Stenographisches Protokoll

90. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 10. Oktober 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

90. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 10. Oktober 1997

Dauer der Sitzung

Freitag, 10. Oktober 1997: 10.00 – 17.40 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 450/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz geändert werden

2. Punkt: Bericht über den Antrag 482/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 302/1979, 353/1986, 720/1988, 569/1993 und 438/1996, geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 506/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der "Dachstein" Fremdenverkehrs-Aktiengesellschaft

8. Punkt: Bericht über den Antrag 516/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird

9. Punkt: Bericht über den Antrag 515/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz 1956, BGBl. Nr. 165/1956, geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz !SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden


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11. Punkt: Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich

12. Punkt: Bericht über das Ersuchen des Landesgerichtes Linz (24 EVr 1370/97, 24 EHv 95/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Kurt Gaßner

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 9

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung 18

Wortmeldung des Abgeordneten Herbert Scheibner betreffend Beantwortung einer mündlichen Anfrage durch den Verteidigungsminister 22

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zur Wortmeldung des Abgeordneten Herbert Scheibner 22

Antrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 403/A betreffend Aufnahme der steirischen Slowenen in den Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 5. November 1997 zu setzen 27

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 28

Redner:

Mag. Thomas Barmüller 84

Mag. Walter Posch 84

Mag. Terezija Stoisits 85

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 86

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 28

Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei den Abstimmungen über die Anträge 450/A, 482/A und 506/A, über den Artikel I des Antrages 507/A und die diesen betreffenden Abänderungsanträge sowie über die Abänderungsanträge der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen zu § 7 Abs. 2 des Antrages 507/A und zu Artikel III des Antrages 507/A die Zahl der "für" und "gegen" Stimmenden bekanntzugeben 60

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, Mag. Doris Kammerlander und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung


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von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 117

Bekanntgabe 69

Ablehnung des Antrages 117

Fragestunde (22.)

Inneres 9

Dr. Helene Partik-Pablé (158/M); Karl Freund, Hans Helmut Moser, Dr. Elisabeth Hlavac, Mag. Terezija Stoisits

Günther Platter (154/M); Mag. Terezija Stoisits, Mag. Helmut Peter, Günter Kiermaier, Wolfgang Jung

Emmerich Schwemlein (156/M); Franz Lafer, Walter Murauer, Hans Helmut Moser, Mag. Terezija Stoisits

Landesverteidigung 18

Herbert Scheibner (165/M); Mag. Dr. Josef Trinkl, Andreas Wabl, Hans Helmut Moser, Anton Leikam

Anton Gaál (163/M); Wolfgang Jung, Willi Sauer, Andreas Wabl, Hans Helmut Moser

Hans Helmut Moser (167/M); Arnold Grabner, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Walter Murauer, Andreas Wabl

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 9

Ausschüsse

Zuweisungen 27

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 450/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz geändert werden (868 d. B.) 28

2. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 482/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 302/1979, 353/1986, 720/1988, 569/1993 und 438/1996, geändert wird (869 d. B.) 28

3. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 506/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz geändert werden (870 d. B.) 28


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4. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden (871 d. B.) 29

Redner:

MMag. Dr. Willi Brauneder 29

Mag. Johann Maier 31

Mag. Dr. Heide Schmidt 34

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 38

Andreas Wabl 41

Dr. Josef Cap 44

Mag. Johann Ewald Stadler 46

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 50

Mag. Johann Ewald Stadler (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 50

Mag. Thomas Barmüller 50

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 55

Dr. Martin Graf 57

Dr. Johannes Jarolim 59

Dr. Harald Ofner (tatsächliche Berichtigung) 60

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 868, 869 und 870 d. B. (Stimmenauszählung) 60

Annahme des Gesetzentwurfes in 871 d. B. in zweiter Lesung (Stimmenauszählung) 61

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (845 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (866 d. B.) 63

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (849 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (865 d. B.) 63

Redner:

Hermann Böhacker 63

Mag. Herbert Kaufmann 64

Dr. Hans Peter Haselsteiner 66

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 67

Dr. Alexander Van der Bellen 70

Karl Gerfried Müller 71

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 72

Karl Donabauer 73

Reinhart Gaugg 74

Ernst Fink 76

Mag. Reinhard Firlinger 76

Bundesminister Rudolf Edlinger 77, 80

Mag. Gilbert Trattner 80

Annahme der Gesetzentwürfe in 866 und 865 d. B. 80

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes


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Österreich, insbesondere in Hinblick auf eine Eindämmung des Kaufkraftabflusses in das benachbarte Ausland – Ablehnung 73, 81

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (848 d. B.): Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der "Dachstein" Fremdenverkehrs-Aktiengesellschaft (863 d. B.) 81

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 516/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird (864 d. B.) 81

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 81

Rainer Wimmer 82

Mares Rossmann 86

Hermann Kröll 87

Dr. Hans Peter Haselsteiner 88

Dr. Alexander Van der Bellen 90, 95

Dr. Ewald Nowotny 90

Dr. Alfred Gusenbauer 93

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 95

Annahme der Gesetzentwürfe in 863 und 864 d. B. 96

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 515/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz 1956, BGBl. Nr. 165/1956, geändert wird (861 d. B.) 97

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (846 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz !SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden (862 d. B.) 97

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (847 d. B.): Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich (867 d. B.) 97

Redner:

Helmut Dietachmayr 97

Mag. Dr. Josef Höchtl 99

Dr. Martin Graf 103, 114

Dr. Alexander Van der Bellen 106

Mag. Cordula Frieser 107

Ute Apfelbeck 108

Dr. Harald Ofner 109, 113

Dkfm. DDr. Friedrich König 110

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 112

Dr. Hans Peter Haselsteiner 113

Dr. Volker Kier 114

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 115

Annahme der Gesetzentwürfe in 861 und 862 d. B. 115

Genehmigung des Staatsvertrages in 867 d. B. 116


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend die Unteilbarkeit der Menschenrechte – Ablehnung 110, 116

12. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes Linz (24 EVr 1370/97, 24 EHv 95/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Kurt Gaßner (884 d. B.) 116

Annahme des Ausschußantrages 116

Eingebracht wurden

Bericht 27

III-100: Wahrnehmungsbericht über die Bank Austria AG; Rechnungshof

Anträge der Abgeordneten

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das RPG (Rechtspraktikantengesetz) geändert wird (604/A)

Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird (605/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsstudiengesetz geändert wird (606/A)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung von Unternehmen durch Einrichtung zentraler Anlaufstellen für BetriebsgründerInnen bei Behörden erleichtern (607/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung von Unternehmen durch Kosten-Nutzenanalysen für neue Gesetze auch hinsichtlich der umsetzenden Unternehmen erleichtern (608/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung von Unternehmen durch horizontale Steuergerechtigkeit zwischen in Finanz- oder Sachkapital veranlagten Geldern erleichtern (609/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung von Unternehmen durch Aufhebung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes bei gleichzeitiger Neukodifikation des ArbeitnehmerInnenschutzes erleichtern (610/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung von Unternehmen durch Aufhebung des Ladenöffnungszeitengesetzes mit dem Ziel einer völligen Freigabe der Ladenöffnungszeiten erleichtern (611/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung von Unternehmen durch weitere Liberalisierung des Betriebsantrittsrechtes der Gewerbeordnung erleichtern (612/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung von Unternehmen durch stärkere Verankerung der Selbständigkeit als Lern- und Schulprinzip sowie Lehrziel erleichtern (613/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung und den Weiterbestand von Unternehmen durch Abschaf


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fung von Genehmigungsverfahren aus Anlaß von Betriebsübernahmen und Betriebsweiterführungen erleichtern (614/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Gründung von Unternehmen durch Verfahrenskonzentrationen in ganz Österreich erleichtern (615/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die Novellierung des ASVG, des GSVG und des B-KUVG – Gleichstellung aller Lebensgemeinschaften (616/A)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Verbot von Anti-Personen-Minen geändert werden soll (617/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert und ein generelles Nachtfahrverbot für Lkw über 7,5 t eingeführt wird (618/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Kurt Gaßner und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend den gemeinnützigen Verein "Humana" – Verein für Entwicklungs-, Not- und Katastrophenhilfe in der dritten Welt (Name laut Statut: Humana – Verein zur Förderung notleidender Menschen in der dritten Welt) (3108/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Gewährung von Sonderkarenzurlaubsgeld (3109/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Gewährung von Sonderkarenzurlaubsgeld (3110/J)

Klara Motter und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Nichtanwendung des Bazillenausscheidegesetzes im öffentlichen Dienst (3111/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Opferschutz für Betroffene des Frauenhandels (3112/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend mögliche Schließung des Finanzamtes Wien-Umgebung (3113/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Ausschüttung der Volksgruppenförderung für das Jahr 1997 (3114/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend arbeitslose Einkommen von Landesschulräten (3115/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Mochovce-Bericht (3116/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Mehrdienstleistungen von Lehrern an allgemeinbildenden höheren Schulen, allgemeinbildenden und berufsbildenden Pflichtschulen sowie an landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen (3117/J)

Karl Gerfried Müller und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Alkoholmißbrauch beim Bundesheer (3118/J)


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Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Höhere Bundesfachschule für wirtschaftliche Berufe in Hartberg (3119/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "NEWS"-Artikel 41/97 (3120/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Strahlenbelastung in Österreich (3121/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf der Bundesanteile der Bank Austria an ein Konsortium (3122/J)

Robert Sigl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Bau der Schnellstraße S 34 beziehungsweise der Sparvariante B 334 (3123/J)

Robert Sigl und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend den Ausbau der HTL St. Pölten (3124/J)

Dipl.-Ing. Dr. Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Nichterfüllung einer gesetzlichen Berichtspflicht (3125/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend umweltbezogene Umgestaltung der Landegebühren (3126/J)

*****

Johann Ewald Stadler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend tatsächliche Untersuchung in Zusammenhang mit dem Verdacht auf politisch motivierte Sabotage seitens der EDV-Abteilung unter der Leitung von Herrn Hans H. (18/JPR)

Johann Ewald Stadler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend den Leiter der EDV-Abteilung, Herrn Hans H. (19/JPR)


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Beginn der Sitzung: 10 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 90. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 88. Sitzung vom 8. Oktober 1997 ist aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben. Es gilt damit als genehmigt.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ablinger, Haller, Dr. Stippel, Dr. Gredler und Haidlmayr. (Abg. Grabner: Dr. Stippel ist hier!)

Lieber Kollege Stippel! Sie sind als verhindert gemeldet, aber ich nehme zur Kenntnis, daß die Realität mehr zählt als die schriftliche, in diesem Falle also falsche Meldung. – Damit haben wir vier Entschuldigungen.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht.

Frau Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer wird durch Herrn Bundesminister Mag. Molterer vertreten.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich beginne – um 10.01 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage wird von Frau Dr. Partik-Pablé formuliert.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

158/M

Gedenken Sie, wie es bereits früher praktiziert wurde, in Abschiebungsfällen die jeweiligen Sicherheitsdirektionen zu kontaktieren, um mit ihnen abzusprechen, ob einer von einem Ausländer an den VwGH gerichteten Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich möchte Ihre Frage wie folgt beantworten:

Ich nehme an, Sie sprechen von jenen Fällen, in denen aufgrund des Fremdenrechtes die Voraussetzungen für eine Abschiebung oder Zurückschiebung gegeben wären, diese Personen

 


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aber gleichzeitig eine Beschwerde beim Höchstgericht erhoben haben. Für die vollziehende Behörde stellt sich nun die Frage, ob diese vom Höchstgericht zuerkannte oder zuzuerkennende aufschiebende Wirkung einem Vollzug der fremdenpolizeilichen Maßnahmen entgegensteht oder nicht.

Ich gehe davon aus, daß in diesem Falle folgende Antwort zu geben ist: In jenen Fällen einer aufschiebenden Wirkung, die vom Höchstgericht erteilt worden ist, wird die zuständige Behörde davon direkt informiert. In aller Regel ist diese zuständige Behörde nicht das Innenministerium, sondern die jeweilige Sicherheitsdirektion; das heißt, in diesem Falle besteht kein zusätzlicher Koordinierungsbedarf.

Wenn Bescheide direkt an das Innenministerium gehen – wenn also das Innenministerium von der aufschiebenden Wirkung informiert wird –, werden die fremdenpolizeilichen Behörden von meinem Ressort sofort und umgehend darüber informiert.

Darüber hinaus – das möchte ich in diesem Zusammenhang auch sagen, Frau Abgeordnete – ist es mein Ziel und Bestreben – ich habe das in den letzten Wochen auch so gemacht –, den Verwaltungsgerichtshof über jene Fälle in Kenntnis zu setzen, in denen es schwerwiegende Gründe für fremdenpolizeiliche Maßnahmen gibt, wo der Verwaltungsgerichtshof aber noch keine Entscheidung getroffen, sondern eine aufschiebende Wirkung ausgesprochen hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Laut Medienberichten hat die Zahl der Fälle mit aufschiebender Wirkung und der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle enorm zugenommen.

Wie viele anhängige Fälle gibt es im Augenblick, bei denen es darum geht, daß die Abschiebung verzögert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die genaue Zahl kann ich Ihnen jetzt nicht aus dem Stegreif sagen. Es sind aber einige tausend Fälle, die derzeit beim Verwaltungsgerichtshof liegen und wo größtenteils auch aufschiebende Wirkung zugesagt worden ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Karl Freund, bitte.

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich als Abgeordneter werde oftmals von Beamten, die in Bezirkshauptmannschaften oder Sicherheitsdirektionen mit der Vollziehung des Fremden- und Asylgesetzes betraut sind, kontaktiert und mit Problemen konfrontiert. Bei der Abschiebung von Illegalen wird zum Beispiel oftmals von den Vertretungsbehörden die Ausstellung der Reisedokumente hinausgeschoben, was dazu führt, daß jemand bis zu einem halben Jahr länger im Land sein kann und dann allenfalls untertaucht.

Herr Bundesminister! Was berichten Ihnen jene Beamte oder Vertretungsbehörden über Erfolg oder Mißerfolg beim Vollzug der Fremden- und Asylgesetze?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! In diesem Bereich gibt es ohne Zweifel in vielen Dingen Handlungsbedarf; Handlungsbedarf, weil wir zu wenige Schubhaftplätze haben, Handlungsbedarf, weil die Schubhaftplätze geographisch oder regional bedingt in der Anzahl sehr unterschiedlich sind, Handlungsbedarf, weil es mein Ziel ist, Schubhäftlinge und Verwaltungshäftlinge soweit wie möglich zu trennen. Auch in der Betreuung der Schubhäftlinge gibt es in nächster Zeit einiges zu verbessern. – Das zum einen.

Zum zweiten möchte ich darauf hinweisen, daß ich in den nächsten Wochen und Monaten vorhabe, die Schubhaft generell zu reformieren, zu verbessern und zu verändern. Davon ist natürlich folgender Fall ausgenommen: Wenn wir keine konkreten Heimreisezertifikate haben,


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wenn wir nicht wissen, in welches Land wir den Schubhäftling zurückstellen können, weil er undokumentiert illegal nach Österreich eingereist ist, wird es immer ein Problem geben, und es wird schwierig sein, den entsprechenden Schubhäftling wirklich wieder in ein anderes Land zurückzustellen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke schön. – Die nächste Zusatzfrage stellt Kollege Moser. – Bitte sehr.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Es ist nach wie vor möglich, Asylwerber in Schubhaft zu nehmen.

Können Sie uns einen Vergleich der Kosten für einen Tag Schubhaft mit jenen für einen Tag Bundesbetreuung geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich kann Ihnen jetzt keinen genauen Vergleich in absoluten Zahlen nennen. Da möchte ich mich auch nicht festlegen, aber mein Ziel ist es, eine Regelung zu finden, die in Zukunft die Schubhaft möglichst kostendeckend macht, eine Regelung zu finden, die garantiert, daß bei Schubhäftlingen möglichst schnell eine Entscheidung getroffen wird, nämlich dahin gehend, ob und wie sie abgeschoben werden. Die derzeitige durchschnittliche Verweildauer eines Schubhäftlings beträgt an die 20 Tage. Dies scheint mir viel zu hoch zu sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Dr. Hlavac.

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie haben soeben angedeutet, daß Sie die Situation der Schubhäftlinge verbessern wollen.

Ich möchte Sie fragen, welche konkreten Maßnahmen vorgesehen sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte. (Abg. Kiss: Das hat der Karl Freund schon gefragt!)

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter Kiss! Die Frage des Abgeordneten Freund ist eher in die Richtung gegangen, welche Probleme die Behörden mit der Abschiebung haben. (Abg. Kiss: Im Gegenteil: Wie ein Haftlmacher habe ich aufgepaßt!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, am Wort ist jetzt der Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl (fortsetzend): Ich möchte das dennoch kurz beantworten.

Wir brauchen neue Schubhaftplätze in Österreich. Das ist dringend notwendig. In Bludenz wird derzeit eine Aufstockung durchgeführt, in Salzburg hoffen wir im Laufe der nächsten Monate eine Aufstockung um rund 50 Plätze zu erreichen, und in Schwechat plane ich die Errichtung einer eigenen Schubhaftanstalt, mit dem Ziel, daß die Möglichkeit besteht, Schubhäftlinge aus dem Osten Österreichs unterzubringen. – Das zum einen.

Zum zweiten möchte ich darauf hinweisen, daß es dringend notwendig ist, diese Schubhaftplätze zusätzlich zu schaffen, weil derzeit eine Art von Tourismus besteht, bei der Schubhäftlinge aus dem südlichen Burgenland in andere Teile Österreichs verlegt werden oder umgekehrt. Es ist notwendig, darauf zu schauen, daß das aus Kostengründen möglichst reduziert wird.

Drittens ist es mein Ziel, eine bessere, intensivere Betreuung der Schubhäftlinge zu erreichen. Da gibt es einen Modellversuch, der seit knapp einem Jahr in Oberösterreich läuft, wo karitative Organisationen Schubhäftlinge betreuen. Das hat sich sehr, sehr gut bewährt. Mein Ziel ist es, diese Betreuung ab 1.1.1998 auf ganz Österreich auszudehnen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Geschätzter Herr Bundesminister! Ihr Vorvorgänger hat auf die Frage nach dem Unterschied der Kosten zwischen Bundesbetreuung und Schubhaft diese wie folgt beziffert: 650 S für einen Tag Schubhaft, 250 S für einen Tag Bundesbetreuung. Das zu Ihrer Information.

Meine Frage geht aber in eine andere Richtung. Herr Bundesminister! Sie kennen doch den Spruch: Gefängnisse baut man, um sie zu füllen. Meine Frage ist: Warum wird nicht auf der gesetzlichen Ebene etwas getan, um den Schubhaftvollzug zu regeln? Modellversuche sind gut; was die Privatisierung der Betreuungsarbeit angeht, bin ich skeptisch, wiewohl ich weiß, daß sie den Schubhäftlingen zugute kommt.

Unsere Forderung ist jene nach einem Schubhaftvollzuggesetz. Dieses wird im Ministerium bereits seit Jahren diskutiert. Wieweit sind die Vorarbeiten gediehen, und wie ist Ihre Haltung dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Reform der Schubhaft ist ein wichtiges Anliegen. Ich habe bereits angekündigt, daß diese Reform meiner Meinung nach in mehreren Bereichen erfolgen muß.

Erstens: Es ist eine Tatsache, daß es eine zunehmende Zahl von Schubhäftlingen gibt. Das ist durch den starken Druck, den es an unseren Grenzen gibt, bedingt. Diese Leute haben den starken Willen, ihre wirtschaftliche, soziale und persönliche Lebenssituation zu verbessern. Somit ist ein sehr starker Druck da, da die Leute nach Österreich sowie in andere Staaten Westeuropas einreisen wollen.

Zweitens ist es so, daß die Schubhäftlinge in vielen Bereichen mit Verwaltungshäftlingen gemeinsam untergebracht sind. Da ist das Ziel, daß man schrittweise – von heute auf morgen wird das nicht gehen – eine Trennung erreicht.

Drittes Ziel ist eine bessere Betreuung von Schubhäftlingen, als es bisher der Fall war. Darum gibt es auch eine gemeinsame Initiative mit sozialen und karitativen Organisationen.

Das sind Maßnahmen, die schnell und kurzfristig in den nächsten Wochen und Monaten umgesetzt werden sollen. Ich persönlich bin der Meinung, daß man auch auf gesetzlicher Ebene Änderungen durchführen soll. Die Vorarbeiten dazu sind im Ministerium jedoch noch nicht sehr weit gediehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Damit haben wir den Fragenkomplex 158 abgeschlossen.

Die 2. Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Günther Platter. – Bitte sehr.

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Herr Minister! Meine Frage lautet:

154/M

Welche Erfahrungen gibt es mit den durch das neue Waffengesetz eingeführten Meldepflichten für Langwaffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Mit 1. Juli 1997 trat das neue Waffengesetz in Kraft, das erstmals eine sogenannte Kategorie C von meldepflichtigen Schußwaffen definiert. Darunter fallen im wesentlichen Langwaffen, also Gewehre mit gezo


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genem Lauf, die nicht zu verbotenen Waffen, Kriegsmaterial oder halbautomatischen Waffen zählen.

Gemäß § 30 des Waffengesetzes ist der Erwerb einer meldepflichtigen Schußwaffe vom Erwerber bei einem Waffenhändler zu melden. Über diese Meldung erhält man eine Bestätigung, die sorgfältig von demjenigen, der die Waffe erworben hat, aufzubewahren ist.

Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Waffengesetzes bereits im Besitz einer oder mehrerer meldepflichtiger Schußwaffen waren, haben bis zum 30. Juni 1998 Zeit, eine diese Waffen betreffende Meldung zu erstatten.

Da das Waffengesetz erst knapp drei Monate in Kraft ist, kann ich leider kaum über Erfahrungswerte berichten. Einen wirklich seriöser Bericht über die Meldepflicht werde ich wahrscheinlich nach einem Dreivierteljahr bis einem Jahr erstatten können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Herr Minister! Ihr Parteikollege und Sicherheitssprecher Toni Leikam hat über die Medien die Einführung einer Waffensteuer vorgeschlagen. Sie wissen, daß sich die ÖVP gegen eine Waffensteuer ausspricht, weil damit wiederum eine neuerliche Belastung auf den Bürger zukommen würde und auch Schützen, Sportschützen und Jäger davon betroffen wären. Dadurch würde auch der illegale Waffenbesitz gefördert.

Ich frage Sie daher: Werden Sie den Vorschlag Ihres Sicherheitssprechers Toni Leikam unterstützen, daß in Österreich eine Waffensteuer eingeführt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich habe eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, wie das Waffengesetz nochmals reformiert und novelliert werden kann. Diese Vorschläge werde ich in den nächsten Tagen den im Nationalrat vertretenen Parteien sowie dem Innenausschuß zuleiten, mit der Bitte, daß darüber im Innenausschuß diskutiert wird. Die Vorstellung der Einführung einer Waffensteuer ist in meinem Entwurf nicht beinhaltet.

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß der Vorschlag des Herrn Abgeordneten Leikam in bezug auf manche Bereichen sehr überlegenswert ist, vor allem auch deswegen, weil das Geld, das damit hereinkommen soll – nach seiner Schätzung an die 90 Millionen Schilling –, für Opfer von Schußwaffen verwendet werden soll. Das halte ich für eine sehr gute Idee. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stoisits.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Im Innenausschuß haben bei den Beratungen zur Novellierung des Waffengesetzes die Grünen zahlreiche Änderungen in Hinblick auf eine Verschärfung des Waffengesetzes eingebracht. Diese sind damals nicht zur Beschlußfassung gekommen.

Wieweit werden Sie in Ihren Vorschlägen, die Sie bald einbringen werden, die Vorschläge der Grünen im Hinblick auf Verschärfung berücksichtigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich kenne nicht alle Vorschläge, die die Grünen im Laufe der Debatte zum letzten Waffengesetz eingebracht haben. (Abg. Wabl: Ein schweres Manko!) Ich darf Ihnen aber sagen, daß zwischen den Vorschlägen, die ich einbringen werde, und jenen der Grünen wahrscheinlich wenig Unterschied sein wird. (Abg. Wabl: Er kennt sie gar nicht und weiß, daß es keinen Unterschied gibt!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Abgeordneter Hans Helmut Moser, bitte.


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Schriftlich gemeldet ist Herr Abgeordneter Moser, aber ich nehme gerne eine Zusatzfrage des Kollegen Peter entgegen. (Ruf: Die schauen sich aber sehr ähnlich!)

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Danke, Herr Präsident. – Herr Bundesminister! Waffen sind nun einmal ein Teil unseres gesellschaftlichen Lebens, ob wir es wollen oder nicht. Sehen Sie nicht folgende Gefahr: Je mehr Sie das Waffengesetz verschärfen, desto größer wird der Anteil der illegal im Besitz befindlichen Waffen werden. Sehen Sie diese Gefahr? Wie wollen Sie ihr begegnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Es ist in den letzten Jahren eine sehr starke Zunahme der Zahl von Waffen in Österreich zu verzeichnen. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist schlimm!) Die Zahl stieg seit 1985 von rund 170 000, 180 000 auf fast 340 000 Waffen. Die Gefahr des illegalen Waffenbesitzes ist immer gegeben, wobei man bei illegalem Waffenbesitz sehr wohl unterscheiden muß.

Ein Teil ist versehentlich passiert, und zwar dadurch, daß man eine Waffe von einem Verwandten, Bekannten oder einem Familienmitglied erbt und vergißt, diese Waffe zu melden. Zum anderen gibt es sehr bewußt illegalen Waffenbesitz, wenn man die Waffe bewußt im Ausland oder woanders gekauft hat. Da muß man sehr genau unterscheiden.

Mir ist auch klar, daß, je strenger ein Waffengesetz ist, desto größer die Gefahr ist, daß man unter Umständen in die Illegalität ausweicht. Diese Gefahr muß man auch sehr ernst nehmen und bei jeder Novellierung im Auge behalten. Andererseits möchte ich auch sehr deutlich sagen, daß es eine Illusion ist, zu glauben, eine Waffe im Haushalt bedeute zusätzlich mehr Sicherheit. Es gibt viel bessere Maßnahmen, als eine Waffe für die eigene Sicherheit im Haushalt zu haben. (Abg. Dr. Schmidt: Das kann man wohl sagen! Ich unterstreiche das!)

Darum bin ich der Ansicht, daß eine zusätzliche Verschärfung des Zuganges zum Erwerb von Waffen sinnvoll und notwendig ist, daß man dabei aber immer im Auge behalten muß, daß die Gefahr von zusätzlichem illegalem Waffenbesitz größer wird. Das ist eine sehr schwierige Gratwanderung, bei der wir gemeinsam einen guten Mittelweg finden müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Abgeordneter Kiermaier, bitte.

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Bundesminister! Welche Erfahrungen gibt es mit den nach dem neuen Waffengesetz beizubringenden psychologischen Gutachten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Dieses psychologische Gutachten wird seit 1. Juli dieses Jahres gefordert. Ich kenne nur die Zahlen der Monate Juli und August.

Vorher muß ich noch sagen: Einerseits kann man die Prüfung bei einem Psychologen machen, andererseits kann man sie auch beim Kuratorium für Verkehrssicherheit ablegen. Über die Zahl der Prüfungen, die bei Psychologen abgelegt worden sind, liegen mir noch keine Daten vor. Ich habe nur Zahlen vom Kuratorium. Dort wurden im Monat Juli 100 Untersuchungen durchgeführt, im Monat August 119.

Ein Viertel der Untersuchten ist für eine Zulassung zum Waffenbesitz als "nicht geeignet" befunden worden. Es besteht laut Gesetz die Möglichkeit einer nochmaligen Überprüfung, die ausführlicher und intensiver ist. Bei dieser Prüfung hat sich gezeigt, daß die Hälfte von diesem Viertel doch zugelassen worden ist, so daß man ungefähr davon ausgehen kann, daß 10 bis 15 Prozent derjenigen, die um einen Waffenbesitzschein ansuchen, diesen nicht zuerkannt bekommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Kollege Jung stellt die nächste Frage.


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Abgeordneter Wolfgang Jung
(Freiheitliche): Herr Bundesminister! Das Waffengesetz wurde erst vor wenigen Monaten nach, wie ich annehme, eingehenden Überlegungen novelliert. Nunmehr sagen Sie selbst, daß Sie bereits wieder Änderungsabsichten haben. Änderungen sind logischerweise nur dann notwendig, wenn entweder neue Erkenntnisse aufgetreten sind oder wenn man vorher geschludert und gepfuscht hat. (Rufe bei der SPÖ: Zur Sache!)

Sie selbst haben vorhin gesagt, die Zeit für neue Erkenntnisse war zu kurz. Wurde also geschludert und gepfuscht, Herr Bundesminister? (Abg. Wabl: Nein! Niemals!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Abgeordneter! Ich könnte es mir bequem und einfach machen und darauf nein sagen. Damit hätte ich der Form Genüge getan. (Abg. Jung: Das sind wir ja schon gewohnt!) Ich versuche, eingehender darauf zu antworten.

Die Kritik, die Sie gerade geäußert haben, kann man natürlich nicht vom Tisch wischen. Wenn mit 1. Juli ein neues Waffengesetz in Kraft tritt, der zuständige Minister jedoch schon vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Novellierung in den Raum stellt, dann ist, so meine ich, diese Frage mehr als berechtigt. Deshalb möchte ich mich ihr auch nicht entziehen.

Es hat natürlich Ereignisse gegeben, die zu dieser Diskussion geführt haben, vor allem jene tragischen Ereignisse in Zöbern, bei denen eine Lehrerin getötet und eine zweite schwer verletzt worden ist. Es kam dadurch zu einer heftigen Debatte in der Öffentlichkeit, aber auch in den politischen Parteien. Deshalb habe ich mich entschlossen, eine Verschärfung, die meiner Meinung nach in manchen Bereichen notwendig und wichtig ist, zur Diskussion zu stellen.

Ich glaube beispielsweise, daß wir uns gemeinsam über eine bessere Kontrolle der Aufbewahrung von Schußwaffen den Kopf zerbrechen müssen und auch darüber, wie wir gewährleisten können, daß Menschen mit Schußwaffen auch richtig umgehen können. Das soll keine Handlungsanleitung zum Schießen sein, aber wenn die Schußwaffe unter anderem auch der Sicherheit dienen soll, dann muß man sie auch handhaben können.

Drittens glaube ich, daß man die Kategorien der Schußwaffen im Zusammenhang mit ihrer Genehmigungspflicht überdenken muß, denn ich sehe nicht ein, warum beispielsweise ein Revolver oder eine Pistole an einen Waffenbesitzschein gebunden ist, während gleichzeitig manche Langwaffen nur meldepflichtig sind.

Schlußendlich bin ich der Ansicht, daß wir uns gemeinsam überlegen sollten, den Zugang zu Schußwaffen zu verschärfen. Ich möchte jedoch gleich dazusagen, daß gewisse Gruppen für mich auf jeden Fall ausgenommen sein sollen, beispielsweise die Jäger – bei ihnen gibt es bereits sehr strenge Kontrollen – und die Mitglieder von Sportschützenvereinen, aber auch Waffensammler und ähnliche. (Abg. Wabl: Wieso die Jäger? Wieso die Sportschützen?)

Ich habe aber bereits in der Beantwortung der Anfrage des Abgeordneten Peter gesagt, daß ich nicht glaube, daß eine Schußwaffe automatisch mehr Sicherheit bedeutet. Dafür gibt es viel bessere Maßnahmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Wir kommen zum 3. Fragenkomplex: Sicherheitsakademie.

Die Frage formuliert Abgeordneter Schwemlein. – Bitte sehr.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich darf die Frage vorlesen:


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156/M

Wann kann die österreichische Exekutive mit einer neuen Ausbildungsstätte in Form einer Sicherheitsakademie rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Diskussion dauert nun schon sehr lange. Sie wurde bereits unter meinem Vorvorgänger Franz Löschnak begonnen. Schon damals hat es politische Zusagen und Beschlüsse für die Errichtung einer neuen Sicherheitsakademie in Traiskirchen gegeben. Auch der symbolische Spatenstich ist bereits in Traiskirchen erfolgt. Ich gehe nun davon aus, daß mit dem Bau der neuen Sicherheitsakademie Ende 1998 beziehungsweise Anfang 1999 begonnen werden kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Herr Bundesminister! Welche Lehrziele verfolgt diese Sicherheitsakademie?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Sicherheitsakademie umfaßt eine Vielzahl von Lehrzielen.

Sie hat natürlich in erster Linie die Aufgabe, eine berufsspezifische Grund- und Fachausbildung für Sicherheits- und Führungskräfte, vor allem für Funktionsträger im höheren Management der Sicherheitsexekutive, zu gewährleisten.

Zweitens soll die Sicherheitsakademie neben der Ausbildung der Führungskräfte auch die Möglichkeit einer berufsspezifischen Weiterbildung für unsere Sicherheitskräfte anbieten. Darüber hinaus halte ich es für notwendig und wichtig, daß die Sicherheitsakademie zu einem kleinen wissenschaftlichen Think-tank, also Gedankenmodell, für die österreichische Sicherheitspolitik wird, wo man wissenschaftliche Enqueten und Seminare durchführt sowie einen internationalen Gedanken- und Erfahrungsaustausch pflegen kann, mit dem Ziel, über den Alltag der Sicherheitspolitik hinauszudenken und sich zu überlegen, wie man neue Herausforderungen wissenschaftlich bearbeitet und meistert.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Kollege Lafer, bitte.

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Danke, Herr Präsident. – Herr Minister! Sie haben bereits in der letzten Fragestunde über den wissenschaftlichen Teil dieser Sicherheitsakademie berichtet und damals von der Durchlässigkeit bis zum Generaldirektor gesprochen.

Meine Frage lautet: Welche Maßnahmen schlagen Sie für dienstführende oder diensteingeteilte Beamte vor beziehungsweise wollen Sie umsetzen? Werden jene ebenfalls die Möglichkeit bekommen, diese Sicherheitsakademie zu besuchen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Durchlässigkeit heißt für mich, daß gerade diese Gruppe die Möglichkeit haben soll, die Sicherheitsakademie und deren Ausbildungskurse zu besuchen, denn ich glaube, daß dadurch die Motivation im Beamtenbereich gesteigert werden kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Murauer.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Einige Fragen zur Organisationsstruktur. (Rufe der Abgeordneten Oberhaidinger und Scheibner: Eine Frage!)


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Herr Präsident! Eine Frage zur Organisationsstruktur – die ÖVP hat dazu bereits einige klare Vorstellungen angemeldet –: Wieweit werden Sie die Sicherheitsakademie mit eigener Rechtspersönlichkeit ausstatten, die als solche zum Beispiel für Wissenschaft und Forschung eigene Mittel lukrieren könnte? Wie können Sie garantieren, daß es nur eine Führungsebene geben wird und keine zweite? (Abg. Mag. Haupt: Eine Frage! – Abg. Wabl: Eine sehr lange!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Antwort ist sehr einfach! Ich habe nicht vor, eine Sicherheitsakademie nach den Vorstellungen des Bundesministers für Inneres oder einiger Spitzenbeamter des Innenministeriums zu etablieren. Diese Sicherheitsakademie soll von einem breiten Konsens, und zwar nicht nur der beiden Regierungsparteien, sondern, wenn möglich, auch der Oppositionsparteien, getragen sein. Daher wird man über das inhaltliche Konzept und über das, was ich heute gesagt habe, sehr ausführlich diskutieren müssen, um eine breite Willensbildung dafür zu erreichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Moser. – Bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Es war wirklich höchste Zeit, daß diese für die Sicherheitsakademie so wichtige Ausbildungsstätte eingerichtet wird. Sie lösen damit ja nur die Zusagen und die Versprechen Ihrer Vorgänger ein.

Ich möchte Sie fragen, Herr Bundesminister: Wie hoch wird der Personalbedarf für diese Sicherheitsakademie sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Vom heutigen Gesichtspunkt aus schätze ich ihn auf rund 50 Beamtinnen und Beamte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Kollegin Stoisits.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Ich verhehle nicht, daß ich mich sehr darüber freue, daß es endlich zum Bau kommt. Allerdings wird, wenn man damit erst 1999 beginnt, die Eröffnung dieser Sicherheitsakademie erst im nächsten Jahrtausend stattfinden. – Das nur vorweg.

In der letzten Fragestunde haben Sie bereits angedeutet, daß es unter Umständen dazu kommen kann, daß diese Sicherheitsakademie als Fachhochschule etabliert wird. Dazu liegt Ihnen ein detailliertes Konzept zweier anerkannter Universitätsprofessoren vor, die ein Ausbildungsmodell erstellt haben.

Die Frage lautet: Wieweit werden Sie diesem Modell, das vor allem eine Öffnung dieser Institution für andere Berufe und ähnliche Berufsgruppen vorsieht, um eine Abgeschlossenheit der Sicherheitsexekutive zu vermeiden und im Sinne eines erweiterten Sicherheitsbegriffes zu lehren und zu forschen, folgen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete! Ich kenne dieses Konzept der beiden Universitätsprofessoren und bin mit ihnen auch im Gespräch. Es gefällt mir einiges in diesem Konzept im Prinzip sehr, sehr gut. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für eine gute Sicherheitsakademie ist, daß sie sich öffnet. Wir dürfen nicht im eigenen Saft brodeln, sondern müssen danach trachten, sehr offen zu sein.

Ich will aber nicht – und das sage ich auch sehr deutlich –, daß an dieser Sicherheitsakademie auch die Möglichkeit geboten wird, private Sicherheitskräfte auszubilden. Das halte ich nicht für sinnvoll. – Ich weiß, Sie haben das in Ihrer Frage ohnehin nicht gemeint, man kann es aber ein wenig aus dem Konzept herauslesen.


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Es geht darum, es durch eine Öffnung unseren Beamtinnen und Beamten zu ermöglichen, Neues zu lernen und neue Erfahrungen zu sammeln. Jedoch soll das nicht so weit gehen, daß diese Sicherheitsakademie auch offen für die Ausbildung privater Sicherheitskräfte wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. Ich danke dem Herrn Minister.

Damit kommen wir zur 4. Frage. (Bundesminister Dr. Fasslabend ist nicht anwesend.) Ich hoffe, der Herr Bundesminister für Landesverteidigung wird uns bald zur Verfügung stehen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Er muß die Pensionen verhandeln!)

Der Bundesminister ist auf dem Weg. Ich unterbreche die Sitzung für – wie ich annehme – wenige Minuten.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 10.32 Uhr unterbrochen und um 10.38 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir werden die fünf Minuten zu den Zeiten, die sich für die Fragestunde errechnen, dazugeben. (Abg. Wabl: Wie beim Fußballmatch!)

Bundesministerium für Landesverteidigung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich komme nun zur 4. Anfrage, die Herr Abgeordneter Scheibner formuliert. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Danke. – Herr Bundesminister! Zuerst einmal schönen guten Morgen. Meine Frage lautet:

165/M

Welche sicherheitspolitische Option wird von den Vertretern des Bundesministeriums für Landesverteidigung in der interministeriellen Gruppe zur Erarbeitung des sogenannten Optionenberichts der Bundesregierung als für Österreich am zweckmäßigsten erachtet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte eingangs um Entschuldigung und um Verständnis dafür, daß ich einige Minuten zu spät zu dieser Fragestunde gekommen bin. (Abg. Scheibner: Eine halbe Stunde!) Der Grund dafür war, daß ich bei der Vorbereitung des Ministerrates, der eine ganz wesentliche Frage, nämlich die Pensionsreform, die eine Jahrzehnte dauernde Auswirkung auf die Bevölkerung Österreichs haben wird, zu behandeln hat, anwesend war und diese Beratung mitzugestalten hatte. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bitte um Verständnis dafür und danke dem Herrn Präsidenten, daß er die dadurch versäumte Zeit von fünf Minuten zum Schluß anhängen wird, um damit der Fragestunde voll Rechnung zu tragen.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zu Ihrer Anfrage möchte ich sagen, daß die Frage des Optionenberichtes beziehungsweise die Frage, welche Position der Verteidigungsminister und die anderen betroffenen Ministerien, natürlich der Bundeskanzler und der Außenminister, dazu einnehmen werden, zweifellos von zentraler Bedeutung für die Zukunft dieses Landes, möglicherweise sogar für die Sicherheit ganz Mitteleuropas sein wird.

Meine Position bei der Vorbereitung dieses Papiers, des Optionenberichtes, der dann ja auch diesem Haus zur weiteren Beratung vorgelegt wird, wird eine eindeutige sein, und zwar eindeutig in der Richtung, daß alles unternommen werden muß, um für unser Land ein Höchstmaß an Sicherheit herbeizuführen. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich das insbesondere


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in der Form sehe, daß Österreich am Aufbau einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur auch durch den Beitritt zu einer gesamthaften europäischen Sicherheitsorganisation mitwirkt. Zweifelsohne ist die mit Abstand effizienteste, die mit Abstand wirksamste und bedeutendste Organisation jetzt und für die nächsten Jahre die NATO.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Verteidigungsminister! Sie wissen, daß diese Frage der Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik auch eine Zeitfrage ist und es nicht unerheblich ist, wann diese Entscheidung getroffen wird. Sie selbst haben angedeutet, daß diese Entscheidung möglicherweise erst nach den nächsten Nationalratswahlen getroffen werden kann. Ich halte das für unverantwortlich. Herr Bundesminister! Was werden Sie unternehmen, um zu verhindern, daß diese wichtige Frage der Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik zu einem Wahlkampfthema gemacht wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich dafür eintrete, daß diesbezüglich die Entscheidung so früh wie möglich getroffen wird, und zwar deshalb, weil uns damit auch die beste Möglichkeit gegeben ist, den gegenwärtigen Aufbau und Werdungsprozeß im Rahmen der europäischen Sicherheitsarchitektur am stärksten mitzugestalten. Was ich darunter verstehe, ist folgendes: Es werden jetzt nicht nur grundlegende Entscheidungen getroffen, sondern auch Entscheidungen und Maßnahmen eingeleitet, die über Jahrzehnte hinweg die Sicherheitslandschaft Europas prägen werden und auch enorme Rückwirkungen auf Österreich haben können.

Das heurige Jahr ist dabei zweifellos ein Schlüsseljahr. Durch den sogenannten Gründungsvertrag zwischen der NATO und Rußland, im Mai dieses Jahres in Paris abgeschlossen, ist eine wesentliche Voraussetzung für eine ganz andere Sicherheitssituation in Europa entstanden, als wir sie in den letzten Jahrzehnten kennengelernt haben. Man muß sagen, daß dieser Vertrag und gleichzeitig auch die Madrider Beschlüsse im Rahmen der NATO-Konferenz, nämlich zur Ausweitung dieser Organisation, von so grundlegender Bedeutung sind, daß dies viele Menschen vielleicht, wenn sie sich nicht näher damit auseinandergesetzt haben, noch gar nicht ermessen können.

Was bedeutet das? – Das bedeutet, daß wir uns nicht nur am Ende des kalten Krieges, sondern bereits in der Nachära, in der Zeit nach dem kalten Krieg befinden und damit in einer neuen Phase des Aufbaues. Mit dem Erweiterungsbeschluß der NATO – in Zukunft sollen auch Polen, Tschechien und Ungarn Mitglieder werden – wird zum ersten Mal seit 50 Jahren diese Teilung von Jalta, die in Teheran bereits vorweggenommen wurde, effektiv überwunden. Das ist der erste bedeutende Schritt und auch der erste Schritt, den irgendeine Organisation in diese Richtung setzt.

Es ist gleichzeitig deshalb von enormer Bedeutung, weil uns bewußt sein muß, daß eine dauerhafte Stabilisierung Europas nur auf dem Wege der Sicherheitsintegration möglich sein wird. Warum? – Ich möchte auch dazu etwas ausführlicher Stellung nehmen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ja eine Fragestunde!)

Man muß davon ausgehen, daß es insgesamt nur drei Möglichkeiten gibt, dauerhafte Stabilität auf unseren Kontinent zu bringen.

Die erste Möglichkeit ist die Hegemonie eines Staates, der die anderen unter der Knute hält, wie das in der Vergangenheit im sowjetischen System der Fall war. – Das wollen wir nicht!

Die zweite Möglichkeit wäre, zu versuchen, durch ein Gleichgewicht der Kräfte auf Dauer Stabilität zu erreichen. Das ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Größenverhältnisse der Staaten leider nicht möglich, sodaß auf lange Sicht die einzige realistische Möglichkeit, auf diesem Kontinent Sicherheit und Stabilität zu gewähren, die Integration auf dem Sicherheitsgebiet ist. Wir wissen aber, daß der Prozeß im Rahmen der Europäischen Union viel mehr


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Zeit erfordert, daß nicht von einem Tag auf den anderen integriert werden kann. Insofern hat die Integration, die durch die NATO erfolgt, eine ganz besondere Bedeutung. Das ist das grundlegende Ereignis. Deshalb, weil dieses Ereignis bereits heuer stattgefunden hat, weil mit Ende dieses Jahres der Aufnahmeprozeß verhandlungsmäßig abgeschlossen wird und weil in der weiteren Folge dann eben auch der Ratifizierungsprozeß stattfindet und ab 1999 bereits zu erwarten ... (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte § 96 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu beachten!

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend (fortsetzend): Ich komme zum Schluß meiner Beantwortung dieser Frage: Da zu erwarten ist, daß unsere Nachbarn Tschechien, Ungarn und darüber hinaus auch Polen bereits 1999 Mitglieder sein werden, ist es auch für uns, wenn wir an diesem Prozeß entscheidend mitbeteiligt sein wollen, sehr ratsam, den frühestmöglichen Zeitpunkt zu überlegen, und dafür trete ich voll und ganz ein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Die Frage war: Was werden Sie tun? Das war nicht die Frage, Herr Minister!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte sehr.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundesminister! Österreich stehen also mehrere Optionen offen, seine Sicherheitspolitik zu gestalten. Nun wurden in letzter Zeit erfreulicherweise eine Reihe von Beschaffungsmaßnahmen für unser Bundesheer eingeleitet. Haben Sie dafür Sorge getragen, daß diese Beschaffungen für alle möglichen Optionen, die Österreich hat, auch zweckmäßig sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ja, Herr Abgeordneter. Es ist selbstverständlich davon auszugehen, daß Verteidigung im Verbund insgesamt günstiger ist, was uns in der Zukunft auch bei den Quantitäten Möglichkeiten ohne Sicherheitsrisiko einräumt, die wir in der Vergangenheit nicht gehabt haben. Selbstverständlich ist unsere gesamte Planung, insbesondere auch die Beschaffungsplanung und die Maßnahmen, bereits darauf ausgerichtet, einen Schritt zwar nicht vorwegzunehmen, aber soweit zu berücksichtigen, daß alle Maßnahmen so erfolgen, daß bereits eine Situation mit einkalkuliert ist, die vielleicht erst in den nächsten Jahren eintreten wird, nämlich der Beitritt zu einer gesamteuropäischen Sicherheitsorganisation, wie der NATO oder der WEU, so daß dann keine Veränderungen in der Technik mehr erforderlich sein werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wabl.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Ich habe heute wieder etwas gelernt: Ich wußte nicht, daß die USA schon zu Europa gehören. Ich habe mir gedacht: NATO, das ist der Nordatlantikpakt. Aber daß Sie das als europäisches Sicherheitssystem betrachten, entspricht auch Ihrer Geisteshaltung.

Sie haben heute auch sehr wortreich erklärt, warum es das Beste ist, daß Österreich der NATO beitritt. Herr Bundesminister! Sind Sie dafür, daß der Volksentscheid darüber möglichst bald durchgeführt wird, ob Österreich der NATO beitreten oder das bewährte Modell der Neutralität weiterentwickeln soll?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich bin dafür, daß sich Regierung und Parlament möglichst bald entscheiden. Das muß auch die Grundlage für eine entsprechende Information beziehungsweise für Überlegungen hinsichtlich einer Befassung des Volkes sein. Denn das, was das Volk völlig zu Recht von uns erwartet, ist, daß Regierungsmitglieder, daß Parlamentarier sagen, was sie als richtig erachten, und nicht versuchen, die Verantwortung auf das einfache Volk abzuschieben. (Beifall bei der ÖVP.) Wenn wir nicht den


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Mut haben, voranzugehen und in unseren Aussagen klar zu sein, dann haben wir unsere Funktion verloren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Moser. – Bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Österreich ist seit längerem Mitglied der NATO-Partnerschaft für den Frieden. Daher richte ich an Sie jetzt die Frage: Welche Möglichkeit bietet diese Partnerschaft für den Frieden im Rahmen der NATO, die Organisation, die Ausrüstung und auch das Führungsverfahren innerhalb des Bundesheeres an den europäischen Standard und an die europäischen Gegebenheiten anzupassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Die NATO-Partnerschaft für den Frieden ist eine Einrichtung, die nach der Zeit des kalten Krieges das erste Gesamteuropa umspannende Organisationsnetz betroffen hat und damit die Kooperation zwischen den Mitgliedern, die auf der einen Seite die atlantischen Länder, aber auch alle europäischen Länder darstellen, ermöglicht. Dazu ist zu sagen, daß das Zentrum der Aktivitäten der NATO-Partnerschaft für den Frieden in der Zusammenarbeit liegt, im Austausch von Gedankengut, auch in der konkreten Vorbereitung und Durchführung von Übungen, möglicherweise in Zukunft auch von Einsätzen, wobei selbstverständlich vor allem friedenserhaltende, friedensstiftende Maßnahmen im Vordergrund stehen, wobei gleichzeitig auch das Ziel, die Demokratisierung auf den gesamten Kontinent auszubreiten, sehr stark mitschwingt.

Das heißt, es ist ein Element geworden, das – nicht nur geistig und ideologisch, sondern auch sicherheitsmäßig, auch dadurch, daß es ein gemeinsames Forum für Beratungen bildet und möglicherweise sogar ansatzweise die eine oder die andere Entscheidung trifft – ein Instrument der Zusammenarbeit, der Friedenspolitik für ganz Europa darstellt. Auf den Ausrüstungssektor hatte dies bis jetzt nur sehr bedingt Auswirkungen. Das Wesen liegt sicherlich in der Frage des Zusammentreffens und der Beratung, des Meinungsaustausches und der Durchführung von Übungen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Frage? – Kollege Leikam, bitte.

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Die Antworten, die Sie auf die bisher gestellten Fragen gegeben haben, lassen natürlich vieles offen. Die Fragestunde als solche ist wahrscheinlich auch von der Thematik her hochinteressant, aber die Zeit, die uns bleibt, erlaubt es nicht, im Detail auf die Fragen einzugehen. Es müßte zum Beispiel geklärt werden, wer das "einfache Volk" ist und ob wir die Bevölkerung mitbestimmen lassen wollen oder nicht. Es gibt also noch viele große Fragezeichen.

Konkret darf ich Sie fragen: Auf welchen Gebieten erfolgt eine Mitarbeit Österreichs im Rahmen der verstärkten Partnerschaft für den Frieden der NATO, also im Rahmen der PfP-Plus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Im wesentlichen auf den bereits bisher angesprochenen Gebieten, nämlich insbesondere bei der Vorbereitung und Durchführung von Übungen. Es wird jeweils ein Übungskalender erstellt, der längerfristig, also für ein bis zwei Jahre, vorbereitet wird. Damit wird ja auch dieses Haus befaßt. Dabei werden nicht nur alle Möglichkeiten von Krisenszenarien, wie etwa Katastrophenfälle, sondern insbesondere auch friedenssichernde, friedenserhaltende Einsätze miteinander erprobt. Erst kürzlich hat es eine derartige Übung in unmittelbarer Grenznähe in Südtirol gegeben, an der auch österreichische Soldaten teilgenommen haben.

