Stenographisches Protokoll

120. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 13. Mai 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

120. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 13. Mai 1998

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 13. Mai 1998: 9.02 – 20.15 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärungen Österreichs

2. Punkt: Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren

3. Punkt: Bericht über den Antrag 619/A (E) der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend diplomatische Schritte gegenüber der Republik Malta zwecks Eindämmung der Jagd auf Zugvögel

4. Punkt: Bericht über den Antrag 672/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Beitritt Österreichs zur Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention)

5. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen

6. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes

7. Punkt: Bericht über den Antrag 544/A (E) der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in Europa

8. Punkt: Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946

9. Punkt: Bericht über den Antrag 673/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend umfassenden Schutz für Wale

10. Punkt: Zusatzabkommen zu dem in Paris am 2. September 1949 unterzeichneten Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, abgeschlossen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Europarat betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel


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120. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates

12. Punkt: Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich

13. Punkt: Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärungen; Protokoll vom 13. Okto-
ber 1995 über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung

14. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Inneres zum Abschluß der Ermittlungen durch die Sicherheitsbehörden zur Aufklärung der Bomben- und Briefbombenanschläge der letzten Jahre

15. Punkt: Budgetbegleitgesetz 1998

16. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (BFG-Novelle 1998)

18. Punkt: Budgetüberschreitungsgesetz 1998 – BÜG 1998

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 9

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder betreffend die unentschuldigte Abwesenheit des Abgeordneten Peter Rosenstingl 159

Geschäftsbehandlung

Antrag des Abgeordneten Andreas Wabl auf Absetzung des 1. Punktes von der Tagesordnung gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung und Durchführung einer Debatte hierüber – Ablehnung 9, 9


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120. Sitzung / Seite 3

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler betreffend den Antrag des Abgeordneten Andreas Wabl 9

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol betreffend Mandatsverzicht der Abgeordneten Hermann Mentil und Ing. Mag. Erich L. Schreiner 10

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol 10

 

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler betreffend Verzichtserklärung der Abgeordneten Hermann Mentil und Ing. Mag. Erich L. Schreiner 10

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 11

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend den von Abgeordnetem Mag. Dr. Josef Höchtl verlesenen Entschließungsantrag 48

Wortmeldungen betreffend die Zulässigkeit der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006 sowie die Ordnungsgemäßheit von dessen Einbringung:

Dr. Peter Kostelka 154, 154, 155, 156

Dr. Jörg Haider 155, 156

Dr. Andreas Khol 155

Mag. Terezija Stoisits 156

Feststellungen des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder betreffend die Zulässigkeit der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen sowie die Ordnungsgemäßheit von dessen Einbringung 154, 155, 157

Unterbrechungen der Sitzung 155, 157

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 157

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (943 und Zu 943 d. B.): Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärungen Österreichs (1170 d. B.) 11

Redner:

Wolfgang Jung 11

Dr. Michael Spindelegger 14

Mag. Doris Kammerlander 16

Peter Schieder 18

Herbert Scheibner 20

Hans Helmut Moser 22

Andreas Wabl 24

Dr. Karl Maitz 27

Dr. Alfred Gusenbauer 28

Dr. Alois Mock 30

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 31

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 3


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120. Sitzung / Seite 4

3

Genehmigung des Staatsvertrages in 1170 d. B. 34

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (907 d. B.): Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren (1171 d. B.) 34

 

3. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 619/A (E) der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend diplomatische Schritte gegenüber der Republik Malta zwecks Eindämmung der Jagd auf Zugvögel (1172 d. B.) 34

4. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 672/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Beitritt Österreichs zur Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention) (1173 d. B.) 34

Redner:

Dr. Stefan Salzl 35

Maria Rauch-Kallat 36

Mag. Dr. Udo Grollitsch 37

Ludmilla Parfuss 39

Dr. Gerhard Kurzmann 40

Dr. Martina Gredler 41

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 42

Ing. Monika Langthaler 43

Genehmigung des Staatsvertrages in 1171 d. B. 44

Beschlußfassung im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG 44

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1172 d. B. 44

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1173 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Beitritt zur Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (E 118) 44

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1042 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen (1174 d. B.) 44

6. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1087 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informa-
tionen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes (1175 d. B.) 44

7. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 544/A (E) der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in Europa (1176 d. B.) 44

Redner:

Dr. Gabriela Moser 45

Mag. Dr. Josef Höchtl 47

Otmar Brix 49

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 50

Dr. Martina Gredler 50

Wolfgang Jung 52

Hans Helmut Moser 53

Inge Jäger 54

 


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120. Sitzung / Seite 5

Genehmigung der Staatsverträge in 1174 und 1175 d. B. 55

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1176 d. B. 56

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Aktionsplan zur Nichtinbetriebnahme des KKW Mochovce – Ablehnung 46, 55

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl, Otmar Brix, Mag. Karl Schweitzer, Hans Helmut Moser, Andreas Wabl und Genossen betreffend Atomversuche Indiens – Annahme (E 119) 54, 55

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Atomwaffenstationierung in Mittel- und Osteuropa – Ablehnung 54, 56


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120. Sitzung / Seite 6

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1084 d. B.): Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946 (1177 d. B.) 56

9. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 673/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend umfassenden Schutz für Wale (1178 d. B.) 56

Redner:

Dr. Stefan Salzl 56

Inge Jäger 57

Dr. Martina Gredler 58

Genehmigung des Staatsvertrages in 1177 d. B. 59

Beschlußfassung im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG 59

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1178 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend umfassenden Schutz für Wale (E 120) 59

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1085 d. B.): Zusatzabkommen zu dem in Paris am 2. Septem-
ber 1949 unterzeichneten Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, abgeschlossen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Europarat betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel (1179 d. B.) 59

11. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1098 d. B.): 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates (1180 d. B.) 60

Redner:

Herbert Scheibner 60

Dr. Walter Schwimmer 61

Dr. Helga Konrad 62

Dr. Martina Gredler 63

Genehmigung der Staatsverträge in 1179 und 1180 d. B. 64

 

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1088 d. B.): Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich (1181 d. B.) 64

13. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1107 d. B.): Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärungen; Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu dem Übereinkommen vom 10. Okto-
ber 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung (1182 d. B.) 64

Redner:

Dr. Michael Spindelegger 64

Dr. Irmtraut Karlsson 66

Wolfgang Jung 67

Hans Helmut Moser 68

Dr. Karl Maitz (tatsächliche Berichtigung) 69

Werner Amon 69

Dr. Willi Fuhrmann 71

Herbert Scheibner 72

Mag. Dr. Josef Höchtl 72

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 73

Genehmigung der Staatsverträge in 1181 und 1182 d. B. 75

Beschlußfassungen im Sinne des Art. 49 Abs. 2 B-VG 75

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Ausstattung des österreichischen Bundesheeres zur Unterstützung bei der Räumung von Minen – Ablehnung 67, 75

14. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Inneres zum Abschluß der Ermittlungen durch die Sicherheitsbehörden zur Aufklärung der Bomben- und Briefbombenanschläge der letzten Jahre 76

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 76

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 76

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 82

Anton Leikam 85

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 88

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 88

Hans Helmut Moser 89

Paul Kiss 92

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 93

Ludmilla Parfuss 96

Dr. Helene Partik-Pablé 97

Günther Platter 99


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120. Sitzung / Seite 7

Dr. Volker Kier 100

Dr. Johannes Jarolim 102

Mag. Terezija Stoisits 104

Franz Lafer 106

Dr. Peter Kostelka 107

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 108

Mag. Karl Schweitzer 110

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1099 und Zu 1099 d. B.): Budgetbegleitgesetz 1998 (1161 d. B.) 111

16. Punkt: Bericht und Antrag des Budgetausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (1162 d. B.) 111

Redner:

Hermann Böhacker 111

Dr. Ilse Mertel 113

Mag. Helmut Peter 115

Maria Rauch-Kallat 118

Karl Öllinger 119

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 123

Doris Bures 126

Edith Haller 127

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 129

Klara Motter 130

Karl Gerfried Müller 132

Elfriede Madl 133

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 134

Bundesminister Rudolf Edlinger 135

Reinhart Gaugg 138

Gabriele Binder 139

Mag. Dr. Josef Höchtl 140

DDr. Erwin Niederwieser 141

Jakob Auer 141

Mag. Franz Steindl 142

Dr. Sonja Moser 142

Johann Kurzbauer 143

Rosemarie Bauer 144

Matthias Ellmauer 145

Hermann Kröll 146

Annahme der Gesetzentwürfe in 1161 und 1162 d. B. 147

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1096 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (BFG-Novelle 1998) (1163 d. B.) 148

18. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1097 d. B.): Budgetüberschreitungsgesetz 1998 – BÜG 1998 (1164 d. B.) 148

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 148

Robert Sigl 150

Mag. Terezija Stoisits 151


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120. Sitzung / Seite 8

Willi Sauer 152

Reinhart Gaugg 152

Annahme der Gesetzentwürfe in 1163 und 1164 d. B. 153

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen betreffend Bildung einer Rücklage aus den Mehreinnahmen der OeNB – Ablehnung 149, 154

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006 – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 153, 154

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 9

1154: Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Klara Motter und Genossen betreffend Änderung des Ärztegesetzes 1984 (770/A)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend die Dringlichkeit der Sicherstellung der Finanzierung der Einhausung der A 7, Mühlkreis Autobahn, im Bereich Bindermichl und Spallerhof (771/A) (E)

Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend Neugestaltung des Universitätswesens in Österreich (772/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rundfunkgesetz, BGBl.Nr. 379/1984, idF BGBl.Nr. 100/1997, geändert wird (773/A)

Anfragen der Abgeordneten

Matthias Ellmauer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Zinsbelastung des Bundes (4405/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Mag. Gerhard Praschaks Selbstmord und die Politikerliste (4406/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Präsidenten des Rechnungshofes betreffend Objekt City Point Andrä – Salzburg (4407/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Befangenheit nach AVG und Unabhängigkeit des UVS (4408/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend LKW-Verwiegung durch automatische Kontrollpunkte (4409/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Höhe der Ministerpensionen (4410/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Strukturmaßnahmen im öffentlichen Dienst (4411/J)

*****

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend die Höhe der Abgeordnetenpensionen (30/JPR)


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120. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 120. Sitzung des Nationalrates und begrüße Sie alle sehr herzlich.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer, Dr. Hlavac, Mentil und Mag. Schreiner.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (1154 der Beilagen), eingelangt ist.

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Wabl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.03

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Tagesordnungspunkt 1 behandelt das NATO-SOFA-Abkommen. Der erste Vorbehalt Österreichs betreffend das NATO-SOFA-Abkommen bezieht sich auf einen Artikel VII betreffend die Gerichtsbarkeit über hierher entsendete Truppen. Darüber hinaus handelt es sich beim letzten Absatz um den Vorbehalt gegenüber der Todesstrafe, der in eben dem bezeichneten Artikel VII angeblich verankert ist.

Wir haben allerdings bei genauem Studium dieses Vertragswerks erkennen müssen, daß man sich auf einen Artikel bezieht, der in diesem Abkommen gar nicht vorhanden ist, sondern in einem Truppenstatut der NATO, das ein anderes Vertragswerk ist.

Ich ersuche deshalb um Absetzung dieses Tagesordnungspunktes und um Durchführung einer Debatte zu diesem Punkt.

9.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Sie haben den Vorschlag gehört: Es liegt der Antrag vor, nach § 49 Abs. 5 Punkt 1 von der Tagesordnung abzusetzen – darüber wird abzustimmen sein – und über diesen Antrag eine Debatte durchzuführen. (Abg. Schieder: Keine Debatte!)

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Stadler. – Bitte.

9.04

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Wir haben schon im Ausschuß, wie der Herr Bundesminister sicher bestätigen wird, auf die mehrfachen Mängel dieses Abkommens hingewiesen, und zwar durch profunde Argumentation unseres Kollegen Jung. Ich freue mich, daß heute auch die Grünen diese Auffassung teilen. Wir sind ebenfalls dafür, daß dieser Tagesordnungspunkt abgesetzt wird.

9.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Gut, dann folgen jetzt zwei Abstimmungen.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung darüber, ob dem Antrag des Abgeordneten Wabl gefolgt wird, zum Thema Absetzung des Punktes 1 der Tagesordnung eine Debatte durchzuführen.

 


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120. Sitzung / Seite 10

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Durchführung einer Debatte stimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Damit ist der Antrag auf Debatte abgelehnt.

Wir stimmen somit sogleich über den Antrag selbst ab.

Über diesen Antrag ist nur dann positiv abgestimmt, wenn dies mit Zweidrittelmehrheit erfolgt, wie aus § 49 Abs. 5 hervorgeht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, daß Punkt 1 von der Tagesordnung der heutigen Sitzung abgesetzt wird, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

*****

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Khol.

