkt zurück. Es wäre angesagt, auch unter Politikern und unter der Bevölkerung Aufklärung in der Richtung zu betreiben, daß zwischen der Währungsunion und den Konvergenzkriterien zu unterscheiden ist. Rüdiger Dornbusch, ein berühmter Makroökonom, äußert sich in der Zeitschrift "Foreign Affairs" vom Oktober in dieselbe Richtung. – Aufgrund der knappen Zeit gebe ich Ihnen schriftlich ein sehr schönes Zitat von Willem Buiter, einem Makroökonomen an der University of Cambridge. Alle betonen: Die Währungsunion ist eine Sache, die Konvergenzkriterien sind eine andere Sache.

Jetzt zum Stabilitätspakt. Herr Dr. Haider, der Stabilitätspakt verschärft die Wirkung der Konvergenzkriterien. Und ich muß schon sagen – Sie haben das sicherlich nicht selbst geschrieben –: Wenn Sie Ihren eigenen Text gründlich lesen würden, kämen Sie auf folgende Merkwürdigkeit:

Auf Seite 1 Ihrer heutigen Dringlichen Anfrage schreiben Sie über die Problematik, daß alle europäischen Staaten, darunter auch Österreich, die Konvergenzkriterien auf Biegen und Brechen erfüllen wollen, womit die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit zunimmt.

Was steht auf Seite 2? – Österreich müßte sich auf die Seite Deutschlands stellen und für einen möglichst straff geschnürten Stabilitätspakt eintreten. – Na bitte! Das ist die bewußte Erhöhung der Arbeitslosigkeit in Österreich. Erklären Sie mir das bitte!

Ich persönlich bin in gewisser Hinsicht ganz beruhigt, daß tatsächlich das eingetreten ist, was Sie angedeutet haben, daß nämlich Kanzler Vranitzky und Finanzminister Klima eine gewisse Bewegung weg von den öffentlichen Äußerungen gemacht haben, daß die Konvergenzkriterien sklavisch einzuhalten und ökonomisch begründet seien.

Aber Sie brauchen mir ja nicht zu glauben, Herr Dr. Haider. Ich bin immer dafür, mehrere Quellen zu prüfen, nicht alleine diese Broschüre anzuschauen, sondern andere auch. Ich empfehle Ihnen dringend den neuesten "Economist" vom 14. Dezember. (Abg. Dr. Haider: Habe ich schon gelesen!) Wirklich? Titelgeschichte, Titelblatt und Titelstory: Positiv zur Währungsunion. Es wäre ja auch überraschend, wenn der "Economist" etwas anderes sagen würde. (Abg. Dr. Haider: Der "Economist" war noch nie positiv zur Währungsunion!) Na bitte, dann haben Sie den Artikel nicht verstanden, das muß ich schon sagen. Also das ist lächerlich. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei der SPÖ.)


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Alles was recht ist, Herr Kollege: Sie können mir in Ihrer üblichen Art Wittgenstein-Zitate und so weiter um die Ohren hauen, weil ich sie nicht nachvollziehen kann in der Kürze. Aber was im "Economist" von heute steht, das habe ich genau verstanden. Bitte schauen Sie es sich noch einmal an. (Abg. Dr. Nowotny: Wieder einmal ertappt! – Abg. Dr. Haider: Da haben Sie ein selektives Wahrnehmungsvermögen!)

Die Europäische Währungsunion ist okay, aber unter den richtigen Bedingungen. Was sind die richtigen Bedingungen? – Auf jeden Fall nicht der Waigelsche Stabilitätspakt, eben der Stabilitätspakt, wo Sie argumentieren, daß Österreich dem unbedingt beitreten müsse. Das ist einfach Unsinn, Herr Kollege Haider. (Abg. Ing. Reichhold: Kein Waigel-Freund!)

Abschließend: Es werden heute drei Anträge eingebracht, einer davon bezüglich Volksabstimmung über den Euro. Wir Grünen sind der Ansicht, es ist nicht völlig auszuschließen, daß wir eines Tages ja dazu sagen werden, aber erst, wenn nicht die Beschäftigung in irgendeiner Weise eine größere Rolle spielt in den politischen Zielen der Europäischen Union als jetzt – ich denke an die Diskussion über die Sozialunion, über die Beschäftigungssanierung, ich will nicht unbedingt sagen, über ein Beschäftigungskriterium als zusätzliches Konvergenzkriterium. Wenn das alles nicht kommt, dann muß man auch über diese Frage diskutieren. Aber heute sehen wir keinen Grund, die Volksabstimmung über den Euro zu verlangen. (Abg. Ing. Reichhold: Da hast du aber noch schön die Kurve gekriegt!)

Die Anträge bezüglich Bank Austria beziehungsweise CA, die heute von ÖVP und FPÖ vorliegen, können die Grünen nicht unterstützen. Wir sind der Ansicht, daß die Übernahme der CA durch die Bank Austria das interessanteste bankpolitische Projekt der letzten Jahrzehnte ist. Dieses Projekt soll nicht gefährdet werden durch vordergründige parteipolitische Argumente, so wie sie hier vorliegen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich bin allerdings der Meinung – und das habe ich schon gestern oder vorgestern von diesem Pult aus gesagt –, daß mit der Übernahme der CA durch die Bank Austria auch die Eigentümerstruktur der Bank Austria zur Debatte stehen muß. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sind der Meinung, daß die AVZ aufgelöst werden soll, daß die Aktien an der Bank Austria der Gemeinde Wien übertragen werden sollen, damit erstmals auch die Gemeinde Wien einen fiskalischen Ertrag von dieser Pseudobeteiligung hat, was bis jetzt nicht der Fall ist, und daß sie sich anschließend zunächst auf eine Sperrminorität von 25 Prozent zurückziehen sollte. Das ist eine Sache, die, sagen wir, drei Jahre dauert, dann wird man sehen, wie die Sache weitergeht. Aber hier und jetzt solche Anträge zu stellen, die nur folgendes bewirken können, wenn sie angenommen werden: nämlich die Sache entweder auf Dauer zu blockieren – und das wäre der schlimmste Dienst, den Sie der österreichischen Bankenlandschaft antun können – oder es als Druckmittel für politische Tauschgeschäfte zu benützen, halte ich nicht für sinnvoll.

Eines ist ja klar – ich habe das auch schon gestern oder vorgestern hier gesagt –: Das offensichtlichste Geschäft wäre Raiffeisen und Postsparkasse. Handeln Sie das aus, soll doch Raiffeisen ein Angebot machen, dann wird man darüber diskutieren können, weniger auf politischer Ebene, sondern zwischen Eigentümervertreter und Raiffeisen. Aber jetzt auf eine Weise, von der ich gedacht hätte, daß sie in den fünfziger Jahren schon ausgestorben ist, dieses Projekt zu blockieren, halte ich für schäbig. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Farnleitner. Ich erteile es ihm.

16.19

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Da ich gestern bei anderer Gelegenheit darüber befragt wurde, möchte ich meine Position zur Frage Privatisierung der Bank Austria auch hier deutlich zum Ausdruck bringen, auch weil ich der Gesprächs- beziehungsweise Verhandlungspartner von Bundesminister Klima in dieser Frage bin. Ich habe deutlich gemacht, daß wir, gerade weil wir international nicht in den Ruf kommen sollten, Privatisierung halbherzig und zum Teil verspätet zu betreiben,


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keinen Wechsel vornehmen sollten, bei dem wir unter Privatisierung nunmehr ganze oder teilweise Kommunalisierung verstehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe weiters deutlich gemacht, um meine Position klarzustellen, daß ich als Wettbewerbsrechtler und Wettbewerbspraktiker nicht einsehe, daß man ungeprüft eine starke Ballung akzeptiert, die die Chancen von Investoren wie Sparern in Österreich – zumindest in Ostösterreich – dramatisch minimalisiert.

Drittens: Ich habe den Eindruck, daß über eine sehr lange Periode vorgearbeitet wurde, um über strategische Fremdfinanzierung, auch wenn es nachrangiges Kapital ist, jenen Spielraum zu bekommen, den normal finanzierte Anbieter nicht aufbringen können. Ich kann mich daher mit dem jetzt beschrittenen Weg nicht einverstanden erklären und werde diesem auch im Gespräch mit Bundesminister Klima nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Er hat das Wort.

16.21

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon eigenartig: Kollege Stummvoll kommt zum Rednerpult und beschwert sich hier im Hohen Haus über die Machtkonzentration. – Sie verstehen wohl eine Beschwerde über Machtkonzentration nur dann, wenn sie nicht in Ihre Richtung geht. Es wäre Ihnen alles recht gewesen. Wenn die Raiffeisen-Kasse damals bei der CA die Beteiligung übernommen hätte, hätten Sie "Hurra!" geschrien, das wäre nämlich genau in Ihre Richtung gegangen. (Abg. Dr. Stummvoll: Genau das habe ich nicht gemacht!)

Sie leben immer nur von politischen Tauschgeschäften. Deswegen ist unsere Forderung: Die Politik muß aus den Banken heraus, ansonsten kommt es zu keinen vernünftigen Fusionen beziehungsweise Börsengängen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Ja!)

Herr Kollege Stummvoll! Es gab damals das Betreiben der Ersten Österreichischen hinsichtlich GiroCredit. Sie wollten Anteile kaufen, zwei Jahre lang wurde taktiert – da war eben die Bank Austria schneller, weil sie ein schnelles und gescheites Angebot gemacht hat. Sie haben geschlafen, und die anderen haben das Geschäft gemacht. Kann man da beleidigt sein, wenn der andere besser ist?

Aber in diesem Zusammenhang sich darüber nur zu beschweren und – noch einmal – bei einem Gesetz mitzugehen, das im Rahmen des Bankwesengesetzes novelliert wurde, im Zusammenhang mit den EU-Anpassungsgesetzen, wo die Bank Austria aufgrund dieser Übernahme einen längerfristigen Zeitraum gebraucht hat zur Erbringung der Eigenmittel, zuzustimmen, daß diese Frist auf vier Jahre verlängert wird (Abg. Dr. Stummvoll: Weil wir nicht parteipolitisch denken!) und sich dann hier im Hohen Haus zu beschweren – damit haben Sie sich heute völlig demaskiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Stummvoll! Immer, wenn es bei Ihnen fünf Minuten vor 12 ist, kommen Sie zu den Freiheitlichen. Wir haben das im Jahre 1995 vor der Nationalratswahl erlebt. Als es Ihnen nicht gelungen ist, mit Ihrem Partner, der Sozialdemokratischen Partei, die Unterstützungszahlungen für die Landwirtschaft durchzuziehen, haben Sie das mit Unterstützung der Freiheitlichen erreicht. Und kaum war das mit den Stimmen der Freiheitlichen beschlossen, ist Herr Klubobmann Khol dahergekommen und hat die Freiheitlichen wieder außerhalb des "Verfassungsbogens" gestellt.

Das ist Ihre Politik, und deswegen sage ich Ihnen: Mit dieser 5-Minuten-vor-12-Politik, dieser Politik, daß Sie den anderen immer wieder vormachen wollen, Sie seien gegen Machtkonzentration, aber andererseits im eigenen Bereich Machtbereiche schaffen und erhalten wollen, werden Sie die Zustimmung der Freiheitlichen zu solchen Anträgen nie erreichen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Kollege Stummvoll! Solange Sie hier nicht ein offenes Bekenntnis seitens Ihrer Fraktion ablegen, daß Ihnen eine Privatisierung, und zwar eine wirklich hundertprozentige Privatisierung, wirklich am Herzen liegt, und solange Sie, wenn irgend etwas aus dem Budget ausgelagert beziehungsweise irgendwo anders bei einer Gesellschaft – wie zum Beispiel jetzt bei der Post-Beteiligungsgesellschaft – eingepackt wird, den anderen glaubhaft machen wollen, daß das eine echte Privatisierung ist, wie es Ihre Abgeordneten im Finanzausschuß im Bereich der Postsparkasse getan haben, gehe ich davon aus, daß das eine Privatisierung ist, wie Sie sie wahrscheinlich verstanden haben wollen: Sie wollen eigentlich nur nach außenhin argumentieren, daß Sie für eine hundertprozentige Privatisierung sind, aber im Hintergrund wollen Sie Ihren schwarzen Machtbereich mit aller Gewalt halten. Es geht da ja nicht nur um den Bankenbereich, sondern auch um viele andere Bereiche.

Herr Kollege Stummvoll, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit einer Privatisierung, dann müssen Sie zuerst einmal ein offenes Bekenntnis dazu ablegen, und dann müssen Sie auch einmal Taten setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Fünf Minuten vor 12 von einer – wie Sie es jetzt bezeichnen – "unfreundlichen Übernahme" zu sprechen, während es zum Beispiel eine freundliche Übernahme wäre, wenn der schwarze Raiffeisen-Sektor beziehungsweise die Erste Österreichische Interesse an der CA hätte, das kann es ja wirklich nicht sein!

Sie haben damals bei der Novellierung des Bankwesengesetzes das Ganze aus der Hand gegeben, und zwar insofern, als daß Sie die Möglichkeit geschaffen haben, der Bank Austria zur Eigenmittelaufstockung in der Höhe von 10 Milliarden Schilling einen Zeitraum von vier Jahren zu geben. Sie haben damit taktiert, daß die Sozialdemokraten in diesem Bereich einer Übernahme der CA-Bundesanteile durch ein ÖVP-genehmes Konsortium zustimmen werden. Sie haben nur wieder die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Sie haben offensichtlich ein schlechtes Angebot gelegt, und Sie sind jetzt wieder beleidigt, weil der andere Bereich eben ein anderes Angebot gelegt hat.

Wir sind dagegen, daß diese Parteipolitik in den Banken passiert, aber wir sind dafür, daß diese Konstruktion eine Philosophie hat. Aber diese Konstruktion hat nur dann eine Philosophie, wenn es zu einer hundertprozentigen Privatisierung im Bankenbereich kommt. Ansonsten wird es von unserer Seite keine Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hostasch. Auch hier stelle ich eine freiwillige Redezeit von 5 Minuten ein, so wie beim vorigen Redner.

16.26

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll! Es wurde ja schon gesagt, daß die Frage des Verkaufs der Bundesanteile der Creditanstalt nicht Gegenstand der Dringlichen ist, aber ich möchte doch auch einige Worte dazu sagen, und zwar in aller Ruhe.

Faktum ist: Unser Finanzminister hat ganz klare Vorgaben, unter welchen Bedingungen es zu einer Veräußerung von Bundesanteilen kommen soll. Zu diesen Vorgaben hat er sich in diesem Haus und auch in der Öffentlichkeit immer wieder bekannt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Nein, nein, Herr Kollege, machen Sie sich kundig über die Rechtslage und machen Sie sich kundig über die Beschlüsse. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Das Gesetz wurde hier gemacht!) Das haben wir beschlossen.

Herr Kollege! Die Frist für die Abgabe der Angebote endet am Montag. Am Montag wird unser Finanzminister im Sinne dessen, wozu er verpflichtet ist, diese Angebote prüfen und im Sinne der Republik, im Interesse der Bevölkerung auch entscheiden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren (anhaltende Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), ich bin versucht zu sagen, daß ich den Ausführungen des Herrn Dr.


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Haselsteiner und auch des Herrn Kollegen Dr. Van der Bellen nichts mehr hinzufügen möchte, aber ich ergänze trotzdem noch: Wenn der Finanzminister die Entscheidung trifft, dann hat er die Interessen der Republik wahrzunehmen, und er wird sie wahrnehmen. Wenn er Ihrem Antrag Rechnung tragen würde, dann würde er die Republik um Milliardenbeträge schädigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Bemerkungen zur eigentlichen Dringlichen Anfrage machen. Ich möchte hier sogar manche Parallelitäten zu Ausführungen von Kollegen der Freiheitlichen herstellen.

Herr Kollege Schreiner meinte, wie wichtig die Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene sei, und ich muß sagen: Das kann ich nur unterstreichen. Ich sehe diese Notwendigkeit auch im Zusammenhang mit der Einführung einer einheitlichen europäischen Währung, weil diese Fakten nicht voneinander getrennt gesehen werden können.

Ich bin sehr froh darüber, meine sehr geschätzten Damen und Herren, daß Vertreter unserer Bundesregierung – der Herr Bundeskanzler und insbesondere der Herr Finanzminister – bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene in Vorbereitung der Regierungskonferenz immer wieder darauf verwiesen haben, daß Stabilität und Inflationsbekämpfung ganz entscheidende Kriterien sind, daß aber auch Beschäftigungspolitik und soziale Mindeststandards mit gleicher Vehemenz gehalten werden müssen. Eine Akzeptanz der Europäischen Union und nicht zuletzt auch die Akzeptanz einer einheitlichen Währung wird nur dann erreicht werden, wenn auch diesen Kriterien entsprechend Rechnung getragen wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich bekenne mich dazu und bin überzeugt davon, daß eine einheitliche Währung aus der Sicht Österreichs, aber auch aufgrund der heute eingebrachten Argumente ein wichtiges Ziel ist, das auch zu erreichen ist. Ich glaube aber, daß es notwendig ist, für die Menschen, bevor Entscheidungen getroffen werden, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie auch erkennen, warum wir glauben, daß es das richtige Ziel ist. Ich meine, es muß erreicht werden, daß die österreichische Bevölkerung Vertrauen in diese einheitliche Währung hat.

Dieses Vertrauen werden wir nur dann erreichen, wenn wir eine solide Finanz- und Währungspolitik machen, wenn wir dafür sorgen, daß der Euro im Innenverhältnis stabil ist, daß er aber nach außenhin eine richtige Bewertung hat und nicht auf dem gesamten Weltwährungsmarkt in falscher Relation zu anderen Währungen steht.

Ich möchte mir auch erlauben, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen, auf einen Widerspruch zu verweisen: Wenn Sie auf der zweiten Seite Ihrer Anfrage vom "straff geschnürten Stabilitätspakt" des deutschen Finanzministers sprechen und diesen Pakt einfordern – und so verstehe ich Ihre Anfrage –, dann müssen Sie aber auch der österreichischen Bevölkerung sagen, daß damit negative Beschäftigungseffekte verbunden sind.

Ich kann die Rolle der Deutschen derzeit in keiner Weise nachvollziehen, denn wenn man sich die deutschen Rahmenbedingungen ansieht, so ist nicht erklärbar, wieso mit dieser Vehemenz darauf Bedacht genommen wird, sondern es kann nur eine Erklärung dafür sein, daß es jenen, die diese Politik vertreten, ziemlich gleichgültig ist, welche Beschäftigungssituation sich in ihrem eigenen Land entwickelt.

Daher auch meine Unterstützung für die Strategie unserer Bundesregierung, wobei wir aber darüber hinaus noch eine Fülle konkreter Forderungen an die Bundesregierung in bezug auf die nationale Verantwortung haben, die Konsumenten in einer fairen Form auf die europäische Währung vorzubereiten.

Wir haben auch ganz konkrete Forderungen aus konsumentenpolitischer Sicht: von den doppelten Preisauszeichnungen angefangen bis hin zu dem Verlangen, daß beim Umtausch keine Gebühren entstehen, daß rechtliche Verbindlichkeiten geschaffen werden und daß bei der Umstellung eine entsprechende Preisüberwachung erfolgen wird.


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Wir werden diese Forderungen auch aus der Sicht der Arbeitnehmerinteressenvertretungen der Bundesregierung übergeben, um unseren Teil dazu beizutragen, daß die österreichische Bevölkerung in einer fairen und objektiven Form vorbereitet und informiert wird, um sich letztlich vielleicht sogar in einer Volksabstimmung dafür zu entscheiden. (Beifall bei der SPÖ.)

16.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzböck. Er hat das Wort.

16.32

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Präsidentin Hostasch hat auf die Kompetenz und die Möglichkeiten des Herrn Finanzministers in bezug auf die in wenigen Tagen fallende Entscheidung zur Privatisierung der CA hingewiesen. Sofern man dort ansetzt, wo sie angesetzt hat, kann man ihr folgen. Nicht folgen kann man ihr jedoch, wenn man den Privatisierungsgedanken, der im Auftrag an den Finanzminister zur CA-Privatisierung steht, dem gegenüberstellt, was die AVZ-Konstruktion mit sich bringt: unabhängig von zu erwartenden logischen Mehrheitsveränderungen in Wien, unabhängig von einem möglichen Festschreiben politischer Mehrheiten, unabhängig von logischen, von zu erwartenden Wahlergebnissen. Das ist das, was wir nicht wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Privatisierung ja – aber mit gezielten Konstruktionen, Kommunalisierung mit klaren politischen Prioritäten, Hinzurechnung der parteipolitisch gefärbten Arbeitnehmervertreter in der AVZ – das ist genau das, wogegen wir uns energisch wehren, und nicht gegen den Auftrag des Finanzministers, den wir respektieren, wenn er unserem koalitionären Grundgedanken der Privatisierung der CA entspricht. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Da Kollege Stummvoll namens meiner Fraktion bereits einen Entschließungsantrag zu diesem Thema eingebracht hat, habe ich mich zu Wort gemeldet, um mich mit der Problematik der Dringlichen Anfrage und der Stellung der Freiheitlichen Partei zur Entwicklung der gemeinsamen europäischen Währung auseinanderzusetzen.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Integration Österreichs in die Europäische Union und der Schaffung des Binnenmarktes ist die europäische Währung der einzig weitere logische Schritt, um diese Zielsetzung weiterzuentwickeln. Wer sich mit der europäischen Integration und der europäischen Währung sachlich auseinandersetzt, kann nicht umhin, beide Szenarien zu bewerten: Was ist zu erwarten, wenn diese Entwicklung weitergeführt und auch die europäische Währung umgesetzt werden kann, und was ist, wenn dies nicht gelingt?

Sie haben sich bereits bei der Diskussion um die europäische Integration eindeutig nur mit einem Szenario auseinandergesetzt: Was ist, wenn wir beitreten? Mir war das damals schon zu knapp. Ich hingegen habe mich auch in Erarbeitung meines persönlichen Standpunktes sehr um eine Antwort auf die Frage bemüht: Was ist, wenn wir im Drittland-Status verharren?

Nun machen Sie es – das ist aus der Dringlichen Anfrage eindeutig herauszulesen – in der Auseinandersetzung mit dem Euro im Grunde genommen genauso: Sie schüren Ängste und beschäftigen sich nur mit der Frage: Was ist, wenn der Euro kommt?, während Sie sich mit dem Gedanken, was sein wird, wenn dieser rasch fahrende Zug, das europäische Währungssystem mit 1. Jänner 1999 zu schaffen, angehalten beziehungsweise stark verändert wird, überhaupt nicht auseinandersetzen.

Haben Sie von den Freiheitlichen sich schon überlegt, daß unter Umständen die Nachteile der Nichteinführung des Euro die Gefahren, die Sie sehen, bei weitem überwiegen? Mir ist vor allem eines aufgefallen: Herr Dr. Haider hat die Frage gestellt: Was ist, wenn es zum ersten Block kommt und Italien nicht dabei ist? Da Sie ja in der Diskussion der Stellung Österreichs in der Europäischen Union immer davon ausgegangen sind, daß wir ja nicht der dominante Faktor sind, müßten Sie logischerweise sofort zugeben, daß Österreich wahrscheinlich nicht die Entscheidung bringen wird, ob es zum Euro kommt oder nicht.


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Wenn wir also nach Ihrer theoretischen Diskussion dem ersten Block nicht angehören würden, dann erhebt sich die Frage, was sich dann für den Schilling im Verhältnis zum Euro und zur Währung unseres Haupthandelspartners Italien, nämlich der Lira, verändert. Das bewegt mich als Bauernvertreter natürlich in ganz besonderer Weise, weil Italien auch für die nächsten Jahre und Jahrzehnte unser wichtigster Exportmarkt sein wird.

Sie müssen eigentlich davon ausgehen, daß wir, wenn der Schilling nicht in der ersten Etappe der Währungsunion dabei ist, die Abwertungsbewegungen der Lira mitmachen. Das bedeutet aber, daß Sie im Grunde genommen der Bevölkerung einreden, der Euro bringe eine weichere Nachfolgewährung als die D-Mark, an die wir ja seit Jahren gebunden sind und es wohl auch bleiben würden, wenn wir infolge einer Nichtintegration als Drittland nicht dabei wären. (Abg. Dr. Haider: Bleib bei der Landwirtschaft!) Wir würden wahrscheinlich alle Anstrengungen unternehmen, uns in Fortsetzung der Bindung an die D-Mark auch an den Euro einigermaßen anzubinden. Dann wären Sie auf einmal dafür, daß die Schillingabwertung analog der der Lira vorgenommen wird. Das ist nicht nachvollziehbar. Daher möchte ich Sie ersuchen, diese Dinge in der Umsetzung und im Verfolgen einer gemeinsamen sicheren Zukunft für Österreich sowohl aus politischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht intensiver zu diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend, meine geschätzten Damen und Herren, möchte ich mich noch mit den Ausführungen von Dr. Haselsteiner auseinandersetzen: Ich persönlich habe ihm sogar applaudiert und ich pflichte ihm bei, da auch ich die Weiterentwicklung Europas mit der gemeinsamen Währung verbinde und auch bereit wäre, ein persönliches Risiko zu tragen, aber ich kann seinen Ausführungen in einem nicht folgen: Er hat Dr. Stummvoll und uns vorgeworfen, wir wären dann gegen Machtkonzentration, wenn wir in dieser Macht nicht beteiligt wären, sie würde uns hingegen sehr gut gefallen, wenn wir selbst diese Macht ausüben könnten.

Da fiel auch der Name "Raiffeisen". Meine geschätzten Damen und Herren! Sie wissen, wie Sie Mitglied bei Raiffeisen werden können: Ein ganz kleiner Privatkredit bei irgendeiner Raiffeisenbank genügt – und schon sind Sie Mitglied. (Rufe bei der SPÖ.) Ich frage Sie, ob Sie bei der AVZ-Konstruktion auch die Möglichkeiten der basisdemokratischen, privatwirtschaftlichen, eigenverantwortlichen Mitgestaltung hätten, wie Sie sie in einer kleinen Raiffeisenkasse mit einem kleinen Privatkredit bekommen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn Sie meinen – egal, ob von der SPÖ oder von den Oppositionsparteien –, das Bemühen von Raiffeisen, nach den gesetzlichen Grundlagen unter Umständen einen Anteil von 49 Prozent der PSK zu bekommen, wäre vergleichbar mit einem Ergebnis der Übernahme der CA durch die Bank Austria, dann muß ich Ihnen ganz offen sagen: Sollte diese Übernahme erfolgen, würden wir alles tun, sie im Rahmen einer Privatisierung vorzunehmen und nicht im Rahmen einer unfreiwilligen Übernahme. Dann würden Sie in wenigen Monaten oder Jahren schon an einem drastischen Beispiel den Unterschied zwischen einer AVZ-Konstruktion und der Raiffeisenideologie zu spüren bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe folgendes bekannt: Es liegt mir ein Schriftstück vor, wonach die unterfertigten ÖVP-Abgeordneten den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Kollegen an die Bundesregierung betreffend vollständige Privatisierung aller im öffentlichen Eigentum stehenden österreichischen Banken zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa zurückziehen . Ich gebe dies dem Hohen Hause bekannt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Helmut Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.40

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Schwarzböck! (Abg. Schwarzböck spricht mit Abg. Tichy-Schreder.) Entschuldigen Sie, wenn ich Sie kurz im Gespräch mit Frau Präsidentin Tichy-Schreder störe. – Grüß Gott, Herr Schwarzböck! Ich wollte Sie nicht stören. Ich wollte nur sagen: Ich bin auch Mitglied bei Raiffeisen so wie Sie. Sie werden mir also jetzt nicht unterstellen, daß ich deswegen dem schwarzen Dunstkreis zuzuzählen wäre. (Abg. Dr. Khol: Nein, das sagt niemand!)


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Aber daß Raiffeisen in dieser unseligen Teilung Österreichs in schwarze und rote Einflußhälften genauso schwarz ist wie die AVZ rot, dieses Argument kann man so nicht stehen lassen.

Eines ist ganz spannend in Österreich: Wenn man in diesem Land ein wirkliches Jahrhundertprojekt diskutiert, zum Beispiel die Wirtschafts- und Währungsunion, dann schwingt ein tagespolitisches Thema mit: das tagespolitische Thema, das ja auch sehr wichtig ist, wie wir endlich der Creditanstalt Bankverein zu einem neuen Partner verhelfen.

Ich möchte dazu einen Entschließungsantrag der Liberalen zur Verlesung bringen, der im wesentlichen in die gleiche Richtung zielt wie jener, den Dipl.- Ing. Prinzhorn eingebracht hat. Nur halten wir diesen Entschließungsantrag so nicht für beschließbar, denn man kann nicht den Verkauf an Bedingungen an die Bundesregierung knüpfen. Wir treten außerdem dieser Begründung nicht bei.

Ich bringe also einen ähnlich lautenden Entschließungsantrag betreffend echte Privatisierung der Bank Austria und der Creditanstalt ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haselsteiner und PartnerInnen betreffend echte Privatisierung der Bank Austria und der Creditanstalt

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, für eine echte Privatisierung der im unmittelbaren oder mittelbaren Eigentum der Gebietskörperschaften oder sonst in deren Einflußbereich stehenden Anteile an der Bank Austria und der Creditanstalt einzutreten. Der Verkauf der Bundesanteile an der CA an die Bank Austria muß mit der deklarierten politischen Absicht einer zukünftigen echten Privatisierung der Bank Austria erfolgen.

*****

Ich glaube, daß er im wesentlichen in dieselbe Richtung zielt, aber so formuliert ist, daß zugestimmt werden kann. (Abg. Böhacker: Eine semantische Differenz!) – Mag sein, aber eine wichtige.

Zurück zum wirklichen Thema dieser Dringlichen Anfrage: harter Schilling, weicher Euro. Hier beginnt bereits die Polemik. Jörg Haider! Du hast in der Begründung dieser Anfrage vom Betrug in Fragen der Währungsreform gesprochen. Damit sind wir schon beim ersten Betrug im ersten Satz, denn es handelt sich nicht um eine Währungsreform , sondern es handelt sich um einen Währungstausch , um einen Wechsel der Währungen. Wenn man den Menschen Währungsreform suggeriert, erinnern sie sich sofort daran, was ihren Eltern und Großeltern widerfahren ist.

Meine Damen und Herren! Deswegen bin ich in höchstem Maße skeptisch, daß sich dieses Thema für eine Volksabstimmung eignet, weil der Polemik Tür und Tor geöffnet sind, während über die wirklich zentrale Frage nicht diskutiert wird: Was bedeutet das für die ökonomische und auch für die politische Zukunft unseres Landes? Vielmehr schaut man, wie man daraus politisches Kleingeld schlagen und politische Positionen besetzen kann.

Dr. Stummvoll hat gemeint, die Wirtschafts- und Währungsunion sei selbstverständlich eine politische Entscheidung. Er hat recht. Herr Dr. Stummvoll! Da sind wir einer Meinung. Nur: Diese politische Entscheidung ist bereits gefallen. Diese politische Entscheidung ist gefallen, als wir im Juni 1994 über den Beitritt zur Europäischen Union abgestimmt und als wir den Acquis communautaire der Europäischen Union selbstverständlich akzeptiert haben.

Was jetzt bleibt, ist die Mitwirkung Österreichs an diesem Prozeß, bei dem wir nichts besser tun können, als in der ersten Runde der Wirtschafts- und Währungsunion dabei zu sein, um damit


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Stabilität zu haben, um wirtschaftliche Entwicklung zu sichern und auch eine neue Beschäftigungsoffensive starten zu können. Das Nichtteilnehmen an der Wirtschafts- und Währungsunion durch unser Land würde genau das heißen, was die Gegner vorwerfen: Das würde für unser Land Inflation bedeuten, denn wir würden im Korridor des EWS II verharren und ohne Zweifel nach der Aufhebung der Schilling/D-Mark-Bindung eine Reduktion des Wertes unserer Währung in der Größenordnung von bis zu 15 Prozent hinnehmen müssen.

Der Schilling ist heute nur deswegen hart, weil die internationalen Anleger nach wie vor – Gott sei Dank! – davon überzeugt sind, daß der Schilling und die D-Mark untrennbare Währungsrelationen sind. Die wirtschaftlichen Zahlen dieser Republik sind um vieles schlechter. Ich habe leider schon mehrfach betonen müssen, daß wir im Wirtschaftswachstum 1996 und 1997 als letzter aller 15 europäischen Staaten angeführt sein werden, daß unsere Leistungsbilanz schwer defizitär ist und daß die Oesterreichische Nationalbank im geschlossen Coupé mit voller Fahrt den Weg Richtung Euro antritt, weil es die einzige Chance für sie ist, die Festigkeit des Schillings in die Wirtschafts- und Währungsunion zu retten.

Es ist daher der blanke Wahnsinn – und ich halte es auch für politisch in zutiefstem Maße fragwürdig –, heute aus parteipolitischen Gründen, so nach dem Motto "Wir gegen den Rest der Welt" auf Teufel komm heraus gegen den Euro zu polemisieren. Mein Problem mit den Mandataren der Freiheitlichen Partei, von denen ich einigen Wirtschaftskompetenz zugestehe, ist, daß ich mich frage, wie sie mit diesem Spannungsfeld fertig werden.

Die Zusammenarbeit der Europäischen Mitgliedsstaaten, die Zusammenarbeit Österreichs innerhalb der Europäischen Union ist eine wirtschaftliche Herausforderung und ein politisches Ziel – ein politisches Ziel vor allem dahin gehend, daß wir verhindern, daß diese nationalkonservativen, nationalistischen Strömungen in Europa wieder Macht gewinnen, die dieses Jahrhundert geprägt haben: ein Jahrhundert des Gegensatzes, ein Jahrhundert des Antagonismus, ein Jahrhundert des Krieges und des Streites.

Es ist sicherlich einfacher, nationale Emotionen hochzuputschen, als für die gemeinsame europäische Einigung zu kämpfen. – Wir Liberalen stehen für die europäische Einigung und werden uns dafür einsetzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den der Abgeordnete Mag. Peter vorgetragen hat, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

16.47

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Ich bitte Sie, die Redezeit auf 5 Minuten einzustellen. – Danke.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin! Es ist schon erstaunlich, wie schnell es dem Herrn Abgeordneten Haider mit seinem Bäumchen-wechsle-dich-Spiel gelingt, seine eigenen Themen umzubringen.

Es liegen da zwei Dringliche Anfragen vor, wobei der Inhalt der zweiten bezüglich der Bank Austria offenbar die Thematik der ersten schon wieder erdrückt. Während wir alle noch bereit sind, über den Euro zu diskutieren, will der Herr Haider eigentlich schon längst nicht mehr den Euro diskutieren, das ist schon uninteressant geworden, weil es ein viel wichtigeres Thema gibt, nämlich die Bank Austria.

Genauso macht es der Abgeordnete Haider mit dem eigentlichen Thema, dem Euro. Während wir uns noch wundern, warum Abgeordneter Haider auf einmal immer wieder die Beschäftigungskriterien bei der europäischen Währungsunion betont, warum Herr Haider auf einmal so viel Wert auf soziale Gestaltungskriterien legt, ist Herr Haider schon längst vom Bäumchen der sozialen Kriterien zum Bäumchen der Inflationskriterien übergewechselt und versucht natürlich, mit den Inflationskriterien die Beschäftigungs- und sozialen Kriterien kaputtzumachen.


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Herr Dr. Haider! Wenn Sie schon meinem Kollegen Professor Van der Bellen nicht glauben, wie er aus Zeitschriften zitiert, weil Sie offensichtlich andere Übersetzungen aus dem Englischen zu haben pflegen, will ich es mit einem Beitrag aus der "Neuen Zürcher Zeitung" versuchen. Das ist eine Zeitung, die Sie auch schon öfter zitiert haben, wenn es Ihnen in den Kram paßt. Deshalb will ich versuchen, darzustellen, was die "Neue Zürcher Zeitung" zu diesem Thema sagt.

Gehen wir wirklich in die Inflationsgemeinschaft, oder ist nicht eher die Gefahr, Herr Dr. Haider, daß wir bereits in der Deflationsgemeinschaft drinnen sind? Ich bringe Ihnen einen ganz unverdächtigen Zeugen aus der "Neuen Zürcher Zeitung". Es ist eine Stellungnahme der Schweizerischen Bankgesellschaft. Da heißt es:

Einer kritischen Beurteilung werden die Maastrichter Pläne auch von Londoner Ökonomen der Schweizerischen Bankgesellschaft unterzogen. In ihrer Sicht sind die Konvergenzkriterien, die sich weitgehend auf Preisstabilität unter Auslassung anderer Ziele konzentrieren, veraltet und entsprechen nicht mehr den aktuellen wirtschaftlichen Erfordernissen Europas. Da die Weltwirtschaft immer enger integriert sein und die Konkurrenz durch rasch wachsende und effiziente asiatische und lateinamerikanische Länder immer heftiger werden, sei das zentrale wirtschaftspolitische Problem – jetzt passen Sie auf, Herr Dr. Haider! – nicht mehr in der Bekämpfung von Inflation und Budgetdefiziten, sondern in der Sicherstellung von Wachstum und Beschäftigung zu sehen. – Zitatende.