Darüber hinaus darf man die Wirkung nicht unterschätzen, die daraus resultiert, daß zumindest zweimal im Jahr ein gesamteuropäischer Kongreß stattfindet, an dem die Verteidigungsminister, die Außenminister, die Generalstabschefs und führende Sicherheits- und Militärpolitiker aus


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allen Ländern Europas teilnehmen; damit finden natürlich auch gesamthafte europäische Sicherheitsberatungen statt.

Den Unterschied zur Vollmitgliedschaft macht zweifellos an erster Stelle das Mitbestimmungsrecht aus. Da im wesentlichen die Beschlußfassung durch die Vollmitglieder bereits vorher fällt, der Abstimmungsprozeß mit Rußland, möglicherweise sogar mit der Ukraine, unmittelbar im Anschluß daran erfolgt, noch bevor die übrigen Mitglieder der NATO-Partnerschaft für den Frieden zusammentreten und eingeladen werden, ist es sicherlich ratsam, diesen Teil nicht den anderen zu überlassen, sondern die Chance zu ergreifen, auch daran mitzuwirken.

Wir wissen heute bereits, daß im Rahmen der NATO ganz wichtige Entscheidungen fallen, auch was Mitteleuropa betrifft, etwa dahin gehend, ob Mitteleuropa einmal durch das Kommando Nord oder durch das Kommando Süd organisationsmäßig betreut und wahrgenommen wird, was auch eine Auswirkung auf eine zukünftige Mitgliedschaft Österreichs hat. Das können wir im Rahmen der NATO-Partnerschaft für den Frieden nicht mit beeinflussen, dazu müssen wir Vollmitglied werden, um auch unsere Vorstellungen entsprechend einbringen, durch ein Veto etwas verhindern und auf der anderen Seite auch Dinge initiativ einleiten zu können.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet. – Bitte sehr.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Herr Präsident. Es war unschwer zu erkennen, daß die Beantwortung der ersten Frage nicht dem Wortlaut der Frage entsprochen hat. Ich würde den Herrn Verteidigungsminister ersuchen, entweder die Beantwortung jetzt nachzuholen oder sie schriftlich nachzureichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich überprüfe gemäß ständiger parlamentarischer Tradition die Anfragebeantwortungen inhaltlich nicht. Der Herr Bundesminister ist jedoch selbstverständlich dazu berechtigt, noch ergänzende schriftliche Ausführungen zu machen.

Herr Bundesminister! Nach den zwingenden Bestimmungen der Geschäftsordnung kann ich Ihnen jedoch das Wort zu einer mündlichen Stellungnahme nicht erteilen, weil der nächste Abgeordnete das Recht hat, seine Frage zu stellen. Vielleicht können Sie schriftlich ein paar ergänzende Ausführungen nachreichen. (Bundesminister Dr. Fasslabend: Sehr gerne!)  

Nächste Anfrage: Abgeordneter Gaál, bitte.

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Die österreichische Landesverteidigung muß den neuen Sicherheitsaufgaben angepaßt werden, es bedarf struktureller Veränderungen. Daher meine Frage:

163/M

Durch welche organisatorischen Maßnahmen in der Heeresgliederung und in der Führungsstruktur wird das Bundesheer auf diese neue Aufgabenstellung vorbereitet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben die sicherheitspolitischen Veränderungen in unserem Umfeld bereits Anfang der neunziger Jahre als erstes Land Europas damit beantwortet, daß wir eine Reduzierung des Mobilisierungsrahmens vorgenommen und gleichzeitig die Präsenzkräfte gestärkt haben, dem ordnungsgemäß Rechnung getragen durch eine Umgestaltung der Regimenter durch die Aufstellung von neuen Brigaden und auch durch eine Reduktion der Kommanden. Wir werden, da sich die sicherheitspolitischen Veränderungen fortgesetzt haben, diesen Weg auch in Zukunft weitergehen. Das heißt, wir werden die Präsenzkräfte im Vergleich zu den Reservekräften beziehungsweise den Kräften, die im Einsatzfall mobilisiert werden, tendenziell verstärken, und wir werden gleichzeitig auch die Anzahl der Kommanden weiterhin laufend auf ihre absolute Funktionsnotwendigkeit überprüfen. Ich habe ja bereits im Sicherheitsbericht, den ich im vergangenen Jahr vorgelegt habe, darauf hingewiesen, daß diesbezüglich konkrete Maßnahmen bevorstehen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Können Sie mir die Auswirkungen in bezug auf Heeresumfang, Präsenzstärke und Einsatzstärke konkreter erläutern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben in der Vergangenheit die Präsenzstärke so formiert, daß wir nun jederzeit in der Lage sind, im Falle einer Krise 10 000 Mann auf die Beine zu bringen; darüber hinaus gibt es einen Mobilisierungsrahmen von über 100 000 Mann. Man kann heute davon ausgehen, daß wir auch in Zukunft, solange wir nicht Mitglied eines Verteidigungsbündnisses einer Sicherheitsorganisation sind, einen Mobilisierungsrahmen von zirka 100 000 Mann nicht unterschreiten sollten.

Auf der anderen Seite aber müssen wir auch in der Lage sein, präsenzmäßig zu verstärken und präsenzmäßig ein möglichst hohes und aufwendiges Aufgabenspektrum zu erfüllen, und zwar auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit anderen Ländern, weil Sicherheit jenseits der Grenze eine immer größere Bedeutung erhält. Das heißt, wir werden systematisch darangehen, auch die Brigadestruktur im Bundesheer zu erweitern. Wir werden weiters davon ausgehen, daß wir die rasch verfügbaren und rasch einsetzbaren Kräfte noch weiter in der Form ausbilden, daß ganze Einheiten innerhalb weniger Tage auch tatsächlich entsandt werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Ihr Generaltruppeninspektor hat am 23. Mai dieses Jahres hier in diesem Haus zur Frage der Bündnismitgliedschaft und zur Frage der Heeresreform gesagt: Wenn die Streitkräfte reformiert werden sollen, müssen sie vorher wissen, wohin es geht. – Wir haben also jetzt eine Heeresreform laufen, die in einer Art permanenten Revolution zur Heeresgliederung Neu umgeformt wird. Ohne Bündnismitgliedschaft stellt sich die Frage, wie und nach welchen Kriterien Sie eine Heeresreform und -gliederung durchführen wollen, wenn Sie nicht wissen, wohin es geht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich stimme mit dem Herrn Generaltruppeninspektor völlig darin überein, daß grundsätzliche Neuorganisationen wie eine Systementscheidung davon abhängig gemacht werden sollen und müssen, ob wir einer Verteidigungsorganisation, einer Sicherheitsorganisation angehören oder nicht. Selbstverständlich heißt das aber nicht, daß keine Adaptionen und gar keine Änderungen erfolgen können. Im Gegenteil: Laufende Anpassungen an unser Umfeld, an die Entwicklung und auch an die bisherigen Erfahrungen sind notwendig und werden vom Herrn Generaltruppeninspektor und mir in gleicher Weise nicht nur gefördert, sondern auch eingeleitet und durchgeführt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Sauer, bitte.

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Bundesheer hat eine große Anzahl von technischem Gerät. Für dieses braucht man natürlich Werkstätten und gut ausgebildete Fachkräfte. Es ist in der letzten Zeit sehr viel über Lehrlinge gesprochen worden. Wie viele Lehrlinge sind in diesen Fachwerkstätten beschäftigt? Und: Ist die Ausbildung von Lehrlingen auch in Zukunft gewährleistet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben im Hinblick auf die Notwendigkeit, gerade die technische Perfektion unserer Einrichtungen zu verbessern, auch was die Selbstversorgungsmöglichkeit und Kapazität im Krisenfall betrifft, eigene Werkstätten


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und auch entsprechendes Fachpersonal und auch immer die Intention gehabt, diesbezüglich entsprechend zukunftsorientiert zu handeln.

Der Engpaß auf dem Lehrstellensektor ist ein weiterer Grund dafür gewesen, daß wir die Anzahl der Lehrstellen in diesem Jahr entscheidend erhöht haben, und zwar auf über 120. Das bedeutet de facto fast eine Verdoppelung der Lehrstellen in diesem Jahr, was die Planstellen betrifft, eine Erhöhung um zirka 30 Prozent, sodaß ich sagen kann, daß damit nicht nur eine verbesserte Gewähr dafür gegeben ist, daß wir auch in Zukunft Eigenkapazität auf dem technischen Sektor besitzen werden, eine Eigenkapazität, die im Krisenfall besonders notwendig ist, sondern daß wir damit auch einen zusätzlichen positiven Beitrag zur Lehrlingsausbildung und zur Beschäftigung von Jugendlichen in Österreich geleistet haben und wahrscheinlich auch Beispielwirkung für viele andere Stellen des öffentlichen Dienstes haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Wabl.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Die Frage eines Vorredners, wohin die Reise beim Bundesheer geht, haben Sie in Prag mit dem Satz beantwortet: "Verhalten, als ob wir Mitglied der NATO wären". Ist diese Umstrukturierung, wie Sie sie betreiben, bereits in diesem Sinne zu verstehen, daß Sie also bereits alle Vorbereitungen treffen, damit wir dann bei der NATO möglichst nahtlos integriert werden können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Die österreichische Bundesregierung hat vor dem Beitritt zur Europäischen Union eine Vorgangsweise gewählt, die wir damals als den autonomen Vorvollzug betrachtet haben, das heißt, nicht nur die Bundesregierung, sondern auch das Parlament hat etwa Beschlüsse, Maßnahmen, institutionelle Einrichtungen schon so konzipiert und von vornherein darauf ausgerichtet, als wären wir Mitglied, sodaß wir dann im Falle einer späteren Mitgliedschaft nicht umfangreiche Änderungen vornehmen müssen, sondern bereits bewährte Systeme von vornherein bei uns einführen können. (Abg. Dr. Nowotny: Für die NATO gilt das nicht!)

Selbstverständlich ist nicht nur bereits in der Vergangenheit einfach aufgrund der Tatsache, daß die NATO die mit Abstand effizienteste Sicherheitsorganisation der Welt ist, ihr Modell auch Modell für uns bei verschiedenen Überlegungen und Einrichtungen gestanden, und selbstverständlich wäre es jetzt, in der Vorphase, wo wir uns konkret damit beschäftigen, daß wir in Zukunft nicht nur sehr eng zusammenarbeiten sollen, sondern ob Österreich beitreten soll, sicherlich völlig falsch, das nicht zu tun.

Das heißt, selbstverständlich verhalten wir uns bei allen Änderungen, bei allen Neueinführungen bereits so, als würden wir eine Mitgliedschaft fix ins Auge fassen, um nicht im Falle des Beitritts dann mit noch größeren Kosten kurzfristig Änderungen vornehmen zu müssen. Das ist insofern von einer ganz besonderen Bedeutung, als die NATO in den letzten Jahren die entscheidende Funktion für die Gewährleistung der Sicherheit in Europa auch außerhalb des Vertragsgebietes übernommen hat.

Herr Abgeordneter! Sie müssen davon ausgehen – und Sie wissen das sehr genau –, daß der schreckliche Krieg in Bosnien nur durch den Einsatz der NATO beendet werden konnte – und auch durch das Zusammenstehen mehrerer Staaten, darunter auch Österreich, in Form einer Assistenzleistung. Wir müssen auf der anderen Seite sagen, daß diese besonders effiziente Art der Kooperation nur dann möglich ist, wenn man mit gleichen beziehungsweise ähnlichen Verfahren und Standardisierungen vorgeht. Insoferne ist eine gesamteuropäische Sicherheitsleistung eigentlich nur dann möglich, wenn man sich auch darauf einstellt. Daher haben wir vom Kartenwerk der österreichischen Militärkarten bis hin zu besonderen Verfahren oder auch zur Sprachausbildung schon sehr, sehr viel vorweggenommen und werden das auch in Zukunft tun.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Moser. – Bitte sehr.


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Abgeordneter Hans Helmut Moser
(Liberales Forum): Herr Bundesminister! Die von Ihnen dargestellte Kooperation und Zusammenarbeit ist ja im Rahmen der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" möglich und wird auch auf der Grundlage dieser Partnerschaft durchgeführt. Ich möchte aber auf die eigentliche Fragestellung des Kollegen Gaál zurückkommen. Ich möchte Sie fragen – weil es auch bei Ihrer Beantwortung so durchgeklungen ist und in der Vergangenheit immer wieder üblich war, daß Heeresreformen sich eigentlich auf eine Reduzierung des Umfanges des Bundesheeres und die Auflösung von Truppenkörpern beschränken –: Herr Bundesminister! Wann werden Sie Maßnahmen treffen, um die überzogene Militärbürokratie abzuspecken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich habe mit der Durchführung dieser Maßnahmen bereits 1991 begonnen. Wie Sie wissen, habe ich damals nicht nur eine Reform des Ministeriums mit einer deutlichen Reduzierung der Planstellen vorgenommen, sondern ich habe das Armeekommando aufgelöst, ich habe fast die Hälfte der infanteristischen Kommanden aufgelöst und eine Umstrukturierung vorgenommen, und ich werde diesen Prozeß weiterführen. (Abg. Hans Helmut Moser: Aber die Anzahl der Planstellen ist gleichgeblieben!)

Wir haben Jahr für Jahr im administrativen Teil eine ganze Reihe von Planstellen – und nicht nur von Planstellen – eingespart und damit auch das Kostenniveau im Personalbereich niedriger als in anderen Ressorts halten können, was uns auch die Möglichkeit gegeben hat, ohne besondere Ausdehnung des Budgets auch die eine oder andere wichtige Anschaffung vornehmen zu können.

Selbstverständlich werde ich insbesondere den Bereich der Verwaltung, den gesamten Bereich der Administration in den Ämtern, im Ministerium, aber durchaus auch in den höheren Kommanden überprüfen, die Organisation weiter verschlanken, das eine oder das andere Kommando auch auf seine Notwendigkeit hin genau überprüfen und es, wenn sich herausstellen sollte, daß es nicht notwendig ist, eben auch abschaffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Im Hinblick auf die achtminütige Unterbrechung möchte ich die nächste Frage noch aufrufen. Ich bitte aber um kurze Zusatzfragen, um kurze Antworten.

Wir kommen nunmehr zu 6. Anfrage an den Herrn Bundesminister. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Abgeordneten Hans Helmut Moser, um die Verlesung der Anfrage.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister!

167/M

Werden Sie Ihre im Landesverteidigungsrat vom Dezember 1996 gemachte Zusage einer Beschaffung des ASCOD-Schützenpanzers und des PANDUR-Radpanzers noch im Jahr 1997 einhalten, zumal bis heute noch keine offiziellen Verkaufsverhandlungen mit den österreichischen Steyr-Werken geführt wurden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Wie Ihnen bekannt ist, haben wir beim Beschluß der Beschaffung des Mech-Paketes, das die Produkte LEOPARD, JAGUAR, ASCOD, ULAN und PANDUR umfaßt, auch einen Zeitplan erstellt, der davon ausgeht, daß die konkreten Vertragsverhandlungen und -abschlüsse mit einem österreichischen Unternehmen hinsichtlich ASCOD, ULAN und PANDUR eben erst zum Jahresende beziehungsweise unmittelbar davor erfolgen sollen.


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Die diesbezüglichen Vorbereitungen im Ministerium sind eingeleitet worden, und ich erwarte auch, daß der Abschluß vor Jahresende erfolgt. Selbstverständlich ist er auch abhängig von den Vertragsverhandlungen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Eine Zusatzfrage. Bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Welcher Zeitplan ist für die Einführung dieser beiden für die Modernisierung des Bundesheeres so wichtigen Gegenstände vorgesehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Das ist letztendlich erst unter Berücksichtigung auch der technischen Kapazitäten und Möglichkeiten und der konkreten Offertpreiserstellung durch das anbietende österreichische Unternehmen Steyr mit letztgültiger Sicherheit zu beantworten. Im wesentlichen, muß man sagen, wird die Beschaffung dieser Produkte in den nächsten Jahren, das heißt ab Vertragabschluß in den nächsten fünf Jahren, wenn man davon ausgeht, daß ein Vorlauf von zirka zwei Jahren erforderlich sein wird, um die Erstmodelle entsprechend testen zu können, in der Planung berücksichtigt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Eine Zusatzfrage stellt Kollege Grabner.

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Bundesminister! Durch welche Maßnahmen werden Sie die Nachtkampffähigkeit der österreichischen Panzerabwehr, wie zum Beispiel bei dem erst kürzlich geschaffenen System JAGUAR, sicherstellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir werden sie durch die Beschaffung von Nachtsichtgeräten sicherstellen.

Über den Zeitpunkt der Beschaffung ist allerdings noch keine letztgültige Entscheidung gefallen, weil das aufgrund der nicht unerheblichen Kosten natürlich auch nach Prioritäten zu erfolgen hat – und damit auch in Abstimmung zu den anderen Beschaffungsprojekten, wie etwa PANDUR oder ASCOD.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Schöggl.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Bei Beschaffungsvorgängen des österreichischen Bundesheeres geht es immer wieder auch um österreichische Arbeitsplätze. Deshalb meine Frage: Durch welche Maßnahmen werden Sie sicherstellen, daß der österreichische Wertschöpfungsanteil an den geplanten Beschaffungsvorgängen deutlich über 50 Prozent zu liegen kommen wird und eventuell geplante Unterauftragsvergaben von Komponenten an das Ausland, zum Beispiel an NATO-Beitrittskandidaten, unterbleiben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir werden das betreffende österreichische Unternehmen in jeder Phase der Beschaffung auf die getroffenen Zusagen nicht nur hinweisen, sondern sie auch zur Einhaltung während der gesamten Zeit entsprechend verpflichten beziehungsweise dazu veranlassen, weil es selbstverständlich auch eine wichtige Grundlage unserer Entscheidung war, daß dadurch österreichische Arbeitsplätze gesichert werden.

Was wir bereits als erreicht betrachten können, und zwar in einem ganz hohen Ausmaß, ist, daß wir durch die Beschaffung etwa der PANDUR-Radpanzer, die in einer ersten Phase ja im wesentlichen auch für Auslandseinsätze im Projekt "Foreign" vorgesehen waren, die Firma Steyr in die Lage versetzt haben, auch international anzubieten und damit Erfolg zu haben. Über Weiteres werde ich Ihnen gerne noch im Detail Auskunft geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Murauer, bitte.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Als Abgeordneter aus Steyr interessiert mich natürlich bei der Beschaffung des Bundesheeres auch die wirtschaftliche Komponente. Herr Bundesminister! Wieweit haben sich aufgrund des Ankaufes der Randpanzer PANDUR weitere internationale Geschäfte und welche angebahnt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich habe es bereits kurz angerissen. Zweifellos hat die Tatsache, daß Österreich bei der Firma Steyr in den letzten Jahren 68 Stück PANDUR gekauft und damit die Firma Steyr in die Lage versetzt hat, dieses Produkt nicht nur zu entwickeln, sondern auch tatsächlich auf den Markt zu bringen, dazu geführt, daß sie international erfolgreich anbieten konnte.

Das, was bereits vorliegt, ist etwa ein Auftrag der belgischen Armee im Ausmaß von zirka einer halben Milliarde Schilling, also 500 Millionen Schilling, über den Ankauf von PANDUR. Des weiteren sind in einigen europäischen und außereuropäischen Staaten sehr erfolgversprechende Offertstellungen vorhanden. So liegt großes Interesse etwa in Thailand vor, und da kann man davon ausgehen, daß der PANDUR sich zweifellos im Spitzenfeld der Bewerber befinden wird. Wir wissen, daß in Europa etwa Polen ein sehr großes Interesse auch an PANDUR gezeigt hat, sodaß durchaus zu erwarten ist, daß es in den nächsten Jahren, wenn die Vertragsabschlüsse alle wie geplant durchgeführt werden können, möglicherweise zu einer größeren Beschaffung kommen wird. Das wären in diesem Fall wahrscheinlich bis zu 1 000 Stück, was etwa den österreichischen Bedarf der nächsten Jahre weit übertreffen wird. Dadurch wird natürlich für dieses österreichische Unternehmen ein gewaltiger Effekt entstehen, der nicht möglich gewesen wäre, wenn wir nicht diese Auftragsvergabe an Steyr vorgenommen hätten. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wabl. Bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Ich muß sagen, ich bin einigermaßen fassungslos über Ihre Ausführungen bei meiner letzten Frage. Sie kündigen hier in aller Öffentlichkeit vor dem Parlament Verfassungsbruch an. Sie haben als Exekutive, als Minister der österreichischen Bundesregierung den Art. 9a der Bundesverfassung zu erfüllen. Was Sie hier demonstrieren, ist die Vorbereitung eines Verfassungsbruches. Das ist ein Skandal! (Rufe bei der ÖVP: Frage!) Herr Bundesminister! Ich weiß, daß Sie das zum Lachen finden. (Weitere Rufe bei der ÖVP: Frage!) Ich halte das für einen unglaublichen Affront gegenüber diesem Haus.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um die Frage!

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Ich habe an diesen Minister keine Fragen mehr zu stellen. (Abg. Dr. Maitz: Eine ungeheure Unterstellung ist das!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Den eingelangten Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Bank Austria AG (III-100 der Beilagen) weise ich dem Rechnungshofausschuß zu.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich teile vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß der Herr Abgeordnete Barmüller beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über


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den Antrag 403/A der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend Aufnahme der steirischen Slowenen in den Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe eine Frist bis zum 5. November 1997 zu setzen.

Es liegt auch der Wunsch vor, nach § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine kurze Debatte darüber abzuführen. Ich werde diese Debatte um 15.00 Uhr zum Aufruf bringen. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird dann unmittelbar nach Schluß dieser Kurzdebatte stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was die heutige Tagesordnung betrifft, liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 5 und 6, 7 und 8 sowie 9 bis 11 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten am heutigen Tag wie folgt erzielt:

Es wurde eine Tagesblockredezeit von sieben Stunden in Aussicht genommen, woraus sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 105 Minuten, ÖVP 98 Minuten, Freiheitliche 91 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten.

Ich frage das Hohe Haus, ob es dagegen Einwendungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Redezeit beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 450/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz geändert werden (868 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 482/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 302/1979, 353/1986, 720/1988, 569/1993 und 438/1996, geändert wird (869 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 506/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz geändert werden (870 der Beilagen)


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4. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden (871 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es liegt mir der Wunsch einer Berichterstattung zum Punkt 1 durch den Abgeordneten Wabl vor. Ist das richtig? (Abg. Wabl verneint.) Nein. Gut.

Gibt es zu anderen Punkten den Wunsch nach Berichterstattung? – Das ist nicht der Fall. Dann gehe ich sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. Freiwillige Redezeit 10 Minuten.

11.18

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Präsident! Hohes Haus!

Will man dem Gedanken einer verstärkten parlamentarischen, das heißt oppositionellen Kontrolle Rechnung tragen, will man dem Parlament auf dem Gebiet der Kontrolle ein Äquivalent für die Zurückdrängung auf dem Gebiet der Gesetzgebung geben und die wachsende Macht der Verwaltung durch Intensivierung der Kontrolle zu kompensieren versuchen, dann muß man sich zu einer Konstruktion durchringen, welche die Einleitung und Durchführung von Kontrollhandlungen auch einer qualifizierten Minderheit ermöglicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unvollständig und unbrauchbar sind alle jene Kontrollinstrumente, deren Anwendung an einen Mehrheitsbeschluß des Nationalrates gebunden ist. Das gilt zum Beispiel für parlamentarische Untersuchungsausschüsse, deren Einsetzung an einen Mehrheitsbeschluß des Nationalrates und damit direkt oder indirekt an die Zustimmung der Kontrollierten zurzeit noch gebunden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dort, meine Damen und Herren, wo die Prüfungsergebnisse eine genauere Untersuchung angezeigt erscheinen lassen, muß auch eine qualifizierte Minderheit des Nationalrates solche Untersuchungen entweder durch einen Prüfungsauftrag an den Rechnungshof, durch einen Untersuchungsausschuß oder durch Hearings im Rahmen der bestehenden Ausschüsse herbeiführen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wäre daher nur sinnvoll, Kontrollrechte wie etwa Untersuchungen der Verwaltungstätigkeit nicht der Parlamentsmehrheit, sondern einer qualifizierten Minderheit des Parlamentes einzuräumen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wäre begrüßenswert, meine Damen und Herren, das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, als Minderheitsrecht einzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu muß man sagen: Es ist immer so: Die Mehrheit bremst immer, wenn die Kontrollen ausgeweitet werden sollen, und die Minderheit will immer Kontrollen, ganz gleich, in welcher Situation sich gerade Mehrheit oder Minderheit bei welcher Partei befindet, nur, glaube ich, sollte man gleichzeitig bemüht sein, den längeren Blick zu haben und zu wissen, daß jede Mehrheit eines Tages wieder Minderheit sein kann, wenn überhaupt das System funktionieren soll. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Bravo!)

Wenn wir nicht, meine Damen und Herren, zu einer Weiterentwicklung der Demokratie bereit sind, bereit, dafür einzutreten, und diese Gesinnung verändern wollen und alle jene Mächtigen dazu bringen, eine weitgehendere Kontrolle zuzulassen, dann gehen wir einen Schritt zurück und nicht einen Schritt vorwärts. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Vor allem meiner Fraktion muß ich sagen, daß der mir gespendete Applaus völlig unverdient ist. All das, was Sie jetzt gehört haben, waren Zitate, Sätze, die nicht von mir stammen, sondern von ehemaligen oder auch derzeitigen Mitgliedern des Hohen Hauses aus dem Kreise der SPÖ und ÖVP. Kein einziger Satz war von mir! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ging mir bei diesen Zitaten nicht um billiges politisches Kleingeld. Es geht mir darum, zu zeigen, daß, gemeinsam mit den Anträgen der jetzigen Oppositionsparteien und über einen längeren Zeitraum gesehen – über einen längeren Zeitraum! – in der Frage der Kontrollrechte als Minderheitsrechte und gerade in der Frage der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht Grundkonsens besteht. Es haben alle politischen Gruppierungen in diesem Hohen Haus irgendwann einmal die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen aus, wie ich meine, guten Gründen als Minderheitsrecht eingefordert.

Lassen Sie mich mit einem weiteren Zitat fortsetzen. Max Weber hat zu Beginn der Republik in Deutschland verlangt, daß das Einsetzen von Untersuchungsausschüssen einem Fünftel der Abgeordneten zustehen soll. Den gleichen Vorschlag enthielten, was noch wichtiger ist, 1919/20 in Österreich die Verfassungsentwürfe sämtlicher politischen Parteien mit Ausnahme jener der Sozialdemokraten, allerdings, das muß man sofort hinzufügen, waren es insbesondere Otto Bauer und Danneberg, die im Zuge der Verfassungsreform 1929 einen entsprechenden Vorstoß machten, und zwar mit dem Argument – ich werfe ein: heute todsicher noch gültigen Argument –, mit der Verfassungsreform 1929 sei gegenüber der vorherigen Situation die Regierung gestärkt worden.

Man muß noch hinzufügen: Gründe, die gegen Minderheitsrechte als Kontrollrechte einmal sprachen, bestehen heute sicher nicht mehr. Zum ersten steht jede parlamentarische Fraktion in diesem Haus in der Zweiten Republik auf dem Boden der parlamentarischen Demokratie – im Unterschied zur Ersten Republik. Zweitens ist das politische Bewußtsein, der Parlamentarismus so verankert, daß die Parlamentsobstruktion wohl ein historisches Relikt ist. Und drittens: Die Folgerung daraus wäre: Kontrollrechte müssen im Prinzip Minderheitsrechte sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch das waren Zitate, und zwar habe ich mir erlaubt, mich selbst aus einer parlamentarischen Enquete im Jahre 1981 zu zitieren, womit ich beweisen möchte, daß ich heute, wenn ich diese Position vertrete, sie nicht als tagespolitische Forderung in den Raum stelle, sondern es sich um eine von mir schon vor langer Zeit angestellte Überlegung handelt.

Ich möchte noch einmal folgendes betonen: Langzeitlich betrachtet gibt es hier in unserer Zweiten Republik einen Grundkonsens dahin gehend, auch Untersuchungsausschüsse als Minderheitsrecht zu gestalten. Wir brauchen uns dessen nicht zu genieren, denn es ist dies, sozusagen, EU-Standard.

Gestatten Sie mir nur einen Hinweis: In den 17 Parlamenten der Bundesrepublik Deutschland – in 16 Landtagen und im Bundestag – steht das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, in der geringeren Anzahl der Parlamente einem Viertel der Abgeordneten zu, in der schwachen Mehrheit sogar einem Fünftel der Abgeordneten. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!) Ich glaube, daß man durchaus die Frage stellen kann: Sind wir in Österreich parlamentarisch nicht so reif, wie man es in den deutschen Ländern ist, einschließlich der neuen Länder, die lange Zeit, seit dem Jahre 1933, keine Demokratien waren? Sind wir nicht ebenso reif wie sämtliche deutschen Landtage oder der deutsche Bundestag? Warum kann es nicht so sein, daß wir mit diesen europäischen Standards gleichziehen?

Meine Damen und Herren! Ein von den Oppositionsparteien gefordertes Minderheitsrecht eines Viertels der Abgeordneten würde dieses Recht heute keiner einzigen Oppositionspartei allein zugänglich machen. Jene Parteien, welchen dieses Recht zustünde, nämlich allein zustünde, wären ausschließlich die jetzigen Regierungsparteien. Daher frage ich mich: Was wird denn befürchtet? Wird befürchtet, daß eine Regierungspartei gegen die andere eine Flut von


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Anträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen stellt? – Diese Frage ist klar mit einem Nein zu beantworten. Es wird wohl aufgrund der Koalitionsabsprache nicht so sein. Auch dann, wenn der eine oder andere Abgeordnete einer Regierungspartei der Meinung wäre, es bedürfe eines Untersuchungsausschusses etwa gegen einen Innenminister, würde er wohl mit seiner Meinung doch nicht zum Zug kommen. Oder wird befürchtet, es gäbe eine Flut von gemeinsamen Anträgen Heide Schmidt, Jörg Haider betreffend die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen? (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Von einer Flut würde aber überhaupt nicht die Rede sein können, denn nach der Meinung der Oppositionsparteien sollte ja dieses Recht beschränkt werden. Und was, wenn es so wäre?

Es gäbe durchaus einen Kompromiß, Hohes Haus, und ich bedauere, daß nicht einmal versucht wurde, diesen Kompromißweg zu beschreiten. Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen sollte ein Minderheitsrecht sein, die Fortführung des Untersuchungsausschusses ein Mehrheitsrecht. Das wäre die Bremse und eine Sicherstellung, daß der Untersuchungsausschuß ordnungsgemäß abläuft. Aber es ist nicht so, und es wird daher für die Oppositionsparteien vermehrt die Notwendigkeit bestehen, die bisherigen Kontrollrechte anzuwenden.

Wenn man diesen Hintergrund und die tatsächliche Situation kombiniert, nämlich den von mir zitierten Grundkonsens, und weiß, was an diesem Tag geschehen wird, so bleibt der Verdacht haften, daß es sich hier um ein Maßnahmengesetz handelt, ein Maßnahmengesetz deswegen, weil – ich verweise zum Beispiel auch auf den Zweiten Präsidenten Dr. Neisser – durchaus anerkannt wird, daß das Einsetzen von Untersuchungsausschüssen ein Minderheitsrecht sein soll, nur jetzt soll es kein Minderheitsrecht sein. Da ist auch die Meinung von zwei Politikern aus den Regierungsparteien, die meinen, man könne zu diesem Zeitpunkt und bei der derzeitigen Haltung der Opposition – "der Opposition", also Einzahl (Abg. Dr. Graf: Es gibt ja nur die FPÖ als Opposition!); so die APA-Meldung und die damalige Tagespresse nach der entsprechenden Ausschußsitzung – dieser dieses Instrument jetzt nicht in die Hand geben.

Meine Damen und Herren! Wenn ich dieses Motiv mit dem soeben Gesagten kombiniere, verstärkt sich der Eindruck, daß es sich hier um ein Maßnahmengesetz handelt, beträchtlich. Aber es handelt sich leider um noch viel mehr: Angesichts dieser Motive handelt es sich auch um ein Minderheitsstrafgesetz. Ich möchte mich nicht zum Sprecher anderer Gruppen hier im Hause machen, aber objektiv betrachtet ist es nicht nur ein Minderheitsstrafgesetz, sondern es kommt noch dazu, daß unter "Opposition" zwei Gruppen verstanden werden, denen man vielleicht schon aufgrund ihrer Stärke nicht unbedingt vorwerfen kann, Oppositionsmittel exzessive gebraucht zu haben. – Mitgefangen, mitgehangen, wenn man Opposition ist, an die Adresse der Grünen und Liberalen gesagt.

Ich halte es für einen Rückschritt in unserem Parlamentarismus, daß wir nach der Diskussion, die über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen stattgefunden hat, dennoch dabei bleiben wollen, das heißt, die Mehrheit dieses Hauses dabei bleiben wird, daß dies ein Mehrheitsrecht bleibt. Das entspricht weder der österreichischen Tradition im Diskussionsstand noch dem beschworenen Grundkonsens, und es entspricht, meine Damen und Herren, nicht dem europäischen Standard. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! "Wenn Abgeordnete in Untersuchungsausschüssen sich als Ankläger und Richter in einer Person gebärden, wo bleibt da das Fairneßprinzip, die Waffengleichheit des Rechtsstaates?" – Diese Worte stammen von unserem Altbundespräsidenten Dr. Rudolf Kirchschläger, und zwar aus dem Jahre 1983.

Die Gründe für diese Erklärung waren klar: Oppositionspolitiker hatten in den letzten Jahren Untersuchungsausschüsse als willkommenes Mittel für ihre eigene Profilierung betrachtet, bisweilen auf Kosten rechtsstaatlicher Grundsätze.


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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute wird in diesem Hause eine wichtige Lücke des österreichischen Geschäftsordnungsrechts geschlossen. Dieses Haus wird heute hinsichtlich der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen eine Neuregelung und eine eigene Verfahrensordnung beschließen; eine Verfahrensordnung, die selbst auch von diesem Hause gefordert wurde.

Ich erinnere an die Diskussion nach dem Lucona-Untersuchungsausschuß, an die Empfehlungen dieses Hauses und darf zitieren: "Es wäre zu prüfen, für Untersuchungsausschüsse eine eigene Verfahrensordnung zu schaffen, weil mit dem Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates und der sinngemäßen Anwendung der Strafprozeßordnung nicht immer das Auslangen gefunden werden konnte."

Weiters: "Die Amtsverschwiegenheit von Organen des Bundes und das Ausmaß ihrer Amtsverschwiegenheit gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sind einer klaren Regelung zuzuführen."

Hohes Haus! Heute haben Sie die Möglichkeit, diesen beiden Empfehlungen zu entsprechen.

Erlauben Sie, daß ich ganz kurz auf die Ausführungen meines Vorredners, des Abgeordneten Brauneder, eingehe. Er hat aus meiner Sicht die Situation in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa etwas heroisiert. Ich möchte schon darauf hinweisen, daß in der Bundesrepublik Deutschland im verfahrensrechtlichen Bereich nicht die Minderheit entscheidet (Abg. Mag. Stadler: Das hat er ja gesagt!), sondern es sich dabei sehr wohl immer um eine Mehrheitsentscheidung handelt, Herr Abgeordneter Stadler. (Abg. Mag. Stadler: Bei der Einsetzung aber ein Minderheitsrecht! Bei der Einsetzung!) Und da gibt es ein Organstreitverfahren. Ich hoffe, Sie haben sich damit auseinandergesetzt, Herr Abgeordneter Stadler! (Abg. Mag. Stadler: Da können Sie Gift darauf nehmen! – Bei der Einsetzung ist es ein Minderheitsrecht!) Kennen Sie das Organstreitverfahren? Da entscheidet immer noch die Mehrheit. (Abg. Mag. Stadler: Das hat er ja gesagt! Das haben Sie nicht kapiert!)

Ich meine: Wir entsprechen der österreichischen Tradition, wenn wir diese beiden Vorlagen heute beschließen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Hohes Haus! In der Öffentlichkeit sind Untersuchungsausschüsse – gerade auch von den Grünen, Kollege Wabl – hinsichtlich rechtsstaatlicher Defizite immer wieder kritisiert worden. Man hat auf die Europäische Menschenrechtskonvention verwiesen. Ich darf hier einige Kritikpunkte, die von den Ländern, aber auch von der Wissenschaft immer wieder vorgebracht wurden, zitieren.

Untersuchungsausschüsse weisen, so die einhellige Meinung der Wissenschaft, eindeutig die Züge eines im Strafprozeß längst überwundenen Inquisitionsverfahrens auf, zumal in Untersuchungsausschüssen die verfolgende Behörde mit der urteilenden Behörde identisch ist und es formal keinen Angeklagten mit anerkannten Verteidigerrechten gibt, sondern es gibt nur Zeugen, die unter Wahrheitspflicht stehen. – Mit der heutigen Vorlage, die wir beschließen werden, wollen wir dieses Defizit beseitigen.

Lassen Sie mich noch etwas sagen: Ein Untersuchungsausschuß hat mit einem Strafprozeß in entscheidenden Punkten nichts zu tun. Es gibt keine Angeklagten, keinen Richter, keinen Staatsanwalt, keinen Verteidiger, keine Anklageschrift und kein Urteil. Diese Kritik im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen wurde ja von allen Parteien geäußert. – Mich wundert, daß Kollege Ofner nicht hier ist. Kollege Brauneder, ich zitiere Kollegen Ofner.

"Es gibt aber vor allem keine Spur von Unabhängigkeit der Richtenden, keine Spur von Distanziertheit und auch keine Spur davon, daß sie nicht präjudiziert werden. Sie sind überhaupt nicht unabhängig. Ich weiß, wovon ich rede! In den zuständigen Klub- und Parteigremien wird sehr wohl festgelegt, in welche Richtung das alles zu gehen und wo es zu enden hat." – Das war Ihr Abgeordneter Ofner, ehemaliger Bundesminister für Justiz, bei der Tagung in Weißenbach am Attersee im Mai 1990. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )


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Die Diskussion betreffend Untersuchungsausschüsse wurde natürlich auch im Bereich der Wissenschaft heftig geführt, dabei wurde von diesem Parlament einiges eingefordert. Ich möchte hier einige Kritikpunkte anbringen:

Verpflichtung zu einer möglichst präzisen Umschreibung des zu prüfenden Gegenstandes;

Einrichtung eines Rechtsbeistandes für Auskunftspersonen – all das ist jetzt in dieser Vorlage vorgesehen –;

Präzisierung des Entschlagungsrechtes von Zeugen (Abg. Wabl: Wer hat diese Vorlage jahrelang zurückgehalten?)  – ich erinnere an die Novelle zur Strafprozeßordnung, Kollege Wabl, die wir heute beschließen werden –;

Anwendung von Zwangsmitteln;

Amtsverschwiegenheit und Vertraulichkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gehen wir von der geltenden Rechtslage aus, wonach die österreichische Bundesverfassung dem Nationalrat das Recht einräumt, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, aber bislang relativ wenig tut, um dieses wichtige Instrument der parlamentarischen Kontrolle – und das betone ich ausdrücklich – rechtsstaatlich zu begrenzen.

Lassen Sie mich ganz kurz auch auf die Situation in den Bundesländern eingehen. Wir haben auch in den österreichischen Bundesländern Regelungen zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen. Ich komme aus einem Bundesland, in dem schon mehrere derartige Untersuchungsausschüsse eingesetzt wurden, nämlich aus Salzburg. Ich erinnere an die Ergebnisse des WEB-Untersuchungsausschusses aus dem Jahre 1990. Gerade in diesem Zusammenhang wurden sehr kritische Forderungen formuliert, indem auf diese rechtsstaatlichen Bedenken eingegangen wurde.

Ich darf aus diesem Bericht kurz zwei Punkte zitieren. Zum ersten: ... Untersuchungsausschüsse weisen in der Frage der rechtsstaatlichen Durchnormierung erhebliche Lücken auf und es besteht daher ein rechtsstaatlich bedenkliches, wenn auch nicht immer verfassungswidriges Regelungsdefizit zu Lasten bestimmter schutzwürdiger Interessen.

Zweitens: Die Zeugen des Untersuchungsausschusses stehen unter Wahrheitspflicht. Indem sie als Zeugen vernommen werden, kommen ihnen die Rechte, die nach der StPO und der Europäischen Menschenrechtskonvention den Angeklagten zustehen, nicht zu. Sie stehen unter Aussagezwang, und ihre Aussagen können wiederum gegen sie selbst oder gegen Dritte in einem nachfolgenden Verfahren unmittelbar verwertet werden, da die Protokolle des Untersuchungsausschusses als öffentliche Urkunden gelten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Vorlage werden wir zumindest für dieses Haus eine Neuregelung treffen. Wir können einen Untersuchungsausschuß beispielsweise dann einsetzen, wenn ein verantwortlicher Politiker – jetzt bringe ich ein Beispiel – persönliche Mitarbeiter anstiftet (Abg. Wabl: Fasslabend zum Beispiel!), Datenmißbrauch zu betreiben, wie wir es vor kurzem in Salzburg erlebt haben; ich meine die besondere Form der Computerkriminalität.

Übrigens: Als Konsumentenberater in diesem Haus gebe ich Ihnen einen Tip: Sperren Sie, solange der Datenklau umgeht, alle Türen zu, lassen Sie die Computer nicht "offen" und lassen Sie nichts liegen! (Abg. Dr. Schmidt: Hauptsache, Sie haben den Lauschangriff und die Rasterfahndung beschlossen!) Die Partei, die hier rechts sitzt, hat sich bislang noch nicht davon distanziert. Ich meine, gerade in dieser Frage könnten wir einen Untersuchungsausschuß einsetzen.

Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Für uns Sozialdemokraten ist diese Reform der erste Schritt. Wir können uns vorstellen, daß diese Verfahrensordnung, die wir heute beschließen


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werden, weiterentwickelt wird in Richtung verstärkter Minderheitsrechte. Aber wir meinen auch noch etwas anderes, nämlich daß die landesgesetzlichen Regelungen, die die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen regeln, vereinheitlicht werden müssen. Es geht nicht an, daß es in Österreich in dieser Frage unterschiedliche Rechtsstandards gibt.

Die heutige Diskussion wird kontroversiell ablaufen, gerade was die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betrifft, aber ich ersuche Sie, in einer Frage dieser Vorlage zuzustimmen – und in diesem Punkt sollte Grundkonsens gegeben sein –, nämlich wenn es darum geht, rechtsstaatliche Grundsätze in dieser Verfahrensordnung zu verankern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt zu Wort.

11.40

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße die wenigen, die noch im Hause sind. (Abg. Mag. Stadler: Das scheint vor allem die Kollegen von der SPÖ zu betreffen! – Abg. Dr. Cap: Sie sind auch nicht immer da, Herr Kollege!) Es sind zwar eine Spur mehr Abgeordnete als gestern da, aber dafür gibt es einige Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf der Tribüne. Ich muß sagen, das Bild, das wir zunehmend bieten, ist eines, welches das Vertrauen in das Parlament und den Respekt vor dem Parlament nicht unbedingt stärken werden, schon gar nicht, wenn die Instrumente, die für dieses Parlament beschlossen werden und Gültigkeit haben, den Aufträgen, die das Parlament an sich wahrzunehmen hätte, nicht entsprechen.

Ich möchte in dieser Diskussion den Anlaß in Erinnerung rufen, aus dem wir heute über eine Änderung der Geschäftsordnung diskutieren. Der Anlaß war, daß es im Zusammenhang mit der Ermordung dreier Menschen, dreier Kurden, Vorkommnisse gegeben hat, deren Aufklärung in Österreich auf eine Weise nicht stattgefunden hat, daß der ernste Verdacht besteht, daß es politische Interessen gab, die eine Aufklärung verhindert haben, und daß es Eingriffe von politischen Entscheidungsträgern der Verwaltung in die Ermittlungsmaßnahmen gab, die nicht in Ordnung waren und daher eine Aufklärung verhindert haben. Das sind alles Argumente, die die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht nur rechtfertigen, sondern klassisch nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses rufen.

Das ist eine Auffassung, die nicht nur von Parlamentarierinnen und Parlamentariern der Oppositionsparteien vertreten wird, sondern das ist eine Auffassung, die von nahezu allen Journalisten seriöser Medien – ich will jetzt nicht subjektiv Unterscheidungskriterien anführen; jedenfalls von einer Vielzahl von Journalisten – geteilt worden ist. Ich kann mich nicht erinnern, daß wir je eine Situation hatten, in der sich so viele einig waren, daß ein Untersuchungsausschuß nicht nur notwendig wäre, sondern auch das Vertrauen in die Korrektheit und in die Unbefangenheit der Politik wiederherstellen würde.

Das hat zu dem außergewöhnlichen Ereignis geführt, daß drei Oppositionsparteien, die sonst sehr wenig gemeinsam haben – insbesondere wenn ich die Gemeinsamkeiten der FPÖ und der Liberalen aufzählen sollte, würde ich sehr schnell fertig werden (Abg. Dr. Lukesch: Stammbaum!)  –, daß sich alle drei Oppositionsparteien zusammengetan haben, um hier einen Notwehrakt zu setzen und die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, was in diesem Parlament passiert beziehungsweise was in diesem Parlament von einer Mehrheit verhindert wird.

Wir wollten zweierlei erreichen: Wir wollten erstens darauf aufmerksam machen, was hier blockiert wird, und hinter die Kulissen leuchten. Zugleich wollten wir auf etwas aufmerksam machen, was der "Normalverbraucher" eigentlich gar nicht weiß, nämlich daß dieses Parlament, bestehend aus Volksvertreterinnen und Volksvertretern – (in Richtung Galerie:) also Ihren Auftrag erfüllend, wie immer Sie Ihre Stimmen hier verteilt haben –, den Aufgaben gar nicht gerecht werden kann, weil eine Mehrheit die Erfüllung dieser Aufgaben nicht zuläßt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)


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Es gab kaum jemand in der Bevölkerung, der überhaupt wußte, daß das Kontrollinstrument hier von der Mehrheit eingesetzt wird – etwas völlig Unlogisches. (Die Rednerin blickt in Richtung einiger Abgeordneter, die im Kreis um Abg. Dr. Nowotny stehen und miteinander sprechen.) Das Interesse der eigenen Abgeordneten für diese Problematik ist gering, wie man sieht, aber auch das müssen Sie sehen, wie man sich hier verhält.

Wenn man etwas in einer solchen Notwehraktion deutlich zu machen versucht, dann zeigt das meiner Ansicht nach, wie weit man schon ist. Dann zeigt das, daß diejenigen, die hier ihre Aufgabe ernst nehmen, überhaupt keine Mittel mehr haben, um etwas deutlich zu machen. Immerhin waren aus diesem Anlaß heraus dann plötzlich auch die Regierungsfraktionen bereit, Gespräche zu führen, allerdings mit einer anderen Motivation. Ihre Hauptbegründung, die Untersuchungsausschüsse nicht einzusetzen, war darauf gerichtet, daß die Spielregeln nicht in Ordnung sind.

Kollege Maier hat zu Recht in Erinnerung gerufen, was seinerzeit in den Zeitungen nachzulesen war, nämlich daß die Spielregeln, die derzeit für Untersuchungsausschüsse gelten, wirklich nicht adäquat sind. Das ist wahr. Das hat auch von uns niemand bestritten. Ich frage mich nur, warum Sie mit Ihrer Zweidrittelmehrheit die Gespräche darüber nicht schon viel früher aufgenommen haben.

Aber wie auch immer: Die Oppositionsparteien waren bereit, an einer Veränderung der Spielregeln mitzuarbeiten. Aber wir waren dazu nur bereit, wenn das als ein Ganzes gesehen wird. Denn "Spielregeln" heißt nicht nur "Procedere", sondern "Spielregeln" heißt "ab ovo", das heißt "ab der Wurzel": ab jener Wurzel, die dazu dient, diese Spielregeln in Gang zu setzen. Was haben wir denn davon, wenn wir taugliche Spielregeln haben, aber das Ingangsetzen nicht funktioniert?

Dies war eine Voraussetzung, mit der wir uns gemeinsam an einen Tisch gesetzt haben. Das Ergebnis allerdings ist eines, das dieser Voraussetzung nicht im geringsten gerecht wird. Zwar haben die Klubobleute der Fraktionen der Regierungsparteien durchaus gesagt, daß sie bereit sind, auch darüber zu reden – aber sie haben es nur gesagt, und sie haben es nicht getan. Das ist ein weiteres Argument, mit dem sich begründen läßt, warum das Vertrauen zur Politik so erschüttert wird: weil nämlich nicht nur Oppositionsabgeordnete es so erleben und empfinden, sondern dieses Empfinden sich auch nach draußen trägt. Auf dieses Nach-draußen-Tragen möchte ich später noch zurückkommen.

Das Ergebnis liegt auf dem Tisch: Es sind vier Anträge, die jetzt zu behandeln sind – deshalb vier, weil sich die Koalitionsparteien auf einen verstanden haben. Ich möchte jetzt auf unseren Antrag eingehen.

Unser Antrag geht davon aus, daß eine Minderheit dieses Parlaments einen Untersuchungsausschuß einsetzen kann. Wir folgen darin zum Teil einer deutschen Regelung, gehen aber zugegebenermaßen über diese Regelung hinaus. Wir sagen nämlich, daß nicht nur ein Viertel der Abgeordneten in der Lage sein soll, einen solchen Untersuchungsausschuß zu initiieren, sondern es soll die Einsetzung auch möglich sein, wenn sämtliche Abgeordnete zweier Fraktionen einen solchen Antrag stellen. (Abg. Dr. Cap schüttelt den Kopf.) Lieber Josef! Du mußt nicht den Kopf schütteln, denn das hat Sinn. Ich erkläre ihn dir gerne.

Es führt auch zu keinem Systembruch. Das meine ich ganz ernst. Es ist kein Systembruch, auf den hin man sagen könnte: Die richten es sich jetzt wieder! Es gibt auch in anderen Bereichen durchaus unterschiedliche Bezugsgrößen, je nachdem, welche Interessen damit berührt sind. Wir haben zum Beispiel im Zusammenhang mit föderalistischen Interessen – ob das Regelungen im Bundesrat sind oder ob das Regelungen sind, die sich zum Beispiel auf ein Volksbegehren beziehen – einen Bezug nicht nur zur Zahl der Unterstützer, sondern zum Beispiel auch zu einzelnen Ländern hergestellt.

Am Beispiel des Volksbegehrens: Wird ein Volksbegehren von mindestens 100 000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt, dann hat es im Parlament behandelt zu werden, aber genauso gilt das, wenn das Volksbegehren von je einem Sechstel dreier Bundesländer unterstützt wird. Das


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heißt, es wird eine weitere Kategorie eingeführt, wenn man das Gefühl hat, daß dies unserem System – in diesem Fall dem föderalistischen – gerecht wird.

Ähnliches läßt sich immer wieder feststellen. Wir stehen in einem Spannungsverhältnis zwischen unserem Listenwahlrecht einerseits und dem freien Mandat andererseits. Tatsache ist, daß wir hier in Fraktionen organisiert sind. Meiner Ansicht nach wäre es gut, dieses Spannungsverhältnis so aufzulösen, daß auf der einen Seite eine bestimmte Zahl – abgestellt auf das Individuum, auf den einzelnen Abgeordneten – vorgesehen wird, die dazu dienen kann, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, aber andererseits diese Zahl auch in Kombination mit den Fraktionen gesetzt werden kann.

Man kann dafür oder dagegen sein. Ich möchte damit jetzt nur ein Argument dafür bringen, daß wir uns seriöse Gedanken gemacht haben, auch aus unserem parlamentarischen Verfassungsverständnis heraus, und daß das jetzt nicht irgend etwas ist, das bloß auf die eigenen Interessen abstellt. Nein, damit soll ein System weiterentwickelt werden. Aus diesem Ansatz zur Systemweiterentwicklung ist dieser Antrag entstanden.