9.05

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Zu den von Ihnen verlesenen Entschuldigungen: Erstens ist der Herr Abgeordnete der FPÖ Rosenstingl nicht entschuldigt. Ich möchte das feststellen.

Zweitens wurde gestern in der Plenarsitzung vom Abgeordneten Mentil und vom Abgeordneten Schreiner mitgeteilt, daß sie auf ihr Mandat verzichten. Sie haben sie aber als "verhindert" gemeldet. Ich bitte um Klarstellung: Haben sie ihr Mandat zurückgelegt, ja oder nein?

9.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Was den ersten Punkt betrifft, wird der Präsident, der am Ende der Sitzung den Vorsitz führt, feststellen, ob Abgeordneter Rosenstingl tatsächlich an der heutigen Sitzung nicht teilgenommen hat. Momentan kann ich nur die Namen jener verlesen, die als verhindert gemeldet sind; da steht Abgeordneter Rosenstingl nicht dabei. Aber rein denkmöglich wäre ja, daß er in zwei Stunden "aufkreuzt" (lebhafte Heiterkeit), und daher werden die Feststellungen, daß er nicht anwesend war, so wie gestern auch heute und bei allen künftigen Sitzungen am Ende der Sitzung getroffen werden. Ich kündige das auch für die künftigen Sitzungen an.

Zweitens: Die Abgeordneten Mentil und Schreiner haben gestern angekündigt, sie werden auf ihr Mandat verzichten. Wirksam wird dieser Verzicht dann, wenn die diesbezügliche Mitteilung der Bundeswahlbehörde in der Parlamentsdirektion einlangt. Dies ist bis jetzt nicht der Fall, daher sind sie bis zur Stunde rechtlich gesehen Mitglieder des Nationalrates, und es ist eine Entschuldigung entgegenzunehmen und allen zur Kenntnis zu bringen.

Sie haben auch alle anderen Rechte und Pflichten als Abgeordnete, solange diese Mitteilung über das Einlangen einer Verzichtserklärung von der Bundeswahlbehörde nicht hier im Hause eingelangt ist.

Noch einmal zur Geschäftsbehandlung. Herr Abgeordneter Stadler. – Bitte.

9.07

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich darf namens meiner Fraktion mitteilen, daß die Verzichtserklärungen der beiden Abgeordneten meines Klubs, Mentil und Schreiner, bereits unterfertigt sind und der Bundeswahlbehörde übermittelt wurden. Ich habe es natürlich nicht in der Hand, wann die Bundeswahlbehörde dem Präsidium des Nationalrates darüber Mitteilung erstattet. Daher haben wir vorsorglich bis zu diesem Zeitpunkt auch die Entschuldigungen bei Ihnen eingebracht.

9.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich glaube, der rechtliche Ablauf ist klar. Sobald diese Mitteilung hier im Hause einlangt, werden auch die entsprechenden Veranlassungen getroffen.


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120. Sitzung / Seite 11

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle jetzt noch einmal fest, daß die Tagesordnung für die heutige Sitzung unverändert bleibt.

Hingegen ist vorgeschlagen, im Zuge der heutigen Sitzung die Debatte über die Punkte 2 bis 4, 5 bis 7, 8 und 9, 10 und 11, 12 und 13, 15 und 16 sowie 17 und 18 jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Dies ist nicht der Fall. Damit ist das so genehmigt.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Für die Tagesordnungspunkte 1 bis 13 wurde eine Blockredezeit von 4 "Wiener Stunden" vereinbart. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: SPÖ 60 Minuten, ÖVP 56, Freiheitliche 52, Liberales Forum und Grüne je 36 Minuten.

Für die restliche Tagesordnung wurden weitere 5 "Wiener Stunden" vereinbart, woraus sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 75 Minuten, ÖVP 70, Freiheitliche 65, Liberales Forum und Grüne je 45 Minuten.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall.

Damit hat der Nationalrat diesem Vorschlag zugestimmt.

1. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (943 und Zu 943 der Beilagen): Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärungen Österreichs (1170 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt nicht vor. Daher gehen wir sogleich in die Verhandlungen ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Seine Redezeit beträgt freiwillig 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.11

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! In der heutigen Tagesordnung befindet sich ganz versteckt und klein ein unprominenter Punkt, der für dieses Haus eine wesentliche Entscheidung bedeutet, wenngleich vor allem die Sozialistische Partei das ganz gerne vor ihren Abgeordneten verstecken würde. Das hat sich auch im Ausschuß gezeigt, als man alle weggeschickt hat, besonders Frau Kollegin Karlsson und andere, die vielleicht etwas gefährdet wären, von der Parteilinie abzuweichen. Nichsdestoweniger ist dieser Punkt für Österreich besonders wichtig.

Es handelt sich offiziell um ein Abkommen, das regeln soll, wie ausländische Truppen, die in Österreich im Zuge der "Partnerschaft für den Frieden" zu Übungen kommen, zu agieren haben, was ihren Rechtsstatus angeht.

Wir Freiheitlichen sind für den NATO-Beitritt, das haben wir oft genug bekannt. Wir haben die ÖVP mehrfach dazu aufgefordert, mit uns gemeinsam Stellungnahmen, Resolutionen zu verfassen. Die letzte gab es im Bundesrat, wo die ÖVP damals ihren eigenen Minister im Regen stehen gelassen hat.


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Soweit die Glaubwürdigkeit der ÖVP in diesem Bereich – weil Sie uns immer vorwerfen, wir wären hier auf dem Rückzug. Wir sind nicht auf dem Rückzug, meine Damen und Herren von der ÖVP, sondern wir wollen eine rechtsstaatliche Regelung. Man soll uns hier nicht vorspiegeln, daß es um ein Abkommen geht, das Übungen regelt, wenn dieses Abkommen in Wirklichkeit ein Stationierungsabkommen ist. Wir wollen den NATO-Beitritt, wir wollen ihn aber nicht durch die Hintertür und nicht vorbei an der öffentlichen Diskussion (Beifall bei den Freiheitlichen), wie Sie es damals schon bei der EU-Frage gemacht haben und wie Sie es ja wieder mit dem Ermächtigungsgesetz – der Name allein ist schon bezeichnend – zum Amsterdamer Vertrag machen wollen.

Hier wird unter dem Deckmantel gesetzlicher Regelungen für Übungen ein Truppenstationierungsgesetz eingeführt – ein weiterer Schritt in die NATO, den wir grundsätzlich als solchen begrüßen würden, aber, wie bereits gesagt, nicht auf diesem Weg.

Warum haben Sie diesen Weg gewählt? – Weil Sie vor allem den SPÖ-Partner im Parlament nicht anders überzeugen konnten, weil man sich daran vorbeimogeln will und den SPÖ-Mitgliedern nicht sagen will, was das wirklich bedeutet. Wir haben uns gewundert: Zweimal hat die SPÖ fast ein halbes Jahr lang diese Sache verzögert, indem man der Regierung postwendend die Regierungsvorlagen zurückgeschickt hat, und plötzlich eine Meinungsänderung. Ich konnte mir die nicht erklären, aber gestern ist es mir klar geworden: Herr Rudas hat es mittlerweile geschafft, den SPÖ-Parlamentsklub so in den Griff zu kriegen, weil Kollege Kostelka mit seinen 33 Millionen so beschäftigt ist, daß sein hinhaltender Widerstand mittlerweile gebrochen wurde. Wasser gepredigt, Wein getrunken. Dem linken Flügel wird verschiedenes erzählt, die Praxis schaut halt dann ein bisserl anders aus.

Und da traute sich dann Kollege Cap gestern von geschwätziger Grundsatzlosigkeit zu reden. Das ist genau das, was zurzeit im SPÖ-Klub stattfindet. Die eigenen Linken beruhigt man – das ist die geschwätzige Grundsatzlosigkeit –, weil man auf der anderen Seite zustimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es handelt sich hier nämlich um ein NATO-Truppenstatut, um jenes Statut, das zum Beispiel von der Besatzungsmacht USA im Jahr 1951 der Bundesrepublik Deutschland "verordnet" wurde und die Rechtsstellung der amerikanischen und der NATO-Truppen in Deutschland regelte. Dies erfolgte damals richtigerweise mit einer Art Besatzerstatut. Es gab und gibt denjenigen, die hier unterschreiben, Verfügungsrechte nicht nur über den militärischen Bereich, wie es für Übungen ja angemessen wäre, sondern auch über Zivilpersonal. Es gibt aber zusätzlich für die Angehörigen, die auch diesem Recht unterliegen, Steuerprivilegien.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was hat das mit Steuerprivilegien für Heeresangehörige zu tun, wenn Truppen vorübergehend nach Österreich zu Übungen kommen? Die Antwort von der sozialistischen Seite darauf würde mich wirklich sehr interessieren.

Es hat aber auch – und das ist wesentlich wichtiger und behandelt die Frage der Neutralität – Gültigkeit im Kriegsfall. Artikel XV Abs.1 sagt ausdrücklich, daß dieses Abkommen auch im Kriegsfall in Kraft bleibt, meine Damen und Herren. Und jetzt erklären Sie mir einmal, was ein Abkommen für den Kriegsfall mit einer Stationierung im Frieden für Übungen im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" zu tun hat! Hier geht es eindeutig um die Frage der österreichischen Neutralität, und die sollten Sie, meine Damen und Herren, vom linken Flügel dieses Hauses einmal beantworten und sich nicht pausenlos darum herummogeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es schwächt aber auch die österreichische Rechtsstellung; und da wird es interessant. Ich nehme nur das Seilbahnunglück in Italien mit diesem leicht verrückten – muß man leider sagen – amerikanischen Piloten. Die Rechtsstellung ist folgende: Die Piloten wurden ausgeflogen, es wird vor einem amerikanischen Gericht verhandelt. Und hier sagt dieses Abkommen – und sagen Sie bitte den Österreichern nichts anderes – ausdrücklich, daß, wenn ein – in diesem Fall amerikanisches – Gericht entscheidet, ein österreichisches Gericht keine Möglichkeit mehr hat, diese Sache zu verhandeln. Es ist nicht nur interessant, was die strafrechtlichen Folgen betrifft,


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sondern auch die zivilrechtlichen Folgen, Schadenersatzfolgen und so weiter. Hier verzichtet also Österreich, in einem solchen Fall die Rechte seiner Bürger entsprechend wahrzunehmen. Das kann doch wohl nicht wahr sein, das kann nicht das Ziel eines solchen Abkommens sein!

Oder: Erinnern Sie sich an den Fall Simpson mit den absurden Entscheidungen, die amerikanische Gerichte manchmal fällen. Das kann auch in einem Mordfall Geltung haben.

Es gibt den unterschreibenden Mächten Eingriffsmöglichkeiten nicht nur gegen das Militär, sondern auch gegen das zivile Heeresgefolge und gegen die Privatfamilien in Österreich. Der Einsatz ausländischer Militärpolizei wird auch außerhalb von Garnisonen und Übungsräumen möglich. Ich frage mich: Wozu ist das für ein Übungsabkommen notwendig? Wollen Sie wirklich amerikanische, englische oder sonstige Militärpolizei überall in Österreich während einer Übung agieren lassen? Sie haben das Recht dazu, und das kann niemand bestreiten.

Außerdem wird, und das ist entscheidend, österreichisches Recht in wichtigen Bereichen gebeugt, wenn nicht gebrochen. Wir haben keine Todesstrafe in Österreich, meine Damen und Herren. (Abg. Dietachmayr: Gott sei Dank!) "Gott sei Dank!" sagen Sie. Dieses Recht wird aber gebrochen, denn es gesteht den – zum Beispiel amerikanischen – Kräften im Fall der Unterschrift zu, für Angehörige, für Soldaten und für ziviles Heeresgefolge die Todesstrafe für ein in Österreich begangenes Vergehen durchzuführen. Sie müssen den Mann nur hinaustransportieren, wenn sie ihn selbst ergriffen haben.

Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner hat das in den ersten Verhandlungen noch geleugnet. Mittlerweile mußte auf eindringliches Befragen – und hier sieht man, wie man es mit der Ehrlichkeit gegenüber diesem Haus meint, meine Damen und Herren – der Außenminister zugeben, daß dem so ist. Da haben wir dann in den Beilagen und in den Erläuterungen stehen: Um die Vollstreckung der Todesstrafe zurückzudrängen, hat Österreich ein Zusatzprotokoll unterzeichnet, daß auf die Vollstreckung der Todesstrafe bei Angehörigen einer Truppe oder eines zivilen Gefolges verzichtet wird. – Das stimmt nicht, und zwar ganz und gar nicht, denn wenn sie von amerikanischen Polizeikräften ergriffen wurden, kann die Todesstrafe vollstreckt werden. Das ist Faktum, meine Damen und Herren, und das kann hier niemand leugnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wiederum eine der vielen falschen Auskünfte, die wir erhalten haben.