Die Bemühungen der EU-Länder, die Konvergenzkriterien so gut wie möglich zu erfüllen, haben zu einer kompetitiven Deflation geführt, nicht zu einer Inflation, Herr Dr. Haider! "Kompetitiv" werden Sie sich hoffentlich übersetzen können. Es ist das Problem dieser Europäischen Union, daß uns nicht eine Inflation bedroht, sondern daß uns die deflationäre Entwicklung, gerade durch den Sparkurs aller europäischen Länder, bedroht. Das ist das Problem, das Sie noch beklagen werden, nämlich die Auswirkungen dieser deflationären Entwicklung.

Die Auswirkungen auf die Beschäftigung werden Sie zu Recht kritisieren: Während in Europa wegen dieser Politik Millionen arbeitslos werden, stellen Sie sich schon wieder auf das andere "Bäumchen" hin, nämlich zum Herrn Waigel aus Deutschland, und Sie fordern mit ihm noch schärfere Kriterien ein, nach denen sich die Arbeitslosigkeit in Europa noch dramatischer entwickeln würde.

Das ist Ihr Problem, Herr Dr. Haider, daß Sie vor lauter schnellem "Bäumchen-wechsle-dich" nicht mehr wissen, was eigentlich Ihre Position ist. Ich frage Sie: Wollen Sie wirklich im Europa von morgen noch mehr Blut und Tränen? Wollen Sie wirklich, daß sich die Arbeitslosigkeit durch das Ankurbeln von Stabilitätskriterien noch erhöht? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben nicht aufgepaßt!) – Das haben Sie aber gerade vorhin gefordert in Ihrer Rede. Das ist Ihre Politik! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verdrehen ja die Worte im Mund! Sie sind ja unfähig für eine Politik ... !)

Ich kann nur sagen: Wenn die Österreicherinnen und Österreicher Ihnen das glauben würden (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler ) – sie tun es ja nicht –, wäre das mit Sicherheit eine Politik, die zu höherer Arbeitslosigkeit führen würde (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist doch paradox, was Sie da von sich geben!) , die verhindern würde, daß es tatsächlich eine europäische Initiative für soziale Kriterien, für Beschäftigungspolitik gibt, eine Politik, die nicht verhindern würde, daß noch mehr Blut und Tränen in Europa fließen müssen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagen Sie, haben Sie noch nie mitgekriegt, daß wir für eine bessere Wirtschaftspolitik eintreten?!)

Das ist Ihr Problem, daß Sie bei dieser Geschwindigkeit offensichtlich nicht mehr sehen, wo eigentlich Ihr Standpunkt ist, Herr Dr. Haider! Sie haben heute – so richtig es wäre, über den Euro zu diskutieren, weil es viele Punkte gibt, die kritisch sind (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger ) – Ihrem eigenen Thema und einer Diskussion über die Europäische Währungsunion, die wir dringend nötig hätten, durch die Art und Weise, wie Sie sie angepackt haben, wie Sie sie noch dazu totgemacht haben durch die CA-Geschichte, einen schlechten Dienst erwiesen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Krüger: Was ist denn deine Meinung zur Bank Austria?)

16.52


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Stenographisches Protokoll
53. Sitzung / Seite 130

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. Er hat das Wort.

16.52

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Viele Redner der Regierungsparteien fliehen in ihren Beiträgen in die einzige Frage: Was wäre Österreich ohne EU? – Die Einführung des Euro verbunden mit der Aufgabe des Schillings ist kein Spielfeld für Hobbykicker, schon gar nicht für Trittbrettfahrer. Die Einführung des Euro hat auf den Wirtschaftsstandort Österreich, hat auf die Wettbewerbskraft unserer Wirtschaft, hat auf die Entwicklung von Arbeitsplätzen, und zwar in unserem Land und nicht irgendwo in Europa, hat auf unser Sozialsystem und hat nicht zuletzt auf die nach 1945 von den Bürgern aufgebauten Vermögenswerte inklusive der Sparguthaben immense Bedeutung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Einführung des Euro und vor allem sein zukünftiger Außenwert werden auch mitentscheiden, ob sich Österreichs Wirtschaft positiv entwickeln kann und damit zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich entstehen. Im Moment verlieren wir Arbeitsplätze.

Die Bundesregierung hat für die entscheidenden Fragen, ob der Euro den Außenwert des Schillings erreichen kann, welche währungspolitischen Instrumente hiefür notwendig sind, gestern die erste Antwort gegeben: vom harten Schilling weg in den weichen Euro!, obwohl Sie wußten, daß Wim Duisenberg, der zukünftige Chef der Europäischen Zentralbank, eingemahnt hat, daß die währungspolitischen Instrumente zu harmonisieren sind, wenn der Euro hart sein soll.

Frau Ministerin! Das ist ein Doppelspiel, das die Regierung seit Jahren in wirtschaftspolitischen Fragen treibt. Es zeigt auf, für wie dumm Sie die Bürger Österreichs verkaufen wollen. Wenn nicht einmal Wahlergebnisse Ihren Weg verhindern, so muß ich sagen: Ich habe einige Sorge – zwar nicht um Sie, aber um Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Ministerin! Glauben Sie wirklich, daß mit der Aufgabe eines Stabilitätspakets alle Probleme jetzt gelöst sind? – Diese Antwort der Flucht in den weichen Euro ersetzt ja nicht die Antworten, die für einen stabilen Wirtschaftsstandort Österreich vonnöten sind. Es ersetzt nicht die Antwort auf die Frage, welchen Stabilitätspakt Österreich selbst entwickelt, welche Standpunkte es zu den Konvergenzkriterien nach Einführung des Euro gibt. Wo ist die Antwort auf die Frage, wie nach Einführung des Euro die Oesterreichische Nationalbank organisiert sein muß, und ob der Europäischen Zentralbank ein Initiativrecht zugestanden werden muß?

Wo ist die Antwort auf die Frage, ob einer zentralen Geldpolitik eine akkordierte Haushaltspolitik gegenüberzustellen ist, und welche Auswirkungen solche Schritte haben?

Wo ist die Antwort der Regierung auf die Frage, wie der neue Wechselkursmechanismus zwischen dem Euro und den nicht teilnehmenden Währungen mit einer 15prozentigen Schwankungsbreite zur Währungsstabilität beitragen kann?

Wo ist die Antwort auf die Frage, die der Chef des Europäischen Währungsinstitutes Lamfalussy an Österreich bezüglich der Gesamtverschuldung gestellt hat?

Wo ist die Antwort auf die Frage, wie Sie den unhaltbaren Zustand in der Gesamtverschuldung lösen wollen? Welche Maßnahmen setzen Sie? Welcher Zeitplan ist vorgesehen?

Die Regierung gibt keine Antwort. Die Regierung, und zwar sowohl Kanzler als auch Finanzminister, stolpert bei der Beantwortung dieser Fragen von Problem zu Problem. Sie schließt ein Loch, um ein anderes aufzutun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß Sie keine Volksabstimmung zur Einführung des Euro wollen, ist klar. Sie haben keine Argumente, Sie können keine Maßnahmen plausibel nennen, warum der Schilling hart bleibt und gleichzeitig der Euro weich wird. Man kann höchstens in der Presse nachlesen, in der


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empfohlen wird, welche Fluchtwährungen zu empfehlen sind – im Monat September allein sind 148 Millionen Schilling in die Schweiz abgeflossen.

Die Regierung sieht keine Möglichkeiten, Österreich aus dem Strudel der Euro-Einführung, wie es die Dänen vorzeigen, herauszuhalten. Unsere Regierung hat nicht begriffen, daß auf der europäischen Ebene getroffene Entscheidungen eine Flucht nach vorne sind und jeden Nettozahler zutiefst treffen. Viele Experten sagen immer lauter: Europa ist nicht auf den Euro vorbereitet. – Österreich ist es sicher nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.58

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, daß vor Eingang in die heutige Tagesordnung das Verlangen der Abgeordneten Anschober und Kollegen eingebracht wurde, dem Verkehrsausschuß eine Frist zur Berichterstattung über den Antrag 348/A (E) bis zum 15. April zu setzen und eine kurze Debatte durchzuführen.

Da bereits eine Kurzdebatte von den Freiheitlichen zu einem anderen Thema verlangt wurde, kann nach § 57b der Geschäftsordnung eine zweite Kurzdebatte nicht stattfinden. Der Antrag auf Fristsetzung wird nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung gelangen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Freiwillige Redezeit: 5 Minuten.

16.58

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns nüchtern die Frage der Wirtschafts- und Währungsunion ansehen, kann man sagen, es gibt im wesentlichen drei Szenarien, die zu diskutieren sind.

Erste Möglichkeit: Es gibt keine Wirtschafts- und Währungsunion; diese kommt nicht zustande. Was ist die Folge einer solchen Entwicklung? – D-Mark und österreichischer Schilling werden gleichzeitig aufgewertet, weitere Folge ist ein erheblicher Schaden für den Tourismus und für die Exportwirtschaft, sprich: massenweiser Verlust von Arbeitsplätzen.

Zweite Möglichkeit: Es gibt die Wirtschafts- und Währungsunion, und Österreich nimmt nicht daran teil. Was geschieht in einem solchen Fall? – Österreich wird zum Objekt von Spekulationen, ist ein erster Abwertungskandidat, es kommt zu steigenden Zinsen in Österreich, zu Inflation und Arbeitsplatzverlusten. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) – Dänemark ist nicht die Norm Europas, Herr Kollege!

Dritte Option: Wir nehmen an einer Wirtschafts- und Währungsunion teil und halten die bisherige Bindung mit der D-Mark. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Herr Haider, Sie hätten Ihren New York-Aufenthalt dazu verwenden sollen, die Politik der Amerikaner, die der Federal Reserve Bank zu studieren – und weniger Weihnachtseinkäufe zu machen, dann wären Ihre Erkenntnisse besser gewesen! (Beifall bei der SPÖ.)

Entscheidend in diesem Zusammenhang ist – das ist das, was zu diskutieren ist, ... (Abg. Mag. Stadler: Das sind "Argumente"! Die können Sie im Kabarett liefern!) – Ich weiß, Herr Stadler, Sie gehören zu der Kategorie von Menschen, die auch schon bei der Einführung des aufrechten Ganges gewarnt haben, weil aufrecht zu gehen gefährlicher ist als auf vier Beinen. Sie gehören zu dieser Kategorie von Menschen! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber Leute wie Sie haben nie an die Zukunft und an die Sicherung von Bedürfnissen gedacht, sondern wollen nur politisches Kleingeld wechseln. Uns geht es um die Interessen der österreichischen Bevölkerung.


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Was ist daher zu tun? – Bei dem Stabilitätspakt, der diskutiert wird, ist es ganz entscheidend, daß dieser zwar zum einen den Euro als stabile Währung nach innen und eine Flexibilität gegenüber den Weltwährungen gewährleistet, gleichzeitig aber darf dieser Stabilitätspakt den europäischen Volkswirtschaften nicht den Atem abschnüren, den diese Volkswirtschaften nach wie vor brauchen werden, um eigenständige Politik machen zu können.

Es gibt für diese These eine Reihe von guten Zeugen. Lesen Sie Helmut Schmidt in der "Zeit" in seiner scharfen Polemik gegen Herrn Tietmayer, den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, lesen Sie eine Reihe anderer Quellen in diesem Zusammenhang! Stabilitätspakt ja, aber kein Automatismus, der Europas Wirtschaft und den Arbeitsplätzen den Atem abschnürt. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wesentlich ist in Wirklichkeit, daß die Europäische Zentralbank nicht der Diktator einer Europäischen Wirtschaftspolitik wird, sondern daß diese Europäische Zentralbank dem Europäischen Parlament demokratisch verantwortlich ist, daß diese Europäische Zentralbank auch zur Kenntnis zu nehmen hat, daß es andere wirtschaftspolitische Zielsetzungen als Inflationsbekämpfung gibt, nämlich zum Beispiel Beschäftigungspolitik.

Dazu können wir diese Europäische Zentralbank nur dann zwingen, wenn es gelingt – das, was die österreichische Bundesregierung unter anderem in Dublin vorgeschlagen hat –, Beschäftigungspolitik in den EU-Vertrag als eine wesentliche Priorität hineinzubekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe des Abg. Haigermoser. )

Ich weiß schon, Sie haben die Ahnungslosigkeit gepachtet, das ist uns bekannt, Herr Kollege Haigermoser! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie mit Herrn Tietmayer daherkommen, bekanntlicherweise dem größten Kritiker des Euro, den es in Deutschland gibt, dann sollten Sie dazu nachlesen, was ihm Helmut Schmidt mitgeteilt hat: Er hat gesagt, er versteht das psychologisch sehr gut, wieso sich Herr Tietmayer so aufregt, weil es nämlich schwer zu verdauen ist, wenn man vom De-facto-Währungskönig zu einem Filialdirektor der Europäischen Zentralbank absteigt. – Auf solch psychologisch motiviertem, dürftigem Niveau bauen Sie Ihre Thesen auf!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zukunft Österreich ist auf solch dünnem Parkett, wie Sie es vorschlagen, nicht aufzubauen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte.

17.03

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte heute ist zeitweise ziemlich emotionell, aber wir wissen, daß der Zug zu einem gemeinsamen Euro bereits abgefahren ist, und er steht auf festen Schienen. Das haben auch die Regierungschefs der Europäischen Union bereits bekräftigt. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Durch unsere Budgetpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, verbunden mit einem Konsolidierungsprogramm, sind wir dabei und erfüllen auch die Voraussetzungen, sodaß Österreich zu jenen Kernländern zählt, die von Beginn an beim Euro ab 1. Jänner 1999 dabeisein werden.

Was sind nun diese Voraussetzungen? – Es gibt fünf Konvergenzkriterien: zum ersten die fiskalischen Kriterien, die Haushaltsdisziplin, zum zweiten die monetären Kriterien. Zu den fiskalischen Kriterien zählen das Haushaltsdefizit des öffentlichen Sektors mit maximal 3 Prozent des BIP und als zweites die Verschuldung des öffentlichen Sektors mit maximal 60 Prozent des BIP.


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Diese Kriterien, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir bis Ende 1997 erfüllen. Im Jahre 1998 wird entschieden werden, welche Länder letztlich aufgrund der Ergebnisse 1997 mit dabei sind.

Ich darf nun ein Zitat von EU-Kommissionspräsidenten Santer bringen:

Alle Spekulationen und Hypothesen, die zum jetzigen Zeitpunkt aufgestellt werden, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Entscheidung erst im Frühjahr 1998 getroffen wird, so Santer. Und weiters: Bis dahin dürfen wir nur ein Ziel im Auge haben, nämlich an der Einhaltung der Kriterien zu arbeiten, damit möglichst viele Staaten teilnehmen können. Weiters sagte der Kommissionspräsident: Eine Verschiebung der Währungsunion würde schwerwiegende Folgen haben, nicht nur monetäre, auch politische. Es würde eine ganze Generation dauern, bis dieses Thema wieder aktuell würde. – Zitatende.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum ist es so wichtig, daß wir gleich zu Beginn dabei sind? – Das ist deshalb so wichtig, damit wir an der bewährten Hartwährungspolitik festhalten können, jener Hartwährungspolitik, mit der wir in den letzten Jahren sehr erfolgreich waren. Österreich zählt somit zu den wohlhabendsten Ländern Europas. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber was sind die weiteren Vorteile? – Stellen Sie sich vor, Sie bestellen eine Ware, deren Lieferung vielleicht vier oder fünf Monate später erfolgt. Es geht also um das Wechselkursrisiko, allein bei dem Devisenkurs durch den Unterschied von Ankaufs- zu Verkaufskurs.

Oder ein weiteres Beispiel: die Veranlagung in Wertpapieren mit Fremdwährung. – Ganz konkret ein Beispiel: Im Jahre 1985 lag das Zinsniveau beim US-Dollar bei zirka 12, 13 Prozent und der Kurs bei rund 22 S. Wenn Sie schauen, wo der Dollar-Kurs durch den starken Rückgang heute ist, dann müssen Sie feststellen: Es gibt erhebliche Wechselkursdifferenzen.

Ein weiteres Beispiel: Sie nehmen 100 000 S, fahren von Österreich durch die 15 EU-Staaten und verlieren allein durch Wechselkursverluste rund 31 000 S.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wichtig ist: Wir brauchen mit dem Euro auch eine starke Leitwährung für eine Stabilisierung der Weltdevisenmärkte. Wir werden es uns in Zukunft nicht leisten können, Wechselkursverluste weiter mitzutragen. Daher: Es geht um einen Währungstausch, aber nicht um eine Währungsreform. (Beifall bei der ÖVP.)

17.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

17.08

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die rasch wechselnden Koalitionen in diesem Haus waren heute besonders verblüffend. Die Radikalität der Freiheitlichen Partei ist verpufft in der leichten Umschreibung eines traurigen Versuchs eines Koalitionspartners, den Freund/Feind-Begriff neu zu definieren, meine Damen und Herren.

Kollege Stummvoll hat noch richtig vehement und kämpferisch begonnen, hier über eine "feindliche Übernahme" zu reden. – Übriggeblieben ist ein gemeinsamer Antrag der Freiheitlichen mit der ÖVP, in dem die nette Formulierung in einem Entschließungsantrag, nämlich "der Nationalrat wolle beschließen, die Bundesregierung wird ersucht" – das ist bisher immer die feine Formulierung gewesen, wenn man die Bundesregierung auffordert, irgendwas zu tun –, zu diesem radikalen fundamentalistischen Ausdruck mutiert ist: "die Bundesregierung wird aufgefordert". Das wird heute auch die Zustimmung der strammen FPÖ-Recken und -Reckinnen provozieren.

Die gemeinsame Sprachregelung wurde sogar noch verschärft. Im ÖVP-Antrag, der noch etwas bescheidener und "stummvoller" war (Heiterkeit bei den Grünen) , steht noch nichts von der vollständigen radikalen Privatisierung. Im gemeinsamen Antrag wird dann aus dem vollen ge


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schöpft: Das echte, das vollständige Private muß her! Raus mit der Politik! Rein mit den Privaten! Rein mit dem Echten! Rein mit der FPÖ! Rein mit der ÖVP! (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir eine wunderschöne Diskussion im Sinne des Herrn Haselsteiner und im Sinne des Herrn Sascha Van der Bellen gewünscht, eine Diskussion über die Visionen, die wir in Europa haben könnten. Es ist für mich als Nichtökonomen ein ungeheuer trauriges Schauspiel der Politik, daß die Vision zu der plumpen Auseinandersetzung verkommt: Hat Gitti Ederer die 1 000 S nun ausgeteilt oder nicht, und wird die Währungsunion morgen, übermorgen oder überübermorgen kommen?

Meine Damen und Herren! Ein Europa, das wir um eine Bank herum aufbauen, ist nicht mein Europa. (Beifall bei den Grünen.) Ich sage Ihnen das als Grüner, als jemand, der andere Visionen hat, Visionen von einem kulturpolitischen Erbe, das in Europa nicht nur geprägt, sondern weiterentwickelt werden muß, von einem Europa, in dem es soziale Standards gibt, die ein Erbe aus blutigen Revolutionen sind, insbesondere in Frankreich. Ich wünsche mir, daß die Gewerkschaft wieder erstarkt, Herr Cap, daß neue Visionen beschrieben werden, um die wir hier streiten können, Herr Kollege Schwarzböck, daß wir um die ökologischen Standards der europäischen Landwirtschaft hier streiten, daß wir darüber streiten, wie diese Visionen aussehen sollen – und nicht über diesen traurigen Abklatsch, wie denn dieses Geldscheinchen heißen wird: Wird es "Cent" heißen, wird es "Euro" heißen, oder wird es stumm bleiben und irgendwo voller Leidenschaft in irgendwelchen Taschen kleiner Spekulanten an den Börsen verkommen?

Meine Damen und Herren! Diese Diskussion müssen wir hier führen, wenn wir eine Vision, wenn wir Hoffnungen haben wollen, die bei den Österreicherinnen und Österreichern nicht nur keimen, sondern zumindest zum Teil erfüllt werden sollen, meine Damen und Herren!

Es gab einige erfreuliche Ansätze, aber das, was hier von seiten der FPÖ mit dem "Beiwagen" ÖVP passiert ist, ist ein trauriges Abstechen der eigenen Dringlichen Anfrage, die so hoffnungsvoll begonnen und so schlapp wie ein gefälschter Geldschein geendet hat. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

17.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Abgeordnete. Ihre Redezeit beträgt noch 6 Minuten.

17.13

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich bin zutiefst betrübt, sagen zu müssen, daß Herr Wabl nicht recht hat. Aber es ist nicht das erste Mal, daß Herr Wabl nicht recht hat, sondern er hat wieder einmal nicht recht. (Abg. Dr. Stummvoll: Er irrt öfters!) Er spricht hier von einem gemeinsamen Antrag von ÖVP und FPÖ. Ich darf jetzt einen Antrag einbringen, der nur von den ÖVP-Abgeordneten unterstützt ist. (Abg. Wabl: Diktiert von Moser!)

Aufgrund der beschränkten Redezeit, die ich zur Verfügung habe, darf ich gleich darangehen, diesen Antrag zu verlesen.

"Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat und Kollegen an die Bundesregierung betreffend vollständige Privatisierung aller im öffentlichen Eigentum stehender österreichischer Banken zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa

In Umsetzung des Arbeitsübereinkommens zwischen ÖVP und SPÖ des Jahres 1990 beschloß der Gesetzgeber im Jahre 1991 das Bundesgesetz, mit dem die Ermächtigung zur Veräußerung von Anteilsrechten an der Creditanstalt-Bankverein und der Österreichischen Länderbank AG erteilt wurde ...


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Aus diesem Grund sieht auch das Koalitionsübereinkommen zwischen ÖVP und SPÖ vom 11. März 1996 neuerlich vor, daß die Bundesanteile an der Bank Austria und der Creditanstalt zu privatisieren seien ..." (Abg. Dr. Fischer: Daß man Anträge nicht so einbringt, sieht das Koalitionsabkommen auch vor!)

Ich muß die Erläuterungen ein bißchen kürzen, um den vollständigen Antrag vorlesen zu können.

"Bundeskanzler Dr. Vranitzky nahm in seiner Regierungserklärung vom 13. März 1996 ebenfalls auf dieses Vorhaben der Bundesregierung Bezug und erklärte die feste Absicht der Bundesregierung, in dieser Gesetzgebungsperiode die Bundesanteile der Bank Austria und der Creditanstalt privatisieren zu wollen.

Die Entwicklung der letzten Tage mit der Ankündigung der Absicht der Bank Austria, einer Bank, die sich mehrheitlich im öffentlichen Eigentum befindet, die Creditanstalt übernehmen zu wollen, würde die Privatisierungsabsichten der Bundesregierung eklatant konterkarieren. Es würde damit nicht nur ein in Österreich übermächtiger, im öffentlichen Eigentum befindlicher Bankenkonzern entstehen, sondern auch zu gewaltigen Wettbewerbsverzerrungen kommen. Diese neuformierte kommunale Großbank würde im Emissionsbereich fast ein Monopol besitzen und unter Berücksichtigung der zu dieser Bankengruppe gehörenden Girocredit im Bereich des Großkundenkreditgeschäftes ebenso kaum mehr bedeutende Konkurrenz haben. 94 Prozent aller Großbetriebe haben Bankbeziehungen zu CA oder Bank Austria und ebenso 65 Prozent aller Mittelbetriebe ...

Eine derartige Monopolsituation wäre in Europa einzigartig und würde den Wettbewerb auf diesem Sektor stark einschränken. Daher stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein Zusammenschluß von CA und Bank Austria nicht ein eklatanter Fall für den Kartellrichter wäre. Eines wäre eine derartige Fusion auf jeden Fall: keine richtige Privatisierung, sondern eine Kommunalisierung des österreichischen Bankenbereiches ...

Aus all diesen Gründen" – es gibt noch einige mehr, vor allem möchte ich auch in diesem Zusammenhang auf die Probleme der Mitarbeiter hinweisen – "stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

,Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Verfolgung der Zielsetzungen des CA-Privatisierungsgesetzes aus dem Jahr 1991 sowie der Koalitionsübereinkommen zwischen ÖVP und SPÖ umgehend Maßnahmen zu setzen, um eine rasche und vollständige Privatisierung der Creditanstalt und der Bank Austria umzusetzen.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung des weiteren ersucht, bei allen diesen Privatisierungsschritten auf die Wahrung österreichischer Interessen Bedacht zu nehmen und damit Verbesserungen der Struktur des österreichischen Bankwesens zu bewirken. Sinnvolle Privatisierung kann in diesem Zusammenhang nur bedeuten, die Bundesanteile an CA und Bank Austria echt (vollständig) zu privatisieren und nicht diese Anteile bloß an unmittelbar oder mittelbar im Einflußbereich von Gebietskörperschaften befindlicher Unternehmungen abzugeben.

Ebenso ist darauf zu achten, daß im Zusammenhang mit der Abgabe von im Bundesbesitz befindlichen Anteilen es nicht zur Vernichtung von Tausenden – erste Schätzungen sprechen von 4 000 bis 5 000 – Arbeitsplätzen kommt.


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Darüber hinaus wird die Bundesregierung ersucht, raschest mit der Gemeinde Wien in Verhandlungen zu treten, die sicherstellen, daß die Anteilsverwaltung Zentralsparkasse ihre Anteile an der Bank Austria gleichfalls an private Interessenten veräußert.‘"

*****

In diesem Sinne – ohne jetzt irgendwelche Angebote vorwegzunehmen, die am Montag eingebracht werden – glaube ich, daß diese Übernahme an Anteilen eine echte Privatisierung sein sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

17.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben von Frau Abgeordneter Rauch-Kallat vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich noch Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Sie haben das Wort. Die Restredezeit beträgt 5 Minuten.

17.19

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Ich scheine besondere Beliebtheit zu haben, denn immer wenn ich als letzte zum Rednerpult gehe, begleitet mich aus den ÖVP-Reihen ein wahrer "Enthusiasmus". (Beifall bei der ÖVP.)

Ich nehme das als Lob entgegen, daß ich Sie jedesmal zu einem Widerspruch und einer Widerrede ermutige. (Abg. Dr. Khol: Sie haben Humor!) Das zeigt nur, daß ich mit meiner politischen Linie völlig richtig liege.

Die heutige Diskussion hätte wirklich anders verlaufen können. Wir hätten etwas nachzuholen, was es – das haben Sie immer wieder moniert in diesem Haus – noch viel zu wenig gegeben hat, nämlich eine in die Tiefe gehende Debatte nicht nur über die Wirtschafts- und Währungsunion, sondern vor allem über die Konvergenzkriterien und über den Stabilitätspakt.

Wir haben diese Diskussion vor nicht allzu langer Zeit auch im Hauptausschuß eingefordert, aber sie ist dort mit der üblichen Arroganz der Regierungsparteien abgelehnt worden. Man geht gar nicht auf die Argumente ein, die gebracht werden. Ich höre jetzt mit Staunen, daß Kollege Gusenbauer zum Beispiel auf den "Zeit"-Artikel und auf den Brief von Helmut Schmidt verweist, der sehr kritisch genau jene Kriterien unter die Lupe genommen hat. Im Hauptausschuß hat es darüber noch ganz andere Meinungen gegeben, ebenso über das Argument, daß die Beschäftigungspolitik ein wesentlicher Bestandteil des Maastricht-Vertrages sein sollte. Auch ein solcher Antrag wurde von den Regierungsparteien nicht angenommen, sondern niedergestimmt.

Das zeigt die ganze Widersprüchlichkeit auf, mit der Sie hier agieren, in dem Sie eben in Ihrer Arroganz solche Diskussionen überhaupt nicht zulassen beziehungsweise abblocken. Sie machen das Geschäft der Freiheitlichen. Sie machen das Geschäft jener Populisten, die dann genau auf das setzen, wie auch diese Anfrage den Euro betreffend, und sagen: Niemand will den Euro, und das ist etwas ganz Schreckliches. Sie nehmen einen Begriff her und glauben jetzt, Schlittenfahren und Politik machen zu können. Sie – diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen – bereiten mit Ihrer nicht vorhandenen Diskussionskultur dafür genau die Stimmung und das Feld auf, damit hier eine Partei auftreten kann und ein eigenartiges Potpourri, eine eigenartige Mischung von wirtschaftspolitischen Vorstellungen und populistischem Vorgehen in einer solchen Anfrage vorbringen kann.

Das, was mich aber eigentlich sehr bestürzt und was hier gar nicht beziehungsweise nur am Rande zur Sprache gekommen ist, ist, daß diese Politik auf der europäischen Ebene, diese Konvergenzkriterien und diese Diskussion um den Stabilitätspakt schon Indizien für das nächste Sparpaket sind. Sie glauben, Sie können mit Rede- und Diskussionsverboten bis zum Jahre 2000 eine Diskussion in diesem Land von sich weisen. Sie glauben, Sie können das damit verhindern, aber das ist nicht der Fall. Es gibt jetzt schon jede Menge Indizien dafür, daß Sie ein drittes Sparpaket schnüren, und es wird – auch das wissen wir, denn das ist der Betrag, der


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Ihnen jetzt schon fehlt – ungefähr 25 Milliarden Schilling ausmachen. Das ist immerhin ein Viertel des Sparpaketes II.

Sie glauben, daß Sie mit dieser Politik, die Sie bisher betrieben haben, nämlich der Nichtinformation, des Nicht-darüber-Diskutierens etwas verhindern können, was sich aber nicht verhindern läßt, nämlich eine noch größere Arbeitslosigkeit, eine noch größere Verunsicherung in der Bevölkerung und eine Destabilisierung in vielen und weiten Kreisen der Bevölkerung.

Ich habe Ihnen schon vor zwei Tagen – in einem anderen Zusammenhang – gesagt: Geben Sie jenen das Geld zurück, denen Sie es dauernd wegnehmen! (Beifall bei den Grünen.) Wir werden Ihnen das spätestens in einem Jahr, wenn wir das Budget 1998 verhandeln, vermutlich wieder sagen können, ja sogar viel früher sagen können, weil die Budgetverhandlungen schon viel früher beginnen und weil, wie gesagt, alle Anzeichen und alle Indizien, wenn man es genau anschaut und kritisch Ihre Budgetpolitik, Ihre Finanzpolitik, Ihre Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik verfolgt, darauf hinweisen.

Ich komme zum Schluß: Ich bedauere, daß hier und in den Ausschüssen keine diesbezügliche Diskussion geführt werden kann. Dieser heutige Nachmittag und diese Debatte haben aber gezeigt, daß es dringend notwendig wäre, darüber zu diskutieren. (Beifall bei den Grünen.)

17.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Kostelka gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die Restredezeit beträgt noch 6 Minuten.

17.25

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Hohes Haus! In der Koalition haben wir uns darauf verstanden, daß drei Perspektiven ausschlaggebend sein sollen bei der Frage des Verkaufs der Bundesanteile an der Creditanstalt: die Wahrung österreichischer Interessen, Struktureffekte für den österreichischen Bankenapparat und ein möglichst hoher Budgetertrag.

Meine Damen und Herren! Anscheinend soll jetzt eine vierte Perspektive, nämlich die parteipolitische Perspektive, dazukommen – und das ist ein Bruch des Arbeitsübereinkommens zwischen SPÖ und ÖVP für die laufende Legislaturperiode. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben uns darauf verstanden, daß in einer international entsprechend geregelten Ausschreibung, in der auch eine qualifizierte Kommission diese Anbote zu prüfen haben wird und einen Vorschlag erstellen soll. Das, was Sie verlangen, ist, daß die Anbote anscheinend schon qualifiziert werden sollen, bevor sie überhaupt eröffnet sind. Das ist das Problem. Das wollen Sie! (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie wollen offensichtlich, daß ein Betrag von 16 Milliarden Schilling, der noch nicht geboten worden ist, der vielleicht geboten werden wird – ich weiß es nicht, wissen Sie es? (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP) –, dem Bund nicht zufließt, sondern daß es einen geringeren Betrag für den Steuerzahler und dessen Entlastung in Höhe von 11 Milliarden Schilling gibt. Meine Damen und Herren! Das ist Politintervention zu Lasten des Steuerzahlers. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie in diesem Zusammenhang Arbeitnehmerinteressen geltend machen, so ist das in meinen Augen eine Träne im Knopfloch, und zwar deswegen eine Träne im Knopfloch, weil Sie in den letzten Tagen mehrfach Gelegenheit hatten, Sozialpartnerübereinkommen im Interesse der Arbeitnehmerschaft dieses Landes umzusetzen. Da sind wir aber keinen Schritt weitergekommen.

Ich fordere Sie auf: Wenn es Ihnen wirklich um Arbeitnehmerinteressen geht, dann bringen Sie mit uns gemeinsam einen Antrag auf Arbeitszeitregelung, auf die Lehrlingsfinanzierung und und und ein – und argumentieren Sie nicht so vordergründig! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben mit dem Kartellrecht argumentiert. Da mußte ich wirklich an mich halten, denn: In den letzten Jahren habe ich mehrfach versucht, mit Ihnen darüber zu diskutieren, daß das Kartellrecht Österreichs internationalen Qualifikationen entsprechend gestaltet werden soll. Ich bin an geschlossenen Türen gescheitert. – Aber auf einmal liegt Ihnen das Kartellrecht am Herzen.


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Meine Damen und Herren! Das ist nicht glaubwürdig. – Uns geht es darum, den besten Käufer der CA-Anteile aus Sicht des österreichischen Steuerzahlers zu bekommen – für den österreichischen Steuerzahler eben, der durch diesen Verkauf von Bundesanteilen entlastet werden soll.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Dieses Arbeitsübereinkommen wird zumindest bei den nachfolgenden Abstimmungsverfahren für Minuten zu einer Sammlung von Blättern Papier. Ich hoffe, daß der Rest der Legislaturperiode anders verläuft. Aber in den nächsten Minuten werden Sie – und das ist das für mich in höchstem Maße betrübliche – unter Beweis stellen, daß Ihre Koalitionstreue mitunter sehr eingeschränkt, daß aber Ihre Koalitionsbereitschaft mit den Freiheitlichen überaus ausgeprägt ist. Wir alle konnten – wie jedermann in diesem Hause – beobachten, wie Details des Entschließungsantrages von Ihnen mit den Freiheitlichen ausverhandelt wurden. Ich möchte gerne wissen, wie Vizekanzler und Außenminister Schüssel diese Sachkoalition von ÖVP und FPÖ den 14 anderen Außenministern in Dublin in diesen Stunden erklärt.

Meine Damen und Herren! Bitte überlegen Sie sich Ihr Abstimmungsverhalten! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

17.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster ist Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Restredezeit: 1 Minute.

17.30

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Meine Damen und Herren! Im Regierungsübereinkommen haben wir uns zur Privatisierung der Creditanstalt-Bankverein – und nicht zu einer Verstaatlichung in Form der sozialistischen Regierung in Wien verpflichtet! (Beifall bei der ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Wir werden diesen letzten Plenartag vor Weihnachten hoffentlich noch einigermaßen über die Bühne bringen.

Es liegt noch die Wortmeldung des Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn vor. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. Restliche Redezeit für Ihre Fraktion: 7 Minuten.

17.31

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Minister! Wenn wir Freiheitlichen heute hier die Rahmenbedingungen für eine vollständige Privatisierung von Bank Austria und CA mitgestalten können, so kommt dies nicht von ungefähr: Ständige und standfeste Positionen in Fragen einer strukturell neuorientierten Wirtschaftspolitik führen eben zum Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Leidensweg war lange genug von Proporz, Machtmißbrauch und Verschwendung gepflastert. Österreich war beim Aufbau des Bankensektors nach 1945 auf starke Mitwirkung des von den Alliierten besetzten Staates angewiesen. Erst die Erweiterung des Binnenmarktes, die Liberalisierung der Finanzmärkte haben das gebracht, was wir Freiheitlichen heute mit der Privatisierung der Bank Austria einfordern, weil die Privatisierung für den Steuerzahler der beste Weg ist, der daher auch gut umzusetzen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein "Mal-mot" ist schon einmal von Österreich aus durch die Finanzwelt gegeistert. Es hat geheißen: "How not to privatize a bank". – Gute Banken stehen am besten nicht in den Medien, und wenn, dann nur, weil sie hohe Gewinne ausweisen. Österreich darf in dieser Hinsicht nicht anders sein. Wir können uns das im Sinne der Menschen, die hier leben und arbeiten, nicht leisten. Der Wirtschaftsstandort Österreich hat eine große Chance. Nehmen wir diese Chance gemeinsam wahr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Eine Zusammenführung der beiden größten Banken mit einer Bilanzsumme von je über 600 Milliarden, die bisher als Spielball der Koalitionspartner gesehen wurden, ist im Licht der Öffentlichkeit gestanden, und wir müssen sie einem Ende zuführen.