Mir ist klar, daß man selbstverständlich einwenden kann, ein solches Instrumentarium könne von der Opposition mißbraucht und das Parlament mit x Untersuchungsausschüssen lahmgelegt werden. Es sind in diesem Parlament solche Anträge auch schon zahlreich gestellt worden, allerdings immer deswegen, weil die anderen ja nicht beschlossen wurden. Aber wir haben vorgesehen, daß jedenfalls nicht mehr als zwei Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden dürfen, weil das sonst wirklich zur Aushöhlung dieses Instrumentariums führen könnte und damit in die falsche Richtung ginge.

Dieser Antrag ist mit einer Begründung versehen, die Ihnen vielleicht nicht gleich als Zitatensammlung erkennbar ist. Der erste Satz ist ein Zitat des seinerzeitigen Klubobmannes Fischer, der aus seiner Oppositionsrolle heraus die Sinnhaftigkeit des Mehrheitsrechtes im Zusammenhang mit den Untersuchungsausschüssen relevierte. Den zweiten Bereich bildet ein Zitat des jetzigen Präsidenten Neisser, der in diesem Zusammenhang davon sprach – auch dies damals aus der Oppositionsrolle der ÖVP, das muß man in Betracht ziehen –, daß die derzeitige Regelung dem Auftrag des Parlaments nicht gerecht werden kann. Wir haben daher angenommen, daß damit vielleicht ein bißchen eine Brücke zu früheren Gedanken geschaffen werden könnte.

Jetzt will ich nicht unfair sein. Das Fischer-Zitat stammt aus dem Jahr 1969, das Neisser-Zitat aus dem Jahr 1986. Wenn man fair ist, muß man zugeben, daß sich die Rahmenbedingungen selbstverständlich geändert haben und man daher im Zuge einer bestimmten Entwicklung auch die Instrumente vielleicht anders konstruieren würde. Aber der Kern darin ist, daß das Parlament nicht nur als Gesamtheit seinen Auftrag als Kontrollorgan wahrnehmen kann, sondern daß das selbstverständlich auch ein Recht sein muß, das sich aufschlüsseln läßt. Dieser Kern – besonders stark eben dann empfunden, wenn man in Opposition ist – ist bis heute eins zu eins übertragbar. Deswegen haben wir daran erinnert, weil er bis heute eins zu eins gültig ist.

Da es jetzt um den Grund dafür geht, daß wir diese Spielregeln, an denen wir mitgearbeitet haben, nicht mitbeschließen, sondern dagegen stimmen werden, will ich Ihnen die Begründung geben. Es ist dies nicht Dickköpfigkeit, etwa so, daß man sagen würde: Ihr habt das zu tun, was wir wollen, sonst stimmen wir nicht zu! Eine solche simple Verhaltensweise einer Oppositionspartei haben wir bisher noch nie an den Tag gelegt, und ich bitte, uns das auch nicht zu unterstellen.

Vielmehr muß man in diesem Zusammenhang darauf achten, daß ein Minderheitsrecht selbstverständlich auch andere Spielregeln hervorrufen und notwendig machen würde. Denn zu Recht wurde gesagt, als die Diskussion in diesem Jahr wieder auflebte: Was tun wir, wenn ein Untersuchungsausschuß von einer Minderheit erzwungen wird? – Dann kann man sich ja nicht einmal auf den Ausschußvorsitzenden, die Tagesordnung und die Zeugenliste einigen.

Freilich ist es wahr, daß die Einsetzung allein die Sache noch nicht regelt und daß man daher selbstverständlich auch bei den Spielregeln Minderheitsrechte vorsehen muß. Genau diese


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Minderheitsrechte sind nicht in dem Paket enthalten, von dem die Koalitionsparteien die Absicht haben, es heute zu beschließen. Das ist der Grund, aus dem wir dazu unsere Zustimmung nicht geben können.

Da ich aber weiß, daß diese Geschäftsordnung einer Zweidrittelmehrheit bedarf, möchte ich nun an jene kritischen Abgeordneten appellieren, die es auch in den Regierungsfraktionen gibt. Ich möchte damit ganz konkret Herrn Kollegen Neisser ansprechen, denn er war es, der auch im Ausschuß ein einschlägiges Abstimmungsverhalten an den Tag legte. Weiters möchte ich an jene Abgeordneten appellieren, sich nicht nur mit einem Abstimmungsverhalten zu profilieren, das niemandem weh tut, und sich nicht nur in Lippenbekenntnissen zu ergehen, sondern vielleicht auch jene Instrumente einzusetzen, die etwas verändern können.

Ich erinnere mich sehr gut jener Zeit, als die große Koalition keine Zweidrittelmehrheit hatte und daher auf die Stimmen der Oppositionsparteien angewiesen war. Wir haben damals – das wird uns niemand wegnehmen können – konstruktiv an jenen Bestimmungen gearbeitet, die die Begleitgesetze für die Europäische Union waren, und haben in dem Zusammenhang für dieses Parlament Rechte herausverhandelt, die sonst kein anderes europäisches Parlament hat.

Das kann einem manchmal weh tun, und es tut – ich erkenne das auch am Mienenspiel der Abgeordneten Fekter – den Abgeordneten der Regierungsfraktionen vielleicht manchmal weh. Da Sie sich immer – wie ich Sie als Justizausschußvorsitzende kenne – als ein verlängerter Arm der Regierung eher sehen denn als Parlamentarierin, glaube ich Ihnen gern, daß Ihnen das im Rückblick gar nicht gefällt.

Aber wir haben parlamentarische Rechte erstritten, und das war möglich, weil man uns brauchte. Jetzt hingegen ist es so, daß man – zugegebenermaßen – die Stimmen der Oppositionsparteien nicht mehr braucht. Aber man braucht jede einzelne Stimme der eigenen Fraktionen! Und deswegen appelliere ich, Kolleginnen und Kollegen, an jeden und jede von euch, sei es der Abgeordnete Morak, sei es der Abgeordnete Neisser, sei es die Abgeordnete Ablinger, und wie sie alle heißen. Ich habe das dem "profil" entnommen und weiß nicht, wer das aller ist. Cap auch? (Abg. Wabl: Fischer!) Weiß ich nicht, wer auch immer! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Nein, Sie nicht! Denn Sie haben immer nur für Mehrheitsrechte etwas übrig und haben für Minderheitsrechte noch nie etwas übrig gehabt. Da hätte ich keine Hoffnung! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Alle diese Lippenbekenntnisse und alle diese Positionierungen sind null und nichts wert, wenn Sie das Gewicht Ihrer Stimme nicht in der eigenen Fraktion einsetzen. Denn das schaue ich mir an, wie Ihre eigene Fraktion sich hierher traut, wenn sie nicht sicher sein kann, daß sie Ihre Stimmen bekommt! Daher: Vergessen Sie das alles! Ich halte das für ein wirklich unangenehmes Lippenbekenntnis besonders dann, wenn man damit auch noch versucht, sozusagen ein besonderes Profil herauszustreichen. Sie haben es nicht, wenn Sie nicht in Ihren eigenen Fraktionen Ihre Stimme verweigern und genau das tun, was wir seinerzeit für dieses Parlament erreicht haben, als die Zweidrittelmehrheit nicht verfügbar war.

Aus diesem Grunde appelliere ich an Sie, einen Beitrag zu leisten, daß wieder mehr Respekt vor der Politik und vor dem Parlament entsteht. Denn dieser Respekt wird nur dann entstehen, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, daß die Leute nicht nur reden, sondern daß sie auch nach ihren Grundsätzen handeln. Darauf zielt der Appell an jene Abgeordneten in den Regierungsfraktionen, die davon überzeugt sind, daß dieses Instrumentarium ein Minderheitsrecht sein soll. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich möchte die Gelegenheit dazu benützen, auf einen weiteren Aspekt hinzuweisen. Mit diesem Geschäftsordnungsantrag wird nämlich auch das Strafgesetzbuch geändert. Daher bringen wir zum Strafgesetzbuch ebenfalls einen Abänderungsantrag ein.

Sie wissen, daß der Begriff des "Angehörigen" im § 72 StGB geregelt ist und daß dieser Begriff nur auf Heterosexuelle angewendet wird. Das bedeutet, daß alles das, was ein Vertrauens


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verhältnis begründet und daher unserem Staat zu Recht schützenswert scheint, nur dann anerkannt wird, wenn es sich zwischen Heterosexuellen abspielt. Das heißt, der Vertrauensschutz, den jemand braucht, weil er in einer Gemeinschaft mit jemand anderem lebt – Sie wissen wahrscheinlich nicht einmal, welche Diskriminierungen es dabei gibt –, wird nur zugestanden, wenn es eine heterosexuelle Gemeinschaft ist.

Ich halte das für menschenunwürdig, ich halte das für realitätsfremd, und ich halte das für menschenrechtswidrig. Wir haben daher versucht, in der Geschäftsordnung vom Strafgesetz wegzukommen und wenigstens hier im Parlament Schrittmacher zu sein und eine neue Dimension zu erschließen, indem gesagt wird: Wenn es für Zeugen Entschlagungsrechte gibt, und wenn man meint, daß das Entschlagungsrecht für jemanden da sein soll, der mit jemand anderem in einer Gemeinschaft verbunden ist, dann soll das nicht auf die geschlechtliche Orientierung abgestellt sein, sondern auf das Vertrauensverhältnis an sich.

Die Koalitionsparteien waren nicht bereit, diesen Weg zu gehen, und haben daher neuerlich einen Bezug auf das Strafgesetz gemacht. Das gibt uns jetzt allerdings Gelegenheit, diesen Angehörigenbegriff im Strafgesetz zu ändern und ihn von der sexuellen Orientierung loszulösen. Ich sage Ihnen – weil ich fürchte, daß es viele nicht wissen –, daß es eine Reihe von Diskriminierungen gibt, die durch unterschiedliche sexuelle Orientierung nicht rechtfertigbar sind. Das ist zum Beispiel das Entschlagungsrecht bei Zeugen. Das ist auch die Verweigerung des Eintrittsrechtes in Mietverträge, die nur Homosexuelle trifft; in einer anderen Lebensgemeinschaft haben sie dieses Recht. Das ist zum Beispiel die Pflegefreistellung nach dem Urlaubsgesetz.

Ich muß Sie wirklich fragen: Welche Gesellschaft wollen Sie mit Ihrem christlichen Verständnis? Daß nur zwei, die unterschiedlichen Geschlechtes sind, füreinander Verantwortung übernehmen und den anderen pflegen? Aber zwei, die in einer Lebensgemeinschaft gleichen Geschlechts sind, dürfen dieses Recht nicht in Anspruch nehmen? Was haben Sie für einen Begriff von Nächstenliebe? Was haben Sie für einen Begriff von Vertrauen?

Jetzt hätten Sie die Chance, anhand der Vorlage, die Sie uns hier geben, einen Schritt zu setzen und ein Signal zu geben, nämlich das Signal, daß Sie Verantwortung und Vertrauen nicht daran messen, ob es zwei Menschen verschiedenen Geschlechts sind, sondern einzig daran, wie diese Menschen zueinander stehen.

Wir stellen daher einen entsprechenden Antrag, aber meine Zeit reicht leider nicht, ihn vorzubringen. Wir haben noch einen Redner, der später alle diese Anträge einbringen wird. Ich gehe aber davon aus, daß Sie auch so schon darauf Bezug nehmen werden. Daher bitte ich Sie: Nehmen Sie die Chance wahr, dem Parlament die Möglichkeit zu geben, daß es seiner Aufgabe gerecht wird! Meine Bitte richtet sich auch darauf, daß Sie Ihr Selbstverständnis als Parlamentarier einbringen, wenn es um die Spielregeln geht, die die Aufgabenerfüllung überhaupt erst möglich machen.

Was Sie uns heute vorgelegt haben, ist ein Mosaikstein, der nicht den Kern trifft. Das ist der Grund dafür, daß wir dieser Vorlage die Zustimmung nicht geben werden. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

12.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 10 Minuten. – Bitte.

12.01

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Frau Kollegin Schmidt, ich werde jetzt keine Homosexuellendebatte führen, weil mir der Zusammenhang mit den Untersuchungsausschüssen nicht ganz klar ist. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das können Sie sich nicht, weil Sie das nicht verstehen! – Abg. Mag. Barmüller: Das ist ja kein Anliegen von Ihnen!) Ich will mich auf die eigentliche Tagesordnung beschränken, und da geht es um die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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Die rechtsstaatlich sehr unbefriedigende Handhabung von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in der Vergangenheit hat die Dringlichkeit einer Regelung für das Verfahren, für die Spielregeln aufgezeigt. Ich glaube, diesbezüglich gibt es Konsens. (Abg. Wabl: Warum dringlich, wenn Sie keinen Untersuchungsausschuß einberufen wollen?) – Herr Kollege Wabl, dieses Kontrollinstrument ist notwendig, aber solange wir keine klaren Spielregeln haben, ist dieses Instrument rechtstaatlich wahrscheinlich nicht richtig einsetzbar. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Das ist Makulatur!)

Herr Kollege Haselsteiner! Sie unterstellen uns, daß wir das Instrument als solches ablehnen, aber das stimmt nicht! (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie unterstellen uns das! Sie können es ruhig zugeben! Sie brauchen sich nicht zu genieren!) Wir wissen, daß diese Verfahrensordnung notwendig und sinnvoll ist, daß es die schärfste Waffe ist, die dieses Haus hat. Daher haben wir konstruktiv an der neuen Verfahrensordnung gearbeitet. Herr Haselsteiner! Wir wollen genau jene Art und Weise abstellen, mit der man früher mit Auskunftspersonen umzugehen pflegte, wie man sie als "Angeklagte" behandelt hat, ihnen keinerlei Rechte zugebilligt und eine inquisitorische Verfahrensabwicklung zugelassen hat. Genau das wollen wir abstellen, und daher gibt es heute diese Regelung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Aber nein! Seien Sie doch ehrlich und nicht scheinheilig!)

Wir wollen haben, daß zum Beispiel Erkundungsbeweise, die wir sonst in der Strafprozeßordnung auch nicht zulassen, nicht verwendet werden können, weil wir rechtsstaatlich vorgehen wollen. Daher normiert diese neue Verfahrensordnung einen klaren Untersuchungsauftrag, der den Rahmen für den Untersuchungsausschuß bildet. Für Auskunftspersonen gibt es einen Rechtsschutz, und weiters gibt es eine klare Definition der Rechte, aber auch der Pflichten von Auskunftspersonen, was heißt, daß sie der Wahrheitspflicht unterliegen und sich in Hinkunft nicht mehr hinter der Amtsverschwiegenheit verschanzen dürfen.

Es ist so, daß ein Verfahrensanwalt darüber wachen sollte, daß man bei dem neuen Verfahren nicht in das alte Fahrwasser der Inquisition kommt. (Abg. Wabl: Wovon reden Sie denn?) Darüber herrscht ja Konsens, Herr Kollege Wabl! Alle Fraktionen haben an den Formalkriterien mitgearbeitet. Frau Kollegin Schmidt hat bereits die Minderheitsrechte erwähnt, ich möchte festhalten, daß wir, außer bei den Minderheitsrechten, Einigkeit darüber erzielt haben, daß diesbezüglich rechtsstaatliche Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen.

Ich bedauere, daß wir eine Geschäftsordnung beschließen, die nur von der Regierungsmehrheit getragen wird, da keine Einigkeit erzielt werden konnte. (Abg. Wabl: Das "bedauern" Sie! Oh, jetzt kommen die Schotter-Tränen! – Heiterkeit bei den Grünen.) Herr Kollege Wabl! Es ist so, daß das Minderheitsrecht von uns grundsätzlich anerkannt wird, daß anerkannt wird, daß das als Kontrollinstrument notwendig ist, bedauerlicherweise hat aber die Vergangenheit gezeigt, daß die Minderheitsrechte der Geschäftsordnung exzessiv ausgenützt wurden. Das ist kein Vorwurf an die Opposition, sondern ein Erklärungsversuch. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Augenauswischerei! – Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Ich denke dabei an die Sondersitzung in der vergangenen Woche oder an die Dringliche am Dienstag. Es finden in diesem Haus oft dringliche Debatten statt, bei denen die Dringlichkeit nur sehr schwer erkennbar ist. Selbstverständlich ist das ein Minderheitsrecht, ein Recht, das jeder Fraktion zusteht, das ich niemandem absprechen will, nur: Werden Minderheitsrechte so exzessiv angewandt, dann soll man das schärfste Kontrollinstrument dieser exzessiven Handhabung nicht preisgeben! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Man müßte es abschaffen!) Aus diesem Grund haben wir uns nicht dazu durchringen können, Kontrollausschüsse zu einem Minderheitsrecht zu machen.

Wären in der Vergangenheit die Möglichkeiten der Geschäftsordnung behutsamer und seriöser angewandt worden, hätte man die Debatte über ein Minderheitsrecht in diesem Zusammenhang wesentlich kooperativer führen können! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Die letzte Geschäftsordnungsreform war aufgrund der exzessiven Handhabung der Möglichkeiten durch die Opposition notwendig geworden. Wir haben die Geschäftsordnung gemein


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sam – ausgenommen die Freiheitliche Partei – geändert, und es ist in hohem Maße gelungen, daß der Nationalrat seine Aktivitäten jetzt, wie ich glaube, wesentlich seriöser wahrnimmt, als das vor der Reform der Geschäftsordnung der Fall war. (Abg. Wabl: Sie wollen keine Kontrolle! Das ist das Problem!)

Beide Regierungsparteien, Frau Kollegin Schmidt – sie ist jetzt nicht mehr im Saal –, nicht nur diejenigen, die Sie namentlich genannt haben, alle Kollegen von den Regierungsfraktionen nehmen den Parlamentarismus ernst. Ich kann im Namen meiner Fraktion versprechen – auch wenn Sie das jetzt wundert –: Diese Verfahrensordnung wird kein totes Recht bleiben! (Abg. Dr. Haselsteiner: Nur wenn es den Haider betrifft! Dort, wo es Sie betrifft, nicht!)

Kontrolle und Wahrheitsfindung sind aber nur dann effizient, wenn nicht – wie das in der Vergangenheit sehr häufig der Fall war – gleichzeitig Medien manipulativ eingesetzt werden. (Abg. Wabl: Ja, ja, wir sind nicht reif für eine Demokratie! Das ist doch das, was Sie sagen wollen! Kuschen, das ist Ihr oberstes Gebot! Und das zweite ist: Geld verdienen!) Deshalb kann der Untersuchungsausschuß – ich betone: er kann, denn er ist grundsätzlich öffentlich – mit Vertraulichkeit während der Beratungen versehen werden. Zu diesem Vertraulichkeitsparagraphen bringe ich einen Antrag ein, nämlich daß auch der Verfahrensanwalt dieser Vertraulichkeit unterliegt.

Zudem möchte ich noch einen Abänderungsantrag zu einigen Artikeln einbringen, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen zum Bericht des Geschäftsordnungsausschusses (871 der Beilagen) betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden (507/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag (507/A) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes (871 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In Art. I werden folgende Ziffern 1 bis 3 eingefügt:

"1. Im § 29 Abs. 2 entfällt die lit. d); die bisherigen lit. e) bis i) erhalten die Bezeichnungen d) bis h).

2. Im § 31a Abs. 1 ist das Zitat ,§ 29 Abs. 2 lit. a, d und e’ durch das Zitat ,§ 29 Abs. 2 lit. a und d’ zu ersetzen.

3. Im § 31a entfallen die Absatzbezeichnung ,1’ sowie die Absätze 2 und 3."

2. Die bisherigen Art. I Ziffern 1 und 2 erhalten die Bezeichnung 4 und 5 (neu).

3. In Art. II lautet § 7 Abs. 1

a) Z 1 wie folgt:

"1. Über Fragen, deren Beantwortung die Privatsphäre der Auskunftsperson oder eines Angehörigen (gemäß § 72 StGB) betreffen oder für sie oder für einen Angehörigen die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung nach sich ziehen würde;"

b) Z 2 wie folgt:


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"2. Über Fragen, deren Beantwortung für die Auskunftsperson oder eine der in Z 1 bezeichneten Personen einen unmittelbaren bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteil nach sich ziehen würde;"

c) Z 4 wie folgt:

"4. In Ansehung desjenigen, was ihr in ihrer Eigenschaft als Verteidiger oder Rechtsanwalt bekannt geworden ist;"

In Art. II lautet § 24 Abs. 1 wie folgt:

"§ 24 (1) Der Inhalt der Beratungen des Untersuchungsausschusses und die Inhalte der Aussagen von Auskunftspersonen in nichtöffentlicher Sitzung sind vertraulich. Die Bestimmungen des Geschäftsordnungsgesetzes über die Vertraulichkeit (gemäß § 37 Geschäftsordnungsgesetz) sind sinngemäß anzuwenden. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses und der Verfahrensanwalt sind vom Präsidenten auf die Wahrung der Vertraulichkeit von Aussagen der Auskunftspersonen in nichtöffentlicher Sitzung zu vereidigen. Für die Teilnahme sonstiger am Verfahren des Untersuchungsausschusses beteiligter Personen an nichtöffentlichen Sitzungen gilt § 32d Abs. 5 Geschäftsordnungsgesetz sinngemäß mit der Maßgabe, daß der Beschluß für die gesamte Dauer der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses gefaßt werden kann."

5. Artikel III Z 1 lautet wie folgt:

"1. In § 290 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:

,(1a) Der Täter ist nach § 288 Abs. 3 ferner nicht zu bestrafen, wenn sich die Untersuchung des Ausschusses gemäß Artikel 53 B-VG gegen ihn gerichtet und er eine falsche Beweisaussage abgelehnt hat, um die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung von sich abzuwenden.’"

*****

Danke, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

12.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneter Dr. Fekter soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß überreicht worden, er ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Wabl das Wort. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 10 Minuten. – Bitte.

12.12

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der heutigen Fragestunde hat ein Regierungsmitglied demonstriert, was es von diesem Parlament hält. (Abg. Mag. Stadler: Stimmt!) Wir, meine Damen und Herren, nehmen das hin, und Sie nehmen das auch hin. – Sie haben in Ihrer Partei nichts mehr zu reden, deshalb sitzen Sie auch hier im Saal und nicht bei wichtigeren Veranstaltungen, wie das beispielsweise Khol und Kostelka tun. Die beiden bestimmen, welche Politik in Österreich gemacht wird. Dieses Haus hat sich selbst entmündigt – aber das ist eine andere Geschichte! (Abg. Tichy-Schreder: Herr Kollege Wabl, bitt’ schön! Schlecht geschlafen?)

Meine Damen und Herren! Die Art und Weise, wie diese Debatte abläuft, und das, was Frau Fekter uns diesbezüglich vorgetragen hat, ist Selbstentmündigung! Im Namen der Demokratie zu sagen: Deshalb, weil die Opposition ein parlamentarisches Instrument exzessiv nützt, lassen wir Demokratie und Kontrolle nicht mehr zu!, ist doch unzulässig in einer Demokratie! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Wir haben es als Notwendigkeit zu ertragen, wenn die FPÖ die Geschäftsordnung exzessiv mißbraucht, und wir müssen uns damit offensiv auseinandersetzen! (Abg. Mag. Stadler: Es gibt


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keinen Mißbrauch!) – Ob nun die Grünen, SPÖ oder ÖVP die Geschäftsordnung irgendwie nutzen: Das ist gelebte Demokratie, aber nicht Ihr Gesäusel, Frau Fekter! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Demokratie setzt Mehrheiten voraus! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Fekter! Ich halte es für entwürdigend – für Sie selbst und für alle, die Ihnen zuhören müssen –, wenn Sie davon sprechen, daß die Regierungsparteien die Kontrollrechte in der Hand halten müssen, damit die Demokratie leben kann. (Abg. Dr. Fekter: Nein!) Soviel an Perversion in einer demokratischen Auseinandersetzung habe ich überhaupt noch nie erlebt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Auer: Je lauter die Stimme, desto schwächer das Argument! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Frau Fekter! Sie mißachten nicht nur dieses Parlament, Sie mißachten nicht nur Ihre eigene Würde, sondern Sie mißachten auch Präsidenten Fischer und seine Meinung. Sie mißachten in weiterer Folge auch den ehemaligen Justizminister Broda, den ehemaligen Nationalratspräsidenten und Außenminister Gratz, den Präsidenten Neisser und sogar Ihr eigenes Parteiprogramm aus dem Jahre 1975. Sie mißachten auch das Aktionsprogramm des Bundesparteivorstandes der ÖVP mit dem Titel – man höre und staune! –: "Dynamische Demokratie"! Das war in Ihrem Mund. Heute ist es wie schlechter Sand aus einem Schotterwerk zerbröselt. (Abg. Dr. Fekter: Aber nein, Herr Kollege Wabl!)

Meine Damen und Herren! Sie mißachten das Positionspapier der ÖVP zur Geschäftsordnungsreform 1975, das vehement und mit Elan von Ihrem sehr geschätzten ehemaligen Bundesvorsitzenden Alois Mock vorgetragen wurde. Sie mißachten auch weiterhin die Ausführungen des Herrn Dr. Neisser aus dem Jahre 1986 mit dem Titel: "Die Kontrollfunktion des Parlaments in Österreich und Parlamentarismus". – Fast alle haben übereinstimmend gesagt, daß es in einer Demokratie nicht angeht, daß die zu Kontrollierenden selbst bestimmen, wann kontrolliert werden soll. Das ist das Unmögliche in dieser Auseinandersetzung: Sie erkennen nicht, daß das nicht zulässig ist! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. )

Herr Professor Lukesch! Ihre Ausführungen sind in dieser Frage nicht ... (Abg. Dr. Lukesch: Es stimmt nicht, daß das das einzige Kontrollinstrument der Minderheiten wäre! Es stimmt nicht! Es gibt doch viele Minderheitsberichte im Hause!)

Herr Abgeordneter Lukesch! Was stimmt denn dann? Wer kontrolliert denn Herrn Minister Fasslabend? – Dieses Haus jedenfalls nicht mehr! Der Minister kann uns von der Regierungsbank aus offen erzählen, daß er den NATO-Beitritt vorbereitet! Und dieses Haus hört zu, hört sich das an, und Ihre Fraktion applaudiert auch noch! Die Entmündigung wird geradezu herbeigesehnt, herbeiapplaudiert! Wenn das eine Demokratie ist, wenn Sie sich "Volksvertreter" nennen, dann sage ich ... (Abg. Dr. Fekter: Dürfen wir nur Ihre Meinung haben?)  – Nein, Frau Abgeordnete Fekter! Die Demokratie ist ein sehr fein gesponnenes Netz und System, aber Sie sind offensichtlich grobe Steine gewohnt. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Sie müssen in der Demokratie darauf vertrauen, daß die Minderheit ihre Rechte positiv einsetzt. Sollte die Minderheit das nicht tun, dann müssen Sie sich damit offensiv auseinandersetzen (Abg. Mag. Schweitzer: Die "lästige" Opposition!), sollten aber nicht mit dem Holzhammer oder der Schrottmaschine dagegen anfahren, wie Sie das heute hier tun! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Vertrauen Sie darauf, daß wir das tun! Vertrauen kann doch keine Einbahnstraße sein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fekter! Es ist schade, daß Herr Khol zu dieser Debatte nicht antreten konnte, denn dann wäre vielleicht offensichtlich geworden, wie wortbrüchig die ÖVP geworden ist. Sie haben heute offensichtlich einen großen Erfolg erzielt. Die Medien sind relativ spärlich vertreten, aber ich hoffe, daß die APA ihr Handwerk so gut wie immer machen wird. Im großen und ganzen haben Sie einen Erfolg eingefahren, denn Sie haben sich vor dem Sommer vorgenommen, diese Debatte so lange zu führen, bis sie tot ist. Und heute interessiert sich dafür in der Öffentlichkeit kaum jemand mehr, abgesehen von den Ereignissen in den


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letzten Tagen. Aber Sie sorgen dafür, daß Sie sich selbst und auch Ihrer Partei großen Schaden zufügen! (Abg. Dr. Fekter: Heute schaffen wir ein Instrument, das es überhaupt erlaubt ...! Wir haben die Minderheitsrechte in der Geschäftsordnung ausgeweitet, Herr Kollege Wabl! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Grünen.)

Frau Abgeordnete Fekter! Ich weiß noch nicht, ob Herr Kollege Neisser angesichts der Zweidrittelmehrheit in diesem Zusammenhang Mut aufbringen wird, ob er zu seinem Wort stehen wird, ob vielleicht andere in Ihrer Fraktion zu dem stehen, was in Ihrem Parteiprogramm, in Ihrem Aktionsprogramm gestanden ist. Ich weiß nicht, ob all das Dummheit war, ob all das falsch war. – Frau Fekter! Das Großartige an der Demokratie ist, daß sich ihre Qualität daran zeigt, wie man mit der Minderheit, wie man mit der Kontrolle, wie man mit der Öffentlichkeit umgeht. (Abg. Dr. Fekter: Die letzte Sondersitzung hat das doch gezeigt!)

Wie lächerlich ist doch Ihr Argument bezüglich der exzessiven Nutzung von Untersuchungsausschüssen! Stellen Sie sich einmal vor: Die Grünen – damit das nicht verdächtig wirkt – verlangen einen Untersuchungsausschuß und sind erfolgreich damit. In diesem Untersuchungsausschuß sitzen die Vertreter der Öffentlichkeit, der Medien, und dann wird dort nur leeres Stroh gedroschen. Was glauben Sie, wie oft die Grünen dann noch einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einbringen können und damit Erfolg haben? Oder es macht dasselbe die FPÖ. Was glauben Sie, werden die Medien berichten, wenn in einem Untersuchungsausschuß Anträge gestellt werden, die nichts, rein gar nichts bringen? (Abg. Dr. Fekter: Das wissen Sie ja noch gar nicht, ob wir das zulassen oder nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Vertrauen Sie doch der öffentlichen Meinung! Vertrauen Sie doch darauf, daß es Journalisten gibt, die kritisch sind, die transparent sind und die nicht nur leeres Stroh dreschen und Titelseiten fabrizieren, die menschenunwürdig sind. (Abg. Dr. Fekter: Es geht doch nur um die Art und Weise, wie kontrolliert wird!) Vertrauen Sie doch ein bißchen mehr dem Journalismus in Österreich! Da kommt alles vor, auch wie es in der Politik vorkommt: das Mieseste und das Beste. Sie müssen das zulassen, aber dazu haben Sie nicht den Mut! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Frau Kollegin Fekter! Sie sagen, Sie wollen eine seriöse Kontrolle. Was seriös ist, bestimmen Sie: die Mehrheit! Immer die Mehrheit bestimmt, was seriös ist. – Sie wollen mich kontrollieren, Sie wollen die Exekutive kontrollieren? Nein, das ist nicht seriös; bei diesem Thema und jenem ist das nicht seriös! (Abg. Dr. Fekter: Denken Sie doch an den Milch-Untersuchungsausschuß!)

Frau Kollegin Fekter! Ich weiß, wann ein Untersuchungsausschuß Ihrer Meinung nach seriös ist! (Abg. Dr. Fekter: Sagen Sie doch: wie bei der Milch!) Wenn es ausschließlich der SPÖ schadet, dann ist er seriös. Das habe ich ja miterlebt. Das war damals bei den Untersuchungsausschüssen, die gemacht wurden, und dann gab es eine Retourkutsche gegen die ÖVP. Es ist Ihrer Meinung nach seriös, wenn diese Art von Geschäften geschieht?! Nennen Sie das seriös? Warum ist denn der Milchwirtschafts-Untersuchungsausschuß gekommen? – Als Repressionsmaßnahme gegen die ÖVP, weil die ÖVP geglaubt hat, sie könne aus dem NORICUM- und dem "Lucona"-Skandal politisches Kleingeld schlagen. Das ist doch die Wahrheit! Geben Sie es doch zu! (Abg. Dr. Fekter: Es geht bitte um ein ordentliches Verfahren! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und jetzt haben Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, daß das nicht mehr vorkommt! (Abg. Dr. Fekter: Nein, wir machen ein neues Verfahren!) Wir sind jetzt seriös. Wir, Khol und Kostelka, halten Händchen unter der Bank, und Fekter zementiert und liefert den Schotter dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Wir machen ein neues Verfahren!) Meine Damen und Herren! Das ist Ihre Politik, das ist Ihre Art des Demokratieverständnisses. (Abg. Ing. Reichhold: Andreas, versteck ihr den Schuh! Das war gut!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf ein Argument eingehen. Möglicherweise ist die Meinung des Kollegen Abgeordneten Fischer in einem anderen Zeitgeist, in einem anderen Rahmen entstanden, möglicherweise hat auch Herr Neisser das in einem ganz anderen Rah


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men gesehen und auch die ÖVP in ihrem Aktionsprogramm. Sie haben schon recht, die Zeiten haben sich geändert. Der Rahmen war damals nämlich ein ganz besonderer, der hieß nämlich Opposition. Das hat sich geändert bei Ihnen. Sie sind nicht mehr in der Opposition, und Sie träumen davon, daß Sie nie mehr in der Opposition sein werden. (Abg. Dr. Fekter: Damals sind die Rechte auch nicht so exzessiv ausgenützt worden!) Träumen Sie weiter, Frau Fekter! Machen Sie’s gut! (Beifall bei den Grünen, den Freiheitlichen und dem Liberalen Forum.)

12.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

12.21

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist dies heute eine Grundsatzdiskussion über das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit und darüber, wie sich das im Rahmen einer parlamentarischen Demokratie auszubalancieren hat. Ich finde es natürlich reizend, wenn in den Ausführungen so getan wird, als gäbe es hier nicht spezielle Interessen, die Minderheitsparteien genauso haben wie Mehrheitsparteien. (Abg. Mag. Schweitzer: Du mußt vorsorgen für den Fall, daß du in die Opposition kommst!)

Dieses Absolutsetzen der eigenen Auffassung, des eigenen politischen Anspruches zeichnet natürlich ... (Abg. Wabl: Das Interesse vom Kollegen Cap ist es, keine Kontrolle zu haben!) Du warst heute ein müder Danton-Verschnitt, Wabl, und ich werde dir auch gleich beweisen, warum ein müder Danton-Verschnitt und nicht der üblich Dynamische (Abg. Ing. Reichhold: So müde war er gar nicht, Kollege Cap!), und zwar auch hinsichtlich dessen, was im Zusammenhang mit dem Antrag der Abgeordneten Heide Schmidt zu sehen ist.

Die bisherigen Spielregeln und die bisherige Praxis der Untersuchungsausschüsse haben den Charakter von inquisitorischen Verfahren gehabt. Das wurde auch weidlich ausgenützt, wobei sich ganz spezielle Abgeordnete ganz besonders präsentiert haben. Daher ist es zu begrüßen, daß es jetzt endlich zu einem besseren Rechtsschutz für die Auskunftspersonen kommt, daß der Vorsitzende einen Vertrauensanwalt zur Sicherung der Grund- und Freiheitsrechte im laufenden Ausschuß beiziehen kann, daß man als Auskunftsperson eine Vertrauensperson mitnehmen kann, daß die Aussagepflicht geregelt wird.

All das sind Punkte – man kann das nicht oft genug sagen –, die sehr wichtig sind, weil es in Verbindung mit der Öffentlichkeit und mit den Medien Situationen gegeben hat, die schon zu einer medialen Vorverurteilung von Auskunftspersonen geführt hat. Da hat es Strategien gegeben, die überhaupt nur das zum Ziel hatten. (Abg. Wabl: Dann schaffen wir doch die Zeitungen ab nach Ihrer Logik!)

Ich lache mich doch schief, wenn mir Abgeordneter Wabl erklären will, daß Abgeordneter Pilz hier im Haus wirklich untersuchen wollte. (Abg. Wabl: Dann schaffen wir die Zeitungen ab!) Dem war doch völlig Wurscht, was zu untersuchen war, dem ist es doch nur darum gegangen, alle Auskunftspersonen auf die Anklagebank zu bringen. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Wabl: Papa Cap sagt die Wahrheit!) Ja, das ist die Wahrheit. Unter dieser Wahrheitspflicht steht der müde Danton heute, und er soll uns hier nicht irgend etwas erzählen in einem Stakkato, bei dem von der Lautstärke her selbst der Pavarotti nicht mehr mitkommt. Das ist doch lächerlich!

Wenn man das von dieser Seite sieht und wenn man auch beachtet, daß so manche Untersuchungen, die die politische Verantwortung zu klären hatten, manchmal parallel zu Justizverfahren gelaufen sind, wenn man auch sieht, daß in diesem Spannungsfeld sehr viel an Konfliktstoff und sehr viel an demokratiepolitisch notwendigem Diskussionsstoff vorhanden sind (Abg. Ing. Langthaler: Ich freue mich schon auf deine Reden, wenn ihr in der Opposition seid!), wenn man sieht, daß die Spielregeln eine ganz wesentliche Voraussetzung sind, die darüber urteilen, ob solch ein Ausschuß materiell überhaupt Sinn macht, sodaß eine Auskunftsperson dort eine Chance hat, bloß einmal Auskunft zu geben – mit der Person, mit der sie dort ist, wird sie sich beraten können, sodaß überhaupt erst eine faire Situation geschaffen wird und nicht der Abgeordnete zugleich Richter und Ankläger ist und gemeinsam mit dem einen oder anderen aus der Öffentlichkeit das dann auch noch zu einem wirklichen Urteil und einer Verurteilung bringen


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kann –, dann muß man doch zu der Überzeugung gelangen, daß es den Ist-Zustand zu ändern gilt. Ich verstehe daher nicht, warum die Oppositionsparteien dann, wenn sie auch der Meinung sein sollten, daß das positive Veränderungen sind, dem nicht zustimmen. (Abg. Dr. Lukesch: Sie wollen keine fairen Untersuchungsausschüsse!)

Nun komme ich zu einem zweiten Punkt, zu einem sehr wesentlichen Punkt: Frau Abgeordnete Schmidt, die ich sehr schätze – ihre Justizreden sind immer ein qualitativer Genuß (Abg. Wabl: Charmant! Der Cap ist heute sehr charmant! – Abg. Grabner: Charmanter als du!)  –, hat hier einen Antrag eingebracht, aber man muß sich doch etwas genauer ansehen, was dieser Antrag beinhaltet. Ich bin halt ein bißchen skeptisch, wenn man so tut, als gelte sozusagen automatisch die Annahme, daß die Regierungsparteien, die Mehrheit hier im Hause mauern (Abg. Dr. Schmidt: Das hat niemand gesagt!), weil sie – folgerichtig –, wenn die Oppositionsparteien eine Causa entdecken, bereits der Meinung sind, man müsse deswegen untersuchen, weil eh schon völlig klar ist, was herauskommen wird, weil das eine Causa ist, die ja nur dazu führen kann, daß letztlich bewiesen wird, daß da etwas an politischer Verantwortung nicht nur zu klären ist, sondern schon völlig klar ist, was damit zusammenhängt.

Das hat in der Argumentation ein wenig mitgeschwungen, als man gesagt hat, die einzige wirklich ehrliche Kontrollaufgabe kann nur ein Oppositionsabgeordneter ausführen, denn ein Abgeordneter der Regierungsparteien kann nicht ehrlich kontrollieren, weil er per se als Abgeordneter der Regierungsparteien immer mauern muß (Abg. Wabl: Nein, Cap, immer mußt du nicht mauern! So arg ist es nicht!) und potentielle – sage ich jetzt einmal – Unregelmäßigkeiten oder Verantwortlichkeiten immer decken muß (Abg. Wabl: Immer nicht!), weil er als Abgeordneter der Regierungsparteien dazu verdammt ist, immer nur die Sauereien zu decken. (Abg. Wabl: Immer mußt du nicht mauern!) Die Engerl aber sind alle da in der Opposition versammelt, jeder sitzt mit einem Flügerl da, hat ein Glockerl im Haar und ist einfach die pure Unschuld. Jeder sitzt da und fühlt sich als der einzige wirkliche Aufklärer. (Abg. Wabl: Immer nicht! Immer mußt du nicht mauern!)

So kann man das Bild nicht zeichnen, denn ihr habt in euren Reihen nicht nur Engerl, ihr habt ein Teuferl auch dabei. Der sitzt hier (der Redner deutet in Richtung Freiheitliche), er kommt eh gleich nachher. Ihr hattet nämlich auch einen Schwefelgeruch in eurer Bündnisstruktur, das war das Teuferl aus der ersten Reihe. Das ist es! Das sollt ihr nie vergessen bei eurer Konstruktion. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wabl: Teuferl gibt es in jeder Partei!)

Aber es muß offensichtlich ein Teuferl mit einem niedrigen Intelligenzquotienten gewesen sein, denn der Vorschlag ist ja wirklich gut, er ist nämlich auch vom liberalen Rechtsstaatsverständnis her äußerst charmant. Zu sagen, entweder ein Viertel der Abgeordneten oder zwei Fraktionen, bedeutet, die Liberalen und Grünen können es machen, die Blauen können es nicht machen. Das ist an sich etwas Grundsätzliches, denn sie stellen nicht ein Viertel der Abgeordneten, und eine zweite Fraktion werden sie hier herinnen selten finden. (Abg. Dr. Schmidt: Die Blauen mit der ÖVP! Das wäre doch möglich! – Abg. Wabl: Die Blauen mit der ÖVP! Beim Einem würden die Blauen mit der ÖVP mitgehen!)

Wenn man an die Obstruktionspoltik der rechten Parteien in den dreißiger Jahren denkt, ist das ein attraktiver Gedanke, nur, was passiert, liebe Kollegin Schmidt, wenn die zum Schluß wirklich einmal auf ein Viertel der Abgeordnetenmandate kommen? (Abg. Mag. Stadler: Das wird sein! Das wird wirklich sein!) Kann ja sein, daß das Teuferl wirklich einmal soviel Schwefel ausstreut, daß er auf so viele Stimmen kommen kann. Dann würde ich ganz gerne einmal dieses Umdrehen von Mehrheit und Minderheit hier im Parlament im Lichte historischer Obstruktionspolitik mit den Liberalen und Grünen neu diskutieren. (Abg. Dr. Graf: Bei einem Viertel dürft ihr bald auch nicht mehr! – Abg. Mag. Schweitzer: Daran sollte sich die SPÖ rasch gewöhnen!)

Sie tun ja so, als gäbe es für alle Zeiten immer nur dieses Kräfteverhältnis. Abgesehen vom Grundsätzlichen schaffen Sie damit jetzt zwei Kategorien von Oppositionsmöglichkeiten: die einen, die ein bißchen mehr können, und die anderen, die aufgrund der realen politischen Situation in dieser Frage gar nichts können.


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Also da, muß ich sagen, wird Thomas Barmüller noch einigen Aufklärungsbedarf haben, um das wirklich erklären zu können, und eigentlich müßte sich der Stadler nachher aufregen. Er regt sich eh immer gern auf; es ist schon fast ein diskussionsunwürdiges Aufregen, auf das man gar nicht mehr eingehen kann, denn es ist vor lauter Wut und Zorn schon fast zusammenhanglos. Abgeordneter Stadler, was sagen Sie dazu? Wollen Sie wirklich, daß das nur ein Viertel machen kann, oder wollen Sie auf ein Fünftel heruntergehen? Es wäre jedenfalls interessant zu hören, was Sie dazu sagen.

Abgeordneter Wabl spricht dann von der Vertrauensfrage. Man solle doch Wabl in diesem Zusammenhang mehr vertrauen, sagt er, die Minderheit werde ihre Rechte positiv, staatstragend, verantwortungsbewußt einsetzen, wird wirklich nur ganz zurückhaltend untersuchen, wird niemals versuchen, in den Medien irgend etwas so auszunutzen, daß sich dann, wenn zufällig irgendwelche Wahlen vor der Tür stehen, die Konstellation ergibt, daß man wieder ganz rabiat aufklären und untersuchen muß. Niemals! Ihr werdet das niemals tun, ich spüre das förmlich. "Kardinal" Wabl bleibt sauber, er läßt sich in dieses Spiel nicht ein. (Abg. Wabl: Jawohl, Papa Cap!) Das ist die Argumentation, die er verwendet hat.

Und dann kommt der philosophische Satz des Herrn Wabl – immer im Spannungsverhältnis zur Kollegin Fekter –: Was ist seriös? Das, finde ich, ist überhaupt ein guter Satz. Liebe Kollegin, das sollten Sie wirklich in Ihre APA-Aussendung hineinnehmen: "Wablsche Problematisierung des Seriösen im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen."

Gehen wir die Untersuchungsausschüsse historisch durch! Was war denn das? – Eine politische Instrumentalisierung in der politischen Auseinandersetzung zur Beeinflussung des Wählers, um Vorteile für allfällige Wahlen zu ergattern. (Abg. Wabl: Das auch! Aber nicht nur natürlich!) Auch! Er gibt es ja zu. Auch! Bitte, liebe Kollegin, schreiben Sie in Ihre Aussendung: Wabl sagt: Auch. Immerhin ist er diesem Gedanken nähergetreten. Wabl sagt: Auch. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Fekter.  – Abg. Wabl: Kollege Cap! Diktieren Sie gleich der APA, was sie zu schreiben hat! So weit sind wir schon!)

Damit wird sich Wabl vom Abgeordneten Stadler positiv unterscheiden, denn der Stadler müßte, wenn er ehrlich wäre, "nur" sagen, nicht "auch". Nur – das ist sein Beweggrund für die Untersuchungsausschüsse. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Genosse Proksch wäre heute noch ein ehrenwertes Mitglied Ihrer Gesellschaft ohne Untersuchungsausschuß!)

12.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.31

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Cap war redlich bemüht, Kollegen Kostelka zu vertreten. (Ruf bei der SPÖ: Dafür gibt es keinen Besseren!) Na ja, Kollege Kostelka hätte wenigstens gewußt, wovon er redet, denn er war ja bei den Verhandlungen dabei, du warst ja nicht dabei. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Du hast versucht, mit lendenlahmen Witzchen deine Rede aufzufetten. Das ist dir mißlungen. Denn den Kollegen Wabl als Engelchen darzustellen, ist ein lendenlahmes Witzchen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Fekter: Sie tun sich schwer, ihm zu kontern! – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist doch ein Witz!)

Die Tatsache, daß Kollege Cap heute einspringen mußte, weil die ÖVP mit der SPÖ immer noch keine Pensionsreform zustande gebracht hat, ist der Grund dafür, daß wir die Debatte heute auf diesem Niveau führen müssen. Ich hätte mir gewünscht, daß der Kollege ... (Abg. Dr. Fekter: Haben Sie nicht Radio gehört?) Frau Kollegin Fekter, auf Sie komme ich schon noch zu sprechen. Ich sage Ihnen schon noch, was Sie von Kontrolle halten. Wenn es nach Ihnen ginge, würde man die Opposition überhaupt abschaffen (Abg. Dr. Fekter: Aber nein!), wenn es nach Ihnen ginge, würde man auch noch den lästigen Wähler abschaffen. Ihre Mandate, speziell Ihr eigenes, würden Sie gerne pragmatisieren. Das ist die Auffassung der Österreichischen Volkspartei von Demokratie, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Es ist bezeichnend, daß Geschäftsordnungsbeschlüsse, Änderungen der Geschäftsordnung dieses Hauses mittlerweile nur noch mit den Stimmen der Österreichischen Volkspartei und der SPÖ gefaßt werden, das heißt, nur mehr mit den Stimmen der Regierungsparteien. (Abg. Dr. Fekter: Das stimmt doch nicht! Es hat immer eine breite Mehrheit gegeben!)

Herr Präsident! Ist das kein Alarmsignal? Ich hätte mir gewünscht, daß Sie heute gesprochen hätten, daß Sie heute zu dieser Entwicklung, daß die Regierung nur noch über die Opposition drüberfährt, insbesondere dann, wenn es um Kontrollrechte geht, insbesondere dann, wenn es in offenem Widerspruch zu dem steht, was Sie früher selbst gesagt haben, das Wort ergriffen hätten, so wie unser Präsident, daß Sie heute gesagt hätten, welche Entwicklung der Demokratie das ist. (Abg. Dr. Fischer: Wer führt dann den Vorsitz?) Ich hätte Ihnen jetzt gerne meine Redezeit abgetreten. Wollen Sie statt mir reden? Dann setze ich mich sofort nieder. Erklären Sie uns das einmal, Herr Präsident! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Wabl hat völlig recht, wenn er sagt, daß sich dieses Haus laufend entmündigt und sich von der großen Koalition entmündigen läßt. Aber, Kollege Wabl, ich erinnere daran: Bei der letzten Geschäftsordnungsreform habt ihr noch das Feigenblatt geliefert, mit dem man eine weitere Entmündigung dieses Hauses durchgeführt hat. Man wird jetzt immer brutaler. Jetzt seid ihr draufgekommen – spät, aber doch –, daß es weitergeht. Der nächste Anschlag ist ja schon geplant. Man will im Finanzministerium prüfen, ob dieses Haus überhaupt noch Anträge stellen darf, meine Damen und Herren! Ich bin gespannt darauf, ob Sie dann auch noch daran denken, daß dieses Haus weiter entmündigt werden soll.

Das Feigenblatt, Herr Präsident, ist jetzt weg, das Feigenblatt, das Kollege Cap jetzt noch ein bisserl aufgeblasen hat. Er hat gesagt, wie fürchterlich das alles war, Peter Pilz und was weiß ich wer, welche Grausamkeiten die geliefert hätten. (Abg. Dr. Cap: Das ist jetzt lendenlahm!) Ja, mag ja sein. Jetzt haben Sie das Verfahrensrecht, es ist mit uns verhandelt worden, wir alle waren sehr konstruktiv mit dabei. Jetzt ist das Feigenblatt weg, und jetzt schauen wir uns an, ob das totes Recht bleibt oder nicht. – Ich garantiere Ihnen schon heute, es bleibt totes Recht.

Frau Kollegin Schmidt hat recht, wenn sie sagt, die Oppositionsparteien sind auf der Grundlage in diese Verhandlungen gegangen, daß sich bei der Frage der Einsetzung, ob Mehrheits- oder Minderheitsrecht, etwas bewegt. Aber es hat sich nichts bewegt. Die Koalition hat nur ihr Feigenblatt jetzt verloren. Jetzt stehen Sie in der Nacktheit der Verweigerung von Demokratie da, mehr nicht! (Abg. Dr. Cap: Lorbeerblatt!) Nein, Sie haben nichts! Sie stehen nackt da! Ein Nudum ist das, Herr Kollege Cap, ein Nudum! (Lebhafte Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie stehen nackt da. Ihre Weigerung ist unkeusch und nackt! Ich bin gespannt darauf, was Kollege Khol zu dieser unkeuschen Nacktheit noch sagen wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ein fürchterlicher Anblick!) Aber es wird ihm egal sein. Kollegen Khol ist überhaupt alles egal, was sich im Parlament abspielt. Hauptsache, Sie haben Ihre pragmatisierten Mandate, meine Damen und Herren!