Das gleiche gilt für die Neutralität: auch hier ein Roßtäuschertrick nach dem anderen. Man hat einen Brief dazu geschrieben, in dem steht, man gehe davon aus, daß die ausländischen Mächte die österreichische Verfassung achten werden. Wir haben die Frau Staatssekretärin gefragt, wie es damit ausschaut, mit wem darüber gesprochen wurde. Sie hat gesagt: Ja, mit den Amerikanern haben wir darüber geredet. Sie wollte aber keinen Namen nennen, geschweige denn, daß einer dieser Staaten bereit ist, dies auch nur durch ein Anerkennungsschreiben zu akzeptieren. Wir bringen es ihnen zur Kenntnis und gehen davon aus, daß es funktioniert.

Der Herr Minister wollte uns beruhigen. Herr Minister, ich kann Ihnen sagen, wie das in der Realität ausschaut. Während des kalten Krieges hatten amerikanische und andere NATO-Schiffe – übrigens völlig zu Recht aus den Sicherheitsüberlegungen damals – Atomwaffen an Bord. Die sozialdemokratischen Regierungen in Dänemark und Norwegen wollten im Frieden keine Atomwaffen im Land. Sie haben daher, genauso wie jetzt die Sozialdemokraten in Österreich, eine Packelei begangen. Sie haben gesagt, sie gehen davon aus, daß auf den Schiffen nichts Derartiges ist. Jeder hat gewußt, die Atomwaffen sind auf den Schiffen, aber das Gesicht wurde gewahrt.

Sie sind gerade dabei, Ihren Wählern etwas vorzuschwindeln, um das Gesicht zu wahren, meine Damen und Herren. Überlegen Sie sich gut, was Sie da tun, denn wir werden es Ihnen nicht so leicht machen, weiter mit Taschenspielermethoden zu agieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht hier nicht um ein Entsendeabkommen für Übungen. Das hätte sich mit einem Standardvertrag ohne weiteres machen lassen. Wir haben auch gar nichts gegen ein Abkommen, das weiter geht, wenn Österreich einmal NATO-Mitglied ist. Aber nicht in dieser Mogelpackung und nicht unter diesen Voraussetzungen, bei denen die Todesstrafe eingeführt wird, ohne daß man es dem Österreicher sagt, bei denen die österreichische Verfassung


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gebeugt wird – wenn nicht sogar gebrochen, was die Neutralität betrifft –, nur weil Sie zu feige sind, die Diskussion mit dem österreichischen Bürger aufzunehmen und ihm zu sagen, daß die NATO eben leider zurzeit eine Notwendigkeit ist, weil sie das einzige funktionierende Sicherheitsbündnis ist und es durchaus im Interesse Österreichs ist, dieser NATO beizutreten. Aber nicht auf diesen Umwegen, meine Damen und Herren, und nicht mit solchen Methoden, nur, weil die Sozialdemokraten zu schwach sind!

Zweimal haben Sie es der Regierung zurückgeschickt, und jetzt gehen Sie in die Knie, weil Kollege Kostelka wegen seiner 33 Millionen eben nicht mehr jene Standfestigkeit hat wie noch im vergangenen Herbst. Das ist die Realität, meine Damen und Herren von der SPÖ!

Wir werden dem nicht zustimmen, das kann ich Ihnen sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Dr. Spindelegger. – Bitte.

9.21

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! (Abg. Schwarzenberger: Du wirst den Jung in den Schatten stellen!) Nach der Rede meines Vorredners, des Herrn Abgeordneten Jung (Abg. Schwarzenberger: Der Jung ist aber sehr alt geworden!), bleibt mir wieder einmal nur eines festzuhalten: Wenn es um die NATO geht, tut die FPÖ so, als hätte sie das alles erfunden. Wenn es aber darum geht, auch einen konkreten Schritt zu setzen, Verantwortung zu übernehmen, wie bei diesem Truppenstatut-Übereinkommen, dann sieht die Welt auf einmal wieder ganz anders aus. Da steht die FPÖ nicht zur Verfügung. Das ist festzuhalten, meine Damen und Herren, denn das ist eine Fortsetzung der endlosen Reihe, die die FPÖ in diesem Haus schon geliefert hat – zickzack, einmal dafür, einmal dagegen (Abg. Dr. Ofner: Kollege Spindelegger, reden Sie einmal über die Sache! Das würde Ihnen gut anstehen! Reden Sie einmal über die Sache! Über die Sache!)  –, und es wird um die Frage des Truppenstatuts nunmehr eine Ergänzung finden. Ich will diese ganze Liste gar nicht aufzählen. Für mich bleibt festzuhalten: Für das NATO-Truppenstatut steht die FPÖ nicht zur Verfügung. Das heißt, sie ist wieder einmal umgefallen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Uns ist die Angelegenheit zu wichtig, um uns hier auf Details mit dem Abgeordneten Jung einzulassen. (Abg. Jung: Details über die Neutralität? Details über die Todesstrafe? Das sind für Sie Details?) Ich glaube, unser Weg, am 10. Februar 1995 das "PfP"-Rahmendokument für "Partnerschaft für den Frieden" zu unterzeichnen, findet jetzt mit diesem Truppenübereinkommen eine wichtige Ergänzung und Fortsetzung. Wer A sagt, muß auch B sagen. (Abg. Scheibner: Aber ihr sagt nur B, das ist euer Problem!)

Wir bekennen uns zur "Partnerschaft für den Frieden". Das heißt, wir stehen dafür, daß es eine Friedenssicherung im Rahmen dieser Partnerschaft gibt, daß es eine Katastrophenhilfe im Rahmen dieser Partnerschaft gibt, daß wir für den Rettungsdienst zur Verfügung stehen und daß wir auch die Friedenssicherung aktiv betreiben wollen. Das ist eine Politik, die die Österreichische Volkspartei gerne und konsequent weiterführen wird.

Ich glaube, daß mit dieser jetzt vorliegenden Vorlage ein ganz wesentlicher Schritt zur Vorbereitung gelungen ist, denn über alles zu reden und internationale Solidarität zu bekunden ist immer das eine. Wenn es nicht durch eine gemeinsame Übung der Teilnehmerstaaten der "Partnerschaft für den Frieden" so vorbereitet ist, daß man im Einsatzfall auch wirklich agieren kann, dann hätte das alles keinen Sinn.

Mit diesem Truppenstatut wird die Möglichkeit geschaffen, daß auch rechtliche Klarheit bei gemeinsamen Übungen herrscht. Und wenn Abgeordneter Jung immer wieder im Ausschuß erwähnt hat, es wären einige Fälle, die in der Praxis vorkommen können, von diesem Statut gar nicht erfaßt, so kann ich dazu nur bemerken, meine Damen und Herren, daß wir ja auch nicht dafür stehen, daß man in einem gemeinsamen Übereinkommen alle erdenklich möglichen Fälle regelt. Das ist überhaupt nicht unser Grundanliegen (Abg. Jung: Ist die Neutralität so unbedeutend, Herr Kollege?), denn in der Gesetzgebung sollte man von einem auf jeden Fall


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Abschied nehmen: zu glauben, daß man mit prophetischer Gabe alle erdenklichen, in der Praxis möglichen Fälle erfassen wird. Das ist auch nicht unsere Linie – vielleicht die Ihre. Aber ich würde meinen, in der Praxis hat sich gezeigt, daß das nicht richtig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Ratifikation dieses Übereinkommens zwar einige Zeit in Anspruch genommen hat, daß sehr intensive Diskussionen im Außenpolitischen Ausschuß darüber geführt wurden. Aber das halte ich für gut und richtig, denn es sollen doch alle damit zusammenhängenden Fragen in völkerrechtlicher und verfassungsrechtlicher Hinsicht geklärt sein, bevor wir uns zu diesem aktiven Schritt bekennen.

Aber es führt auf keinen Fall ein Weg daran vorbei, daß wir uns auch dazu bekennen, eine solche Übung im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" in Österreich abzuhalten. (Abg. Jung: Sie haben ja schon geübt, die österreichischen Truppen!) Mit diesem Übereinkommen ist es jetzt möglich, daß im Herbst dieses Jahres auch eine Übung zur "Partnerschaft für den Frieden" in Österreich stattfindet. (Abg. Scheibner: Was war mit den Übungen, die schon stattgefunden haben? Nach welchen Statuten sind die abgehalten worden? Auf welcher Rechtsgrundlage sind die abgehalten worden?) Das halte ich für wichtig und richtig, und ich möchte das auch für die Österreichische Volkspartei als eine konsequente Haltung festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Die politischen Fragen, die damit im Zusammenhang stehen, sind: Punkt 1: Österreich kann damit unter klaren Bedingungen mitüben, wir kommen damit einer Verpflichtung nach, die wir eingegangen sind, und wir leisten damit auch einen Beitrag zur guten Vorbereitung für all diese verschiedenen Maßnahmen im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden".

Zweiter Punkt: Wir müssen festhalten, daß die Freiheitliche Partei Österreichs bei diesem Weg nicht mitgeht. Sie übernimmt die Verantwortung dafür nicht. Obwohl sie gerne immer über die NATO redet, ist sie bei diesem Punkt nicht bereit, mit uns zu gehen. (Abg. Dr. Khol: Das ist eine Schande! – Abg. Scheibner: Die Schande seid ihr! So etwas Scheinheiliges!) Das ist auch eine völlige Inkonsequenz, und ich glaube, meine Damen und Herren, das wird sich von selbst richten. (Abg. Dr. Khol: Ein schändlicher Opportunismus! – Abg. Scheibner: Die Schande seid ihr!)

Was die Grünen anlangt – und das ist die dritte politische Schlußfolgerung –, ist es für mich schon sehr interessant, daß man beim Lesen des Übereinkommens nicht einmal über den Artikel I hinausgekommen ist, denn sonst, Herr Kollege Wabl, hätten Sie gesehen, daß im Artikel I des Übereinkommens ja auf das NATO-Truppenstatut verwiesen wird, das im Anschluß auch abgedruckt ist. Ich würde Sie schon bitten, zukünftig in Fragen der Sicherheitspolitik zumindest mehr als nur den Artikel I zu lesen.

Mich überrascht es nicht, daß die Grünen diesem Übereinkommen nicht beitreten werden und dem nicht zustimmen. Was ich aber schon festhalten möchte, ist, daß Sie sich zu Fragen der "Partnerschaft für den Frieden" mit Katastrophenhilfe, mit Rettungsdiensten, mit Friedenssicherung nicht bekennen können. Aber das ist Ihre Sicherheitspolitik, die eine Verunsicherungspolitik in Österreich ist, und das möchte ich in diesem Zusammenhang einmal mehr festhalten. Mit Ihnen ist in der Sicherheitspolitik nicht zu rechnen, Sie bleiben kein Partner für Sicherheitspolitik in Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Herr Spindelegger, Ihr Partner ist die Rüstungsindustrie! Das ist sicher!)

Für die Österreichische Volkspartei möchte ich daher abschließend zu diesem Übereinkommen sagen: Für uns ist das Truppenstatut ein weiterer ganz wichtiger Bestandteil für eine funktionierende "Partnerschaft für den Frieden" und damit auch ein ganz wichtiger Schritt in Richtung einer aktiven Sicherheitspolitik Österreichs. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. )


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9.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte sehr.

9.28

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute einen Tagesordnungspunkt vorliegen und eine Beschlußfassung vor uns stehen, bei denen es nicht bloß um ein Truppenstatut und um die Regelung der Entsendung fremder Truppen oder österreichischer Truppen geht, sondern bei denen es schon um ein Stück des Beitrittes zur NATO geht und darum, ob das, was wir jetzt beschließen, auch in Zukunft NATO-kompatibel ist.

Und das ist der Punkt: Das, was wir heute hinsichtlich der Regelung der Entsendung fremder Truppen und der Regelung des Aufenthaltes österreichischer Truppen im Ausland, im Rahmen von Übungen, im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" beschließen, gilt genauso, wie wenn wir NATO-Mitglied wären, gilt also in gleichem Maße für alle NATO-Mitglieder. Das heißt, wir beschließen heute Regelungen für den Aufenthalt inländischer Truppen im Ausland beziehungsweise umgekehrt, die generell Gültigkeit haben.

Woran macht sich das deutlich? – Das hat sich ganz deutlich gemacht an einem Ereignis in diesem Winter, nämlich am Seilbahnunglück in Cavalese. Um Ihnen noch einmal in Erinnerung zu rufen, was dort passiert ist: Ein Übungsflug der NATO, ein Versuch, unter diesem Seilbahnseil durchzufliegen, hat zu einer Katastrophe geführt, wie Sie wissen, zu einem Absturz der Gondel und damit zum Tod von 21 Menschen, darunter übrigens auch zwei Österreichern.