Die Pragmatisierung von 80 Prozent der Mitarbeiter in der Bank Austria, ständige Fraktionssitzungen in der CA, all das gehört zur gängigen Praxis und hat mit einem international renommierten Bankunternehmen nichts zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Staat hat jetzt die Möglichkeit – die Regierung hätte sie von sich aus ergreifen können –, diese beiden vom Staat dominierten Großbanken mit einem Wurf zum großen Mitspieler auf dem Kapital- und Finanzmarkt zu machen. Mehr noch: Ein breit gestreuter Anlegerkreis, mit dem beide Großbanken den Finanzplatz Österreich hätten aufwerten können, hätte dem ganzen eine neue Dimension gegeben – aus eigener Kraft, ohne politisch und proporzmäßig akzentuierten Streit.

Eine Börsenplazierung im In- und Ausland wäre ein Quantensprung in der Bedeutung der Börse Wien. Risikofinanzierung hätte damit einen ganz neuen Stellenwert und eine ganz neue Möglichkeit. Auch die von Ihnen allen geforderten Unternehmensgründungen, Forschung und Innovationsfinanzierung könnten damit begünstigt werden. Beschäftigung, lang versprochene Impulse könnten mit einem solchen Schritt auf dem Kapitalmarkt umgesetzt werden. – Ihr Herr Bundeskanzler hat in einer Rede letzte Woche selbst gesagt, daß das ein Manko in der österreichischen Wirtschafts- und Finanzwelt ist.

Für die österreichische Wirtschaft und Industrie ist diese Privatisierung, diese Entstaatlichung, diese Börsenplacierung von größter Wichtigkeit. Internationale Wettbewerbsfähigkeit, Refinanzierung, die aus ihrer Ertragskraft schöpfende Kraft des Börsengangs dieser beiden Banken, all das ist möglich.

Ich muß Ihnen sagen: Es ist eigentlich traurig, daß einem die gestrige Wirtschaftsdebatte – wenn Sie genau zugehört hätten, wüßten Sie das – eigentlich alles gesagt hat. Vielleicht wird das Buch von Dr. Schüssel "Mehr privat, weniger Staat" jetzt von uns mit Leben und mit Inhalten erfüllt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Freiheitlichen haben heute einen klaren und eindeutigen Antrag gestellt. Die ÖVP ist in letzter Minute aufgewacht. Herr Dr. Stummvoll! Die Unverbindlichkeit der Aussagen in eurem Privatisierungsantrag war durch nichts mehr zu überbieten. Erst im letzten Augenblick haben Sie einem klaren und geradlinigen Weg das Wort geredet, und ich danke Ihnen dafür. Ich glaube, es ist dies eine klare Aussage von Ihnen. Aber nur in der Spur im tiefen Schnee, die wir Ihnen gelegt haben, haben Sie den richtigen Weg gefunden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren von den Sozialisten! Wenn Sie all das so lustig finden (Abg. Dr. Nowotny: Ist nicht lustig!) , kann ich Ihnen nur sagen: Treten Sie aus Ihrem Schatten heraus! Lassen Sie uns die von Ihnen initiierte Europapolitik gemeinsam gehen, mit strukturellen Schritten, die wir heute auf dem Finanz- und Bankensektor letztlich eingeleitet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Öllinger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter! Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. Ich bitte Sie, mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen, zu beginnen.

17.37

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter Prinzhorn hat in seiner Rede behauptet, daß wir in einem von den Alliierten besetzten Österreich leben. Er hat davon gesprochen. Ich stelle tatsächlich richtig: Wir leben in einem von den Alliierten befreiten Österreich.


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Ich gratuliere Ihnen zu dieser neuen Koalitionssprachregelung! (Beifall bei den Grünen, der SPÖ sowie dem Liberalen Forum.)

17.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr ist zu Wort gemeldet Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die restliche Redezeit für Ihren Klub beträgt noch 7 Minuten.

17.37

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Ausführungen der beiden Klubobleute der Regierungsparteien waren schon von außerordentlicher Doppelbödigkeit: Beide haben Argumente gebracht, die, wenn man sie allein stehenließe, richtig wären. Wenn aber beide Seiten die Arbeitnehmerinteressen, die österreichischen Interessen betreffend ausschließlich aus dem Blickpunkt ihrer parteipolitischen Interessen argumentiert haben und dadurch das Paradoxon entsteht, daß die gleichen Worte verwendet werden, aber plötzlich ein Gegensatz daraus konstruiert wird, dann ist alles gesagt, was über diese Regierung zu sagen ist! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es handelt sich tatsächlich um ein Sachproblem, es geht nämlich um die Frage: Was ist für die österreichische Bankenlandschaft die beste Lösung? – Und es ist nun einmal das, was sich jetzt bei den Offerten abzeichnet, nämlich die Möglichkeit, daß wir erstmals in dieser Republik eine Bank von nennenswerter und international wenigstens wahrnehmbarer Größe erhalten, eine echte Chance. Aber sie setzt noch sehr viel Zusätzliches voraus.

Nicht, daß Sie annehmen, daß wir jetzt hier Partei ergreifen für eine Lösung, die dann möglicherweise als eine "rote" bezeichnet werden kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir sind nicht glücklich mit dem, was derzeit das konstitutive Merkmal der Bank Austria ist, nämlich daß sie eine an der kurzen parteipolitischen Leine geführte Gemeindesparkasse ist, die sich außerdem so verhält wie ein eigentümerloses Konstrukt. Wir sind nicht der Meinung, daß das gut ist. (Abg. Dr. Graf: Dann kennen Sie aber die Bank Austria nicht, Herr Kollege!)

Es kann das überhaupt nur Sinn machen, wenn man den Reformgedanken, der hinter der Zusammenführung der beiden Häuser steckt, zu Ende denkt. Und zu Ende gedacht bedeutet: Entpolitisierung, Privatisierung und eine im internationalen Wettbewerb auch von ihren inneren Strukturen her wirklich taugliche Bank zu machen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie zuerst Bedingungen definiert haben (Abg. Dr. Puttinger: Zuerst Privatisierung, dann Zusammenführung!) , unter denen Anbote gelegt werden dürfen, weil Sie der Meinung waren, diese Bedingungen würden nur von einer einzigen, einer bestimmten Gruppe erfüllt werden können, dann dürfen Sie sich jetzt nicht darüber wundern – auch wenn Sie sich überrascht zeigen –, daß es auch noch eine zweite Gruppe gibt, die diese Bedingungen erfüllt, möglicherweise, wenn man es beim Wort nimmt, sogar besser, weil die Lösung österreichischer ist. Das war dann vielleicht ein parteipolitischer Selbstfaller. Aber dann beschweren Sie sich nicht bei dem, der von objektiven Rahmenbedingungen Gebrauch macht!

Die politische Aufgabe wird es sein, daß wir gleichzeitig auch den Proporz und die Parteibuchwirtschaft in diesem Konstrukt abschaffen, und zwar sowohl den schwarzen als auch den roten. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Das wird nicht sehr einfach sein, denn wenn solche Strukturen einmal verdorben sind, dann steckt der Wurm drinnen. (Abg. Dr. Khol: Und wer hat Sie ins Handelsministerium gebracht? – Norbert Steger, Postenjäger!) Herr Klubobmann, ich bin am Wort. Verkürzen Sie mir nicht meine ohnehin kurze Redezeit. Da steckt der Wurm drinnen, und dann ist die Reformleistung (Abg. Dr. Khol: Er hat Sie ins Handelsministerium gebracht, daher beschweren Sie sich nicht über den Proporz! – Norbert Steger, Postenjäger!) – Herr Klubobmann Khol, seien Sie nicht so unhöflich! Sie sind unhöflich! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)


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Wenn man solch eine Reformleistung erbringen möchte, dann muß man sagen: Es ist ein größeres Haus wahrscheinlich besser geeignet, die Schmerzen der Entpolitisierung zu überstehen, als ein kleineres Haus. Glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Warum ist jemand gegen etwas? – Das ist in Österreich wichtig. Es ist nicht wichtig, warum jemand für etwas ist, sondern in Österreich ist anscheinend nur wichtig, warum jemand gegen etwas ist. – Die Position der Liberalen ist: Man muß sagen, wofür man ist, unter welchen Bedingungen, und dann hat man die Chance, daß eine sachliche Lösung herauskommt.

Halten Sie sich an Ihre eigenen Vorgaben, die Sie für die Privatisierung und für die Veräußerung der CA hatten; diese waren eindeutig. Sollte ein Angebot diese Vorgaben nicht erfüllen, dann wird es auszuscheiden sein. Sollte es die Vorgaben erfüllen, dann wird es zu evaluieren sein.

Im übrigen: Noch ist es öffentliches Eigentum, noch können wir die Konditionen setzen; und diese Konditionen müssen heißen: Entpolitisierung und echte Privatisierung. Sollte die Bank Austria den Zuschlag erhalten, gilt dieser Anspruch auch für die Bank Austria. Das wird vielleicht politisch anspruchsvoll sein und wird vielleicht – Herr Kollege Van der Bellen hat es ja schon angedeutet – zwei, drei Jahre dauern. Niemand will eine Ho-ruck-Aktion, aber es muß jetzt fixiert sein, ein verbindlicher Zeitplan muß her. Dann werden Sie sich vielleicht darüber freuen können, daß Sie an der Emanzipation der österreichischen Banken heraus aus der kleinkarierten Parteibuchwirtschaft mitgewirkt haben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, weil wir einige Abstimmungen durchzuführen haben.

Ich lasse zunächst abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen betreffend eine Volksabstimmung über die Teilnahme Österreichs an der Einheitswährung Euro.

Jene, die für diesen Entschließungsantrag sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Ing. Reichhold: Wo bleibt die direkte Demokratie? – Ruf: Du zahl deine Spesen zurück! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nun abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen betreffend echte Privatisierung der Bank Austria und der Creditanstalt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen betreffend Beschäftigungsoffensive mit Privatisierungserlösen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Genossen betreffend echte Privatisierung der Bank Austria und der Creditanstalt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rauch-Kallat und Genossen betreffend vollständige Privatisierung aller im öffentlichen Eigentum stehender österreichischer Banken zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa.


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Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Dieses Verlangen ist von 20 Abgeordneten gestellt worden. Es ist daher die namentliche Abstimmung durchzuführen.

Die Stimmzettel, die dazu zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja" – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise "Nein", das sind die rosafarbenen. Bei der Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Entschließungsantrag Rauch-Kallat stimmen, "Ja" -Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein" -Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich weise darauf hin, daß Frau Abgeordnete Reitsamer, die gehbehindert ist und hinten sitzt, ihre Stimme durch einen Bediensteten der Parlamentsdirektion abgeben wird. – Frau Abgeordnete, ich schicke Ihnen jemanden, wenn Sie aufgerufen werden.

Bitte, Frau Abgeordnete Parfuss, beginnen Sie mit dem Namensaufruf.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Parfuss und Auer werfen die Abgeordneten die Simmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Stimmabgabe ist beendet.

Unter der Aufsicht der Schriftführer werden die damit beauftragten Bediensteten die Stimmenauszählung vornehmen.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 17.53 Uhr unterbrochen und um 18.11 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Es wurden insgesamt 180 Stimmen abgegeben, davon 93 "Ja"-Stimmen und 87 "Nein"-Stimmen.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Rauch-Kallat und Genossen ist somit angenommen. (E 38.)

Damit ist die Debatte über die Dringliche Anfrage beendet.

Die Namen der Abgeordneten werden unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Amon, Apfelbeck, Auer, Aumayr;

Bauer Holger, Bauer Rosemarie, Blünegger, Böhacker, Brauneder, Brinek;

Dolinschek, Donabauer;

Ellmauer;

Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Freund, Frieser;

Gatterer, Graf, Grollitsch, Großruck;


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Haider, Haigermoser, Haller, Haupt, Höchtl, Hofmann, Horngacher;

Jung;

Kampichler, Khol, Kiss, Koller, König, Kopf, Kröll, Krüger, Kukacka, Kurzbauer;

Lafer, Leiner, Lukesch;

Maderthaner, Madl, Maitz, Meischberger, Meisinger, Mentil, Mock, Morak, Moser Sonja, Mühlbachler, Murauer;

Neisser, Nußbaumer;

Ofner;

Partik-Pablé, Platter, Povysil, Prinzhorn, Pumberger, Puttinger;

Rasinger, Rauch-Kallat, Reichhold, Rosenstingl, Rossmann, Ruthofer;

Salzl, Sauer, Scheibner, Schöggl, Schrefel, Schreiner, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schweitzer, Schwimmer, Spindelegger, Stadler, Stampler, Steibl, Steindl, Stummvoll;

Tichy-Schreder, Trattner, Trinkl;

Wenitsch, Wurmitzer;

Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Anschober, Antoni;

Barmüller, Bauer Sophie, Binder, Brix, Buder, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Dunst;

Eder, Ederer, Edler, Elmecker;

Fischer, Fuchs, Fuhrmann;

Gaál, Gartlehner, Grabner, Gradwohl, Gredler, Guggenberger, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Haselsteiner, Heindl, Hlavac, Hostasch, Huber;

Jäger;

Kaipel, Kammerlander, Karlsson, Kaufmann, Keppelmüller, Kier, Kiermaier, Koppler, Kostelka, Kräuter, Kummerer;

Lackner, Langthaler, Leikam, Löschnak;

Maier, Marizzi, Mertel, Motter, Müller;

Niederwieser, Nowotny, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger, Onodi;

Parfuss, Parnigoni, Peter, Petrovic, Pittermann, Posch;

Rada, Reitsamer, Riedler, Riepl;


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53. Sitzung / Seite 144

Schaffenrath, Schieder, Schmidt, Schwemlein, Seidinger, Sigl, Silhavy, Stippel, Stoisits;

Tegischer, Tychtl;

Van der Bellen;

Wabl, Wallner, Wimmer, Wurm.

*****

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zu einer kurzen Debatte über den Antrag der Abgeordneten Haller, Dolinschek und Genossen, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 133/A (E) betreffend geschlechtsneutrale Regelung für Nachtarbeit eine Frist bis 25. Feber 1997 zu setzen.

Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Nach der Geschäftsordnung darf kein Redner länger als 5 Minuten sprechen. Dem Erstredner steht allerdings zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung und Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich erteile zunächst der Antragstellerin, Frau Abgeordneter Haller, das Wort.

18.12

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach den etwas aufregenden letzten Minuten nun zu einem Thema, das, wie ich glaube sagen zu können, zumindest in den Jahren, seit ich mich hier im Hohen Haus befinde, zu einer Art Dauerbrenner geworden ist.

Bereits im Jahre 1992 hat es eine Befassung des Verfassungsgerichtshofes mit der österreichischen Regelung zum Nachtarbeitsverbot für Frauen gegeben. Trotzdem hat man dieses Verbot – im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten – bisher nicht aufgehoben. In Frankreich und in Deutschland ist das im Jahre 1992 geschehen.

Wir wissen schon seit langem, daß diese Form des Nachtarbeitsverbots, wie es in Österreich besteht, EU-widrig ist, und man hat auch im Laufe der Jahre – einfach aus Opportunität – immer mehr Ausnahmen von diesem Verbot für Frauen gemacht. Diese Ausnahmen sind im § 2 dieses Bundesgesetzes taxativ aufgeführt worden, und zwar in den Jahren 1969, 1972 und 1986. Zuletzt hat es sogar heuer, 1996, eine Aufhebung im Bereich der Bäckerinnen gegeben.

Was jedoch in Österreich für Bäckereiarbeiterinnen, Obsthändlerinnen, Industriearbeiterinnen und so weiter nach wie vor gilt, was diese Frauen also nicht dürfen, damit leben österreichische Ärztinnen, Apothekerinnen, Krankenschwestern, Putzfrauen, Telefonistinnen, Postlerinnen und Barfrauen schon lange. Für sie ist das das tägliche Brot.

Ich habe den Eindruck, daß die österreichischen Frauen nur dort nachts arbeiten dürfen beziehungsweise müssen, wo man sie dringend braucht, und daß die Verbote für jene Bereiche gelten, wo man die Frauen nicht gerne haben will.

Die ÖVP ist in all diesen Jahren, seit mir die Problematik bewußt ist, auch verbal immer gegen dieses Nachtarbeitsverbot für Frauen aufgetreten, und zwar zum Beispiel im Jahr 1992 – ich zitiere aus Pressemeldungen –: "VP rüttelt am Verbot für Frauennachtarbeit." Oder ebenfalls 1992: "VP nimmt Verbot der Nachtarbeit nicht hin."


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Aber was ist bisher geschehen? – Fest steht, daß wir Freiheitlichen im September 1993 eine Petition von Tiroler Bäckereiarbeiterinnen abgegeben haben, die mit der Nummer 81 hier im Parlament behandelt wurde. Aufgrund einer Stellungnahme des Österreichischen Gewerkschaftsbundes wurde diese Petition aber, und zwar auch mit Stimmen der ÖVP, im April 1994 abgelehnt.

Daraufhin haben wir Freiheitlichen dann Entschließungsanträge gemacht, und zwar in der XVIII., in der XIX. Gesetzgebungsperiode und jetzt in der XX. Legislaturperiode neuerlich. Aber bisher sind alle unsere Anträge abgelehnt worden – auch immer mit Stimmen der ÖVP. Der neue Entschließungsantrag, der seit 14. März im Sozialausschuß liegt, wurde noch nicht behandelt.

Parallel dazu gab es aber im heurigen Jahr und auch schon im Jahr 1995 immer wieder Pressemeldungen, daß dieses Nachtarbeitsverbot aufgehoben wird. Zum Beispiel wurde am 20. März 1996 in der "Presse" die Aufhebung des Nachtarbeitsverbots und eine geschlechtsneutrale Regelung, die auch wir Freiheitlichen anstreben, angekündigt. Im Juni sollte der entsprechende Gesetzentwurf vorliegen. De facto hat es aber nur einen Entwurf gegeben. Die Begutachtungsfrist ist bereits am 8. März dieses Jahres abgelaufen. Parallel dazu gibt es auch einen Entwurf für ein sogenanntes Nachtarbeitsgesetz für Bäckereiarbeiterinnen – wiederum eine Ausnahme –, für welchen die Begutachtungsfrist am 3. Oktober abgelaufen ist. Aber geschehen, beschlossen ist nichts!

Herr Bundesminister! Es scheint so zu sein, daß die Streitpunkte zwischen den Sozialpartnern nach wie vor nicht ausgeräumt sind. Ich würde mich sehr über eine Stellungnahme von Ihnen freuen, die wirklich realistisch ist. Es scheint auch so zu sein, daß die Knackpunkte, die Streitpunkte zwischen den Regierungspartnern nicht ausgeräumt sind. Tatsache ist aber, daß wir spätestens im Jahr 1997 eine geschlechtsneutrale Regelung, wie sie von uns Freiheitlichen ja seit dem Jahr 1993 verlangt wird, bei der EU abliefern müssen, weil unsere Regelung EU-widrig ist.

Herr Bundesminister! Ich glaube, die Unentschlossenheit und Hilflosigkeit dieser Regierung sprechen auch in diesen Bereichen, in denen es um Benachteiligungen für Frauen geht, Bände. Ich glaube, es ist wirklich höchste Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen, und ich erwarte mir eigentlich, daß man dieser Fristsetzung zustimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Ich mache darauf aufmerksam, daß von nun an alle Redner eine Redezeit von 5 Minuten zur Verfügung haben.

18.19

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei und den Ausführungen meiner Vorrednerin ist sicherlich in einigen Punkten zuzustimmen. Ich stimme Kollegin Haller zu, wenn sie sagt, daß man die Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligen sollte und daß es doch Gruppen von Frauen gibt, die sehr gerne in der Nacht arbeiten würden. Ich darf aber – damit die Freude nicht zu groß wird – gleich auch sagen, daß wir Ihrem Fristsetzungsantrag, Frau Kollegin, nicht zustimmen können. Ich habe nämlich sehr aufmerksam zugehört und hätte mir eigentlich erwartet, daß Sie auch irgendwelche Schutzmaßnahmen und Bedingungen, unter denen die Nachtarbeit für Frauen freigegeben werden soll, hier andiskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Frage wird in den nächsten Wochen im Sozialausschuß diskutiert werden, weil beide Regierungsparteien heute Anträge dazu eingebracht haben. Leider divergieren diese Anträge der Regierungsparteien in sehr wichtigen Fragen.

Obwohl es – das darf ich zur Ehrenrettung der Sozialpartnerspitzen sagen – schon eine Einigung auf Präsidentenebene, nämlich zwischen Hostasch, Verzetnitsch, Maderthaner und Mitterbauer gegeben hat, wurden die Präsidenten der Wirtschaftskammer anscheinend wieder zurückgepfiffen – vielleicht von der Partei innerhalb der Wirtschaftskammer, ich weiß es nicht. Wir


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müssen eben damit leben, daß die Worte oder Unterschriften von Präsidenten einiger Sozialpartnervereinigungen offensichtlich nichts mehr wert sind. Das ist sehr bedauerlich.

Ich halte es jedenfalls für notwendig, daß wir dann, wenn wir die Nachtarbeit generell freigeben, Schutzmaßnahmen für die betroffenen Frauen vorsehen. Es ist halt leider in der Realverfassung so, daß in der Regel – ich sage das bewußt als Vertreter des männlichen Geschlechts –, in etwa 90, 95 Prozent der Familien, in denen Kinder da sind, die Frau die Erziehung übernehmen, sie beaufsichtigen und ähnliches mehr tun muß. Daher müßte man der Frau entweder den Schutz geben, daß sie nicht zur Nachtarbeit gezwungen werden kann, wenn familiäre Gründe dagegen sprechen, wenn Kinder da sind, wenn sie die Kinder in der Nacht nicht unterbringen kann, oder man müßte ihr entsprechende Möglichkeiten für die Kinder zur Verfügung stellen. Das müßte geregelt werden.

Es ist außerdem ein Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau in der Nacht zwischen Arbeitsplatz und zu Hause pendelt, das heißt, es ist auch notwendig, daß man über die An- und Abreise zum Arbeitsplatz spricht.

Ferner müßte man die Möglichkeit vorsehen, daß die Frau wieder zur Normalarbeitszeit wechseln kann, wenn es ihr aus familiären Gründen nicht mehr möglich sein sollte, weiter in der Nacht tätig zu sein, ohne daß sie deshalb mit dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes konfrontiert wird.

Da uns außerdem beinahe alle Mediziner – vor allem jene, die sich mit Arbeitsmedizin beschäftigen – sagen, daß Nachtarbeit für beide, für Männer und für Frauen, gesundheitsschädlich ist, sind wir der Auffassung, daß Zeitzuschläge für jede in der Nacht geleistete Arbeitsstunde eingeführt werden sollen, um eine bessere Regeneration zu ermöglichen.

Da meine Vorrednerin darauf hingewiesen hat, daß zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland die Nachtarbeit für Frauen eingeführt oder freigegeben worden ist, darf ich in Erinnerung rufen, daß das sehr wohl mit entsprechenden Zeitzuschlägen für die Betroffenen erfolgt ist. Wir verlangen damit also nichts, was es nicht auch woanders schon gibt. Aber gerade in der Frage der Zeitzuschläge hat Herr Präsident Maderthaner seine Zusage, die er schon gegeben hatte, in der Praxis nicht verwirklichen können.

Ich erachte es aber für dringend notwendig, daß wir uns bezüglich der Frage des Arbeitszeitgesetzes, was Fragen der Flexibilisierung und ähnliches mehr anlangt – ich möchte meine Grundposition zur Flexibilisierung hier nicht wiederholen, die kann man in zig Protokollen nachlesen –, zusammensetzen und über diesen ganzen großen Fragenkomplex diskutieren, wenn wir gemeinsam zu vernünftigen Regelungen kommen wollen. Ich sage Ihnen aber mit aller Deutlichkeit: So wie es keine Flexibilisierung zum Nulltarif geben wird, so wird es auch keine Nachtarbeit für Frauen zum Nulltarif geben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.24

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich kann beiden Vorrednern in einigen Bereichen wirklich Zustimmung gegeben werden. Ich möchte nur einige Anmerkungen machen.

Zunächst zur Frage: Wovon reden wir? – Wir haben derzeit 162 000 männliche und 38 000 weibliche ständig im Bereich der Nachtarbeit Beschäftigte. Das sind zirka 9,2 Prozent der Männer und 3,4 Prozent der Frauen. Davon stellt der Bereich Gesundheits- und Fürsorgewesen das stärkste Kontingent.

Ich sage dies deswegen, weil wir eine Fülle von Ausnahmen haben und auch überlegen müssen, wie viele Männer und wie viele Frauen – speziell Frauen – diese neue Regelung, die natür


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lich ansteht, in Zukunft überhaupt betrifft. Vielleicht kann man auch sagen, gut Ding braucht manchmal Weile, um wirklich dort hinzukommen, wohin wir alle zu kommen wünschen, nämlich zu einem Gesamtpaket, das auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit umfaßt, und zwar so geregelt, daß mündige Arbeitnehmer wissen, woran sie sind, aber auch Arbeitgeber wissen, welches Potential sie bei ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen umsetzen können.

Es gibt auch Regionen, von denen wir wissen, daß Frauen deshalb nachts arbeiten wollen oder auch müssen, weil es dort keine anderen Arbeitsplätze gibt und auch diese ansonsten noch verlorengehen und die Betriebe abwandern würden. In diesem Zusammenhang erwähne ich auch diese Zeitregelung mit den 6 Minuten, denn es gibt ein Reihe von Betrieben, die sagen, sie könnten sich das nicht leisten.

Ich weiß, was ich damit als Arbeitnehmervertreterin sage. Vieles wäre wünschenswert, aber es ist für uns wichtiger, Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen und zu erhalten. Das heißt, wir müssen Kompromisse finden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Eine Betriebsrätin aus der Fraktion christlicher Gewerkschafter, die Sie alle gut kennen, liebe Kolleginnen, hat zu mir gesagt: Es ist mir lieber, wenn die Frauen in meinem Bezirk eine Arbeit im Schichtbereich finden, als wenn sie gar keine Arbeit finden. Das muß uns sehr wohl klar sein! (Abg. Silhavy: Aber nicht zum Nulltarif, Ridi! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Nein, nicht zum Nulltarif. Es wird auch niemand dazu gezwungen.

Auch wir wollen Schutzmaßnahmen für die Frauen – da stimmen wir mit Kollegen Nürnberger überein –, wir wollen aber auch einen Kompromiß eingehen und überlegen, ob es wirklich notwendig ist, diesen Zeitzuschlag von 6 Minuten einzuführen, der eine enorme Lohnnebenkostenerhöhung bedeuten würde. Wir wissen doch alle, daß wir bei den Lohnnebenkosten europaweit an der Spitze liegen. (Lebhafte Zwischenrufe der Abg. Sophie Bauer. )

Liebe Kollegin Sophie Bauer! Wir beide sind in einem Wahlkreis zu Hause, wo wir wissen, wie wertvoll es ist, überhaupt Arbeitsplätze für Frauen zu haben! (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Daher glaube ich, daß es besser ist, daß der Arbeitsplatz in Radkersburg oder in Deutschlandsberg bleibt und nicht nach Slowenien oder irgendwo nach Ungarn verlegt wird! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Daher hat die ÖVP in einem Gesamtpaket unter anderem auch einen Passus vorgesehen, in dem es darum geht, daß der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt wird, nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretung durch Betriebsvereinbarungen Ausnahmegenehmigungen in diesem Bereich zu erteilen. Ich meine, daß das ein guter und wichtiger Schritt ist. Es wird aber sicher nichts bringen – wie man das etwa von den ÖGB-Vertretern und -Vertreterinnen hört –, Kampfmaßnahmen zu setzen und Proteste zu organisieren. Vielleicht schafft das Arbeitsplätze für die beamteten Mitarbeiter, die beim ÖGB arbeiten, aber nicht für die Frauen, die draußen an der Front stehen! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Sophie Bauer und Silhavy. )

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mentil. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.28

Abgeordneter Hermann Mentil (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es weihnachtet sehr – aber für die Frauen, die auf eine Lösung warten, weihnachtet es nicht. Das muß man feststellen. Ich bin deshalb irritiert, weil mir die Zeitabläufe unverständlich sind. Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Dinge so lange dauern müssen.

Wenn ich daran denke, daß wir am 14. März 1996 den Entschließungsantrag eingebracht und Sie bis dato nur herumgewerkelt haben, nur herumgefuhrwerkt haben, aber nicht in der Lage waren, innerhalb eines Dreivierteljahres eine Lösung herbeizuführen, dann begreife ich das nicht, dann verstehe ich das nicht. Den betroffenen Frauen hilft auch das Theater nichts, das Sie hier aufführen. Da nützt es auch nichts, wenn die Wirtschaftskammer, die Industriellenver


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einigung und das Ministerium die Post hin- und hersenden, die Begutachtungen hin- und hergehen! Das kann es doch nicht geben, daß man eine solche Materie nicht in kürzerer Zeit abhandeln kann. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Ich verstehe das nicht, ich verstehe nicht, daß mit diesem Tempo hier vorgegangen wird.

Es muß doch allen klar sein, daß es dabei vorwiegend um Frauen geht, die diese Beschäftigung, diese Möglichkeit der Nachtarbeit brauchen, und zwar dringend brauchen. Das sind meistens Frauen, die nicht unbedingt begütert sind und die wirklich froh wären, wenn es endlich diese Regelung gäbe.

Herr Kollege Nürnberger! Es ist nicht ganz richtig, was Sie über unseren Antrag gesagt haben. In Punkt 10 unseres Entschließungsantrags steht: Aufhebung des Nachtarbeitsverbots für Frauen bei gleichzeitiger Schaffung von Regelungen, die gesundheitliche Schäden für alle Nachtarbeiter hintanhalten. – Wir haben das im Antrag drinnen, wir haben das verlangt. Es ist nicht so, wie Sie sagen, daß wir das in unserem Entwurf nicht berücksichtigt hätten.

Seien Sie doch entgegenkommend, verstehen Sie doch, daß diese Dinge nicht immer junktimiert werden können. Ich verstehe nicht, warum das immer in Gesamtpakete verpackt und verschnürt werden muß, warum immer Gesamtlösungen mit erledigt werden müssen, wenn eine Frage ansteht, die verhältnismäßig einfach und vernünftig erledigt werden könnte.

Ich ersuche Sie nachdrücklich, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, dem Rechnung zu tragen und so schnell wie möglich die entsprechenden gesetzlichen Regelungen herbeizuführen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.31

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um eine Fristsetzungsdebatte, und ich möchte schon ganz ausdrücklich festhalten, daß das Begehren der antragstellenden Fraktion tatsächlich mehr als berechtigt ist. Durch die Tatsache, daß die beiden Regierungsparteien sich jetzt plötzlich auch auf eingebrachte Entschließungsanträge berufen, wurde mehr als deutlich gemacht, daß diese Materie offenbar nicht auf die Tagesordnung dieses Sozialausschusses gesetzt wurde, weil man von der Regierungsseite aus erst an eigenen Entschließungsanträgen basteln mußte. Und das ist aus oppositioneller Sicht in keinster Weise akzeptabel.

Alles, was Kollege Nürnberger hier vorgetragen hat, ist sicher zu erwägen, nur hätten wir genau das im Sozialausschuß diskutieren können, wenn wir uns mit diesem Antrag beschäftigt hätten. Die Tatsache, daß er monatelang nicht auf die Tagesordnung genommen wurde, ist nicht dadurch gerechtfertigt, daß die Kollegin Steibl oder der Kollege Nürnberger jetzt jeweils von einem eigenen Entschließungsantrag erzählen, denn das ist ja nicht der Punkt einer Fristsetzungsdebatte, daß es auch andere Anträge gibt, die jüngeren Datums sind, sondern es bleibt eigentlich die Frage offen: Sind wir bereit, jetzt das Tempo anzuheben, indem wir eine Frist setzen – ja oder nein?

Ich würde meinen, wir werden für die Frist vielleicht eine Mehrheit bekommen, da mittlerweile auch andere Anträge vorliegen, aber das ist einfach kein pfleglicher Umgang mit oppositionellen Anträgen. Und das wollte ich gesagt haben! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der letzte Redner hiezu ist jetzt Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

18.33

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte meinem Vorredner, Herrn Abgeordneten Kier, formal recht geben, inhaltlich muß ich aber ent


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schieden widersprechen. Es ist das nicht einfach eine Sache, bei der es darum geht, daß man sie möglichst schnell über die Bühne bringt, sondern das Problem, das wir haben, war ja, Kollege Kier, daß es offensichtlich im vorparlamentarischen Raum schon eine Einigung gegeben hat, zu der dann ein Teil nicht mehr stehen wollte. Es war erkennbar und ist nach wie vor erkennbar, daß ein Teil der Sozialpartner offensichtlich an der vorgeschlagenen Regelung nicht mehr weiter interessiert ist, die zum einen und zum wichtigsten die Zeitzuschläge beinhaltet hätte.

Meine Damen und Herren! Ich möchte das Thema grundsätzlich andiskutieren, obwohl dazu eigentlich schon von allen etwas gesagt wurde. Wir brauchen Regelungen für die Nachtarbeit, die beide Geschlechter umfassen. Nachtarbeit ist gesundheitsschädlich – für beide Geschlechter –, Nachtarbeit ist ökologisch problematisch, Nachtarbeit ist unsozial – nicht asozial, Kollege Feurstein, sondern unsozial –, weil sie die Bildung von gemeinschaftlichen Zeiten, von Freizeit, von Familienzeiten beispielsweise, verhindert. Und deswegen ist sie unsozial.

Es muß also ein Interesse der Gesellschaft daran geben, daß Nachtarbeit nur dort stattfindet, wo sie notwendig ist, aber hier ist eindeutig das wirtschaftliche Interesse an Nachtarbeit deponiert worden. Ich halte es für wichtig, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Wenn es dieses wirtschaftliche Interesse gibt, und es ist berechtigt, dann muß gleichzeitig von seiten der Gesellschaft, des Staates sichergestellt sein, daß Nachtarbeit nicht unter allen Bedingungen und zu jedem Preis stattfinden kann.

Nachtarbeit braucht Regelung, und wir Grünen halten die Zeitzuschlagsregelung durchaus für eine sinnvolle, um Nachtarbeit begrenzen zu können. Es kann nicht sein, daß Nachtarbeit denselben oder annähernd denselben Preis hat wie Tagarbeit, sondern es muß klar sein – auch für die Arbeitgeber –, daß es gute Gründe gibt, nicht lange in der Nacht zu arbeiten, daß Nachtarbeit auch ihren Zeitausgleich braucht. Es ist wichtig, in eine Nachtarbeitsregelung auch eine Opting-out-Möglichkeit für ältere Arbeitnehmer einzubauen. Wir brauchen diese Ausstiegsmöglichkeit auch für Personen, deren Gesundheit durch die Nachtarbeit gefährdet wird oder wurde, wir brauchen diese Regelung gleichzeitig für gesundheitsgefährdende Tätigkeiten, die in der Nacht stattfinden, und wir brauchen eine Opting-out-Regelung auch für Personen, die Kleinkinder betreuen. Nachtarbeit zum Nulltarif, meine Damen und Herren, lehnen wir Grünen entschieden ab! (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

18.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. – Ich bitte, Platz zu nehmen.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 133/A (E) betreffend geschlechtsneutrale Regelung für Nachtarbeit eine Frist bis 25. Februar 1997 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über den 6. Punkt der Tagesordnung betreffend Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Mutterschutzgesetz geändert werden, wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.38

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Es ist etwas schwierig, nach dieser Pause wieder in die Debatte um den Arbeitnehmerschutz einzusteigen. (Abg. Dr. Haider : Schwierig? Ich bewege ein bißchen


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mehr als Sie, Herr Kollege!) Ja, Herr Abgeordneter Haider, Sie haben mit Ihren Debattenbeiträgen beziehungsweise mit Ihrer Veranstaltung im Rahmen der Dringlichen etwas für Unruhe gesorgt, das ist mir schon klar, aber nicht nur für Unruhe, sondern auch für Verwirrung. Es ist mir nach wie vor nicht klar, wie das auf einen Hut gehen soll, daß mehr Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben werden sollen – was richtig wäre –, wenn gleichzeitig die Privatisierung, die ansteht, mit der Sie den Erlös erzielen wollen, verhindert wird. Das nur als Nachtrag zu dieser Debatte. (Beifall bei den Grünen.) Das ist etwas unehrlich und unernst für die Sache, um die es eigentlich gehen sollte.