Der einzige, der in der Österreichischen Volkspartei in dieser Frage Charakter bewiesen hat, war Kollege Neisser. Herr Präsident Neisser ist auch zu seinen früheren Worten gestanden, Herr Präsident Fischer. (Abg. Dr. Schmidt: Ja, weil es ihm nicht weh tut!) Ja, das ist schon richtig, aber glauben Sie mir, Frau Kollegin Schmidt, bei diesem Verhältnis zwischen Khol und Neisser tut es ihm sogar weh, daß er sich getraut hat, zu seiner früheren Ankündigung zu stehen; so sehr mögen sich die beiden Herrschaften! Anerkennen wir dieses winzige Heldentum des Präsidenten Neisser, es ist ohnehin selten genug, meine Damen und Herren, daß hier herinnen einer einmal Haltung an den Tag legt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben keinerlei Beweglichkeit bei der zentralen Frage der Einsetzung eines Untersuchungsauschusses an den Tag gelegt. Ich weiß nicht, wo Kollege Maier jetzt ist; er hat seine Wortspende abgegeben und ist dann entflohen. Das ist typisch, er war auch bei den Verhandlungen nicht dabei. Kollege Maier irrt natürlich kolossal. Wir haben nie gesagt, daß wir in der Frage des Verfahrensrechts und der Handhabung der Beschlüsse im Ausschuß selbst – das zu dem befürchteten Mißbrauch, den Frau Kollegin Fekter an die Wand malt – der zwingenden Meinung


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sind, daß das ein Minderheitsrecht bleiben muß – das hätte man natürlich auch gerne –, aber die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sollte ein Minderheitsrecht sein. Das würde bedeuten, die Mehrheit hätte es dann im Ausschuß immer noch in der Hand, dafür zu sorgen, daß kein Mißbrauch betrieben wird. Wobei ich der Meinung bin, Herr Präsident, daß man mit Rechten, die man kraft Gesetz hat – das sollten Sie als Jurist zumindest zugestehen –, nicht Mißbrauch betreiben kann. Es kann kein Mißbrauch sein, wenn man diese Rechte verwendet und ausnützt. (Abg. Dr. Niederwieser: Das Gegenteil beweist ihr ständig!)

Das ist das typisch josephinisch-obrigkeitliche Staatsverständnis: Man gibt dem Volk ein Recht, aber wenn es ausgenutzt wird, dann ist das ein Mißbrauch! Das ist Josephinismus pur. Ihre Altvordern waren einmal ganz anderer Meinung. Sie haben gesagt, Rechtsstaat bedeutet, daß Rechte und Berechtigungen eingeräumt werden und das Volk das Recht hat, diese Berechtigungen auch in Anspruch zu nehmen. Und das kann in einem Rechtsstaat kein Mißbrauch sein, glauben Sie mir das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mißbrauch ist es, wenn man ein Gesetz gezielt mißachtet, aber nicht, wenn man ein Gesetz ... (Abg. Dr. Schmidt: Das sollten Sie in der Sozialdebatte auch so sehen, wenn Sie von Sozialschmarotzern reden!) Frau Kollegin Schmidt, wenn Sie mit dem Stichwort "Sozialschmarotzer" kommen: Ich bringe Ihnen ein ganzes Dutzend an Belegen betreffend den Mißbrauch unseres Sozialrechts, der unter Bruch des Gesetzes erfolgt. Unter Bruch des Gesetzes, nicht unter Einhaltung des Gesetzes! Unter Umgehung des Gesetzes! (Abg. Dr. Schmidt: Nein, das ist etwas ganz anderes! Sie sprechen von ganz anderen!)

Herr Präsident! Nennen Sie mir ein Beispiel dafür, wo meine eigenen Fraktion oder eine andere Fraktion dieses Hauses das Geschäftsordnungsgesetz insbesondere beim Kontrollrecht, beim Untersuchungsrecht gebrochen hat (Abg. Wabl: Bei der Wahl!), mißbraucht hat, umgangen hat! Eine Gesetzesumgehung in diesem Haus ist immer noch nur dann möglich, wenn die Mehrheit mitspielt! (Abg. Dr. Niederwieser: Was ist mit den gekennzeichneten Stimmzetteln bei den geheimen Wahlen? Das war Mißbrauch!)

Sie umgehen hin und wieder ein Gesetz, aber da klagt ja die Opposition nicht. Wir klagen jetzt an, daß Sie uns an der Nase herumgeführt haben. (Abg. Dr. Niederwieser: Sie manipulieren Stimmzettel!) Sie haben gesagt, Sie werden in der Frage Mehrheits- oder Minderheitsrecht bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beweglich sein, und daher laden Sie die Oppositionsfraktionen zur Verhandlung ein. Sie sind nicht beweglich geblieben, Sie haben sich keinen Millimeter bewegt, sondern Sie haben die Oppositionsfraktionen in dieser Hinsicht getäuscht.

Meine Damen und Herren! Ich bringe daher heute einen Abänderungsantrag ein, der an Sie bereits verteilt wurde. Darin verlangen wir, daß die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses möglich ist, wenn dies ein Viertel des Hauses verlangt. – Übrigens, Kollege Cap, liegst du völlig richtig. Wir sind nicht mehr so weit weg vom Viertel. Das erreichen wir schon auch noch. Mit der Gestion, mit dem Umgang, den deine Fraktion mit der Demokratie hat, werden wir das erreichen.

Wir sind der Meinung, daß in einem Untersuchungsausschuß Beweisbeschlüsse und Zeugenvorladungen mit einem Minderheitsrecht verlangt werden können sollen. Wir sind weiters der Meinung, daß die Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, ebenfalls zur Auskunftserteilung an den Untersuchungsausschuß verpflichtet sind.

Dieser Antrag ist an Sie verteilt worden, und ich ersuche Sie noch einmal, dem heute zuzustimmen, und zwar gerade dich (in Richtung des Abg. Dr. Cap) jetzt. Wenn du das, was du heute gesagt hast, ernst nimmst, dann mußt du diesem Antrag zustimmen, zumindest dem ersten Teil dieses Antrages. Dann, wenn die Sozialdemokratie sagt: Ja, wir bewegen uns doch noch! – das Bewegungsgesetz der Demokratie ist es, auch der Minderheit Kontrolle zu ermöglichen, dem Parlament Kontrolle zu ermöglichen –, bin ich bereit, über den zweiten Teil zu reden, dann sagen wir: Okay, bei der Einsetzung haben wir einen Konsens erzielt. – Wenn du


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das, was du heute gesagt hast, ernst meinst, dann mußt du der Opposition dieses Recht zugestehen.

Es soll keine Fraktion glauben, sie habe die Anteilnahme an der Regierung und die Funktion als Regierungspartei in alle Ewigkeit gepachtet. Und ich kann mir auch vorstellen, daß die eine oder andere Fraktion schon in einigen Jahren – das ist wahrscheinlich nicht mehr allzu fern – beklagen wird, daß sie diese Gelegenheit der Einräumung eines Minderheitsrechtes bei der Kontrolle versäumt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Stadler hat einen Abänderungsantrag zum Antrag 507/A eingebracht und hat in seinen Ausführungen darauf Bezug genommen. Es wurde verfügt, daß dieser Antrag vervielfältigt und im Saal verteilt wurde. Er wird daher in die Beratungen miteinbezogen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Apfelbeck und Kollegen zum Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes 871 d. B.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden, wird wie folgt abgeändert:

1. Artikel I lautet wie folgt:

Das Bundes-Verfassungsgesetz wird wie folgt geändert:

Art. 53 Abs. 1 lautet:

"53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluß oder auf Verlangen eines Viertels der Abgeordneten Untersuchungsausschüsse einsetzen."

2. Der bisherige Artikel I erhält die Bezeichnung "Artikel II".

3. § 33 Abs. 2 und 3 lauten:

(2) Ein Untersuchungsausschuß ist auch ohne Beschluß des Nationalrates einzusetzen, wenn ein gemäß Abs. 1 eingebrachter Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates oder von allen Abgeordneten zweier Klubs unterstützt wird.

(3) Sind bereits zwei Untersuchungsausschüsse gemäß Abs. 2 eingesetzt, darf kein weiteres derartiges Verlangen gestellt werden.

4. Die bisherigen Absätze 2 bis 5 des § 33 erhalten die Bezeichnungen "4 bis 7".

5. Der bisherige Artikel II erhält die Bezeichnung Artikel III.

6. § 1 der VO-UA lautet:

(1) Der Untersuchungsausschuß erhebt die für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.


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(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von ¼ der Ausschußmitglieder beantragt werden, sofern sie mit dem Gegenstand der Untersuchung im Zusammenhang stehen.

7. § 3 Abs. 1 der VO-UA lautet:

Die Ladung von Auskunftspersonen oder Sachverständigen ist auf Beschluß des Untersuchungsausschusses oder auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder durch den Präsidenten des Nationalrates bzw. in dessen Auftrag durch die Parlamentsdirektion auszufertigen.

8. § 25 Abs. 1 der VO-UA lautet:

Die Gerichte und alle anderen Behörden sowie alle Unternehmungen im Sinne des Art. 126b B-VG sind verpflichtet, dem Ersuchen von Untersuchungsausschüssen um Beweiserhebungen im Rahmen der Befugnisse des Untersuchungsausschusses (§ 17) Folge zu leisten. Hiebei haben sie die vorstehenden Bestimmungen anzuwenden.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich dem nächsten Debattenredner das Wort erteile, gebe ich Herrn Abgeordneten Dr. Niederwieser das Wort. Er hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, wenn Sie mit jener Behauptung beginnen, die Sie berichtigen wollen.

12.41

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Mag. Stadler hat behauptet, die Freiheitlichen hätten nie ein Recht aus der Geschäftsordnung mißbraucht. Ich berichtige tatsächlich: Das ist falsch, die FPÖ hat Rechte aus der Geschäftsordnung mißbraucht. (Abg. Mag. Stadler: Welche denn?) Ich erinnere an die geheime Abstimmung, die wiederholt werden mußte, weil Stimmzettel gekennzeichnet, mit einem Kreuz versehen waren (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein rechtsfreier Raum gewesen!), was eindeutig einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung darstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler: Persönliche Erwiderung!) Herr Abgeordneter! Das müssen Sie das nächste Mal früher sagen! (Abg. Ing. Reichhold: Er hat sich vorher gemeldet!) Bitte, kommen Sie heraus und machen Sie die persönliche Erwiderung, aber ich bitte, von Anfang an klarzustellen, warum Sie persönlich betroffen sind. – Bitte. (Abg. Leikam: Barmüller ist doch schon das Wort erteilt worden! – Abg. Dr. Mertel: Herr Präsident!)

12.43

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich lasse mir von Kollegen Niederwieser nicht unterstellen, daß ich ein geschäftsordnungswidriges Verhalten meiner Fraktion gedeckt hätte. Die Frage, die Kollege Niederwieser angeschnitten hat, kann gar nicht geschäftsordnungswidrig sein, weil sie durch die Geschäftsordnung gar nicht geregelt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Niederwieser: Geheime Wahl!)

12.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Das alles findet post festum statt, aber ich möchte schon festhalten, daß das sicher keine persönliche Erwiderung war. Das ist ganz klar!

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte. (Abg. Dr. Karlsson: Geschäftsordnungswidrig! – Abg. Leikam: Wieder ein Mißbrauch der Geschäftsordnung!)

12.44

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Leikam! Ich finde nicht, daß das ein besonderes Problem darstellt, weil genau damit das Problem der FPÖ in dieser Sache deutlich geworden ist. Herrn Abgeordneten Stadler ist es doch völlig egal, was in der Geschäftsordnung steht, wenn er hier her


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auskommen kann. Er schert sich doch keinen Deut darum, er schert sich nicht darum, daß ich vielleicht schon am Wort bin, sondern Abgeordneter Stadler sagt: Jetzt gehe ich hinaus und sage, ich mache eine persönliche Erwiderung. In Wirklichkeit aber macht er etwas ganz anderes. (Abg. Mag. Stadler: Wie alt werden Wellensittiche?) Dieses Problem haben wir mit der FPÖ und Herrn Abgeordneten Stadler immer, weil euch das, lieber Herr Abgeordneter Haigermoser, in Wahrheit völlig egal ist. (Beifall beim Liberalen Forum.) Deshalb ist dieses Problem in diesem Hause so akut. (Abg. Mag. Stadler: Er hat das Kreuzerl gemacht!) Es ist bereits bei anderer Gelegenheit angesprochen worden, daß das ein ernstes Problem ist. (Abg. Haigermoser: Thomas! – Abg. Dr. Graf: Barmüller, der Zinker!)

Ich zitiere Ihnen nun etwas von Václav Havel: Jene, die die Demokratie ernst nehmen, denen bindet sie die Hände, und jenen (Abg. Haigermoser: Barmüller, der Zinker!), die sie nicht ernst nehmen, denen erlaubt sie alles. – Genau das ist das Problem. (Abg. Haigermoser: Barmüller, der Zinker!) Das gilt für die FPÖ, das gilt aber auch für die ÖVP, und das gilt dort, wo es paßt, auch für die SPÖ. Die Liberalen haben sich in diesem Zusammenhang aufgrund der Erfahrungen, die wir auch persönlich gemacht haben, dazu entschlossen, solche Dinge nicht zu machen. Und daran halten wir uns! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist auch die letzte Geschäftsordnungsreform eine notwendige und richtige Reform gewesen, denn sie hat zur Straffung der parlamentarischen Abläufe geführt, sie hat zu einer erhöhten Berechenbarkeit geführt, ohne daß die Abgeordneten gehindert worden wären, ihre Argumente hier darzulegen. Der FPÖ-Debattengrundsatz: Es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von allen! dient nicht dazu, daß man den Eindruck gewinnt, dieses Haus agiere auf hohem Niveau. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn man sich schon so moralisierend wie Herr Abgeordneter Stadler aufführt (Abg. Mag. Stadler: Er war der Zinker!), dem ich in bezug auf einen Umstand (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf ) – darauf werde ich noch zu sprechen kommen – durchaus recht gebe, Herr Abgeordneter Graf, und wenn man den anderen Mißbrauch vorwirft und sagt: Wie geht ihr mit dem Ganzen um?!, dann sollte man sich – insbesondere dann, wenn man immer sagt: Wir sind die Anständigen, die anderen sind die Unanständigen! (Abg. Mag. Stadler: Er war der Zinker, er hat gezinkt!) – , daran erinnern, daß etwa Herrn Universitätsprofessor Dr. Doralt, als es um die Wahl des Präsidenten des Rechnungshofes ging, unterstellt wurde – ich sage das jetzt deshalb, weil Abgeordneter Stadler gemeint hat, nur dann, wenn ein Gesetz gebrochen wird, ist es ein echter Mißbrauch –, ganz böse Dinge gemacht zu haben, womit er eigentlich öffentlich ruiniert wurde. Und zwar von wem? – Von Dr. Haider. (Abg. Dr. Graf: Wir reden von der Geschäftsordnung!)

Es hat dann ein Gerichtsverfahren gegeben, bei dem herausgekommen ist, daß alles, was ihm vorgeworfen wurde, die Unwahrheit war, falsch war. Daher ist Dr. Haider eine Entgegnung aufgetragen worden. Was hat Dr. Haider gemacht? – Monate hindurch ist er diesem rechtskräftigen Urteil nicht nachgekommen, hat Beugestrafen bekommen (Abg. Mag. Stadler: Warum zinken Sie Stimmzettel, Herr Barmüller?), bis er den Ruf eines von ihm wider besseres Wissen Geschädigten klargestellt und wiederhergestellt hat. (Abg. Mag. Stadler: Warum zinken Sie Stimmzettel?) Das, Herr Abgeordneter Stadler, ist Mißbrauch, Mißachtung der Gesetze. Und das ist etwas, was von uns abgelehnt und Ihnen immer wieder vorgehalten und von uns aufgezeigt wird (Abg. Mag. Stadler: Warum zinken Sie Stimmzettel?), solange Sie hier in diesem Hause sitzen und sich nicht ändern. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Warum zinken Sie Stimmzettel? Das sollten Sie nicht tun!)

Meine Damen und Herren! Es gibt in diesem Haus aber auch noch andere Rechte der Opposition und Kontrollinstrumente, insbesondere die Interpellationsrechte, die jedem einzelnen Abgeordneten hier im Hause zukommen und die in unserer Geschäftsordnung unbefriedigend gelöst sind.

Ich beziehe mich auf eine Anfrage, die ich eingebracht habe bezüglich der Kritik des Rechnungshofes, die nicht umgesetzt worden ist. Es ging dabei um Wohnbaugenossenschaften, die im parteinahen Bereich existieren und die dann in der Folge vom Rechnungshof kritisiert worden


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sind, die aber eine Änderung ihrer Praxis nicht vorgenommen, sondern diese Kritik ignoriert haben. Wir haben es zwar im Rechnungshofausschuß beschlossen, aber es ist nicht umgesetzt worden.

Ich habe, als ich gehört habe, daß eine dieser Genossenschaften an eine parteinahe Organisation verkauft worden ist, nur um diese Genossenschaft aus dem Kontrollbereich des Rechnungshofes herauszubringen, eine Anfrage an den Präsidenten des Rechnungshofes gestellt betreffend die Umsetzung der Kritik des Rechnungshofes. Es steht aber im Geschäftsordnungsgesetz, konkret im § 91a, daß nur in drei Bereichen Anfragen an den Präsidenten des Rechnungshofes gestellt werden können, und zwar: wenn es um die Haushaltsführung im Sinne des Bundeshaushaltsgesetzes geht, wenn es um die Diensthoheit im Sinne des Art. 21 Abs. 3 BVG geht und wenn es um die Organisation des Rechnungshofes im Sinne des § 26 Abs. 2 Rechnungshofgesetz geht.

Meine Damen und Herren! Jetzt tritt die groteske Situation ein, daß eine Kritik des Rechnungshofes nicht umgesetzt wird, aber Abgeordnete dieses Hauses, denen der Rechnungshof beim Ausmachen solcher Mißstände eine unschätzbare Hilfe ist, nicht die Gelegenheit haben, mittels einer Anfrage inhaltlich nachzufragen, was denn jetzt in diesem Zusammenhang passiert, was weitergegangen ist, ob diese Kritik umgesetzt worden ist. Das können sie nicht fragen.

Ich habe eine solche Anfrage gestellt; es ist daraufhin im Rahmen der Präsidiale zu einer Besprechung gekommen, und man hat sich dafür entschieden, es dem Präsidenten des Rechnungshofes anheimzustellen, wenn gefragt wird, wie es mit der Umsetzung der RH-Kritik steht, eine solche Anfrage auch zu beantworten. Das ist eine praktikable Lösung, sie ist aber in Wahrheit politisch problematisch, weil es über kurz oder lang Fälle geben wird, in denen der Rechnungshofpräsident Anfragen beantworten wird und dann von anderen behauptet werden wird, es sei eine politische Entscheidung gewesen, diese Anfrage zu beantworten und eine andere nicht.

Daher regen die Liberalen in einem Abänderungsantrag an, eine Änderung des § 91a durchzuführen, die da lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt, Mag. Thomas Barmüller und PartnerInnen zum Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes (871 der Beilagen) wird wie folgt abgeändert:

In Artikel I wird nach der Ziffer 2 eine Ziffer 3 eingefügt:

3. Im § 91a Abs. 1 wird am Ende folgender Satz angefügt:

"Darüber hinaus unterliegen dem Fragerecht alle Gegenstände aus früheren Berichten des Rechnungshofes an den Nationalrat."

*****

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir nach der Diskussion, die wir hier im Hause darüber hatten, nachdem das in der Präsidiale besprochen worden ist, nachdem der Präsident


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des Rechnungshofes aufgrund eigener Entscheidung – wollte man es sehr genau nehmen: contra legem – solche Anfragen beantwortet, jene Grundlage schaffen sollten, die eine klare und deutliche Regelung beinhaltet, nämlich durch Hinzufügung jenes Satzes, den ich soeben vorgelesen habe.

Meine Damen und Herren! Nun möchte ich aber auf den Untersuchungsausschuß und die Änderungen im Bereich des Verfahrensrechtes der Untersuchungsausschüsse zurückkommen. Frau Abgeordneter Fekter ist recht zu geben, wenn sie sagt, daß es um den Umgang im Ausschuß mit den Personen, die dort eingeladen sind, um Auskunft zu erteilen, geht. – Das ist das eine. Aber damit zusammenhängend ist auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu sehen. Und da ist auch Herrn Abgeordneten Cap entgegenzuhalten, daß die Diskussion über das Verfahrensrecht deshalb begonnen hat, weil die Opposition gefordert hat, daß die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein Minderheitsrecht sein soll. Deshalb haben Sie – durchaus glaubwürdig – zum damaligen Zeitpunkt gesagt: Ja gerade dann müssen wir doch auch über das Verfahrensrecht reden.

Dann hat es die politische Übereinkunft gegeben, daß über das Verfahrensrecht gesprochen wird, daß aber die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch eine qualifizierte Minderzeit ein unverzichtbarer Bestandteil ist. Es werden heute keine Untersuchungsausschüsse mit der Mehrheit der Regierungsparteien eingesetzt, was bedeutet, daß Sie in Wahrheit überhaupt kein Verfahrensrecht brauchen, weil es sowieso nicht zur Anwendung kommt. Aber Sie brauchen dann ein neu geregeltes Verfahrensrecht, wie Sie es jetzt hier vorlegen, wenn es darum geht, daß Untersuchungsausschüsse auch mit den Stimmen einer qualifizierten Minderheit eingesetzt werden können. Und genau in diesem Bereich sind Sie, wenn man es hart formuliert, wortbrüchig geworden oder zumindest von dem abgegangen, was am Anfang ausgemacht war. Denn erst dann, wenn die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ein qualifiziertes Minderheitsrecht geworden ist, ist auch die Frage wichtig, wie das Verfahren aussieht.

Bei unserem Vorschlag, meine Damen und Herren, den Frau Abgeordnete Schmidt bereits vorgetragen hat und den ich noch als


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Abänderungsantrag konkret einbringen werde, daß auch zwei Klubs gemeinsam einen Untersuchungsausschuß einleiten können, gibt es mehr Varianten, als Sie aufgezählt haben, Herr Abgeordneter Cap! Natürlich wird das für die Liberalen und die Grünen gemeinsam möglich sein, aber auch für andere Fraktionen gemeinsam. Die Sozialdemokraten werden das mit den Liberalen oder mit den Grünen machen können. Die Sozialdemokraten können das mit der ÖVP sowieso machen, weil sie die Mehrheit haben, und die Sozialdemokraten mit den Freiheitlichen könnten es nach dieser neuen Regelung ebenfalls. Aber die Frage ist, ob man auch die Klubs in diesem Hause, die ein immer größeres Gestaltungspotential im Rahmen des parlamentarischen Ablaufs haben, dafür hernimmt, indem man sagt: Wenn sich zwei Klubs mit all ihren Abgeordneten dazu entschließen, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, dann soll das auch so sein.

Mit dem Verfahrensrecht, das Sie hier vorlegen, sind eigentlich alle Bedenken, die zu Anfang geäußert worden sind, daß es kein qualifiziertes Minderheitsrecht sein soll, ausgeräumt. Aber Sie bleiben genau den entscheidenden Schritt schuldig. Und das ist auch der Grund dafür, daß wir jetzt sagen, daß wir nicht zustimmen. Denn wir wollen Ihnen nicht politisch die Gelegenheit geben – das sage ich bewußt –, sich eine Feder auf den Hut zu stecken und zu sagen: Wir haben in diesem Bereich eh etwas geändert!, obwohl Sie das entscheidende Problem, daß sich nämlich die Regierung auf die Mehrheit im Hause stützt und gleichzeitig nur die Mehrheit im Hause diese Regierung kontrollieren kann, unbeachtet lassen. Das ist ein ganz essentielles Problem, und solang das nicht aufgegriffen wird, ist alles andere Makulatur. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich darf jetzt den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt und PartnerInnen zum Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Kostelka und Dr. Khol in der Fassung des Ausschußberichtes (871 der Beilagen) einbringen.

Abänderungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes (871 d. B.) wird wie folgt geändert:

1. In Art. I werden nach § 33 Abs. 1 die Absätze 2 und 3 eingefügt, die lauten:

(2) Ein Untersuchungsausschuß ist auch ohne Beschluß des Nationalrates einzusetzen, wenn ein gemäß Abs. 1 eingebrachter Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates oder von allen Abgeordneten zweier Klubs unterstützt wird.

(3) Sind bereits zwei Untersuchungsausschüsse gemäß Abs. 2 eingesetzt, darf kein weiteres derartiges Verlangen gestellt werden.

2. Die übrigen Absatzbezeichnungen des § 33 ändern sich entsprechend.

3. In Art. II wird § 1 um folgenden Zusatz ergänzt: "Solchen Beschlüssen ist ein von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses unterfertigtes Verlangen gleichzuhalten".

4. In § 3 Abs. 1 wird ergänzt: "Bei der Ladung von Auskunftspersonen ist einem solchen Beschluß das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gleichzuhalten."

*****

Sie sehen, Herr Abgeordneter Cap, wir haben auch die Anzahl der gleichzeitig möglichen Untersuchungsausschüsse eingegrenzt. Sie haben vorhin gesagt, daß es bei vergangenen Untersuchungsausschüssen durchaus von Interesse gewesen sei, Personen quasi auch einer strafrechtlichen Anklage zuzuführen. Dazu darf man schon eines nicht verschweigen, daß nämlich dort anklagewürdige Zustände geherrscht haben, Verhaltensweisen gesetzt wurden, die zu Gerichtsverfahren und auch zu Verurteilungen geführt haben. Hätte es diese Untersuchungsausschüsse nicht gegeben, wären diese Verfahren unterdrückt worden. Daher ist das eigentliche demokratiepolitische Problem das, daß die Justiz in diesem konkreten Zusammenhang gar nicht reagiert hat und daß es quasi erst eines politischen Skandals bedurfte, damit die Gesetze tatsächlich angewendet wurden. Das wäre jedoch eine gesonderte Argumentation wert.

Noch einmal: Sie werden uns, den Liberalen, nicht unterstellen können, daß wir einen destabilisierenden Faktor in diesem Hause darstellen wollen oder auch nur im entferntesten daran denken, das in Zukunft zu tun; ganz im Gegenteil. Aber damit eine Kontrolle möglich ist, damit auch letztlich hier im Hause das, was gemacht wird, ernst genommen wird – auch aus der Außenbetrachtung –, muß eine Kontrolle herrschen, die auch einer qualifizierten Minderheit zugänglich ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der zweite Antrag, der von Frau Abgeordneter Dr. Schmidt und PartnerInnen eingebracht wird, ist ebenfalls ein Abänderungsantrag zu dieser Materie. Er zielt auf die Aussage der Frau Abgeordneten Fekter ab, die gesagt hat, daß der Umgang wesentlich ist. Das stimmt auch. Es geht um die Lebensgemeinschaft und um das Entschlagungsrecht.

Der Antrag lautet:

Abänderungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das


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Strafgesetzbuch geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes (871 d. B.) wird wie folgt geändert:

1. § 7 Abs. 2 des Antrages 507/A idF des Ausschußberichtes (871 d. B.) wird wie folgt geändert:

Die Worte "das eheliche Verhältnis, welches" werden durch die Worte "die Lebensgemeinschaft, welche" ersetzt.

2. Artikel III wird wie folgt ergänzt:

§ 72 StGB wird wie folgt geändert:

In Absatz 2 entfallen die Worte "verschiedenen Geschlechtes".

*****

Meine Damen und Herren! Ich bitte auch Sie, Frau Abgeordnete Fekter, einmal gesondert Ihr Augenmerk auf dieses christliche Anliegen zu lenken, auch wenn Ihnen jetzt Herr Abgeordneter Höchtl im Blickfeld zu mir steht. Ich warte, bis Frau Abgeordnete Fekter mir ihre geschätzte Aufmerksamkeit schenkt.

Frau Abgeordnete Fekter! Wir sind der Meinung, daß, wenn Menschen in Lebensgemeinschaft leben, was immer häufiger vorkommt und was, so glaube ich, auch von Ihnen nicht als grundsätzlich schlecht angesehen wird, ein Entschlagungsrecht nicht nur dann gewährt werden soll, wenn eine eheliche Verbindung vorhanden ist, sondern auch dann, wenn diese Nahebeziehung – darum geht es ja eigentlich, um die tatsächliche Nahebeziehung – in Form einer Lebensgemeinschaft besteht. Es geht bei diesem Antrag expressis verbis nicht um gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, das haben wir dezidiert – Sie haben das sicher gehört – nicht hineingeschrieben. Daß Lebensgemeinschaften nach unserer Auffassung auch noch anders definiert werden können, ist eine Sache, aber Sie werden mir zugestehen, daß wir hier nicht expressis verbis auf diese Lebensgemeinschaften abzielen. Wir sind sonst schon der Meinung, daß Sie eine sehr konservative Haltung vertreten, die eigentlich den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr entspricht. Aber wenn es schon um Lebensgemeinschaften geht, dann, glaube ich, werden Sie nicht darüber hinwegargumentieren können, daß man den Lebensgemeinschaften dasselbe Recht zuerkennen soll wie ehelichen Gemeinschaften, wenn es um die tatsächliche Nahebeziehung zwischen den Partnern wie in diesem Fall geht.

Das, meine Damen und Herren, ist Sinn dieses Abänderungsantrages, und ich meine, daß er außerhalb der Ideologie steht, weil er sich – noch einmal – ausschließlich am sachlichen Kriterium der Nahebeziehung orientiert. Wir bitten Sie daher, sich das noch einmal zu überlegen und diesem Abänderungsantrag genauso wie den beiden anderen Ihre Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller hat drei Abänderungsanträge zum Antrag 507/A vorgetragen. Alle sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlungen miteinbezogen.

Als nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

12.59

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere noch einmal an den Anlaßfall, daran, warum der Druck der Oppositionsparteien in diesem Haus derart verstärkt wurde, daß Untersuchungsausschüsse wieder möglich werden sollen. Der Anlaßfall waren Morde an kurdischen Oppositionellen in Wien. Und wie wir im Zuge der Überprüfung der Vorkommnisse feststellen mußten, war es nicht nur ein Mordanschlag.


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Es wurde wiederholtermaßen in Österreich, in Wien politisch gedeckt, daß unter merkwürdigen, unter dubiosen Umständen mutmaßliche Attentäter entkommen konnten, ohne daß sie hier ein Verfahren gehabt hätten, ohne gerechte Strafe.

Das war der Anlaßfall. Vor diesem Hintergrund hat die Opposition Verhandlungen begonnen, um Ihr Hauptargument zu entkräften, Untersuchungsausschüsse wären nicht möglich, weil sie den Charakter von Tribunalen annehmen würden. Wir haben konstruktiv verhandelt. Es gibt nun eine Geschäftsordnung, in der alle Bedenken von wegen Schutz von Auskunftspersonen und so weiter ausgeräumt wurden, und es gibt daher keinen vernünftigen Grund mehr, Untersuchungsausschüsse jetzt nicht zuzulassen.

Frau Abgeordnete Fekter! Sie haben hier am vehementesten die Gegenposition vertreten. Wie erklären Sie es sich, daß es in der Zweiten Republik knapp 20 Untersuchungsausschüsse gab, die ihre Arbeit erledigt haben, und daß es seit 1990, in den letzten drei Gesetzgebungsperioden, keine Untersuchungsausschüsse mehr gab? (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )  – Gibt es keine Vorkommnisse mehr, Frau Abgeordnete Brinek, die aufgeklärt werden sollten? Ist die Frage der Kurdenmorde und die Tatsache, daß mutmaßliche Mörder mit Polizeieskorte zum Flughafen gebracht wurden, nicht etwas, was Sie aufgeklärt wissen wollen, Frau Abgeordnete Fekter? (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Ich kann mich über dieses Ihr Verständnis nur wundern.

Natürlich gibt es Dinge, die dringend aufgeklärt werden müssen. Aber der wahre Grund, warum Sie es nicht zulassen, ist nicht der Mangel an Verfahrensvorschriften (Abg. Dr. Fekter: Aber sicher!), sondern das ist der Zustand dieser Koalitionsregierung. (Beifall bei den Grünen.)

Sie sind ja gar nicht mehr in der Lage, gemeinsame Ziele zu formulieren, geschweige denn gemeinsame politische Handlungsprogramme zu erstellen. In Wahrheit lassen Sie sich von den allerdringendsten sachpolitischen Notwendigkeiten treiben, und Sie kommen immer weiter ins Hintertreffen, von der Pensionsreform über die Versäumnisse im Steuerrecht und, und, und. Eigentlich ist Ihre mangelnde Bereitschaft, Kontrolle zuzulassen, eine politische, eine demokratiepolitische Bankrotterklärung – nichts anderes ist das!

Sie haben dann gesagt, Frau Abgeordnete Fekter, die FPÖ würde die Geschäftsordnung exzessiv handhaben. Es liegt in der Natur von Regierungsparteien und Oppositionsparteien, daß die Opposition ein stärkeres Bedürfnis hat, an die Grenzen der Geschäftsordnung zu gehen. Ich frage Sie jedoch: Stimmen denn Ihre Ziele und Mittel überhaupt noch überein? – Sie sprachen dann, völlig aus dem Zusammenhang gerissen, von Sondersitzungen, von Dringlichen. Die Zahl dieser Instrumente ist limitiert. Eine exzessive Handhabung, Frau Fekter, ist ausgeschlossen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Frau Fekter! Wenn der wahre Grund ist, daß es Ihnen politisch nicht paßt, was die Opposition hier tut – ob das die freiheitliche Opposition, die Liberalen oder die Grünen sind –, und wenn Sie das nicht zulassen wollen, was Ihnen politisch nicht paßt, dann ist das eigentlich das Eingeständnis eines unglaublichen Skandals, Frau Fekter! (Beifall bei den Grünen.)

Mir paßt auch sehr vieles nicht, was andere Parteien, auch die Freiheitliche Partei, hier tun. Nur ist das kein Grund, ein wichtiges ... (Abg. Haigermoser: Was tue ich denn?) – Ich will Ihnen sagen, was Ihre Fraktion zum Beispiel gestern getan hat, Herr Abgeordneter Haigermoser! Die Unterstellung gegenüber Abgeordneten dieses Hauses, direkt an Delikten beteiligt zu sein, ist etwas Ungeheuerliches, das jede inhaltliche Kooperation tatsächlich erschwert. Mit der Geschäftsordnung und dem Versagen von Untersuchungsausschüssen hat das, Frau Fekter, aber wahrlich nichts zu tun!

Noch eines: Ihr Verweigern von Untersuchungsausschüssen hat Ihnen politisch nichts genützt. Sie sollten wenigstens noch in der Lage sein, dieses einfache Nützlichkeitskalkül selbst anzuwenden. Was hat es Ihnen denn genutzt bei Wahlen? Sie verlieren eine Wahl nach der anderen, und die Schlagworte der Demokratieverdrossenheit sind in aller Munde, Frau Fekter! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das hat damit zu tun, daß Sie nicht bereit sind, demokratische Kontrolle zuzulassen!


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90. Sitzung / Seite 57

Ich sage Ihnen noch eines: Wir werden auf die Frage die Kurdenmorde, wir werden auf die Notwendigkeit einer politischen Klärung der Verantwortlichkeiten nicht vergessen. Wenn Sie in dieser Causa beharrlich Untersuchungsausschüsse verweigern, obwohl nicht alle Unterlagen vorgelegt worden sind, obwohl dieses Haus belogen wurde – das können wir beweisen –, dann tragen Sie die alleinige politische Verantwortung dafür, daß Delikte und deren politischer Hintergrund im Dunkeln bleiben.

Frau Fekter! Ein allerletztes: Ich glaube, daß Präsident Klestil deswegen so lange mit seiner Entscheidung hinsichtlich seiner Kandidatur zögert, weil er abwartet, was die Oppositionsparteien allenfalls noch in der Hand haben. Frau Fekter, ich kann Ihnen eines versichern: Wenn Sie eine parlamentarische Klärung der Hintergründe dieser Kurdenmorde, der politischen Verantwortlichkeiten nicht zulassen, dann tragen Sie auch die alleinige Verantwortung dafür, daß ein Präsident, der ins Zwielicht geraten ist, möglicherweise seine zweite Kandidatur anstrebt. (Abg. Schwarzenberger: Unerhört! – Abg. Dr. Khol: Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich habe für diese Aussage meine guten Gründe und Beweise, und Sie werden sich noch wundern, wie sehr das auch im Falle einer zweiten Kandidatur von Präsident Klestil zur Sprache kommen wird. Sie tragen dafür mit Ihrer Haltung die alleinige Verantwortung! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

13.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.07

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist es nicht die exzessivste Verletzung der Geschäftsordnung, Herr Kollege Cap, wenn man diesem Haus permanent und bereits über Jahre hinweg die parlamentarische Kontrolle verweigert? Und wird nicht gerade da die Geschäftsordnung exzessivst mißbraucht? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist zwar die ureigenste Materie dieses Hauses, die wir heute zu beschließen haben, aber trotzdem habe ich das Gefühl, es sitzt heute die gesamte Regierung hinter meinem Rücken. Permanent, wie ein Geist, schwebt sie vor uns. Kollege Cap hat es selbst gesagt, er hat wieder einmal eine neue Qualität ausgesprochen: Er unterscheidet zwischen Regierungsabgeordneten und Oppositionsabgeordneten. – Gerade in Fragen der Geschäftsordnung sollte es jedoch nur Abgeordnete geben und nicht diese wirklich nicht schöne Unterscheidung von Abgeordneten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Cap! Sie haben heute dreimal den Begriff "Spielregeln" verwendet. Ich kann mich noch daran erinnern, es ist keine zwei Jahre her, da hat hier vom Rednerpult aus unser Bundesparteiobmann im Zusammenhang mit Geschäftsordnungsfragen von Spielregeln gesprochen. Sie haben damals in Ihrer theatralischen Art gesagt, ein Mensch, ein Parlamentarier, der Gesetze lediglich als Spielregeln ansieht, sei kein guter Parlamentarier und mißbrauche die Demokratie. – Sie haben sie mit Ihrem Redebeitrag heute mißbraucht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Geschäftsordnung behutsam und seriös handzuhaben – wer bestimmt denn das? – Letztendlich die Präsidiale, der Präsident, der führende Mann hier im Hause, aber sicherlich nicht die Opposition, und so muß man das auch sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht auch um das Selbstverständnis eines Abgeordneten. Ich habe es eigentlich bereits satt, permanent hinter vorgehaltener Hand von Abgeordnetenkollegen von Regierungsparteien gesagt zu bekommen, daß man schon wieder Schlechtes hier beschlossen hat. So ist es zum Beispiel bei der Aufhebung der Immunität. Diesbezüglich kommt Abgeordneter König immer wieder zu uns und sagt: So ein Blödsinn, den wir da beschlossen haben, wir montieren uns selbst ab! – Andere aus Ihrem Lager, aus dem linken Lager, machen das genauso.


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90. Sitzung / Seite 58

Heute passiert genau das gleiche wieder. Man denke nur an die Anlaßfälle, aufgrund derer etwas beschlossen wurde. Es galt, die FPÖ dem Strafrichter zuzuführen. Heute wird jedoch wieder der Beweis dafür geliefert, daß seit der Änderung der Praxis im Immunitätsausschuß ausschließlich Regierungsabgeordnete dem Strafrichter zugeführt werden. Bedenken Sie das! Diese Handhabung der Geschäftsordnung wird auch kurze Beine haben. Sie werden früher, als Sie denken, in der Opposition sein, und dann werden Sie dem heute hier Geäußerten nachjammern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn permanent die Lobbyisten gegen den Parlamentarismus – ich bezeichne es hier so: die Lobbyisten gegen Parlamentarismus – und die Lobbyisten für die Regierung das Wort führen, dann frage ich mich, ob sich diese überhaupt noch in den Spiegel schauen kann. Herr Präsident, Sie selbst sind direkt angesprochen: Können Sie sich noch in den Spiegel schauen, wenn Sie heute wiederum gegen Ihre eigene Überzeugung abstimmen? Ist es nicht gerade dieses Moment, das die Politik vor den Augen der Öffentlichkeit und bei den Wählern unmöglich gemacht hat, daß hier im Hause Abgeordnete permanent gegen ihre Überzeugung abstimmen müssen? Ist das nicht auch heute wieder so? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie leisten der Demokratie und dem Parlamentarismus heute wirklich keinen guten Dienst! Ich möchte, um zu retten, was noch zu retten ist, zumindest in der Verfahrensfrage, einen Antrag einbringen, den Sie sich überlegen sollten. (Abg. Dr. Cap: Graf, erlöse uns!)

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Apfelbeck und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 507/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden, wird wie folgt abgeändert:

In Art. I wird vor § 33 eingeführt:

1. § 32e Abs. 4 und 5 lauten:

(4) Der Unterausschuß hat innerhalb von vier Wochen nach Fassung eines Beschlusses gemäß Abs. 2 erster Satz oder nach Einlangen eines Verlangens gemäß Abs. 2 zweiter Satz beim Präsidenten des Nationalrates die Beratung aufzunehmen und innerhalb von weiteren sechs Monaten einen schriftlichen Bericht an den Rechnungshofausschuß zu erstatten.

5. Wenn eine Minderheit von wenigstens drei stimmberechtigten Teilnehmern an den Unterausschußverhandlungen ein abgesondertes Gutachten abgeben will, hat sie das Recht, einen besonderen schriftlichen Bericht (Minderheitsbericht) zu erstatten. Darüber hinaus kann jeder stimmberechtigte Teilnehmer an den Unterausschußverhandlungen eine vom Hauptbericht abweichende persönliche Stellungnahme in knapper Form zum Gegenstand abgeben. Minderheitsberichte und Stellungnahmen müssen dem Vorsitzenden des Rechnungshofausschusses so rechtzeitig übergeben werden, daß sie gleichzeitig mit dem Hauptbericht in Verhandlung genommen werden können.

2. Der bisherige § 32e Abs. 5 erhält die Bezeichnung (6).

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehen Sie dieses Anliegen nicht durch die Brille der Mächtigen und Regierenden! Sehen Sie es durch die Brille des Parlamentariers, dann haben Sie heute eine große Tat geleistet. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.13


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Stenographisches Protokoll
90. Sitzung / Seite 59

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Graf vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

13.13

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute die Änderung der Geschäftsordnung diskutieren und auch die Frage, ob es tatsächlich gerechtfertigt ist, daß man, wenn das Procedere geändert wird, auch die Mehrheitsverhältnisse neu festlegen soll, dann, so glaube ich, kommt man nicht umhin, sich mit der Praxis der Vergangenheit auseinanderzusetzen, wie das auch schon Kollege Cap gesagt hat.

Ich halte es in diesem Zusammenhang für außerordentlich unredlich, daß sich gerade Vertreter jener Fraktion, die in der Vergangenheit Verhaltensweisen an den Tag gelegt hat, die tatsächlich jenseits von Gut und Böse waren, hier ans Rednerpult stellen und erklären, es gehe in Wirklichkeit um die Einhaltung eines demokratischen Mittels. Meine Damen und Herren! Das ist eine ausgesprochen durchsichtige Argumentation, und sie von kann uns nicht unterstützt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde es auch unglaublich, daß man sich hier herausstellt und den Anspruch erhebt, man hätte noch nie gegen die Geschäftsordnung verstoßen, man hätte noch nie Aktionen gesetzt, die eminent gegen die Geschäftsordnung verstießen. Herr Kollege Stadler, es hat hier – wie Sie gesagt haben – eine geheime Abstimmung gegeben, eine Abstimmung, bei der Sie Ihre eigenen Abgeordneten dadurch kontrollieren ließen – weil Sie ihnen mißtraut haben, wie sie abstimmen werden –, daß Sie wie in der Volksschule Stricherln auf die Abstimmungszettel machten! (Abg. Dr. Ofner: Steht das in der Geschäftsordnung, daß das verboten ist? Wo steht das? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn Sie das nicht als einen Bruch der Geschäftsordnung ansehen, dann weiß ich nicht, was Ihr Demokratieverständnis ist, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Haider hat hier einmal davon gesprochen, daß Abgeordnete dieses Hauses am Nasenring durch das Haus gezogen worden sein soll. Meine Damen und Herren! Es hat damals niemand etwas darauf erwidert. Ich kann aber leider nicht umhin, Ihnen das heute vorzuhalten, und ich wundere mich, daß Sie sich die Vorgabe eines Stimmverhaltens samt Kontrolle in Ihrem Klub gefallen lassen. Das zeigt mir, mit welchem Verständnis Sie eine demokratische Diskussion führen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Kerl, warum hast du so eine rote Birne? Kerl, warum hast du so eine rote Birne?)

Es spricht auch für sich, Herr Abgeordneter Haigermoser, daß Sie sich hier herausstellen und zu mir sagen: "Kerl, warum hast du so eine rote Birne?" (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Meine Zuseher! Ich möchte festhalten: Es stellt sich ein Abgeordneter hier heraus und ruft mir während einer Rede zu – ich darf das für das Protokoll noch einmal bringen –: "Kerl, warum hast du so eine rote Birne?" Kerl! (Rufe bei der SPÖ: Unerhört! Unerhört! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Sie haben auch in der Vergangenheit nicht die Größe gehabt, sich für etwas zu entschuldigen, Herr Abgeordneter Haigermoser! Ich erwarte eine Entschuldigung auch in diesem Zusammenhang nicht. Aber Sie zeigen in der Art und Weise, wie Sie hier agieren – es passiert Ihnen Gott sei Dank doch immer wieder, daß Sie entgleisen –, was Sie tatsächlich von diesem Parlament halten, nämlich daß die Damen und Herren, die hier ans Rednerpult treten, Kerle sind, die aufpassen müssen – ich weiß nicht, worauf, Herr Kollege, aber ich kann es mir ungefähr vorstellen.

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Das, was Sie meinen, ist nicht die Demokratie, die wir meinen! Und das ist auch der Garant dafür, daß Sie außerhalb des Verfassungsbogens bleiben, und das noch sehr lange. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
90. Sitzung / Seite 60

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter Dr. Ofner hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

13.17

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Mein unmittelbarer Vorredner hat behauptet, die Tatsache, daß seinerzeit bei der Wahl des Rechnungshofpräsidenten auf Stimmzetteln ein "F" angebracht worden sei, widerspreche der Geschäftsordnung. Er hat darüber hinaus behauptet, daß dieser Vorgang dazu gedient habe, zu kontrollieren, ob die eigenen Abgeordneten für Fiedler stimmen, und er hat zum dritten behauptet, daß Stadler auf diese Idee gekommen sei. (Abg. Dietachmayr: So war es!)

Ich berichtige tatsächlich: Zum ersten: Es gibt keine gegenteilige Bestimmung in der Geschäftsordnung. (Abg. Dr. Khol: War das Ofner?)

Zum zweiten: Die Idee, ein "F" auf die Stimmzettel zu schreiben, war von mir. (Beifall des Abg. Dr. Khol.  – Abg. Dr. Kostelka: Doch! – Rufe bei der SPÖ: Ofner! Ofner!)

Zum dritten: Es hat nicht dazu gedient, sicherzustellen, daß die freiheitlichen Abgeordneten für Fiedler stimmen. Es hat nur dazu gedient, die ÖVP-Abgeordneten zu zwingen, auch für Fiedler zu stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: "F" wie Ofner!)

13.18


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
90. Sitzung / Seite 61

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Meine Damen und Herren! Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Bitte nehmen Sie die Plätze ein. Wir haben jetzt eine Reihe von Abstimmungen, für die zum Teil im Sinne des § 66 Abs. 3 die Bekanntgabe der Stimmenzahl verlangt wurde. Sie wissen genau, das ist ein schwieriger Vorgang, der eine besondere Übersichtlichkeit vom Präsidium aus verlangt. Ich bitte daher um ganz besondere Disziplin. Ich bitte auch die Klubmitarbeiter, die Reihen der Abgeordneten zu verlassen.

Ich bitte die beiden Schriftführerinnen von heute, Frau Kollegin Reitsamer und Frau Kollegin Parfuss, mich vom Präsidium aus bei der Auszählung der Stimmen zu unterstützen.

Wir stimmen über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses, seinen Bericht 868 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. Es wird ausgezählt.

Ich gebe bekannt, daß dieser Antrag mit 117 Pro-Stimmen angenommen wurde. 55 Stimmen waren dagegen. (Abg. Dr. Schmidt: Ist da Ihre dabei, Herr Präsident?) – Nein, Frau Abgeordnete, ich stimme bei der namentlichen Auszählung nicht mit. Ich stimme nur bei der namentlichen Abstimmung mit. Ist das klar? (Unruhe im Saal.)

Meine Damen und Herren! Ich bitte noch einmal, während des Abstimmungsvorganges wenigstens so viel Disziplin zu wahren, daß wir die Übersicht behalten.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses, seinen Bericht 869 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. Auch hier ist namentlich auszuzählen. – Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. (Abg. Dr. Kostelka: Namentlich oder auszählen? – Abg. Dr. Schmidt: Zur Geschäftsordnung!) – Frau Abgeordnete Schmidt! Was ist los? – Bitte.

13.24

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung): Es interessiert mich nur: Sie haben gesagt, Sie zählen namentlich aus. Stimmen Sie jetzt namentlich ab oder zählen Sie aus?

13.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, das ist ja Ihr Antrag gewesen! Ich habe gesagt, wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses, und ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. Es ist die namentliche Auszählung beantragt worden. – Entschuldigen Sie, die Auszählung der Stimmen ist beantragt worden.

Ich gebe bekannt: Es sind 118 Stimmen dafür abgegeben worden und 55 dagegen. Dieser Antrag ist somit angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses, seinen Bericht 870 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. Auch hier wird die Stimmenzahl festgestellt. – Es wurden 118 Stimmen pro und 55 kontra ausgezählt. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 871 der Beilagen.

Das Bundesgesetz betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates kann nach Artikel 30 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen geändert werden.

Ich stelle zunächst einmal die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen haben einen Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag eingebracht. Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben drei Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge eingebracht. Ferner haben die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen zwei Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile, und zwar der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Artikels I und die damit verbundene Änderung der Artikelbezeichnung zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Zusatzantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. Auch hier wird ausgezählt. – Ich gebe bekannt, daß 55 für diesen Antrag gestimmt haben, 118 dagegen. Daher hat der Antrag keine Mehrheit gefunden und ist abgelehnt worden.

Die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Ziffern 1 bis 3 in Artikel I und die damit verbundene Änderung der Ziffernbezeichnung vorsieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen worden. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel I Z 1 eingebracht, der eine Änderung des § 32e zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. Auch hier wird das Stimmenverhältnis festgestellt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
90. Sitzung / Seite 62

Für diesen Antrag haben 55 gestimmt, 118 dagegen. Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden, er ist daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben je einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Absätze 2 und 3 in Artikel I § 33 und die damit verbundene Änderung der Absatzbezeichnungen zum Inhalt hat.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. Auch hier zählen wir aus. – Für den Antrag sind 55 Stimmen abgegeben worden, 118 dagegen. Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden, er ist abgelehnt worden.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Anfügung einer Z 3 in Artikel I vorsieht.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. Auch hier wird das Stimmenverhältnis festgestellt. – Für diesen Antrag sind 55 Stimmen abgegeben worden, 118 dagegen. Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden, er ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 1 und 3 in Artikel II eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Apfelbeck und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 1, 3 und 25 in Artikel II eingebracht.

Bei Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 7 Abs. 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Bejahung. – Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 7 Abs. 2 in Artikel II eingebracht.

Wer diesem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. Es wird wieder ausgezählt. – Für diesen Antrag haben 14 Abgeordnete gestimmt, 159 dagegen. Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden.

Die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel II § 24 Abs. 1 sowie Artikel III Z 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist mehrheitlich angenommen worden, und zwar mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel III eingebracht.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. Es wird ausgezählt. – 14 stimmen für diesen Antrag, 159 dagegen. Das ist die Minderheit. Der Antrag wurde abgelehnt.

Ich bitte die Klubmitarbeiter, so zu stehen, daß sie mich bei der Auszählung nicht verwirren.


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90. Sitzung / Seite 63

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen worden. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die zweite Lesung ist somit beendet.

Die dritte Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes kann gemäß § 108 des Geschäftsordnungsgesetzes frühestens 24 Stunden nach Abschluß der zweiten Lesung stattfinden. – Also erst zu einem späteren Zeitpunkt.

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (845 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (866 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (849 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (865 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Böhacker das Wort. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

13.36

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die zur Beschlußfassung vorliegende Regierungsvorlage betreffend die Novellierung der §§ 63 und 122 EStG hat zum Ziel, daß für das Jahr 1998 die Freibetragsbescheide wieder sistiert werden sollen.