Was ist in der Folge passiert? – In der Folge ist passiert – und das läßt aufmerksam und stutzig werden –, daß die italienischen Behörden überhaupt keine Möglichkeit gehabt haben, zunächst einmal vor Ort die Erhebungen durchzuführen und dann die italienischen Gerichte einzuschalten, die italienische Gerichtsbarkeit walten zu lassen. Aber es ist noch viel mehr passiert, das mich stutzig macht: Es ist zum Beispiel der Flugschreiber verschwunden. Obwohl das ein Unglück war, bei dem dieses Flugzeug ganz normal auf dem Flugfeld gelandet und nicht etwa abgestürzt ist, sodaß dieser Flugschreiber eigentlich selbstverständlich von den italienischen Behörden geborgen hätte werden sollen, ist er verschwunden. Wie wir jetzt seit zwei Tagen wissen, ist auch ein angefertigter Videofilm vernichtet worden. Beweismaterial wurde fortgeschafft, Beweismaterial wurde vernichtet. Nicht genug damit: Jene beiden Piloten, die sich zu verantworten haben, vor allem jener, der dieses Unglück herbeigeführt hat, wurden außer Landes gebracht, wurden in die Vereinigten Staaten überstellt und werden sich dort vor den entsprechenden Gerichten zu verantworten haben und, wie wir lesen, unter Umständen sogar freigesprochen werden.

Das macht mich einigermaßen besorgt, und das bestürzt mich einigermaßen. Denn was heißt das? – 21 Menschen sind bei einem Unglück zu Tode gekommen, das offensichtlich von Militärbehörden anders eingestuft und anders eingeschätzt wird: nicht als ein verheerendes Unglück, bei dem diese Menschen zu Tode gekommen sind, sondern als eine militärische Übung, bei der man vermutlich einiges an Risiko und einige Gefahren ins Kalkül ziehen muß.

Sehen Sie, das, was in Cavalese passiert ist, ist, wenn wir dies heute beschließen, jederzeit auch in Österreich möglich und jederzeit auch für österreichische Soldaten, die sich im Ausland befinden, möglich. Und ich frage mich, ob wir das wirklich wollen. Ich frage mich, ob Sie sich das überlegt haben, daß das möglich sein wird, und ob Sie das wirklich wollen, ob Sie das richtig finden, ob Sie das vereinbar finden mit der österreichischen Rechtssetzung und mit Ihrer Auffassung von Gerichtsbarkeit. Das geht weit über das hinaus, was bisher bei uns möglich war, und es geht weit über das hinaus, was bisher bei uns üblich war.

Noch einmal, halten Sie sich nur das vor Augen: Es geht um Unterschlagung und um Vernichtung von Beweismaterial. (Beifall bei den Grünen.)

Da helfen keine Erklärungen, da helfen keine Vorbehalte, die in dieser Regierungsvorlage vorgesehen sind. Die erfassen das überhaupt nicht. Im Gegenteil: Dieses Abkommen macht das möglich.

Wir beschließen das zu einem Zeitpunkt, zu dem wir das Urteil von Cavalese überhaupt noch nicht haben, zu dem wir noch gar nicht wissen, wie dieser Prozeß ausgeht und welche Konse


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quenzen sein Ausgang hat, welche Konsequenzen er für die Angehörigen derer hat, die dort zu Tode gekommen sind. Wir haben keine Ahnung davon. Sie warten nicht einmal ab, wie dieser Prozeß weitergeht, Sie warten nicht einmal ab, wie dieses Urteil lauten wird. Nein, wir glauben, uns wieder einmal besonders beeilen zu müssen, wir glauben wieder einmal, die ersten sein zu müssen und zu einer Sache schon etwas beschließen zu müssen, zu der es offensichtlich international einiges an Unruhe, an Debatten und Überlegungen darüber gibt, ob das eigentlich so richtig ist.

Das hat nicht nur uns beunruhigt, das hat auch die italienische Regierung massiv beunruhigt. Es hat ernsthafte diplomatische Verwicklungen zwischen der italienischen Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten gegeben, aber das scheint Sie nicht zu interessieren. Statt dessen kommen Sie hier heraus und erzählen uns irgend etwas von Friedenssicherung, von Katastrophenhilfe und von all dem, was nett und beruhigend klingt und alle Gemüter nur wieder beruhigen soll. Sie gehen überhaupt nicht auf die Materie ein, Herr Kollege Spindelegger! Machen Sie uns nicht den Vorwurf, daß wir über den Artikel I hinaus nicht weitergelesen haben. Sie haben offensichtlich das ganze Dokument nicht gelesen! (Beifall bei den Grünen.)

Sie stehen hier heraußen und glauben immer noch, es geht um die "Partnerschaft für den Frieden" und um Katastrophenhilfe. – Es geht um etwas ganz anderes: Es geht darum, daß hiermit die österreichische Rechtssetzung außer Kraft gesetzt wird, und zwar in ganz empfindlichen Bereichen, und darum, daß – ich könnte darauf wetten (Ruf bei der ÖVP: Na geh!)  –, würden wir heute eine Umfrage unter den Abgeordneten durchführen, wer von ihnen eigentlich wirklich weiß, was wir heute hier beschließen, die meisten es nicht wüßten. (Abg. Wabl: Kollege Maitz weiß es ganz genau! Er ist ein ständiger Gast in der NATO-Zentrale!) Die meisten würden denken, na ja, das hat – so wie Sie es ja darstellen – etwas mit der Partnerschaft zu tun, mit Katastrophenhilfe und mit Friedenssicherung, und das wollen wir ja alle, und das ist ja wunderbar. Aber daß hiermit möglicherweise solchen Vorgängen wie in Cavalese Tür und Tor geöffnet werden, daß es möglich wird, daß Beweismaterial vernichtet wird und daß österreichische Gerichte nicht über ein Unglück, das in Österreich passieren kann und könnte, befinden können, das wissen Sie, denke ich, gar nicht.

Aber wir können auch auf das eingehen, was Sie erwähnt haben, und ich möchte das noch ganz kurz tun, denn auch das ist es wert, daß darauf eingegangen wird. Sehen Sie, wenn dem wirklich so wäre, daß das eine ganz klare Sache ist, dann frage ich mich: Wieso muß das österreichische Parlament heute zwei Erklärungen, zwei Vorbehalte beschließen? Wieso gibt es dann zu dem Ausschußbericht noch einen Anhang, der nochmals die Vorbehalte erläutert, weil offensichtlich nicht einmal die Vorbehalte verständlich genug sind? Das ist ja auch etwas, was zu denken geben müßte.

Wenn Sie sich die Vorbehalte ansehen, dann werden Sie sehen, es ist nur ein Vorbehalt wirklich völkerrechtlich gültig, und das ist der Vorbehalt, der die Todesstrafe betrifft. Die zweite Erklärung ist lediglich eine Feststellung des Parlaments, daß das, was wir heute beschließen, eigentlich unsere Gesetze nicht tangiert. Das ist nicht einmal das Papier wert, auf dem das steht! Das hat überhaupt keine Wirkung! Wir gehen einen internationalen Vertrag ein, der selbstverständlich unsere Verfassung berührt, der selbstverständlich unsere Gesetze berührt, der selbstverständlich die Fragen des Kriegsmaterialiengesetzes berührt, der selbstverständlich die Fragen der Verteidigung und Sicherheit berührt, und Sie geben sich mit einer Erklärung ab, in der wir feststellen – für uns, ganz alleine für uns –, daß wir das zwar heute beschließen, daß das für unsere Gesetze aber nicht verbindlich sei und daß das Ganze uns nicht tangiert.

Damit wir das auch ganz sicher verstehen, damit es sozusagen auch die letzten verstehen, gibt es dann noch eine zwei Seiten lange Ausschußerklärung dazu, wie das Ganze zu meinen ist.

Wissen Sie, das beruht ja nur darauf, daß Sie die Kühnheit haben, dieses Rahmendokument der "Partnerschaft für den Frieden" als politische Absichtserklärung zu definieren – als unverbindliche, völlig unverbindliche politische Absichtserklärung, hat einmal die Staatssekretärin wortwörtlich gesagt –, aus der eigenartigerweise eine ganze Reihe von Rechten und Pflichten für Österreich erwachsen, unter anderem das, was wir heute beschließen. Wie erklären Sie sich


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das, daß aus einer politischen Absichtserklärung so viele Rechte und Pflichten erwachsen? Das können Sie nicht erklären, weil es sich hier um einen Staatsvertrag handelt, um einen politischen Staatsvertrag, der politische Weichen stellt, der dem Land eben diese Pflichten auferlegt und auch diese Rechte einräumt und der eigentlich in diesem Haus hätte beschlossen werden sollen.

Da das Ganze, was Sie hier aufgeführt haben, aber von Anfang an ein einziger Murks ist, bleibt es auch so (Beifall bei den Grünen), bleibt es nicht nur so, sondern führt zu guter Letzt noch dazu, daß nicht irgend jemand, sondern der österreichische Botschafter bei den Vereinigten Staaten sich dann zu einer Erklärung entschließt, die das genaue Gegenteil von dem besagt, was wir heute beschließen. Wir beschließen heute, daß das nicht unsere Gesetze tangiert (Abg. Wabl: Wir nicht, dieses Haus beschließt das!) – dieses Haus beschließt das – und daß die Neutralität damit nicht tangiert wird.

Wenn Sie in der Veröffentlichung von Botschafter Türk nachlesen, dann werden Sie genau das Umgekehrte lesen: Sie werden darin genau lesen, daß das eigentlich durchaus mit der Neutralität vereinbar ist und im Krisenfall die NATO-Mitgliedschaft bei der "Partnerschaft für den Frieden" sogar mehr zählt als die Neutralität.

Es ist und bleibt nicht nur ein fragwürdiger Beschluß, den Sie heute treffen, sondern das, was Sie heute über die Bühne bringen wollen, ist und bleibt ein politisches Hasardstück.

Ich kann Ihnen zum Schluß nur noch einmal vor Augen führen: 21 Tote beim Seilbahnunglück in Cavalese, und keine Rechtsprechung in dem Land, in dem das passiert, ferner Vernichtung des Beweismaterials und Unterschlagung des Beweismaterials: Das beschließen Sie heute! (Beifall bei den Grünen.)

9.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

9.40

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte sehr offen auf einige Kritikpunkte eingehen. Es stimmt, daß über diese Vorlage seit Herbst vergangenen Jahres im Außenpolitischen Ausschuß beraten wurde. Es stimmt, daß bei der Übersetzung und Übermittlung auf dem Weg ins Parlament einige Pannen passiert sind. Es stimmt aber auch, daß alle zuständigen Stellen bemüht waren, dies sofort in Ordnung zu bringen und uns mit allen Auskünften und möglichen Hilfestellungen zur Seite zu stehen.

Es ist natürlich so, daß dieses SOFA-Abkommen auch ein bißchen zum Opfer eines Stellvertreterkrieges wurde. Da es keine Befassung des Parlaments mit der "Partnerschaft für den Frieden" gab – wie schon von anderen Rednern gesagt wurde –, fand die Debatte über die "Partnerschaft für den Frieden" ersatzweise beim Abkommen über die Rechtsstellung der teilnehmenden Truppen statt. Die Regierung hat schon am 26. November im Ausschuß durch die Frau Staatssekretärin, am 28. November im Hauptausschuß durch den Herrn Verteidigungsminister und in weiterer Folge im Ausschuß durch den Herrn Vizekanzler und Außenminister ihren Standpunkt vertreten und gemeint, daß aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen des Wesens der Kooperation im Rahmen der "PfP" für die damit zusammenhängenden Dokumente eine Befassung des Nationalrates nach Artikel 50 B-VG nicht erforderlich ist.

Andere, darunter auch namhafte Professoren, waren folgender Ansicht: Nimmt man das Rahmendokument und das Einführungsdokument zusammen, bestehe kein Zweifel daran, daß dadurch rechtliche Verbindlichkeiten ausgelöst werden, die politischen, aber nicht minder auch gesetzesändernden Charakter aufweisen, weil dadurch der Aufgabenbereich des österreichischen Bundesheeres im Sinne des Wehrgesetzes und auch im Sinne der Bundesverfassung erweitert wird.

Wenn ich davon ausgehe, daß die Bundesregierung recht hat und eine Befassung des Nationalrates nicht erforderlich war, so habe ich mir – und ich möchte das ganz offen sagen – im Laufe


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der Beratungen einige Male die Frage gestellt, ob nicht dennoch eine Befassung des Parlaments mit den "PfP"-Dokumenten gescheiter gewesen wäre. Denn Verzögerung hätte dies sicherlich keine dargestellt; man muß sich nur anschauen, wie lange nun die ersatzweisen Debatten, die beim SOFA stattgefunden haben, gedauert haben.