Ich komme zum Thema: Es ist vorher in der Debatte um den Arbeitnehmerschutz zuletzt vom Abgeordneten Kier ein Thema angesprochen worden, das sehr interessant, allerdings im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz meiner Ansicht nach nur bedingt relevant ist.

Abgeordneter Kier hat Bezug genommen auf die Situation in der Gesellschaft, in den Betrieben, auf das Mobbing. Er hat im Zusammenhang damit darauf verwiesen – was nicht uninteressant ist –, daß es wichtig wäre, die Kritikfähigkeit der Menschen schon von Jugend an zu schärfen und zu bilden, und hat damit – und das ist die falsche Schlußfolgerung, die er daraus gezogen hat – gemeint, mit kritikfähigen Menschen könne man das Mobbing in den Betrieben verhindern, da werde es nicht dazu kommen, mit kritikfähigen Menschen könne man sich sozusagen auch den gesetzlichen Arbeitnehmerschutz ersparen.

Und da muß ich ihm entschieden widersprechen: Das Mobbing in den Betrieben hat nichts mit der Kritikfähigkeit zu tun. Im Gegenteil! Das Mobbing in den Betrieben umfaßt alle Ebenen in einem Betrieb, egal, ob Sie gebildet sind oder nicht gebildet sind, egal, ob es der Vorgesetzte gegen den Untergebenen ist oder nur der Untergebene, der Arbeitnehmer gegen den anderen Arbeitnehmer. Das hat überhaupt nichts mit Bildung und mit Kritikfähigkeit zu tun, sehr wohl aber mit den Zuständen in dieser Gesellschaft.

Ich erinnere daran, daß – offensichtlich erst vor wenigen Tagen – eine Untersuchung präsentiert wurde, die festgestellt hat, was die Leute derzeit vom Betriebsklima halten. Sie kommen immer weniger damit zurecht, daß das Tempo in den Betrieben immer schneller wird, daß die Belastung der Menschen immer stärker wird. Auch von ihrer zeitlichen Dimension her wächst die Arbeitszeit. Es wächst die Arbeitszeit, wenn man die Überstunden miteinrechnet, es wächst die Arbeitszeit, wenn man die Wegzeiten miteinrechnet. Es ist nicht so, daß hier tatsächlich Entspannung angesagt wäre.

Dementsprechend sind es andere Ursachen, die dazu führen oder es verhindern können, daß in Betrieben mit anderen Menschen schlecht umgegangen wird. Und ich glaube, die Ursachen liegen klar auf der Hand: Es ist dieser immer stärker werdende Streß, von dem Abgeordneter Stummvoll meint, dieser Streß, der irgendwo stattfindet, hat ganz sicher nichts mit den Betrieben zu tun. Die Leiden, die sich die Menschen holen – rheumatische Erkrankung, die Erkrankungen des Gelenksapparates –, die holen sie sich überall – beim Golfspielen oder sonstwo –, aber ganz sicher nicht von dem Arbeitsstreß, dem sie in der meisten Zeit ihres Lebens ausgesetzt sind, wenn sie nicht gerade schlafen. Die meiste Zeit, die die Menschen an einem fixen Ort verbringen, ist jene am Arbeitsplatz, und das ist auch die Zeit, in der die meisten Belastungen stattfinden, denn beim Schlafen werden die Leute mit Sicherheit nicht so krank wie von der Arbeit.

Meine Damen und Herren! Ich bin damit bei einem wichtigen Problem. Ich glaube, ein gutverstandener Arbeitnehmerschutz, ein wohlentwickelter Arbeitnehmerschutz müßte für die Betriebe eigentlich eine Entlastung sein – nicht kurzfristig, vielleicht auch nicht mittelfristig, aber langfristig. Sehen wir uns doch die österreichischen Zahlen an, Herr Minister! Sie sind heute vom Abgeordneten Stummvoll schon in etwas verdrehter Weise dargeboten worden. Er hat gemeint, die Arbeitsunfallzahlen in Österreich gehen zurück. Herr Minister, Sie werden mir bestätigen müssen, daß sie leider nicht zurückgehen. Wir haben in Österreich eine über die Jahrzehnte hinweg relativ konstante Entwicklung bei den Arbeitsunfallzahlen, und das, meine Damen und Herren, unterscheidet uns gravierend von anderen europäischen Ländern.


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In Deutschland gehen sie tatsächlich zurück. Schon seit Jahren geht dort die Zahl der Arbeitsunfälle nicht um 1, um 2, um 3 Prozent zurück, sondern auf einen längeren Zeitraum von zehn, zwanzig Jahren sind sie um 25 Prozent zurückgegangen. In Österreich nicht. Hier haben wir ein konstantes Volumen bei Arbeitsunfällen.

Wer bezahlt das? – Wenn es nicht die Arbeitsunfallversicherung bezahlt, was sehr oft der Fall ist, dann bezahlen es in der Regel die Gebietskrankenkassen, dann fällt diese finanzielle und diese gesundheitliche Belastung in die allgemeinen Töpfe, wo sie nicht sichtbar wird.

Damit bin ich bei einem Problem: Es ist notwendig, einen Arbeitnehmerschutz zu entwickeln, der präventiv wirksam wird, es ist notwendig, die Ausstattung nicht nur der Gebietskrankenkassen, sondern auch der Unfallversicherungsanstalt mit Prävention zu verstärken. Es ist falsch, was in den letzten Jahrzehnten in dieser Richtung passiert ist, daß immer wieder Milliarden aus dem Budget der Unfallversicherung zur Budgetfinanzierung herausgeschaufelt wurden und sich kein Mensch darüber Gedanken gemacht hat, was eigentlich Unfallprävention, Berufskrankheitenprävention und die Prävention vor beruflich bedingten Krankheiten bedeuten würde und welche Entlastung das auch mit sich bringen würde. Das war in Österreich kein Thema. Niemanden hat das interessiert, denn irgendwo – nämlich über die Sozialversicherung im allgemeinen – wird das ohnehin bezahlt. Entweder über die Pensionsversicherung oder über die Krankenversicherung – was kümmert es uns?

Darum ist es wichtig, präventive Instrumente und Anreize auch in den Betrieben zu stärken. Ich halte es deshalb nicht für einen Fehler und auch nicht für Verbürokratisierung, daß in den Betrieben Evaluation – ich weiß, der Herr Minister hört das Wort nicht gern – betrieben wird, daß Gefahrenerkennung und -bewertung betrieben wird, daß die Betriebe diese Aufgabe ernst nehmen. Ich werfe es nicht unbedingt den Unternehmen alleine vor, daß sie diese Aufgabe nicht sehen. Es gibt niemanden in Österreich auf offizieller Ebene, der sich mit dem Thema einigermaßen seriös und ernsthaft auseinandergesetzt hätte und daher wirklich anerkennen würde, daß es notwendig ist, in diese Prävention, in diese Gefahrenevaluation auch Mittel zu investieren, daß man hier etwas hineinstecken muß und daß sich das Hineinstecken von Mitteln letztendlich auch durch eine Entlastung bei den Gesundheitsgefährdungen für die Leute in den Betrieben bezahlt machen würde.

Deutschland gibt im Bereich der Berufsgenossenschaften – also der gleichen Gliederung wie der Unfallversicherung – 10 Prozent ihres Budgets für Prävention aus. In Österreich tümpeln wir in der Unfallversicherungsanstalt bei einem Budget von 3 Prozent für Prävention in den Betrieben herum.

Ja, das ist kein Vergleich! Damit kann man nicht Prävention betreiben, vor allem dann nicht, wenn man mit diesen 3 Prozent auch noch ein paar Maßnahmen wie den "Helmi" finanziert und ein paar Schilling für die Ausstattung von Erste-Hilfe-Bussen und ähnliches ausgibt. Das ist zuwenig, und das hat vor allem mit betrieblicher Prävention überhaupt nichts zu tun.

Ich hielte es für notwendig, den Arbeitnehmerschutz zu verstärken, deshalb halte ich auch diese von Ihnen vorgeschlagene Novellierung, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, für einen falschen Ansatz, auch wenn Sie in einem bescheidenen Punkt tatsächlich Bürokratieentlastung bringt. In allen anderen Punkten muß man in diesem Fall, denke ich, zu dieser Bürokratie – und jede Kontrolle von betrieblicher Evaluation ist natürlich für die Betriebe auch Bürokratie – auch stehen. Jede Verwaltung, jede Kontrolle hat ihren Preis und braucht entsprechende Maßnahmen.

Meine Damen und Herren! Ich halte es für falsch, was Sie hier machen, was Sie schon mit dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz in seiner ursprünglichen Fassung gemacht haben. Ich halte es für falsch, daß Sie zahlreiche Ermächtigungsverordnungen eingebaut haben, ich halte es für falsch, daß Sie zahlreiche Übergangsbestimmungen eingebaut haben, die das Gesetz eigentlich für wichtige Teile, zumindest für wichtige Fristen außer Kraft setzen. Ich halte es für falsch, daß damals nicht der Weg gegangen wurde, einen einheitlichen Arbeitnehmerschutz für alle zu


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schaffen. Das ist das größte Manko dieses ganzen Gesetzes, daß man entscheidend gesündigt hat, indem man den öffentlichen Dienst und seine Betriebe davon ausgenommen hat.

Das ist der falsche Ansatz. Er ist EU-widrig, das betone ich noch einmal. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß Sie sowohl bei den Übergangsbestimmungen als auch bei diesen Ausnahmen für den öffentlichen Dienst in keiner Weise den EU-Standards entsprechen.

Ich halte es für falsch, daß Sie den Ansatz der Prävention nicht gehen, daß Sie ihn auch im Gesetz nicht viel deutlicher mitdenken, daß Sie nicht rechtzeitig auf seiten der Unfallversicherung – ich meine jetzt nicht die gesetzlichen Bestimmungen allein – eine entsprechende Dotation für präventive Maßnahmen sicherstellen, die gewährleisten können, daß diese Prävention auch in den Betrieben entsprechend erfolgt.

Es wäre notwendig, Anreize über die Unfallversicherung zu schaffen, sodaß dann das Arbeiten mit der Prävention, das Arbeiten mit einem wohlverstandenen Arbeitnehmerschutz in den Betrieben auch das Interesse der Unternehmer findet.

Ich halte es für falsch, daß immer wieder ein Schritt zurück gemacht wurde und der Arbeitnehmerschutz nie als eine ganz entscheidende Aufgabe gesehen wurde. Als solche wurde er vor allem deswegen nicht gesehen, weil die Kosten immer in anderen Bereichen angefallen sind, weil durch die Ausstattung der Töpfe nie gesehen und erkannt wurde, daß das eigentlich Kosten sind, die einen schlechtverstandenen Arbeitnehmerschutz zur Ursache haben.

Ich erinnere zum Abschluß daran, Herr Minister, daß es eine Untersuchung aus den skandinavischen Ländern gibt, die die Kosten eines schlechten Arbeitnehmerschutzes für die Volkswirtschaft mit zwischen 7 bis 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beziffern. Da sind natürlich auch die Kosten für die Verstorbenen, für die Invalidität und so weiter darin enthalten, das ist schon klar, doch hier wurde einfach der Versuch unternommen, durch eine Kostenberechnung, durch eine Bewertung der Schäden einmal das Ausmaß des Verlustes sichtbar zu machen, den die Volkswirtschaft durch einen schlechten Arbeitnehmerschutz erleidet.

In Österreich geht man diesen Weg nicht, in Österreich schweigt man zum Arbeitnehmerschutz, man spricht nicht darüber, oder man versucht zumindest, es sozialpartnerschaftlich irgendwie so zu akkordieren, daß es niemandem weh tut. Das ist der falsche Weg. Ich halte deshalb auch diese Novellierung für falsch, weil sie ein Rückschritt ist und nicht ein Fortschritt in eine Richtung, in die derzeit weder von Ihrer Seite, Herr Minister, noch von ganz offizieller Seite und sicher auch von Unternehmerseite nicht gedacht wird: daß nämlich auf Dauer und auf Perspektive gesehen ein richtiger Arbeitnehmerschutz für beide Seiten nur Vorteile schaffen kann. (Beifall bei den Grünen.)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Frau Abgeordnete, Sie kommen mit 7 Minuten aus? (Abg. Hagenhofer: Ja!) Gut, dann stelle ich die Uhr auf 7 Minuten ein.

18.50

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Arbeitnehmerschutzgesetz beziehe ich mich speziell auf das Wort "Arbeitnehmerschutz", weil ich auf die Ausführung des Kollegen Peter von gestern eingehen und sie unter diesem Gesichtspunkt beleuchten will.

Herr Kollege Peter! Sie haben gestern dem Sinne nach gesagt, wir in Österreich seien in einer geschützten Werkstätte und die Gesellschaft müßte eigentlich kreativer werden. Im Namen der Arbeitnehmer, ja der Gesellschaft Österreichs überhaupt stelle ich die Frage: Was war denn in den letzten 10, 15, 20 Jahren, und wo stehen wir heute? Waren wir da in der sogenannten geschützten Werkstätte nicht kreativ, oder was hat Ihnen nicht gefallen? – Ich muß sagen, wir haben sehr viel bewegt, wir stehen auch international sehr gut da. Wenn Sie also sagen, Österreich sei eine geschützte Werkstätte, dann möchte ich dem widersprechen.


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Ich kann Ihnen folgendes aus der Praxis sagen, von mir selbst im Arbeitsmarktservice in Braunau praktiziert: Es wird von der Wirtschaft immer wieder die sogenannte Telearbeit gefordert. Die Leute sind bereit, das zu machen, aber das Problem haben wir mit der Wirtschaft. Die Wirtschaft will nicht mitgehen. Man spricht zwar immer davon, aber wir haben bei einem grenzüberschreitenden Projekt Mühe und Not gehabt, auf österreichischer Seite acht Dienstgeber zu finden, die da mitmachen.

Die Arbeitnehmer – darum sage ich das im Sinne des Arbeitnehmerschutzes – sind schon flexibel, sind auch kreativ, aber von der Wirtschaftsseite wird nur viel gefordert, viel in den Wind gesprochen, und es kommt nichts dabei heraus. – In diesem Sinne lasse ich es gelten, wenn Sie von geschützter Werkstätte sprechen.

Kollegen Haselsteiner – er ist nicht da – höre ich immer sehr aufmerksam, weil er in meinen Augen ein Fachmann ist, aber bei seiner gestrigen Aussage, in der er gemeint hat, der Arbeitnehmerschutz sei sozusagen die Schlinge um den Hals der Tourismuswirtschaft, hat er, wie ich meine, etwas überzogen. Denn es liegt nicht an den Arbeitnehmern, die in der Tourismuswirtschaft arbeiten, daß die Tourismuswirtschaft am Boden ist. Es hat noch kein Arbeitnehmer einen Betrieb umgebracht, sondern Betriebe bringen sich selber um. Es wird zwar geplant und gebaut, aber die Finanzposten werden nicht beachtet. Also daß der Arbeitnehmerschutz die Todesschlinge des Tourismus ist, das stimmt auf keinen Fall. Das wollte ich nur zu seinen gestern gemachten Ausführungen anmerken. (Beifall bei der SPÖ.)

Aus einem Papier der Wirtschaftskammer, das ich kürzlich in die Hand bekommen habe, geht klar hervor: Immer wenn es Schwierigkeiten in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt gibt, werden Forderungen gestellt. Ich möchte Ihnen einige Punkte aus dem Forderungspapier der Wirtschaftskammer vorlesen. Die Wirtschaftskammer sucht die Probleme auch nicht bei sich selbst, sondern bei den Arbeitnehmern, und zwar im Bereich der Sozialpolitik.

Folgendes wird angeführt: Rückführung des bestehenden ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, Aliquotierung des Urlaubsanspruches im Verhältnis der im jeweiligen Dienstjahr zurückgelegten Zeit, Anrechnung eines Teils des Kuraufenthalts auf Urlaub, ein Krankenstandstag als Selbstbehalt beziehungsweise Anrechnung auf Urlaub, Abschaffung eines Feiertages. Im Gegenzug wird für die Industriepolitik besondere wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Berücksichtigung spezieller Industriebereiche gefordert. Also dort sollte man fest fördern, während man bei den Arbeitnehmern fest sparen will.

Was den Arbeitnehmerschutz betrifft, fordert die ÖVP, die Nachtarbeit aufzumachen, und zwar – das ist heute schon einige Male gesagt worden – ohne jegliche Ausgleichsmaßnahmen. Dies geht also wieder zum Nachteil der Arbeitnehmer. Das, was jemals gemeinsam erarbeitet wurde, wird auf der Arbeitnehmerseite sofort wieder herunterverhandelt.

Die ÖVP will das Arbeitsgesetz auf Betriebsebene regeln oder im Einzelvertrag. Die SPÖ will dies auf Kollektivvertragsebene tun. Warum denn, meine Damen und Herren von der ÖVP? – Wenn man den Schutz der Schwächeren will, dann kann man das doch nur im Kollektivvertrag regeln. In Zeiten, in denen Arbeitsplatzmangel herrscht, wird doch, wenn der Dienstgeber sagt, daß der Arbeitnehmer etwas machen soll, nie und nimmer jemand sagen, daß er etwas nicht machen will, denn dann braucht er am nächsten Tag nicht mehr zu erscheinen.

Meine Damen und Herren! Arbeitnehmerschutz im Sinne von Prävention ist für die gesamte Volkswirtschaft von Bedeutung; er trifft Vorkehrungen und sorgt dafür, daß Gefahren vermieden werden. Arbeitnehmerschutz sollte aber positiv getragen werden, und entscheidend ist, wie das in der Praxis gemacht wird. Es sollte nicht so sein, daß der "Sicherheitsbeauftragte" – unter Anführungszeichen – seine Position in der Weise ausfüllen soll, daß er sozusagen dafür verantwortlich gemacht wird, wenn im Betrieb etwas passiert. Man muß ihm sehr genau sagen, daß er die Leute zu informieren hat und daß es seine Aufgabe ist, Mängel festzustellen und diese an den Dienstgeber weiterzugeben. Man darf es ihm gegenüber nicht so darstellen, daß er verantwortlich ist, wenn etwas passiert, denn verantwortlich ist letztendlich noch immer der Betrieb. Diese verkehrte Vermittlungsweise darf es nicht geben. (Abg. Dr. Feurstein: Na, bitte!) Bitte,


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das sagen mir die Leute, das habe ich nicht erfunden. Ich selbst habe es in der Praxis so noch nicht erlebt, aber das bekomme ich so mitgeteilt.

Das wollte ich sagen, als ich meinte, daß wir das positiv mittragen sollen und daß es entscheidend ist, daß die Mitarbeiter aufgeklärt werden, und zwar richtig aufgeklärt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Bitte, Herr Abgeordneter. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

18.57

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich kann naturgemäß die Ausführungen des Herrn Öllinger und seine Philosophie sehr schwer nachvollziehen. Noch weniger kann ich die Ansicht der Frau Hagenhofer, die meint, daß die Wirtschaft nicht mitziehe, teilen.

Frau Hagenhofer! Ich glaube, Sie verstehen den Zusammenhang zwischen Wettbewerb, Wertschöpfung und sozialen Möglichkeiten nicht. (Abg. Hagenhofer: Das verstehe ich schon! – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die heute zur Novellierung anstehenden Arbeitnehmerschutzgesetze zeigen doch viel mehr die fatale Situation, in der sich die österreichische Gesetzgebung befindet. Nicht einmal zwei Jahre nach Beschlußfassung und Durchführung der weiteren Stufen sind diese Gesetze umgesetzt worden, sodaß sie wegen Nichtumsetzbarkeit bereits in vielen Paragraphen novelliert werden müßten – und dies, obwohl die von den Regierungsparteien so gepriesene Sozialpartnerschaft diese Materie eingehend begutachtet hat.

Erst im heurigen Frühjahr ist von Vorarlberg ausgehend von der Wirtschaft ein Sturm der Entrüstung ausgebrochen. Ganz abgesehen davon, daß die Belastungen, die aufgrund dieses Gesetzes für die Wirtschaft entstehen, hoch sind – beispielsweise muß eine Hohenemser Textilfabrik mit 600 Mitarbeitern zusätzlich 3,6 Millionen Schilling aufwenden –, hat sich herausgestellt, daß eine Reihe von Bestimmungen schlicht und einfach nicht umsetzbar ist.

Ein Vorarlberger Arbeitsinspektor hat in einem Vortrag zu diesem Gesetz folgendes festgestellt: Das Gesamtgewicht der österreichischen Arbeitnehmerschutzgesetze beträgt 13 Kilogramm. Die Schweiz kommt mit 5 Kilogramm Papier aus. Da die österreichischen Schutzgesetze weder lesbar noch umsetzbar, geschweige denn kontrollierbar sind, ist auch nicht mit einer Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes für die Arbeitnehmer zu rechnen. Die Schweiz habe trotz scheinbar geringerem Schutz der Arbeitnehmer ein geringeres Aufkommen pro Mitarbeiter an Ausfallzeiten und Rehabilitationskosten nach berufsbedingten Krankheiten oder Unfällen, als dies in Österreich der Fall sei. – Die Worte des Arbeitsinspektors. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was heißt das? – Die Eigenverantwortung eines Bürgers ist eben in der Schweiz wesentlich höher entwickelt als in Österreich. Das gilt für den Arbeitgeber genauso wie für den Arbeitnehmer. (Abg. Hagenhofer: Warum steigt in der Schweiz die Arbeitslosenrate?) Frau Hagenhofer! Daran krankt unser gesamtes Sozialsystem! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir erreichen in Österreich jene, die wirklich Schutz brauchen, nicht beziehungsweise nur zum Teil, haben aber auf der anderen Seite wegen Fehlens eines gesunden Maßes Eigenverantwortungsbewußtsein des Bürgers letztendlich einen wesentlich höheren Aufwand. (Abg. Hagenhofer: Ich frage mich, was die letzten 15 Jahre war!)

Wir haben einen Aufwand, der letztendlich von der Wertschöpfung in den Betrieben abgezweigt werden muß, und die Betriebe in Österreich sind damit im Vergleich zu jenen in anderen Staaten über Gebühr belastet und verlieren immer mehr ihre Wettbewerbsfähigkeit. (Abg. Hagenhofer: Was ist mit dem Kapital, das dauernd ins Ausland geht, wenn die Betriebe keine Wertschöpfung haben?) Frau Hagenhofer! Von 1994 bis 1995 ist Österreich diesbezüglich vom 12. auf den


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16. Platz gefallen. Und eine Studie besagt: Ende dieses Jahres werden wir vom 16. auf den 19. Platz internationaler Wettbewerbsfähigkeit zurückgefallen sein.

Umgekehrt hat eine Studie aufgezeigt, daß Österreich an erster Stelle im Bereich bürokratischer Regelungen und Belastungen steht. – Meine Damen und Herren! Kein anderes Land mutet der Wirtschaft eine höhere Bürokratie zu. Das sagt diese Studie ganz eindeutig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Hagenhofer! Die Konsequenz daraus ist, daß die Betriebe auslagern. (Abg. Hagenhofer: Genau, nach Manila!) Sie verstehen eben nicht den Zusammenhang zwischen Wertschöpfung und Sozialsystem. Sie verstehen das nicht! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Betriebe lagern aus oder schließen ihre Produktionen und kaufen zu, wenn das möglich ist – oder verbleiben aus Nibelungentreue in Österreich, um dann hier in Schönheit zu sterben.

Ich will nun nicht behaupten, daß die Arbeitnehmerschutzgesetze dafür allein verantwortlich sind. Das sind sie sicher nicht. Ich trete immer für Arbeitnehmerschutz ein. Keine Frage! Genauso aber, meine ich, ist es zulässig, zu fordern, daß durch weniger Regelwerk die Eigenveranwortung jedes einzelnen zu stärken ist, und zwar die Verantwortung für sich selbst und für die anderen.

Lassen Sie mich jetzt noch kurz auf die Regierungsvorlage zur Novellierung des Arbeitnehmerschutzgesetzes eingehen. Es gibt hier einige Punkte, die ich anschneiden möchte. In vier Punkten bringt die Novellierung dem Arbeitgeber, ohne zusätzlich den Arbeitnehmer in irgendeiner Weise schlechterzustellen, Vorteile: Erstens in der Einschränkung der Informations- und der Weisungsverpflichtungen des Arbeitgebers für betriebsfremde Arbeitnehmer; zweitens durch fristverlängernde Anpassung der Fertigstellung aller Pflichten zur Gefahrenermittlung und Maßnahmenfestlegung; drittens bei der Einrechnung der Gefahrenermittlung in die Mindesteinsatzzeit der Arbeitsmediziner und Sicherheitskräfte und viertens bei der nur aliquoten Berücksichtigung der Teilzeitkräfte bei der Berechnung der Mindesteinsatzzeiten.

Dafür aber werden jetzt im Gegenzug sechs weitere Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingeführt, die eine weitere Belastung der Betriebe bedeuten, ohne dem Arbeitnehmer eine wirkliche Verbesserung zu bringen, vielleicht seinen Komfort zu erhöhen.

Vier Punkte. Erstens: Die Bestellung von Sicherheitsvertrauenspersonen wurde nicht von einem Gefährdungsgrad, sondern bloß von der Zahl der regelmäßig in einem Betrieb Beschäftigten abhängig gemacht. Darüber hinaus ist auch noch normiert, daß keine Kündigung erfolgen kann. Dies ist ein Vorgehen, das in Richtung Unkündbarkeit tendiert.

Zweitens: Im § 28 wird festgelegt, daß der Arbeitnehmer neben Einrichtungen zum Wärmen auch solche zum Kühlen mitgebrachter Speisen in Aufenthaltsräumen aufzustellen hat. Diese Vorschrift wird von den Betrieben ja so oder so erledigt. Für einen Jungunternehmer, der investieren muß, ist das eine zusätzliche Belastung. (Abg. Hagenhofer: Ein Kühlschrank um 3 000 S ist eine zusätzliche Belastung?) Frau Hagenhofer! Sie haben keine Beziehung dazu, wie Wertschöpfung entsteht. Sie kennen die Wertschöpfungskette nicht. Sie wissen nicht, wie man einen Schilling verdienen muß. Sie gehören einer Fraktion an, die sich seit Jahren, seit 50 Jahren mit der Verteilung des Geldes, das andere erarbeitet haben, auseinandergesetzt hat – und das ist das Fatale! Das ist doch das Fatale, Frau Hagenhofer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich gehe gar nicht auf die weiteren Punkte, auf die weiteren Belastungen ein. Ich möchte aber noch folgendes sagen: Die von der Wirtschaft vehement eingeforderte Rücknahme des § 12 mit der Verpflichtung zur regelmäßigen Wiederholung von Informationen über Gefahren für ausländische Arbeitnehmer in deren Muttersprache ist nicht erfolgt. Das sind sehr, sehr hohe Kosten, und da ist wiederum diese Eigenveranwortung angesprochen.

Oder der § 15 (8) mit dem Verweis an den Arbeitgeber: Zur Einhaltung der Verpflichtungen wird die Sorgfaltspflicht im Falle von Unfällen nochmals erhöht. – Auch da wird die Eigenverantwort


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lichkeit nicht angesprochen. Es ist immer der Effekt, daß der Arbeitgeber im Falle eines Unfalles schuld ist, da die Beweispflicht bei ihm liegt.

Oder die Auflage des Arbeitgebers, dafür Sorge zu tragen, daß Lärmeinwirkungen auf das niedrigste in der Praxis vertretbare Niveau gesenkt werden. Wenn der Arbeitnehmer die ihm zur Verfügung gestellten Lärmschutzmöglichkeiten nicht verwendet, auch wenn ihm dies immer wieder gesagt wird, ist der Arbeitgeber schuld. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Ich war selbst lange genug Betriebsleiter. Die Betriebe senken mit sehr, sehr hohen Kosten den innerbetrieblichen Lärmpegel, aber die jungen Leute verwenden die Lärmschutzeinrichtungen nicht oder holen sich einen Gehörschaden anschließend in der Disko.

Das waren nur wenige Beispiele unerklärlicher Regelungen und damit natürlich Belastungen auch für die Wirtschaft.

Meine Damen und Herren! Sosehr ich Arbeitnehmerschutz begrüße, so sehr muß ich auch feststellen, daß Arbeitnehmerschutz nicht durch weitere Belastungen der Wirtschaft, sondern nur und ausschließlich durch Stärkung der Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen gelöst werden kann. Wenn wir es in Österreich nicht können, dann versuchen wir doch, eine Anlehnung in der Schweiz zu machen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Hagenhofer: Wenn die Schweiz das Wunderland ist, dann frage ich mich, warum die Arbeitslosenrate in der Schweiz steigt!)

19.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

19.07

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute nicht über Feiertage, und wir diskutieren auch nicht über Nachtarbeit. Aber eine Klarstellung doch dazu: Frau Abgeordnete Hagenhofer! Von uns ist ganz klar und eindeutig und auch in den Gesprächen mit dem Herrn Minister zum Ausdruck gebracht worden, wir wollen Betriebsvereinbarungen dort, wo es notwendig ist, wo die Frauen in der Nacht arbeiten wollen . Wir haben solche Betriebsvereinbarungen bereits bei der Firma Suchard abgeschlossen, und wir wollen auch, daß der Sozialminister diese Betriebsvereinbarungen prüft. Es werden also in keiner Weise die Frauen ausgenützt. Das sei ganz klar und eindeutig festgestellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedauere es sehr, verehrte Frau Kollegin, sagen Sie das Ihren Kolleginnen, denn: Die Presseaussendungen, die Sie heute veröffentlicht haben, haben der Sache nicht gedient. Abgeordneter Nürnberger – ich schätze ihn – hat heute korrekt und eindeutig zur Frage Nachtarbeit Stellung genommen. Anders ist es bei Ihren Kolleginnen.

Wissen Sie, was passiert ist? – In der Firma Suchard haben bereits eine Reihe von Frauen in den letzten Monaten, in den letzten Wochen keinen Arbeitsplatz bekommen. Sie könnten dort arbeiten. Dies nur, weil Sie, die Frauen im ÖGB, nicht bereit sind nachzugeben. Meine Damen und Herren! Die Männer geben nach, die Frauen geben nicht nach. Ich bedauere es wirklich, daß man auf dieser Ebene Arbeitnehmerpolitik macht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen auch ganz klar, für uns ... (Abg. Haller: Wo ist die Solidarität mit den Frauen?) Ja, wo ist die Solidarität? Ich muß Ihnen da recht geben. Wo ist die Solidarität gegenüber den Frauen, die bei uns in Vorarlberg und auch in Kärnten keinen Arbeitsplatz finden? Es ist in anderen Bundesländern nicht viel anders.

Für mich ist es ein Arbeitnehmerschutzgesetz, kein Gesetz, das die Rechte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelt, auch kein Gesetz, das Haftungsfragen klären soll, wie das Abgeordneter Kier gesagt hat. Der Arbeitnehmer soll geschützt werden, daß er gesund bleiben kann, daß er vor Gefahren geschützt ist.


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53. Sitzung / Seite 157

Herr Abgeordneter Öllinger! Es sind trotz Änderungen keine inhaltlichen Änderungen erfolgt. Wir haben versucht, den Stand des Arbeitnehmerschutzes, wie er festgelegt wurde, zu halten.

Wir sind aber dort dagegen, wo es bürokratische Hemmnisse, Schwierigkeiten, auch Uneinsichtigkeiten bei der Vollziehung dieses Gesetzes gegeben hat – ich denke an eine Verordnung, die als Entwurf vorgelegt wurde, aber Gott sei Dank wegfiel, über die man nicht mehr diskutiert –, wo Kleinbetriebe nicht eingesehen haben, warum sie da große Dokumentationen machen müssen. Ich frage Sie jetzt wirklich: Wieso soll ein Steuerberater eine große Dokumentation über Gefahren anlegen?

Meine Damen und Herren! Wir haben eine Vereinfachung erreicht, die sinnvoll und richtig ist. Diesen Weg sind wir gegangen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin überzeugt davon, daß es da und dort noch Möglichkeiten geben wird, weiter zu vereinfachen. Es soll auch eine Bitte an den Herrn Sozialminister sein, weiter zu vereinfachen, wo es möglich ist, alle bürokratischen Hindernisse wegzubringen.

Ich bin auch der Meinung, daß wir in der Frage der Einrechnung der Einsatzzeiten noch nicht am Ende sind. Es gibt Betriebe, die gefährlicher sind, wo man mehr braucht für die Sicherheitsbeauftragten, für die Ärzte, und Betriebe, wo man weniger braucht. Darauf sollte man Rücksicht nehmen. Das tun wir heute nicht. Heute wird nur auf die Zahl der Arbeitnehmer abgestimmt.

Ich weiß, es gibt noch viele Möglichkeiten der Verbesserung dieses Gesetzes. Grundsätzlich stehen wir dazu. Das ist eine wichtige Veränderung, ein wichtiger Fortschritt. Aber wir gehen weiter: Wir werden uns bemühen, dort, wo wir hören, daß es Probleme gibt, diesen auf den Grund zu gehen und weitere Vereinfachungen vorzuschlagen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung!)

19.12


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53. Sitzung / Seite 158

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Herr Kollege Stadler zur Geschäftsordnung. – Bitte.

19.12

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Kollege Kostelka, gestern noch arbiter elegantiarum, Sittenrichter des Parlaments, heute schon ein Mann, der das Parlament in einer Art und Weise verhöhnt, wie das noch selten der Fall war! (Ruf bei der SPÖ: Keine Polemik zur Geschäftsordnung!)

Herr Präsident! Ich zitiere aus einer soeben veröffentlichten APA-Aussendung: "Die Auswirkung des Entschließungsantrages..." (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich kann das erst beurteilen, wenn der Herr Abgeordnete wie jeder andere ausgesprochen hat. Das ist nach zwei Sätzen nicht beurteilbar. – Setzen Sie bitte fort!

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend) : "Die Auswirkung des Entschließungsantrages auf den Verkauf der CA-Bundesanteile sei null, betonte Kostelka. Eine Entschließung ist nach unserer Bundesverfassung kein Gesetz, das die Bundesregierung oder den Bundeskanzler binden würde. Sie ist lediglich ein Wunsch an die Vollziehung, so Kostelka weiter."

Und jetzt, Hohes Haus, kommt der entscheidende Satz: "Die SPÖ, die nicht zugestimmt habe, fühle sich daran in keiner Weise gebunden."

Herr Präsident! Hohes Haus! Der Parlamentarismus ist noch nie in so kurzer Zeit derart verhöhnt worden. Ich ersuche Sie daher um Anberaumung einer Präsidiale, denn das erfordert dringende Klärung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Skandalös! – Rufe bei den Freiheitlichen: Das ist die Demokratie! Sozialismus pur! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

19.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich möchte zuerst bitten, daß die Klubobfrauen und Klubobmänner zu mir heraufkommen, um kurz darüber zu sprechen.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 19.14 Uhr unterbrochen und um 19.18 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Wir werden die angezogene Frage in der nächsten ordentlichen Präsidialsitzung besprechen. Wir fahren daher in der Rednerliste fort.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

19.18

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Darf ich Sie wieder zu unserer Debatte über das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zurückführen.

Frau Hagenhofer! Die "geschützte Werkstatt Österreich" – das habe ich bewußt gesagt, weil sich der Regelmechanismus dieses Landes in den letzten 10, 20 Jahren schrittweise immer weiter fortgesetzt hat. Und für jede neue Reglementierung, die wir gefunden haben, gibt es immer eine gute Begründung. Auch für das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz gibt es natürlich eine Begründung und vieles andere mehr. Die einzelne Regelung ist nicht das Problem. Es wird meines Wissens nach kein Unternehmen deswegen in Konkurs gehen, weil Sie heute das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz novellieren. Aber es ist die Summe der Belastungen, die Stück für Stück Unternehmen in eine Kostensituation treibt – vor allem schwache Unternehmen, starke halten es leichter aus –, die dann letztlich zum Scheitern des Unternehmens führt. Es ist die Summe der Belastungen! Wir werden ja im Laufe der Diskussion noch darauf zurückkommen.