Meine Damen und Herren! Sie von den Regierungsparteien haben bereits im Jahre 1996 diese Freibetragsbescheide für Topfsonderausgaben einmal sistiert, nämlich für das Jahr 1996 und das Jahr 1997. Mit dieser wahrlich unsozialen Maßnahme greifen Sie wieder einmal tief in die Taschen der Arbeitnehmer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ: Wo sind hier die Arbeitnehmervertreter? Wo ist der Aufschrei, der Protest der Arbeitnehmervertreter gegen diese unsoziale Bestimmung? Denn gerade diese Topfsonderausgaben betreffen im wesentlichen die Klein- und Mittelverdiener, weil die Absetzung von Sonderausgaben bei Einkommen von über 700 000 S sowieso schon abgeschafft wurde.

Es ist unerhört, daß der Herr Finanzminister sich erdreistet, monatlich von den Arbeitnehmern die Lohnsteuer zu kassieren, andererseits aber die Lohnsteuerermäßigung für die Sonderausgaben erst ein Jahr später zugesteht. Wenn man weiß, daß von den Arbeitnehmerveranlagungen für 1996 noch immer 700 000 nicht erledigt sind – 700 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer warten heute noch auf die Lohnsteuerrückzahlung! –, dann erkennt man erst die gesamte Dimension. Der Herr Finanzminister nimmt den Arbeitnehmern 3 Milliarden Schilling zunächst einmal weg, um sie dann vielleicht ein Jahr später im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung wieder zurückzuzahlen. (Abg. Haigermoser: Vielleicht!)


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90. Sitzung / Seite 64

Herr Bundesminister! Diese Maßnahme ist wieder einmal ein Akt – ich möchte es vornehm formulieren – der kreativen Budgetierung: der kreativen Budgetierung zu Lasten der Arbeitnehmer in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich darf Sie daran erinnern, daß im Zuge der Beschlußfassung des Belastungspaketes die Regierung, aber auch die Regierungsabgeordneten erklärt haben, diese Sistierung der Freibetragsbescheide sei eine einmalige Aktion. Und Sie gehen her und beschließen eine neuerliche Sistierung der Freibetragsbescheide! Das, Herr Bundesminister, ist ein klarer Wortbruch gegenüber den Arbeitnehmern in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Was sagt der Herr Verzetnitsch dazu? – Er schweigt!)

Dazu kommt auch noch, daß bereits 1,4 Millionen Freibetragsbescheide für 1998 ergangen sind. Sie beziehungsweise Ihre nachgeordneten Dienststellen haben 1,4 Millionen Freibetragsbescheide zu berichtigen, aufzuheben und durch entsprechend berichtigte zu ersetzen. Wer zahlt die Kosten dafür? – Wieder der Steuerzahler.

Herr Bundesminister! Diese Vorgangsweise ist unerträglich! Wir Freiheitlichen werden diesem neuerlichen Griff in die Taschen der Arbeitnehmer in Österreich nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Ich bin nur neugierig, was ein Arbeiterkämmerer zu dem Griff in die Lohntüten der Arbeitnehmer sagt!)

13.40

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Mit dieser Änderung zum Einkommensteuergesetz 1988 wird die Vorgangsweise beibehalten, die auch schon für 1997 gegolten hat. (Abg. Haigermoser: Also bitte!) Stimmt das nicht? (Abg. Haigermoser: Freilich stimmt es, aber das ist ja das Ungeheuerliche! Daß du das mitträgst! Du bist sonst ein guter Vertreter in dem Bereich, aber das mitzutragen!) – Danke!

Erstens: Es bleibt die Vorgangsweise von 1997 erhalten.

Zweitens: Die steuerliche Abzugsfähigkeit dieser Sonderausgaben bleibt ebenfalls erhalten. Der einzige Nachteil ist, daß diese steuerliche Begünstigung erst ein Jahr später zum Tragen kommt. (Abg. Dr. Haider: Kredit! Zinsen!)

Was heißt das für den einzelnen? – Es bedeutet, daß eine Steuerbegünstigung bis maximal 4 000 S pro Jahr – im Durchschnitt 3 000 S pro Jahr – um ein Jahr später zum Tragen kommt. (Abg. Dr. Haider: Belastungspaket! Das ist für den Bezieher eines durchschnittlichen Einkommens ein Haufen Geld! – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Angesichts aller übrigen Umstände, angesichts dessen, daß wir uns bemühen, ein Konsolidierungspaket zustande zu bringen, angesichts der Tatsache, daß dieses Konsolidierungspaket auch ausgesprochen erfolgreich ist – denn der Herr Finanzminister legt ja gerade ein Budget vor, das ein ausgesprochen gutes Budget ist: ein Budget, mit dem wir bei der Neuverschuldung unter die Marke von 3 Prozent, die im Maastricht-Vertrag vorgesehen ist, kommen –, angesichts all dieser Voraussetzungen also muß ich sagen: Das ist eine Maßnahme, die mich im Vergleich zu vielen anderen Maßnahmen – wie etwa der Nichtvalorisierung bei einzelnen Sozialausgaben et cetera – relativ wenig schmerzt. (Abg. Haigermoser: Parkplatzsteuer! Wurstsemmel-Erlaß! Alles gegen die Arbeitnehmer!)

Ich meine, daß das eine Maßnahme ist, die für das Budget sehr viel bringt, nämlich 3 Milliarden Schilling, und zwar unter Beachtung der kameralistischen Verbuchung, die in allen Budgets Europas vorgesehen ist. Diese Maßnahme bringt also viel, trifft den Arbeitnehmer aber, wie ich meine, in einer durchaus zumutbaren Weise, insbesondere im Vergleich zu anderen Maßnahmen, wie Nichtvalorisierungen et cetera. Daher kann man dieser Maßnahme mit gutem


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90. Sitzung / Seite 65

Gewissen zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Da hätte ich ein schlechtes Gewissen!)

Es erhebt sich die Frage, ob das verteilungspolitisch ausgewogen ist. Zu dieser Ausgewogenheit muß angemerkt werden, daß auf der Gegenseite auch etwas gemacht wurde. Es ist vorgesehen, daß die Vorauszahlungen zu Einkommen- und Körperschaftssteuer um 5 Prozent erhöht werden. Die Verpflichtung zur Vorauszahlung wird in den Budgetbegleitgesetzen mit verankert sein. Unter diesem Gesichtspunkt kann man die zuvor erwähnte Maßnahme durchaus als verteilungspolitisch ausgewogen betrachten.

Man muß, wenn man über die Ausgewogenheit der steuerlichen Maßnahmen spricht, außerdem berücksichtigen, daß etliches aus dem letztem Strukturpaket noch nicht umgesetzt wurde. Insbesondere fehlen uns noch – und darauf werde ich immer wieder hinweisen – die 3,5 Milliarden Schilling an Einnahmen, die aus der LKW-Maut erwartet werden. Es ist auch hinsichtlich der verteilungspolitischen Gesichtspunkte und der Frage der Gerechtigkeit der Verteilung wirklich notwendig, daß die LKW-Maut so bald wie möglich durchgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Diskussion steht auch die Änderung des Umsatzsteuergesetzes; darauf wird Kollege Müller noch genauer eingehen. Ich betrachte diese gesetzliche Änderung als eine logische und wirkungsvolle Maßnahme. Logisch deswegen, weil es ganz einfach vernünftig ist, die Regelungen bei der Umsatzsteuer genauso zu handhaben, wie das auch schon bei der Tabaksteuer der Fall ist, und wirkungsvoll, weil diese Maßnahme immerhin 4,5 Milliarden Schilling an zusätzlichen Einnahmen bringen wird.

Wir haben im Ausschuß eine sehr lange Diskussion über die Wettbewerbsverzerrung geführt, besonders über jene, die an Österreichs Grenzen stattfindet und die Gewerbe- und Handelsbetriebe trifft. Es ist klar, daß diese Wettbewerbsverzerrung drei wesentliche Gründe hat: erstens den Preisunterschied bei Tabakwaren, zweitens den Preisunterschied bei Benzin und drittens die Preisunterschiede bei anderen Waren und Konsumartikeln.

Die Preisunterschiede bei den Tabakwaren werden nun egalisiert. Das wird, wie wir hoffen, für viele Konsumenten ein wichtiger Anreiz sein, ihren Einkaufstourismus etwas weniger intensiv zu gestalten. Ich glaube, Herr Finanzminister, daß du noch zu einem der Säulenheiligen der Trafikanten des Wald- und Weinviertels werden wirst!

Der zweite Punkt, der ganz wesentlich zu diesem Einkaufstourismus beiträgt, ist der Benzinpreisunterschied. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Österreich immer noch einen sehr hohen Benzinpreis. Ein Vergleich vor eineinhalb Monaten hat folgendes gezeigt:

Diesel, Nettopreis pro Liter vor Steuern: 3,92 S in Österreich, 3,20 S im EU-Durchschnitt, 3,45 S in Deutschland. – Euro Super, Nettopreis pro Liter: 4,50 S in Österreich, 3,48 S im EU-Durchschnitt, 3,62 S in Deutschland.

Ich appelliere hier insbesondere an Herrn Wirtschaftsminister Farnleitner und an Herrn Generalsekretär Stummvoll, der sich ja auch immer dafür einsetzt, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Gewerbe- und Handelsbetriebe im Wald- und Weinviertel erhalten werden kann (Beifall des Abg. Dr. Stummvoll )  – Moment, bevor Sie klatschen –: Setzen Sie sich bitte dafür ein, daß die Benzinpreise gesenkt werden! Setzen Sie sich dafür ein! Schon wenn wir den Benzinpreis wenigstens auf das europäische Niveau brächten, könnten wir die Preisdifferenz zu Tschechien, die derzeit etwa 3 S beträgt, auf die Hälfte reduzieren! (Abg. Tichy-Schreder: Auf welches europäische Niveau? – Abg. Dr. Stummvoll: Da muß man die Mineralölsteuer senken!) – Nein, die muß man nicht senken.

Ich rede nur davon, daß wir den Abgabepreis vor Steuern auf das europäische Niveau bringen sollten. Das würde den Einkaufstourismus wesentlich reduzieren. (Abg. Tichy-Schreder: Es gibt kein europäisches Niveau!)  – Doch! Ich habe Ihnen soeben die europäischen Durchschnittspreise genannt. Das stimmt schon, zum Beispiel auch im Vergleich zu Deutschland und anderen Ländern.


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Wenn wir also den Benzinpreis besser gestalten könnten, dann würde sich der Einkaufstourismus wesentlich reduzieren. Es hat vor kurzem bei Herrn Minister Farnleitner eine Aussprache über den Benzinpreis gegeben, aber er hat einen Stufenplan zur Absenkung des Benzinpreisniveaus abgelehnt.

Ich appelliere daher noch einmal an Sie: Wenn schon von der Wettbewerbsfähigkeit der Gewerbe- und Handelsbetriebe in diesem Bereich die Rede ist und wenn Sie dem auch mit Applaus zustimmen, Herr Generalsekretär, dann helfen Sie bitte auch mit, die Benzinpreise auf ein vernünftiges Niveau zu bringen! Nur dann, wenn wir die Benzinpreise senken, werden wir diesen Einkaufstourismus in den Griff bekommen. (Abg. Dr. Stummvoll: Lohnnebenkosten!)

Da Sie die Löhne ansprechen, muß ich auch etwas dazu sagen. Ich vertrage es eigentlich nicht und finde es unverantwortlich, daß wir dauernd über die Verzerrung der Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich reden, aber den enormen Lohnunterschied, den es zwischen Österreich und Tschechien gibt, nicht erwähnen. Möglicherweise sind ja auch jene Unternehmen und Interessenvertretungen, die sich über die Verzerrung des Wettbewerbes besonders beklagen, gerade diejenigen, die diese Lohnunterschiede ausnützen, um in ihren eigenen Betrieben, in ihrer eigenen Region Lohndumping zu betreiben. (Abg. Tichy-Schreder: Lohndumping!)

Ich plädiere wirklich dafür, daß wir diesem Problem ebensoviel Augenmerk schenken. Es gibt ganz enorme Lohnunterschiede. Das Verhältnis beträgt derzeit ungefähr 1 :  9. Uns allen gemeinsam muß klar sein, daß wir die ungeheuren Probleme im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung nur dann positiv lösen können, wenn es auch ein Gleichziehen oder zumindest eine Annäherung in den Lohn- und Sozialbedingungen gibt. Uns muß auch klar sein, daß wir davon noch sehr, sehr weit entfernt sind. – Dieses Problem rückt aber vom Thema Umsatzsteuergesetz zu weit ab.

Ich komme zum Schluß. Ich denke, daß man beiden Gesetzen, die hier vorliegen, guten Gewissens die Zustimmung geben kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.50

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, bei dieser Gesetzesvorlage gibt es, wenn überhaupt, nur zwei Aspekte, die man vielleicht diskutieren kann.

Einer dieser Aspekte, Herr Bundesminister, ist der, daß es wohl die Mobilisierung der letzten Reserven ist oder eine jener Maßnahmen, die dieser Mobilisierung sozusagen nahekommen. Es gibt auch einige andere derartige Maßnahmen.

Die Tatsache, daß Sie sich bei den Bürgern, bei den Steuerzahlern, für einige Monate sozusagen Geld ausborgen – etwas anderes, als daß Sie es auf den Zeitpunkt der allgemeinen Veranlagung verschieben, ist die Aussetzung dieser Freibetragsbescheide ja nicht –, ist eine Maßnahme, die man wohl nur in höchster Not beschließen kann. Andernfalls wäre das Ganze doch eigentlich ziemlich lächerlich. Das kommt mir so vor, als ob ich zu meinen Mitarbeitern sagen würde: Ich zahle euch den Lohn um 14 Tage später!, und mit der Zinsdifferenz irgend etwas sanieren würde.

Diese Maßnahme liegt für mich so sehr an der Grenze des Vertretbaren, an der Grenze der Ergiebigkeit, daß sie uns einfach vor Augen führen sollte, daß wir auf der Einnahmenseite keinen sozialverträglichen Spielraum mehr haben – weder bei diesem Budget noch bei den nächsten Budgets.

Der zweite Aspekt, der mir erwähnenswert erscheint, meine Damen und Herren, ist der Umstand, daß Herr Kollege Nowotny und Herr Stummvoll in einem beinahe beschwörenden Abänderungsantrag festgestellt haben: Jetzt schreiben wir auch noch fest: Ab 1999 ist wieder


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alles beim alten. – Ich glaube, das waren Sie, Herr Stummvoll. Das war für mich so quasi ein Sich-selbst-Mut-Zusprechen, das Signal nach außen: Fürchtet euch nicht, für 1998 ist das jetzt gemacht worden, aber wir sagen ausdrücklich dazu: 1999 ist alles anders! – Mir ist das so vorgekommen, Herr Kollege Stummvoll, als müßten Sie sich selbst Mut zusprechen, damit Sie nur ja nicht umfallen! (Abg. Dr. Stummvoll: Ich wollte Ihnen Mut machen!) – Aber lieber Herr Stummvoll! Mir brauchen Sie in dieser Sache keinen Mut zu machen. Ich bin mutig genug, glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum.) – Soviel zu diesem Aussetzen der Freibeträge.

Daß uns kein Budgetbegleitgesetz vorliegt, in dem das Pendant, der 5prozentige Zuschlag auf die Einkommensteuervorauszahlungen, geregelt ist, veranlaßt mich auch noch zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen, Herr Bundesminister.

Dieses Budgetbegleitgesetz ist, wie wir wissen, deshalb nicht da, weil die großen Brocken, nämlich unter anderem die zur Verhandlung stehenden Pensionsfragen und ähnliches mehr, noch nicht gelöst sind. Nun, was wird passieren? – Sie werden sich jetzt irgendwann einmal auf eine, wie ich glaube, in unseren Augen zwar nicht sehr großartige, aber immerhin auf eine Lösung einigen. Dann werden Sie uns ein Budgetbegleitgesetz vorlegen, in dieses Budgetbegleitgesetz werden Sie 100 Abänderungsanträge einbauen, und dann werden wir das im Schnellzugtempo in den Ausschüssen beschließen müssen. So wird es sich wieder abspielen.

Ich erinnere Sie daran, daß uns von Ihrer Seite eigentlich zugesagt wurde, daß Sie diese Vorgangsweise nicht mehr wählen werden. Ich habe gestern schon darauf hingewiesen: Das letzte Mal haben Sie uns einen solchen Stoß (der Redner deutet mit einer entsprechenden Geste einen Stoß in der Höhe eines halben Meters an) auf den Tisch geknallt und gesagt: Macht das! (Abg. Mag. Barmüller: 22 Kilo!)

Diesmal geben Sie uns ein Zahlenwerk, eine Hülle, eine Schachtel, aber es ist nichts drinnen. Und das, was Sie hineinpacken wollen, das wird halt irgendwann einmal kommen. – Das ist einfach eine Feststellung der Tatsachen, Herr Kollege Stummvoll, und das wissen Sie. Sie werden mir auch zustimmen müssen, wenn ich sage, daß das auch ein Beispiel dafür ist, wie man den Parlamentarismus nicht fördert, daß das auch ein kleiner Baustein dazu ist, daß die Kreditwürdigkeit dieses Hauses in der Öffentlichkeit deroutiert, daß sie weniger wird. Dem werden auch Sie zustimmen.

Dieses Schauspiel ist für mich ja so skurril, daß ich sagen muß: Ich weiß gar nicht, ob es wirklich einen Sinn macht, hier noch über irgend etwas zu diskutieren. (Der Redner weist auf die fast leeren Bankreihen bei SPÖ, ÖVP und bei den Grünen.) Schauen Sie sich das doch an! Ich meine, jeder, der da oben auf der Galerie sitzt und das sieht, muß doch sagen: Um Gottes Christi Himmels willen, in welcher Republik, in welcher parlamentarischen Republik bin ich denn da? (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

Frau Tichy-Schreder! Glauben Sie mir, es tröstet mich nicht und es hat mich noch nie getröstet, wenn ein anderer etwas auch schlecht macht oder schlechter macht, sondern mein Anliegen ist es, es selbst gut zu machen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. (Zwischenbemerkung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Stummvoll in Richtung des Abg. Dr.  Haselsteiner. – Abg. Dr. Haselsteiner: Das war doch kein Vorwurf gegen Sie, Herr Stummvoll!)  – Herr Abgeordneter Stummvoll! Sie haben die Möglichkeit, direkt vom Pult aus zu replizieren.

13.55

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich im Gegensatz zu meinem Vorredner nicht mit der Frage beschäftigen, ob es hier im Parlament leere oder volle Schachteln gibt. Ich möchte mich auch nicht damit beschäftigen (Abg. Böhacker: Sehr überheblich! – weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum), ob Steuerabzugsposten einige


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Monate früher oder später geltend gemacht werden können. Ich möchte im Zusammenhang mit der Novelle zum Umsatzsteuergesetz ein, wie ich meine, sehr ernstes Problem zur Sprache bringen, und zwar die Situation in unseren Grenzregionen.

Meine Damen und Herren! Wir beschließen heute mit einer Novelle zum Umsatzsteuergesetz, daß wir die Einfuhrumsatzsteuer künftig auch bei Tabakwaren aus Nicht-EU-Staaten einheben, und zwar in Ergänzung zur bereits erhöhten Tabaksteuer aus Nicht-EU-Staaten. Gestatten Sie mir aus diesem Anlaß ein paar grundsätzliche Bemerkungen. Es geht hier um eine Situation, die wirklich weite Bereiche Österreichs betrifft, weil Österreich als kleines Land in hohem Ausmaß Grenzregion ist.

Meine Damen und Herren! Die Öffnung Osteuropas ist für unser kleines Land Chance und Risiko zugleich. Die Dimension der Chance sehen wir darin, daß etwa im Vorjahr der Handelsbilanzüberschuß mit Osteuropa 19 Milliarden Schilling betragen hat und daß Slowenien als Exportmarkt heute bereits um eine Milliarde Schilling wichtiger ist als Japan, weil wir um eine Milliarde Schilling mehr Waren nach Slowenien exportieren als nach Japan.

Die Dimension des Risikos sieht man daran, daß in den Grenzregionen manche Betriebe, manche Branchen in ihrer Existenz tödlich bedroht sind: zum Beispiel Einzelhandelskaufleute, Friseure, Trafiken, Tankstellen und so weiter.

Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Region wirklich enormen Handlungsbedarf. Die Österreicher in den Grenzregionen dürfen keine Österreicher zweiter Klasse werden! Es droht eine Entwicklung, die für diese Regionen wirklich nicht erfreulich ist.

Ich war am Montag dieser Woche in Heidenreichstein. Das ist jene Gemeinde, in der die Kaufleute in einer Art verzweifeltem Hilferuf ihre Geschäfte zugenagelt haben, weil sie mit dieser spektakulären Aktion auf die Situation in den Grenzregionen, in denen der Kaufkraftabfluß und damit auch der Abfluß von Arbeitsplätzen zum Teil schon sehr dramatische Entwicklungen genommen hat, aufmerksam machen wollten.

Wir haben hier im Parlament und auch in der Bundesregierung bereits erste Schritte gesetzt, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Wir haben zum Beispiel, als der Kaufkraftabfluß immer stärker wurde, die mobilen Grenzkontrollen der Zollfahndung wesentlich verstärkt. Wir haben außerdem durch die bereits erwähnte Erhöhung der Tabaksteuer versucht, zumindest dem Zugpferd Tabakwaren den Anreiz zu nehmen, damit der Grund, warum man ins Ausland einkaufen fährt, entfällt. Wie wir wissen, haben ja viele Leute die berühmte Stange Zigaretten zum Anlaß genommen, um, wenn sie schon drüben waren, auch noch viele andere Dinge dort zu kaufen.

Wir haben auch versucht – ich sage ganz offen, wir haben manchmal sehr viel Kritik dafür geerntet –, eine Bewußtseinsbildung zu betreiben, etwa nach dem Motto: Du kannst nicht die Kaufkraft in den Osten tragen und im Inland Arbeitsplätze und Lehrstellen erwarten. – Man muß heute wirklich Bewußtseinsbildung betreiben, indem man den Menschen klarmacht: Wer seine Kaufkraft nach Osteuropa trägt, exportiert auch Arbeitsplätze nach Osteuropa! (Abg. Madl: Es ist ja kein Wunder, daß die Leute billigere Quellen suchen, wenn die Kaufkraft der Österreicher schon so geschwächt ist!) Dieses Bewußtsein, Frau Kollegin, müssen wir bei aller internationalen Gesinnung wecken! Wir müssen Bewußtseinsbildung betreiben!

Es wurde – und dafür bin ich besonders dankbar, Herr Finanzminister – seitens der Bundesregierung auch Initiativen in die Richtung ergriffen, daß die berühmten Duty-free-Shops, die eigentlich dem Brüsseler Zollabkommen widersprechen, möglichst bald ein Ende haben werden, weil sie der Hauptanreiz sind, im Ausland einzukaufen.

Meine Damen und Herren! Das ist aber ein Problem, das nicht nur wir haben, sondern das alle jene EU-Länder haben, die ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Madl und Meisinger. ) Das hat mit der Pflichtmitgliedschaft überhaupt nichts zu tun, Herr Kollege! Ein bißchen intelligentere Zwischenrufe, wenn ich bitten darf! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Das Problem der Grenzregionen gibt es nicht nur in Österreich. Ähnliche Probleme gibt es an Deutschlands Grenze zu Polen und an Finnlands Grenze zu Rußland. Ähnliche, wenn auch viel kleinere Probleme gibt es an der Grenze zu Italien und Slowenien. Es ist erforderlich – und da wäre Handlungsbedarf für die Bundesregierung und auch für unsere Europapolitik gegeben –, zu versuchen, in dieser Frage ein akkordiertes Vorgehen der EU zu erreichen.

Im Zusammenhang mit der Neuordnung der EU-Förderungskulisse – ich nenne nur als Stichwort "Agenda 2000" – müssen wir versuchen, in der EU Bundesgenossen und Mitstreiter dafür zu finden, daß wir im Zuge der Neugestaltung der EU-Förderung den Grenzregionen ein entsprechendes Äquivalent dafür bieten, daß die Ostöffnung für unser Land insgesamt ein Riesenvorteil ist – siehe den vorhin bereits erwähnten Handelsbilanzüberschuß von 19 Milliarden Schilling –, daß aber den ökonomischen Kaufpreis für diese Chance heute die Grenzregionen bezahlen!

Ich habe dieses Problem auch in der Raumordnungskonferenz, die unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Klima Anfang Sommer stattfand, thematisiert. Bundeskanzler Klima hat dieses Thema sofort aufgegriffen. Staatssekretär Wittmann und zwei Landeshauptleute, nämlich Zernatto und Stix, sind auch in Brüssel gewesen und haben dort dieses Problem zur Sprache gebracht.

Meine Damen und Herren! Aber man kann nicht von heute auf morgen eine Lösung erwarten. Ich habe vorige Woche darüber auch mit Kommissar Fischler gesprochen. Ich glaube, es ist vor allem wichtig, daß wir versuchen, unsere Freunde in Deutschland dafür zu gewinnen, daß wir im Zuge der Neugestaltung der EU-Förderung den Grenzregionen besonderes Augenmerk schenken, weil sie, wie gesagt, derzeit die Zeche dafür bezahlen müssen, daß insgesamt die Ostöffnung für uns ein Riesenvorteil ist. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch eine weitere Bemerkung. Gerade weil die Grenzregionen in einer überaus schwierigen Lage sind, sollten wir ihnen in jenen Bereichen, in denen wir Zukunftsinvestitionen tätigen – etwa in den Bereichen Infrastruktur, Telekommunikation, Straßenausbau und ähnlichen –, erhöhte Aufmerksamkeit schenken, weil die Infrastruktur für diese Grenzregionen ein wichtiges Sprungbrett dafür ist, in der ökonomischen Entwicklung aufholen zu können.

Meine Damen und Herren! Ich denke, daß diese wenigen grundsätzlichen Bemerkungen für die Bewohner in den Grenzregionen so wichtig sind, daß ich es vorgezogen habe, dazu zu reden und nicht auf meine Vorredner im einzelnen einzugehen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Dr. Krammer. )


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14.03

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich gebe folgendes bekannt:

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Mag. Kammerlander haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß zur Prüfung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Kurden-Morden einzusetzen.

Eine Debatte darüber wurde nicht verlangt.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung über diesen Antrag nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.03

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Grünen lehnen beide Regierungsvorlagen, die jetzt hier zur Debatte stehen, ab, sowohl die EStG-Novelle als auch die Umsatzsteuergesetznovelle.

Zur EStG-Novelle möchte ich nur soviel sagen: De facto handelt es sich dabei um einen Zwangskredit der Steuerbürger an den Staat. Der Staat nimmt einen Zwangskredit bei seinen Bürgern auf. Wenn man das schon machen will – abgesehen davon, daß das ein Ausdruck der Hilfslosigkeit der gegenwärtigen Steuerpolitik ist –, dann sehe ich nicht ein, warum nur jene Leute diesen Steuerkredit geben sollen, die gegenwärtig von den Freibetragsbescheiden profitieren würden. Diese Personen gehören – darauf hat schon mein Vorredner Böhacker hingewiesen – natürlich den unteren und mittleren Einkommenskategorien an. Den anderen sind die Sonderausgaben ja ohnehin schon gestrichen worden. Also wenn schon, dann bitte für alle. Aber das trauen Sie sich natürlich nicht. Abgesehen davon führt das zu einer Verkomplizierung des Steuerrechts, das dann dem Kollegen Böhacker noch verständlich ist, aber einem Laien wie mir nur noch schwer. (Abg. Böhacker: Keine falsche Bescheidenheit!)

Das Umsatzsteuergesetz lehnen wir erst recht ab. Aber wir tun das nicht deswegen, weil ich Raucher bin, sonst müßte der Rest des Klubs diese Umsatzsteuergesetznovelle ja akzeptieren, sondern weil es sich dabei schlicht um eine Steuererhöhung zu Lasten einer ganz bestimmten Gruppe von Bürgern handelt.

In der Regierungsvorlage steht beschönigend, es ginge dabei um eine Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. In Wahrheit geht es dabei – Herr Kollege Stummvoll, das hat Ihr Kollege Lukesch als Berichterstatter im Ausschuß viel zutreffender geschildert – um die Verhinderung von Kaufkraftabflüssen und um die Erhöhung von Steuereinnahmen. – Wörtliches Zitat. (Abg. Dr. Stummvoll: Sicher! Das ist ja nichts Schlechtes!)

Darum geht es, um gar nichts anderes! Zusätzlich sollen dadurch 4 Milliarden Schilling hereinkommen, sagt der Finanzminister. Ich bezweifle zwar, daß es wirklich 4 Milliarden Schilling sein werden. Aber es ist ja egal, ob es 2, 3 oder 4 Milliarden Schilling sein würden, die sich da aus Tabaksteuer, Mineralölsteuer, Umsatzsteuer und so weiter zusammensetzen würden, Tatsache ist, daß diese 4 Milliarden Schilling irgend jemand zahlen muß.

Ich höre immer nur von den Sorgen der Trafikanten und der Tankstellenbesitzer. Es ist schon wahr, daß wir ein Randzonenproblem haben, daß wir ein Problem der grenznahen Gebiete haben. Aber besteht die Bevölkerung dort plötzlich nur noch aus Trafikanten und Tankstellenbesitzern? – Das ist mir völlig neu. Dort wohnen doch anständige Leute, mit einem, wie ich annehme, in der Regel geringen verfügbaren Einkommen, wofür auch die Regierung nicht ganz unverantwortlich ist, und diese haben versucht, ihr geringes Realeinkommen aufzubessern, indem sie hin und wieder über die Grenze gefahren sind und dort diese zugegebenermaßen scheußlichen Zigaretten gekauft und vielleicht sogar getankt haben, was ja heutzutage offenbar überhaupt ein sozialschädliches Verhalten ist. (Abg. Tichy-Schreder: Es sind nicht nur Leute mit geringem Einkommen!)

Nein, es werden schon auch ein paar schwerreiche Millionäre dabeigewesen sein, die in ihrer Freizeit nichts anderes zu tun hatten, als über die Grenze zu fahren und dort vielleicht noch nach einem Duty-free-Shop zu suchen, um 100 S zu sparen! (Heiterkeit.) Es mag sein, daß es solche perversen Mitbürger gibt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Aber Ihnen, Herr Kollege Haselsteiner, traue ich das eher nicht zu. Ich traue Ihnen nicht zu, daß Sie das regelmäßig machen, vielleicht ausnahmsweise in einer Minute geistiger Abwesenheit. (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Gut.

Ich will damit nur sagen: Wie bei jeder Steuererhöhung muß diese jemand tragen. Es geht da um Realeinkommenseffekte. Es wird der Bevölkerung, die dieses anscheinend sozialschädliche Verhalten – ich sage, sehr vernünftige Verhalten, denn man versucht, die Konsumausgaben zu reduzieren und dadurch das Realeinkommen zu erhöhen – an den Tag legt, der Bevölkerung, die das bis jetzt gemacht hat, wieder ein Hahn zugedreht. Ich finde das nicht richtig.


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Herr Stummvoll sagt, es gehe da um die grenznahen Gebiete. Herr Stummvoll, ich frage Sie: Die Grenzen zu schließen, merkantilistische Politik des 18. Jahrhunderts zu betreiben, das ist Ihre Politik zugunsten der grenznahen Regionen? (Abg. Dr. Stummvoll: Von einem Schließen der Grenzen hat niemand gesprochen! Sie argumentieren unter Ihrem Niveau!) In jedem anderen Zusammenhang würden Sie das weit von sich weisen. Nur dort, wo es um die Tankstellen geht, sind Sie bereit, so etwas zu machen. Das ist eine ganz altmodische Politik. (Abg. Tichy-Schreder: Seriös sind Sie heute nicht!)

Es gibt ein Problem der Grenzregionen, da stimmen wir überein, aber daß Sie dieses Problem mit so einer Politik lösen wollen, verstehe ich nicht. Wenn andere Länder in der gleichen Situation uns gegenüber so etwas machen würden, möchte ich sehen, wie die Österreicher schreien würden, wie gemein die Schweizer, die Deutschen, die Italiener und so weiter sind. Da möchte ich Sie erleben! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

14.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.08

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Redner aller Parteien, insbesondere natürlich jene der Opposition, haben in den letzten Jahren immer wieder lautstark kritisiert, daß es in den Grenzregionen zu massiven Kaufkraftabflüssen kommt. Nun, da Gegenmaßnahmen seitens der Regierung, seitens des Staates gesetzt werden sollen, wie es im vorliegenden Entwurf des Umsatzsteuergesetzes vorgesehen ist, wird von denselben Rednern der Oppositionsparteien ebenso kräftig dagegen gewettert.

Ich billige den Kollegen der Oppositionsparteien natürlich zu, daß es nicht ihre Aufgabe ist, die Regierungslinie oder Maßnahmen der Regierung zu verteidigen. Mit dieser vorliegenden Regierungsvorlage betreffend das Umsatzsteuergesetz werden aber Maßnahmen gesetzt, die, wenn wir eine ehrliche Politik im Auge haben, längst fällig sind.

Das Argument, daß die ausländischen Billigzigaretten und auch der oft qualitativ minderwertige Treibstoff nur von Staatsbürgern mit geringerem Einkommen besorgt werden, stimmt nur teilweise. Tatsache ist, daß Einkaufstouren von Bürgern aller Einkommensschichten unternommen werden.

Wir dürfen, meine Damen und Herren, keinesfalls den Eindruck erwecken, daß in Zeiten der Öffnung Europas Ausflugsfahrten und Einkäufe im benachbarten Ausland unterbunden werden sollen. Professor Van der Bellen, vom Schließen der Grenzen kann wirklich keine Rede sein.

Es kann aber auch nicht sein, daß der Staat derartige Einkaufsfahrten ins benachbarte Ausland, wo es um Ausgaben im Ausmaß von 4 bis 4,5 Milliarden Schilling geht, unterstützt, denn genau dieser Betrag an Tabaksteuer, Umsatzsteuer und Mineralölsteuer fehlt im Staatssäckel.

Es kommt, nebenbei bemerkt, durch die Vorschreibungen der Tabaksteuer aber auch zu einer massiven Mehrbelastung der Zollbehörden. Am Beispiel des Zollamtes Kleinhaugsdorf kann man ersehen, um welches Potential es da geht.

Es wurden im Juni 1997 an dem besagten Zollamt 461 Verzollungen vorgenommen, die Einnahmen in der Höhe von zirka 13 000 S erbrachten, und einen Monat darauf wurden bereits an die 10 000 Verzollungen mit einem Einnahmenerlös aus der Tabaksteuer in der Höhe von 1,4 Millionen Schilling verzeichnet.

Wie sieht nun die Regelung im Detail aus? – 25 Zigaretten aus einem Nicht-EU-Land bleiben weiterhin steuer- und zollfrei. Für alles, was darüber hinausgeht, ist seit 1. Juli 1997 Tabaksteuer zu zahlen, und ab 1998 soll auch die Einfuhrumsatzsteuer zum Tragen kommen. Dadurch ist ein Preisvorteil im Ausland gegenüber dem österreichischen Verkaufspreis nicht mehr gegeben.


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Meine Damen und Herren! Mit der vorgesehenen Regelung werden sich die reinen Zigaretteneinkaufsfahrten somit erübrigen und der österreichischen Wirtschaft – das wurde heute schon mehrmals betont –, im speziellen der Wirtschaft in den meist ohnehin benachteiligten Grenzregionen, werden die verlorenen Umsätze wieder zurückgegeben. Daher werden wir Sozialdemokraten als verantwortungsvolle Politiker dieser Regierungsvorlage auch unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Schreiner vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.12

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Im Gegensatz zur Novelle zum Einkommensteuergesetz, bei welcher es darum geht, eine Schröpfaktion bei den Freibetragsbescheiden zu machen, werden wir der Umsatzsteuergesetz-Novelle zustimmen, aber nicht deswegen, weil wir meinen, daß die einmalige Möglichkeit, die sogenannte Tschick-Steuer neben dem Zoll auch bei der Umsatzsteuer zu erhöhen, der Grenzregion von Oberösterreich, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark und Kärnten wirklich substantiell etwas bringen könnte, denn dafür müßten Sie mehr Maßnahmen setzen, sondern weil wir glauben, daß das vielleicht ein Weg ist, den sogenannten Einkaufstourismus, der neben dem Abfluß des Geldes für Treibstoff und Zigaretten auch einen Mitnahmeeffekt hat, etwas einzudämmen.

Herr Bundesminister! Es ist uns klar, daß dieser Mitnahmeeffekt – und da bin ich mit Herrn Kollegen Van der Bellen überhaupt nicht einer Meinung – in den Grenzregionen bewirkt, daß die Leute dort keine Arbeitsplätze mehr bekommen, auspendeln müssen und von ihrem Wohnort in den Ort, wo sie arbeiten, auch 60 Prozent der Kaufkraft mitnehmen. Damit beginnt sich die Todesspirale nach unten zu drehen: weniger Arbeitsplätze, weniger Betriebe, weniger Möglichkeiten für die Gemeinden, zu investieren, weniger Möglichkeiten, die Infrastruktur der Gemeinden und damit die Lebensqualität zu verbessern.

Herr Bundesminister! Trotzdem muß ich Ihnen sagen: Diese einmalige Aktion enthebt Sie nicht von der Aufgabe, dem mehrere Maßnahmen folgen zu lassen. Ich frage mich etwa, warum man in Österreich in den Grenzregionen noch immer Getränkesteuer einhebt, die Wirte dort sie zu zahlen haben, während es im benachbarten Ausland keine solche Steuer gibt. Wir haben in Österreich eine doppelt so hohe Biersteuer wie die Bundesrepublik Deutschland, und es gibt bei uns höhere Energiepreise, diktiert von den Landes-EVUs. Es gibt bei uns auch keinen Anreiz dafür, wie es ihn in anderen Ländern gibt, daß ein geringerer Einkommensteuersatz zur Anwendung kommt.

Herr Bundesminister für Finanzen! Es wird im Bereich der Finanzwissenschaft die Föderalisierung des Steuersystems diskutiert. Es wäre ohne weiteres möglich, daß der Bund bei 50 Prozent Gesamtsteuerbelastung bei der Einkommensteuer, beim obersten Grenzsteuersatz, zum Beispiel sagt: 30 Prozent Bundesanteil, 20 Prozent Anteil für Länder und Gemeinden, und in den Grenzregionen kommt ganz einfach ein geringerer Zuschlagsatz zur Anwendung.

Herr Bundesminister! Das würde – neben vielen anderen Maßnahmen – eine wirkliche Erleichterung für den Grenzraum bedeuten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber das machen Sie nicht! Sie machen eine einmalige Aktion – das ist ein Tropfen auf den heißen Stein – und glauben, damit dem Grenzraum wirklich zu helfen.

Herr Bundesminister! Die Zahlen ergeben fürwahr ein dramatisches Bild. Ich habe mir das aus Ihrem Haus stammende vorläufige Ergebnis der einzelnen Finanzämter in Niederösterreich, was die Gesamtsteuereinnahmen, also nicht nur die Einnahmen aus Einkommen- und Lohnsteuer, sondern auch jene aus Umsatzsteuer und Verbrauchssteuer betrifft, angesehen. Das Finanzamt Waidhofen an der Thaya hat ein Gesamtaufkommen von 483 Millionen Schilling, das von Horn 683 Millionen Schilling, das von Gmünd knapp über eine Milliarde und das von Mödling


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10 Milliarden Schilling. Das heißt, das Finanzamt Mödling hat das Fünffache des Gesamtsteueraufkommens von drei Finanzämtern in dieser Grenzregion.

Herr Bundesfinanzminister! Es ist vollkommen klar: Dort, wo Tauben sind, fliegen Tauben zu. Das ist ein alter Grundsatz, der auch in der Ökonomie gilt hinsichtlich der Anzahl der Betriebe. Was die Politik machen müßte, ist, dem gegenzusteuern. Aber das vermisse ich! Von dieser Bundesregierung, aber auch von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, wird diesbezüglich nichts getan. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen haben uns daher schon oft den Kopf zerbrochen und überlegt, wie man diese Gegensteuerung bewerkstelligen könnte und wie diese Bundesregierung es möglich machen müßte, diesen Kaufkraftabfluß einzudämmen. Wir haben daher einen Entschließungsantrag ausgearbeitet, den ich nun hier zur Verlesung bringen möchte.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Erich L. Schreiner und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich insbesondere im Hinblick auf eine Eindämmung des Kaufkraftabflusses in das benachbarte Ausland

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Interesse der österreichischen Bevölkerung und der heimischen Wirtschaft dringend Maßnahmen zur Eindämmung des Kaufkraftabflusses, zur Sicherung der Arbeitsplätze und des Wirtschaftsstandortes Österreich unter anderem durch Abschaffung steuerlicher österreichischer Besonderheiten sowie durch besondere Maßnahmen zur Förderung wirtschaftlich schwacher Grenzregionen umzusetzen."

*****

Herr Bundesminister! Sie müßten sich wirklich in Ihrem Haus zusammen mit dem Wirtschaftsminister und mit der Frau Minister für soziale Verwaltung überlegen, wie Sie es verhindern können, daß die Grenzregionen – allein in Niederösterreichs sind es sieben politische Bezirke, das ist ein Drittel der gesamten Landesfläche, im Burgenland ist es praktisch das gesamte Bundesland, in der Steiermark ist es eine Grenzregion von vier bis fünf politischen Bezirken, in Kärnten sind es auch mehrere Bezirke – verkommen und sich, während die Zentralräume in Österreich immer besser strukturiert werden, dort der Verkehrsinfarkt zunimmt, Leute und Betriebe sich dort ansiedeln, die Lebensqualität aber gleichzeitig sinkt, die Steuereinnahmen dort steigen und immer mehr und mehr Probleme in der Infrastruktur entstehen, mangels profunder und professioneller Handlungen von seiten dieser Bundesregierung immer mehr und mehr vom allgemeinen Wohlstand verabschieden.

Herr Bundesminister für Finanzen! Die Bundesregierung hat bisher keine Zeichen gesetzt, die erkennen lassen, daß hier eine Trendwende herbeigeführt wird. Diese eine Maßnahme, der auch wir, die freiheitliche Fraktion, heute die Zustimmung geben, ist lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein, aber keine Gesamtreform und kein Gesamtumdenken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Donabauer vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.19

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In Beratung stehen eine Reihe von Finanzgesetzen. Ich möchte zu einigen kurz Stellung nehmen und auch auf die Ausschußberatungen Bezug nehmen.


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Als erstes möchte ich auf das 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz eingehen. Darin war bis dato festgesetzt, daß eine Grenze von 2 Millionen Schilling nicht überschritten werden darf, wenn es um die Veräußerung von Vermögen geht. Dieser Betrag wurde nun auf 10 Millionen Schilling angehoben. (Abg. Böhacker: Das ist ein anderer Tagesordnungspunkt!)

Grund dieser Änderung ist, daß man damit eine wesentliche Einsparung in der Verwaltung erreichen kann. Deshalb fand das auch nach eingehender Beratung im Finanzausschuß die notwendige Zustimmung. (Abg. Rosenstingl: Das ist ein anderer Tagesordnungspunkt! – Abg. Mag. Firlinger: Eine Runde weiter!)

Des weiteren geht es um das Einkommensteuergesetz. Im Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer geht es um die Freibetragsbescheide. (Abg. Böhacker: Es gibt keine Novelle zum Körperschaftsteuergesetz!) Es ist so, daß diese auf das Jahr 1998 begründet sind und ein Freibetragsbescheid für spätere Jahre erst dann in Beratung steht, wenn die budgetäre Notwendigkeit dafür gegeben ist.

Breiten Raum in der Beratung nahm das Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert werden soll, ein. Dabei geht es darum, daß auch im Umsatzsteuergesetz die Einbringung derart vorzusehen ist, daß bei Import von Tabakwaren – wie das bereits bei den Tabaksteuerregelungsgesetzen der Fall ist – nur mehr eine abgabenfreie Menge von fünf Stück erlaubt ist. Bis dato waren es 200 Stück.

Persönlich stehe ich dazu, weil ich glaube, daß wir hier dringend Maßnahmen brauchen. Es ist doch unvorstellbar, daß wir gerade in diesem Bereich, wo auch enorme gesundheitliche Schädigungen unserer Bürgerinnen und Bürger zu erwarten sind, diese billigen Importe laufend ermöglichen. Ich glaube, mit dieser Maßnahme haben wir einen sehr richtigen Schritt gesetzt, nicht nur im Interesse der Steuerpolitik und unserer Volkswirtschaft, sondern auch in Richtung gesundheitspolitischer Maßnahmen, die wir, wie ich glaube, in Zukunft viel intensiver in Betracht ziehen sollten. (Abg. Aumayr: Glauben Sie, daß deshalb nur eine einzige Zigarette weniger geraucht wird?)

Diese und auch alle anderen im Ausschuß behandelten Anträge sowie auch die Abänderungsanträge werden unsere Zustimmung finden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Gleichfalls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.22

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Bundesminister! In unserer schönen Republik ist es kalt geworden. (Abg. Schwarzenberger: Sehr warm jetzt noch im Oktober!) Aber es ist nicht nur kalt geworden wegen der rapid steigenden Lohnsteuer, sondern das reicht wesentlich weiter.

Ein ehemaliges Mitglied der Regierung, Staatssekretär Ditz, schrieb am 3. Oktober 1997 an alle Amtsverwalter, wie sie sich nennen, der Post und Telecom Austria einen Brief. Darin steht: "Laut Businessplan hat sich das Unternehmen unter anderem zu einer Reduzierung des Personalstandes um netto 9 500 Mitarbeiter bis zum Jahr 2001 verpflichtet." (Ruf bei der SPÖ: Das habt ihr immer gefordert!) Das ist die Wahrheit! 9 500 Mitarbeiter!

1995 hat der jetzige Bundeskanzler Klima gemeint, es wären in Summe 8 000 und dies würde ausschließlich über den natürlichen Abgang erfolgen, denn das seien "klasse Burschen", die "lassen wir nicht im Stich". So ungefähr lautete die hemdsärmelige Aussage.

Das könnte man noch als Rationalisierungspotential hinnehmen und sagen: Gut, ein Unternehmen entscheidet sich, wettbewerbsfähig zu bleiben, irgend etwas muß es tun, wenn so eine schlechte Regierungspolitik gemacht wird. Aber die Frage ist, wie das geschieht und zu welchen Maßnahmen man greift.


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Da heißt es in dem Brief: "Es wird vor allem in Ihrer Verantwortung als Manager liegen, Mittel und Wege zu finden, wie Sie Ihre Aufgaben auch mit weniger Personal organisieren können." Und dann kommt der "dicke Fisch": "Die Führungskräfte, welche sich in diesem Projekt durch konkrete Beiträge und Kreativität hervortun, werden bei der Förderung ihrer Karriere besonders berücksichtigt werden."

Das heißt, für den Personalabbau in Österreich zahlen wir bereits Kopfgeld! Es wird den verantwortlichen Leitern der Post ein Kopfgeld dafür bezahlt oder eine Begünstigung ihrer Karriere in Aussicht gestellt, wenn sie sich von Mitarbeitern trennen. Das muß man sich vorstellen! Und das in einer Zeit eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers! Ich muß sagen, Bruno Kreisky würde sich im Grabe umdrehen, wenn er von diesen Aktionen wüßte. Das ist wirklich abenteuerlich.

Und folgendes haben Sie auch nicht erfüllt: Bei der Ankündigung des Belastungspaketes wurde gesagt, der Schwerpunkt werde bei den ausgabenseitigen Maßnahmen liegen. Zwei Drittel würden ausgabenseitig eingespart. – Das einzige, was reduziert wurde, sind die Investitionen. Die laufenden Ausgaben steigen permanent weiter. Bei den laufenden Ausgaben ist nicht erkennbar, wo die Einsparungen liegen.

Es gibt nur schöngefärbte Berichte. Auch der Herr Abgeordnete und Kammerdirektor aus Niederösterreich, Kaufmann, meinte in seiner Rede, die Sistierung der Freibeträge wäre für die Arbeitnehmer zumutbar. Jetzt mache ich Ihnen einen Vorschlag. Sie sind ein gewichtiger Mann in der Arbeiterkammer. Ich schlage Ihnen vor, daß die Arbeiterkammern in Österreich diese Sistierung der Freibeträge den Arbeitnehmern in der Form zugute kommen lassen, daß sie das heuer mit Mitteln der Arbeiterkammer anstelle der Subventionierung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes den Arbeitnehmern vorfinanzieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn wenn Sie sagen, daß das ohnehin nichts ausmacht, dann können Sie ihnen dieses Geld, diese 3 Milliarden Schilling, doch geben. Das würde ich mir erwarten, nachdem das ohnehin in Ihren Augen keine Rolle spielt. Bei Ihrem Einkommen, Herr Kollege Kaufmann, spielt es sicherlich keine Rolle, aber einem Arbeitnehmer, der dank Ihrer Politik, die Sie mit unterstützen, mit 10 000 S, 12 000 S leben muß, tut es weh, wenn er nicht laufend monatlich seinen Ausgleich bekommt. (Abg. Dr. Keppelmüller: Der ÖGB soll auch einen Brief an die Unternehmer schreiben!)

Wo bleiben denn Treu und Glauben in dieser Republik, wenn nicht einmal mehr rechtskräftige Finanzamtsbescheide etwas wert sind? Diese werden dann nachträglich gestrichen. Das ist Ihre Form der Politik!

Sie beweinen hier den Benzinpreis. Drehen Sie sich um und erzählen Sie das Ihrem Parteifreund! Sie und die anderen von den Regierungsfraktionen reden immer so, als ob Sie sagen wollten: Wenn wir einmal in der Regierung sind, dann werden wir das alles machen. – Senken Sie doch den Benzinpreis, senken Sie die Steuern auf den Benzinpreis, dann haben wir ein konkurrenzfähiges Angebot! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben bei der Kürzung der Bausparprämie mitgemacht. Sie haben bei der Kürzung der Kinderbeihilfe mitgemacht. Sie haben beim Belastungspaket mitgemacht. Und Sie machen jetzt auch bei der Senkung der Kaufkraft mit. Es wird immer wieder bejammert, daß die inländische Kaufkraft im Sinken ist. – No na, wenn die Leute kein Geld mehr haben, dann werden sie es nicht mehr ausgeben können. Daher ist diese Sistierung des Freibetrages für 1998 ein Wortbruch und ein Vertrauensbruch für alle, die heute von einer Regierung erwarten, daß sie neue Mitarbeitermodelle erstellt, daß sie die Lohnnebenkosten senkt, damit wir einmal wettbewerbsfähig werden. Bei den Bruttogehältern sind wir vorne mit dabei, aber bei den Nettogehältern liegen wir im Mittelfeld und darunter. Da sollten Sie sich einmal etwas überlegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Wo sind die Mitarbeitermodelle, die in anderen europäischen Staaten durchaus gang und gäbe sind, die steuerbegünstigt sind?


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Was wir brauchen, ist eine international konkurrenzfähige, leistungsorientierte Steuerpolitik. Das würde ich mir von einer Regierung erwarten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fink. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.28

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Hohes Haus! Die Budgetkonsolidierung ist der Freiheitlichen Partei natürlich ein Dorn im Auge. Aber ich glaube, daß jene Maßnahmen, die heute durch die Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Umsatzsteuergesetzes gesetzt werden, dieser Zielsetzung dienen. (Abg. Haigermoser, auf die leeren Bankreihen der ÖVP zeigend: Deine Kollegen interessiert das auch nicht besonders!)

Herr Kollege Haigermoser! Ihre Zwischenrufe haben einmal Qualität gehabt, aber da waren Sie noch Delikatessenhändler. Seitdem Sie das "Gwandlgeschäft" haben, kann man auf diese Ihre Zwischenrufe gar nicht mehr antworten. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine Berücksichtigung dieser Sonderausgaben wird im nächsten Jahr erfolgen. Das heißt, daß den Arbeitnehmern maximal 4 000 S ein Jahr lang vorenthalten werden. Bei einem Durchschnittsverdiener macht das zirka 3 000 S aus.