Zur zweiten Frage: Frau Abgeordnete Kammerlander hat den tragischen Unfall von Cavalese angesprochen und damit auch die Frage der Todesstrafe. Ich möchte erstens sagen, daß die Fragestellungen rund um die Todesstrafe sehr genau geprüft worden sind. Ich bin auch Herrn Universitätsprofessor Rotter aus Linz sehr dankbar, der mir als Abgeordnetem hiezu Gutachten erstellt hat, die ich in der Folge überprüfen lassen konnte und die dazu beigetragen haben, das Ganze gewissermaßen wasserdicht zu machen. Die Frage, die Frau Abgeordnete Kammerlander gestellt hat, betraf vor allem den aktuellen Fall in Italien. Bei diesem äußerst tragischen Ereignis handelt es sich sicherlich um einen Fall, bei dem die Feststellung der faktischen Tatumstände nach den Bestimmungen dieses Abkommens von Bedeutung ist. Für den Fall, daß nämlich die Flugbewegungen des betreffenden Flugzeuges im Rahmen der dienstlichen Anweisungen stattgefunden haben, würde nach den Bestimmungen die Gerichtsbarkeit den Behörden des Entsendestaates zukommen, während bei einem Verstoß gegen die dienstlichen Anweisungen wohl eher eine Gerichtsbarkeit des Aufnahmestaates vorliegen würde. Klar ist, daß es nicht so ist, wie Frau Abgeordnete Kammerlander sagt, daß es das Abkommen ermöglichen würde – wie sie gesagt hat –, daß Beweismaterial unterschlagen wird. Ganz im Gegenteil: Das Abkommen sieht in Artikel VII Abs. 6 vor, daß sich gemäß dieser Bestimmung die Behörden des Aufnahme- und des Entsendestaates bei der Durchführung aller erforderlicher Ermittlungen in Strafsachen sowie bei der Beschaffung von Beweismaterial gegenseitig unterstützen müssen. (Abg. Dr. Ofner: Peter! Wie das in der Praxis ausschaut, haben wir gesehen!)

Daß eine Großmacht wie Amerika natürlich weniger bereit ist, sich an diese Bestimmungen zu halten, bemerken wir aber nicht nur in diesem Zusammenhang. Das ist kein spezifisches SOFA-Verhalten, sondern ein Verhalten, wie es eine Großmacht, ein großer Staat, eine Supermacht in verschiedenen Bereichen gegenüber anderen Staaten an den Tag legt. (Abg. Dr. Ofner: Das ist ein Cowboy-Staat, fern jeder Rechtsstaatlichkeit!) Daß diese Problematik besteht, ist nicht so sehr eine Frage des Abkommens, sondern die Problematik der Todesstrafe besteht, weil leider manche Staaten immer noch die Todesstrafe kennen und weil Amerika, das sich in der Welt als Hüter der Menschenrechte gebärdet, auf seinem eigenen Territorium in vielen Staaten noch die Todesstrafe zuläßt und diese auch noch auf grausliche Weise exekutiert. Auch diesem Umstand muß unser Protest gelten. (Allgemeiner Beifall.)

Die zweite Frage, die vor allem den Ausschuß bewegt hat, war die Frage, ob auch innerstaatliche Bestimmungen berührt werden. Im besonderen wurde die Frage aufgeworfen, ob durch die Abgabe der Erklärung sichergestellt ist, daß Österreich seinen neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen gemäß dem Haager Abkommen von 1907 auch im sogenannten Bündnisfall nachkommen kann.

Ich bin sehr froh, daß im Ausschuß mit Zustimmung des Herrn Bundesministers vom Gesandten Dr. Trauttmansdorff für das Völkerrechtsbüro und das Bundeskanzleramt eine klare Feststellung getroffen wurde. Ich bin auch dem Leiter des Völkerrechtsbüros, Herrn Botschafter Cede, sehr dankbar dafür, daß damit folgendes klargestellt werden konnte:

"Die in Z 3 der ,Erklärung Österreichs betreffend die Interpretation des ,Übereinkommens zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der "Partnerschaft für den Frieden" teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen‘ (,PfP-SOFA‘) gewählte Formulierung, wonach ,die geltende österreichische Verfassungsgesetzgebung in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung nicht von der Anwendung des Übereinkommens berührt ist‘, bezieht sich jedenfalls auch auf die Truppenstatuts, der auf Feindseligkeiten verweist, auf die der Nordatlantikvertrag Anwendung findet."

Das heißt, daß diese Frage eindeutig klargestellt wurde. Weiters wurde auch klargestellt, daß dieses Verständnis in Konsultationen mit den anderen "PfP"-Vertragspartnern erörtert wurde.


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Somit bleibt die letzte Frage – wieder im Zusammenhang mit dem tragischen Ereignis in Italien –, die auch von der Frau Abgeordneten Kammerlander aufgeworfen wurde: Ist es nicht furchtbar, daß ein Soldat eines Entsendestaates, der ein Delikt begeht, dann vielleicht in sein Land zurückkehren darf? Ich bin eigentlich froh darüber, daß diese Möglichkeit besteht, Frau Abgeordnete. Denn stellen Sie sich einmal den italienischen Fall andersrum vor: Ein Österreicher begeht – hoffentlich passiert das nie, aber denken wir einmal an eine solche Möglichkeit – ein ähnliches Delikt bei einer Seilbahn in einem Land, in dem es die Todesstrafe gibt. Er darf zum Gerichtsverfahren nicht zurück nach Österreich, sondern er wird auf jeden Fall, so wie Sie es wollen, in diesem Land abgeurteilt. Dann droht ihm dort die Todesstrafe, und genau das wollten wir verhindern. (Abg. Dr. Ofner: Das ist ein Irrtum!) Nein, das ist kein Irrtum. (Abg. Dr. Ofner: Schenkst du mir eine Sekunde dein Ohr? Bei einem Fahrlässigkeitsdelikt wie in Cavalese ist das nicht der Fall! Es geht wie bei diesem Auslieferungsabkommen um den Vorbehalt!)

Nein, es geht nicht um den Fall, daß ein Ausländer in sein Land zurückkommt, in dem es die Todesstrafe gibt, sondern genau um das Gegenteil. (Abg. Dr. Ofner: Beide Probleme gibt es!) Wir müssen an die Möglichkeit denken, daß ein Österreicher als Teilnehmer an einer Übung ein Delikt begeht, und zwar in einem anderen Land, in dem es die Todesstrafe gibt. Dann sind wir daran interessiert, daß er der österreichischen Gerichtsbarkeit unterliegt und nicht jener des Gastlandes, in dem es die Todesstrafe gibt.

Ich meine, daß die offenen Fragen nun geklärt worden sind. Es geht hier nicht um den NATO-Beitritt, es geht hier nicht einmal um den Beitritt zur "PfP", es geht darum, ob bei den Übungen durch ein Truppenstatut die gegenseitigen Rechtsverhältnisse geregelt sind. Ich finde es gut, daß sie damit nun geregelt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.49

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei den mehrmaligen Ausschußberatungen – denn ganz so glatt ist dieses Gesetz nicht über die Bühne gegangen – hat man gemerkt, daß viele Mitglieder des Ausschusses und auch Vertreter mehrerer Parteien bei der Diskussion um die Beschlußfassung dieses Truppenstatuts nicht gerade in große Begeisterung ausgebrochen sind.

Herr Kollege Spindelegger! Langsam, aber sicher verstehe ich, warum Sie in Ihrer eigenen Landesgruppe in der ÖVP solche Probleme haben. Wenn man Sie nur kurz und flüchtig kennt, denkt man, daß Sie ein sympathischer Mensch sind, mit dem man reden kann. Wenn Sie aber am Rednerpult stehen und man hört, welchen Unsinn Sie verbreiten und mit welchem Zynismus Sie diese Debatten führen, dann versteht man, daß Leute, die Sie besser kennen, mit Ihnen ein Problem haben, Kollege Spindelegger. (Abg. Tichy-Schreder: Also, bitte, Herr Scheibner, diese Unterstellung! – Abg. Dr. Feurstein: Typisch F!)

Überhaupt, meine Damen und Herren von der ÖVP: Was Sie hier gerade in der sicherheitspolitischen Diskussion aufführen, das spottet wirklich jeder Beschreibung. Da stellt sich Herr Kollege Khol her und spricht in einem Zwischenruf von Schändlichkeit, glaube ich. Herr Kollege Khol, was ist denn Ihrer Meinung nach schändlich? – Ich glaube, daß es schändlich ist, wenn man sich das eine Mal ans Rednerpult stellt, sich für den NATO-Beitritt ausspricht und die Neutralität in die Schatzkammer stellt – wenn ich Sie jetzt richtig zitiere –, bei anderer Gelegenheit hingegen, weil es einem wieder anders paßt und weil man vor einer EU-Wahl Angst hat, setzt man sich plötzlich wieder großartig für die Neutralität ein und sagt, daß Österreich immer ein neutraler Staat bleiben werde. Herr Kollege Khol! Das ist schändlich und keine klare Linie in der Sicherheitspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie, Kollege Spindelegger, hätten schon mehrmals die Gelegenheit gehabt – nicht einmal, mehrmals –, gemeinsam mit Abgeordneten des Hohen Hauses klare Beschlüsse hinsichtlich der österreichischen Sicherheitspolitik zu fassen, und zwar nicht über irgendwelche Truppenstatute,


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sondern über eine Neuausrichtung in der Sicherheitspolitik hin zu einer Bündnismitgliedschaft Österreichs. Herr Kollege Spindelegger, das ist kein Zickzackkurs der FPÖ, sondern das ist Ihr mieser Zickzackkurs, der auch zu einer großen Verunsicherung in der österreichischen Bevölkerung führt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie waren ja nicht einmal soweit, daß Sie einem Fristsetzungsantrag zustimmen wollten und konnten, den unsere Fraktion das letzte Mal eingebracht hat. Dabei haben wir den Standpunkt vertreten, diese Problematik sollte so rasch wie möglich behandelt werden.

Bleiben Sie bloß bei Ihrer eigenen Fraktion, achten Sie darauf, daß endlich einmal ein klarer Kurs eingeschlagen wird! Denn ich weiß schon: Nächstes Jahr wird es wieder Nationalratswahlen geben, da werden wieder einige in diesem Land versuchen, die Frage der Sicherheitspolitik zum Wahlkampfthema zu machen, und dann werden Sie wieder, so wie in der letzten Zeit, umfallen, einmal mehr umfallen, und alle Ihre Prinzipien, die Sie hier zum besten gegeben haben, werden nichts mehr wert sein.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Volkspartei, unterlassen Sie in Zukunft alle Ihre Anbiederungsversuche im Vieraugengespräch! Da jammert man, wie schwierig alles mit diesem Koalitionspartner ist, und meint, daß man doch hofft, daß irgendwann einmal mit uns eine Zusammenarbeit erfolgen kann. Meine Damen und Herren! Ich hoffe wirklich, daß alle auch in meiner Fraktion schön langsam mitbekommen, daß mit Ihnen in diesem Staat wirklich nichts zu machen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Thema: Herr Außenminister und meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Mag. Steindl. ) Kollege Steindl, auch du bist so einer! Erinnere dich an deine gestrige Rede!

Meine Damen und Herren! Es ist klar, und wir sind dafür ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Jetzt habe ich Sie getroffen, ich weiß es. Denken Sie einmal nach, ändern Sie Ihre Politik! (Abg. Tichy-Schreder: Ich glaube, Sie sollten nachdenken!) Machen Sie endlich eine ehrliche Politik, eine geradlinige Politik, und fallen Sie nicht immer um, wenn es gerade die Tagespolitik erfordert! (Abg. Tichy-Schreder: Bitte, was ist geradlinig? – Abg. Schwarzenberger: Geradlinig ist für die Freiheitlichen der Slalom! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Unser Standpunkt ist klar: Wir sagen, daß die Neuausrichtung der österreichischen Sicherheitspolitik notwendig ist. Wir treten für eine Bündnismitgliedschaft ein, und dies möglichst rasch, denn nur dann wird Österreich auch in den Schutzschirm der internationalen Gemeinschaft integriert sein, nur dann haben wir die Möglichkeit zur Mitbestimmung, und nur dann können wir auch beim Aufbau einer europäischen Sicherheitsorganisation mitentscheiden.