Ich meine, es ist schon fast eine Leerformel, daß sich jeder hierherstellt und sagt: Ich bin für Arbeitnehmerschutz. – No na! Wer will denn nicht dafür sein? Und ein Unternehmer, der in seinem Unternehmen nicht darauf achtet, daß diese Spielregeln eingehalten werden, hat keine Unternehmenskultur und weiß nicht, worum es letztlich beim Wirtschaften geht. Aber wir können halt Arbeitnehmerschutz verschieden praktizieren. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (das Glockenzeichen gebend) : Ich darf in Erinnerung rufen: Unser Thema ist das Arbeitnehmerschutzgesetz beziehungsweise ArbeitnehmerInnenschutzgesetz! – Bitte, Herr Abgeordneter, setzen Sie fort! (Abg. Mag. Stadler: Was nutzt das Parlament, wenn es dem Sozialismus zuwiderläuft! – Gegenrufe bei der SPÖ.) – Am Wort ist Herr Abgeordneter Mag. Peter! Bitte, Herr Abgeordneter, setzen Sie fort. – Im übrigen bitte ich um eine entsprechende Disziplin, und zwar auch beim Zuhören.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (fortsetzend ): Um jetzt das Thema des Arbeitnehmerschutzgesetzes zu behandeln und um den Gedanken fortzuführen: Wir können das auf zwei Arten tun. Wir können die Lösung nehmen, die Sie vorschlagen, eine Lösung, die bis ins Detail Vorschriften macht und reglementiert, wie es zu sein hat.

Das ist ein legitimer Weg; ein Weg, von dem ich meine, daß er hohe Kosten erfordert und viel Bürokratie erzeugt, gegen die wir ja alle sind. Von jeder Reglementierung wird erwartet, daß eine Kontrolle durchgeführt wird – und das führt daher zu zusätzlicher Bürokratie.

Oder wir können die Verantwortungen klar zuordnen. Ich meine, das ist der Punkt: Machen Sie doch Unternehmer für das, was in ihrem Unternehmen passiert, klar verantwortlich und finden Sie Lösungen im innerbetrieblichen Bereich, die selbstverständlich mit den Betriebsräten abzustimmen sind. Das ist gar keine Frage. Und geben Sie selbstverständlich den Arbeitsinspektoraten nicht nur beratende Funktion, sondern auch die Möglichkeit, auf Antrag des Betriebsrates dort einzuschreiten.


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Nur ist die Frage jetzt: Wollen wir hier Anlaß für die Verantwortung festhalten und anlaßbezogen agieren – oder wollen wir, weil wir an dieses System nicht glauben, von vornherein die Reglementierung in allen Details festhalten? Das sind die Wege, die uns unterscheiden. Ich bin, wie ich schon oft hier ausführen durfte, für den ersten Weg, nämlich für den Weg der Zuordnung von Verantwortung. (Abg. Hagenhofer: ... kein Problem, aber was ist in den Betrieben, wo es keine Betriebsräte gibt und die Leute Arbeitsplätze haben?) Frau Hagenhofer! Das ist eine Frage, die dieses Hohe Haus beschäftigen sollte: wie wir die innerbetriebliche Mitbestimmung ausbauen, aber gleichzeitig überbetriebliche Reglementierungen abbauen. Das ist das Problem. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Graf: Da kann man beschließen, was man will, das zählt eh nichts! – Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Ich möchte Ihnen an einem Beispiel klarmachen, worum es letztlich geht. Wenn Sie heute dieses ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Sie erst vor zwei Jahren beschlossen haben, wieder novellieren – wobei an und für sich bedauerlich ist, daß Gesetze so zustande kommen –, dann verordnen Sie darin, daß ein Sicherheitsbeauftragter bestellt wird. In einem Unternehmen, das beispielsweise 26 oder 30 Mitarbeiter hat, müssen Sie jetzt jemanden finden, der den Willen, das Wissen und auch das Können hat, diesen achtwöchigen Kurs zu besuchen. Wenn dieser nur 25 000 S brutto im Monat verdient, kostet er 50 000 S. Das wissen wir. Also sind das 100 000 S Schulungskosten plus 35 000 S Kosten des Kurses plus 15 000 S für Fahrtkosten, Übernachtung, was immer Sie wollen.

Sie setzen also 150 000 S ein, nur um diesen Mitarbeiter für diese Position zu schulen – abgesehen davon, wie viele Implikationen sich durch verstärkte Kündigungsschutzmechanismen ergeben. Kündigt der Mitarbeiter diesem Unternehmen, ist es wie beim "Mensch ärgere dich nicht": Sie fliegen raus und müssen wieder einen Sechser würfeln, sprich erneut 150 000 S investieren, bis Sie wieder auf jenem Status sind, auf dem Sie vorher waren.

Ich mache nur an dem einen Beispiel klar, daß hier immer wieder schrittweise zusätzliche Kosten dazukommen, die nicht im einzelnen die Unternehmen gefährden, sondern in Summe letztlich zu einem Kostenbild führen, das sich auf dem Markt bei den Kunden nicht durchsetzen läßt. Das führt dann zu Ertragseinbußen und selbstverständlich zu einer Eigenkapitalschwächung, die sich bedauerlicherweise in der Wirtschaft abbildet.

Natürlich gibt es Insolvenzen aus Verschulden des Unternehmers. Das ist gar keine Frage. Es gibt Erfolgreiche, die Gewinn machen, und es gibt nicht Erfolgreiche, die Verlust machen. Aber wir müssen eines wissen – und diese Verantwortung sollten wir im Hohen Haus langsam begreifen –: Je mehr wir in reglementierender Weise eingreifen, je mehr wir Kostenposition auf Kostenposition anhäufen, desto schwieriger wird es, und zwar auch für gute Unternehmen, ertragreich zu wirtschaften.

Der Freie Wirtschaftsverband: "Vorauseilender EU-Gehorsam bringt die Wiener Klein- und Mittelbetriebe in Existenzgefahr. Die Kosten von 3 Milliarden Schilling für die Evaluierungsmaßnahmen zahlen die Unternehmer." – Nein, in Wirklichkeit zahlen sie nicht die Unternehmer: Die Kunden müssen sie bezahlen! Wenn sich die Kunden weigern, sie über den Preis zu bezahlen, wird das Unternehmen Schwierigkeiten haben, weil sich die Kosten auf dem Markt nicht im Preis abbilden.

3 000 S pro Mitarbeiter – so ist die Schätzung – kostet dieses neue Gesetz. Das sind wiederum Lohnnebenkosten. Lohnnebenkosten zahlen Sie aus der Wertschöpfung. Die Summe der Arbeitskosten müssen in der Wertschöpfung Platz haben müssen, nachdem Sie Ihre Steuern bezahlt haben. Wenn Sie die Lohnnebenkosten immer erhöhen, verringern Sie gleichzeitig den Spielraum für die Bruttolöhne der normalen Arbeitszeit. Je mehr Zuschläge Sie machen, je mehr Lohnnebenkosten Sie haben, die immer in der betrieblichen Wertschöpfung Platz haben, desto mehr verteilen Sie Löhne um, und zwar vom Bruttolohn hin zu den Lohnnebenkosten.

Das Faktum, das wir heute haben, besteht doch darin, daß von rund 262 S Kosten der geleisteten Arbeitsstunde in der Industrie der Mitarbeiter rund 131 S brutto pro Stunde bekommt. Das macht dann, je nach Steuerklasse, zwischen 80 S und 85 S netto aus. Das heißt, von dem, was


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ein Mitarbeiter im Unternehmen produktiv sein muß, bleibt ihm nur ein Drittel netto zur Verfügung. Er bekommt es dann schon in anderer Form wieder, 13. und 14. Gehalt, bezahlte Ausfallzeiten. Das stimmt schon. Aber letztlich ist es doch eine unerhörte Einschränkung der Verfügungsmacht des Mitarbeiters über das, was er im Unternehmen an Wertschöpfung erarbeitet hat.

Herr Bundesminister! Sie sind über die Zitate des Herrn Stummvoll, der Ihnen aus Ihren eigenen Verordnungen, die zum Entwurf ausgesendet wurden, vorgelesen hat, ein bißchen locker hinweggegangen. Ich meine, es gibt doch so etwas wie die Verantwortung des Ministers für das, was an Verordnungsentwürfen aus seinem Haus gesandt wird. Sie können nicht ganz einfach sagen: Na ja, das war ja nur eine Begutachtung. Dieser Entwurf, den Sie da betreffend Bildschirmarbeit ausschickten, und die Art und Weise, wie Sie ihn formuliert haben, nämlich bürokratisch, sind meiner Ansicht nach das klassische Beispiel dafür, wie man eine einfache, nach dem Verantwortungsprinzip ausgerichtete Richtlinie der Europäischen Union unvorstellbar verbürokratisiert. Aber Sie können sich doch nicht hier im Hohen Haus ganz einfach damit rechtfertigen: Na ja, das war ja nur ein Begutachtungsentwurf, und so genau kenne ich mich da nicht aus. Es liegt in Ihrer Verantwortung, was aus Ihrem Haus hinausgeht.

Ich habe jetzt sogar das Wort gefunden: Sie sind eine "monokratische Behörde". Das hat mir einer unserer klugen Verfassungsrechtler gesagt. Sie tragen die Verantwortung für das, was aus Ihrem Haus hinausgeht. Und welche Anordnung von Arbeitsmitteln und Arbeitsvorlagen für Bildschirmarbeitsplätze aus Ihrem Haus hinausgegangen ist, ist "reiner Holler", bitte! Das paßt in einen Faschingsbrief. Wollen Sie wirklich vom Arbeitsinspektor messen lassen, ob der Winkel zwischen dem Unterschenkel und dem Oberschenkel 90 Grad beträgt? Wollen Sie das wirklich?

In der EU-Richtlinie steht ganz einfach "Arbeitsmittel" drinnen und außerdem, daß eine Fußstütze selbstverständlich zur Verfügung zu stellen ist. Aber da trennen sich Welten. Ich habe immer den Verdacht, daß Herr Feurstein als Sozialsprecher der ÖVP Sie da ganz gern unterstützt, er ist auch so ein großer Reglementierer. Sie glauben wirklich, in einer Verordnung den Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel mit 90 Grad festlegen zu müssen. Herr Minister, bitte gehen Sie weihnachtlich in sich: Das ist doch Unsinn! Das ist hanebüchener Unsinn, was Sie da machen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß die Arbeitsmedizin ein neues Feld ist, ist unbestritten. Wir wissen, daß viele Betriebe, weil sie gemäß der Arbeitsmedizin nicht fortschrittlich genug sind, letztlich interne Kosten zu externen Kosten derer machen, die dann diese Leiden letztlich heilen müssen. Müssen wir deswegen jetzt wirklich dem Unternehmen vorschreiben, je nachdem, wie groß es ist, ob es jetzt 50 oder 100 Mitarbeiter hat, wie viele Stunden pro Jahr, ganz genau gezählt – das muß auch jemand kontrollieren, der muß einen Stempel geben, ob derjenige wirklich da war oder nicht –, dieser Betriebsmediziner anwesend zu sein hat? Können Sie das nicht über das Verantwortungsprinzip des Unternehmers lösen und ihm sagen: Paß auf, du bist dafür verantwortlich, daß deine Arbeitsplätze diese und jene ergonometrischen Standards haben! Wie du diese Standards erfüllst, wie du den Nachweis zum Beispiel an das Arbeitsinspektorat erbringst, daß du diese Standards erfüllst, ist mir gleich, aber erbringe den Nachweis! – Lassen Sie uns doch bei der Lösung dieser wichtigen Arbeitnehmerschutzaufgaben kreativ sein und behandeln Sie uns nicht wie kleine Kinder, denen man wirklich alles bis ins Details vorschreiben muß!

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich halte dieses Arbeitnehmerschutzgesetz in dieser Form für unvollziehbar. Abgeordneter Haselsteiner wird diesbezüglich noch einen Antrag in diesem Hohen Haus einbringen.

Es sei mir eines abschließend noch einmal erlaubt zu sagen: Wenn wir in Österreich mit der Reglementierung im Detail so fortfahren, werden all diejenigen, die von Entbürokratisierung reden, unglaubwürdig. Sie müssen sich überlegen, was Sie wollen: Wollen Sie Entbürokratisierung oder wollen Sie weitere Reglementierung? Beides zu vertreten ist nicht möglich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.29


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Trinkl vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

19.30

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme meinem Vorredner zu: Kaum ein Gesetz der letzten Jahre hat unter den österreichischen Unternehmern so viel Verunsicherung und so viel Unruhe ausgelöst wie das Arbeitnehmerschutzgesetz. Das kommt nicht von ungefähr: Das Gesetz ist umfangreich, es ist detailliert, es schafft auch eine ungeheuer große Bürokratie in den Betrieben. Sicher haben auch Wertschöpfungen wie die berühmte Evaluierung dazu beigetragen, diese Abneigung noch wesentlich zu steigern.

Dabei muß aber festgehalten werden, daß sich die Wirtschaft zum uneingeschränkten und umfassenden Arbeitnehmerschutz bekennt. Kein vernünftiger Betrieb, Frau Kollegin Hagenhofer, würde seine Mitarbeiter leichtsinnig einer Gefahr aussetzen. Er würde ja die Nachteile selber im Betrieb erleiden müssen.

Ich war zum Beispiel am Wochenende bei einer Barbara-Feier. Da hat mir der Geschäftsführer erzählt, er hat mit seinen Mitarbeitern als erstes Betriebsziel vereinbart, daß es im nächsten Jahr keine Arbeitsunfälle geben darf. Sie sehen daraus, daß die Betriebsführer sehr wohl ihre Verantwortung wahrnehmen.

Was uns von seiten der Wirtschaft aber an diesem vorliegenden Gesetz so stört, ist die Bürokratie, die für uns mit der Vollziehung verbunden ist. Das ist das Problem, nicht der Arbeitnehmerschutz an sich.

Ich darf Sie vielleicht doch korrigieren. Sie haben den Herrn Kollegen Stummvoll zitiert – nein, Entschuldigung, ich muß das dem Kollegen Öllinger sagen. Ich zitiere aus dem Sozialbericht 1995, er liegt heute frisch gedruckt auf: Eine mittelfristige Betrachtung zeigt im Zeitraum 1985 bis 1995 trotz eines deutlichen Beschäftigungsanstieges von mehr als 300 000, daß die Zahl der Arbeitsunfälle um etwa 10 000 oder 6,4 Prozent abgenommen hat.

Herr Kollege Öllinger, Sie sollten sich etwas besser informieren, bevor Sie hier einem Kollegen unterstellen, er hätte nicht die Wahrheit gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es stimmt einfach nicht, wenn man der Wirtschaft immer wieder unterstellt, sie möchte eine Reduktion des Arbeitnehmerschutzes, sondern es geht einzig und allein darum, diese Bürokratie zu verbessern und den Betrieben das Leben ein wenig leichter zu machen.

Ich bin hier gleich beim Kollegen Edler, der am Mittwoch hier an dieser Stelle gesagt hat – ich zitiere wörtlich –, durch Bürokratieabbau wäre es möglich, Tausende Arbeitsplätze zu schaffen, wir ersticken in Bürokratie. – Das sind nicht meine Worte, sondern die des Kollegen Edler von der SPÖ.

Herr Bundesminister! Wir begrüßen daher die Verschiebung der Termine für die Fertigstellung der entsprechenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente bis zur Einrichtung der Sicherheitsfachkräfte und der arbeitsmedizinischen Dienste. Besonders aber freut es mich, daß es gelungen ist, für Kleinbetriebe eine wesentliche Vereinfachung zu schaffen, was die Bestimmungen für die Gefahrenfeststellung und auch die Maßnahmen angeht, die für die Beurteilung der weiteren Schritte hier ergriffen werden sollen.

Wir reden zwar oft von der Wichtigkeit von Unternehmensgründungen und davon, daß die Liberalisierung der Gewerbeordnung vor allem die Zahl an Kleinbetrieben erhöhen wird. Wenn wir aber die vielgerühmte Gründungsoffensive ernst nehmen, so müssen wir für diese kleinen Betriebe auch jene Bedingungen schaffen, die sie brauchen, um auch überleben zu können. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich freue mich, daß es auch gelungen ist, außer Streit zu stellen, daß es einfach Sache der Unternehmer ist, in welcher Art und Weise sie diese Gefahrenfeststellung in ihren Betrieben bewerkstelligen möchten, und daß wir ohne diese soeben hier zitierte Verordnung auskommen, die die Unternehmer zusätzlich in die Pflicht nehmen würde.

Ich fasse zusammen und halte fest: Die Wirtschaft bekennt sich uneingeschränkt zum Arbeitnehmerschutz. Die Wirtschaft begrüßt jeden Schritt, der dazu dient, die Bürokratie abzubauen. Die vorliegende Regierungsvorlage ist ein kleiner Schritt in diese Richtung, und daher werden wir dieser Vorlage auch die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

19.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordnete Blünegger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten eingestellt.

19.35

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Meine beiden Kollegen Sigi Dolinschek und Ing. Nußbaumer haben in einigen Punkten angeführt, warum wir Freiheitlichen diesem Gesetz nicht die Zustimmung geben können. Dieses Arbeitnehmerschutzgesetz enthält zwar einige für die Wirtschaft durchaus positive Aspekte, aber Sie übersehen die Mängel des Gesetzes und verzetteln sich in Kleinigkeiten.

Als Arbeitnehmervertreter liegt mir das Wohl der Wirtschaft der Klein- und Mittelbetriebe sicher am Herzen, denn geht es der Wirtschaft gut, geht es auch dem Arbeitnehmer gut. Daher ist eine gesunde und konkurrenzfähige Wirtschaft für den Arbeitnehmer äußerst wichtig.

Zum Arbeitnehmerschutzgesetz zitiere ich die Aussage eines mittelständischen Unternehmers: Es ist ein teuflisches Gesetz, das die Lust, Unternehmer zu sein, zusätzlich erschwert und die Arbeit als Arbeitnehmer weiterhin verunsichert.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren von der Koalition! Wenn dieses Gesetz so exekutiert wird, wie Sie es beschließen wollen, dann steht der Unternehmer vor vielen Problemen: zusätzlicher bürokratischer Aufwand, zusätzliche hohe Kosten und hohe Strafen bis hin zur Kriminalisierung vieler Gewerbetreibender.

Mein Kritikpunkt ist, daß die Gemeinden, die Länder und der Bund als Arbeitgeber immer ausgenommen bleiben von diesem Gesetz. Dieses Gesetz ist offensichtlich für den öffentlichen Dienst zu gefährlich. Oder kann sich die Regierung gegenüber der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes nicht durchsetzen, damit unter anderem auch ein Arbeitnehmerschutzgesetz in diesem Bereich besteht?

Sie zwingen die Wirtschaft, ein Gesetz einzuhalten, das sich kaum einhalten läßt. Die ÖVP versucht einige Schönheitskorrekturen – die hat heute Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll ja aufgezeigt –, und man merkt, daß sie eigentlich nur zustimmt, um den Frieden zu wahren beziehungsweise den Koalitionspartner zu beruhigen.

Wenn ich als Arbeitnehmervertreter die Interessen unserer Wirtschaft verteidige, dann verteidige ich auch die Gesundheit und die Sicherheit am Arbeitsplatz.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Wirtschaft, das sind wir alle, auch wir Arbeitnehmer. Dieses Gesetz birgt für viele Betriebe ein hohes Risiko, künftig überhaupt Arbeitsplätze bereitzustellen. Hohe Kosten und der hohe bürokratische Aufwand bringen weder der Wirtschaft noch den Interessen der Arbeitnehmer etwas.

Sie sprechen immer so gerne von Arbeitsplatzsicherung, meine Damen und Herren von der Regierung. Wenn Ihnen diese Arbeitsplatzsicherung am Herzen liegt, dann dürfen Sie die Betriebe nicht mit weiteren Kosten belasten. Sie sagen, daß die Arbeitsplätze Vorrang haben, aber die Arbeitnehmer interessieren sich für bürokratische und arbeitsrechtliche Spitzfindig


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keiten sicher nicht. Sie sorgen sich nicht darum, ob ein Kühlschrank bereitgestellt wird oder nicht, sondern die Arbeitnehmer sorgen sich um einen gesunden Arbeitsplatz.

Wenn das Ihr Rezept sein soll, Arbeitsplätze zu erhalten, so muß ich sagen: Das ist kein gutes Rezept! Sorgen Sie zuerst für weniger Staat, für weniger Bürokratie, für ein stabiles Einkommen, sorgen Sie für eine Verminderung der Steuerbelastung, für entsprechende wirtschaftliche Rahmenbedingungen und für die Sicherheit der Arbeitsplätze! Das wären die vordringlichen Aufgaben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dann würde sich die Frage, ob Kühlschränke auf einem Arbeitsplatz stehen, wahrscheinlich von selbst erledigen.

Die Arbeitnehmer haben diese Sorgen wirklich nicht, denn sie haben volles Verständnis für die wirtschaftliche Situation. Aber Sie, meine Damen und Herren von der großen Koalition, werden die Wirtschaft und die Arbeitsmarktsituation, wenn Sie so weitertun, sicher zu Tode regulieren. Daher lehnen wir Freiheitlichen dieses Gesetz ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vor vom Herrn Abgeordneten Dr. Haselsteiner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Rufe bei der ÖVP: Der rote Haselsteiner!)

19.40

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Das, meine Herren, halte ich leicht aus: "der rote Haselsteiner". Das ist kein Ausdruck, der mich schreckt.

Herr Präsident! Herr Bundesminister! (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer. ) Ich weiß nicht, Herr Wurmitzer ob Sie überhaupt eine Farbe haben – und wenn, dann sicher eine "schiache". (Heiterkeit.)

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil das einfach mein "Lieblingsgesetz" ist. Es ist für mich der Inbegriff dessen, was ein Parlament durchaus im guten Willen produziert und was dann von der Beamtenschaft umgesetzt wird. Und es ist ein Gesetz, das niemand wirklich verstehen kann: die Arbeitnehmer nicht, die Betriebsräte nicht, und die Unternehmer und die Gewerbetreibenden schon gar nicht.

Ich kann mich da nur an die Ausführungen meines Vorredners, der das sehr gut charakterisiert hat, anschließen und sagen: Das ist ein schlechtes Gesetz, ein Gesetz, daß uns tendenziell zu Tode reguliert. Es ist ein Gesetz, das kaum vollziehbar ist, ein Gesetz, das leicht umgehbar ist, ein Gesetz, das hohe Kosten für die Wirtschaft verursacht – und das in Zeiten, in denen wir, insbesondere Sie von den Regierungsfraktionen, nichts anderes im Mund führen als die Standortsicherheit und die Standortpolitik und die Initiativen und die Reformen und die Flexibilisierung und und und. Aber so ein Gesetz kommt auf den Tisch! Richten Sie das dem Herrn Stummvoll aus: neuerlich Schande, Schande, Schande!

Das ist ein Gesetz, das niemandem dient – schon gar nicht den hier von Ihnen vorgegebenen zu Schützenden. Und wenn Sie das nicht glauben, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, dann bewegen Sie sich halt einmal in einen Betrieb und fragen Sie dort die zu Sicherheitsbeauftragten Ausgebildeten beziehungsweise Auszubildenden, was sie zu diesem Inhalt sagen. – Sie lachen Sie schlicht und ergreifend aus!

Wenn Sie mir das nicht glauben, und wenn Sie mir nicht abnehmen, daß ich das hautnah verspüre mit einigen tausend Mitarbeitern in Österreich, dann sind Sie auf dem Holzweg und nicht ich – und Sie werden das auch noch spüren. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja wahrscheinlich: Wie der Chef, so die Gesetze.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es gibt für diese legistische "Meisterleistung" nur einen einzigen Ort, und das ist der Papierkorb. Ich habe mir daher erlaubt, einen Antrag einzubringen, der darauf abzielt, dieses Gesetz ersatzlos aufzuheben, und zwar deshalb ersatzlos, Herr Stummvoll, weil ich glaube, daß das, was Sie heute richtig gesagt haben, daß die Unternehmerschaft bereit ist – wie mein Kollege Kier natürlich sehr subtil ausgeführt hat: wenn schon


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nicht aus sozialer Erwägung, wenn schon nicht aus anderen, menschlich akzeptablen Motiven, dann aus purem Egoismus –, daß der Unternehmer interessiert und bereit ist, seine Arbeitnehmerschaft, seine Dienstnehmerschaft bei bester Gesundheit, bei bester Laune und bei hoher Motivation zu halten. Es ist sozusagen der Selbsterhaltungstrieb, der dazu zwingt. Es gibt vielleicht auch noch andere Motive, aber das allein ist genug. Und wenn Sie das auf eine kluge Weise initiieren, wenn Sie es sozusagen mit Haftpflicht und anderen Überlegungen anreichern, dann werden Sie weiter kommen als mit dieser übertriebenen Reglementierung.

Damit wir diese Debatte ohne Belastung aus diesem Gesetz, bezüglich dessen ich Ihnen, wie beim ASVG, Hunderte Seiten von Novellierungen voraussage, führen können, leidenschaftslos und sachlich führen können, sollten Sie, so meine ich, dieses Gesetz ersatzlos aufheben.

Weiters haben wir uns erlaubt, einen Entschließungsantrag einzubringen, der darauf abzielt, bis zum 1. Juli 1997 eine dem Sinn und der unbestrittenen Notwendigkeit entsprechende Regelung neu zu schaffen. Ich bitte das zu überlegen und in den Ausschüssen darüber zu diskutieren. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt:

Wir treten daher in das Abstimmungsverfahren ein. Zu diesem Zweck bitte ich die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 539 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich der Fall. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist mehrheitlich der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dolinschek und Genossen betreffend gleiche Schutzbestimmungen für Bundesbedienstete und Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

7. Punkt

Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (462 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (513 der Beilagen)

8. Punkt:

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 267/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Kinderbetreuungsscheck (514 der Beilagen)


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9. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 302/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesez 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 433/1996, geändert wird (515 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Haller. – Bitte, Frau Abgeordnete. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten wird angezeigt.

19.46

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Herren Bundesminister! Nach einem zweiten negativen Beispiel von sozialistischem Demokratieverständnis, das wir heute erlebt haben, ein negatives Beispiel der österreichischen und der ÖVP-Familienpolitik. Es geht um eine Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes, einen gemeinsamen Abänderungsantrag der Regierungsparteien betreffend Einführung eines Mutter-Kind-Paß-Bonus, eine Maßnahme, die von uns Freiheitlichen sogar angeregt wurde, und zwar bei der Abschaffung der Geburtenbeihilfe, der wir nie zugestimmt hätten.

Aber was man in den Verhandlungen zwischen den Regierungspartnern daraus gemacht hat, ist von unserer Seite absolut abzulehnen. Wir werden deshalb eine getrennte Abstimmung zum § 38 verlangen.

Abzulehnen ist diese Regelung vor allem deshalb, weil der finanzielle Anreiz zu gering ausgefallen ist, weil eine Umverteilung unter den Familien stattfindet. Die Maßnahme für Eltern, die jetzt ein Kind bekommen, wird von anderen Eltern mit älteren Kindern finanziert. Weiters wird die Selbsträgerschaft festgeschrieben, etwas, was man von seiten der ÖVP ja schon längst aufheben wollte. Es wird eine soziale Obergrenze dieser Maßnahme eingezogen, die nur minimalste Einsparungen bringt, die meines Erachtens einfach grotesk ist in Anbetracht der Einsparungen und bei der die Bürokratie, wenn man diese Maßnahme kontrollieren möchte, mehr kosten würde als die Einsparungen. Deshalb ist man übereingekommen, daß man eine Kontrolle gar nicht machen wird. Umgehungstatbeständen sind dadurch Tür und Tor geöffnet.

Dieser Abänderungsantrag ist vor allem auch verfassungsrechtlich bedenklich. Es werden selbständig Erwerbstätige benachteiligt, da eben ein fehlender Verlustausgleich vorgesehen ist, und er geht zwar von einem gemeinsamen Familieneinkommen aus, aber die Kinderzahl wird überhaupt nicht berücksichtigt.

Das heißt, das Rasenmähersparen der Regierung bei den österreichischen Familien geht weiter. Das dritte Sparpaket hat bereits begonnen, und auch der gesundheitspolitische Aspekt, der ja wirklich beabsichtigt war und auch unsererseits anerkannt wird, wird eigentlich ad absurdum geführt, weil es in Zukunft zwei Klassen von Kindern geben wird: solche, deren Gesundheit dem Staat 2 000 S wert ist, und solche, deren Gesundheit der öffentlichen Hand nichts wert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die ÖVP hat ihre positiven Ansätze in diesem Bereich wieder einmal – und das ist wirklich nicht zum ersten Mal – auf dem Altar der Koalitionspolitik geopfert, und ich finde das wirklich sehr traurig. Deshalb wird es von unserer Seite auch zwei Anträge geben: erstens einen Entschließungsantrag, der dem entspricht, was der familienpolitische Beirat in einer Entschließung einstimmig beschlossen hat, dem Familienminister Bartenstein ans Herz gelegt hat. Aber wir haben gerade heute durch Klubobmann Kostelka erfahren, daß Entschließungsanträge offensichtlich nicht zählen, und auch Familienminister Bartenstein geht in diesem Bereich denselben Weg.


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(Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. ) Gestatten Sie mir, daß ich diesen Vergleich ziehe. Daß er Ihnen nicht behagt, kann ich verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen stellen deshalb folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haller und Kollegen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Jugend, Umwelt und Familie wird ersucht, den Mutter-Kind-Paß-Bonus auf zumindest 6 000 S und ohne Berücksichtigung der Einkommensobergrenzen einer Familie zu erhöhen und die Auszahlung in jeweils drei Raten vorzusehen, sodaß dadurch im Interesse der Gesundheit der Kinder eine Beibehaltung der bisher sehr hohen Untersuchungsdisziplin gewährleistet ist."

*****

Soviel zum Mutter-Kind-Paß-Bonus.

Aber wir haben heute noch einen weiteren Antrag einzubringen, und zwar einen Abänderungsantrag, der sich darauf bezieht, daß es im Zusammenhang mit den Maßnahmen, daß man die Auszahlung der Familienbeihilfe im heurigen Jahr auf das 26. Lebensjahr limitiert hat, zu einer wirklich massiven Ungleichbehandlung zwischen Studenten und Studentinnen gekommen ist. Und wie wir im Familienausschuß vom 3. Dezember gemerkt haben, war das auch den Familiensprecherinnen der beiden Regierungsparteien nicht bewußt, daß zwar im Falle eines geleisteten Präsenz- oder Zivildienstes Anspruch darauf besteht, daß die Familienbeihilfe dann bis zum 27. Lebensjahr ausbezahlt wird, daß aber Studentinnen für die Zeit des Mutterschutzes diesen Anspruch nicht verlängert bekommen. Ich finde das diskriminierend für die österreichischen Studentinnen, und deshalb bringen wir folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Haller, Apfelbeck, Madl, Koller, Dolinschek, Dr. Graf und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 433/1996, geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel angeführte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Vor Z 1 wird folgende neue Z 1 eingefügt:

§ 2 Abs. 1 lit.g lautet:

"g) für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die den Präsenz- oder Zivildienst geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres; für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die sich im Mutterschutz befanden, bis längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,"

2. Die Ziffer 1 erhält die Bezeichnung "Z 1a".


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3. Z 6 lautet:

"6. § 50i. § 2 Abs. 1 lit. g, § 8 Abs. 2 und 3, Abschnitt II b, die §§ 39e, 46 sowie 51 Abs. 2 Z 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.Nr. xxx/1996 treten mit 1. Jänner 1997 in Kraft."

*****

Soviel zu diesem Bereich.

Einen Punkt möchte ich aber trotz der Zeitüberziehung noch anschneiden, weil er mir einfach ein Anliegen ist: Es wurde im Familienausschuß der freiheitliche Antrag 267/A betreffend Kinderbetreuungsscheck abgelehnt, der eine Finanzierungsmöglichkeit für Prüfungsmaßnahmen der Länder im Rahmen der zu verteilenden "Kindergartenmillion" beinhaltet hätte. Dieser Kinderbetreuungsscheck bedeutet eine soziale Innovation für österreichische Kinder, und das sagen nicht nur die Freiheitlichen, sondern es werden immer mehr positive Stimmen zu dieser Maßnahme laut. Es tut mir sehr leid, daß seitens des Bundes nicht Initiativen der Länder in dieser Richtung auch finanziell anerkannt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden eben verlesenen Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht und auch entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Behandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

19.55

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Haller, Sie haben absolut nicht verstanden, was dieses Bonussystem eigentlich bewirken soll. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Na, Sie werden es uns jetzt erklären!) Ein Bonifikationssystem für den Mutter-Kind-Paß kann nicht durch weiteres Erhöhen besser werden.

Und zweitens haben Sie auch nicht verstanden, was es heißt, Eltern kompetent zu machen, kompetent dafür, daß sie, wenn sie wertvolle Gratisuntersuchungen angeboten bekommen, diese endlich auch dementsprechend annehmen.

Das Gesundheitsbewußtsein der Österreicher ist mehr als schlecht. Das zeigt sich beispielsweise daran, daß in Tirol 12 Prozent die Gratis-Gesundenuntersuchungen annehmen, in Wien gar nur 1,5 Prozent.

Heute ist Freitag, der 13., und Kollege Dr. Ofner hat gestern abend schon sehr treffend bemerkt: Ich habe schon schlechteren Gesetzen zugestimmt! Es ist zwar nichts Tröstliches dabei, aber es war und ist ein vorweihnachtliches Possenspiel, ein Possenspiel mit einem Prolog, einem Epilog und drei Akten. (Abg. Mag. Stadler: Die Reihenfolge stimmt nicht!) Es ist mehr als schlimm, daß den Österreichern dieses Bonussystem angeboten werden muß, damit diese Untersuchungen wahrgenommen werden. Bundesminister Bartenstein ist es gelungen, so umzuverteilen und so zu finanzieren, daß das Sparpaket nicht aufgemacht werden mußte und daß die Möglichkeit geschaffen wurde, den Familien 160 Millionen Schilling als Bonifikation auszubezahlen, quasi als Erinnerung, zu diesen Untersuchungen zu gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese einkommensneutrale Finanzierung ist nämlich allein schon deshalb hervorzuheben, weil folgerichtig die 19jährigen zum Beispiel ihren Geburtstagsbeitrag sozusagen mit dem Monat ihres Geburtstages bekommen, und so war auch bei den 10jährigen gedacht: In dem Monat, in dem sie Geburtstag haben, bekommen sie auch den Zuschlag zur höheren Familienbeihilfe.

Nun aber kommt es wirklich zu dieser Posse. Der Posse erster Teil war: Der Herr Bundesminister bringt also die FLAF-Novelle in den Ministerrat ein, und dort sitzt ein neuer Bundesminister mit am Tisch mit Namen Umverteilung. Es kommt zu einer Protokollanmerkung: Die Reichen sollen nicht noch mehr Geld bekommen, daher Einzug einer Einkommensgrenze.


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Auch die SPÖ hat nicht verstanden, was dieses Bonifikationssystem eigentlich wirklich bedeuten soll.

Der Posse zweiter Teil: Es werden nun Recherchen und Überlegungen angestellt. 5 bis 10 Prozent werden wahrscheinlich nicht in den Genuß dieses Bonifikationssystems kommen, weil das Familieneinkommen herangezogen wird, und wenn es 40 800 S überschreitet, würden die Betreffenden nicht mehr unter dieses Bonussystem fallen.

Es ist das ein Riesenaufwand an Administration – für eine Einsparung von 9 Millionen Schilling. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist ein Riesenaufwand allein deshalb, weil wir letztes Jahr 87 500 Geburten zu verzeichnen hatten. – Gott sei Dank!

Der Posse dritter Teil geschieht dann im Familienausschuß. Auch da wird völlig unlogisch und völlig sinnlos darauf bestanden, daß dieser Einzug der Einkommensgrenze weiterhin so gewahrt bleibt. Dabei hatten wir doch ein EU-Vorzeigeprojekt mit diesem Mutter-Kind-Paß!

Dieser wird in den EU-Ländern dementsprechend sinnvoll gestaltet. (Abg. Dr. Graf: Wir hätten die Mehrheit im Ausschuß gehabt, um das zu Fall zu bringen! Das ist der Posse vierter Teil! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Hören Sie mir lieber zu! In diesem EU-Vorzeigeprojekt wird ganz deutlich, daß die Säuglingssterblichkeit gesenkt wird, daß so die Früherkennung von Krankheiten ermöglicht werden kann und die Folgekosten reduziert werden können. (Abg. Dr. Graf: Die ÖVP hat sich nicht getraut, wie so oft! Aber wir hätten die Mehrheit gehabt!)