Ich weiß auch, daß 250 S im Monat für einen Arbeitnehmer unter Umständen sehr viel Geld sein können. Aber ich sage dasselbe, was Mag. Kaufmann gesagt hat: Ich glaube auch, daß das verkraftbar und zumutbar ist. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es werden dadurch auch der Verwaltungsaufwand und die Kosten gesenkt, weil 2 Millionen Freibetragsbescheide nicht mehr ausgesendet werden müssen. (Abg. Mag. Schreiner: Wortbruch ist das!) Und wenn man weiß, daß 60 Prozent dieser Freibetragsbescheide nur beim Arbeitgeber abgegeben werden, dann muß man sagen: Das ist nicht so schwerwiegend.

Ich weiß schon, Sie kritisieren immer sämtliche Maßnahmen. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Kennen Sie den Leitantrag der FPÖ "Steuern senken und Arbeit schaffen"? Lesen Sie ihn einmal durch. Was Sie in diesem Antrag fordern, ist eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote von 43 Prozent auf 35 Prozent. (Abg. Aumayr: Arbeitsplätze!) Wissen Sie, was das bedeuten würde? – Das wären 210 Milliarden Schilling weniger Steueraufkommen. Wie diese Summe hereingebracht werden soll, das wissen nicht einmal Sie! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie wissen nicht, wo Sie da den Rotstift ansetzen sollen.

Herr Mag. Kaufmann hat heute gesagt, er hätte gerne eine Benzinpreissenkung. Was Sie beim Entfall von 210 Milliarden Schilling machen würden, wäre eine Benzinpreiserhöhung um mindestens 5 S. Das belastet den Arbeitnehmer weit mehr als alles andere! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schwarzenberger. ) Nichts anderes bedeuten Ihre Forderungen, die Sie aufstellen.

Es würde unser Sozialsystem gefährden, wenn wir die Steuern in einer Größenordnung von 210 Milliarden Schilling senken würden, so wie Sie das wollen. Ich hoffe, daß ein Jörg Haider nie in die Regierung kommt, denn das würde unser gutes Sozialsystem wirklich gefährden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll: Beiträge senken, Steuern ebenfalls senken und dabei noch unser hervorragendes Sozialsystem erhalten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir werden das zu verhindern wissen. Ich hoffe, daß diese Budgets dazu beitragen, unser hervorragendes Sozialsystem auf diesem Niveau zu halten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Aumayr: Drei Abgeordnete von der ÖVP!)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

14.31

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollegen Fink würde ich dringend nahelegen, einmal einen Elementarkurs in


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Budget- und Finanzpolitik zu absolvieren (Beifall bei den Freiheitlichen), denn selbst in den einfachsten Kursen, in den Grundkursen, würde er sehr rasch lernen, was derartige Steuerentlastungseffekte für die Gesamtwirtschaft bedeuten und in welch kurzer Zeit sich hier Vorteile lukrieren lassen. Aber dazu reicht es bei Ihnen nicht mehr. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist ein Symptom für Ihre gesamte Partei.

Meine Damen und Herren! Aber kommen wir nun zum Umsatzsteuergesetz (Abg. Schwemlein: Und wir dachten, du bist Umverteilungsspezialist!)  – Herr Kollege Schwemlein, ich habe nicht viel Zeit – und damit zur Änderung der Regelungen in bezug auf die Einfuhr von Tabakwaren.

Wie mein Kollege Schreiner schon ausführlich erläutert hat, ist das wirklich kein großes Ruhmesblatt, Herr Bundesminister, aber weil es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist, werden wir diesem Punkt unsere Zustimmung geben. Aber Sie brauchen sich nicht einzubilden, daß Sie damit jetzt das Grenzland gerettet haben. Herr Bundesminister, einzubilden brauchen Sie sich auf diese Maßnahme wahrlich nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mir kommt das so vor, als ginge es Ihnen mehr darum, nach außen hin ein Zeichen zu setzen, einem Teil der Bevölkerung eine verbale Beruhigungspille zu geben: Wir haben ohnehin etwas gemacht, wir sind ohnehin dahinter! Aber eine Reform – ein Wort, das Sie und Ihre Fraktion und auch Ihr Regierungspartner so gerne in den Mund nehmen – ist das beileibe keine.

Meine Damen und Herren! Die Probleme des Grenzlandes sind derart erdrückend, daß Sie mit solch einer Maßnahme wirklich nur einen kleinen Teil dieser Probleme lösen können. Seien Sie mir nicht böse, wenn ich das in aller Offenheit sage. Es geht um etwas anderes: Es geht um die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen. Wir Freiheitlichen sind für faire Wettbewerbsbedingungen, wir sind für faire Marktwirtschaft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

An die Adresse des Kollegen Stummvoll gerichtet: Es ist durchaus legitim, sich auch mit Steuererleichterungsmodellen zu beschäftigen, und zwar permanent; etwa mit der Möglichkeit, die Steuern zu regionalisieren. Ich möchte nur darauf verweisen, daß es ein sehr erfolgreiches Beispiel in der Europäischen Union gibt, nämlich in Frankreich. Dort ist man der Verslumung von bestimmten Gebieten in den Großstädten damit begegnet, daß man die Steuersätze halbiert hat. Das ist ein mutiger Schritt. Er wurde mit der Europäischen Union akkordiert. Genau das wäre für die Standortsicherung in den Grenzgebieten dringend notwendig.

Herr Bundesminister! Denken Sie über diesen Vorschlag nach! Machen Sie ein gescheites Konzept, dann werden Sie sicherlich mit uns darüber reden können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.35

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Diese beiden Gesetze reizen natürlich zu einer Art Fortsetzung der gestrigen Debatte und stehen natürlich auch im Zusammenhang mit den zu erwartenden Debatten zu den Begleitgesetzen. Ich möchte daher nur in aller Kürze zu ein paar Dingen Stellung nehmen.

Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen – ich habe das bereits mehrfach ausgeführt –, daß ich ein Budget eines bestimmten Jahres als eine Momentaufnahme einer bestimmten Entwicklung ansehe. Das Budget 1998 ist die logische Fortsetzung des Konsolidierungskonzeptes der Budgets 1996 und 1997 mit der Aufgabe, diese Konsolidierung eben zu stabilisieren, um davon Abstand zu bekommen, daß in permanenten Abständen bestimmte weitere Konsolidierungsschritte im Hinblick auf Einsparungen größeren Ausmaßes beziehungsweise im Hinblick auf steuerliche Maßnahmen notwendig sind. Daher muß man, wenn man das beurteilen möchte und wenn man dabei auch eine bestimmte Fairneß an den Tag legt, das Budgetprogramm der Jahre 1996 bis 2000 als Aufgabe ansehen, ausgehend von der Budgetsituation des Jahres 1995 mit einem Defizit von 5 Prozent und in der Tendenz steigend und mit einer steigenden Verschuldensquote zu überprüfen, wie sich das bis zum Jahr 2000 entwickeln wird. Es ist von sehr


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großer Bedeutung, das Budget der Jahre 1996 und 1997, das gewaltige Volumina einnahmen- und ausgabenseitiger Natur beinhaltet hat, als eine Etappe und das nun vorliegende Budget 1998 als den Stabilisierungsschritt zu sehen und dann auch mit dem Budget 1999 zu vergleichen. Sie werden ja in wenigen Monaten, nämlich noch im Frühjahr 1998, Gelegenheit haben, das nachzuprüfen, was ich jetzt sagen werde.

Wenn Sie diese vier Budgets betrachten, dann werden Sie in der Tendenz der Ausgaben- und Einnahmenstruktur sehr wesentliche Veränderungen wahrnehmen, nämlich daß sehr wohl im Rahmen dieser vier Jahre die ausgabenseitige Konsolidierung Priorität hatte und daß bei den einnahmenseitigen Adaptierungen, wo es ja wieder zwei Möglichkeiten gibt, nämlich strukturelle Maßnahmen zu setzen und Einmaleffekte zu kombinieren, die Tendenz dieser Einmaleffekte – und so ist das auch richtig – abnehmend ist.

Und damit konkret zu den beiden Gesetzen: Es ist richtig – ich habe das auch nie verschwiegen und auch in meiner Budgetrede klar und deutlich zum Ausdruck gebracht –, daß die Sistierung der Freibetragsbescheide um ein Jahr – und damit es eben keine Mißverständnisse gibt, wurde das durch einen Abänderungsantrag im Ausschuß nochmals dezidiert festgelegt – als Konnex mit der in den Begleitgesetzen vorgesehenen 5prozentigen Vorauszahlung der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zu sehen ist. Das eine wirkt arbeitnehmerseitig, das andere primär arbeitgeberseitig, das eine, nämlich das, war wir heute beschließen, wird 1998 budgetwirksam, das zweite wird 1999 budgetwirksam.

Ich habe auch im Ausschuß ausführlich begründet, warum wir das vorgezogen haben, nämlich um zu verhindern, daß jetzt Freibetragsbescheide ausgesendet werden, die nachher wieder zurückgeholt werden müssen. Das ist der Grund, warum das heute erfolgt. Und wir haben keinen Augenblick gezögert, in der Öffentlichkeit zu sagen: Jawohl, das sind – nur noch einmal – zwei Einmaleffekte, die wir zur Konsolidierung der Budgets 1998 und 1999 brauchen, um zu verhindern, daß wir tatsächlich steuerliche Maßnahmen setzen müssen, die im Bereich von Steuersätzen Erhöhungen mit sich bringen.

Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Böhacker sagen, daß ich nicht weiß, woher er die Zahl von sieben Monaten, die von der Arbeitnehmerveranlagung bis zur Auszahlung reichen sollen, nimmt. Laut Rücksprache mit meinem Ministerium ist es richtig, daß es in den Monaten Jänner und Februar zu einem bestimmten Rückstau kommt, daß wir seit Sommer à jour sind und daß die jetzigen Arbeitnehmerveranlagungen von der Antragstellung bis zur Erledigung, also bis zum Geldfluß, zwei bis drei Wochen dauern. Ich möchte das schon in aller Deutlichkeit sagen, damit auch den Finanzbeamten die Gerechtigkeit zuteil wird, daß man anerkennt, daß sie fleißig arbeiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner! Wenn Sie meinen, das sei die Mobilisierung der letzten Reserven, dann sage ich Ihnen noch einmal: Sie werden sehen, daß das der letzte Einmaleffekt in diesem Bereich ist. Sie haben es so dargestellt, als ob sich ein Chef von seinen Mitarbeitern Geld ausleihen würde. Es ist dies jedoch die Sistierung einer Maßnahme aus 1996, und zwar nur noch einmal, und Sie werden sich in wenigen Monaten, nämlich im Jänner 1998, wenn ich das Budget für 1999 hier einbringe, davon überzeugen können, daß es im Budget 1999 nicht mehr vorgesehen ist.

Ich kann Sie also beruhigen: Wir pfeifen nicht – ich weiß nicht, ob Sie es so formuliert haben, aber gemeint haben Sie es – aus dem letzten Loch, sondern wir sind auf dem richtigen Weg zur Budgetkonsolidierung. Ich bin überzeugt davon, daß in den Jahren 1998 und 1999 auch vom öffentlichen Haushalt jene budgetären Impulse ausgehen werden, die wir alle miteinander zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich brauchen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte noch eine Bemerkung zum zweiten Gesetz, das im Konnex hier verhandelt worden ist, nämlich der sogenannten Einfuhrumsatzsteuer, sagen. Ich habe auch Ihnen, Herr Professor Van der Bellen, im Ausschuß schon gesagt, daß ich den Konsum und die Preisgestaltung von Zigaretten eigentlich nicht als sozialpolitisches Instrumentarium betrachte. Ich sehe das ein bißchen anders als Sie, denn wenn ich als Finanzminister zur Kenntnis nehmen muß, daß von


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ungefähr 16 Milliarden Stück Zigaretten, die im Jahr in Österreich geraucht werden, bereits 4,5 Milliarden Stück über die Grenzen der Reformländer nach Österreich importiert werden – und da sind jene, die geschmuggelt werden und die man nicht findet, nicht dabei, sondern nur die, die ordnungsgemäß eingeführt werden –, also jede vierte Zigarette zu einem ganz anderen Preis gekauft werden kann, dann muß ich sagen: Ich glaube nicht, daß es die sozial Schwachen sind, die Zigaretten importieren, denn in der Regel sind das Leute, die mit Autos in diese Länder fahren. Die sozial Schwächsten haben im allgemeinen keine Autos, und es werden nicht sehr viele Radfahrer von Wien nach Haugsdorf fahren, um Zigaretten einzukaufen. Ich glaube, das wäre ein eher abnormes Verhalten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich meine, daß es meine Aufgabe ist, wenn man bemerkt, daß der Zigarettenimport in nur in einem Jahr von 3,7 Milliarden auf 4,5 Milliarden Stück steigt, Maßnahmen zu ergreifen, weil ja die Zigaretten – und da haben Sie recht – in Wahrheit das Motiv dafür sind, daß man unter Umständen mehrere Male dorthin fährt. Die Preisdifferenz war beachtlich, 200 S pro Stange Zigaretten sind viel Geld, und die Mitnahmeeffekte sind auch beachtenswert. Ich höre – ich möchte jetzt nicht Werbung oder Antiwerbung betreiben, daher nenne ich keine Namen –, daß bestimmte, auch in der Öffentlichkeit bekannte Unternehmungen nahe der österreichischen Staatsgrenze bereits Umsatzverluste von rund einem Drittel beklagen, und zwar nicht nur bei Zigaretten, sondern auch bei allen anderen angebotenen Waren.

Wenn man das so betrachtet, dann erkennt man, daß es eine richtige Maßnahme ist, auch um die Existenzgrundlage jener Unternehmen zu sichern, die sehr grenznahe liegen und im Handel tätig sind. Daher stehe ich zu dieser Maßnahme. Ich halte sie für gerechtfertigt und glaube auch an einen durchaus positiven Nebeneffekt, auch wenn Sie es bezweifeln; wir werden es ja spätestens in einem Jahr sehen: Ich erwarte, und ich sage das in aller Deutlichkeit, rund 4,5 Milliarden Schilling Mehreinnahmen, aufgeteilt auf Tabaksteuer, Umsatzsteuer und MÖSt. Das erwarte ich für das Jahr 1998. Allein die Einnahmen aus der Tabaksteuer sind im Vergleich zum August des Vorjahres um 12 Prozent gestiegen. Und ich entnehme einer Presseaussendung der ATW, daß der Umsatz in Österreich um mehr als ein Viertel zugenommen hat. Ich glaube also daß wir mit der Prognose, welchen budgettechnischen Begleiteffekt das hat, richtig liegen.

Ich möchte noch auf etwas hinweisen, worüber schon im Ausschuß gesprochen wurde. Manche Diskussionen, die im Ausschuß stattgefunden haben, wiederholen sich hier im Plenum. Ich bin auch dafür, daß die europäischen Steuersysteme harmonisiert werden. Was aber nicht geht, ist, daß man versucht, bestimmte Steuertatbestände, die es in Österreich gibt und anderswo nicht, wegzustreichen, die Vorteile des österreichischen Steuersystems gegenüber anderen Ländern jedoch beizubehalten. Das wird nicht gehen. Ich habe Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter, auch im Ausschuß schon gefragt, ob ich Sie vielleicht falsch verstehe, oder ob Sie, wenn wir die Getränkesteuer streichen, wirklich dafür eintreten, daß etwa die Körperschaftssteuer auf das Ausmaß in der Bundesrepublik Deutschland angehoben wird. Unter dem Aspekt könnte man fiskaltechnisch mit mir reden, ich würde es jedoch für falsch halten.

Ich meine, wir haben ein sehr attraktives Steuersystem, gerade für Unternehmungen. Unsere wichtigsten Handelspartner wie etwa die Bundesrepublik Deutschland wären glücklich, wenn sie ein solches hätten, und ich glaube, dabei soll es bleiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit ich nicht mißverstanden werde, nur noch eine Bemerkung. Ich bekenne mich zu dem günstigen Betriebssteuersystem, aber nicht deshalb, damit – wie man mir unterstellt – Unternehmer überproportional viel verdienen können, sondern um die Betriebe in eine günstige Konkurrenzsituation zu bringen, damit sie auch investieren und Arbeitsplätze schaffen können, denn das ist es, was wir wollen: die Sicherung der Arbeit in Österreich. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

14.46

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht in dieser Auseinandersetzung grundsätzlich um folgendes. Ihr Vorgänger, der jetzige Bundeskanzler und damalige Finanzminister Klima, hat bei der Erstellung des Doppelbudgets dezidiert hier im Hohen Haus gesagt: Diese Maßnahmen werden 1998 nicht mehr kommen. Und darum geht es. Es geht um die Ehrlichkeit, es geht darum, daß man den Bürgern die Wahrheit sagt. Sie machen es aber beim nächsten Budget wieder, was Ihnen zusätzlich eine Milliarde Schilling einbringt.

Zur Österreichischen Volkspartei, Kollege Fink, und der Steuerreform: Das geht nicht, was Sie ständig machen! In den Kammern reden Sie über die Entlastung der nichtentnommenen Gewinne, in den Kammern reden Sie über eine Stärkung des Eigenkapitals. Landesrat Leitl verlangt die Entsteuerung nichtentnommener Gewinne. Ihr Abgeordneter Rübig im Europaparlament verlangt eine Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer bei einer familiären Betriebsübernahme und eine Entsteuerung nichtentnommener Gewinne. Aber wenn das die Freiheitlichen fordern, dann heißt es, sie haben von Volkswirtschaft und Steuerlehre keine Ahnung! Wenn Sie den Leuten immer wieder etwas versprechen und hier im Hohen Haus dann nicht halten – was ist das? Sie sagen ständig die Unwahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wollen eine dosierte Steuerreform. Wir haben nie gesagt, daß wir ad hoc alles zugleich verlangen. Das geht auch gar nicht. Aber wir haben in unserem Steuerreformpapier "Faire Steuern braucht das Land" einen Stufenplan erstellt, der realisierbar ist und zu einer steuerlichen Entlastung für die österreichische Bevölkerung führt. Diese Maßnahmen sollte man umsetzen. Statt ständig Steuern zu erhöhen, sollte man endlich von den Steuern entlasten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist noch einmal der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.48

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte nur eines sagen, damit das nicht unwidersprochen im Raum stehen bleibt: Das Bundesbudget 1998 wird so erstellt, daß es in keinem wie immer gearteten Bereich zu einer Erhöhung der Steuern kommt. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Es wird von den Berichterstattern kein Schlußwort verlangt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird, samt Titel und Eingang in 845 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf die Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte Sie, so Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist daher auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, samt Titel und Eingang in 865 der Beilagen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Im Falle Ihrer Zustimmung in dritter Lesung bitte ich Sie gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Ich stelle daher fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen worden ist.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, insbesondere im Hinblick auf eine Eindämmung des Kaufkraftabflusses.

Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (848 der Beilagen): Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der "Dachstein" Fremdenverkehrs-Aktiengesellschaft (863 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 516/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird (864 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

14.52

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht bei diesen Tagesordnungspunkten einmal um die Regierungsvorlage betreffend Privatisierung der "Dachstein" AG, und zweitens geht es in 864 der Beilagen um eine Kompetenzerweiterung der Bundesfinanzierungsgesellschaft. Wir haben uns mit der Bundesfinanzierungsagentur immer kritisch auseinandergesetzt, und wir halten eine Kompetenzerweiterung der Bundesfinanzierungsagentur für nicht notwendig – aus einem ganz einfachen Grund. Man muß sich nur die Chronologie der Ereignisse ein bisserl in Erinnerung rufen.

Im Jahre 1996 hatten wir Bundesschulden von 1 391 Milliarden Schilling, zusammen mit jenen der Länder und Gemeinden waren es 1 634 Milliarden Schilling. Wir werden also in den nächsten Jahren Tilgungszahlungen in einer Größenordnung von 100 Milliarden Schilling haben, und


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wir werden im Jahre 2000 mit Tilgungszahlungen in der Größenordnung von 150 Milliarden Schilling konfrontiert sein.

Zu diesen Zahlen kommen noch die sogenannten grauen Finanzschulden hinzu: Die Hochleistungsstrecken AG in der Größenordnung von 23 Milliarden Schilling, die Bundesbahnen mit 50 Milliarden Schilling, abgesehen von den 47 Milliarden Schilling an jährlichem Finanzierungsbedarf. Weiters kommen noch Bahn und Post hinzu, sodaß die grauen Schulden in diesem Bereich bei einer Größenordnung von 383 Milliarden Schilling liegen. Daher sind wir jetzt mit der öffentlichen Verschuldung bereits bei praktisch 2,017 Billionen Schilling.

Wenn man das Ganze weiterdenkt, dann kommt noch etwas dazu, und zwar sind das die gesamten Bundeshaftungen. Mit den Bundeshaftungen hat es folgendes auf sich. Da sagt zum Beispiel Dkfm. Robol von Price Waterhouse: Das Budget ist eine Roßtäuscherei. Das sagen also nicht die Freiheitlichen, sondern Herr Dkfm. Robol: Die große Zeitbombe tickt bei der Kontrollbank mit allen Bundeshaftungen für die Exportfinanzierung, die praktisch unverzinslich sind, nie im Budget aufscheinen, aber irgendwann einmal schlagend werden.

Es sind im Budget auch keine Haftungen der österreichischen Banken enthalten, mit Ausnahme der Österreichischen Postsparkasse in der Größenordnung von 185 Milliarden Schilling. Wenn man jetzt zu den tatsächlichen Schulden die offiziell angegebene Bundeshaftung von 793 Milliarden Schilling hinzuzählt, dann kommt man auf einen Betrag von 2,810 Billionen Schilling.

Herr Finanzminister! Sie werden wahrscheinlich im nächsten Jahr die Verpflichtungsgrenze von 3 Billionen Schilling überschreiten, und das ist wahrlich kein Ruhmesblatt!

Nun haben wir eine Bundesfinanzierungsagentur, die unsere Schulden bestmöglich verwalten sollte. Diese Bundesfinanzierungsagentur konzentriert sich aber bei der Fremdwährungsfinanzierung einseitig nur auf die niedrigen Zinsen und nimmt keine Rücksicht auf irgendwelche Wechselkursschwankungen beziehungsweise auf die Härte der einzelnen Währungen. Das hat zur Folge, daß wir hauptsächlich in der Yen-Finanzierung und in der Schweizer-Franken-Finanzierung drinnen sind. Das sagt auch Professor Grünbichler in einer Studie: Wenn von der Bundesfinanzierungsagentur eine effizientere Finanzierung in der Fremdwährung gemacht worden wäre, dann könnte das jährliche Tilgungsrisiko um bis zu 2 Milliarden Schilling gesenkt werden. Derzeit haben wir ein Tilgungsrisiko von 2 Milliarden Schilling bei einem durchschnittlichen nominalen Zinssatz von 6 Prozent.

Würde man jetzt aus der harten Währung herausgehen beziehungsweise – wenn man eine Zeitreihenrechnung vollzieht – hätte man einen Teil dieser Refinanzierung aufgrund der Wechselkursschwankungen, die von einem professionellen Schuldenmanagement eigentlich miteinbezogen werden müßten, in Dollar durchgeführt, hätten wir uns wahrscheinlich schon 2 Milliarden Schilling im Jahr Tilgungsrisiko erspart. Diesem Schuldenmanagement, das unsere Schulden nur aufbaut und keine professionelle Tätigkeit im Hinblick auf diese Kursschwankungen entwickelt, wollen wir eigentlich keine größere Kompetenz zuweisen. Deswegen werden wir diese Regierungsvorlage ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Herr Abgeordneter! Ich weise darauf hin, daß ich Sie in knapp 3 Minuten zwecks Aufruf eines Fristsetzungsantrages unterbrechen müßte. – (Abg. Wimmer: Ich brauche 5 Minuten!)  – Bitte. Wenn es kurze 5 Minuten sind, dann geht es sich aus. (Allgemeine Heiterkeit.)

14.57

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Präsident, herzlichen Dank, daß ich noch "kurze 5 Minuten" sprechen darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Vorlage sollen ja die Bundesanteile der "Dachstein" Fremdenverkehrs-Aktiengesellschaft veräußert werden. So ein Anteilsverkauf


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geht ja oftmals sehr still über die Bühne, und gerade darum ist es notwendig, daß man sich den Betrieb, der dahintersteht, ein bißchen genauer anschaut.

Worum geht es? – Die "Dachstein" Fremdenverkehrs-Aktiengesellschaft hat eigentlich eine historische Entwicklung. Die Standorte dieses Betriebes befinden sich in einer eher strukturschwachen Region – im Innersten des Salzkammergutes. Das war auch letztlich der Grund, warum Bund und Land schon vor geraumer Zeit – es war 1947, es ist also schon länger als 50 Jahre her – mitgeholfen haben, diese Wirtschaftsinitiative zu starten. Und es hat sich herausgestellt, daß dieser Wirtschaftsanstoß tatsächlich funktioniert. Die Überlegungen, die damals dahintergestanden sind, sind wirklich aufgegangen.

Die DAG operiert im wesentlichen an drei Standorten: in Oberösterreich – Obertraun und Gosau – und in der Steiermark in der Ramsau. Das Konzept, das dahintersteht, hat sich bewährt. Die Unternehmensphilosophie ist eine Art Drei-Säulen-Theorie: für den Sommertourismus die Rieseneishöhlen, für den Wintertourismus Krippenstein und Gosau und für den Sommerschilauf den bekannten Dachsteingletscher in der Ramsau in der Steiermark. Gerade das Zusammenspiel dieser Aktivitäten hat ein langfristiges und vernünftiges Wirtschaften gesichert. Auch die Ergebnisse können sich sehen lassen. Sie waren und sind gut!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist daher enorm wichtig, daß sich die ÖIAG, die ja den Verkauf operativ vorbereitet, genau anschaut, wie die zukünftigen Eigentümer ihre Strategie anlegen werden, wobei als wichtigste Voraussetzung gilt, daß die Gesamtheit des Unternehmens gewährleistet bleiben muß.

Es darf kein Zerstückeln oder Filetieren geben; das wäre für dieses Unternehmen fatal. – Herr Dr. Haselsteiner kommt nun herein! Wenn es um Seilbahnen geht, hört er besonders gut zu. (Abg. Schwarzenberger: Er verkauft sie ja um 1 S!) Im Salzkammergut gibt es keine Seilbahn um 1 S. Das möchte ich hier gesagt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die "Dachstein" Fremdenverkehrs-AG ist für die gesamte Region ein eminenter Wirtschaftsfaktor. In den letzten Jahren wurden enorme Steuerleistungen erbracht. 116 Arbeitnehmer verdienen in diesem Unternehmen ihren Lebensunterhalt, noch dazu in einer Region, die mit Arbeitsplätzen wahrlich nicht gesegnet ist. Wie es eben meistens vor Eigentümerwechseln passiert, macht sich innerhalb der Belegschaft große Unsicherheit breit. Die dort arbeitenden Menschen sind verunsichert. Sie haben einfach Angst um ihren Arbeitsplatz.

Verstärkt wird diese Unsicherheit dadurch, daß – wie ich einmal behaupten möchte – die zuständigen Organe nicht immer eine glückliche Hand bewiesen haben, insbesondere als es darum gegangen ist, verantwortliche Vorstände für dieses Unternehmen zu bestellen. Es ist nämlich eindeutig zu wenig, ein Dienstleistungsunternehmen in dieser Größenordnung nur zu verwalten. Das ist wirklich zu wenig. Da wäre oftmals mehr Innovation, mehr Flexibilität und mehr Engagement gefragt gewesen.

Ich bringe Ihnen noch ganz kurz ein Beispiel: Es ist in 30 Jahren nicht gelungen, die Verwaltung und das Management vor Ort zu bekommen. Die Zentrale hat heute noch ihren Sitz in Linz, 130 Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt. Das ist wirklich ein wenig kurios. Ich meine, daß das eine schlechte Lösung ist. Die Verwaltung gehört zum Ort des Geschehens. Sie gehört dorthin, wo gearbeitet wird; die Unternehmensleitung gehört dorthin, wo Dienstleistungen erbracht werden.

Darum bin ich auch der Ansicht, daß durch diese Privatisierung, durch diesen Anteilsverkauf nun ein wenig Bewegung – vor allem ins Management – hineinkommt. Und das kann überhaupt nicht schaden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, daß sich mit der Privatisierung der "Dachstein" Fremdenverkehrs-AG auch große Chancen ergeben können, weil die Möglichkeit besteht, vielleicht einmal alle Tourismusangebote in dieser Region unter ein Dach zu bekommen. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß dieser Verkauf nicht ausschließlich durch die finan


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zielle Brille gesehen werden darf, weil es hiebei einfach um mehr geht: Es geht nämlich darum, dem Unternehmen, der Region und vor allen Dingen den dort arbeitenden Menschen eine Chance zu geben, wirtschaftlich sinnvoll überleben zu können. – Aus diesem Grunde werden wir Sozialdemokraten dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schwarzenberger. )

15.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 7 und 8 zum Zwecke der Durchführung einer kurzen Debatte.

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Diese kurze Debatte betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Barmüller, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 403/A (E) betreffend Aufnahme der steirischen Slowenen in den Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe eine Frist bis zum 5. November 1997 zu setzen. Nach Schluß der Debatte wird die Abstimmung erfolgen.

Die Debatte findet nun statt.

Gemäß § 57a GOG steht Ihnen als Antragsteller eine maximale Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

15.04

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Es geht – wie der Herr Präsident bereits einleitend ausgeführt hat – um jenen Antrag, den die Liberalen im Februar dieses Jahres eingebracht haben, der zum Ziel hat, daß die steirischen Slowenen mit Sitz und Stimme im Volksgruppenbeirat vertreten sein sollen.

Der Grund dafür, daß wir dem Verfassungsausschuß mit 5. November 1997 eine Frist setzen wollen, liegt darin, daß es Ende November zur Neukonstituierung dieses Volksgruppenbeirates kommen wird und dann wieder für vier Jahre die Chance vertan sein wird, die derzeit in nur kooptierter Form anwesenden Vertreter wirklich mit Sitz und Stimme in diesem Volksgruppenbeirat zu verankern.

Wir bitten Sie daher, meine Damen und Herren – da es jetzt hier im Plenum nicht um eine inhaltliche Angelegenheit geht, sondern wirklich nur darum, daß dies rechtzeitig im Ausschuß behandelt wird –, dem Fristsetzungsantrag Ihre Zustimmung zu geben und damit zu ermöglichen, daß wenigstens auf parlamentarischer Ebene ausführlich darüber geredet wird, ob auch die steirischen Slowenen mit Sitz und Stimme im Volksgruppenbeirat vertreten sein werden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Die maximale Redezeit beträgt nunmehr 5 Minuten. – Bitte.

15.05

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Zum Begehren der Liberalen, ihrem Entschließungsantrag 403/A (E) eine Frist zu setzen, wäre zu sagen, daß es bereits eine Entschließung des Nationalrates vom Februar dieses Jahres gibt, in der der Bundeskanzler ersucht wird, unter Einbeziehung der betroffenen Landesregierungen zu prüfen, inwieweit eine Vertretung der steirischen Slowenen im Volksgruppenbeirat für die slowenischen Volksgruppen eingerichtet werden kann.

Derzeit ist es schon so, daß ein Mitglied der steirischen Slowenen als kooptiertes Mitglied im Beirat sitzt. Daher ist auch die Behauptung – so, wie sie im Entschließungsantrag steht –, daß die steiermärkische Landesregierung die Existenz der slowenischen Minderheit in der Steiermark leugnet, aus der Luft gegriffen, weil auch im Artikel 7 des Staatsvertrages eindeutig fest


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gelegt ist, daß die steirischen Slowenen eben unter dem besonderen Schutz des österreichischen Staates stehen. Das ist auch in der letzten Volkszählung festgelegt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Wir haben auch im Memorandum der österreichischen Volksgruppen vom Juni dieses Jahres festgelegt, daß eine Aufstockung des Volksgruppenbeirates der Slowenen erfolgen möge. Es gibt in diesem Zusammenhang meinen Informationen nach wohlwollende Zustimmung seitens der Kärntner Slowenen, allerdings keine Einigung betreffend der exakten Zusammensetzung, da es auch innerhalb der Kärntner Slowenen noch Differenzen über Zusammensetzung und Repräsentanz des slowenischen Volksgruppenbeirates gibt.

Daher meinen wir, daß man abwarten sollte, zumal es zwischen legistischer Theorie und Praxis – wie auch Ihr Abgeordneter Brünner schmerzhaft erfahren mußte – einen Widerspruch gibt. Der Unterschied zwischen der Theorie und dem, was vor Ort passiert, ist manchmal ein sehr schmerzhafter, weil es eben für die vorherrschende Angst, die Bewältigung dieser Angst und für Irrationalismen oft keine Erklärung gibt.

Das heißt: Wir haben mit dem Inhalt Ihrer Entschließung überhaupt kein Problem. (Abg. Dr. Schmidt: Dann stimmen Sie zu!) Mir wurde vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes mitgeteilt, daß es derzeit eine rechtliche Prüfung dieser Frage gibt, daß es Verhandlungen mit der steirischen Landesregierung besonders in dieser Frage gibt; und diese Verhandlungen wollen wir nicht mit einer Fristsetzung präjudizieren. Das ist alles. – Aus rein formalen Gründen treten wir dem Antrag nicht bei, wiewohl wir inhaltlich mit dieser Frage kein Problem haben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Eine weitere Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Mag. Stoisits vor. – Bitte.

15.08

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! (Ruf bei der SPÖ: Dobro jutro!) Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bin seit 4. November 1990 Minderheitensprecherin der Grünen. Ungefähr seit diesem Zeitpunkt wird etwas formal geprüft, was ein Faktum ist. Ich sage Ihnen: Es ist einfach unerträglich (Abg. Mag. Barmüller: Was im Staatsvertrag steht! – Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum), daß Sie sich als Abgeordnete auf der einen Seite vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts, aber vor allem von der steirischen Landesregierung so am Gängelband führen lassen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Ist ja nicht wahr!)

Die steirischen Slowenen sind ein Faktum. Wenn Sie das bis jetzt nicht kapiert haben, dann wissen Sie es spätestens seit Dezember 1993, als der Artikel-7-Kulturverein in der Südsteiermark eine Briefbombe bekommen hat. Haben Sie nicht kapiert, worum es geht? Haben Sie das wirklich nicht kapiert? – Hören Sie endlich damit auf, sich mit formalen Argumenten aus einer Verantwortung schleichen zu wollen und sich dieser Verantwortung zu entziehen, wo das täglicher Verfassungsbruch ist! Seit dem Staatsvertrag von Wien 1955 ist es Bestandteil der österreichischen Bundesverfassung, daß die steirischen Slowenen Rechtsansprüche haben, die man ihnen mit einer Konsequenz, die es in keinem anderen Bereich der Politik und des Rechtes gibt, abspricht und vorenthält! (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: In welchen Ortschaften gibt es Slowenen?)

Mit jener Gruppe unter den österreichischen Volksgruppen, die der größten Pression und Repression ausgesetzt ist, wird in einer Art und Weise umgegangen, daß ich für diese Vorgangsweise, meine sehr geehrten Damen und Herren – bei aller Wertschätzung der Bemühungen einzelner unter Ihnen, auch des Kollegen Posch –, kein Verständnis mehr aufbringen kann!

Der Volksgruppenbeirat wird sich Ende November neu konstituieren beziehungsweise wird der Bundeskanzler die Mitglieder einsetzen. Es ist – für all jene, die es sonst nicht verstehen


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wollen – spätestens seit der Konstituierung des jetzt bestehenden Beirates bekannt, wann die Amtsperiode abläuft.

Ich halte es wirklich für unerträglich, was man mit einer kleinen Volksgruppe, bei der es um die Existenz im physischen Sinn geht, alles zu tun bereit ist – und was Sie mit ihr tun. Deshalb auch unsere Unterstützung des Fristsetzungsantrages der liberalen Fraktion. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

15.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 403/A (E) der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen eine Frist bis zum 5. November 1997 zu setzen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 7 bis 8 wieder auf.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.12

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zurück zur Privatisierung der "Dachstein"-AG. Prinzipiell ist auch aus unserer Sicht nichts dagegen einzuwenden. Aber für uns ist selbstverständlich ein unabhängiges Bewertungsgutachten unabdingbar, werter Herr Minister. Aus unserer Sicht sind noch einige Auflagen von Interesse.

Diese Region braucht natürlich für den Fremdenverkehr das Projekt des alpinen Schilaufs. Somit wäre es wichtig, daß dieses Projekt wirklich zum Ausbau gelangt, damit es auch im Hinblick auf die nordische Weltmeisterschaft ein zweites Standbein im alpinen Bereich gibt. Eine weitere Auflage wäre daher aus unserer Sicht die Gewährleistung eines reibungslos funktionierenden und vor allem auch sicheren Betriebes – im Sinne des Fremdenverkehrs.

Herr Kollege Haselsteiner hört hier aufmerksam zu, und daher möchte ich sagen: Es geht nämlich der Dachstein-Tauernregion sonst so wie den Spittalern und Millstättern, daß nämlich der Betrieb auf dem Goldeck – seit dem Erwerb durch Sie, Herr Abgeordneter Haselsteiner – nicht mehr gewährleistet war und es auch zu einem tragischen Unfall gekommen ist. Ich finde, man sollte das wirklich ernst nehmen und im Vertrag festschreiben, daß unbedingt ein funktionierender und sicherer Betrieb gewährleistet sein muß, daß sämtliche Auflagen ständig zu erfüllen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Unter diesen Bedingungen werden wir dem Verkauf zustimmen. Ich ersuche Sie ernsthaft, diese Anregungen aufzunehmen und im Verkaufsvertrag festzuhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kröll. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Dr. Ofner: 10  Minuten! Na servas!)


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15.14

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage 848 der Beilagen, nämlich eben diese Veräußerung der Bundesanteile an der "Dachstein" Fremdenverkehrs-AG, habe ich mich als regionaler Abgeordneter zu Wort gemeldet und möchte hiezu einige Bemerkungen machen.

Nach dem positiven Beschluß des Finanzausschusses soll der Bundesminister für Finanzen ermächtigt werden, den Aktienanteil des Bundes an der DAG um ein Nominale von rund 25,9 Millionen Schilling bestmöglichst zu veräußern.

Die Beteiligung des Bundes am Grundkapital der "Dachstein" Fremdenverkehrs-AG im Wert von insgesamt 190 Millionen beträgt mit eben diesen 25,9 Millionen Schilling immerhin 50,48 Prozent, also die Mehrheit. Mitaktionäre sind – darauf wurde schon von meinem Kollegen Wimmer hingewiesen – aus traditionellen regionalen Gründen das Land Oberösterreich mit 36,023 Prozent, das Land Steiermark mit 12,632 Prozent sowie die Gemeinden Obertraun und Ramsau am Dachstein und Privataktionäre mit insgesamt 0,862 Prozent.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! In dieser Beteiligungsstruktur kommt der hohe Stellenwert der DAG in regionalpolitischer und strukturpolitischer Hinsicht klar zum Ausdruck. War es ursprünglich so, daß mit Initiative des Landes Oberösterreich und Initiatoren aus dem inneren Salzkammergut das Land und der Bund in der ersten Phase zu dieser Mehrheitsbildung fanden und später die Steiermark durch die Erschließung im Süden mit der Gletscherbahn dazukam, so geht es nunmehr darum, einerseits zu privatisieren oder zu veräußern und andererseits aber den Geist und die Struktur aufrechtzuerhalten, auch in Zukunft ein regionales Leitprojekt zu haben.

Wenn nun nach diesem Gesetz sowie den Rahmenbedingungen der EU-Kommission im Wege der ÖIAG die Privatisierung beziehungsweise der Verkauf der Bundesaktien erfolgen sollen, ist – zumindest aus meiner regionalen Sicht – insbesondere auf die bestehenden Tourismusseilbahnen und -strukturen sowohl in der Steiermark als auch in Oberösterreich besonderes Augenmerk zu legen. Die "Dachstein" Fremdenverkehrs-Aktiengesellschaft als touristischer Leitbetrieb für das Salzkammergut in Oberösterreich im Norden und Nordwesten bis hinüber in das angrenzende Salzburgische und in die Steiermark ist durch die Gletscherbahn mit 1 000 Meter an Höhenüberwindung, nämlich von 1 700 auf 2 700 Höhenmeter, und mit der Erschließung des Dachsteingletschers für alle Regionen rund um den Dachstein unverzichtbar und von eminenter Bedeutung. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Leitfunktion soll und muß beibehalten werden. Das hat neben den wirtschaftlichen Aspekten dieser Privatisierung, des Verkaufs der Bundesanteile einen weiteren eminent wichtigen Wert. Im Norden handelt es sich eben um die Standorte Obertraun und Gosau, die schon angesprochen wurden, sowie in besonderer Weise die Dachsteinhöhlen mit ihrem wesentlichen touristischen Ambiente und ihrer Infrastruktur. Im Süden ist es diese einzigartige Gletscherbahn, die immerhin die östlichste Alpengletscherbahn schlechthin ist.

Im Süden liegt auch die Dachstein-Tauernregion mit mehr als 20 000 Gästebetten. Frau Kollegin Rossmann hat schon darauf hingewiesen, daß schließlich in der Ramsau die Nordische Schi-WM 1999 stattfinden wird, wo von steirischer Seite die Erschließung dieses Dachsteingletschers mit seinen vielfältigen Trainingsmöglichkeiten für den nordischen Bereich – aber auch für den schiläuferischen Tourismus insgesamt – eine unverzichtbare Einheit bietet. Das kommt ja auch durch die Beteiligung zum Ausdruck.

Im Südwesten, Herr Minister, ist aber auch die Sportregion Amadé mit Filzmoos und dem Pongau angeschlossen, die ebenfalls über eine Kapazität in der Größenordnung von zirka 20 000 Gästebetten südlich und südwestlich des Dachsteins verfügt. Es ist daher verständlich und begrüßenswert, daß sich schon derzeit – Sie kennen Aussagen und Zeitungsmeldungen hiezu, aber auch persönliche Gespräche, die geführt werden – im Salzkammergut auf oberösterreichischer Seite und auch im steirischen Salzkammergut diese Gruppierung für die


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Bundesanteile meldet – analog dem Modell der Salinen-AG – und ihr Interesse bekundet. Ich finde, das ist gut und recht. Das könnte sehr viele Effekte haben, die zusammenpassen und aufeinander abstimmbar sind. Die regionale Bezogenheit und die touristischen Merkmale waren auch im Konzept der Salinen-AG eine der Begründungen hiefür.

Herr Bundesminister! Sie werden aber auch verstehen, daß gerade die südliche Seite mit der geographisch abgesetzten Südwand und ihrer Einbindung in das gesamte Ambiente der steirischen Seilbahnenlandschaft, sehr gut in diesen Bereich passen würde und auch ein Kooperationsmodell mit dem gesamten Umland eine solche Möglichkeit wäre. Auch das Land Steiermark und die Ramsau sind in der DAG vertreten, sodaß sich daraus eine sehr interessante und wichtige Perspektive ergäbe.

Daher ersuche ich Sie sehr dringend, zu überprüfen, ob nicht nur der Norden, sondern auch der Süden in Kooperationen zusammengefaßt werden kann. Ich glaube, da wären ebenfalls sehr gute Synergieeffekte erzielbar, denn man könnte das, was heute schon an Infrastruktur, Management, gemeinsamem Kartenverbund und gemeinsamer Werbekraft vorhanden ist, hervorragend einbringen.

Auf alle Fälle sollte die Seilbahnstruktur, die mit öffentlichen und privaten Mitteln sowohl im Norden als auch im Süden in der Vergangenheit Erhebliches geleistet hat und die auch für die private Tourismuswirtschaft, die Hotelerie, ein wichtiges Standbein ist, eingegliedert werden. Das wäre eine ganz wichtige Angelegenheit.

Ich könnte mir selbstverständlich auch noch vorstellen, daß die schon angesprochenen weiteren Verbesserungen, die als Voraussetzung für den Erhalt dieses Traditionsbetriebes notwendig sind, auch durch die Eigentümerstruktur in Zukunft sichergestellt werden. Von der südlichen, steirischen Seite kann ich dafür schon entsprechendes Interesse bekunden.

Herr Bundesminister! Sollten ein oder mehrere offizielle Offerte in diese Richtung vorliegen, darf ich Sie sehr herzlich ersuchen, bei der Beurteilung auch die regionale Sicht, die wirtschaftliche Gesamtheit, das Know-how sowie die Innovation und all diese Dinge zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Es ist meiner Ansicht nach in der Diskussion um den Dachstein nun die Zeit gekommen, weitere Horizonte anzustreben. Die Budgetdebatte wird uns noch einmal Anlaß bieten, darauf zurückzukommen.

Ich halte es für eine große Herausforderung, für eine Marke wie den Dachstein und das Dachsteinland Kooperationen über drei Bundesländer – im Süden die Steiermark, im Norden Oberösterreich, im Westen Salzburg – zu finden. Es sollte das in diese Überlegungen eingebunden werden.

Ich kann daher, glaube ich, auch im Namen meiner Kollegen von der ÖVP-Fraktion sagen, daß wir dem vorliegenden Beschluß gerne unsere Zustimmung geben, und ich darf Sie, Herr Minister, noch einmal bitten, all diese eben aufgezeigten Momente zu gegebener Zeit entsprechend zu berücksichtigen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.23

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu diesem Tagesordnungspunkt gibt es zwei Vorlagen, die erste ist eine Ausweitung für die Bundesfinanzierungsagentur.

Im Gegensatz zu meinem Kollegen, dem Budgetsprecher der FPÖ, werden wir dieser Vorlage zustimmen, da wir glauben, daß die Bundesfinanzierungsagentur eine sinnvolle Einrichtung ist. Es ist meiner Meinung nach eine verantwortungsvolle Aufgabe, die vor allem durch sozusagen hohe Expertise wahrgenommen werden muß – und Experten brauchen einen entsprechenden


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Spielraum. Das, was hier vorgeschlagen ist, liegt im Rahmen dessen. Daher wird es unsere Zustimmung erfahren.

Meine Damen und Herren! Etwas ganz anderes ist die Kontrolle dieser Bundesfinanzierungsagentur. Dazu kann ich nur sagen: Und hinterher reitet die alte Urschl! – Danach wird nämlich immer gesagt, der Dollar sei gestiegen und der Yen gefallen, hättet ihr das richtig gemacht! – Wenn das so einfach wäre, bräuchten wir alle nicht mehr zu arbeiten. Wir würden einfach wissen, wie es richtig geht. Mit einem ganz kleinen elektronischen Code würden wir alle, auf jeden Fall unsere Politiker- oder sonstigen Gagen, weit hinter uns lassen.

Bedauerlicherweise ist es eben ein Risikogeschäft. Es ist ein Geschäft, das der Herr Bundesminister entweder freudig oder weniger freudig zur Kenntnis nehmen kann. Soweit ich es beurteilen kann, wurde das aber in der Vergangenheit verantwortungsvoll wahrgenommen. Man sollte daher von diesem Haus aus den dort arbeitenden Damen und Herren das Leben nicht erschweren, sondern ihnen die entsprechenden Möglichkeiten geben. – Daher unsere Zustimmung. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Fuhrmann. )

Zum zweiten Punkt, der "Dachstein"-AG: Ich bin mehrfach persönlich adressiert worden – natürlich im Zusammenhang mit dem Goldeck. Ich möchte dazu sagen, daß wir natürlich auch der Privatisierung der "Dachstein"-AG zustimmen. Wir glauben, daß ein Privater oder anderer Eigentümer allemal ein besserer Eigentümer ist, als es die Republik je sein kann, selbst wenn sie sich bemühte. Ob sie sich in diesem Fall bemüht hat oder nicht, weiß ich gar nicht.

Meine Damen und Herren! Nun möchte ich aber, weil es dazu paßt, zum Goldeck noch etwas sagen: Ich darf Ihnen berichten, daß wir vor wenigen Wochen eine Weltsensation im Tunnelbau auf dem Gletscher eröffnet haben. (Zwischenruf des Abg. Müller. ) Wir haben dafür nicht nur von den Liberalen, sondern von allen Fraktionen in Kärnten große Vorschußlorbeeren und Komplimente dafür bekommen.

Wir glauben, daß wir damit dem Mölltal, eine der strukturschwächsten Regionen in Kärnten, einen wirklich deutlichen Impuls gegeben haben und sowohl für den Fremdenverkehr des unmittelbaren Gebietes als auch für die angrenzenden, fremdenverkehrsmäßig bereits sehr gut entwickelten Regionen, insbesondere Badgastein, einen wertvollen Baustein geleistet haben.

Ich darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß die Investition von 380 Millionen Schilling mit sehr geringen öffentlichen Förderungen erfolgt ist. (Zwischenruf des Abg. Müller. ) Ich darf Ihnen das vorrechnen, Herr Kollege. Der Mölltaler Gletscher wurde mit ungefähr 5 Prozent der einschlägigen durchschnittlichen Fremdenverkehrsinvestitionen in Kärnten gefördert. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, bevor Sie sich den Mund verbrennen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Weiters darf ich in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß 360 Millionen Schilling an privaten Investitionsmitteln in dieses Projekt geflossen sind und die vorhin beschriebene Wirkung entfalten werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus darf ich Ihnen auch mitteilen, daß wir uns im Hinblick auf das Goldeck nach jahrelangem Streit und Auseinandersetzungen mit unserem Vertragspartner geeinigt haben. Sobald die noch ausstehenden formellen Ausfertigungen vorliegen, werde ich darüber, wenn Sie es wünschen und sich die Gelegenheit ergibt, in diesem Haus berichten. In jedem Fall werden wir den Betrieb sicherstellen.

Frau Rossmann! Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, denn ich bin sicher, daß meine Fraktion und ich nach unseren Möglichkeiten auf die betroffenen Fremdenverkehrsbetriebe und so weiter mindestens im gleichen Maße wie Sie und die Ihren schauen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )


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15.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.29

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen werden beiden Vorlagen, die hier zur Debatte stehen, zustimmen.

Was die Bundesfinanzierungsagentur anlangt, schließe ich mich inhaltlich im wesentlichen – im wesentlichen! – den Ausführungen meines Vorredners Haselsteiner an, vielleicht mit einer Einschränkung: Ganz so ist es nicht, daß die Veranlagung in Fremdwährungen einfach ein Würfelspiel ist, bei dem man erst im nachhinein weiß, ob man gewonnen oder verloren hat. Das wissen Sie ebenso gut wie ich.

Herr Trattner hat darauf hingewiesen, daß es zwei oder drei Untersuchungen darüber gibt, ob die Veranlagungspolitik der vergangenen Jahre, die so stark auf den Yen gesetzt hat, im nachhinein gesehen richtig oder falsch war. Darüber kann man nun debattieren. Das steht aber meiner Meinung nach in keinem Zusammenhang mit der jetzigen Vorlage, die im wesentlichen, glaube ich, eine Klarstellung der Aufgaben der Bundesfinanzierungsagentur betrifft und weniger deren Ausweitung.

Was den Dachstein betrifft, die "Dachstein"-Gesellschaft, so teile ich zwar nicht grundsätzlich Ihre Ansicht, Herr Kollege Haselsteiner, daß öffentliches Eigentum immer verwerflich ist und der Staat immer und unter allen Umständen schlechter wirtschaftet als der Private, in diesem konkreten Fall aber, nämlich ebendieser "Dachstein"-Gesellschaft, sehe ich kein öffentliches Interesse, das dafür spräche, daß der Bund seine Aktien an dieser Gesellschaft behält.

Es ist durchaus vernünftig, diese Anteile zu verkaufen, und es ist auch richtig, sich des Know-hows der ÖIAG in diesem Zusammenhang zu bedienen. Dort hat man Erfahrungen in diesem Bereich.