Wir traten auch für die Integration Österreichs in das Programm "Partnerschaft für den Frieden" ein, auch wenn dies leider im Parlament nie diskutiert worden ist. Es ist auch klar, daß es klare Richtlinien für den Rechtsstatus der Truppen, sowohl der ausländischen Truppen bei inländischen Übungen als auch der österreichischen Truppen bei Übungen im Ausland, geben muß. Allerdings verstehe ich die SPÖ nicht, wenn diese sagt, das dies notwendig wäre, aber in anderen Fragen immer so peinlich berührt ist und nur ja nichts überstürzen möchte oder beschließen könnte, was irgendwie in die Richtung einer NATO-Mitgliedschaft weisen könnte. Das geht soweit, daß wir jetzt noch immer nicht wissen, wie nächste Woche bei der Parlamentarierversammlung der NATO-Staaten und der assoziierten Mitglieder unser Status sein wird.

Bei der Frage der Rechtsstellung der Truppen bei Übungen übernimmt man aber ein Truppenstatut aus dem Jahre 1951. 1951, das ist doch wirklich ein Zeitalter der NATO alt, und zwar der NATO alt, alt, als noch Teile Europas durch fremde Truppen besetzt waren. Dieses NATO-Truppenstatut wird jetzt in die österreichische Rechtsordnung übernommen. Das verstehe ich überhaupt nicht, obwohl es doch ein leichtes gewesen wäre, in diesem Punkt, so wie andere Staaten auch, zumindest eine stark modifizierte eigenständige Vereinbarung mit der NATO zu treffen.

Kollege Jung hat ja schon in einigen Bereichen diese Probleme angesprochen. Es stimmt ganz einfach nicht, wie Spindelegger gemeint hat, daß irgendwelche Details von uns großartig inkriminiert werden. Ich glaube, daß die Frage der Todesstrafe nämlich dann berührt wird – und das


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wurde ja im Ausschuß bestätigt –, wenn etwa amerikanische Truppen einen amerikanischen Soldaten auf österreichischem Staatsgebiet festnehmen. Das ist meiner Ansicht nach kein Detail. Ein weiterer Punkt: Warum werden in diesem Truppenstatut Zivilangehörige von Truppen angesprochen? Warum müssen wir das übernehmen? Da geht es wirklich um dauerhafte Truppenstationierungen, die wohl im Rahmen der "PfP" nicht zum Tragen kommen werden.

Meine Damen und Herren! Das ist auch eine Frage der Information. Wir werden ja von den Regierungsvertretern dauernd falsch informiert. Der Verteidigungsminister sagt, daß es bei dieser "PfP"-Übung im vorigen Jahr in den USA kein Problem mit dem Rechtsstatus gegeben hat, da sei eine eigenständige Vereinbarung getroffen worden. Nun hören wir, daß es keine derartige Vereinbarung gegeben hat, sondern daß – und das muß man sich auch einmal vorstellen –, meine Damen und Herren, erstmals in der Geschichte österreichische Soldaten unter der Hoheit und unter der Rechtsordnung der USA eine Übung abgehalten haben. (Abg. Schieder: Der Verteidigungsminister hat gesagt, daß es eine eigene Vereinbarung war! – Abg. Jung: Gesagt hat er das! – Abg. Schieder: Im Ausschuß hat er das gesagt!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wie schaut es denn aus Ihrer Sicht mit einem Neutralitätsstatus aus, wenn man ihn noch ernst nimmt? Sie können doch nicht ernsthaft glauben, daß man auf der einen Seite nach wie vor an diesem meiner Ansicht nach überholten Status festhält und auf der anderen Seite eine Maßnahme nach der anderen beschließt, die mit diesem Status absolut nicht in Einklang zu bringen ist.

Noch einmal und zum Abschluß kommend, meine Damen und Herren: Wir sind für klare Diskussionen und klare Beschlüsse in den Fragen der Sicherheitspolitik. Ein Ja zur Bündnismitgliedschaft! Diskutieren wir darüber hier im Parlament, diskutieren wir darüber mit der Bevölkerung und schließen wir dann die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Aber wir sind dagegen, daß man der Bevölkerung ununterbrochen ein X für ein U vormacht und daß man ihr sagt, es bliebe alles so, wie es war. Neutralität wird auf der einen Seite als heilige Kuh in den Vordergrund gestellt, und auf der anderen Seite wird hinter dem Rücken der Bevölkerung eine Maßnahme nach der anderen, zum Teil nicht einmal notwendige, getroffen, die mit all diesen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte.

9.58

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Spät, aber doch diskutieren wir in diesem Hohen Hause über das NATO-Truppenstatut. Die Beschlußfassung, zu der es heute kommt, ist längst fällig, weil wir im Rahmen der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" seit 1995 aktiv sind.

Meine Damen und Herren! Es muß an dieser Stelle noch einmal klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden: Es war unverantwortlich, daß wir an der "Partnerschaft für den Frieden" in der Vergangenheit, in den letzten Jahren teilgenommen haben, ohne daß die notwendigen legistischen Grundlagen dafür geschaffen worden sind, ohne daß es zu einer entsprechenden rechtlichen Absicherung unserer an den Übungen im Ausland teilnehmenden Soldaten gekommen ist. Dafür trägt Ihr Verteidigungsminister, dafür tragen Sie, Herr Bundesminister, die entsprechende Verantwortung.

Meine Damen und Herren! Wer sich zur NATO-"Partnerschaft für den Frieden" bekennt, muß auch ein Ja zu diesem Truppenstatut sagen. Wir werden daher diesem Truppenstatut unsere Zustimmung geben.

Ich bedaure es, daß wir in diesem Hohen Hause erst so spät darüber diskutieren können, daß es im Zuge der Beratungen und der Übersendung der notwendigen Unterlagen vom Außenministerium an das Parlament entsprechende Pannen, wie es Kollege Schieder ausgedrückt hat, gegeben hat.


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Eines muß man schon sagen: Die Vorgangsweise, die Unterlagen, die wir bekommen haben, waren insgesamt eine schwache Leistung des Außenministeriums. (Beifall beim Liberalen Forum.) Meine Damen und Herren! Es handelt sich dabei um ein stümperhaftes Vorgehen des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Wir haben im Herbst des vergangenen Jahres die Unterlagen bekommen. Kollege Schieder erwähnte bereits, daß es Probleme mit der Übersetzung gegeben hat. Im Dezember mußte eine Ausschußberatung abgebrochen werden, weil die Unterlagen nicht korrekt waren. Wir haben eine weitere Ausschußberatung im Jänner gehabt. Diese mußte ebenfalls wieder verschoben werden, weil die Unterlagen nicht vollständig waren und wir deshalb keine Beratung durchführen und keine Beschlußfassung treffen konnten. Meine Damen und Herren! So etwas dürfte nicht passieren, und dies ist eigentlich auch der Ausdruck einer gewissen Ignoranz gegenüber dem Parlament.

Ich bedaure es, daß diese Ignoranz gerade von seiten des Außenministeriums in verstärktem Ausmaße erkennbar ist. Ich hätte mir eigentlich erwartet, daß speziell seitens des Außenministeriums ein Beitrag geleistet wird, damit die Verbindung, die Kommunikation mit dem Parlament und auch das gegenseitige Verständnis entsprechend verbessert wird.

Auch wenn das eine oder andere nun geklärt ist, hat die ganze Debatte eines gezeigt: daß noch einige Fragen offengeblieben sind, die diskutiert werden müssen. Eine für mich ganz wesentliche Frage, die noch immer einer entsprechenden Beratung bedarf, ist die Handhabung des Artikels 50 der Bundesverfassung. Meine Damen und Herren! Es handelt sich dabei um die Einbindung des Parlaments in sicherheits- und verteidigungspolitische Fragen. Herr Bundesminister! Ich glaube, daß der Weg, den die Bundesregierung eingeschlagen hat und den Sie als Außenminister gehen, den der Herr Bundesminister für Landesverteidigung geht, ein verfassungsrechtlich nicht korrekter Weg ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Artikel 50 der österreichischen Bundesverfassung spricht eindeutig davon, daß politische Staatsverträge und Staatsverträge, die gesetzesändernden oder gesetzesergänzenden Charakter haben, einer Beschlußfassung im Parlament unterliegen. Herr Kollege Schieder hat ja bestätigt, daß auch die sozialdemokratische Fraktion offensichtlich Bedenken bekommen und diese Frage überprüft hat.

In diesem Zusammenhang gibt es ganz eindeutig Auswirkungen auf einzelne Gesetzesmaterien. Die Tatsache, daß wir jetzt dieses Truppenstatut diskutieren und beschließen, zeigt doch klar, daß die österreichische Rechtsordnung ergänzt und auch in Einzelheiten verändert werden muß. Daher war es ein Versäumnis, daß dies bei der Beschlußfassung oder überhaupt bei der Unterzeichnung der Abkommen mit der NATO nicht schon früher geschehen ist.

Ich erwarte mir daher von Ihnen, Herr Bundesminister – wir haben das im Ausschuß auch schon angesprochen –, daß Sie dies nachholen. Ich erwarte mir, daß wir diese Diskussion über die Kooperation mit der NATO und die Kooperation mit anderen ausländischen Armeen im Nationalrat führen. Ich verlange auch, daß der Verteidigungsminister – so wie Sie – zunächst einmal die Unterlagen dem Parlament zur Kenntnis bringt, daß auch der Verteidigungsminister all jene Abkommen, die mit ausländischen Armeen abgeschlossen worden sind, dem Parlament zur Kenntnis bringt und daß wir diese Abkommen im Parlament dann beraten. Wir haben dies nachzuholen. Das ist unsere Verantwortung, und wir müssen dieser Verantwortung gerecht werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte nun zur Frage des Truppenstatuts kommen. Ich habe bereits gesagt, daß wir diesem Truppenstatut zustimmen werden. (Abg. Wabl: Wieso, wenn es der Verfassung widerspricht?) Ich glaube, daß es durchaus Sinn macht, das Truppenstatut aus dem Jahre 1951 zu übernehmen, weil es einfach zweckmäßiger und günstiger ist, diese Rechtsordnung oder diese Rechtsmaterie, die sich über Jahrzehnte im Zusammenwirken mit den anderen Staaten bewährt hat, in der Gesamtheit zu übernehmen und uns weniger auf Einzelabkommen abzustützen. (Abg. Jung: Was ist günstig daran, ungültige Paragraphen, die nicht wirksam sind, zu übernehmen?) Lieber Herr Kollege Jung! All das, was nicht mehr wirksam ist, also keine Gültigkeit hat, wird auch im Zusammenwirken zwischen Österreich und der NATO beziehungsweise den Mitgliedsländern der NATO und den Mitgliedsländern der "Partnerschaft für den Frieden" keine Gültigkeit haben. Aber insgesamt glaube ich, daß es verwaltungstechnisch günstiger und auch ein Beitrag


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zur Rechtssicherheit ist, weil alle Staaten im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" auf derselben rechtlichen Grundlage ihre Kooperation, also ihre Zusammenarbeit vornehmen. Dadurch, daß es nicht Einzelabkommen gibt, kommen keine Unsicherheiten bei der Kooperation mit den verschiedenen Armeen, mit den verschiedenen Partnerländern auf. Wie Sie ja wissen, ist diese Kooperation im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" eine multinationale, es sind oft bis zu zehn, 15 Nationen in einem Verbund zusammengefaßt, und es wäre eine große Rechtsunsicherheit, wenn es im Zusammenspiel mit den einzelnen Nationen unterschiedliche Rechtsgrundlagen gäbe. Daher glaube ich, daß es durchaus Sinn macht.

Weniger Sinn macht die Frage mit den Erklärungen, die im Zusammenhang mit der Unterzeichnung erfolgen. Da habe ich auch meine Bedenken, und dazu möchte ich eine Anmerkung machen. Zunächst einmal möchte ich auf die Frage der Gerichtsbarkeit zu sprechen kommen. Meine Vorredner haben schon die Problematik im Zusammenhang mit der Todesstrafe am Beispiel des Zwischenfalles in Cavalese angesprochen.

Ich möchte dazu folgendes sagen: In der Erklärung heißt es – und ich zitiere daraus –, daß die betreffende Person den Behörden des Entsendestaates nur unter der Bedingung übergeben wird, daß die Todesstrafe durch den Entsendestaat nicht verhängt wird. Das setzt voraus, daß sich erstens die Person auch in der Gewalt des Aufnahmestaates befindet und geschützt werden kann. Das wird erfahrungsgemäß nicht wirklich beziehungsweise oft nur schwer möglich sein.

Das zweite, meine Damen und Herren, ist die Frage der Verhängung der Todesstrafe. Das ist eine Frage der Souveränität, es ist ein Hoheitsakt eines unabhängigen Gerichtes. Es kann daher nicht vorausgesehen werden, ob die Todesstrafe verhängt oder nicht verhängt wird. Das heißt, daß die Erklärung in der Form, wie sie vorliegt, nur schwer durchsetzbar sein wird und wenig realistisch ist.