Die unlogischste aller Synthesen erkennen wir aber dann, wenn wir uns auch noch die Folgeerscheinungen deutlicher anschauen. Wir können sagen: Wer wohlhabender ist, ist klüger und bringt seine Kinder zum Arzt. Oder anders herum: Wer dümmer ist, ist pflichtvergessener und bringt seine Kinder nicht zum Arzt. – Was gefällt Ihnen besser?

Wie sollen wir also, wenn wir wegkommen wollen von Zynismus und von diesen absolut unrichtigen Entscheidungen, das verstehen, wenn bereits (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) – am Ende der Woche war der Familienausschuß – am Wochenende all das in den Zeitungen steht, was uns bestens gefallen würde. In der "Kleinen Zeitung" und im "Kurier" steht: Bundesminister Konrad ist gegen soziale Staffelung, will aber neuerdings das Familieneinkommen berücksichtigt haben. (Abg. Dr. Graf: Warum haben Sie denn zugestimmt?)

Frau Arbeitskammerpräsidentin Hostasch, ebendort: "Jedes Kind ist gleich viel wert."

Bundesgeschäftsführerin Ederer: "Kinder von Besserverdienenden dürfen nicht stärker gefördert werden." – Sowieso nicht! Nicht einmal alle Untersuchungen für den Mutter-Kind-Paß sollen sie bekommen.

Allein Frau Abgeordnete Dr. Mertel bleibt bei ihrer Meinung und erklärt: "Der Einzug der Einkommensgrenze ist ein Reformschritt." (Abg. Dr. Mertel: Was ist Ihre Wertung?)

Epilog vor Weihnachten: Mein Wunsch – wenn vielleicht auch nicht ans Christkind –: Ich hoffe, daß die Eltern bald kompetent genug sind, daß sie kein Anreizsystem für diese wertvollen Gratisuntersuchungen mehr brauchen, daß diese 160 Millionen Schilling, die jetzt umverteilt und umstrukturiert wurden, wachsen und daß dann wertvolle weitere Untersuchungen angeboten werden können, Untersuchungen nämlich, die dringend notwendig und die unsere Kinder brauchen, damit im Mutter-Kind-Paß eine Lücke geschlossen werden kann, weitere Untersuchungen angeboten werden können und dieser Mutter-Kind-Paß vielleicht zu einem Gesundheitspaß bis zum 15. Lebensjahr ausgeweitet werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

20.03

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich teile mit, daß von den Abgeordneten Johann Ewald Stadler und Kollegen ein Antrag betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Geschäftsordnungsgesetz zur näheren Untersuchung der politischen und


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rechtlichen Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres im Zusammenhang mit dem jüngsten Briefbombenanschlag am 9. Dezember 1996 eingebracht worden ist.

Fünf Abgeordnete haben gemäß § 2 in Verbindung mit § 57a und b Geschäftsordnungsgesetz die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag gestellt.

Gemäß § 33 Abs. 2 werden die Debatte und die Abstimmung über den Antrag nach Erledigung der Tagesordnung erfolgen.

*****

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.04

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Guten Abend, Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Familienbonus ist angesagt. Ersparen Sie mir bitte, auf die Geschichte dieses Familienbonus einzugehen! Es ist eine wirklich traurige Geschichte. Vor einem Jahr haben Sie die Geburtenbeihilfe mit allerlei Begründungen abgeschafft, warum diese – auch das ist gesagt worden – nicht mehr notwendig und nicht mehr möglich sei, sie weiterhin zu finanzieren.

Inzwischen haben Sie, offensichtlich in gemeinsamer Verantwortung, zu der Sie sonst immer seltener finden, entdeckt, daß es doch möglich ist. Mit einer etwas eigenartigen und seltsamen Umverteilungsphilosophie haben Sie es geschafft, diesen Mutter-Kind-Paß-Bonus wieder zu installieren beziehungsweise neu zu installieren.

Ich nenne das deswegen "seltsame Umverteilungsphilosophie", weil Sie den Familien das Geld wegnehmen – sie müssen sich den Mutter-Kind-Paß-Bonus in Zukunft aus den Familienbeihilfen finanzieren – und weil – was ja kein ganz unerwünschter Nebeneffekt der ganzen Angelegenheit ist – der Minister sogar noch Zinsen bekommt, und zwar nicht wenig, denn bis 1999 werden es 70 Millionen oder sogar 80 Millionen sein, die Sie sich dadurch ersparen und in ein nettes Töpfchen – vielleicht nicht im Familienministerium, sondern beim Finanzministerium – umwidmen können.

Aber das muß man auch deutlich sagen: Die Familien finanzieren mit ihren Familienbeihilfen diesen Bonus und bringen dadurch dem Finanzminister oder dem Familienminister auch noch ein kleines Geschenk in der Höhe von 70 bis 80 Millionen Schilling dar. – Das kann es wohl nicht gewesen sein, meine Damen und Herren!

Wenn Sie den Mutter-Kind-Paß-Bonus ernst nehmen, müssen Sie erkennen, daß er in erster Linie keine familienpolitische, sondern eine gesundheitspolitische Leistung ist. Ich warte schon auf die Debatte in diesem Hohen Haus – wir werden sie vielleicht in einem oder in zwei Jahren führen –, bei der es dann heißen wird, wir müssen alle familienpolitisch fremden Leistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds entfernen, daher müssen wir den Mutter-Kind-Paß-Bonus wieder abschaffen, denn dabei handelt es sich um eine gesundheitspolitische Leistung.

Ich hielte es auch für sinnvoller, ihn nicht über das FLAG oder über den FLAF zu finanzieren, sondern ihn tatsächlich als gesundheitspolitische Leistung einzustufen, aber dann, meine Damen und Herren, hätten Sie Probleme, das zu argumentieren, und zwar deswegen, weil nicht einsehbar ist, daß die Kinder von ausländischen Staatsangehörigen bis zum dritten Aufenthaltsjahr ausgenommen bleiben. Ich weise in diesem Zusammenhang nur darauf hin, daß sie beim Mutter-Kind-Paß bis zum dritten Aufenthaltsjahr und bei der Familienbeihilfe, wenn sie in Österreich sind, bis zum fünften Aufenthaltsjahr ausgenommen sind. – Das müssen Sie einmal jemanden erklären, warum zwei unterschiedliche Grenzen der Aufenthaltsdauer für eine Leistung aus demselben Topf notwendig oder verantwortbar sind!

Das müssen Sie einmal erklären, aber Sie können es nicht erklären, und Sie werden auch, Herr Minister, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, in einen noch größeren Argumentationsnotstand kommen, und zwar deswegen, weil Sie nach wie vor mit der Umsetzung der diesbezüglichen EU-Richtlinien beziehungsweise des Sozialabkommens mit der Türkei säumig sind. Sie sind säumig, Sie haben ganz bewußt Recht verletzt, indem Sie den Kindern ausländischer Staatsangehöriger die Familienbeihilfe vorenthalten.


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Und Sie verletzten jetzt wieder Recht, indem Sie beim Mutter-Kind-Paß-Bonus, ohne eine Begründung zu geben, ausländischen Kindern diese Leistung vorenthalten. Denn es gibt keine familienpolitische Begründung und noch weniger eine gesundheitspolitische Begründung dafür, daß ausländischen Kindern, wenn der Aufenthalt der Eltern nicht länger als drei Jahr währt, diese Leistung vorenthalten wird. Das ist, gelinde gesagt, nicht nur unanständig von Ihnen, sondern das ist auch gesundheitspolitisch unverantwortbar, meine Damen und Herren.

Sie wissen genausogut wie ich: Wenn man bestimmte Gruppen mit diesem Mutter-Kind-Paß-Bonus besonders in den Genuß dieser Leistung bringen will und soll, dann sind es vor allem Risikogruppen, von denen zu erwarten ist, daß sie anders nicht zu diesen Leistungen, zu diesen Untersuchungen kommen. Und da sind es gerade diese Gruppen, die es schwer haben, viel schwerer als österreichische Staatsangehörige, ihre Rechte herauszufinden beziehungsweise zu den entsprechenden medizinischen Vorsorgeuntersuchungen zu kommen.

Das halte ich für unverantwortbar, meine Damen und Herren. Sie machen hier einmal mehr den Fehler, in unverantwortlicher Weise ganz bewußt mit zweierlei Maßstab messen.

Von der Einkommensgrenze, die Sie beim Mutter-Kind-Paß-Bonus eingezogen haben, will ich gar nicht reden. Darüber breiten wir lieber den Mantel des gnädigen Schweigens. Sie wissen genausogut wie ich, meine Damen und Herren, daß das nichts bringt, Sie wissen genausogut wie ich, daß es eine äußerst fadenscheinige Argumentation ist, ab einer bestimmten Einkommenshöhe, die in keiner Relation zur Kinderanzahl oder zu sonstigen Kriterien steht, einfach diesen Deckel einzuziehen.

Aber es ist sinnlos, länger darüber zu reden. Sie haben es sich vorgenommen: Es muß so sein, es soll so sein, es wir wird Bürokratie verursachen und im Endeffekt nichts bringen.

Ich weiß nicht, warum Sie das machen. Das ist mir genauso unerklärlich wie das andere vorher. Sie nehmen es auf Ihre Kappe, aber wir werden – dessen bin ich mir ganz sicher – noch genügend Gelegenheit haben, hier im Plenum oder im Ausschuß darüber zu sprechen. Spätestens dann, wenn Sie mit Klagen von seiten der europäischen Behörden gegen Österreich konfrontiert werden, werden wir zwar nicht über die Einkommensgrenzen, aber über die ausländischen Staatsangehörigen sprechen müssen, und vielleicht wird Ihnen dann das eine oder andere aufgehen.

Meine Damen und Herren! Unsinnig beim Mutter-Kind-Paß-Bonus ist weiters auch die Strafe. Sie haben ursprünglich noch ein Strafausmaß von 5 000 S vorgesehen gehabt, weil Sie das gedankenlos von der Leistung übernommen haben, die es früher bei der Geburtenbeihilfe gegeben hat. Damals betrug die Leistung 15 000 S und die Strafe 5 000 S, die man zusätzlich zur Rückzahlung bezahlen mußte, wenn man diese Leistung mißbräuchlich in Anspruch genommen hatte.

Wenn man die Relationen bei diesem 2000-S-Bonus gleichsetzen würde, dann müßte die Strafe 600 S ausmachen. Ich halte es natürlich für einen Nonsens, eine Strafe in der Höhe von 600 S festzusetzen, wie ich überhaupt diese Strafe für einen Nonsens halte. Darum bringen wir auch einen entsprechenden Abänderungsantrag ein.

Gesetzt den Fall, es hätte jemand Mißbrauch betrieben – mich würden auch die Zahlen derer, die Mißbrauch mit einem Mutter-Kind-Paß-Bonus in der Höhe von 2 000 S betreiben beziehungsweise bei der Geburtenbeihilfe betrieben haben, interessieren; ich vermute, es gibt gar keine Zahlen darüber –, also gesetzt den Fall, es würde wirklich jemand wegen dieser 2 000 S Mißbrauch betreiben, sich mißbräuchlich die Leistung von 2 000 S für zahlreiche Gesundenuntersuchungen erschleichen, würde ich meinen, derjenige ist genug bestraft, wenn er die 2 000 S zurückzahlen muß.

Es macht keinen Sinn, es macht keine Perspektive, dann noch extra eine Strafe in der Höhe von 2 000 S oder, wie Sie es ursprünglich geplant hatten, von 5 000 S zu verlangen. Warum? Weswegen? Mit welcher Perspektive? Welcher pädagogische Effekt soll damit erzielt werden?


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Können Sie mir das verraten? Ich vermute, Sie wissen es selbst nicht! Sie sind einfach dafür, daß gestraft wird, und das verantworten Sie auch.

Wir sind anderer Meinung und bringen deshalb auch einen entsprechenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (462 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (513 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (462 der Beilagen), in der Fassung des Ausschußberichtes (513 der Beilagen), wird wie folgt geändert:

In der Z 2 entfällt § 38h Abs. 1.

§ 38h Abs. 2 und 3 erhalten die Bezeichnung Abs. 1 beziehungsweise. Abs. 2.

*****

Wir bringen ferner einen zweiten Abänderungsantrag ein, der die Gleichstellung der in- und ausländischen Inanspruchnehmer des Mutter-Kind-Paß-Bonus regeln würde und der klarerweise vorsieht, daß sofort beginnend mit dem Aufenthalt hier in Österreich auch ein Anspruch auf die Leistungen aus dem Mutter-Kind-Paß-Bonus entsteht.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (462 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

§ 38e Abs. 2 und 3 Familienlastenausgleichsgesetz werden wie folgt geändert:

In Z 2 werden die Abs. 2 und 3 § 38e geändert und lauten:

"(2) Anspruch auf den Mutter-Kind-Paß-Bonus besteht dann, wenn der das Kind überwiegend betreuende Elternteil zum Stichtag (Abs. 1) im Bundesgebiet einen Wohnsitz hat und wenn sich das Kind ständig im Bundesgebiet aufhält. § 26 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, ist anzuwenden. Hat der überwiegend betreuende Elternteil zum Stichtag (Abs. 1) sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz, ist § 2 Abs. 8 anzuwenden.

(3) Das Kind hat Anspruch auf den Mutter-Kind-Paß-Bonus wenn,

a) es sich ständig im Bundesgebiet aufhält oder zu den im § 26 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung genannten Personen gehört und

b) für das Kind keine andere Person Anspruch auf den Mutter-Kind-Paß-Bonus hat."

*****

Ich denke, das ist eine Klarstellung, die eigentlich selbstverständlich erfolgen sollte. Nach den Diskussionen im Ausschuß befürchte ich aber, daß sie nicht so selbstverständlich von Ihnen


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akzeptiert werden wird. Ich kann Ihnen aber garantieren, daß wir die Sache selbstverständlich weiterverfolgen werden. Wir werden keine Ruhe geben, bis diese Gleichstellung erreicht ist. Denn diese ist vom Gesetz her gefordert. Außerdem macht es keinen Sinn, eine Ungleichstellung vorzunehmen, denn nicht nur, daß uns eigentlich auch das EU-Recht daran hindert, sollte es von den Menschenrechten her eine Selbstverständlichkeit sein, daß denen, die hier bei uns arbeiten und in diesem Land Steuer zahlen, bestimmte Leistungen nicht vorenthalten werden dürfen.

Ich bringe Ihnen einen weiteren Entschließungsantrag zur Kenntnis.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle des FLAG 1967 vorzulegen, in der insbesondere folgende Forderungen berücksichtigt werden:

1. Wie auch in den Stellungnahmen der Frauenministerin, des ÖGB und einigen anderen Organisationen angeregt, sollte endlich die Selbstträgerschaft aufgehoben werden und eine eigenständige Beitragsleistung von Personengruppen, die bisher keine Beiträge leisten (wie unter anderem Selbständige und PolitikerInnen) gesetzlich verankert werden.

2. Die einstimmige Anregung des Familienpolitischen Beirates vom 6. November 1996 sollte aufgegriffen werden. Das bedeutet eine Verdreifachung der nunmehr vorgesehenen Geldleistung, sprich einer Auszahlung in drei Raten à 2 000 S, jeweils bei Geburt, zum ersten und vierten Geburtstag des Kindes.

3. Aus gesellschaftspolitischen Erwägungen sollte der Mutter-Kind-Paß auch Veranstaltungen zur Elternbildung beinhalten. Dies würde nicht nur zu einer Stärkung der elterlichen Kompetenzen beitragen, sondern auch durch die Einbindung der Väter diese stärker in die Familienarbeiten einbeziehen.

*****

Ich denke, ich brauche diesen Antrag nicht mehr zu begründen, ich will in meiner Rede aber noch ganz kurz auf die Forderung nach einem Kinderbetreuungsscheck, die auch im Ausschuß debattiert wurde, eingehen.

Herr Minister! Ich muß Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit sagen – das war mir vor dem Ausschuß nicht in dem Maße klar –: Ich halte es für nicht verträglich – und Sie haben diesbezüglich kein klares Wort im Ausschuß gesagt –, daß Sie die Betreiber dieser Forderung nach einem Betreuungsscheck, nämlich das Institut für Familienforschung, auch noch mit dem Auftrag bedenken, gemäß dem evaluiert werden soll, ob ein solcher Kinderbetreuungsscheck richtig und notwendig ist.

Ich halte das wirklich für nicht vereinbar, ich halte das für falsch, wie ich überhaupt das Konzept – das sage ich ganz offen – des Kinderbetreuungsschecks für falsch halte. Mit der Einführung des Kinderbetreuungsschecks würde man eine klassische Gießkannenmaßnahme in einem Bereich setzen, in dem das überhaupt keinen Sinn macht. Der Kinderbetreuungsscheck bedeutet für den, der ein sehr hohes Einkommen hat, eine zusätzliche Leistung von 4 000 S oder 5 000 S – oder wie hoch auch immer – für Kinderbetreuung.

Erklären Sie mir einmal, Herr Abgeordneter Kampichler, wie Sie diesen Kinderbetreuungsscheck finanzieren wollen! Sie können ihn nur finanzieren, wenn Sie beispielsweise die Leistungen, die der FLAF jetzt für Familienbeihilfen erbringt, streichen. Wenn Sie das nicht ma


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chen, können Sie ihn nur dadurch finanzieren, daß Sie die Zuschüsse für Leistungen, die Gemeinden und Länder für Kinderbetreuung, Kindertagesstätten und Tagesmütter ausgeben, streichen.

Sie würden den Fehler machen – ich bekenne mich dazu, es wäre ein Fehler –, eine neue Variante des Pflegegeldes in den Bereich der familienpolitischen Leistungen einzuführen. Ich hielte das für falsch. Die Konsequenz wäre klar: Die Leistungen der kommunalen Träger und auch jene der privaten Anbieter für Kinderbetreuung würden wesentlich teurer werden, sodaß sie für Menschen mit niedrigem Einkommen wesentlich schwerer erreichbar wären. Das hätte dann den vielleicht nicht ungewollten familienpolitischen Aspekt – ich unterstelle das nicht Ihnen, aber manchen, die diesen Vorschlag bringen –, daß die Frauen tatsächlich zu Hause bleiben müßten, weil sie sich Kinderbetreuung durch eine öffentliche Einrichtung oder eine Tagesmutter nicht mehr leisten können.

Wir kennen es aus der Pflegegelddebatte, was es bedeutet, wenn man auf der einen Seite eine Geldleistung zur Verfügung stellt, auf der anderen Seite jedoch die Betreuungsleistungen verteuert werden: Auf der Strecke bleiben die Menschen mit niedrigem Einkommen. Das kann doch nicht der erwünschte Effekt dessen sein, was Sie als familienpolitische Förderung bezeichnen und wofür Sie hoffentlich auch stehen, Herr Abgeordneter Kampichler. Das kann doch nicht gewünscht sein!

Aber es kann doch auch nicht Ihr Wunsch sein, in Zeiten, in denen man die niedrige Frauenerwerbsquote in Österreich diskutiert, mit einer Maßnahme wie dem Kinderbetreuungsscheck das Zu-Hause-Bleiben der Frau zu begünstigen und zu fördern, weil eine öffentliche Betreuungseinrichtung nicht mehr leistbar ist. Das wäre nämlich der Effekt. Daher ist das eine falsche Maßnahme, es ist eine Gießkannenmaßnahme in einem Bereich, in dem diese Methode sicherlich nicht angebracht ist. Es gibt viel bessere und treffsicherere Maßnahmen, um Kinderbetreuung zu fördern und zu entwickeln, und deshalb lehnen wir Grünen den Kinderbetreuungsscheck entschieden ab. (Beifall bei den Grünen.)

20.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die drei verlesenen Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt mir von Frau Abgeordneter Dr. Mertel vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.21

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren. Frau Dr. Moser! Sie drehen mir den Rücken zu, aber das macht nichts, denn Sie hören mich. Ihre Rede war wirklich von beeindruckender Eleganz. Ich verstehe jedoch – wahrscheinlich komme ich aus dem falschen Bundesland – Ihre kryptische Prosa oder Posse nicht. Wenn Sie in Ihren Akten, Elegien oder Epigonen von Protokollanmerkungen sprechen, dann sind Sie bei mir an der falschen Adresse, denn die "Maßgaben und Protokollanmerkungen" stammen nicht von mir. Ihre Einschätzung meiner Person und meiner Macht, um etwas durchzudrücken, ehrt mich zwar. Ich hätte sie gerne – als Politiker hat man immer ganz gerne Macht –, um etwas zu vervollkommnen und durchzusetzen, aber Ihre Einschätzung ist nicht richtig. Für Protokollanmerkungen ist nämlich Ihr Minister zuständig beziehungsweise meine Ministerin, die nicht da ist; aber das ist auch nicht ihr Thema.

Herr Öllinger! Wenn Sie sagen, daß ich etwas auf meine Kappe nehme, dann gebe ich Ihnen recht. Ich muß hier meinen Kopf hinhalten. Aber für Protokollanmerkungen in irgendeinem Akt, die Frau Dr. Moser erwähnt hat, ist eigentlich Herr Dr. Bartenstein zuständig. Aber nach Mosers Meinung bin natürlich ich zuständig. Das ist die Posse an der ganzen Angelegenheit, die Frau Dr. Moser hier anführt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie, Frau Dr. Moser, Medien zitieren, dann sollten Sie diese auch richtig zitieren. Aber vielleicht verstehen Sie sie nicht, das ist auch möglich. Vielleicht haben Sie aber auch die Stellungnahme der Frauenministerin nicht gelesen! Frauenministerin Dr. Konrad hat sich gegen


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eine soziale Staffelung – das steht ausdrücklich dabei, Sie brauchen den Satz nur zu Ende zu lesen – der Familienbeihilfe ausgesprochen. Frau Hostasch hat sich für die Beibehaltung der Individualbesteuerung ausgesprochen. Nur Frau Mertel bleibt dabei, sie setzt ihre Wünsche durch. – Ich kann Ihnen und auch Herrn Feurstein nur den Rat geben: Wenden Sie sich betreffend Obergrenzen an den Herrn Finanzminister, an die Frauenministerin und vor allem an Ihren Familienminister!

Ziel unsererseits war es, sicherzustellen, daß die Untersuchungsdisziplin gewahrt bleibt und daß durch die Einziehung einer Obergrenze die soziale Treffsicherheit – das ist unser Anliegen – gestärkt wird. Die Einziehung einer Obergrenze brachte mir den Vorwurf ein, daß dadurch die berufstätige Frau benachteiligt werde. Gott sei Dank ist dem aber nicht so! (Beifall bei der SPÖ.)

Einziehung einer Obergrenze: jährlich 429 000 S Partnereinkommen. Das heißt: Der Bonus steht dann nicht mehr zu, wenn das steuerpflichtige Einkommen nach dem Einkommensteuergesetz, § 33 Abs. 1 – also der Betrag nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der steuerfreien Zulagen wie Schmutzzulage, Erschwerniszulage – mehr als 429 000 S beträgt. Die Einziehung dieser Obergrenze bedeutet sicherlich einen Schmerz für Frau Dr. Moser, denn das ist ein Signal, ein Signal zur sozialen Umverteilung. Es wird dies allerdings nicht sehr viele betreffen, denn die Anzahl der Haushalte mit einem Einkommen, das über dieser einfachen Beitragsgrundlage liegt, wird angesichts der durchschnittlichen Einkommen bei jungen Paaren – Medianeinkommen: 19 900 S – kaum sehr groß sein. Zur Beurteilung, ob ein Anspruch besteht oder nicht, wird das Partnereinkommen im Jahr der Geburt des Kindes herangezogen. Und in Anbetracht dessen, daß die Mutter oder der Vater Karenzurlaubsgeld bezieht, ist davon auszugehen, daß das Haushaltseinkommen noch wesentlich geringer sein wird. – Soviel zur Benachteiligung der berufstätigen Frauen.

Frau Dr. Moser spricht von Gratisuntersuchungen, die nicht angenommen werden. – Ich glaube, daß Erwachsene ihre Gesundheit ganz gern vernachlässigen, daß sie aber, was ihre Kinder betrifft, diesbezüglich ein ausgesprochen gutes Bewußtsein entwickelt haben. Es ist nach 20 Jahren des Bestehens des Mutter-Kind-Passes aber auch wirklich zu erwarten, daß das entsprechende Gesundheitsbewußtsein vorhanden ist. Und daß der Vorsorgegedanke gewachsen ist, das wissen wir alle.

Ich möchte darauf hinweisen, daß das Untersuchungsprogramm 800 Millionen Schilling kostet und allen kostenlos zur Verfügung steht. Ich möchte in Erinnerung rufen, auch wenn Frau Haller nicht da ist, daß gerade von den Freiheitlichen dieses Untersuchungsprogramm immer als artfremde Leistung bei der Familienförderung angegriffen worden ist.

Die Auswirkungen der Streichung der Geburtenbeihilfe werden nur angenommen, und auch Sie, Frau Dr. Moser, können das Ausmaß nicht abschätzen. Sie wissen nicht, ob für die österreichischen Eltern überhaupt ein finanzieller Anreiz notwendig ist, Gesundenuntersuchungen bei ihren Kindern vornehmen zu lassen. – Ich gehe davon aus, daß Eltern im Interesse ihrer Kinder das angebotene Untersuchungsprogramm lückenlos annehmen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir wird vorgeworfen, daß so eine Zweiklassengesellschaft geschaffen werde. Wir haben in unserem umfangreichen Förderungssystem viele Einkommensobergrenzen, damit wird aber keine Zweiklassengesellschaft geschaffen! Wir müssen – das wissen Sie als Ex-Familienministerin ganz genau – uns bemühen, die vorhandenen Finanzmittel effizienter als bisher einzusetzen und die Förderungen zielsicherer zu gestalten.

Herr Öllinger! Sie haben uns vorgeworfen, daß vieles nicht administrierbar und nicht kontrollierbar ist. Tatsächlich ist es so, daß stichprobenweise Kontrollen vorgenommen werden sollen. Es war unser Ziel, die Auszahlung und die Kontrolle möglichst unbürokratisch und mit geringstem Aufwand zu gestalten.

In der Vorberatung unserer Beratungen über die Einkommensgrenze wurde uns von Finanzexperten im Beisein der ÖVP ausdrücklich versichert und bestätigt, daß die Vorgangsweise ohne zusätzliche Kosten leicht administrierbar ist. Frau Dr. Moser war dabei, aber wahrschein


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lich hat sie das nicht gehört. Im vorhandenen EDV-System in den Finanzämtern sind die Zahlen leicht zugänglich, sie sind sozusagen auf Knopfdruck abrufbar – sagen die Experten.

Diese Obergrenze – das räume ich ein – macht aus unserer Sicht nur dann Sinn, wenn die verbleibenden 9 Millionen Schilling umverteilt werden. Nach Vorstellung der SPÖ sollten diesen Betrag die Karenzgeldzuschußbezieherinnen bekommen. Sie sollten also ein sogenanntes erhöhtes Karenzgeld bekommen, das heißt, daß sie zusätzlich zu den 2 000 S 1 300 S erhalten hätten. Damit wäre vor allem Alleinerziehenden und Familien mit niedrigem Einkommen, wenn auch geringfügig, aber dennoch geholfen worden, denn der Zuschuß zum Karenzgeld sollte nicht nur Alleinerziehenden, sondern auch Müttern, deren Partner nur ein geringes Einkommen haben, ausbezahlt werden.

Das Argument Mehrkinderfamilien ist gefallen. Auch in dieser Regelung wäre die Mehrkinderfamilie berücksichtigt gewesen, denn beim Karenzgeldzuschuß wird die Mehrkinderfamilie besonders berücksichtigt, für jedes Kind ist nämlich eine Freigrenze von 2 800 S vorgesehen.

Leider – zu meinem Bedauern, das muß ich betonen – wurde dieser Ansatz zu einer echten Umverteilung, dieses Signal in Richtung der Einkommensschwachen vom Koalitionspartner nicht akzeptiert. Aber die SPÖ wird auch weiterhin darauf drängen, daß es bei künftigen Lösungen neben dem Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen auch zu einer wirksamen Umverteilung in Richtung von Alleinerziehenden und zu einer Mehrkinderförderung kommt, wobei auch dabei die Vermögensgrenzen und die verfügbaren Einkommen zu berücksichtigen sein werden.

Die SPÖ wird auch weiterhin darauf drängen, daß die Selbständigen und die Freiberufler zur Finanzierung der Familienpolitik stärker herangezogen werden. Diese erhalten nämlich 16 Prozent der Mittel und tragen zur Finanzierung kaum etwas bei. Das besagt auch die Wifo-Studie von Guger.

Die SPÖ wird sich aber auch weiterhin dafür einsetzen, daß es zu keinen negativen Verteilungseffekten kommt und daß soziale Treffsicherheit, die Erhaltung der Individualbesteuerung und Sachleistungen Eckpfeiler der Familienpolitik bleiben. Es sind daher die Transferleistungen hinsichtlich der gesetzten Ziele zu analysieren und familienpolitische Leistungen primär denjenigen zur Verfügung zu stellen, die sie tatsächlich brauchen.

Und nun zum "Orchideenthema" Kinderbetreuungsscheck, Orchideenthema, wie Herr Klubobmann Khol sagt, das Lieblingsthema des Herrn Klubobmannes Khol, denn hier geht es um die Frauen.

Wenn Herr Öllinger meint, die Finanzierung dieses Kinderbetreuungsschecks bedeute ein Wegnehmen bestimmter anderer Transferleistungen, so stimme ich ihm durchaus zu. Es sollen eingespart werden: Karenzurlaubsgeld, Sondernotstandshilfe, Teilzeitbeihilfe, Betriebshilfe, die Familienzuschüsse der Länder. Auch die Alleinverdienerabsetzbeträge werden in dieser Zeit ruhen, und im "WirtschaftsBlatt" vom 3. 9. konnten Sie nachlesen, auch die Mittel zur Erhaltung und zum Ausbau öffentlicher Kinderbetreuungseinrichtungen. Das würde die Substanz absolut schädigen.

Also was bedeutet "Kinderbetreuungsscheck"? – Wahlfreiheit?– Nein, denn ich kann mich nicht zwischen zwei Dingen entscheiden, weil das eine Ding nicht besteht, nämlich die Kinderbetreuungseinrichtungen.

Alle Mütter und alle Väter werden erfaßt – ohne Rücksicht auf Berufstätigkeit. – Woher kommen die Mittel hiefür, Herr Minister?

Pensions- und sozialrechtliche Absicherung wird vorgegaukelt. Das stimmt nicht! 15 Prozent von dem Scheckbetrag sind selbst zu tragen.

Außerdem werden die Frauen aus der Arbeitswelt ausgegliedert, denn sie finden nach einer bestimmten Zeit – vier oder sechs Jahre, solange sie den Scheck bekommen – kaum den Wiedereinstieg ins Berufsleben.


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Und dann ein Thema, das mich auch brennend interessiert, nämlich jenes der Zwiespältigkeit der ÖVP zu verschiedenen Themen, zu "Orchideenthemen" selbstverständlich. Da ist in der "Kleinen Zeitung" vom 16. November 1996 nachzulesen, daß bei der Abgeordneten Ridi Steibl "die Alarmglocken schrillen". "Zuerst der Reiz, dann das Erwachen", heißt es da. Sie warnt vor dem Kinderbetreuungsscheck und sagt, das darf im Interesse der Frauen nicht sein, obwohl gleichzeitig von der ÖVP, vom Institut für Familienforschung, von Universitätsprofessor Schattovits und von Frau Dr. Widhalm – unter dem Deckmantel der "Wissenschaftlichkeit" einer ÖVP-Politikerin – bereits das Projekt Kinderbetreuungsscheck in Österreich im Gespräch ist und in Kärnten angeblich – aufgrund der Unterlagen von Schattovits und Widhalm – ein Volksbegehren eingeleitet wird. (Bundesminister Dr. Bartenstein : Noch ein Volksbegehren!) – Noch ein Volksbegehren. Wir sind an Volksbegehren gewöhnt: von Frauen bis zur Gentechnik, Kindervolksbegehren und jetzt der Scheck.

Also ich frage mich: Wie ist diese Zwiespalt erklärbar? In der Zeitung sagt Frau Abgeordnete Ridi Steibl nein, im Familienausschuß hat sie geschwiegen, sie hat nur gesagt, wir brauchen eine Studie. – Ich überlasse die Beurteilung dieser Zwiespältigkeit Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. Die Bestimmungen sind bekannt. 2 Minuten maximale Redezeit.

20.33

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin, Frau Kollegin Mertel, hat behauptet, daß bei der Maßnahme des Kinderbetreuungsschecks auch das Karenzgeld eingespart werden würde.

Ich berichtige tatsächlich, daß heute das Modell des freiheitlichen Kinderbetreuungsschecks zur Debatte steht, und in diesem Bereich das Karenzurlaubsgeld nicht eingespart werden wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordnete Koller. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die Restredezeit Ihres Klubs insgesamt beträgt 12 Minuten.

20.34

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist eine traurige Geschichte: Anläßlich der Strukturanpassung wurde die Streichung der Geburtenbeihilfe durchgeführt. Wir waren damals schon dagegen, denn ohne finanzielle Anreize, so haben wir gesagt, wird der Mutter-Kind-Paß nicht angenommen werden. (Abg. Dr. Mertel: Das wissen wir nicht!) Auch der Anreiz bei den vorgeschlagenen 2 000 S erscheint uns zu gering.

Aber nun zur Einkommensobergrenze. Frau Doktor Moser! Sie haben im Ausschuß gesagt, daß 95 bis 98 Prozent diese Obergrenze ohnehin nicht treffen würde. Wozu dann dieser Bürokratieaufwand? – Aber der Überschmäh kommt ja erst. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: Im Ausschuß stellte Frau Dr. Moser mit Frau Dr. Mertel einen Abänderungsantrag bezüglich Einführung einer Obergrenze. Das war am 3. Dezember. Und am 4. Dezember beklagte sich Frau Dr. Moser im Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen, in dem ein Hearing über die Eindämmung der Gesetzesflut stattfand, bitterlich darüber, daß diese Obergrenze eingeführt wurde und daß dieser Bürokratieaufwand mehr koste, als an Einsparung erzielt werde.

Frau Dr. Mertel hat gesagt, Frauenministerin Konrad sei nicht für eine Obergrenze gewesen, aber in der Stellungnahme hat sie sehr wohl begründet: Da die Auszahlung nur für untere Einkommensschichten ein Anreiz wäre und hier medizinische Risikogruppen anzutreffen wären, hat sie beantragt, eine Obergrenze einzuführen.

Ich frage mich: Ist es nur für eine Frau in den untersten Einkommensschichten ein Risiko, ein Kind zu bekommen? (Abg. Mag. Posch: Das hängt von der medizinischen Indikation ab!) Ist es


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für eine Frau in den obersten Einkommensschichten kein Risiko? Ich ersuche Sie, von SPÖ und ÖVP, wie im Ausschuß: Ändern Sie Ihre Meinung! Nehmen Sie Abstand von dieser Obergrenze! Sie bringt nichts, sondern schafft nur mehr Bürokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie selbst haben im Ausschuß zugegeben, das wurde Ihnen vom Koalitionspartner aufgezwungen. Ich ersuche auch – wie meine Kollegin Edith Haller –, die Anregung des Familienpolitischen Beirates, eine Verdreifachung des Mutter-Kind-Paß-Bonus mit 6 000 S zu akzeptieren und diesen Betrag in drei Raten auszuzahlen.

Der Herr Minister hat im Ausschuß gesagt, das sei nicht durchführbar, weil der Staatshaushalt sanierungsbedürftig ist. Dem pflichte ich sicher bei, aber der Staatshaushalt ist nicht sanierungsbedürftig auf Kosten und zu Lasten der Familien. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun zum Kinderbetreuungsscheck. Hier möchte ich nur einen Passus herausnehmen, etwas, das uns immer wieder vorgeworfen wird. Hier getrauen Sie es sich ohnehin nicht zu sagen, aber im Ausschuß haben einige ausgesprochen, was das bedeutet: Frauen zurück an den Herd! Das ist in meinen Augen eine Diskriminierung aller Hausfrauen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hausfrauen sind Frauen, die ja sagen zu Kindern, das sind Frauen, die ihre Kinder selbst erziehen und die Erziehung nicht anderen überlassen, und das sind auch Frauen mit Familiensinn. (Abg. Dr. Mertel: Das ist eine Diskriminierung der berufstätigen Frauen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber berufstätige Frauen erziehen sie auch selber, das mußt du schon zur Kenntnis nehmen! – Abg. Dr. Mertel: Die Frau Dr. Partik-Pablé hat auch ein Kind! Oder? Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden? Sie wissen nichts!)