Zu Herrn Kröll, meinem Vorredner von der ÖVP, möchte ich anmerken: Ich habe Ihre Ausführungen zum Schluß nicht ganz verstanden und weiß nicht, was Sie damit sagen wollten. Das Gesetz ist eindeutig. Die jetzige Vorlage ist eindeutig. Der Finanzminister hat bestmöglich zu veräußern.

Wenn Sie darüber hinaus "Rücksichtl" hier und "Rücksichtl" dort haben wollen, hätten Sie das bei der Regierungsvorlage berücksichtigen müssen. Der Finanzminister hat einen klaren Auftrag, und ich erwarte, daß er diesen via Bewertungsgutachten et cetera auch erfüllt.

Im übrigen habe ich dem Finanzminister schon im Ausschuß mein Beileid darüber ausgesprochen, daß er anläßlich dieser Privatisierung das von Ihnen, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, beschlossene Privatisierungsgesetz, das lediglich zu einer Komplizierung des Verfahrens und zu einer "Entschleunigung" des Prozesses führen wird, zu beachten hat. – Danke schön. (Beifall den den Grünen.)

15.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.31

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben hier zwei Vorlagen, die nicht unbedingt in enger sachlicher Verbindung zueinander stehen.

Ich möchte als oberösterreichischer Abgeordneter mit einem Wohnsitz im Salzkammergut zunächst ganz kurz zur Frage der "Dachstein" Fremdenverkehrs-AG, an der der Bund bekanntlich eine Aktienmehrheit von 50,48 Prozent hat, welche nun zum Verkauf ausgeschrieben ist, Stellung nehmen und muß damit meinem Freund Van der Bellen widersprechen.

Manchmal finde ich es etwas eigenartig, wenn Grüne Ausflüge in den Neoliberalismus machen. Es ist bei diesem Verkauf selbstverständlich schon zu berücksichtigen, welche gesamtwirtschaftlichen und regionalen Wirkungen damit verbunden sind.


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Das ist auch die Aufgabenstellung der ÖIAG, das heißt, es geht dabei nicht um den reinen Shareholder-Value, sondern auch darum, daß es sich dabei um eine Region handelt, für die der Fremdenverkehr eine ganz wesentliche Rolle spielt und der Betrieb dieser Seilbahn sozusagen als das Herzstück einer Fremdenverkehrsregion daher von Bedeutung ist.

Darin schließe ich mich meinem Freund Wimmer voll an, denn es ist wichtig, auch im gesamtwirtschaftlichen regionalen Umfeld zu denken und vor allem sicherzustellen, daß sich der künftige Käufer nicht nur die Rosinen herauspickt. Das ist eine Frage des entsprechenden Vertrages, den die ÖIAG zu regeln haben wird. Darin sollen etwa umfassende Betriebspflichten festgelegt sein, damit nicht einzelne Lifte quasi als "Cashcows" gesehen werden. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt, der uns vorliegt, ist die Frage des Bundesfinanzierungsgesetzes und der Rolle der Bundesfinanzierungsagentur. Es geht zunächst darum, die Rolle der Bundesfinanzierungsagentur als Clearing-Stelle stärker auszubauen, und das bedeutet ein größeres Finanzierungsvolumen. Denn je größer das Volumen ist, auf das diese Clearing-Stelle zugreifen kann, desto wichtiger und wirkungsvoller sind natürlich die Möglichkeiten, die sie auf den Finanzmärkten hat.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, in diesem Zusammenhang ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum Thema Bundesfinanzierung und Debts-Management, also des Schuldenmanagements, zu machen. Wir können zunächst sagen, daß sich in Österreich diese Konstruktion, nämlich eine Bundesfinanzierungsagentur, die zwar eine eigenständige Gesellschaft, aber zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes ist, zweifellos bewährt hat. Das heißt, es gibt damit eine, wenn man so will, Expertengruppe, die, ausgestattet mit der notwendigen Eigenständigkeit, aber doch in der notwendigen Einbindung, die schwierige Aufgabe hat, Finanzierungsregelungen durchzuführen, bei denen es um gewaltige Volumina geht.

Beim Debts-Management geht es nicht um die Frage, wie hoch die öffentliche Verschuldung ist, sondern stets darum, bei einer gegebenen öffentlichen Verschuldung diese gesamtwirtschaftlich am besten zu finanzieren, das heißt, es geht um die Finanzierung einer bereits vorhandenen öffentlichen Verschuldung. Dabei stellt sich natürlich eine Reihe von Fragen, die sowohl betriebswirtschaftlich als auch volkswirtschaftlich von entsprechender Bedeutung sind.

Die Frage der Struktur zwischen Inlands- und Auslandsverschuldung und im Rahmen der Auslandsverschuldung dann wiederum die Frage, in welcher Währung diese Verschuldung durchgeführt werden muß, wurden heute schon angeschnitten. Es ist dazu die Meinung geäußert worden, daß ein stärkerer Anteil der Auslandsverschuldung zu einer Schuldenentlastung geführt hätte.

Ich muß sagen – ich war im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit selbst einmal Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses –, unter volkswirtschaftlichen Aspekten ist der Inlandsverschuldung Priorität zu geben, weil jede Auslandsverschuldung naturgemäß eine größere Exponiertheit und ein größeres Risiko gegenüber ausländischen Gläubigern bedeutet.

Je größer der Anteil jener Verschuldung ist, der in den Händen ausländischer Gläubiger liegt, desto größer ist natürlich auch das Risiko, daß das auf die Leistungsbilanz und damit währungspolitisch auf die Notenbank wirkt. Daher war von seiten der Oesterreichischen Nationalbank immer eine gewisse Tendenz zu spüren, so weit es eben geht, der Inlandsverschuldung Priorität zu geben. Ich glaube, das war richtig. Das schließt natürlich nicht aus, daß wir auch einen Markt für Auslandsverschuldung haben, aber jene Relation, wie wir sie haben, ist meiner Ansicht nach richtig.

In diesem Zusammenhang muß man auch darauf hinweisen, daß es im Zuge der Umstellung auf den Euro nicht unerhebliche Änderungen geben wird. Diese Diskussion muß schon heute geführt werden.

Die erste Frage ist, ab welchem Zeitpunkt die öffentliche Verschuldung auf den Euro umgestellt werden soll. Rechtlich ist es erst im Jahre 2002 notwendig, andererseits wird sich schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt ein Euro-Kapitalmarkt bilden, den zu nützen sicherlich sinnvoll


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sein wird. Daher werden wir wahrscheinlich davon auszugehen haben, daß die Neuverschuldung des Bundes ab dem Jahre 1999 auf dem Euro-Kapitalmarkt erfolgen wird, das heißt, ab 1. Jänner 1999 wird die Neuverschuldung in Euro erfolgen.

Es stellt sich natürlich die Frage, in welchem Ausmaß die Altschulden auf Euro umgestellt werden sollen. Das ist aber nicht zuletzt auch eine Kostenfrage. Ich gehe davon aus, daß wir wahrscheinlich große Titel in einem gewissen Ausmaß auf Euro umstellen werden, jedoch keine vollständige Umstellung erfolgen wird.

Ein weiterer Aspekt, der dabei von Bedeutung ist, ist die Frage der Fristigkeit. Soll man sich in bezug auf die öffentliche Verschuldung kurz- oder langfristig verschulden? Auch das ist eine Frage von erheblicher Aktualität, denn es hat bereits Vorwürfe gegen die Bundesverschuldung gegeben, nämlich daß sich der Bund zu teuer verschuldet, daß er mit niedrigeren Zinsen doch Erhebliches einsparen könnte.

Diese Frage ist nicht zu beantworten, ohne die Fristigkeitsstruktur der öffentlichen Verschuldung zu berücksichtigen, weil die Frage einer kurzfristigen Verschuldung klarerweise mit niedrigeren Zinssätzen verbunden ist. Es hat eine Reihe von Vorschlägen gegeben, sich kurzfristiger zu verschulden und damit niedrigere Zinssätze zu lukrieren.

Ich glaube, es war richtig, daß sich der Bund doch tendentiell für langfristige Verschuldung entschieden hat. Es ist ein Zeichen für die Stabilität des österreichischen Haushaltes, daß wir in letzter Zeit sogar bis zu dreißigjährige Verschuldungszeiträume erreicht haben; das zeigt auch das Vertrauen der Gläubiger in die langfristige Bonität der österreichischen Finanzverwaltung.

Eine weitere Frage in Verbindung damit ist: Wie werden sich künftige Zinsentwicklungen abzeichnen? Ich glaube, gerade die Entwicklung der letzten Zeit – des letzten Tages, muß man sagen – zeigt, daß es sicher richtig war, in besonderem Maße auf langfristige Verschuldung zu setzen. Wir sehen ja zum Beispiel jetzt, daß sich die Zinssätze wieder etwas in die Höhe entwickeln. Daher ist es gerechtfertigt, den sicheren Weg zu gehen. Es war richtig, in den letzten Wochen und Monaten das Tief bei den Zinssätzen zu nutzen, sich langfristig niedrigere Zinssätze zu sichern. Ich glaube, daß die Strategie, wie sie von der Bundesfinanzierungsagentur gewählt wurde, eine richtige ist.

Ich komme aber nicht umhin, in diesem Zusammenhang zu sagen, daß ich es bedauern muß, daß die Oesterreichische Nationalbank gezwungen war, dem Weg der Deutschen Bundesbank zu folgen und eine Zinserhöhungsrunde einzuleiten, für die es gesamtwirtschaftlich sicher keine Rechtfertigung gibt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es freut mich, daß diese gesamtwirtschaftliche Einschätzung die Zustimmung eines großen Teiles dieses Hauses findet. (Abg. Mag. Schweitzer: Das haben Ihre Kollegen falsch interpretiert!) Ich glaube, es wird notwendig sein, an die geeigneten Stellen – auch als Meinungsäußerung – weiterzugeben, daß gerade auch aus volkswirtschaftlicher Sicht niedrigere Zinssätze zweifellos etwas sind, was zur Belebung der Wirtschaft, damit zu mehr Investitionen und zur langfristigen Sicherung von Beschäftigung beitragen kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das ist soziale Marktwirtschaft, Herr Kollege!)  – Ich möchte jetzt nicht darüber diskutieren, inwieweit das soziale Marktwirtschaft ist, aber ich glaube, wenn man soziale Marktwirtschaft als Gegensatz zu einer reinen Marktwirtschaft ohne Adjektive sieht, dann ist das sicherlich ein Bereich, der zu integrieren ist, wo eben die Geldpolitik auch als ein Teil einer solch umfassend gesehenen sozialen Marktwirtschaft im weiteren Sinn zu sehen ist.

Ich glaube, das ist die Position, mit der Österreich gut gefahren ist. Diese Gesetzentwürfe sollten doch auch Anlaß zu etwas grundlegenderen Überlegungen geben.

In diesem Sinne ist in beiden Fällen – sowohl was den unmittelbaren regionalen Aspekt als auch den Aspekt der Bundesfinanzierung betrifft – diesen Berichten zuzustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.44


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun noch Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Jetzt bin ich gespannt, ob er das auch so gut macht!)

15.44

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin zwar kein oberösterreichischer Abgeordneter wie mein Freund Ewald Nowotny, aber ich habe zum Dachstein seit meiner frühesten Jugend eine sehr enge Beziehung (Heiterkeit bei der SPÖ), da ich sowohl im Sommer als auch im Winter viele schöne Stunden und Tage dort verbracht (Abg. Dr. Fischer: Als Naturfreund?!)  – als Naturfreund – und auch im Naturfreundehaus übernachtet habe, lieber Präsident. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )  – Am Truppenübungsplatz nicht. Allerdings muß ich sagen, daß der Lastenaufzug des Bundesheeres, der dort existiert, allen Wanderern sehr gute Dienste erweist. Wenn er auch nur zu einem Teil öffentlich betrieben wird, so ist er doch sehr wirkungsvoll, um die erste landschaftlich nicht so schöne Steigung zu überwinden, sodaß man sich dann in zunehmender Höhe den wirklichen landschaftlichen Schönheiten hingeben kann. (Abg. Tichy-Schreder: Es gibt keine Landschaft in Österreich, die nicht schön ist!)

Was mich aber immer gestört hat ... (Abg. Dr. Khol: Ist das Haftungsproblem geklärt bei dem Bundesheeraufzug?)  – Offen gestanden, werter Herr Klubobmann, bei der Benützung dieses Liftes habe ich mich um die Haftungsfragen nicht im Detail gekümmert. (Abg. Dr. Khol: Aber Ihrer Witwe täte das sehr gut!)  – Die potentielle Witwe würde es unter Umständen interessieren.

Was mich aber immer gestört hat – ich sage es ganz offen –, ist, daß der Dachstein, der sonst sehr gut ausgebaut ist, in diesem Teil wirklich unter Investitionsmängeln gelitten hat. Man muß wissen, daß vor allem auf der Obertrauner Seite seit 1972 überhaupt nichts investiert wurde, im wesentlichen die Anlage aus dem Jahr 1946 datiert, und der Rest des Dachsteins eigentlich relativ gut funktioniert – vor allem im Sommer, in den anderen Standorten aber auch im Winter. Ich habe es immer als besonders bedauerlich empfunden, daß im Obertrauner Bereich nicht auch für die geeigneten Kapazitäten und den geeigneten Ausbau im Winter gesorgt wurde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dies ist vor allem bedauerlich, wenn man bedenkt, welches Potential diese gesamte Region hat. Wenn wir davon ausgehen, daß die Region unter Schutz gestellt wird, wenn wir damit rechnen können, daß höchstwahrscheinlich im Dezember Hallstatt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt werden wird (Abg. Dr. Nowotny: Obertraun auch!)  – Obertraun auch –, als einer der wenigen Standorte in Österreich, so wäre das eine wunderbare Voraussetzung dafür, in diesem Gebiet den Tourismus auch im Winter in einer Art und Weise zu entwickeln, die auch vom ökologischen Standpunkt her absolut vertretbar ist. Denn: Während in anderen Gebieten neue Pisten in die Felsen geschlagen werden müssen, um Kapazitäten zu erweitern, steht dort für einen Pistenausbau genügend Fläche zur Verfügung; man müßte nichts neu bauen. Es ist nur das Ausmaß der Aufstiegshilfen nicht in dem Ausmaß entwickelt, daß es tatsächlich zu einer effektiven Benützung kommen könnte. Das heißt, es ist kein Eingriff in die Natur erforderlich, es müßten lediglich Investitionen in die Aufstiegshilfen getätigt werden, um dort eine größere Zahl von Schitouristen transportieren zu können, was auch vom ökologischen Standpunkt her absolut sinnvoll wäre. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

In diesem Zusammenhang sprechen alle über Obertraun, und das ist natürlich der Pferdefuß der gesamten Angelegenheit. Denn mit der Entwicklung des Wintertourismus an diesem Standort steht und fällt natürlich jedes künftige Konzept. Der entscheidende Punkt ist natürlich, daß jeder potentielle künftige Eigentümer gefordert ist, ein offensives Konzept, ein Gesamtkonzept vorzulegen, und sich nicht einzelne Rosinen aus dem Ganzen herauspicken kann, weil natürlich – und das muß man sagen – die dort Beschäftigten damit rechnen, daß sich etwas tut. Und die derzeitige Situation ist vor allem auf der Obertrauner Seite eine miserable, die Bevölkerung hat große Sorge um den Betrieb, und die Belegschaft ist in einem hohen Ausmaß demotiviert, weil die Betriebsführung keine Entscheidungen getroffen hat, jahrelang Entscheidungen aufge


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schoben hat, Hunderte Studien eingeholt hat, um dann wieder keine Entscheidungen zu treffen. Letztendlich ist die Belegschaft nun in einem Ausmaß demotiviert, daß sie der Meinung ist, es könne nur noch besser werden.

Es soll jedoch nicht nur der Eindruck bestehen, daß es besser werden könnte, sondern es soll tatsächlich besser werden. Daher muß an jeden neuen Eigentümer die Anforderung gestellt werden, ein offensives Gesamtkonzept zu präsentieren, damit sich die Hoffnungen der Bevölkerung und der Belegschaft letztendlich auch erfüllen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Haselsteiner hat in diesem Zusammenhang auch die Frage des öffentlichen Eigentums angesprochen; darüber kann man diskutieren. Man kann grundsätzlich der Meinung sein, daß das ein schlechteres Management bedingt oder, wie Kollege Van der Bellen meint, eine grundsätzliche Aussage in bezug auf dieses Beispiel sei nicht zulässig. Er meint jedoch, daß in diesem konkreten Zusammenhang ein strategisches Interesse der öffentlichen Hand nicht bestünde.

Nun glaube ich: Heute ist das völlig richtig, und ich teile diese Meinung auch. Aber man muß das öffentliche Eigentum in dieser Region im historischen Kontext sehen. Zu dem Zeitpunkt, als die Region in öffentliches Eigentum übergegangen ist, im Jahr 1947, gab es dort keinen potenten Tourismusbetrieb, es waren keine kapitalstarken Betriebe oder Personen vorhanden. Im wesentlichen bestand im Jahr 1947 die einzige Chance, einen Impulsgeber für die Region zu finden, in der öffentlichen Hand.

Daher ist es heute retrospektiv möglich zu sagen: Heute brauchen wir das nicht mehr, aber im Jahr 1947 war es dringend erforderlich, daß es dort zum öffentlichen Eigentum gekommen ist, um in dieser Region überhaupt einen Ansatz zu finden. Wenn heute die Beteiligungen des Bundes verkauft werden, dann hat das im wesentlichen den Grund, daß das letzte Management in diesem Zusammenhang versagt hat und daß das Management nicht imstande war, die modernen Herausforderungen ... (Abg. Wabl überreicht dem Redner eine Zeitschrift.)  – Die habe ich schon gelesen, Herr Kollege Wabl. (Abg. Wabl: Damit Sie leichter filibustern können!)

Ich finde diesen Lokalchauvinismus nicht sehr in Ordnung: daß sich ein steirischer Abgeordneter nicht auch für die Salzburger und oberösterreichische Seite des Dachsteins interessiert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Offen gestanden, Kollege Wabl: Das hätte ich von Ihnen nicht erwartet! (Heiterkeit und neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich komme zurück zur Frage, wieso wir uns mit der Veräußerung der Bundesanteile beschäftigen. Das ist nicht auf eine grundsätzliche Ablehnung des öffentlichen Eigentums zurückzuführen, sondern darauf, daß Konsequenzen aus der schlechten wirtschaftlichen Situation eines Betriebes gezogen werden müssen, da letztendlich der Gesamtbestand gefährdet würde, wenn wir nicht etwas unternehmen. Ich glaube, daß das in dieser Situation die einzige Möglichkeit ist, die uns zur Verfügung steht, die einzige Möglichkeit, die eine phantasievolle Lösung für die Region darstellt. Ich glaube daher, daß man das in diesem konkreten Fall befürworten sollte, ohne gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten und öffentlichem Eigentum grundsätzlich eine Absage zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Tatsache, daß wir uns in letzter Zeit sehr oft mit der Region rund um den Dachstein – nicht nur, was die Beteiligung an der Fremdenverkehrs-AG betrifft, sondern auch die Diskussion um die Salinen und so weiter – hier im Hohen Haus intensiv auseinandergesetzt haben – ich denke da an all die Debatten und Beschlüsse, die letztendlich für diese Region sehr wesentlich waren –, hat doch gezeigt, daß wir uns nicht nur über die grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Probleme unterhalten, sondern uns auch mit Regionen, wo die Einflußnahme und das Wirken der öffentlichen Hand gefragt sind, hier im Hohen Haus konkret beschäftigen und gesetzliche Voraussetzungen dafür schaffen, damit in dieser Region eine neue Dynamik und eine neue Initiative entstehen kann.


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Ich meine, daß wir mit dieser Debatte über die Veräußerung der "Dachstein"-Fremdenverkehrs-AG – zumindest der Bundesanteile – ein gutes Beispiel für unsere allgemeine Gesinnung im Hohen Haus leben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Es ist Ihre zweite Wortmeldung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

15.54

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich helfe Ihnen ja gerne. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Sekunden vergehen, die Minuten ziehen sich, sie scheinen endlos – die Schönheiten des Dachsteins sind offenbar unerschöpflich. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich habe schon den Kollegen Nowotny bewundert, als er über die Staatsschulden und die Finanzierung der Welt im allgemeinen extemporiert hat. (Allgemeine Heiterkeit.) Kollege Gusenbauer hat offensichtlich ein großartiges Talent, aus dem Stand heraus über nichts ganz interessante amüsante Vorträge zu halten. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Abg. Tichy-Schreder: Herr Kollege Van der Bellen! Haben Sie schon einmal die Jute-Reden von Frau Dr. Petrovic gehört?) Sie sind wahrscheinlich schon länger im Parlament, ich habe das nicht so gelernt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) – Ich weiß, darum sage ich ja: Ich "helfe" den Regierungsparteien. Das war bis jetzt ironisch gemeint, Herr Kollege Stadler.

Was ich schon sagen wollte: Heute früh haben sich eine ganze Menge Damen und Herren von den Regierungsfraktionen darüber besorgt gezeigt, die Opposition könnte doch eines Tages zu einer bestimmten Minute vielleicht die Geschäftsordnung mißbrauchen, das könnte ja sein, und deswegen dürfen wir nie und nimmer dies oder jenes beschließen und so weiter. – Das, was Sie da machen, hat natürlich gar nichts mit einem Mißbrauch der Geschäftsordnung zu tun. (Abg. Dr. Khol: Nein, wirklich nicht!) Sie halten uns nur auf. Wir könnten eigentlich nach Hause gehen. Die Regierung ist halt nicht fertig geworden mit ihren Beschlüssen (Abg. Dr. Kostelka und Abg. Dr. Khol: Schon längst fertig!), die Sekretärin hat vielleicht Schnupfen bekommen, oder der Computer hat versagt, aber um 16 Uhr soll es ja angeblich so weit sein.

Ich sage ja: Ich helfe Ihnen, ich spiele das Theater mit. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß es ein Theater ist; das sollte man schon noch aussprechen, Kollege Gusenbauer. Ja, es war amüsant, es war eine Hetz.

Seinerzeit, als die Grünen in einem tatsächlich relevanten Fall das Filibustern betrieben haben, hat das ein bisserl länger gedauert – zugegeben –, und ich persönlich hätte es sicher nicht ausgehalten, weil meine Stimme dazu gar nicht ausreichen würde, aber damals haben Sie nichts Eiligeres zu tun gehabt, als die Geschäftsordnung zu ändern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

15.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.57

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ihre Annahme, ich wäre auch schon einmal am Dachstein gewesen, stimmt natürlich. Ich werde mich auch mit dem Dachstein und der Seilbahngesellschaft und ihrer Veräußerung beschäftigen, aber in einem etwas generellen Sinne, weil er für mich ein sehr gutes Beispiel ist, daß wir die Probleme des öffentlichen und privaten Eigentums sehr, sehr gründlich diskutieren sollen.


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Kollege Van der Bellen hat gesagt, er spiele dieses Theater hier mit. Kollege Nowotny hat dir gegenüber, Professor Van der Bellen, den Verdacht geäußert, daß du auf eine neoliberale Linie eingeschwenkt wärst. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie sind ein sehr schlechter Schauspieler! Wenn Sie ein bißchen spritziger wären, wäre das sehr schön! – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Nowotny, pardon! (Abg. Dr. Haselsteiner: Ein bißchen spritziger, bitte!) Sie verwenden den Neoliberalismus ja immer wieder als eine Wortkeule, nämlich dann, wenn bestimmte politische Absichten von Ihnen nicht oder nicht ganz geteilt werden oder politische Konzepte der Vergangenheit in irgendeiner Weise entschuldigt oder begründet werden müssen. (Abg. Dr.  Haselsteiner: Ein bißchen mehr Komödie! Nicht immer nur Drama!) Und da wird es schon interessant: Wenn ich Sie fragen würde, Kollege Nowotny, was das Gegenteil von Neoliberalismus ist, würden Sie es ablehnen, wenn ich sage – aber in meinen Augen wäre das konsequent –, der Alt-Keynesianismus ist das Gegenteil des Neoliberalismus (Beifall bei der ÖVP), also eine sowohl von der theoretischen Ökonomie, aber auch von der praktischen Erfahrung her gescheiterte wirtschaftspolitische Konzeption. (Abg. Dr. Nowotny: ... die soziale Marktwirtschaft!)

Ja: soziale Marktwirtschaft, da gehe ich mit Ihnen ganz konform. Mich ärgert nur, daß man – weil es sich um Unternehmen, um Betriebe, nicht etwa um öffentliche Güter mit irgendwelchen theoretischen Eigenschaften, die Sie ja bestens kennen, auch nicht um meritorische Güter handelt, wo man den Menschen den "Konsum" der Dachstein-Seilbahn besonders aus Verteilungsgründen, aus Gesundheitsgründen et cetera nahelegen sollte – keinen öffentlichen Gutscharakter bei einer Seilbahn sehen kann.

Jede Investition hat einen regionalen wirtschaftlichen Effekt. (Abg. Dr. Nowotny: Externe Effekte!) Welche externe Effekte? – Die Beschäftigungssicherung in dieser Region ist sehr wohl ein interner, aber kein externer Effekt und schon überhaupt nicht, wenn das Eigentum von der öffentlichen Hand auf Private übergeht.

Es soll keine Polemik sein, Kollege Nowotny, wenn ich Sie an ideologische Vorkämpfer der Sozialdemokratie erinnere, die es massiv abgelehnt haben, daß der Staat, die Bürokratie Betreiber privater Unternehmen sein soll. Sie haben dann ja auch von einer anderen Seite den Vorwurf des Revisionismus erhalten, weil man es eben gerade in den frühen Jahren der Sozialdemokratie abgelehnt hat, zu sagen, privates Eigentum sei schlecht, öffentliches Eigentum sei von vornherein gut. Da würde ich mich an Ihrer Stelle ein bißchen zurückerinnern an die Gründungsväter Ihrer Partei.

Das, was hier getan wird, ist ein ganz vernünftiger Schritt. Privates Unternehmertum wird in der Dachstein-Region nicht nur die Seilbahn, so hoffe ich, betreiben, sondern das Gesamtkunstwerk dieses hohen und bemerkenswerten Berges berücksichtigen, sodaß ein weiterer positiver Beitrag für die Tourismuswirtschaft unseres Landes zu erwarten ist. (Beifall bei der ÖVP.)

16.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Ein Wunsch auf ein Schlußwort von seiten des Berichterstatters liegt mir nicht vor.

Wir kommen zu den Abstimmungen. Sie werden über jeden Ausschußantrag getrennt vorgenommen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 848 der Beilagen. Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist in zweiter Lesung einstimmig beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein Zeichen zu geben. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Als nächstes gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 864 der Beilagen. Dieser Gesetzentwurf enthält Verfassungsbestimmungen. Ich stelle daher zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 GOG die Anwesenheit der erforderlichen Anzahl von Abgeordneten fest. Das Quorum ist erfüllt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit Zweidrittelmehrheit angenommen ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 515/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz 1956, BGBl. Nr. 165/1956, geändert wird (861 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (846 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz !SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden (862 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (847 der Beilagen): Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich (867 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 11 der heutigen Tagesordnung. Es ist vereinbart, die Debatte über diese drei Punkte unter einem durchzuführen.

Wünscht jemand aus dem Kreis der Berichterstatter dazu das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Dann gehen wir sofort in die Debatte ein.

Erster Redner ist der Herr Abgeordnete Dietachmayr. Ich erteile ihm das Wort. Es ist eine freiwillige Redezeit von 10 Minuten vorgeschlagen. – Bitte.

16.05

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz !SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden, wurde in diesem Haus schon zweimal behandelt. Ich erinnere daran, daß das Entschädigungsgesetz aus dem Jahr 1975 stammt und in diesem Hause im Jahr 1982 schon einmal geändert wurde.

Davon betroffen sind geschädigte österreichische Staatsbürger oder juristische Personen, die aufgrund des am 19. Dezember 1974 unterzeichneten Vermögensvertrages Globalentschädigungen erhalten. Darf ich noch einmal daran erinnern beziehungsweise konkretisieren, wer zu diesen entschädigungsberechtigten Personen gehört: Dazu gehören österreichische Personen, die am 24. April 1945 nach dem Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetz 1945 und am Tag der


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Unterzeichnung des Vertrages, also am 19. Dezember 1974, die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben. Wenn diese beiden Kriterien zusammengetroffen sind, sind sie unter dieses Entschädigungsgesetz gefallen. Gleiches gilt für juristische Personen, die an den Stichtagen, die ich genannt habe, ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich gehabt haben.

Ich betone das deshalb so sehr, weil ich annehme, daß heute noch einige Rednerinnen oder Redner nach mir einen Entschließungsantrag einbringen werden, der sich in erster Linie auf die Gruppe der Sudetendeutschen bezieht. In diesem Zusammenhang muß man unterscheiden: Entschädigungsberechtigt waren aufgrund der vorhin zitierten Gesetze und Richtlinien nur Altösterreicher. Die sogenannten Sudetendeutschen waren demnach nicht entschädigungsberechtigt. Eine Umleitung, wie vielfach auch gefordert oder verlangt, der noch vorhandenen Mittel für Entschädigungsleistungen an nunmehrige österreichische Staatsbürger, also die sogenannten Neuösterreicher, wäre daher vertragswidrig und ist somit auszuschließen.

Bezüglich des Entschließungsantrages, der vermutlich noch eingebracht werden wird, muß ich ganz klar und deutlich sagen, daß speziell der Punkt, daß Menschenrechte unteilbar sind, natürlich unbestritten ist und eigentlich auch mit dieser Novelle, mit diesem Gesetz überhaupt nichts zu tun hat.

Ich darf nun wieder zu diesem Entschädigungsgesetz zurückkommen. Der Wert dieser Entschädigungen wurde laut Gesetz in genau definierten Rechnungseinheiten ermittelt. (Abg. Dr. Graf: Kollege Dietachmayr! Das ist aber nicht Ihr Ernst, oder? – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Wir können nachher noch einmal darüber diskutieren. – Das heißt, der Wert wurde in Rechnungseinheiten ermittelt, die degressiv nach der Höhe des Verlustes abgestimmt sind. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Diese Punkte haben mit dem Entschädigungsgesetz überhaupt nichts zu tun, Herr Kollege Stadler. Bleiben wir bei der Sache. Über Ihre Punkte können wir ein anderes Mal diskutieren.

Nach Abschluß nahezu aller Entschädigungsverfahren ist ein Teil dieser Globalentschädigung noch nicht zur Verteilung gelangt. Deshalb beschäftigen wir uns auch heute mit dieser Novelle.

Die Republik Österreich hat nach dem Vermögensvertrag von der ehemaligen !SSR 1 Milliarde Schilling in bar und zusätzlich andere Vermögensentschädigungen erhalten, sodaß ein Gesamtbetrag von über 1,5 Milliarden Schilling zur Verteilung gelangt. Die anderen Vermögensentschädigungen stammen in erster Linie aus Liegenschaften, aus land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, aus Grundvermögen, aus Betriebsvermögen oder sonstigem Vermögen, wie Wertpapieren oder Kunstgegenständen.

Insgesamt standen rund 1,5 Milliarden Schilling zur Verteilung. Davon sind bisher rund 1,1 Milliarden Schilling zur Verteilung gelangt. Es haben zirka 47 200 Personen bisher Leistungen daraus erhalten. Man hat aber ursprünglich geschätzt, daß es rund 90 000 Antragsteller geben wird. Aufgrund der geringeren Anzahl von Anträgen wurde der Schillingbetrag pro Rechnungseinheit mit einer Novelle im Jahr 1982 erhöht.

Das Vorhandensein ausreichender Mittel ermöglicht es uns nun, in dieser Novelle den zuerkannten Entschädigungsbeitrag um 34 Prozent zu erhöhen. Weiters soll der vorliegende Gesetzentwurf sicherstellen, daß die anhängigen Verfahren so rasch als möglich abgeschlossen werden können. Dies führt auch zu keiner neuen Feststellung der Rechnungseinheiten; die bisherige Feststellung ist die Basis für die 34prozentige Erhöhung.

Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Gesetzentwurf ist in Artikel 2 geregelt: Die Anmeldefrist des Verteilungsgesetzes mit der DDR für Vermögenswerte, die am 31. Dezember 1988 abgelaufen ist, wird so lange erstreckt, daß Anträge noch eingebracht werden können, bis der Verteilungsplan in Kraft ist. Es ist aber dennoch darauf hinzuweisen, daß eine weitere Verzögerung der Auszahlung der Restquote nicht mehr vertretbar wäre, denn viele der Antragsteller haben natürlich bereits ein sehr hohes Alter erreicht. Teilweise haben diese Personen auch sehr


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geringe Pensionen und warten daher dringend auf die Überweisung der Restquote. Daher sollte diese möglichst rasch ausbezahlt werden.

Zum Verteilungsgesetz DDR. – (Von der SPÖ ist außer dem Redner nur noch Abg. Ing. Tychtl im Saal. – Abg. Aumayr: Wo ist denn eigentlich deine Fraktion?) Das ist keine Frage, die zu diesem Punkt gehört, daher brauche ich sie auch nicht zu beantworten. – Entschädigungsberechtigt waren nach diesem Verteilungsgesetz DDR österreichische Personen, die sowohl am 8. Mai 1945 als auch am 21. August 1987 – das waren wieder die beiden Stichtage – die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben, sowie österreichische juristische Personen, die an diesen Stichtagen ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich gehabt haben. (Abg. Mag. Stadler: Wo ist Ihre Fraktion? Schauen Sie einmal! Gähnende Leere!)

Ich verstehe die Aufregung in Ihrer Fraktion überhaupt nicht, zumal sich Ihr Fraktionsobmann nur ganz selten hier in diesem Haus befindet. An Ihrer Stelle, Herr Stadler, würde ich mich weniger aufregen und mich wieder niedersetzen. Wenn Sie nicht bis herüber sehen, dann kaufen Sie sich eine stärkere Brille. Gerade Sie, so glaube ich, sollten da nicht polemisch agieren. (Beifall des Abg. Ing. Tychtl und Beifall bei der ÖVP.)

Entschädigungsfähige Verluste nach dem Verteilungsgesetz DDR sind ebenfalls wieder land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen, Betriebsvermögen, sonstiges Vermögen sowie diverse Aktien. (Abg. Mag. Stadler: Der Bundeskanzler ist weg, der Minister ist weg, nur noch der Herr Tychtl ist da!) Ich habe schon betont, daß grundsätzlich darauf zu achten ist, daß eine weitere Verzögerung der Auszahlung der Restquote nicht mehr vertretbar wäre. Daher nochmals mein Appell, daß diesbezüglich entsprechend rasch gehandelt wird.

Eines möchte ich abschließend noch erwähnen: daß bei der Vollziehung dieses Gesetzes ... (Abg. Haigermoser: Das ist geschäftsordnungswidrig, hat man mir einmal gesagt!) – Herr Kollege Haigermoser, wenn man bei Ihnen die Geschäftsordnung immer ganz genau auslegen würde, würden Sie wahrscheinlich sehr oft Ordnungsrufe bekommen. Also halten Sie sich mit Ihren Äußerungen etwas zurück! (Beifall des Abg. Ing. Tychtl und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Wann und wo?) Halten Sie sich mit Ihren Äußerungen zurück! Lesen Sie sich die Protokolle durch, das würde so manchen Kriminalroman ersetzen. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Bei der Vollziehung dieses Gesetzes ist darauf Bedacht zu nehmen – und das soll nur ein Hinweis für die dieses Gesetz ausführenden Beamten sein –, daß Doppelentschädigungen ausgeschlossen werden; Doppelentschädigungen nämlich dann, wenn nach Erhalt der ursprünglichen Entschädigung auch noch eine Naturalrestitution, insbesondere bei Liegenschaften oder bei Unternehmungen, in Anspruch genommen wurde. Grundsätzlich wäre in diesen Fällen auch die Frage einer möglichen Rückforderung zu überprüfen.

Meine Damen und Herren! Diesem Entschädigungsgesetz werden wir natürlich gerne unsere Zustimmung erteilen. Hoffentlich ist es möglich, die Restquote, also diese Erhöhung um 34 Prozent, möglichst rasch zur Auszahlung an die entschädigungsberechtigten Personen zu bringen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. – Soll ich eine freiwillige Redezeit einstellen? (Ruf: 60 Minuten!)

Der Herr Bundesminister hat mir gesagt, er bittet um Verständnis, daß er sich für 5 Minuten entschuldigt, er wird gleich wieder kommen. (Bundesminister Edlinger betritt den Saal. – Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Er ist sogar schon hier. Der Herr Bundesminister hat heute wirklich einen derartigen physischen Einsatz, daß einmal 5 Minuten Pause irgendwann drinsein müssen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.16

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Dietachmayr hat in seinen Ausführungen den Bericht


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des Finanzausschusses betreffend Entschädigungsgesetz
!SSR beziehungsweise Verteilungsgesetz DDR behandelt. Ich glaube, daß anläßlich der Behandlung dieser Frage das gesamte Problem sehr wohl umfassender zu sehen ist, weil davon natürlich – und das soll zweifellos auch hier im Plenum festgestellt werden – mit dieser Regierungsvorlage, die ja quasi die Erhöhung der Entschädigungsleistungen nur für jene Personen ermöglicht, die bereits einmal angesucht hatten, nicht alle Personen erfaßt werden, die Vermögen verloren haben.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, das zu betonen, denn es waren ja nur jene Personen, die eben am 27. April 1945 österreichische Staatsbürger waren, erfaßt, jene, die aus welchen Gründen immer an diesem 27. April aber nicht österreichische Staatsbürger sein konnten, wurden von diesem Gesetz nicht erfaßt. Ich glaube, es wird leicht sein, Zustimmung für diese Regierungsvorlage zu finden. Zumindest hoffe ich, daß es so sein wird.

Ich möchte mich im ersten Teil meiner Ausführungen auf diese Regierungsvorlage beziehen. Es ist zweifellos für alle diejenigen die angesucht haben, erfreulich, daß sie eine entsprechende Erhöhung ihrer Entschädigungen bekommen, weil sie zusätzlich noch einige hundert Millionen Schilling, konkret 385 825 259 S, ausbezahlt bekommen. Das war, als seinerzeit die entsprechenden Ansuchen eingebracht worden sind, nicht zu erwarten. Kollege Dietachmayr hat richtigerweise darauf hingewiesen, daß man ursprünglich annahm, daß wesentlich mehr Personen ansuchen würden, um aus dem Topf der zur Verfügung stehenden Finanzmittel entsprechende Entschädigungen zu erhalten.

Wenn wir nun alle diese Finanzmittel betrachten, die aus den verschiedenen Bereichen in diesen Topf eingeflossen sind, sehen wir, daß es insgesamt wesentlich mehr Mittel sind, als alleine in dem Vertrag mit der damaligen !SSR ausgemacht worden ist, und zwar bar bezahlt worden ist – damals war es 1 Milliarde Schilling –, weil ja noch entsprechende Vermögenswerte hinzugekommen sind, in einem Ausmaß von 435,674 Millionen Schilling. Diese Vermögenswerte konnten in bar umgesetzt werden, und aufgrund eines Briefwechsels sind noch zusätzliche 87,5 Millionen Schilling dazugekommen. Insgesamt sind es also 1,523 205 050 Milliarden Schilling, ein, wie ich meine, beachtlicher Betrag.

Es ist geschätzt worden, daß rund 90 000 Personen Entschädigungsanträge stellen werden. Tatsächlich sind rund 47 200 Entschädigungsleistungen an Personen vorgenommen worden, was ungefähr die Hälfte jener Zahl ist, die ursprünglich angenommen worden ist.

Es ist bereits – das ist schon erwähnt worden – einmal eine Änderung in Form einer Erhöhung vorgenommen worden, aber noch immer bleiben beachtliche Millionenbeträge ausständig. So ist jene Institution, die in den kommenden Jahren die Abwicklung vornehmen wird, nämlich die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, neben der Aufgabe, die sie durchzuführen hat, in der angenehmen Lage, diese 385 Millionen Schilling zusätzlich an diese Personen von sich aus zu überweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird das natürlich eine ziemlich umfangreiche Tätigkeit sein, die von den Kolleginnen und Kollegen der Finanzlandesdirektion durchzuführen ist, weil diese ungefähr 40 000 Aktenbearbeitungen viel Zeit beanspruchen, aber auch hohe Kosten verursachen werden.

Wir als Österreichische Volkspartei freuen uns – ich hoffe, auch alle anderen Fraktionen –, daß mit dieser Regierungsvorlage eine rund 34prozentige Erhöhung des Entschädigungsbetrages vorgenommen werden kann. Es ist zweifellos positiv, wenn dadurch jenen Personen, die anspruchsberechtigt sind, wenigstens ein Teil abgegolten wird. Das ist das, was das Erfreuliche, Verbindende, Gemeinsame ist, dem hoffentlich alle zustimmen werden. Ich kann sagen: Die Volkspartei gibt dazu gerne die Zustimmung.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, wie wir all jene Personen sehen und behandeln, deren schreckliches Schicksal, ja Tragödie eben in den Jahren 1945/46 zu verzeichnen war. Jene wie ich, die erst nach diesem Zeitpunkt geboren worden sind, wissen darüber nur aus Schilderungen und dem Geschichtsunterricht Bescheid.


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Ich darf hier von diesem Rednerpult aus folgendes sagen: Ich selbst bin ein Sohn südmährischer Eltern. Meine Mutter stammte aus Joslowitz, mein Vater war geborener Gutenfelder und dann berufstätig in Nikolsburg, Grusbach und in Joslowitz. Ich weiß, welch enorme Probleme dadurch entstanden sind, daß man im Jahre 1945 binnen weniger Minuten aus den jeweiligen Häusern vertrieben wurde, ohne in irgendeiner Form persönliche Schuld in der Zeit vorher auf sich geladen zu haben. Ich weiß, daß nicht nur meine Eltern davon betroffen waren, sondern es waren über 3 200 000 Personen, die aus diesen Regionen vertrieben wurden. (Abg. Dr. Haselsteiner: Tatsächlich?! – Ruf bei den Freiheitlichen: Was soll das? – Weitere Zwischenrufe.)

Herr Kollege Haselsteiner! Seien Sie froh, daß Sie nicht betroffen waren. Das ist eine relativ billige Zwischenrufaktion Ihrerseits. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das ist nicht billig, sondern dumm! Geschmacklos und dumm!) Ich sage das nicht. Ich habe gesagt: billig! (Ruf bei den Freiheitlichen: Zynisch liberal!)

Es sind 3,2 Millionen Menschen, die ein derartiges Schicksal erlitten haben, die bei ihrer Vertreibung großteils gefoltert worden sind, wobei insgesamt 250 000 Personen umgekommen sind, weil sie brutal ausgetrieben, erschlagen, erschossen worden sind. Ich glaube, es ist durchaus der Zeitpunkt, daß man angesichts einer derartigen Debatte auch über diese Personen, die ja dann zu einem nicht unbeträchtlichen Teil in Österreich ihre ständige Heimat gefunden haben – der Großteil dieser 3,2 Millionen ist nach Bayern, nach Deutschland weitergegangen –, diskutiert, denn das sind unsere Mitbürger, die sehr, sehr viel an persönlicher Bereitschaft für den Wiederaufbau Österreichs aufgebracht haben, ihren Einsatz geleistet haben und für die Wiedererrichtung unserer Republik mit viel Kraft, Tat und Einsatzwillen gekämpft haben. Und dafür möchte ihnen heute bei dieser Debatte ein Dankeschön zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dietachmayr. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Schicksal dieser Personen ist in der gesamten Diskussion seit 1945 sehr häufig nur unter sehr einseitigen ideologischen Aspekten betrachtet und behandelt worden. Ich glaube, wir haben nun, 52 Jahre nach diesem Vorfall, die Möglichkeit, uns einmal davon zu lösen. Ich habe immer die Auffassung vertreten, nicht nur für hier und für andere Regionen Europas, sondern als langjähriger Menschenrechtssprecher der Österreichischen Volkspartei auch für viele andere Regionen der Welt, daß niemals Kollektivschuld vorgebracht oder akzeptiert werden darf, sondern jeweils die Handlungen der Einzelperson entscheidend zu sein haben für das, was man jemandem vorwirft oder wofür jemand zur Verantwortung gezogen wird. Das ist ein grundsätzlicher Aspekt, und all diese Personen verdienen es, daß das hier im Hohen Haus ausgesprochen wird, was ich hiemit tue.

Kollektivschuld darf niemals ein Maßstab sein, sondern das individuelle Verhalten muß Gegenstand der Bewertung sein. Deswegen, glaube ich, ist es auch sehr wichtig, diese Frage losgelöst von anderen ideologisch-historischen Aspekten zu betrachten und vielleicht doch in den kommenden Monaten – nicht nur heute – zu einer umfassenderen Diskussion dieses Problems zu kommen – aus menschenrechtlicher, aus menschlicher, aus sozialer Sicht, aber auch zur Aufarbeitung historischer Aspekte, die man nach 52 Jahren vielleicht anders sehen kann, als dies unmittelbar nach dem Krieg möglich war. (Beifall des Abg. Jung. ) Ich glaube, es ist das zweifellos ein Anlaß, dem sich alle verbunden fühlen sollten, nicht mit Beschimpfungen zu reagieren, sondern mit der Bereitschaft, aufzuarbeiten und diese Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, in ihrer Bedeutung zu werten und positiv zu beurteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Ing. Tychtl. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ... (Abg. Mag. Stadler: Kollege Höchtl, einen Zwischenruf! Wird Ihr Außenminister darauf bestehen, daß die Beneš-Dekrete und dieses sogenannte Amnestiegesetz vor Verhandlungen wegkommen? – Nicht während der Verhandlungen!) Herr Kollege Stadler! Ich möchte diese Frage jetzt allgemein behandeln und werde Ihnen auch eine Antwort darauf geben. (Abg. Scheibner: Das sind die Schlußfolgerungen!) Nein, nein, Herr Kollege. (Abg. Mag. Stadler: Ja!) Sie haben ja auch die Möglichkeit zu reden. Ich nütze meine Redezeit dafür, meine Sicht dieser Dinge darzustellen. (Abg. Mag. Stadler: Nicht die der ÖVP?!) Das ist durchaus die Sicht vieler in der Volkspartei und auch vieler, hoffe ich, in den anderen demokratischen Parteien unseres Parteienspektrums.


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Wir haben uns – ich kann hier den früheren Außenminister Dr. Mock oder den sehr, sehr bekannten und leider allzu früh verstorbenen Universitätsprofessor Dr. Felix Ermacora zitieren, aber auch viele andere – eindeutig dazu bekannt, daß wir nicht nur die brutale Vertreibung, die Ermordung so vieler Personen verurteilt haben, sondern wir haben auch gesagt, daß die Beneš-Dekrete, die hier angesprochen worden sind, in unseren Augen ein Unrecht darstellen und wir die Auffassung vertreten, daß diese Beneš-Dekrete rückwirkend außer Kraft gesetzt werden sollen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Aber wann?) Das haben wir jeweils als unsere Auffassung vertreten, und das haben auch Dr. Mock, Dr. Ermacora und viele andere betont. (Abg. Mag. Stadler: Der Schüssel leider nicht! – Abg. Scheibner: Was sagt der Außenminister dazu?)

Ich werde Ihnen jetzt folgendes sagen: Außenminister Schüssel hat in seiner Eigenschaft als Außenminister vor wenigen Monaten klar gesagt, daß Österreich – und er identifiziert sich mit dieser Haltung – seine ablehnende Haltung gegenüber den Beneš-Dekreten der tschechischen Seite erstens immer wieder zur Kenntnis gebracht hat und zweitens diese Haltung auch weiterhin vertreten wird. – Zitat Wolfgang Schüssel. Damit ist also eine eindeutige Festlegung des Vizekanzlers und Außenministers und, wenn Sie wollen, Bundesparteiobmannes der Österreichischen Volkspartei gegeben. Ich möchte das auch hier in diesem Plenum während dieser Debatte zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe immer die Auffassung vertreten und werde sie auch weiterhin vertreten, daß Menschenrechte – ich habe mich in vielen Teilen der Welt dafür eingesetzt, auch wenn es sehr unangenehm war – einzuhalten sind. Wir haben in der "Internationalen Parlamentarierunion" – Kollege Fischer und ich und viele andere in den jeweiligen anderen Gremien – jegliche Verletzung von Menschenrechten verurteilt.

Ich glaube, daß das auch in diesem Fall ganz klar ist: Wer vertrieben worden ist, wer sich vor allem keinerlei individueller Schuld bewußt ist und keinerlei Schuld begangen hat, dem gegenüber ist eine Menschenrechtsverletzung begangen worden, die man aufs schärfste zurückzuweisen hat. Und auch die Akte, die gesetzt worden sind, müssen nach so vielen Jahren von der Regierung, die derzeit in der jetzigen Tschechischen Republik an der Macht ist – diesen Vertrag haben wir ja damals noch mit der Tschechoslowakischen Republik abgeschlossen –, im Hinblick auf die gesamte Aufarbeitung der Vergangenheit endlich einmal angegangen und neu gesehen werden. Ich habe Hoffnung jeweils in Personen wie beispielsweise den jetzigen Präsidenten Havel gesetzt, der in dieser sehr kritischen, äußerst sensiblen Frage sehr wohl zum Ausdruck gebracht hat, daß er derartige Grausamkeiten verurteilt. (Abg. Mag. Stadler: Nur: Die deutsch-tschechische Erklärung ist das Gegenteil!) Er hat sich in dieser Situation nicht durchgesetzt! (Abg. Dr. Graf: Er hat es aber nach der Erklärung relativiert bis hin zu null!)

Nur: Die Geschichte kennt schon so viele Entwicklungen, und man darf in der Politik nie jemand sein, der sagt: Dieser Punkt ist ein endgültiger!, sondern man muß in der Politik immer jemand sein, der mit Optimismus, mit Hoffnung an eine positive Weiterentwicklung denkt und daran auch mitarbeitet.

Ich glaube, daß es sinnvoll ist, alles dazu beizutragen, um in nächster Zeit eine sinnvolle Form auch in der Begegnung mit den Kollegen unseres Nachbarstaates zu finden, um in dieser zweifellos äußerst belastenden Frage der Vertreibung, der Errichtung der Beneš-Dekrete, des noch immer vorhandenen Bekenntnisses dazu weiterzukommen und letzten Endes doch hoffentlich die Aufhebung dieser Dekrete zu erreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte es nicht verabsäumen zu sagen, daß diese Personen, nämlich jene, die sich immer als Altösterreicher bezeichnet haben, und deren Vertreter bereits in einer Zeit einen Schritt gesetzt haben, in der man das sehr häufig emotional noch gar nicht erwartet hatte, daß man sich dazu durchringen kann. Es war bereits im Jahre 1950! Im Jahre 1950 haben Vertreter dieser Altösterreicher in einer berühmten und mittlerweile sehr häufig zitierten Erklärung jeglicher Form – ich zitiere – der Rache und der Vergeltung abgeschworen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer
(das Glockenzeichen gebend): Schlußsatz, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (fortsetzend): Ich komme zum Schlußsatz. Ich glaube, das ist eine Tatsache, die man gerade bei der Erörterung dieser Frage zu würdigen, positiv hervorzuheben hat, und, um mit Havel zu schließen, ich hoffe mit Havel, daß mit dem Ende der Herrschaft der Lüge – als solche hat er das jahrzehntelang in der Tschechoslowakei herrschende Regime bezeichnet – auch das Ende des Schweigens über das furchtbare Schicksal der Vertreibung gekommen ist und daß in den kommenden Jahren eine positive Form der friedlichen Erzielung einer Einigung möglich sein wird.

In diesem Sinne geben wir diesen Gesetzen gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Ing. Tychtl. )

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Bei ihm ist eine freiwillige Redezeit von 10 Minuten vorgeschlagen. – Bitte.