Ich glaube, wir sollten jetzt keine theoretischen Szenarien entwickeln, sondern wir sollten einmal zuwarten, was die Praxis an Erfahrungen bringen wird. Ich wünsche mir und hoffe, daß es zu keinen strafbaren Handlungen von Heeresangehörigen im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" in Österreich kommen wird. Ich hoffe auch, daß es zu keinen strafbaren Handlungen österreichischer Soldaten im Ausland kommen wird. Ich bin mit dem Kollegen Schieder einer Meinung, daß dabei die Frage der nationalen Gerichtsbarkeit Sinn macht, nämlich im Sinne des Schutzes jener österreichischen Soldaten, die sich im Ausland bei Übungen oder bei Manövern oder im Rahmen von Ausbildungen befinden. Ich erwarte mir auch, daß im Falle einer strafbaren Handlung die betreffende Person nach Österreich gebracht wird, hier vor ein unabhängiges Gericht kommt und entsprechend abgeurteilt wird.

Zweiter und letzter Punkt, und damit komme ich zum Schluß meiner Ausführungen: die Frage der Erklärung zur Neutralität. Ich halte die Erklärungen zur Neutralität im Prinzip für überflüssig. Ich denke, wir kennen unsere Positionen. Wir Liberalen sind der Auffassung, daß die Neutralität überholt ist. Das heißt, daß man eine derartige Erklärung auch im Rahmen der Unterzeichnung dieses Statuts nicht abgeben hätte müssen. Ich möchte den Herrn Außenminister und Parteiobmann seiner Partei doch noch um eines ersuchen: Wenn Ihnen eine sicherheitspolitische Diskussion ein ernsthaftes Anliegen ist, dann lösen Sie bitte auch die Selbstblockade der Bundesregierung, dann treten Sie auch dafür ein, daß wir die sicherheitspolitischen Optionen im Parlament diskutieren können, damit es wirklich zu einer umfassenden sicherheitspolitischen Diskussion in diesem Lande kommen kann. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. (Abg. Dr.  Khol: Jetzt gibt es wieder Wabl-Festspiele!) Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. (Abg. Dr. Khol: Besser wären 10 Minuten!) Auf 10 Minuten. – Bitte.

10.09

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht in der FPÖ und werde nicht zivilrechtlich belangt, wenn ich länger als fünf Minuten rede, obwohl die Minute bei mir natürlich sehr teuer wäre.


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Meine Damen und Herren! Was ich bei dieser Debatte besonders ins Licht rücken möchte, ist die Frage beziehungsweise Zwischenfrage des Kollegen Ofner, auf die Herr Kollege Schieder sehr elegant eingegangen ist (Abg. Dr.  Khol: Kollege Schieder ist immer elegant!), nämlich die Frage, wie denn die Praxis in einem konkreten Rechtsfall beziehungsweise Auslieferungsfall oder Verfolgungsfall, wie wir an dem aktuellen Beispiel in Italien sehen können, aussieht.

Meine Damen und Herren! Kollege Schieder hat sehr elegant die Kurve gekratzt und gesagt, daß an sich die Amerikaner völlige Offenheit gegenüber den Italienern zeigen und diese Statuten einhalten müßten, das sei allerdings eine Machtfrage. Weiters hat er in einer für mich sehr bemerkenswerten Stellungnahme im Zusammenhang mit der Supermacht USA, die ja noch immer die Todesstrafe hat, einen leichten Tonfall bekommen, der mir den Eindruck vermittelt hat, daß es sich dabei – um das einmal so vorsichtig zu formulieren – um sehr kritische Anmerkungen gegenüber dieser Supermacht handelt. Dabei sind Töne zutage getreten, die ich ansonsten von den Sozialdemokraten nicht so gewohnt bin, zumindest nicht öffentlich.

Meine Damen und Herren! Was hier offensichtlich an der Öffentlichkeit vorbeigeht, ist die Tatsache, daß wir dabei sind, in Verfolgungsfragen die nationale Souveränität aufzugeben. Wir begeben uns mit diesem Vertrag, der heute hier beschlossen wird, unter die Rechtshoheit der USA. Natürlich vertreten die Sozialdemokraten, die Grünen und, wie ich glaube, alle anderen Abgeordneten die Meinung, daß der Vorbehalt bezüglich der Todesstrafe ein Vorbehalt ist, der unbedingt durchgesetzt werden muß. Aber letztendlich, Herr Kollege Schieder, ist es eine Frage der Macht, die ein Land hat, um dies auch durchzusetzen. Ich erinnere an unzählige Fälle von Gerichtsbarkeit, bei denen die USA dann selbstverständlich Druck auf das jeweilige Land ausgeübt und die Auslieferung von fremden Staatsbürgern in ihr Land verlangt haben.

Wer garantiert uns, Herr Abgeordneter Schieder, daß, wenn österreichische Soldaten in den USA eine Übung machen – wie es ja bereits ohne gesetzliche Grundlage vorgekommen ist – und dort ein Fall von Rechtsverletzung, der in den USA eine Todesstrafe nach sich ziehen würde, passiert, daß es zu einer sofortigen Rückführung dieses österreichischen Staatsbürgers kommt, wenn die Meinung des Volkes und der öffentlichen Presse so gelagert ist, daß es nicht zu einer Auslieferung kommen soll? In solch einem Fall möchte ich mir die Haltung des Außenministers Schüssel oder jene des Bundespräsidenten Klestil ansehen, wenn sie bei der Madame Albright oder beim Herrn Bill Clinton antichambrieren, damit dieser Staatsbürger wieder nach Österreich kommt (Beifall bei den Grünen), wenn die Volksmeinung in diesem Land aufgehetzt ist, wenn schon die Vorverurteilung, wie es sehr oft in fast allen Ländern vorkommt, bereits akkordiert über die Bühne gegangen ist und die Presse den Kopf verlangt. (Abg. Schieder: Das gilt auch für Touristen, Diplomaten, Wirtschaftstreibende, Piloten oder Reporter! Dieser Gefahr setzt man sich in jedem Land aus!) Herr Abgeordneter Schieder! Sie haben schon recht. Es ist klar, daß im Falle, daß jemand nach den USA fährt und sich dort aufhält, das österreichisches Recht nicht zur Geltung kommt. Wir haben in unserem Strafgesetzbuch auch eindeutige Regelungen.

Meine Damen und Herren! Wer die Macht hat, erkennt man auch daran, wo wir unsere Verträge und unsere Vorbehalte anmelden. Diese werden nicht im NATO-Hauptquartier vorgebracht, sondern bei der Madame Albright oder bei der amerikanischen Regierung.

Ich habe am 1. Mai ein wunderbares Beispiel bekommen, wie österreichische Informationspolitik funktioniert und wie in diesem Land ein NATO-Beitritt vorbereitet wird. Das geschieht ohne ausführliche Diskussion über die Vor- und Nachteile. Ich habe zufällig davor einen ausländischen Sender gesehen, in dem darüber berichtet wurde, daß der amerikanische Senat einstimmig die NATO-Osterweiterung beschlossen hat. Der Nachrichtensprecher hat in einem Nachsatz angefügt, daß sich die amerikanische Rüstungsindustrie von der NATO-Osterweiterung Rüstungsaufträge in einem Ausmaß von zirka 400 Milliarden Schilling erwartet, dieser Wert entspricht zwei Dritteln des österreichischen Budgets. Herr Kollege Maitz, Sie schütteln den Kopf. Diese Meldung, von der APA übersetzt, in der Agence France Press vom 1. Mai gebracht, wurde in keiner österreichischen Zeitung kolportiert. Herr Abgeordneter Maitz! Die Art der Informationspolitik im ORF war lediglich, die einfache Meldung zu bringen, daß der amerikanische Senat einstimmig beschlossen – einstimmig beschlossen – hat (Abg. Jung: Nicht einstimmig!) – mit großer Mehr


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heit, der Nachrichtensprecher hat das so gesagt –, die NATO-Osterweiterung gutzuheißen, von dem Nachsatz konnte man im ORF nichts erfahren. Die Tatsache, daß die amerikanische Rüstungsindustrie auf diese großen Aufträge hofft, wurde nicht erwähnt.

Herr Abgeordneter Maitz! Ich weiß schon, daß das nur ein kleines Detail ist (Abg. Dr. Cap: Das ist unerheblich!) , ein völlig unerhebliches Detail, ob die amerikanische Rüstungsindustrie dadurch Rüstungsaufträge im Ausmaß von zwei Dritteln des österreichischen Budgets erwartet. (Abg. Dr. Petrovic: Hoffen darf sie ja!)

Meine Damen und Herren! Es wird immer so dargestellt – Kollege Spindelegger hat es ja schon versucht –, als seien die Grünen ein unsicherer oder überhaupt kein Partner in Sachen Sicherheit. Ich weiß schon, daß für Kollegen Spindelegger die sichersten Partner die Rüstungspartner, die Rüstungsfirmen sind. Aber wir sollten von dieser einfachen Darstellung – wer tut mehr oder weniger für die Sicherheit oder wer ist mehr oder weniger für den Frieden –, dieser Art der Schwarzweißdebatte abgehen. Die Frage ist, ob die NATO im Sinne einer neuen Konstruktion, im Sinne der UNO-Statuten, im Sinne einer internationalen Organisation, in der Recht vor Macht geht, überwindbar ist. Meine Damen und Herren! Das ist die entscheidende Frage. Das, was Sie hier machen ... (Abg. Dr. Cap: Das ist die falsche Fragestellung!) Ich weiß schon, die falsche Fragestellung, Herr Kollege Cap, Sie sehen das immer andersrum.

Herr Kollege Mock hat immer darauf hingewiesen, daß Recht ohne Macht Makulatur ist, daß Gesetz ohne Macht Makulatur ist, und das hat man ja auch im Bosnien-Krieg gesehen, aber, meine Damen und Herren, es kann nicht so sein, daß wir uns ausschließlich den Machtverhältnissen in Europa und auf dieser Welt anpassen. Und das, was Sie hier machen, ist ein ausschließliches Anpassen an diese Verhältnisse, ohne Anspruch darauf, eine Außenpolitik entscheidend mitzugestalten. Das, was die Sozialdemokratie etwas hilflos versucht, ist der Rest der Gestaltung einer Außenpolitik aus früheren Jahren, Herr Kollege Schieder. Und ich sage Ihnen, wenn es uns nicht gelingt, in diesem Bereich ein bißchen mehr deutliche Akzente in Richtung UNO, in Richtung OSZE zu setzen, sodaß diese Instrumentarien gestärkt werden, dann hat all dieses Lamentieren über eine Supermacht, die bestimmt, wer Waffen besitzen und wer keine Waffen besitzen darf, wer abrüsten und wer nicht abrüsten muß, wer Waffen kaufen und wer sie nicht kaufen darf, keinen Sinn.

Schauen Sie sich den Fall oder das Problem Indien an! Ich habe die diesbezüglichen Diskussionen teilweise verfolgt. Es war nicht einfach so, daß ein Land gesagt hat, daß es sich nicht an die internationalen Abkommen halten wolle, sondern Indien hat dezidiert erklärt, daß diese Art des Diktats der USA für Indien nicht akzeptabel sei. Nur weil Bill Clinton meint, er wolle keine andere Atommacht haben, müsse ein Land andere Formen der Verteidigung suchen. Es kann nicht sein, daß eine Supermacht diktiert, wer brav und wer böse ist. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Herr Kollege Scheibner! Wir werden letztendlich im Zusammenhang mit diesem Vertrag, der heute von Ihnen und von den Regierungsparteien beschlossen wird, erleben, daß letztendlich österreichische Staatsbürger, österreichische Soldaten, eindeutig unter der Rechtshoheit der USA stehen werden, weil dort letztendlich die Macht sitzt. Ich finde es immer rührend, wenn in einem Vertragswerk eine Erklärung Österreichs angefügt wird, die so ähnlich klingt wie die Erklärung des Außenministers zum EU-Beitritt, nämlich daß die Neutralität nicht angetastet werde. Da wird uminterpretiert, was bereits Wirklichkeit geworden ist, und zwar wird unter Punkt 3 festgehalten, "daß die gegenwärtige gültige österreichische Verfassungsgesetzgebung in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung nicht von der Anwendung des Übereinkommens betroffen ist." Hier versucht man, offensichtlich den Sozialdemokraten mit einem wunderbaren Satz, mit einer wunderbaren Erklärung zu sagen: Macht euch nichts draus, die Welt schaut zwar anders aus, aber wir haben hier festgehalten, daß die Welt so ausschaut, wie wir sie haben wollen, wie sie der Herr Außenminister gerne gehabt hätte und gerne hat, und damit wollen Sie die österreichische Bevölkerung einlullen.

Meine Damen und Herren! Ich halte diese Vorgangsweise nicht nur für unseriös, sondern ich halte diese Vorgangsweise für gefährlich. Sie werden in dieser Frage hoffentlich noch zur


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120. Sitzung / Seite 27

Einsicht kommen, daß wir eine möglichst breite Diskussion brauchen, eine offene Diskussion und dann eine Volksabstimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maitz. – Bitte.