Ich ersuche Sie von den Regierungsparteien: Ändern Sie Ihre Politik zugunsten der Familie! Sie haben die Familie ausgehöhlt, Sie haben die Familie verkauft und verraten und moralisch demoliert. Das ist Tatsache, das ist bewiesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie von der ÖVP behaupten immer wieder, christliche Werte zu vertreten. Sie haben die Familien wie eine heiße Kartoffel fallengelassen!

Weihnachten und die Jahreswende ist die Zeit der guten Vorsätze. Daher: Ändern Sie Ihre Familienpolitik zugunsten der Familien! Unsere Unterstützung haben Sie. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.39

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Familienabend ist wieder einmal angesagt – nach einem Herrn wieder eine Frau, ich nehme an Familienvater, Familienmutter. Ich weiß nicht, fällt es Ihnen nicht auch auf: Zum wiederholten Male behandeln wir hier die Familie als sogenanntes lästiges Anhängsel nach drei langen Sitzungstagen – als letzten Tagesordnungspunkt. Vor 14 Tagen war es auch schon so. Ich habe hier auch schon um 24 Uhr geredet zur Familie. (Abg. Dr. Mertel: Noch später!) Oder noch später auch. Ja, Frau Vorsitzende, vielleicht helfen Sie einmal, damit das anders wird, damit das Thema Familie, da es doch für alle Parteien hier so wichtig ist, auch zu einer Zeit abgehandelt wird, zu der es auch medial noch irgendwo in Erscheinung treten kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Koller! Ich glaube, was Familie ist, das muß jeder selber wissen, und jeder lebt seine Familie so, wie er es für richtig hält. Ich möchte nicht von diesem Pult aus aufoktroyiert bekommen, wie ich meine Familie zu leben habe. Denn wenn ich Familie richtig leben wollte – meine Kinder sind zwar schon erwachsen –, könnte ich jetzt den Abend mit meinen Kindern verbringen und nicht hier im Haus. (Beifall beim Liberalen Forum, bei Abgeordneten der SPÖ sowie Beifall der Abg. Aumayr. )


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Meine Damen und Herren! Heute wird eine Korrektur vorgenommen, die durch den Wegfall der Geburtenbeihilfe, die im Zuge der Strukturanpassungsgesetze vor nicht allzu langer Zeit von ÖVP und SPÖ hier beschlossen wurde, notwendig geworden ist. Konkret handelt es sich um den Wegfall der Beihilfe zur Mutter-Kind-Paß-Untersuchung.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, auch Herr Kollege Koller, möchte ich festhalten, daß ich es bedauerlich finde, daß es eines finanziellen Anreizes bedarf, damit die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen durchgeführt werden. Ich bin nämlich der Ansicht, daß es im eigenen Interesse liegen sollte, diese unbedingt notwendigen Untersuchungen während der Schwangerschaft beziehungsweise auch in den ersten Lebensjahren des Kindes vornehmen zu lassen, zumal diese Untersuchungen durch unser Versicherungssystem kostenlos angeboten werden. Ich kenne viele Frauen, die so denken wie ich. Es wäre mir nicht einmal im Traum eingefallen, mit meinen Kleinkindern erst zur Untersuchung zu gehen, wenn ich Geld dafür bekomme. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, daß wir unsere Kinder untersuchen lassen, zumal es ja auch kostenlos ist.

Trotzdem, meine Damen und Herren, möchte ich nicht allzu heftig Kritik üben, denn wir haben ja über viele Jahre die Bevölkerung mit diesen Geschenken bedacht, und ich gebe auch zu, daß man sich nicht gerne etwas wegnehmen läßt.

Um aber die hohe Untersuchungsfrequenz ohne Bonus nicht zu gefährden, stimmen wir Liberalen einem neuerlichen Mutter-Kind-Paß-Bonus zu. Dieser Mutter-Kind-Paß-Bonus sieht nach Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes, wenn alle verordneten Untersuchungen für Mutter und Kind durchgeführt werden, einen Bonus in der Höhe von 2 000 S vor.

Auch der in allerletzter Minute im Ausschuß eingebrachten Abänderungsantrag der Abgeordneten Mertel und der Abgeordneten Dr. Moser hat etwas für sich, denn die 2 000 S werden an eine Einkommensgrenze gekoppelt, die mit der Höchstbemessungsgrundlage zusammenfällt. So wird ab Jänner 1997 die Bemessungsgrundlage von 40 800 S erstmals als Familieneinkommen herangezogen. Wir begrüßen diese Vorgangsweise, weil dadurch unseren Forderungen – weg vom Gießkannenprinzip, hin zur echten Bedürftigkeit – wenigstens in diesem Bereich entsprochen wurde und staatliche Beihilfen – in diesem Fall nur ein kleiner Bonus – nicht mehr an alle in gleicher Höhe ausgeschüttet werden. Wir Liberalen glauben, daß dieser Schritt in die richtige Richtung geht, nämlich nicht unabhängig von der jeweiligen Einkommenssituation den Mutter-Kind-Paß-Bonus zu gewähren.

Meine Damen und Herren! Positiv möchte ich es auch bewerten, daß die Ärzte und Ärztinnen für die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen bis 1999 auf eine Erhöhung von Sonderleistungshonorar verzichten. Ich glaube, daß diese Aktion gesundheitspolitische Akzente setzt und der Selbsterantwortung der Eltern durchaus auch neue Wege aufzeigen wird. Für mich steht außer Zweifel, daß Eltern die Gesundheitsvorsorge für ihre Kinder weiterhin in einem hohen Ausmaß wahrnehmen müssen, denn auf Kosten von Kindern und ihrer Gesundheit zu sparen, rächt sich in vielfältiger Weise, und das wollen wir doch sicher alle nicht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Was uns an dieser Regierungsvorlage, mit der das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, nicht gefällt, ist, daß die Menschlichkeit zu kurz kommt. Kollege Öllinger hat es bereits ausgeführt; ich kann mich dem nur anschließen. Nicht nur die Menschlichkeit, sondern auch die Rechtsstaatlichkeit gebietet es, daß sich dieser Bonus der Mutter-Kind-Paß-Untersuchung nicht nur auf Österreicherinnen beschränken darf, vielmehr müssen auch ausländische Frauen, wenn sie sich mit einer rechtmäßigen Aufenthaltsbewilligung in unserem Bundesgebiet aufhalten, in den Genuß des Mutter-Kind-Paß-Bonus’ kommen. Wie auch schon Frau Ministerin Konrad in ihrer Stellungnahme zur Regierungsvorlage festgehalten hat, zählen laut gesundheitspolitischer Literatur gerade in Österreich ansässige Immigrantinnen und deren Kinder zu den sogenannten Risikogruppen im Gesundheitswesen. Wir haben uns für einen halbjährigen ständigen Aufenthalt deshalb entschieden, weil wir nicht wollen, daß vielleicht auch Touristinnen in den Genuß dieser Aktion kommen können, sondern nur ausländische Frauen, die sich mit einer rechtmäßigen Aufenthaltsbewilligung in unserem Bundesgebiet aufhalten. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Ich bringe daher folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Klara Motter und Partnerinnen und Partner betreffend die Regierungsvorlage (462 der Beilagen), mit der das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 433/1996, wie folgt geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichts (513 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 433/1996, wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat hat beschlossen:

1. § 38e Abs. 2 wird wie folgt abgeändert:

§ 38e Abs. 2 letzter Satz: Das Wort "dreijährigen" wird durch das Wort "halbjährigen" ersetzt.

2. § 38e Abs. 3 wird wie folgt geändert:

Lit. a entfällt.

*****

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich kurz auf den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haller und Kollegen betreffend Kinderbetreuungsscheck Bezug nehmen.

Wir Liberalen lehnen diesen Antrag ab, da Betreuungschecks, die immer wieder von der FPÖ gefordert werden, die derzeitige Situation zusätzlich verstärken, Frauen aus dem Arbeitsprozeß auszugliedern, weil es gerade in die Situation paßt. Die Forderung nach einem Kinderbetreuungsscheck ist unausgegoren, benachteiligt Frauen durch das Fehlen von Sozialleistungen im Rentenalter und behindert Frauen beim Wiedereintritt ins Berufsleben.

Für uns Liberale erscheint es deshalb viel sinnvoller zu sein, daß endlich die versprochenen Kinderbetreuungseinrichtungen und die sozialrechtlich abgesicherten Tagesmütter für Kinder von berufstätigen Müttern und Vätern zur Verfügung stehen können.

Wir Liberalen fordern in diesem Zusammenhang auch, daß die Privatinitiativen und kleine Gruppen, welche sehr viel Engagement und Phantasie aufbringen, um möglichst flexible Betreuungsplätze anzubieten, in Zukunft die gleichen Wettbewerbsbedingungen vorfinden wie öffentliche Kindergarteneinrichtungen. Außerdem sollen sozial gestaffelte Beiträge auch in Privatkindergärten ermöglicht werden, denn durch diese Angebote können Frauen selbst entscheiden, wie sie ihr Leben gestalten wollen und können, um nicht durch irgendwelche Zwänge, seien sie ideologisch gefärbt oder gesellschaftspolitisch opportun, zu etwas gezwungen zu werden, was sie selber nicht wollen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

20.48

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Abgeordnete Motter! Auch ich bedauere, daß es offensichtlich leider notwendig ist, für eine so wichtige und


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wertvolle Vorsorgeuntersuchungskette, wie sie der Mutter-Kind-Paß darstellt, ein derartiges Bonussystem einführen zu müssen. Warum? – Weil ich nicht der Meinung der Frau Abgeordneten Mertel sein kann, daß es nicht abschätzbar wäre, ob dann die Untersuchungsdisziplin in Österreich tatsächlich zurückginge. Vor allem hielte ich das für ein viel zu hohes Risiko, weil allein die Daten aus Deutschland, wo man eine vergleichbare Maßnahme hat, für die es niemals irgendein Bonussystem – auch keine Geburtenbeihilfe – gegeben hat, zeigen, daß nur 40 bis 60 Prozent der notwendigen Untersuchungen durchgeführt werden, von Bundesland zu Bundesland verschieden. Ich wäre sehr ungern in die Situation gekommen, nach ein oder zwei Jahren dann vielleicht doch feststellen zu müssen, daß die Untersuchungsdisziplin in Österreich auf 80, 70 oder vielleicht auch noch weniger Prozentpunkte abgesunken wäre.

Daher unsere und meine Überlegung, ein Bonussystem zu schaffen – trotz Sparpaket, jedoch ohne das Sparpaket in irgendeiner Form anzutasten, sondern aufgrund von Umschichtungsmaßnahmen innerhalb des Familienlastenausgleichsfonds –, das, so meine ich, Sinn macht, weil diese Stichtagsumstellung systemkonsistent und verständlich ist und durch einen – das ist schon betont worden –, wie ich meine, bemerkenswerten Honorarverzicht der Ärzte auf die Erhöhungen ihrer Sonderleistungshonorare bis zum Ende dieses Jahrzehnts unterstützt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Haller hat gemeint, es sei ein ähnliches Vergehen meinerseits wie das von jemand anderem heute, über eine Presseaussendung einen Entschließungsantrag quasi ignorieren zu wollen, weil ich einer Anregung des Familienpolitischen Beirates nicht Folge leiste. Frau Abgeordnete Haller! Das sind erhebliche Unterschiede, die da drinnenstecken. Ich schätze zwar die Ratschläge des Familienpolitischen Beirates sehr, ich schätze die Arbeit, die dort geleistet wird, sehr, aber ich kann einfach nicht umhin, zu sagen, daß diese gewünschten 6 000 S, dreimal 2 000 S, Mutter-Kind-Paß-Bonus, schlicht und ergreifend nicht finanzierbar sind und von mir daher nicht umgesetzt werden können. Ich verwahre mich dagegen, daß man hier einen Vorwurf zu konstruieren versucht, der mir eine Unregelmäßigkeit welcher Art auch immer anlastet. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn hier schon mehrfach von der mit der Einführung des Mutter-Kind-Paß-Bonus verbundenen Einkommensobergrenze die Rede war, möchte ich schon klar festhalten: Es war das der ausdrückliche Wunsch von Frau Ministerin Konrad, Frau Abgeordnete Mertel, und ich verstehe nicht, warum die Frau Ministerin jetzt, wie Sie gesagt haben, Schmerz empfinden sollte; Sie haben das wortwörtlich so gesagt. Es war der Wunsch der Frau Ministern Konrad in der Bundesregierung, und dem ist Folge geleistet worden, weil eben Kompromisse zu finden sind.

Ich nehme auch zur Kenntnis, daß die Kontrolle dieser Einkommensobergrenze einfach zu handhaben sein wird und auch keine zusätzlichen Kosten verursachen wird, wie das Finanzministerium uns sagt. Ich nehme das zur Kenntnis. Ich hoffe, daß das tatsächlich so ist, wenn ich auch gewisse Zweifel daran habe. (Abg. Dr. Mertel: Die Frau Dr. Moser weiß mehr!)

Frau Abgeordnete Mertel! Es wirkt natürlich im politischen Meinungsbildungsprozeß nicht gerade vereinfachend, wenn führende Exponentinnen gerade auch Ihrer Fraktion – die Präsidentin der Arbeiterkammer, die Frauenchefin des ÖGB – einige Tage nach der entsprechenden Beschlußfassung sagen, sie wollen diese Einkommensobergrenze nicht. Wenn die Frauenministerin dann sagt, sie sei zwar für diese Einkommensobergrenze, aber gegen die soziale Staffelung insgesamt, dann wird es schwierig, sich zu orientieren, und dann fragt man sich, ob denn diese sehr rasch eingeforderte Einkommensobergrenze wirklich durchdiskutiert und abgesprochen wurde und ob das auch tatsächlich so sein soll.

Aber es hat nun offensichtlich so sein sollen, und nachdem es nur einmal im Jahr die Möglichkeit gibt, diese Finanzierungsumschichtung im Familienlastenausgleichsfonds zu tätigen, stand ich vor der Wahl, entweder diese Einkommensobergrenze zu akzeptieren oder aber dieses Projekt Mutter-Kind-Paß-Bonus ein Jahr verschieben zu müssen. Zweiteres wollte ich nicht und wollten die Kollegen und Kolleginnen meiner Fraktion ebenfalls nicht. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wenn Sie, Frau Abgeordnete Mertel, davon sprechen, daß es der Wunsch Ihrer Fraktion gewesen wäre, nun die eingesparten 9 Millionen Schilling umzuverteilen – Sie haben wortwörtlich von Umverteilung gesprochen –, so sage ich Ihnen: Auch wir haben hier einen Wunsch gehabt, nämlich den sehr logischen Wunsch, diese Einkommensobergrenze entsprechend zu valorisieren, nämlich dann, wenn es sich um Familien mit mehr Kindern handelt, weil dann logischerweise die Einkommensobergrenze, die ja brutto etwa einem Verdienst von 45 000 S pro Monat entspricht, nach oben gesetzt wird, je nachdem, wie viele Kinder in den Familien noch zusätzlich zu den zu Untersuchenden leben. Das haben Sie abgelehnt. Wir konnten da zu keinem Ergebnis kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Letztes noch zum Thema Kinderbetreuungsscheck. Ich meine, daß dieses Thema weniger emotional diskutiert werden sollte. Ich glaube, daß die von mir vorgeschlagene Vorgangsweise – auch auf Anregung des Familienpolitischen Beirates –, eine Evaluierung, eine Machbarkeitsstudie durch renommierte Experten durchführen zu lassen, Sinn macht. Wir wollen das alles in Ruhe überlegen, erarbeiten und durchrechnen, weil natürlich klar ist, daß ein derartiger Kinderbetreuungsscheck einer weitgehenden Systemänderung entspräche und man sich sehr genau überlegen müßte, wie es mit der Finanzierung ausschaut. Ist das machbar? Wie sieht es aus mit der weiteren Erhaltung von unverzichtbaren Kinderbetreuungseinrichtungen? – Ich denke an Tagesmütter, ich denke auch an Kinderkrippen, die natürlich auch in Zukunft nicht gewissermaßen zu Vollkosten auf dem Markt anbietbar sein werden.

In Richtung der Freiheitlichen und zur Kollegin Haller kann ich nur sagen: Das, was Sie sich vorstellen, ist ganz sicher nicht finanzierbar, nämlich Kinderbetreuungsscheck und trotzdem Karenzurlaubs- oder Karenzgeld, wie es in naher Zukunft sinnvollerweise heißen wird. Das geht ganz sicher nicht!

Insgesamt freue ich mich, daß es gelungen ist, diesen Mutter-Kind-Paß-Bonus so kurzfristig und so rasch einzuführen. Ich hoffe, ja ich bin sicher, daß damit die Untersuchungsdisziplin für den Mutter-Kind-Paß weiter in der Gegend von fast 100 Prozent bleibt und damit dieses wichtigste und am besten ausgebaute vorsorgemedizinische Instrument Österreichs an Qualität nicht verlieren wird, seinen Qualitätsstandard also weiter halten können wird.

Ich danke für die Erteilung des Wortes, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP.)

20.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Madl. – Restredezeit Ihres Klubs: 7 Minuten.

20.56

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich glaube nicht, Herr Minister, daß es Ihre Aufgabe ist, sich vor das Plenum zu stellen und zwar Ihren guten Willen zur Leistung für die Familien zu zeigen, sich aber dann zu entschuldigen und zu sagen, Sie hätten ja ganz gern etwas für die Familien getan, aber es sei leider kein Geld da.

Herr Minister! Ihre Aufgabe ist es, in Ihrem Ressort dafür zu sorgen, daß ein Ausgleich für die Familien erfolgt und die Kollegen in den anderen Ministerien ihr Geld so einteilen, daß auch für das Familienministerium genug übrigbleibt. Das ist Ihre Aufgabe, und nicht, von der Regierungsbank aus Ihren guten Willen zu zeigen und dann zu sagen: Leider – es ist kein Geld da. – Es ist sehr wohl Geld da, Herr Minister, aber leider Gottes verschwindet es in Kanälen, die die Familien nie erreichen.

Vor zwei Tagen haben wir hier eine Diskussion unter dem Thema "Armut in Österreich" abgeführt, und ich glaube, alle, die dazu gesprochen haben, waren sich – eigentlich komisch! – darüber einig, daß die Armut in Österreich am meisten die Familien trifft. So gut wie jeder hat festgestellt, daß die Familienarmut eigentlich durch das Sparpaket hervorgerufen wurde. Dieses Thema hat jeder der Redner hier angeschnitten, aber jeder hatte natürlich andere Ideen, die Armut zu beseitigen.


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In diesem Hohen Haus wird Familienpolitik wie eine politische Spielwiese betrieben. Die Familienpolitik wird hier an diesem Pult mißbraucht! Die Familien haben von den Worten, die hier gesprochen werden, absolut nichts – ganz im Gegenteil. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich erinnere nur an den Ausschuß, wo eine Frau Dr. Moser eine Untersuchung als Geschenk für die Mütter hinstellt. Da frage ich Sie: Wer bezahlt denn dieses Geschenk? Wird denn diese Untersuchung nicht von den österreichischen Steuerzahlern finanziert? (Abg. Rosemarie Bauer: Natürlich, so war es auch gemeint! Sie wollen es nicht verstehen!)

So ist es gemeint, aber, Frau Kollegin, man kann sich doch nicht dazu hinreißen lassen, diesen Bonus von 2 000 S als Geschenk hinzustellen. Das ist erwirtschaftetes Geld! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, man muß den Leuten einmal sagen, daß es ihr Steuergeld ist, das dieser Herr Minister zu verteilen hat. Dieses Geld dürfen seine Abgeordnetenkollegen doch nicht als "Geschenk" bezeichnen! Das ist die größte Unverschämtheit, die ich in einem Ausschuß jemals gehört habe.

Aber es wird ja nicht nur hier im Nationalrat die Familienpolitik als Spielwiese betrieben, nein, auch in den Ländern wird die Familienpolitik als Spielwiese mißbraucht, meine Damen und Herren. Da gibt es einen schwarzen Landeshauptmann in Oberösterreich (Rufe bei der ÖVP: Wunderbar!) , der – und jetzt hören Sie ganz genau zu; ich bin sehr gespannt, wie die oberösterreichischen Abgeordneten über den Kinderbetreuungsscheck abstimmen – am 7. November dieses Jahres gesagt hat: Das Ja zum Kind muß etwas wert sein. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. )

Herr Kollege Mühlbachler! Sie sind Oberösterreicher. Hören Sie zu!

Und weiters: "Der Betreuungsscheck gibt Wahlfreiheit. Als Meilenstein in der Familienpolitik sieht der Landeshauptmann den Vorschlag zur Einführung des Betreuungsschecks für Kinder als revolutionär." – Jetzt bin ich gespannt, wie revolutionär Sie sich heute bei der Abstimmung über den Betreuungsscheck, von der Frau Kollegin Haller vorgeschlagen, verhalten! (Abg. Rosemarie Bauer: Darüber ist heute nicht abzustimmen!)

Aber natürlich hat man im Landtag den Vorschlag, den Antrag der Freiheitlichen bezüglich dieses Betreuungsschecks, der ja vom Landeshauptmann eingefordert wurde, wohlweislich niedergestimmt, weil man gesagt hat, das sei schließlich und endlich Bundessache. Heute könnten wir über diese Bundessache abstimmen. Es liegt in Ihrer Hand, meine Damen und Herren speziell aus Oberösterreich, den Betreuungsscheck, den Ihr Landeshauptmann fordert, zum Gesetz werden zu lassen. Aber Sie betrachten das hier wirklich nur als Spielwiese. Wir werden es ja sehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch die SPÖ betreibt die Familienpolitik in Spielwiesenqualität. Der SPÖ-Vorsitzende in Oberösterreich – es sind leider nicht viele oberösterreichische Abgeordnete da –, Fritz Hochmair, bezahlt sogar eine Anzeige in der "Kronen-Zeitung", um seine Vorstellungen von Härtefällen im Familien- und Sozialbereich zu demonstrieren.

",Soziale Gerechtigkeit und Ausgewogenheit müssen vorrangige Ziele unserer Politik sein’, fordert SP-Chef Fritz Hochmair Korrekturen am Sparkurs der Bundesregierung. "Pensionisten, Familien, Klein- und Mittelverdiener dürfen nicht weiter belastet werden." Er sagt, "Null-Lohnrunden" für Pensionisten seien inakzeptabel, denn: "Die Pensionisten haben ihren Beitrag zum Sparpaket ohnedies bereits geleistet, derartige soziale Ungerechtigkeiten müssen ausgemerzt werden." Das sagt Ihr Kollege in Oberösterreich.

Das alles ist schwarz auf weiß in einer bezahlten Anzeige in der "Kronen-Zeitung" zu lesen, meine Damen und Herren! Was sagen Sie dazu, Frau Kollegin Mertel? Ihr Kollege, SPÖ-Vorsitzender von Oberösterreich, zahlt sogar dafür, daß er das in der Zeitung sagen darf! Sie hätte das sonst gar nicht geschrieben, so rot ist die "Kronen-Zeitung" in Oberösterreich. Dafür muß er zahlen. Das ist ja revolutionär! Sie betrachten das wirklich als Spielwiese! (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)


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Darum bringe ich auch einen Antrag in diesem Hohen Haus ein, der diesem Verlangen des Herrn Hochmair in Oberösterreich Rechnung trägt.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Elfriede Madl, Anna Elisabeth Aumayr, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Josef Meisinger, Dr. Alois Pumberger, Dr. Brigitte Povysil und Dr. Michael Krüger betreffend Beseitigung der sozialen Härten des "Sparpakets"

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat entsprechende Gesetzesänderungsvorschläge vorzulegen, die geeignet sind, die in der Stellungnahme des oberösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreters Hochmair angeführten ,sozialen Härten’ des Sparpakets zu korrigieren."

*****

Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Heute haben Sie Gelegenheit, auf Nationalratsebene die von Ihren Parteikollegen in Spielwiesenmanier in den Medien aufgestellten Forderungen wirklich Gesetz werden zu lassen. Ich werde mir ganz genau anschauen, wie Sie von der ÖVP heute im Hinblick auf die Forderungen Ihres Landeshauptmannes Pühringer und Sie von der SPÖ im Hinblick auf die Forderungen Ihres Landeshauptmann-Stellvertreters Hochmair abstimmen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rasinger. Er hat das Wort.

21.04

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Motter hat heute gemeint, daß die Familiendebatte wie üblich als lästiges Anhängsel betrachtet wird. Ich werde versuchen, anläßlich dieses "lästigen Anhängsels" einige Aussagen aus Sicht eines Arztes, der mit dem Mutter-Kind-Paß täglich befaßt ist, zu treffen.

Frau Abgeordnete Madl! Wenn Sie sagen, es bestehe nur guter Wille, mehr sei nicht vorhanden, dann muß ich erwidern, da tun Sie dem Herrn Minister unrecht, denn ich glaube, das, was er auf diesem Gebiet zustande gebracht hat, verdient sehr wohl Lob und Anerkennung. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich werde es Ihnen ganz leise sagen, ich werde nicht schreien, sondern versuchen, Sie zu überzeugen. Der Mutter-Kind-Paß geht auf eine Idee der Frau Ministerin Leodolter zurück und wurde deshalb eingeführt, weil die Säuglingssterblichkeit in Österreich damals 28 Promille betrug, das heißt, bei tausend Geburten starben 28 Kleinstkinder. Damals lagen wir sehr schlecht, heute hingegen liegen wir bei einer Weltklasserate von sechs Todesfällen auf tausend Geburten, und es wäre schön, wenn man diese Anzahl von sechs noch auf fünf oder vier drücken könnte.

Bedenken Sie auch die vielen Behinderungen, die auftreten können und vielleicht nicht auftreten müßten. Viele Krankheiten sind lautlose Killer. Denken Sie an hohen Blutdruck oder an Zuckerkrankheit. Denken Sie aber auch daran, daß viele Mütter dadurch, daß sie unvernünftig handeln, etwa durch Rauchen, ihr Kind schwerstens gefährden.

Meine Erfahrung aus der täglichen Praxis ist folgende: Ein Teil der Mütter sagt: "Selbstverständlich, ich will alles für mein Kind tun. Ich komme." Andere Mütter sagen jedoch: "Warum soll ich beim Arzt warten? Warum soll ich hingehen? Es wird schon nichts geschehen!" Dazu


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vertrete ich den Standpunkt: Wie kommt das Kleinkind dazu, daß es von einer unvernünftigen Mutter potentiell geschädigt wird?

Meine Erfahrung war folgende: Dank des Mutter-Kind-Passes hatten wir eine fast hundertprozentige Erfassung der Mütter. Und Sie können es jetzt bedauern oder nicht: Durch die Geldleistung haben wir meiner Meinung nach die Untersuchungsrate verdoppeln können. Ich glaube, es ist das große Verdienst von Minister Bartenstein, daß er es trotz des notwendigen Sparpakets geschafft hat, Geld – mit Hilfe der Ärzte und durch Umschichtungen – zur Verfügung zu stellen, sodaß wir nicht zu einem Art Großversuch kommen. Denn für mich wäre es ein Großversuch gewesen, wenn man gesagt hätte: Wir warten ein, zwei Jahre, schauen, ob die Säuglingssterblichkeit steigt, und wenn ja, dann schreiten wir ein. – Ich glaube, das wäre unverantwortlich gewesen!

Eine Katastrophe tritt selten ein, aber für den, den sie trifft, ist sie eine maximale Katastrophe, sei es eine Behinderung oder ein Todesfall. Wenn man sich neun Monate lang auf ein Kind freut und dann draufkommt, daß ein Fehler, vielleicht sogar ein überflüssiger Fehler passiert ist, dann hängt einem das oft das ganze Leben nach.

Ich glaube, eine gute Familienpolitik muß, kombiniert mit einer guten Gesundheitspolitik, dafür sorgen, daß vermeidbare Fehler nicht auftreten. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne möchte ich meine Rede schon beenden. Ich möchte Minister Bartenstein noch einmal danken, daß er uns den Mutter-Kind-Paß als Weltklasseinstrument weiterhin erhalten hat! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Brigitte Tegischer. Sie hat das Wort.

21.07

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In meinem Beitrag zur Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes möchte ich nur ganz kurz zu zwei Punkten Stellung nehmen.

Erstens zum Kinderbetreuungsscheck: Viele Bedenken hat meine Kollegin Mertel bereits ausführlich geäußert. Ich möchte darauf eingehen, daß die Kindergartengesetze aller neun Bundesländer den pädagogischen Auftrag von Kindergärten betonen und diese als Erziehungs- und Bildungseinrichtungen definieren. Durch die Bildung von vielen verschiedenen Formen des Zusammenlebens haben sich logischerweise auch die Anforderungen an die Gesellschaft geändert. Die österreichischen Kindergärten sind damit Einrichtungen, die die Kindererziehung wertvoll unterstützen und ergänzen.

Als Sozialarbeiterin möchte ich einen weiteren Grund dafür anführen, warum ich es für bedenklich halte, daß der Kinderbetreuungsscheck eingeführt wird. Ob Eltern ihre Kinder in hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen unterbringen oder nicht, wäre nach der Einführung des Kinderbetreuungsschecks gänzlich den Eltern überlassen. Gerade für sozial schwächere Familien ergibt sich aufgrund ihrer finanziellen Engpässe und ihrer materiellen Not folgendes Problem: Sie stehen vor der Frage, ob sie das Geld aus dem Kinderbetreuungsscheck für den Besuch ihres Kindes in einem Kindergarten ausgeben oder ihre finanzielle Lage insgesamt verbessern sollen. Anders ausgedrückt: Sie werden sich die Frage stellen: Was ist besser für mein Kind: Die existentiellen Grundbedürfnisse der gesamten Familie zu decken oder durch den Kindergartenbesuch dem Kind Hilfe und Unterstützung für seine Entwicklung zu geben?

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch betonen, wie wichtig das Fachpersonal in Kindergärten bei der Setzung von vorbeugenden Maßnahmen gegen Gewaltanwendung und Mißbrauch an Kindern ist. Bitte vergessen Sie das nicht! Diese Möglichkeit sehe ich gefährdet, wenn Eltern ihre Kinder überhaupt nicht mehr in Kinderbetreuungseinrichtungen geben. Gerade solchen Familien müssen wir helfen, ihre Situation zu verbessern, indem wir Kinderbetreuungseinrichtungen verbessern und ausbauen.


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Einige Bemerkungen noch zum Mutter-Kind-Paß. Er ist ein Instrument, damit man rechtzeitig Entwicklungsmängel und Probleme bei Kleinstkindern erkennen kann. Im Rahmen der Mutter-Kind-Paß-Vorsorgeuntersuchungen werden Kinder, bei denen zum Beispiel kurz nach dem Zeitpunkt ihrer Geburt mit Schwierigkeiten zu rechnen ist, mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet und möglichst früh mit gezielten medizinischen und therapeutischen Maßnahmen versorgt.

Für mich als Kinder- und Jugendsprecherin der SPÖ ist die neue Regelung im Zusammenhang mit dem Mutter-Kind-Paß-Bonus nur ein Teilerfolg. Ich erachte es als notwendig, daß bei den Kindern auch in der Zeit nach dem zweiten Lebensjahr, möglichst bis zum Schulbeginn regelmäßige Untersuchungen durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang sehe ich leider die Gefahr, daß die Motivation für die Eltern, diese Untersuchungen durchzuführen lassen, in Zukunft nur mehr eingeschränkt vorhanden sein wird.

Ich bin schon am Ende meiner Ausführungen, nehme aber noch die Möglichkeit wahr, Ihnen allen hier im Hohen Haus trotz dieser schwierigen drei Tage und der heute etwas frostigen Stimmung ein frohes Weihnachtsfest und für das neue Jahr Glück, Zufriedenheit und vor allem Gesundheit zu wünschen! Das können wir alle brauchen! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Kier. Ich erteile es ihm.

21.11

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte hat gezeigt, daß die Hoffnung, daß die Streichung der Geburtenbeihilfe im Zusammenhang mit dem Mutter-Kind-Paß ein erster Schritt dazu war, dem Gedanken einer sozial gestaffelten Zuwendung näherzutreten zu können, eher trügerisch ist. Offenbar war das nur ein relativ unfreiwilliger Kompromiß auf einer Seite. Aber immerhin kann man vielleicht auf die normative Kraft des Praktischen setzen, denn es kann vielleicht die Angst unseren konservativen Kolleginnen und Kollegen jetzt abgebaut werden, daß die Familienpolitik zusammenbricht, wenn es auch einkommensabhängige Elemente gibt.

Daher mein Ceterum censeo auch in der heutigen Debatte: Es wird notwendig und sinnvoll sein, uns gemeinsam zu überlegen, wie wir die soziale Treffsicherheit dessen, was wir Familienbeihilfe nennen, verbessern. Denn das, was im Zusammenhang mit dem Mutter-Kind-Paß jetzt gemacht wird, ist zwar ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – meine Kollegin Motter hat das schon ausgeführt –, aber die Treffsicherheit im eigentlichen Sinn wurde natürlich nicht verbessert.

Einige Redner haben relativiert, was meine Kollegin Klara Motter gesagt hat, nämlich daß es eigentlich schade ist, daß wir so etwas als Anreizsetzung brauchen. Ich weiß, daß wir es brauchen, auch Klara Motter weiß das, und Herr Kollege Rasinger hat das auch betont, und solange wir solche finanzielle Anreize brauchen, um Eltern dazu zu bewegen, das zu tun, was wir eigentlich als selbstverständlich von ihnen erwarten müßten, haben wir noch viel Arbeit zu leisten im Bereich der Familienpolitik. Das, was manche hier quasi heiligsprechend formuliert haben, entspricht leider nicht überall dem Befund. Dort, wo Familien gut funktionieren, gibt es kein politisches Problem, die Politik ist jedoch dort gefordert, wo sie nicht funktionieren. Daher haben wir noch viel Aufholarbeit zu leisten. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Er hat das Wort.

21.14

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Familie ist die Keimzelle des Staates, die kleinste Einheit, in welcher die nachfolgende Generation herangebildet und ihr Werte vermittelt werden, die für den Fortbestand unseres Landes unerläßlich sind. Der Staat ist für vieles verantwortlich und kann in


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vielen Bereichen positiv eingreifen, aber er ist nicht in der Lage, den Kindern eine intakte Familie zu ersetzen.

Die Forderungen nach möglichst viel außerfamiliärer Kleinkinderbetreuung ist wichtig und hat unter dem Aspekt der Wahlfreiheit der Eltern auf Arbeit ihre Berechtigung. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, daß auch dem Kind die beste Möglichkeit der Entwicklung geboten werden sollte. Untersuchungen zeigen, daß es gerade in den ersten Jahren besonders wichtig ist, daß das Baby eine Bezugsperson hat und nicht zwischen allen möglichen Verwandten und staatlichen Institutionen hin- und hergeschoben wird.

Aus diesen Überlegungen wird deutlich, daß der Staat größtes Interesse an stabilen Partnerschaften und Familien haben muß, damit nicht zuletzt auch die Kinderfreudigkeit wieder wächst. Im Gegensatz zum weltweiten Bevölkerungswachstum nimmt in Österreich die Geburtenrate stetig ab, was nicht gerade gute Zukunftsaussichten für unser Land bedeutet. Ich verweise nur am Rande auf die daraus resultierenden Probleme unseres Pensionssystems.

Es ist auch bekannt, daß sämtliche staatliche Familienförderungs- und Geburtensteigerungsprogramme keine unmittelbare Auswirkung auf die Geburtenzahlen haben müssen, man kann aber mit materieller Unterstützung der Familien, insbesondere der Familie mit mehreren Kindern, dazu beitragen, daß Kinder zu haben nicht gleichbedeutend sein muß mit einem Absinken des Lebensstandards.

In diesem Zusammenhang möchte ich, da von der rechten Seite von mir aus gesehen die Errungenschaften, die es in unserem Land für Familienförderung gibt, schlechtgemacht wurden, betonen, daß wir Österreicher uns mit unserer Familienförderung nicht zu verstecken brauchen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wir haben überhaupt nichts schlechtgemacht!) Unsere direkten Unterstützungen liegen mit 14,2 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens eines Industriearbeiters im internationalen Vergleich im Spitzenfeld. (Abg. Mag. Stadler: Die Vorarlberger ÖVP sagt, daß das zuwenig ist!) Nur Belgien zahlt in diesem Bereich mehr. Allerdings liegen wir bei der steuerlichen Berücksichtigung der Familie am Ende der europäischen Statistik. Hier ist bei der nächsten Steuerreform Handlungsbedarf gegeben, vor allem im Hinblick auf das steuerfreie Existenzminimum aller Familienmitglieder. (Beifall bei der ÖVP.) Wenn man Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zusammenrechnet, bekommt in Österreich ein Alleinverdiener mit zwei Kindern nur um zirka 17 Prozent mehr ausbezahlt als ein kinderloser Alleinstehender.