16.37

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Der Rede des Abgeordneten Höchtl habe ich wirklich mit Interesse zugehört, und ich weiß auch, daß er gerade in Angelegenheiten der Vertriebenen immer wieder ein Fürsprecher für diese war. Er hat, wie ich heute bemerkt habe, sehr aufmerksam beim Sudetendeutschen-Tag gelauscht, wo Kollege Abgeordneter Scheibner genau diese Analyse, die Sie, Kollege Höchtl, heute vorgenommen haben, Ihnen gegenüber – Sie waren ja anwesend – geäußert hat. Es freut mich, daß wir zumindest in der Analyse Übereinstimmung erzielen können. Das ist zumindest der erste Schritt, die Konsequenz aber muß natürlich auch folgen. Es wird sicher so sein, daß man sehr gespannt darauf warten wird, wie Außenminister Schüssel in Fragen eines EU-Beitrittesd und schon vor Beginn der Verhandlung die Abschaffung und Obsoleterklärung der Beneš-Dekrete in der !SFR einmahnen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich mahne dies bei allen tschechischen Delegationen ein und sage, daß man diesbezüglich endlich aktiv werden muß, auch von der tschechischen Seite. Wenn man die Gesetze kennt, muß man nämlich sagen: Es ist unmöglich, daß die Tschechische Republik zum Ende dieses Jahrtausends tatsächlich noch Feinde hat. Das steht aber in den Beneš-Dekreten festgeschrieben. Für mich ist es unvorstellbar, daß ein Staat, der sich anschickt, der Europäischen Union beizutreten, gewisse Nationalitäten als Feinde schlechthin bezeichnet. Meines Erachtens ist es ein Wahnsinn, daß man aufgrund der Nationalität von einem Gesetz im Verfassungsrang, wie die Beneš-Dekrete es nach wie vor sind, als unzuverlässige Person und daher als der tschechischen Staatsbürgerschaft nicht würdig angesehen wird, nämlich die Deutschen und die Magyaren.

Es ist ganz einfach notwendig, daß dort endlich etwas geschieht. Man kann nicht immer nur über Versöhnung reden, man muß auch bereit sein – auch von tschechischer Seite –, die entsprechenden Schritte zu gehen. Österreich muß dies letztlich als Vertreter von 160 000 vertriebenen Sudetendeutschen einmahnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Folgerichtig ist gesagt worden, daß es sich um zwei Themenkreise handelt. Der eine Themenkreis betrifft die bereits vor dem 27. April 1945 mit österreichischer Staatsbürgerschaft versehenen – das waren sie auch nur für einen kurzen Zeitraum, vorher waren sie Reichsdeutsche –, aber auf diesem Staatsgebiet lebenden Personen, die mit diesem Gesetz letztendlich – unter Anführungszeichen – "Begünstigte" geworden sind und zumindest für einen Teil ihrer Verluste Entschädigung erhalten.

Dabei darf man aber nicht von einer Anhebung sprechen, sondern muß die Kirche im Dorf lassen: Es geht letztlich – der Herr Finanzminister wird das ja wissen – um eine Valorisierung, eine Indexanpassung infolge der überlangen Bearbeitungsdauer. Man beachte, daß die Einreichfrist für derartige Anträge 1980 endete. Inzwischen liegen 17 Jahre hinter uns, und es gibt immer noch einige tausend offene Ansuchen. Das ist eine verdammt lange Verfahrensdauer,


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sodaß es nur recht und billig ist, wenn man für zugesicherte Beträge Wertanpassungen vornimmt – auch wenn das nicht zur Gänze geschieht, ist es immerhin etwas. Wir sind froh darüber, daß man hiebei den Handlungsbedarf erkannt hat und eine Valorisierung vornimmt, und werden dem zustimmen.

Wir geben daher in diesem Sinne dem Gesetz unsere Zustimmung, wollen darüber hinaus aber folgendes beachtet wissen: Hier wurde bereits relativiert, daß nur 47 000 Antragsteller tatsächlich Anträge stellten, obwohl man mit 90 000 gerechnet hatte. Wahrscheinlich gäbe es noch viel mehr potentielle Antragsteller, aber 90 000 mag schon die Zahl der tatsächlich noch eruierbaren Betroffenen gewesen sein. Warum aber, muß man sich fragen, hat es letztlich nur 47 000 Antragsteller gegeben?

Es besteht immer wieder das Problem der Kundmachung eines Gesetzes. In diesem Fall betrifft es offensichtlich eine Bevölkerungsgruppe, in der weite Kreise gar nichts über diese Gesetzesbestimmung wußten. Lassen Sie mich aus einem Brief zitieren, der mir neben vielen anderen zugegangen ist. Ich könnte da eine ganze Reihe von Briefen zitieren; jeder, der Interesse hat, kann den Brief in Abschrift von mir haben. Es geht um den symptomatischen Fall einer Dame, die heute 75 Jahre alt ist. Sie schreibt mir folgendes:

"Ich erlaube mir, Sie, sehr geehrter Herr Doktor, ganz herzlich zu bitten, indem Sie meine beigefügten Unterlagen durchlesen, bitte, bitte." – Allein schon die Wortwahl zeigt, wie verzweifelt diese Leute sind. Die Dame schreibt weiter: "Aus diesen Unterlagen ist ersichtlich, daß ich Sudetendeutsche bin, beziehungsweise habe ich meinen Mann aus Innsbruck 1942 geheiratet, wurde 1945 als Österreicherin mit zwei kleinen Kindern, eineinhalb Jahre und zehn Monate alt, im Viehwagen evakuiert. Wir waren von 1. Oktober bis 16. Oktober 1945 unterwegs. – Jetzt bitte zu meinem Problem: Ich habe ein kleines Sparbuch. Ich hatte mich an das Bundesministerium" – meine Anmerkung: für Finanzen – "gewandt. Immer wieder versuchte ich, beim Bundesfinanzministerium bezüglich meines Sparbuches etwas in Erfahrung zu bringen. Ich erhielt ein Schreiben mit dem Hinweis, daß noch nichts bekannt ist. Sobald etwas bekannt ist, wird mich das Bundesministerium für Finanzen verständigen. Im Herbst wurde ich durch Bekannte aufmerksam gemacht, daß schon Auszahlungen durchgeführt wurden." – Herbst 1995, bitte!

Es heißt weiter: "Nun schrieb ich wieder nach Wien und erkundigte mich telefonisch bei Herrn ..." – Den Namen lasse ich weg. – "Aufgrund dessen wurde ich aufmerksam gemacht, sämtliche Unterlagen einzusenden. Nach längerer Zeit erhielt ich abschlägig die Unterlagen zurück mit dem Hinweis, es ist verfallen. Heute bin ich 75 Jahre alt und Witwe, habe Muskelrheuma, meine Wohnung ist ein Altbau. Alles mußte man erarbeiten, Fußböden, Lichtleitungen, Türen und so weiter, nur leider zu einer Dusche habe ich es nicht gebracht, welche mir gesundheitlich dienen würde. So könnte ich das Geld gut gebrauchen." – Soweit dieser Brief.

Bei dem Geldbetrag handelt es sich, umgerechnet nach Verrechnungseinheiten, um sage und schreibe 8 000 S! Ich habe mir die Unterlagen angesehen, den Fall recherchiert, der nur als Beispiel für viele andere steht, und bin zu folgendem Ergebnis gekommen. Die Geschäftszahlen habe ich bei mir: Bereits im Jahr 1957 – damals war dieses Gesetz noch gar nicht existent – stellte die Dame diesbezüglich beim Ministerium einen Antrag. Damals wurde ihr mitgeteilt, daß es noch keine gesetzliche Grundlage gebe, diese aber in Arbeit sei und ihre Sache in Evidenz gehalten werde. Sowie etwas Neues hervorkomme, werde man sie verständigen.

In weiterer Folge – ich kürze die Darstellung ab – gab es eine elendslange Korrespondenz mit dem Ministerium und der Finanzlandesdirektion, bis man ihr schlußendlich sagte, sie müsse den gesamten Antrag noch einmal stellen. Das hat sie getan, und am 4. Mai 1993 wurde dieser Antrag ans Ministerium weitergeleitet, wo er am 16. Juli einlangte. Im Ministerium hat die Kommission schließlich entschieden, daß der Antrag zurückgewiesen wird, weil die Frist verfallen ist. Der Antrag wurde zu spät gestellt.

Was ist dieser Dame passiert? – Sie suchte schon an, bevor es das Gesetz gab, wußte später nicht, daß die Frist lief, obwohl sie sich immer wieder mit der Behörde ins Einvernehmen


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setzte – darüber gibt es genug Korrespondenz –, und schickte danach alles noch einmal ein, woraufhin ihr Antrag als Neuantrag gewertet und abschlägig beschieden wurde. Das ist ein Härtefall, und daran kann man auch ersehen, warum es letztendlich nur 47 000 Antragsteller gegeben hat. Ein solcher Härtefall kann mit diesem Gesetz nicht berücksichtigt werden, und deshalb glaube ich, daß massiver Handlungsbedarf besteht. Man muß die Bevölkerung von derartigen gesetzlichen Regelungen hinreichend verständigen, damit Anträge rechtzeitig gestellt werden können.

Es kann schon ein Unglück sein, wenn man zufälligerweise eine Frist nicht einhält oder nicht bekanntgemacht bekommt. Bei dem Gesetz über die DDR endete die Antragsfrist 1988 – wir wissen alle, warum –, für die Sudetendeutschen hingegen lief sie 1980 ab. Ich glaube, man sollte nicht so unmenschlich auf dieser Frist bestehen, sondern sie schlichtweg noch einmal verlängern. Es geht nicht um viel Geld, wohl aber um menschliche Wiedergutmachung, letztendlich auch von der Republik Österreich aus.

Deshalb bringen wir für diese Regelung folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Ofner, Mag. Haupt und Kollegen zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Entschädigungsgesetz !SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden (846 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes (862 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

In § 36 Abs. 1 1. Satz tritt an die Stelle der Wortfolge "bis zum 31. Dezember 1980" die Wortfolge "bis zum 31. Dezember 1998".

*****

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist folgender: Was geschieht mit dem Geld, was über lange Zeit liegenbleibt und nicht in Anspruch genommen wird? – Ich glaube, es wäre nicht richtig, wenn man das nicht beanspruchte Geld zugunsten der Republik einfach für verfallen erklärt, sondern es hätte sich gerade diese geschundene Nation oder auch Generation der Sudetendeutschen verdient, daß man das Geld, das an sich den vertriebenen Opfern oder auch österreichischen Staatsbürgern rechtmäßig zustehen würde, letztendlich den Traditionsverbänden zukommen läßt, die sich um derartige Anliegen kümmern, die weiters Bibliotheken erhalten et cetera. Nicht dem Bund sollten diese wenigen Millionen, die vielleicht nicht abgerufen werden, im Jahr 2004 zufallen, sondern den Vertriebenenverbänden.

Deswegen haben wir uns erlaubt, auch diesbezüglich einen Abänderungsantrag einzubringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Ofner, Mag. Haupt und Kollegen zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Entschädigungsgesetz !SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden (846 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes (862 der Beilagen) wird wie folgt geändert:


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In § 42a Abs. 7 1. Satz tritt an die Stelle der Wortfolge "zugunsten des Bundes" die Wortfolge "zugunsten der Vertriebenenverbände".

*****

Ich ersuche Sie, diese Anträge zu unterstützen.

Ein Wort noch zu Kollegen Haselsteiner, obwohl er nicht im Saal ist: Mit seinem Zwischenruf bezüglich der Geschundenen und der von der ersten ethnischen Säuberung nach 1945 betroffenen Generation tut er Kollegen Höchtl wirklich unrecht. Das ist dieses Hauses unwürdig, und dafür sollte er sich bei dieser vertriebenen Generation entschuldigen.

Letztendlich aber kann ich mir, nachdem ich die Liberalen in letzter Zeit genau beobachtet habe, über Sie nur noch denken: Wenn Sie einen Chefideologen wie Volker Kier in Ihren Reihen haben, der vor nicht allzulanger Zeit in einer Festrede behauptete, daß der Liberalismus und der Marxismus unverwechselbare Zwillingsbrüder sind, dann wissen wir, von welcher Geisteshaltung Sie sind, und dann weiß ich auch, warum Ihnen solche zynischen Äußerungen immer wieder passieren können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden verlesenen Abänderungsanträge zum § 36 beziehungsweise zum § 42a der Vorlage entsprechen den Bestimmungen der Geschäftsordnung und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

16.50

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Grünen werden zwei Vorlagen gerne zustimmen, nämlich dem Staatsvertragsdurchführungsgesetz und der Regierungsvorlage 847 der Beilagen. Große Bedenken habe ich allerdings bei dem Entschädigungsgesetz !SSR, jedoch nicht wegen des Inhaltes und des Zieles der Vorlage. Selbstverständlich sollen diese Verfahren endlich zu einem Abschluß gebracht werden. Vielmehr habe ich – wenn Sie so wollen – aus Zinseszinsgründen Bedenken, die ich auch im Ausschuß schon vorgebracht habe.

Die Vorlage ist im Detail sehr gut begründet; das muß ich auch zugunsten der Beamten sagen, die das erstellt haben. Das sind sehr ausführliche, lehrreiche Begründungen. Aber aus diesen Begründungen geht meines Erachtens auch hervor, daß die Zahlungen, die in diesen fiktiven Fonds geleistet wurden, nicht verzinst worden sind. Es geht dabei in Summe, sozusagen zum Nominalwert, immerhin um 1,5 Milliarden Schilling. Die ganze Sache zieht sich seit 1974 hin, inzwischen also über 23 Jahre. Sie brauchen nur einen winzigkleinen Taschenrechner, um sich folgendes auszurechnen: Wenn nur die Hälfte oder auch nur ein Drittel dieses Betrages über – sagen wir – die Hälfte der Zeit auf einem Sparbuch – um keine bessere Veranlagungsmöglichkeit zu nennen – gelegen wäre, dann müßten daraus Hunderte von Millionen an Zinsen entstanden sein. (Abg. Jung: Die hat der Finanzminister!)

Ich halte das für einen Betrag in einer Größenordnung, der dem Verwaltungsaufwand des Ganzen nicht entspricht. Daher finde ich – bei allem Respekt vor dem Ziel des Gesetzes –, das ist eine ungerechtfertigte, übertriebene Entschädigung des Bundes für die Verwaltung, die er aufgrund dieses Gesetzes erledigt hat. Eigentlich müßte die Summe, die endgültig zur Auszahlung kommt, höher sein als das Ausmaß, das wir heute beschließen werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.5


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1

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Cordula Frieser. Ich erteile ihr das Wort. Wollen Sie eine freiwillige Redezeitbeschränkung? (Abg. Mag. Frieser: 5 Minuten!) Okay.

16.52

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz zum Tagesordnungspunkt 9, dem 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz 1956, Stellung nehmen.

Wie wir alle wissen, geht es bei diesem Gesetz um die Anpassung der Wertgrenzen. Die bisherigen Wertgrenzen wurden von 2 Millionen auf nunmehr 10 Millionen angehoben. Ich glaube, diesbezüglich herrschte im Ausschuß Übereinstimmung. Es ist auch mit nichts zu begründen, warum man diese Wertgrenzen seit dem Jahr 1956 nicht angehoben hat.

Ich hätte mir gewünscht, daß dieses Gesetz auch Anlaß gibt, bei anderen Normen, Gesetzen und Verordnungen eine Durchforstung vorzunehmen, um festzustellen, wo überall entsprechende, zeitgerechte Wertanpassungen vorzunehmen sind. Schließlich bewirkt diese Änderung der Wertgrenzen eine Reduzierung des Bürokratismus, sowohl für das Finanzministerium als auch für dieses Haus. (Abg. Öllinger: Kampf der Gesetzesflut!)

Dazu komme ich noch, Herr Kollege! Ich habe endlich Gelegenheit, einen großen Bogen zu spannen. (Abg. Öllinger: Aber nicht zu groß!) Denn wir sind wirklich dann und wann in diesem Haus mit Dingen beschäftigt, die ob ihrer Minimalität eigentlich nicht gerechtfertigt sind. Bei dieser Gelegenheit hätten wir auch einen Blick über unsere Grenzen werfen und beobachten sollen, was die Deutschen im Zusammenhang mit Bürokratie in den Ministerien und im Parlament bereits vorgenommen haben.

Die deutsche Bundesregierung hat – auch nicht zuletzt aufgrund der Budgetnöte – der Bürokratie den Kampf angesagt. Man hat in Deutschland einen Arbeitskreis unter dem Titel "Schlanker Staat" eingesetzt. Ich darf Ihnen aus der "Süddeutschen Zeitung" zitieren – ähnliches könnte ich Ihnen aus der "FAZ" zitieren –, zu welchem Schluß man dort gekommen ist: "Die Bürokratie soll in Deutschland drastisch abgebaut werden. Diese Forderung hat der von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenrat ,Schlanker Staat’ in seinem Abschlußbericht erhoben." Meine Damen und Herren! Wir strapazieren pausenlos das Schlagwort "schlanker Staat", aber ich glaube, wir tun viel zuwenig dafür. Ich zitiere weiter: "Bund, Länder und Gemeinden werden aufgefordert, die Flut von Gesetzen" – jetzt bin ich dort, Herr Kollege Öllinger! – "und Verwaltungsvorschriften deutlich zu reduzieren und staatliche Aufgaben auf ein Minimum zu beschränken." (Abg. Dr. Graf: Dafür sind zu viele Sozialisten in den Verbänden!)

Denken wir an einen der vorhergehenden Tagesordnungspunkte, an die Privatisierung der "Dachstein" Tourismus- ... (Abg. Dr. Haselsteiner: AG!) AG. Danke schön! Sie wissen, Herr Haselsteiner, wenn es um Tourismus, Seilbahnen und so weiter geht, sind Sie mir immer eine wahre Hilfe. (Abg. Dr. Haselsteiner: Aber ich bitte um Revanche! Sie müssen mir auch einmal helfen!) Ganz sicher mache ich das.

Es hat sich gezeigt, daß sich der Staat auf die wirklich wesentlichen Aufgaben zurückziehen sollte. Wir sollten diskutieren, welche Privatisierungen voranzutreiben und wie Ämter in Dienstleistungsunternehmen umzuwandeln sind. Eine Normprüfstelle beim Bundeskanzleramt sollte künftig die Notwendigkeit von Gesetzen und Verordnungen begutachten. Damit bin ich endlich bei meinem liebsten Thema, nämlich dem Legislativdienst hier im Haus. Es wäre eine Aufgabe dieser Einrichtung, als Prüfstelle für Gesetze zu fungieren.

Meine Damen und Herren! Wie gesagt, ist es bedauerlich, daß wir dieses 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz 1956 nur in aller Kürze im Ausschuß diskutiert haben und es hier im Plenum am Freitag nachmittag verabschieden. Aber ich hoffe trotzdem, daß wir – nachdem wir das Budget verabschiedet haben – mehr Zeit finden werden, uns dem Bürokratie-Thema im allgemeinen zu widmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Tychtl und des Abg. Dr. Haselsteiner. )


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16.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Apfelbeck. Sie hat das Wort.

16.57

Abgeordnete Ute Apfelbeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Staat ist Anwalt der Bürger und sollte diese bestmöglich vertreten. Daß das nicht immer der Fall ist, werde ich Ihnen anhand von Beispielen aufzeigen.

Aufgrund des völkerrechtlichen Vertrages mit der DDR sind an Österreich 136,4 Millionen Schilling geflossen. Ein einziges Grundstück in Deutschland, das in der DDR lag, von dieser auch in Verwaltung genommen wurde und dessen Anspruchsberechtigter österreichischer Staatsbürger war, erbrachte beim Verkauf an eine Bank nachweislich einen Erlös von 150 Millionen Schilling. Mit einem einzigen Grundstücksverkauf hat die Bundesrepublik Deutschland mehr erhalten, als sie jemals Ersatz an Österreich geleistet hat.

Meine Damen und Herren! Der österreichische Eigentümer, dessen Eigentum im Grundbuch bis zum Jahre 1988 bestand, wurde mit einem Bruchteil abgegolten. Denn zur Berechnung des Vermögensverlustes wurde der damalige Einheitswert der Liegenschaft herangezogen, mit 3,75 multipliziert – das sollte die Wertsteigerung sein – und schließlich mit 7 multipliziert, weil eine D-Mark 7 S wert ist. So wird der Vermögensverlust errechnet. Pech für den Österreicher: Wäre er Angehöriger einer anderen Nation, zum Beispiel Schweizer, so würde er sein Vermögen wiederbekommen oder den tatsächlichen Verkaufserlös zurückerhalten.

Meine Damen und Herren! Da hat die Bundesregierung versagt. Und sie hat es auch verabsäumt, Nachverhandlungen zu tätigen. Es ist Pech für den Österreicher beziehungsweise für den Anspruchsberechtigten, daß die Bundesregierung im August 1987 diesen Entschädigungsvertrag abgeschlossen hat, denn durch dieses Abkommen sind alle Ansprüche abgegolten worden.

Beispiel Nummer zwei: Grundvermögen in der DDR, Grundstücke im Wert von 173 240 mal 3,75 Wertsteigerung mal 7 S ergibt einen Betrag von 4,547 550 Millionen Schilling an Entschädigung. Es liegen jedoch verbindliche Anbote für diese Liegenschaften vor: Diese belaufen sich auf 200 Millionen Schilling!

Meine Damen und Herren! Kein einziger Schilling wurde an den früheren Eigentümer beziehungsweise den Anspruchsberechtigten von Österreich je ausbezahlt! Trotzdem besteht kein Anspruch auf Entschädigung aus der Bundesrepublik Deutschland, weil das Bundesministerium für Finanzen – also Ihre Stelle, Herr Bundesminister! –, obwohl kein einziger Schilling jemals ausbezahlt wurde, auf eine Anfrage des Amtes für Regelung offener Vermögensfragen in Berlin folgendes schreibt – ich zitiere diesen Brief –:

"Bundesministerium für Finanzen. An das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen. Unter Bezugnahme auf die Anfrage vom 12. Jänner 1996 teilt das Bundesministerium für Finanzen der Republik Österreich mit, daß" – den Namen der Personen lasse ich aus – "für den Verlust eines Drittel-Anteiles an der oben genannten Liegenschaft von der Bundesverteilungskommission Entschädigungsleistungen zuerkannt erhalten hat, da die Liegenschaft von den Bestimmungen des zwischen der ehemaligen DDR und der Republik Österreich am 21. 8. 1987 abgeschlossenen Vermögensvertrages erfaßt wird. Ebenso sind die beiden anderen österreichischen Miteigentümer entschädigt worden. 26. Jänner 1996. Für den Bundesminister: Mag. Jantschek."

Meine Damen und Herren! Das ist die Unwahrheit! Entschädigt kann man nur werden, wenn man etwas bekommt. Das ist in diesem Fall jedoch nicht geschehen. In Anbetracht dessen frage ich: Wie kann ein Staatsbürger sich davor schützen, daß ein Ministerium falsche Dinge weitergibt? Es stellt sich meiner Ansicht nach schon die Frage: Wer ersetzt einem diesen Schaden? – Der Beamte, der diesen unwahren Brief für den Bundesminister unterfertigt und nach Deutschland geschickt hat, aufgrund dessen der Anspruch von der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt wurde, weil ja laut Schreiben des Ministeriums schon entschädigt worden ist? – Darf ich Ihnen, Herr Bundesminister, die entsprechende Kontonummern bekanntgeben, auf welche dann die Schadenssumme überwiesen werden kann?

Solche Beispiele lassen sich viele nennen. Es geht aber auch umgekehrt: Wenn zum Beispiel die Gewerkschaft eine Liegenschaft in Berlin-Mitte kauft, dann kauft sie diese natürlich zu einem weit günstigeren Preis. Im gegenständlichen Fall liegen verbindliche Anbote in der Höhe von


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45 Millionen Schilling vor – verkauft wurde diese Liegenschaft an die Gewerkschaft aber für 12,6 Millionen Schilling!

Herr Bundesminister! Können Sie mir konkrete Fälle nennen, in denen Österreicher auf eine Entschädigung in Österreich verzichtet und ihr Eigentum beziehungsweise den Erlös daraus aus Deutschland erhalten haben? Oder verhält es sich nicht vielmehr so, daß diese dann um ihre Entschädigung gänzlich umgefallen sind, also weder von Österreich noch von Deutschland etwas bekommen haben!

Meine Damen und Herren! Geschädigt wurden immer österreichische Staatsbürger. Nutznießer in diesem Fall ist die deutsche Bundesregierung, die jetzt mit dem Vermögen beziehungsweise aus dem Verkaufserlös ihr Budget sanieren kann. Verständnis dafür hätte ich noch, wenn es das österreichische Budget wäre!

Zu all dem ist es gekommen, weil die österreichische Bundesregierung sehr schlecht verhandelt beziehungsweise überhaupt diesen Vertrag mit der DDR 1987 abgeschlossen hat und nach dem Fall der Mauer mit der Bundesrepublik Deutschland nicht neu verhandelt hat, so, wie das andere Staaten getan haben. So müßte meiner Meinung nach ein Anwalt für die Staatsbürger auch handeln, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Er hat das Wort.

17.05

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn man sich als Bürger von der österreichischen Seite her der österreichisch-tschechischen Grenze nähert, dann kann man fast überall im Waldviertel und im Weinviertel zu den Grenzgendarmerieposten gehen und sich nach den Kindergräbern erkundigen.

Diese Gräber sind wie folgt zustande gekommen: Bei den Vertreibungen insbesondere im Jahr 1945 sind die Elendszüge, vor allem bestehend aus alten Menschen, aus Kindern, aus Frauen, zum Teil mit Säuglingen, über viele Dutzende Kilometer und mehrere Tage lang bis an die Grenze getrieben worden: ohne Wasser – man hat ihnen gesagt: "Wasser ist für das Vieh, nicht für die Menschen!" –, unter Kolbenschlägen und unter Erschießung aller Liegenbleibenden; es gab nichts zu essen und Vergewaltigungen überall dort, wo es sich nach Ansicht der Täter "ausgezahlt" hat.

Am schlechtesten haben das die Kinder überstanden. Sie mußten getragen werden, nicht nur die ganz kleinen, auch die etwas größeren, und sie waren zum Teil schon tot, als die Mütter mit den Kindern auf dem Arm die Grenze erreicht haben. An der Grenze haben dann österreichische provisorische Exekutivorgane den Vertriebenen zum Teil den Zutritt nach Österreich verweigert. Man hat gesagt: "Das sind deutschsprachige Tschechen, die haben in Österreich nichts verloren!" Man hat sie durch das Niemandsland wieder auf die tschechische Seite getrieben. Das ist mehrmals hin und her gegangen, mittlerweile waren nahezu alle kleinen Kinder verstorben. Die Mütter konnten sie gerade noch auf österreichisches Gebiet bringen, dort wurden unmittelbar neben den Grenzposten Massengräber ausgehoben, und die Kinder wurden ohne viel Formalitäten begraben. – Das sind die Kindergräber!

Ich empfehle Ihnen, Herr Haselsteiner, einmal an die Grenze zu fahren, sich zu erkundigen und sich ein paar Kindergräber dort oben anzuschauen! Dann wird Ihnen das Lachen und der Hohn vergehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich aber nicht auf das Drama, das sich damals in dieser Ecke Europas ereignet hat, beschränken, sondern ich möchte die Problematik der Menschenrechte und ihrer Verletzung ganz allgemein behandeln: Wenn es heute um Entschädigungen für Vorgänge, die sich in der damaligen Tschechoslowakei und dann später in der DDR ereignet haben, geht, dann bin ich zunächst dagegen, daß man sagt, daß dort irgend jemand sein Vermögen "verloren" hat.


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Denn das Vermögen ist nicht "verloren" worden, sondern das Vermögen ist weggenommen worden! Man verliert etwas, wenn man es fallenläßt und es einem nicht auffällt. Diesen Leuten wurde jedoch per Dekret und teilweise auch wirklich durch mit der Hand angelegte Gewalt etwas weggenommen!

Wir haben daher einen Entschließungsantrag eingebracht, von dem ich glaube, daß er sich sehr neutral und sehr objektiv mit den damaligen Vorgängen in allen möglichen Richtungen und auch an allen möglichen Orten auseinandersetzt. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß irgend jemand in diesem Haus diesem Entschließungsantrag nicht zustimmt.

Ich möchte daher diesen Antrag wörtlich noch einmal zur Gänze und eindringlich zur Verlesung bringen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ofner, Mag. Haupt und Dr. Graf betreffend Unteilbarkeit der Menschenrechte

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz !SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden, jedenfalls folgende Grundsätze zu berücksichtigen:

1. Die Menschenrechte sind unteilbar. Vor den Menschenrechten sind alle Menschen gleich.

2. Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft hinsichtlich einer Gruppe von Menschen, ohne daß eine persönliche Schuld jedes einzelnen Betroffenen auch nur behauptet würde, widerspricht den Menschenrechten.

3. Die Aussiedlung einer Gruppe von Menschen aus ihrer Heimat, ohne daß eine persönliche Schuld jedes einzelnen Betroffenen auch nur behauptet würde, widerspricht den Menschenrechten.

4. Die entschädigungslose Enteignung (Konfiskation) von Vermögen einer Gruppe von Menschen, ohne daß eine persönliche Schuld eines jedes einzelnen von ihnen auch nur behauptet würde, widerspricht den Menschenrechten.

5. Verletzungen der Menschenrechte verjähren nicht."

*****

Das ist ganz neutral, steht mit Lehre und Rechtsprechung in Einklang und nimmt auf keine örtlichen Gegebenheiten, personelle Zusammensetzungen et cetera Bezug. Diesem Entschließungsantrag kann wirklich jeder zustimmen. Ich bitte Sie darum, es zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Ofner vorgetragen hat, ordnungsgemäß unterfertigt ist und mit in Verhandlung steht.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. König. Er hat das Wort.

17.10

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sowohl das Entschädigungsgesetz gegenüber der !SSR als auch das Verteilungsgesetz gegenüber der DDR sind vernünftige Gesetze, weil damit denen, die


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geschädigt wurden, wenigstens die Möglichkeit gegeben wird, daß sie noch zu Lebzeiten – es handelt sich ja in der Regel um Leute, die schon sehr betagt sind – in den Genuß dessen kommen, was ihnen aufgrund dieser Gesetzen zukommen kann.

Es ist zweifelsohne richtig, daß man nicht zuwartet, denn je länger man zuwartet, desto mehr würde man die Möglichkeit vereiteln – das wäre beim DDR-Verteilungsgesetz der Fall –, daß die Menschen das Geld, das verfügbar ist, auch tatsächlich noch bekommen können.

Dahinter stehen – das haben Kollege Höchtl und auch Kollege Ofner in aller Dramatik bereits geschildert – die Ereignisse, die im Jahre 1945 zur Vertreibung von Millionen Menschen geführt haben, zur Folter, zum Tod und oft zu bestialischer Behandlung. Das erfordert zweifelsohne, daß man sich die Frage stellt: Wie stehen wir dazu? (Zwischenruf der Abg. Apfelbeck. ) Frau Kollegin Apfelbeck! Sie haben kritisiert, daß die Republik überhaupt Entschädigungsverträge mit der Tschechoslowakei geschlossen hat. Das haben alle damals getan! Alle Staaten haben das getan, weil in der Zeit des Kommunismus keine Hoffnung bestanden hat, sonst überhaupt etwas zu bekommen. Daher hat man gesagt: Wenigstens können wir auf diese Weise den Opfern einigermaßen helfen, wenngleich das – da haben Sie natürlich recht – in keinem Verhältnis zu dem steht, was die Menschen dort verloren haben, was ihnen genommen wurde. (Abg. Apfelbeck: Andere Staaten haben nachverhandelt! Dadurch haben die Eigentümer ihr Eigentum zurückbekommen!) Sie wissen aber auch, daß die Rückgabe von Eigentum auch bei der Wiedervereinigung der früheren DDR mit der Bundesrepublik auf große Schwierigkeiten stieß! (Abg. Dr. Graf: Man darf doch keine Schwierigkeiten scheuen!) Sie konnte in dieser Form nicht durchgeführt werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Lassen Sie mich nun zum eigentlichen, wesentlichen Thema kommen: Es ist hier von Kollegen Höchtl darauf hingewiesen worden, daß er seine Hoffnung in Menschen wie den Präsidenten Havel setzt, der – er hat ihn zitiert – nach der Wende, nach dem Übergang der Tschechoslowakei zur Demokratie erklärt hat, daß Schluß sein muß mit der Lüge und dem Verschweigen. Das wurde damals in der Aufbruchstimmung eines demokratischen Staates gesagt, und übrigens hat auch der sozialistische Außenminister der damaligen Regierung Dienstbier ähnliche Worte gefunden. Warum, so fragt man sich, ist es so schwierig gewesen, in den Verhandlungen zwischen Deutschland und Tschechien auch nur annähernd einen solchen Text zu finden, mit dem diese Ereignisse in so klaren Worten verurteilt werden? (Abg. Dr. Graf: Warum haben Sie nicht mitverhandelt?)

Warum ist es Deutschland und Tschechien so schwergefallen, einen gemeinsamen Text zu finden? – Weil sich in der Zwischenzeit unter der demokratischen Regierung die frühere kommunistische, dann sozialistische Opposition dieses Themas nationalistisch bemächtigt hat! (Abg. Dr. Ofner: Václav Klaus war auch nicht ohne!) Václav Klaus war nicht mehr in der Lage, das angesichts der Renationalisierung und des Aufpeitschens der Menschen mit nationalistischen Ideen durchzusetzen.

Das heißt, daß das jetzige Tschechien – und um dieses handelt es sich ja bei diesem Bemühen Deutschlands und Tschechiens, zu gemeinsamen Texten zu kommen – nur ein Minimum im Parlament durchbringen konnte, und zwar auch meiner Meinung nach zuwenig. Ich bin nämlich auch der Auffassung, daß es einer klaren Erklärung Tschechiens bedürfte, denn derartige Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen Leute, die sich keinerlei persönliche Schuld zukommen lassen haben, können nicht einfach ad acta gelegt werden. Selbst die EU sieht vor, daß bei Beitrittsländern als Kriterien erstens die Rechtsstaatlichkeit, zweitens die Demokratie und drittens das Vorhandensein geeigneter Institutionen vorgesehen sind. Das gilt auch für den Widerruf der Beneš-Dekrete. Darüber sind wir uns einig. Es ist jedoch eines, das anzumahnen und zu fordern, aber etwas anderes, eine Regierung zu kritisieren, daß sie das angesichts der Verhältnisse, wie sie derzeit in Tschechien herrschen, nicht erreichen kann!

Herr Dr. Graf! Nun möchte ich Sie in Anbetracht der zwei Anträge, die Sie hier mit der Bitte um Unterstützung eingebracht haben, folgendes fragen: Warum haben Sie diese Anträge, die ich persönlich mit viel Sympathie sehe, nicht im Ausschuß eingebracht? Dort hätte man die Möglichkeit gehabt, diese zu behandeln und auch Rücksprache mit der Regierung zu halten. Die


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Regierungsparteien sind überfordert, wenn sie im Plenum plötzlich erst mit Anträgen konfrontiert werden, die man füglich im Ausschuß hätte stellen können. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Ich will aber nicht sagen, daß das das Ende bedeuten muß. Ich will nur sagen, daß man zu diesem Zeitpunkt nicht erwarten kann, daß man etwas, was man im Ausschuß ernsthaft hätte diskutieren können, jetzt beschließen kann. (Abg. Dr. Graf: Dann machen wir nächste Woche eine Novelle!)

Lassen Sie mich bitte noch etwas sagen: Sorgen wir jetzt einmal dafür, daß jetzt die Frist nicht wieder verlängert wird! (Abg. Dr. Graf: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!) Sie wollten die Frist auf Ende nächsten Jahres verlängern. Sorgen wir jetzt dafür, daß die Menschen das Geld tatsächlich einmal bekommen! Zweitens soll das, was dann übrigbleibt, dazu beitragen, Härtefälle zu lösen.

Zur Frage der Vertriebenenverbände möchte ich Ihnen sagen: Wir haben mit dem Koalitionspartner schon begonnen, als ich noch Klubobmann war, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß aus den Mitteln der Republik ein eigenes Haus für diese Verbände finanziert wird. (Abg. Dr. Graf: Wenn Sie die Härtefälle zu spät lösen, leben die Menschen nicht mehr!) Man kann also nicht sagen, daß es keine Bereitschaft beider Regierungsparteien gegeben hätte, tatsächlich mehr zu tun, als nur Erklärungen abzugeben. Es wurden eindeutige Signale gesetzt! (Beifall bei der ÖVP. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )

Darum muß man das jetzt nicht verlängern, sondern darauf achten, daß die Leute zu ihrem Geld kommen. Denn wenn man jetzt die Anspruchsvoraussetzungen verlängert, dann kommen die Leute, die längst schon ihre Ansprüche nachgewiesen haben, auch nicht zu ihrem Geld!

Im übrigen meine ich, daß diese Debatte eine gute Debatte war. In dieser Debatte wurde das für uns alle, wie ich annehme, eindeutige Bekenntnis zur Wahrung der Menschenrechte und zur Verurteilung von Unrecht – gleichgültig, wo und wann es geschehen ist, denn man kann Verbrechen nicht aufrechnen – abgegeben. Das ist, glaube ich, das Positive an dieser Debatte. Ich meine, wir sollten anläßlich der Beschlußfassung eines Gesetzes, mit dem versucht wird, jetzt den Opfern noch einiges von dem zu geben, was vorhanden ist und was rasch verteilt werden soll, betreffend diese grundsätzlichen Fragen weiterhin eine offene und auch gemeinsame Haltung vertreten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mühlbachler. – Bitte.

17.20

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diese Debatte mit großem Interesse verfolgt und möchte zu einigen Ausführungen nunmehr kurz Stellung nehmen.

Frau Kollegin Apfelbeck! Ich glaube, es ist unehrlich, wenn man bei den Heimatvertriebenen die Illusion zu wecken versucht, daß es eine Restitution des Besitzstandes geben könnte. Das kann man ganz sicher nicht mehr schaffen, Frau Kollegin Apfelbeck! (Zwischenruf der Abg. Apfelbeck. )

Nun zu den Anträgen von Herrn Dr. Graf und Herrn Dr. Ofner. Diese sind der Sache nach gut, erlauben Sie mir dennoch zwei Feststellungen dazu: Erstens glaube ich, daß diese Anträge nicht zu diesem Kapitel passen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Zweitens meine ich aber auch, daß hier im Parlament eine breite Basis für jenen Antrag, den Sie jetzt gestellt haben, gesucht werden sollte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Ich glaube, es geht nicht nur um die Sudetendeutschen, sondern es geht auch um die Donauschwaben, um die Siebenbürger, um die Karpartendeutschen, also schlechthin um alle Volksdeutschen, die vertrieben worden sind. Ich glaube, wir könnten mit selbständigen Anträgen deren Anliegen wirklich ernsthaft nachkommen.

Sie wissen genau, daß es diesen ein ganz großes Anliegen ist, die Geschichtsschreibung richtigzustellen. All diese Gruppierungen hatten wirklich das große Pech, daß sie von Adolf Hitler


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von den Repressalien, die sie in den Staaten, in denen sie lebten, erlebt hatten – ich sage das jetzt ausdrücklich unter Anführungszeichen –, "befreit" wurden. Damit wurde ihnen das Schicksal zuteil, daß sie fast allesamt als nationalsozialistisch-faschistisch abgestempelt wurden. Von diesem Stigma wollen sie befreit werden, und ich glaube, wir haben eine Gelegenheit dazu. Dr. Graf war auch mit dabei im "Haus der Heimat": Sie sind interessiert daran, die großen Sammlungen von Dokumentationsmaterial wissenschaftlich aufzuarbeiten, und wir sollten ihnen nunmehr die finanzielle Möglichkeit dazu geben.

Ich biete Ihnen an: Bringen wir gemeinsam – damit meine ich alle hier im Parlament vertretenen Parteien – Entschließungsanträge ein, die auf der einen Seite den Inhalt des Antrages von Dr. Ofner zum Gegenstand haben und auf der anderen Seite finanzielle Absicherung für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Dokumente, die im "Haus der Heimat" gelagert sind, ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir also heute Ihrem Antrag, Herr Dr. Graf und Herr Dr. Ofner, nicht zustimmen, dann nicht deswegen, weil wir glauben, daß Ihre Anliegen schlecht sind, sondern weil wir einen weiteren Bogen spannen und diesen Bogen in einem Ausschuß auch dementsprechend behandeln wollen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

17.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Er hat das Wort.

17.25

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere Herr Kollege Ofner und Herr Höchtl! Ein Zwischenruf, den ich hier geäußert habe, wurde hier falsch interpretiert. Es war nicht meine Absicht, diese Vorlage in irgendeiner Form lächerlich zu machen; ich habe mich auf etwas anderes bezogen. Es tut mir leid, daß dieses Mißverständnis zustande gekommen ist! – Das zum ersten.

Zum zweiten: Sie haben einen Entschließungsantrag formuliert, Herr Abgeordneter Ofner, dem wir nicht zustimmen werden, und ich möchte Ihnen erläutern, warum. (Abg. Dr. Ofner: Er ist von mir, deswegen kann man nicht zustimmen!)

Von der Intention her ist er selbstverständlich anzuerkennen. Ich sage Ihnen aber jetzt genau, warum wir nicht zustimmen. Im Punkt 3 dieses Antrages sagen Sie: "Die Aussiedlung eine Gruppe von Menschen aus ihrer Heimat, ohne daß eine persönliche Schuld jedes einzelnen auch nur behauptet würde, widerspricht den Menschenrechten." – Meine Frage dazu: Was wäre, wenn eine persönliche Schuld sehr wohl vorhanden wäre? Wäre dann die Aussiedlung in Ordnung? Das ist die Frage, Herr Dr. Ofner. Unserer Meinung nach ist eine Aussiedlung in keinem Fall in Ordnung, auch dann nicht, wenn eine menschliche, persönliche Schuld vorliegt. (Abg. Dr. Khol: Niemals!) Das mag der Unterschied zwischen einer freiheitlichen und einer liberalen Position sein. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Zweite Wortmeldung.

17.26

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgeordnetem Haselsteiner antworte ich gar nicht mehr, denn er hat das Ziel der Klasse offenbar nicht erreicht. Er weiß nicht, worum es geht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abgeordnetem Mühlbachler antworte ich hingegen, weil ich sagen muß, daß ich, obwohl ich ihn sonst sehr schätze, seiner Haltung, die er heute hier an den Tag gelegt hat, einfach kein Verständnis entgegenbringen kann. Ich habe mich bemüht, den Antrag sehr vorsichtig und sehr neutral zustandezubringen, in dem Menschenrechtsverletzungen, egal, wann, wo und von wem an wem sie begangen werden, als Menschenrechtsverletzungen bezeichnet werden und erklärt


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wird, daß diese Menschenrechtsverletzungen nicht verjähren können. Ich habe das nicht allein auf Sudentendeutsche, überhaupt nicht auf Altösterreicher deutscher Zunge, nicht einmal auf Europäer bezogen. Das Aberkennen der Staatsbürgerschaft, das Verjagen aus der Heimat, das Konfiszieren des Eigentums ist überall eine Menschenrechtsverletzung: in Asien, in Afrika, in Amerika, in Australien – auch wenn es weit weg liegt – und in Europa.

Was soll dagegen sprechen, daß ein vorsichtig formulierter Antrag, der eineinhalb Stunden vorher den zuständigen Sprechern der Parteien in die Hand gedrückt wurde, Zustimmung findet? – Nur die Tatsache, daß er von Harald Ofner kommt! Viel Verständnis habe ich dafür nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort.

17.28

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ofner! Es ist mir ein besonderes persönliches Anliegen, hier folgendes festzustellen: Wir haben Ihren Antrag frühzeitig bekommen, haben ihn studiert und haben erkannt – wie mein Kollege Haselsteiner bereits ausgeführt hat –, daß von der grundsätzlichen Idee her einiges in diesem Antrag steckt. Einiges darin ist recht diskussionswürdig und geht mir tatsächlich – erlauben Sie mir, das festzustellen – aus einer gewissen starken persönlichen Betroffenheit auch mir wirklich sehr nahe!

Aber die Schlußfolgerung im Punkt 3 und der notwendigerweise zu ziehende Umkehrschluß lassen eine Zustimmung tatsächlich nicht zu, denn die Aussiedlung von Menschen, aus welchem Grund auch immer, ist menschenrechtswidrig. Schuldzuweisungen lassen sich leicht aufstellen.

Ich will jetzt nicht spitzfindig sein, aber zur Formulierung "ohne daß eine persönliche Schuld jedes einzelnen auch nur behauptet würde" muß ich die Frage stellen: Was wäre, wenn eine nicht vorhandene Schuld behauptet würde? Ist es dann nicht ... (Abg. Dr. Graf: Nicht einmal behauptet!) Nicht einmal behauptet: Natürlich ist das ein besonders schwerwiegender und unverschämter Rechtsbruch. Aber so, wie es hier steht, ist der Umkehrschluß zu ziehen, daß es, wenn dieser Rechtsbruch nicht vorläge, menschenrechtskonform wäre. Das festzustellen, ist mir wirklich wichtig. Es geht mir nicht um die Namen der Antragsteller, sondern in diesem Fall genau um den genannten Aspekt.

Daher komme ich zum Schlußsatz. Herr Kollege Graf – ich sage das jetzt anstelle einer tatsächlichen Berichtigung –, Sie haben mir von diesem Rednerpult aus unterstellt, ich hätte erklärt, Liberalismus und Marxismus seien unverwechselbare Zwillinge. Diese Aussage ist unrichtig und überdies auch sachlich so falsch, daß sie meine intellektuelle Redlichkeit kränkt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Zweite Wortmeldung. – Bitte.

17.30

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Barmüller: Herr Abgeordneter Graf! Anständig bleiben! Nichts Falsches sagen! Anständig bleiben!) Ich brauche keine guten Tips von Ihnen. (Abg. Dr. Haselsteiner: O ja, Sie können immer gute Ratschläge brauchen!) Möglicherweise, ja. (Abg. Mag. Trattner: Blas dich nicht immer so auf, Haselsteiner!)

Herr Kollege Haselsteiner! Sie haben eine Äußerung in Zwischenrufform gemacht, die blanken Hohn und Zynismus darstellt. Sie haben hier versucht, das abzuschwächen. Das ändert aber nichts daran, daß Sie das gemacht haben, daß Sie der Vertreibung von 3,5 Millionen Menschen hier in Mitteleuropa mit blankem Zynismus begegnet sind. Das muß Ihnen einmal gesagt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.) So ist es nämlich! Und das habe nicht nur ich, sondern


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das das hat die ganze Corona hier gehört. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist ungeheuerlich, das zu unterstellen!) Sie werden es schon wissen. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist unverschämt!)

Kollege Kier, Sie müssen sich eben auch merken, welche Reden Sie halten. Diese Rede haben Sie gehalten, und das ist nur ein wörtliches Zitat aus einer Ihrer Reden gewesen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Barmüller: Und wo? Belegstelle!)

17.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile jetzt noch Herrn Abgeordneten Mag. Stadler das Wort zu einer tatsächlichen Berichtigung.  – Bitte.

17.31

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Abgeordneter Kier hat hier tatsachenwidrig behauptet, er hätte nie die Behauptung aufgestellt, daß Liberalismus und Marxismus unverwechselbare Zwillinge sind.

Ich berichtige tatsächlich: Abgeordneter Kier hat am 18. Mai 1975 anläßlich des Burschentages 1975 als Festredner eine Rede gehalten (ironische "Oh"-Rufe bei den Freiheitlichen) und stellte in dieser Rede wortwörtlich fest – ich zitiere –: "Der Marxismus ist ein unverwechselbarer Zwillingsbruder des Liberalismus", dem sich Abgeordneter Kier jetzt verbunden fühlt, meine Damen und Herren! (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen.)

17.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wortmeldungen liegen keine mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlußwort? – Dies ist nicht der Fall. (Unruhe im Saal.)

Wir gelangen zur Abstimmung, und ich ersuche um ein Minimum an Aufmerksamkeit.

Es wird über jeden Ausschußantrag getrennt abgestimmt werden.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz 1956 geändert wird, samt Titel und Eingang in 861 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung einstimmig beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, daß die Vorlage auch in dritter Lesung einstimmig beschlossen ist.

Als nächstes stimmen wir ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz !SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert wird, samt Titel und Eingang in 846 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen einen Abänderungs- sowie einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den Zusatzantrag, dann über den Abänderungsantrag beziehungsweise dem von diesen Antrag betroffenen Teil des Gesetzes und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage abstimmen lassen.

Zur Abstimmung steht also der Antrag des Abgeordneten Dr. Graf betreffend Zusatz zu § 36 Abs. 1, und ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag Dr. Graf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.


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Weiters haben die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I § 42a Abs. 7 eingebracht.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen ersuchen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Im Falle der Zustimmung zu diesem Teil des Gesetzes in der Fassung der Regierungsvorlage ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Dieser Teil der Abstimmung erfolgt gleichfalls mit Mehrheit.

Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Ich stelle fest, daß das Gesetz in dritter Lesung einstimmig angenommen ist.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ofner, Mag. Haupt und Genossen betreffend die Unteilbarkeit der Menschenrechte.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Dr. Ofner, Mag. Haupt eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages samt Vorbehalten der Republik Österreich in 847 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle der Zustimmung darf ich um ein diesbezügliches Zeichen ersuchen. – Das ist einstimmig beschlossen.

Damit haben wir diese Punkte der Tagesordnung erledigt, und ich danke dem Herrn Finanzminister.

12. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes Linz (24 EVr 1370/97, 24 EHv 95/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Kurt Gaßner (884 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wortmeldungen sind zumindest am Computer keine erkennbar; es liegen also keine vor.

Das heißt, wir kommen gleich zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses, folgendes zu beschließen:

1. In Behandlung des Ersuchens ... (Abg. Mag. Stadler – auf den sich in den Reihen der Freiheitlichen befindlichen Abgeordneten Mag. Barmüller weisend –: Herr Präsident! Wir haben schon wieder Zuwachs erhalten! Da tritt schon wieder einer über!) Kollege, ich bitte, diese


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Aufklärung nach Schluß der Abstimmungen in Angriff zu nehmen. (Abg. Mag. Barmüller: Ich krieg’ das leider nicht! – Abg. Scheibner: Die Wahrheit tut weh!)

Ich darf daher wiederholen: Es ist auf Antrag des Immunitätsausschusses folgendes zu beschließen:

1. In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes Linz vom 28. Juli 1997 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner wird im Sinne des Artikels 57 Abs. 3 der Bundesverfassung festgestellt, daß ein Zusammenhang zwischen der von den Privatanklägern behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten Kurt Gaßner besteht.

2. Einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Mag. Gaßner wird zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem aus zwei Punkten bestehenden Antrag des Immunitätsausschusses anschließen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit sehr großer Mehrheit so beschlossen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zum Aufruf des Antrages der Abgeordneten Dr. Schmidt und Mag. Kammerlander auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Prüfung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahmen durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Kurden-Morden.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Der Nationalrat wolle beschließen:

‘Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigen, die trotz Vorliegens eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, ist zu prüfen.’

Der Untersuchungsausschuß besteht aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abhaltung einer Debatte wurde nicht beantragt.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über diesen Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt und Mag. Kammerlander auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.


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Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung – der gleich noch zwei weitere kurze Sitzungen folgen werden; damit diesbezüglich keine Mißverständnisse bestehen – die Selbständigen Anträge 604/A bis 618/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3108/J bis 3126/J eingelangt.

Schließlich sind Anfragen an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen betreffen wird, berufe ich in unmittelbarem Anschluß an diese Sitzung ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 17.40 Uhr