Es freut mich ganz besonders, Herr Bundesminister, daß es dir durch Umschichtung innerhalb der Familiengelder wieder gelungen ist, einen positiven Anreiz zu schaffen, indem für die Untersuchung nach dem Mutter-Kind-Paß ein Bonus eingeführt wird. Dieses bewährte System hat wesentlich dazu beigetragen, daß die Säuglingssterblichkeit auf ein Minimum von wenigen Promillen reduziert wurde.

An dieser Stelle sei auch der Ärzteschaft gedankt, die im Bereich dieser Untersuchungen in den nächsten Jahren auf eine Evaluierung ihrer Honorare verzichten wird.

Für mich ist die von der SPÖ durchgesetzte Einführung einer Einkommensobergrenze in Form der Höchstbemessungsgrundlage für Familien, deren Einkommen darüber liegt, ganz unverständlich. Die davon betroffenen Familien bekommen keinen Mutter-Kind-Paß-Bonus. Hierbei werden abermals Familien mit mehreren Kindern stark benachteiligt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Leider!)

Da jedoch diese Novelle für zirka 90 Prozent der in Frage kommenden Familien und Alleinerziehenden eine Verbesserung bringt, bedanke ich mich nochmals bei dir, Herr Bundesminister, für diese Initiative. Wir stimmen dieser Vorlage zu. (Beifall bei der ÖVP.)


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21.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Gabriele Binder.

21.20

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ellmauer! Es handelt sich jetzt nicht um die Entscheidung der Frauen, entweder Kinder und Familie oder einen Beruf zu haben, sondern es geht für die Frauen darum, Kinder, Familie und Beruf vereinen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum zweiten: Wenn sie sich beklagen, daß wir hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung der Familie an letzter Stelle in Europa liegen, dann muß man andererseits doch sehen, daß Transferleistungen und Sachleistungen in Österreich sehr umfangreich und ein wesentlicher Beitrag für unsere Familien sind.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, ein paar Gedanken zum Betreuungsscheck zu formulieren, der heute ebenfalls diskutiert wird. Ich gestehe: Im ersten Moment klingt all das ganz gut und interessant, vor allem weil auf diese Weise Wahlfreiheit ermöglicht wird. Nach der zweiten Betrachtung muß man allerdings bereits einige kritische Anmerkungen machen. Vor allen Dingen muß man sich fragen – und das ist mir sehr wichtig –: Welches Ziel möchte ich damit erreichen?

Es ist heute schon gesagt worden, und auch ich glaube, daß auf diese Weise ideologische Schwerpunkte und erwünschte gesellschaftspolitische Veränderungen zum Teil mit dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit verhüllt werden. Manche Dinge, mit denen man Veränderungen herbeiführen möchte, kommen dann aber doch zum Vorschein.

Ich meine, man muß bei dem Kinderbetreuungsscheck einiges klarer definieren: Was beabsichtigen wir damit? Was kostet das? Wie setzen wir das um? Wie schauen Pro und Kontra aus?

Einige Anmerkungen zu diesem Kinderbetreuungsscheck: Die Nachfrage soll angeblich das Angebot bei den Betreuungseinrichtungen regeln. Wird der freie Markt den Bedarf abdecken oder sind doch Förderungen ausschlaggebend für die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen? Die Länder und Gemeinden sind sehr großzügig mit ihren Förderungen von Kinderbetreuungseinrichtungen. Ich glaube, daß wir, wenn sich die öffentliche Hand von dieser Verantwortung verabschiedet, den Kindern und deren Eltern keinen guten Dienst erweisen.

Eine weitere Frage betrifft die Qualität. Wie steht es – wie in vielen anderen Dingen natürlich auch – mit der Qualitätssicherung? Kommt es dann zu einer unterschiedlichen Betreuung unserer Kinder, weil diese ja davon abhängig ist, ob man sich entsprechend qualifizierte Einrichtungen leisten kann oder nicht.

Eine weitere Frage betrifft die Kontrolle: Wie wird die Ausbildung der betreuenden Personen kontrolliert? Wie werden die Rahmenbedingungen kontrolliert? Inhaltliche Kontrollen fehlen bei diesem Betreuungsscheck.

Außerdem: Wie schaut es mit der tatsächlichen Kostenwahrheit aus? Kann man sich, wenn man mehrere Kinder hat, eine Betreuungseinrichtung überhaupt leisten?

Meine Damen und Herren! Soll der Betreuungsscheck einen Anreiz dafür bieten, daß die Frauen oder die betreuenden Personen zu Hause bleiben? Es besteht vor allem keine Gewähr, daß diese Mittel auch wirklich für die Betreuung der Kinder verwendet werden. Es wird in diesem Zusammenhang immer wieder damit argumentiert, daß auch das Pflegegeld eine Geldleistung ist. Aber wir wissen, daß gerade beim Pflegegeld die Treffsicherheit nicht immer gegeben ist beziehungsweise erreicht wird.

Meine Damen und Herren! Es gibt viele gute Gründe für die Bereitstellung von öffentlichen Betreuungseinrichtungen. Nur mit ihnen kann Regelmäßigkeit, Stabilität und Verläßlichkeit gewährleistet werden. Ein besonders wichtiges Argument für öffentliche Einrichtungen ist auch die Tatsache, daß qualifiziertes Personal für die Kinder zur Verfügung steht. Die Kinder erfahren dort ihre ersten Gruppenerlebnisse, werden in ihrem Sozialverhalten gefördert und erhalten eine Vorbereitung auf die Schule.


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Noch eine sehr wichtige Frage: Wie schaut es beim Betreuungsscheck in bezug auf jene Kinder aus, die besondere Bedürfnisse haben? Wie werden entsprechende Förderungsmaßnahmen, die so notwendig und wichtig sind für diese Kinder, gewährleistet, wenn diese nicht mehr von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden?

Und was nützt letztendlich ein Scheck, wenn er nicht eingelöst werden kann?

Das sind viele unbeantwortete Fragen. Ich bin überzeugt davon, daß der Teufel tatsächlich im Detail steckt.

Mein Damen und Herren! Ziel soll und muß es sein, Beruf und Familie vereinbaren zu können, Kinder, Familie und Beruf sollten keinen Gegensatz darstellen, und niemand sollte jemand anderem vorschrieben, wie er sein Leben oder sie ihr Leben gestaltet. Ziel soll die Qualität sein. Wir sollten nicht zwischen gut und böse unterscheiden wie in vielen anderen Fragen auch, das steht uns nicht zu. Es geht vielmehr darum, daß sich Kinder wohl fühlen, und Kinder, die sich wohl fühlen, haben auch Mütter und Väter, die sich wohl fühlen, denen es gut geht. (Beifall bei der SPÖ.)

21.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. Er hat das Wort.

21.25

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist nicht nur aus familienpolitischen, sondern auch aus bevölkerungs- und einkommenspolitischen Gründen sinnvoll, die Familien, vor allem, wie ich meine, jene Familien mit geringeren Einkommen stärker als bisher zu fördern. In diesem Punkt unterscheiden wir uns deutlich von der Haltung der ÖVP, die anscheinend nur dem Großkapital das Wort reden will. (Widerspruch bei der ÖVP.)

Der vorliegende Entwurf, der eine neuerliche Verbindung der Teilnahme am Mutter-Kind-Paß-Untersuchungsprogramm mit einer Geldleistung schafft, ist daher zu begrüßen, zumal es auch gelungen ist, mit der Einführung einer Deckelung die Förderung auch sozial zu staffeln, eine Deckelung, gegen die sich die ÖVP bis zum Schluß massivst gewehrt hat. Ich glaube, auch die Sozialkomponente hätte noch stärker in den Vordergrund gestellt werden können, was letztlich wiederum am Widerstand der ÖVP gescheitert ist.

Die Frauenchefin der ÖVP, Frau Rosemarie Bauer, hat in einer Presseaussendung beklagt, daß es etwa 5 Prozent der Neugeborenen der SPÖ zu verdanken haben, daß ihre Eltern nun keinen finanziellen Anreiz für die Mutter-Kind-Paß-Untersuchung bekommen. Frau Rosemarie Bauer! Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß Sie diese Aussage ernst nehmen! Glauben Sie wirklich, daß bei jenen 5 Prozent der Eltern, die im obersten Einkommensbereich leben, der Betrag von 2 000 S ausschlaggebend ist, daß sie die Vorsorgeuntersuchung zum Wohle der werdenden Mütter und zum Wohle des Kindes in Anspruch nehmen?

Hohes Haus! Viel diskutiert wurde heute der Antrag von Frau Abgeordneter Haller über den Kinderbetreuungsscheck. Dieser Kinderbetreuungsscheck stellt nichts anderes als ein Erziehungsgeld dar. Und wenn Frau Abgeordnete Haller davon spricht, daß dadurch eine Vielzahl von privaten Initiativen entsteht, dann muß man sich aber auch im klaren darüber sein, daß damit nicht automatisch die Qualität der Kinderbetreuungseinrichtungen garantiert ist, denn nur ausgebildete und qualifizierte Kindergärtnerinnen können diese Qualität garantieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Anscheinend möchten die Freiheitlichen die Gemeinden bei der Errichtung der Kinderbetreuungseinrichtungen, vor allem aber auch die vielen berufstätigen Frauen, die diese Einrichtungen in Anspruch nehmen müssen, ihrem Schicksal überlassen. Für uns Sozialdemokraten jedoch hat der flächendeckende Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen erste Priorität. Wir sind nicht dafür zu haben, ein neues System einzuführen, mit dem diese Grundbedürfnisse in Frage


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gestellt werden. Daher wird der Kinderbetreuungsscheck von uns auch entschieden abgelehnt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leikam: Jawohl! Bravo!)

21.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Ludmilla Parfuss. Ich erteile es ihr. (Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.)

21.28

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich habe die Zurufe gehört. Ich werde mich ganz kurz fassen.

Faktum ist, daß das österreichische System der Familienförderung im internationalen Vergleich großzügig ist. (Abg. Leikam: Jawohl!) Innerhalb der OECD- Staaten liegt Österreich – darauf können wir stolz sein – nach Island und Luxemburg an dritter Stelle. (Beifall bei der SPÖ, der Abg. Tichy-Schreder sowie des Abg. Dr. Stummvoll. )

Über 10 Prozent des Volkseinkommens, das sind mehr als 200 Milliarden Schilling, fließen in Maßnahmen der österreichischen Familienpolitik. Dazu zählen außer den direkten Geldzahlungen und Leistungen auch andere Leistungen wie zum Beispiel kostenloser Zugang zur Bildung, Stipendien, Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei den Pensionen und kostenlose Mitversicherung für Familienmitglieder.

Faktum ist aber auch, daß trotz guter Familienförderung junge Familien in Österreich, besonders wenn Kinder da sind, sehr gut haushalten müssen, damit sie finanziell über die Runden kommen, zumal es auf dem Arbeitsmarkt jetzt immer enger wird, dieser aber auch immer fordernder wird, was die Verfügbarkeit von Arbeitnehmern betrifft. Lohneinkommen – das haben wir in diesem Haus gehört – ist lebensstandardsichernd.

Der Mutter-Kind-Paß ist in den siebziger Jahren von den Sozialdemokraten eingeführt worden, um präventive Gesundheitsvorsorge zu leisten und sehr früh etwaige Mängel festzustellen. Durch den finanziellen Anreiz – wir wissen es – haben Mütter fast zu 100 Prozent die vorgeschlagenen Untersuchungen in Anspruch genommen. Die Geburtenbeihilfe von 15 000 S, die in Etappen ausbezahlt worden ist, hat diesen hohen Untersuchungseffekt bewirkt.

Nach Rücknahme dieser Zahlung befürchtet man nun eine Abnahme der Untersuchungsfrequenz, und zwar vermutlich zu Recht, Herr Bundesminister, da in Deutschland, wo es ebenfalls einen kostenlosen Eltern-Kind-Paß gibt, nur 40 bis 60 Prozent davon Gebrauch machen.

Der Bonus von 2 000 S, der nunmehr für fünf Untersuchungen ausbezahlt wird, ist nicht die Welt – das muß man offen aussprechen –, allerdings glaube ich, daß auch dieser Betrag für diejenigen, die wenig verdienen, zumindest einen Anreiz bieten wird. Wir Sozialdemokraten wollten für diese Personengruppe von dem auf der anderen Seite eingesparten Geld einen höheren Betrag ausbezahlen. Das wurde allerdings abgelehnt. Dieses Geld wandert jetzt in den FLAF-Topf.

Daß die Obergrenze grotesk ist, Frau Haller, das möchte ich bestreiten, denn der Unterschied zwischen einem Einkommen von 10 000 S und einem solchen von 50 000 S ist immens.

Der Freitag, der 13. Dezember, geschätzte Damen und Herren, wird mir in Erinnerung bleiben als der Tag, an dem die ÖVP verspätet den "Koalitionskrampus" aufgeführt hat, und die Frau Dr. Moser hatte dabei eine tragende Rolle. Hoffentlich war das der Epilog, um in ihrer Sprache zu bleiben, und es bleiben uns nächste Akte erspart. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Liegen weitere Wortmeldungen vor? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort von seiten eines Berichterstatters ist nicht gewünscht worden.


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53. Sitzung / Seite 190

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Ausschußanträge getrennt vorgenommen werden. – Ich darf herzlich bitten, die Plätze einzunehmen.

Als erstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 513 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen Abänderungsanträge eingebracht.

Auch Frau Abgeordnete Motter hat einen Abänderungsantrag eingebracht.

Abgeordnete Haller hat einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Haller und Genossen das Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatzantrag beziehungsweise von den Abänderungsanträgen und dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile, dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen. In diesem Sinne gehen wir jetzt vor.

Die Abgeordneten Haller und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Z 1 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Zusatzantrag aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Damit erübrigt sich auch eine Abstimmung über die beantragte Änderung der Ziffernbezeichnung der im Ausschußbericht enthaltenen Z 1.

Als nächstes lasse ich über die Z 2 § 38d Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig so beschlossen.

Die Abgeordneten Öllinger und Fraktion haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Z 2 § 38e Abs. 2 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Motter und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Z 2 § 38e Abs. 2 letzter Satz eingebracht.

Auch hier bitte ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Ich stelle fest, es ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Z 2 § 38e Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Weiters hat Abgeordneter Öllinger einen Abänderungsantrag betreffend Z 2 § 38e Abs. 3 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen.– Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Weiters hat Frau Abgeordnete Motter einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der lit. a in Z 2 § 38e Abs. 3 zum Inhalt hat.


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53. Sitzung / Seite 191

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag Motter sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle auch hier fest, das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über Z 2 § 38e Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß dies mit Mehrheit beschlossen wurde.

Abgeordneter Öllinger hat die Streichung des Abs. 1 in Z 2 § 38h beantragt.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Es erübrigt sich damit auch eine Abstimmung über die beantragte Änderung der Absatzbezeichnungen in § 38h.

Ich lasse nunmehr über Z 2 § 38h Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, daß dies mit Mehrheit beschlossen wurde.

Die Frau Abgeordnete Haller hat einen Abänderungsantrag betreffend Z 6 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag Haller zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Ich lasse sogleich über die Z 6 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Z 6 in der Fassung des Ausschußberichtes zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir stimmen nun ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen ersuchen. – Das ist mit Mehrheit in dritter Lesung angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Haller betreffen Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag Haller zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Nunmehr stimmen wir ab über den Entschließungsantrag des Kollegen Öllinger betreffend Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Öllinger zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und ist daher abgelehnt.


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53. Sitzung / Seite 192

Der nächste Entschließungsantrag stammt von der Frau Abgeordneten Madl und betrifft die Beseitigung der sozialen Härten des Sparpakets.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag Madl zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Nunmehr stimmen wir ab über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht in 514 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Kenntnisnahme ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Wir stimmen sogleich ab über den Antrag des Familienausschusses, auch seinen Bericht 515 samt Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß dies mit Mehrheit beschlossen wurde.

Damit ist die Tagesordnung dieser Sitzung erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 348/A (E) der Abgeordneten Anschober betreffend Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit auf den heimischen Straßen eine Frist bis zum 15. April 1997 zu setzen.

Hiezu wurde eine Debatte zwar beantragt, aber sie war aufgrund der Geschäftsordnung nicht möglich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächstes in dieser Sitzung – denn wir haben dann im Anschluß daran noch eine Zuweisungssitzung – gelangen wir zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortlichkeit des Innenministers im Zusammenhang mit dem jüngsten Briefbombenanschlag.

Dieser Antrag ist inzwischen an alle Mitglieder des Hauses verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

"Zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung des Bundesministers für Inneres in Zusammenhang mit dem Briefbombenanschlag vom 9. 12. 1996, insbesondere im Lichte der in den Medien erhobenen Verdachtselemente hinsichtlich einer Urheberschaft für einen ,Bekennerbrief’ aus den Reihen der Staatspolizei beziehungsweise des Innenministeriums selbst, wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt elf Abgeordneten im Verhältnis 4 SPÖ: 4 ÖVP: 3 FPÖ: 1 Grüne: 1 LIF besteht."


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Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. i. V. m. § 57a und b GOG die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Der Antragsteller oder Begründer hat eine Redezeit von 10 Minuten. Es ist dies Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Ich erteile ihm das Wort.

21.41

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Vor drei Jahren ist Österreich zum ersten Mal durch eine Briefbombenserie erschüttert worden. Seit drei Jahren ist die Polizei – und damit der Innenminister – notorisch erfolglos bei der Aufklärung dieser Bombenattentate, die seit dem Jahre 1993 nicht nur Verletzte, sondern auch Tote gefordert haben.

Es hat ein hoher Beamter des Innenministeriums den Unmut auf sich gezogen, als er zum ersten Mal öffentlich erklärt hat, daß man monatelang in der falschen Etage ermittelt hat. Nunmehr stellt sich laut Berichten in Tageszeitungen und Zeitschriften heraus, daß man nicht nur in der falschen Etage ermittelt hat, sondern überhaupt die Öffentlichkeit nahezu ein Jahr lang mit einem falschen Täterprofil und mit der falschen Annahme über die Täterschaft zum Narren gehalten hat, während in der ersten Phase die Briefbomben und auch der Bombenschlag von Klagenfurt und jener von Oberwart überhaupt nur dazu dienen sollten, die Freiheitlichen an den Pranger zu stellen, was politisch gewünschtes Ergebnis der ganzen Debatte war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Gipfelpunkt der jüngsten Entwicklung ist, daß die Bekennerbriefschreiber augenscheinlich selber im Ministerium des Herrn Ministers Einem sitzen. Seit Mittwoch berichten jedenfalls ein Magazin und auch eine Tageszeitung sehr ausführlich darüber, daß es im Ministerium jemanden gibt, der zufällig zeitgleich mit der jüngsten Briefbombe ein Bekennerschreiben, das in Aufmachung und Diktion an die bisherigen Bekennerschreiben erinnert, an ein Nachrichtenmagazin gesandt hat.

Meine Damen und Herren! Zum ersten Mal wird mit diesem Bekennerschreiben vom 1. 12. 1996 deutlich, daß im Ministerium offensichtlich Dinge passieren, die diesem Parlament nicht mehr gleichgültig sein können (Beifall bei den Freiheitlichen), daß ein Minister dieses Landes sein Ministerium nicht nur nicht in der Hand hat, sondern daß es in diesem Ministerium Vorkommnisse gibt, die allein schon mit der eigenartigen Zusammensetzung des unmittelbaren Kabinetts dieses Ministers zu tun haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben immer ein Problem darin gesehen, daß der Herr Minister einen Versorgungsposten für den am linken Flügel der SPÖ angesiedelten SJ-Chef Delfs schaffen mußte. Wir haben immer ein Problem darin gesehen, daß der Herr Minister eine Angehörige der ehemaligen Hausbesetzerszene in sein Kabinett aufgenommen hat. Meine Damen und Herren, wir haben immer ein Problem darin gesehen, daß im Kabinett des Innenministers ein Mann sitzt, der früher im Hungerstreik Solidarität mit der Baader-Meinhof-Gruppe bekannt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber der Gipfelpunkt ist es wohl, wenn dieser Minister einen Mann in seinem Kabinett sitzen hat, dessen Gattin Bekennerschreiben verfaßt und sie dann an Nachrichtenmagazine schickt, und das zufällig zeitgleich mit der neuerlichen Zusendung von Briefbomben in diesem Lande!

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das kann einem Parlament nicht mehr egal sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist Faktum, das läßt sich nachzuvollziehen. Das ist der Öffentlichkeit nicht egal, und das kann auch dem Parlament nicht mehr egal sein. So ein Minister und sein Ministerium sind jedenfalls zu untersuchen.

Meine Damen und Herren! Nicht nur diese eigenartigen Vorgänge erfordern einen Untersuchungsausschuß, sondern auch die Tatsache, daß das just zu jenem Zeitpunkt stattfindet, da im


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Innenministerium Bekennerschreiben verfaßt und verschickt werden, da Briefbomben zugestellt werden, retourniert werden und dann Gott sei Dank entschärft werden können – wenngleich auch die Entschärfung, so wie sie erfolgt ist, auch ein Problem darstellt – und sich der Herr Purtscheller, von dem wir alle glauben, er sitzt im Exil im Mexiko – wie uns der Herr Außenminister mitgeteilt hat –, geheim wieder in Österreich aufhält. Ein Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes hat nämlich vor wenigen Tagen in Bozen erklärt, Herr Purtscheller sei in Österreich, er halte sich an einem geheimen Ort auf dem Lande in Niederösterreich auf. – Und bums! Es wird wieder eine Briefbombe zugestellt.

Meine Damen und Herren! Wenn das noch Zufälle sind, wenn Sie das noch für Zufälle halten (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) , dann werden Sie irgendwann einmal der Öffentlichkeit erklären müssen, wieso Sie – insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei – diesem Minister so lange die Mauer gemacht haben (Beifall bei den Freiheitlichen), einem Minister, der vor wenigen Tagen zugeben mußte, daß er nicht nur den Herrn Thaler gekannt hat, daß er nicht nur den Herrn Konicek kannte, daß er nicht nur den Herrn Prader dafür einspannen wollte, daß er ihm einen Ersatztäter für die Öffentlichkeit organisiert, nein, den Herrn Purtscheller kennt er auch aus der Szene, wie er uns mitgeteilt hat.

Der Minister hat es nur noch nicht gewagt, den Herrn Purtscheller auch noch in sein Kabinett aufzunehmen, meine Damen und Herren (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen), aber wenn Sie ihm von der Österreichischen Volkspartei weiterhin die Mauer machen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann auch der Purtscheller dem eigenartigem Kabinett des Herrn Innenministers Einem angehören wird.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir werden – und Sie können sich darauf verlassen, ich habe Ihnen das schon vor einigen Monaten in einer Rede gesagt – noch häufiger mit der Frage beschäftigt sein: Wird jetzt endlich jener Rubikon überschritten, der zu einem Untersuchungsausschuß führt, oder nicht? Vor einigen Monaten habe ich Ihnen das vorausgesagt. Zwischenzeitlich sind Entwicklungen eingetreten, die diesen Innenminister und sein eigenartiges Kabinett weiter zur Belastung für die Republik machen. (Abg. Dr. Haider: Schau, wie sich der Löschnak freut!) – Ja, der Herr Kollege Löschnak weiß schon, was da los ist, der Herr Kollege Löschnak hat eine Ahnung. Der Herr Kollege Löschnak weiß auch, warum er dieses Ministerium fluchtartig verlassen hat und zuvor noch den Herrn Dr. Kessler abgesetzt hat, meine Damen und Herren! Das weiß der Herr Löschnak schon. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Löschnak weiß auch, welchen Umgang Innenminister Einem pflegt. Der Herr Löschnak weiß auch, daß das niemals sein Umgang wäre. Daher gibt es viele im Innenministerium, die sich zurücksehnen nach den Zeiten des Franz Löschnak, wo zumindest die Polizei sich nicht mit Terroristen herumschlagen mußte, die persönliche Bekannte des Innenministers sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jener Herr Purtscheller genießt ja die besondere Wertschätzung der Sozialisten und der Grünen und der Liberalen, also der sogenannten Ampelparteien, wie wir wissen, jener Herr Purtscheller, von dem Sie alle so gehofft haben, daß er es jetzt mit einer Klage dem Abgeordneten Stadler endlich einmal zeigt. Ich muß Sie enttäuschen: Jener Herr Purtscheller, lieber Herr Kollege Wabl, hat gerade einen Prozeß verloren. Er wird weiter scheitern damit. (Abg. Dr. Haider: Wann hat er ihn verloren?) Gestern hat er mitgeteilt bekommen, daß er auf der ganzen Länge im Unrecht ist, der Herr Purtscheller. Er wird weiterhin im Untergrund in Niederösterreich bleiben müssen.

Das ist jener Herr Purtscheller, meine Damen und Herren, gegen den derzeit – und jetzt passen Sie auf von der Österreichischen Volkspartei! – gerichtliche Voruntersuchungen laufen wegen des Verdachtes, am Bombenanschlag in Ebergassing mitgewirkt zu haben, und im übrigen auch wegen des Verdachtes, Bestimmungstäter zu sein, einen Ministeriumsbeamten – wieder beim Herrn Minister Einem – dazu gebracht zu haben, ihm unrechtmäßig Einsicht in die Untersuchungsunterlagen im Fall Ebergassing gewährt zu haben.


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So schaut dieses Ministerium aus! In diesem Ministerium sitzt der Herr Purtscheller gerade noch nicht im Kabinett. Gegen ihn laufen gerichtliche Voruntersuchungen, aber er gehört zu den persönlichen Bekannten und Freunden des Innenministers Einem.

Wen wundert es dann noch, daß die Bekennerbriefe bereits aus dem Ministerium verschickt werden? Alarmiert Sie (zur ÖVP gewandt) das nicht? Ist Ihnen das gleichgültig? Sie werden einmal der Bevölkerung erklären müssen, wieso Sie diesem Mann ständig die Mauer gemacht haben.

Daß es die Ampelpartei macht, ist völlig klar, er ist ja einer der Ihren, er gilt als einer der großen Protagonisten dieser Ideologie, aber daß Sie von der ÖVP das machen, wird irgendwann einmal von ihren Wählern als Frage an Sie gerichtet werden.

Daher ersuche ich Sie heute, daß wenigstens einige Mut fassen und heute einmal dokumentieren, daß Sie nicht bereit sind, diesem Minister, der ein evidentes Sicherheitsrisiko mit seinem mehr als zweifelhaften Umgang, mit seinem mehr als zweifelhaften Kabinett darstellt, weiterhin die Mauer zu machen, diesem Minister, der ein schweres Sicherheitsrisiko für die Republik darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Ungeheuerlich!)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Partik-Pablé mit einer Redezeit von 5 Minuten. (Ruf bei der SPÖ: Nicht mehr steigerbar!)

21.50

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich brauche überhaupt nichts mehr zu steigern, denn der Sachverhalt ist ja schon dramatisch genug. Sie haben ja genauso wie wir verfolgt, daß die Fahndung nach den Briefbombenattentätern wirklich von einer Reihe von Pannen geprägt war. Das fängt an bei der Briefbombe in Klagenfurt, wo durch chaotische Kompetenzstreitigkeiten ein rasches Handeln verhindert worden ist, und das setzt sich fort bis zur jüngsten Briefbombe, wo die Bombe unter den Händen eines Beamten explodiert ist, weil der offensichtlich nicht ordentlich damit hantiert hat. Das setzt sich weiters darin fort, daß Hausdurchsuchungen bei 85jährigen, bei 80jährigen, die nicht mehr sehen konnten, gemacht worden sind (Abg. Mag. Stadler: 91 war der Rekord!) , bei 91jährigen, wo der Nachbar offensichtlich gesagt hat, die haben ein Strohröhrl, was bereits dazu geführt hat, daß dann eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden ist.

Selbstverständlich waren all diese Hausdurchsuchungen erfolglos, und die Bevölkerung wartet seit Jahren auf die Aufklärung dieser Briefbombenattentate, umso mehr, als ja Millionen Schilling in die Aufklärung investiert werden. Die Beamten machen Überstunden. Wir haben das anhand des Rechnungshofberichtes gesehen: 200 Überstunden werden da gemacht im Monat, aber es kommt nichts dabei heraus, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Jetzt muß sich ja die Bevölkerung wirklich an der Nase herumgeführt vorkommen, wenn man hört, daß aus dem Ministerium heraus ein Bekennerbrief kommt. Und ich wundere mich wirklich, daß Sie da so ruhig sitzen, daß nicht auch bei Ihnen die Alarmglocken schrillen, wenn Sie hören, daß ein Bekennerbrief, dem eine Briefbombe folgt, aus dem Innenministerium selbst kommt! Ich glaube, da sollte doch wirklich das Parlament alarmiert sein und Handlungsbedarf sehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und Sie sollten weiterhin Handlungsbedarf sehen, wenn Sie wissen, daß ein Täterprofil zurückgehalten worden ist. Die Fahnder, die direkt mit der Aufklärung der Briefbombenattentate zu tun haben, sekkieren sozusagen seit Monaten die höchsten Spitzen des Innenministeriums und den Innenminister, daß das aktuelle Täterprofil verlautbart wird, damit man eben eine gezielte Fahndung durchführen kann. Nur, was geschieht im Innenministerium? – Man setzt sich hinweg über diesen Wunsch der Beamten, man verschüttet das offensichtlich, man möchte offensichtlich zudecken und nur schauen, daß an den falschen Stellen, bei den 81- und 85jährigen gefahndet wird.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist etwas, was wir ganz einfach nicht mehr länger hinnehmen wollen. Wir glauben, daß es höchste Zeit ist, nachzuforschen, was im Innenministerium wirklich los ist, welche Weisungen der Minister erteilt, in dessen engstem Umkreis offensichtlich Leute sitzen, die mit dem Briefbombenterror zu tun haben.

Wir haben eigentlich erwartet, daß aufgrund dessen, was "NEWS" in diesem Zusammenhang aufgedeckt hat, der Minister selbst an die Öffentlichkeit geht und dieses Parlament, in dem er ja in den vergangenen zwei Jahren stundenlang war, aufklärt darüber, ob diese Verdächtigungen wahr sind oder nicht. – Der Herr Minister aber hat überhaupt nichts gesagt dazu.

Wir wollen jetzt in einem Untersuchungsausschuß klären, was es für eine Bewandtnis damit hat, daß dieses Bekennerschreiben aus dem Innenministerium gekommen ist, und wir fordern Sie auf, diesem Antrag zuzustimmen. Es kann ja doch auch nicht in Ihrem Sinne sein, daß ein solch schwerwiegender Verdacht ganz einfach nicht untersucht wird.

Sie wissen ja auch ganz genau, daß der Innenminister auf konkrete Fragen eigentlich keine Antwort gibt. Der Innenminister redet sich ununterbrochen aus, wenn man ihn konkret fragt, auch bei anderen Punkten, nicht nur bezüglich der Briefbomben. Wir haben nur die einzige Chance, in einem Untersuchungsausschuß zu klären, welche Verantwortlichkeiten der Innenminister hat. Wir sind jedenfalls daran interessiert, daß der Briefbombenterror aufgeklärt wird und daß der Innenminister nicht den Terroristen Schützenhilfe gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Ordnungsruf!)

21.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt mir vor vom Abgeordneten Elmecker. – Gleiche Redezeit.

21.55

Abgeordneter Robert Elmecker (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin zutiefst betroffen, daß Frau Kollegin Partik-Pablé hier unter dem Schutzmantel ihrer Immunität behauptet, der Innenminister gebe Schützenhilfe für Terroristen. Das ist unerhört und skandalös! (Beifall bei der SPÖ.– Abg. Dr. Stippel: Unerhört für eine Juristin! Ist das eine Richterin?– Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: An den falschen Stellen forscht ihr nach!) Dazu komme ich noch, dazu werde ich noch etwas sagen.

Meine Damen und Herren! Gerade zu einem Zeitpunkt, wo eine enge Angehörige des Innenministers Ziel eines feigen Anschlages werden sollte, finde ich diese Vorgangs- und Ausdrucksweise takt- und pietätlos. Schämen Sie sich! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Reden Sie einmal mit dem Dr. Zilk!)

Gerade die Freiheitlichen (Abg. Dr. Niederwieser: Gesindel! – Abg. Mag. Stadler: Was war das?) – ja, was war das? – sollten hier aufpassen, denn im Zusammenhang mit Oberwart – Kollege Stadler, soll ich Sie erinnern? – war es einer Ihrer Funktionäre, offensichtlich ein Bezirksobmann der Freiheitlichen, der dort als Polizeibeamter – als solcher wurde er fälschlicherweise angegeben – Ermittlungen geführt hat, und Sie haben solche Aussagen im Hohen Haus verwendet! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das lasse ich mir nicht bieten von dem Herrn dort drüben! Schützt den Täter und ruft "Gesindel"! Man weiß, wo das Gesindel daheim ist! Dort – der Zwischenrufer auf die Reihen der SPÖ weisend – ist das Gesindel daheim!)

Der Kollege Stadler, der Kollege Schweitzer, aber auch der Herr Dr. Haider haben hier in diesem Hause von Oberwart gesprochen und immer Behauptungen aufgestellt, die einer von ihnen unter falschen Ermittlungsvoraussetzungen an Sie weitergegeben hat. Das ist Tatsache! Wir haben genau diese Aussagen, die Sie hier gemacht haben, auch entsprechend verglichen, und ich habe jenen Ort gewählt, wo so etwas hingehört: Ich habe eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft gemacht. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Dann sollen sie es endlich einmal zustellen!)


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53. Sitzung / Seite 197

Ich habe das schon gemacht! Die Gerichte sollen ermitteln, meine Damen und Herren! Sie wollen nur politisches Kleingeld daraus schlagen! Die Sache liegt bereits bei der Staatsanwaltschaft, und die unabhängigen Gerichte sollen klären, was Sie in diesem Zusammenhang hier behauptet haben.

Was Sie hier immer wieder als Argumente verwenden, das sind Unterstellungen, das sind Verleumdungen, das sind Gerüchte, meine Damen und Herren! Um die Wahrheitsfindungen geht es Ihnen überhaupt nicht! (Beifall bei der SPÖ.– Abg. Mag. Stadler: Sie können sich mit dieser Sachverhaltsdarstellung brausen gehen, das sage ich Ihnen heute schon! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Fragen Sie den Dr. Zilk!)

Ich habe mir die Rede des Kollegen Stadler angehört und kann immer nur eines wiederholen: Die Rolle der Freiheitlichen in dieser Angelegenheit ist: Gerüchte verbreiten, Behauptungen aufstellen, die sie nicht beweisen können, die Beweise schuldig bleiben, Personen "anschütten", die sich hier nicht wehren können. Schämen Sie sich, Herr Kollege Stadler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Ihre Leute verschicken Bekennerschreiben! Was sagen Sie dazu?)

Sie gehen hierher und behaupten: "Faktum ist ..." Das haben Sie in Ihrer Rede gesagt. Bewiesen haben Sie noch überhaupt nichts, auch nicht die Behauptungen, die Sie im Zusammenhang mit Oberwart aufgestellt haben.

Geschätzte Damen und Herren! Einen Untersuchungsausschuß für politisches Kleingeld der Freiheitlichen zu verwenden, dazu ist das Hohe Haus zu schade! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ.– Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident!)

21.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Stadler! Ich frage Sie, welchen Antrag Sie stellen wollen? (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Ich ersuche Sie um Erteilung eines Ordnungsrufes! – Lebhafte ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Man hat uns pauschal als "Gesindel" bezeichnet, das lasse ich mir für meine Fraktion nicht bieten!)

Ich werde mir das Protokoll anschauen und ganz genau die Formulierungen studieren, mit denen dem Innenminister Terrorismus vorgeworfen wurde, und selbstverständlich auch prüfen, ob es wahr ist, daß jemand das Wort "Gesindel" gesagt hat. Ich habe es nicht gehört. Wenn das Wort "Gesindel" verwendet wurde, würde ich einen Ordnungsruf erteilen.

Aber ich bitte auch zu bedenken, was es bedeutet, wenn man in diesem Haus einem Bundesminister vorwirft, quasi in der Weise zu agieren, wie das hier formuliert wurde. Das muß man auch überlegen, ob man so etwas sagen kann.

Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Wir kommen daher zur Abstimmung , meine Damen und Herren, und zwar stimmen wir ab über den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Stadler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag Stadler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 361/A bis 374/A (E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1652/J bis 1716/J eingelangt.


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53. Sitzung / Seite 198

Schließlich ist eine Anfrage des Abgeordneten Haigermoser an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen dient, berufe ich für 22.01 Uhr, das heißt im unmittelbaren Anschluß an diese Sitzung ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.01 Uhr