10.20

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Annahme des NATO-Truppenstatuts wird für österreichische Soldaten und Zivilpersonen, die im Auslandseinsatz tätig sind, eine international anerkannte, einwandfreie rechtliche Grundlage geschaffen. Wir wollen, daß österreichische Soldaten, die Probleme bekommen, von österreichischen Institutionen und Gerichten behandelt werden. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Ebenso ist dieses Truppenstatut für Soldaten und Zivilpersonen anderer Staaten geschaffen, die in Österreich an Übungen teilnehmen.

Zu den Kollegen Jung und Kammerlander möchte ich nur folgendes sagen: Dieses Statut ist seit 47 Jahren, also seit dem 19. Juni 1951, bei den NATO-Staaten in Kraft. (Abg. Wabl: Bewährt! – Abg. Jung: Für Mitglieder! Für NATO-Mitglieder! Aber wir wollen ja angeblich nicht Mitglied werden!) Seit der Gründung der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" haben 18 von 27 Partnerstaaten dieses Statut ratifiziert. Darunter sind alle Nachbarstaaten Österreichs, darunter sind auch, Kollege Wabl, die neutralen Staaten Finnland und Schweden. (Abg. Jung: Schweden noch nicht!)

Glauben Sie wirklich, daß alle diese Staaten, alle Fachleute und alle politisch Verantwortlichen nicht durchschaut haben, was dieses Statut bedeutet? Ich glaube nicht, daß alle diese Verantwortlichen die Nachhilfe der Kollegen Jung oder Kammerlander brauchen. (Abg. Dr. Khol: Na Kammerlander vielleicht schon!)

Herr Kollege Jung! Mit Ihrem Versuch, Verwirrung über dieses Truppenstatut zu stiften (Abg. Jung: Sie lassen sich ja so leicht verwirren!), sind Sie grundsätzlich gescheitert! Auch von Ihrem Versuch, mit lautstarken Worttiraden etwas zu konstruieren – das ist ja der Auftrag einer aggressiven Opposition –, ist außer Kraftausdrücken eigentlich nichts übriggeblieben. (Abg. Scheibner: Die Kraftausdrücke sind vom Spindelegger!) Ich meine die Kraftausdrücke des Kollegen Jung! Ist eine Kostprobe gewünscht? Bitte, Herr Kollege Scheibner. (Abg. Scheibner: Bitte!) Roßtäuschermethoden, Mogelpackung, Verfassungsbruch, Murks, feige und so weiter. (Abg. Schwarzenberger: So hat der Rosenstingl im Verkehrsausschuß auch gesprochen!) Das ist die Methode der FPÖ!

Kollegin Kammerlander hat das schreckliche Unglück in Italien als Grundlage ihrer Argumentation genommen. (Abg. Dr. Petrovic: Verbrechen! Nicht Unglück!) Natürlich! Das war ein unverzeihliches persönliches Fehlverhalten. Selbstverständlich werden die Verantwortlichen vor Gerichten von westlich-demokratischen Rechtsstaaten zur Verantwortung gezogen. (Abg. Jung: Noch ist es offen!) Alles zu seiner Zeit! Ich möchte, daß Österreicher, die Probleme haben, von österreichischen Institutionen behandelt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Genau das ist ja nicht der Fall!) O ja, ganz genau.

Zum Kollegen Scheibner möchte ich nur folgendes sagen: Wenn man keine sachlichen Argumente mehr findet, greift man zur persönlichen Verunglimpfung. (Abg. Scheibner: Wo? Wo? Was für Verunglimpfung?) Ich glaube, daß zum Kollegen Spindelegger diese Untergriffe überhaupt nicht passend waren, denn wir sind stolz auf unsere niederösterreichischen Abgeordneten. (Abg. Scheibner: Dann haben Sie seine Rede nicht gehört!) Sie haben zur Zeit keinen Anlaß, auf Ihren niederösterreichischen Abgeordneten Rosenstingl stolz zu sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Gegenteil: Sie sollten sich wegen Ihres niederösterreichischen Abgeordneten Rosenstingl still vor sich hin schämen und nicht den Kollegen Spindelegger durch unqualifizierte Untergriffe schlechtmachen. (Abg. Scheibner: Immer wenn ihr uns braucht, kommt ihr zu uns und jammert! Das könnt ihr euch sparen in Zukunft! Jammert beim Koalitionspartner!) Das ist die Wahrheit, und die müssen Sie sich gefallen lassen.


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120. Sitzung / Seite 28

Wir werden dieser rechtlich einwandfreien Grundlage zustimmen, denn wir setzen damit einen wesentlichen Schritt für die Friedensarbeit unserer Soldaten. (Beifall bei der ÖVP.)

10.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Dr. Cap: Stilles Schämen ist angesagt! Stilles Schämen! – Abg. Gaugg: Was dir alles einfällt! – Abg. Dr. Cap: Ja, das war gut!)

10.24

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schieder hat bereits darauf hingewiesen, daß es sich bei der heutigen Debatte um eine Ersatzdebatte handelt, er ist auch in überzeugender Form auf die einzelnen Kritikpunkte im Detail eingegangen. Das ist der Grund dafür, daß sich die Debatte seit seiner Wortmeldung wieder auf eine generelle sicherheitspolitische Ebene verlagert hat, ein Umstand, der aber auch keinen Schaden darstellt, weil damit eine immer wieder geforderte Debatte nun auch geführt wird.

Ich bin der Meinung, daß unserem Land kein guter Dienst erwiesen wird, wenn man permanent versucht, diese Debatte zu emotionalisieren. (Abg. Scheibner: Das macht aber ihr, vor jeder Wahl!) Habe ich jetzt irgendeine Attacke gegen dich geritten, Kollege Scheibner? (Abg. Scheibner: Nein! Aber du hast recht!) War ich unfair, was deine Nervosität erklären würde? Oder sonst irgend etwas? Ist es möglich, einmal ein Argument zu vorzubringen, ohne daß ihr gleich auszuckt? (Abg. Scheibner: Ich sage ja, du hast recht!) Gut!

Herr Kollege Scheibner! Einigen wir uns darauf, daß wir versuchen, diese Debatte entemotionalisiert zu führen. Gehen wir nicht davon aus, das der eigene Standpunkt zu 100 Prozent der einzig mögliche ist und als einziger Österreich vor Krieg bewahren und den Frieden sichern wird, sondern davon, daß wir seit dem Jahre 1989 in einer sicherheitspolitisch flexiblen Situation sind, in der einzelne Staaten unterschiedliche Schritte mit einer Zielsetzung unternehmen, nämlich Sicherheit, Frieden und Stabilität in Europa zu schaffen.

In diesem Zusammenhang stellen wir fest – und das halte ich für einen Fortschritt –, daß man versucht, sich von der alten Wagenburg-Mentalität, die durch die militärischen Blöcke zum Ausdruck gekommen ist, in Richtung kollektives Krisenmanagement zu entwickeln. Das ist in Wirklichkeit das Aufgreifen der alten Idee, die hinter der Gründung der Vereinten Nationen gesteckt ist. Nun versucht man, diese über zusätzliche Instrumentarien auch in Europa mit Leben zu erfüllen.

Österreich hat sich, meiner Auffassung nach vernünftigerweise, gegenüber diesen Kooperationsmöglichkeiten erweiterter Form nicht verschlossen, sondern ganz im Gegenteil all jene Kooperationsebenen, die mit unserer verfassungsrechtlichen Grundlage, die gültig ist, vereinbar sind, auf- und wahrgenommen und damit klar seine Bereitschaft unterstrichen, alles, was auf Basis der bisherigen verfassungsrechtlichen Grundlage möglich ist, im Rahmen von Kooperationen zu leisten. (Abg. Scheibner: "PfP-plus" und Neutralität ist eine gewagte Sache!) Alle völkerrechtlichen Gutachter gehen davon aus, lesen Sie auch die neuesten Publikationen zu diesem Thema, nach denen "PfP" und auch "PfP-plus" die maximale Kooperationsmöglichkeit unter der Bündnismitgliedschaft sind. (Abg. Jung: "PfP-plus" nicht mehr!) Ich verweise auch auf künftig erscheinende Publikationen zu diesem Thema. (Abg. Jung: Es gibt auch Verstöße unter der Bündnisschaft!) Das ist die maximale Variante auf Basis der bisherigen verfassungsgesetzlichen Grundlage.

Ich halte es für eine saubere Vorgangsweise, zu sagen, daß wir auf Basis unserer Verfassungsgesetze zu Solidarität und Kooperation bereit sind. (Abg. Jung: Wir haben auch nichts dagegen!) Nun sagen manche Personen, wie etwa die Abgeordneten der FPÖ oder auch einzelne der ÖVP und des Liberalen Forums, daß sie darüber hinausgehen und Mitglied der NATO werden wollen. Ich halte das für ein legitimes Anliegen, bin aber der Meinung, daß dieser Schritt für Österreich nicht notwendig ist, weil er die Sicherheit dieses Landes nicht vergrößert. Sie sind anderer Auffassung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine Diskussion, die man in einer vernünftigen Art und Weise führen kann. Am Ende dieses Prozesses sollte, falls sich im Haus eine Mehrheit ergibt, meiner Meinung nach das österreichische Volk damit zu befassen sein. (Abg. Jung: Richtig!) Derzeit ist es jedoch so, daß es verfassungsrechtliche Grenzen gibt, in deren Rahmen wir uns zu bewegen haben, das erfordert auch das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung. Daher sind Erklärungen wie jene im SOFA-Abkommen – an die Adresse des Kollegen Moser gerichtet – durchaus notwendig. (Abg. Jung: Sind sie auch rechtsverbindlich? Das ist das Problem!)

Denn nur weil Kollege Moser sagt, für ihn sei die Neutralität unerheblich, da sie sozusagen überholt sei, ist sie deswegen verfassungsrechtlich nicht abgeschafft, sondern ein existentes österreichisches Verfassungsrecht. Die Bundesregierung und der Nationalrat haben die Aufgabe, im Rahmen einer solchen Erklärung auf die verfassungsrechtlichen Grenzen hinzuweisen.

Man muß also zwischen dem, was erforderlich ist, um die derzeitige verfassungsrechtliche Situation bei einem solchen Abkommen zu berücksichtigen, und der subjektiven politischen Intention der Kollegen Moser, Scheibner und anderer, die über das hinausgehen, was derzeit der Fall ist, unterscheiden. Auf Basis dessen jedoch, was derzeit Verfassungslage ist, ist dieses Abkommen meiner Ansicht nach eine saubere verfassungsrechtliche Umsetzung.

Überhaupt signalisiert die gesamte Teilnahme an "PfP" und in weiterer Folge an "PfP-plus" deutlich die Bereitschaft Österreichs, auf Basis unserer derzeitigen verfassungsrechtlichen Grundlage am internationalen solidarischen Krisenmanagement teilzunehmen, daß wir keine Trittbrettfahrer sind, uns nicht von der internationalen Verantwortung abseilen und im Rahmen unserer Möglichkeiten das tun, was wir für richtig erachten. (Abg. Jung: Wie ist es mit der Gültigkeit im Kriegsfall?) Was den Kriegsfall betrifft, so ist auch in der Erklärung völlig klar, daß in diesem Fall der Neutralität der Vorzug zu geben ist. (Abg. Jung: Warum schreibt man es nicht?)

Was die Ausführungen des Kollegen Wabl betrifft, möchte ich noch zwei Bemerkungen anfügen: Kollege Wabl hat sich mit einer Frage auseinandergesetzt, die ich für eminent wichtig halte. Er hat die Frage gestellt, ob es in Zukunft etwas geben wird, was über die NATO hinausgeht. Denn wenn man nicht will, daß die USA die einzigen sind, die entscheiden, wer oder was gut oder böse ist, so ist die entscheidende Frage, ob es etwas anderes gibt, das den USA eine nicht so dominante Position zugesteht. (Abg. Scheibner: Da mußt du aber Mitglied werden, Herr Kollege!)

Offen gestanden, die einzige Ebene, die ich in diesem Zusammenhang für relevant halte, ist die Herausbildung eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa, ausgehend vom Kern der Europäischen Union, und eine globale Kooperation im Rahmen der Vereinten Nationen. Wir beide wissen, daß wir in beiden Bereichen erst am Beginn einer Entwicklung sind, weswegen auch die Argumente in Richtung der NATO manchmal sehr stark klingen, aber das sind meiner Auffassung nach die beiden einzelnen Ebenen, die entwickelbar sind.

Wenn sich nun die österreichische Sozialdemokratie dazu entschlossen hat, vor allem auf dem Sektor der europäischen Verteidigungsidentität und Kooperation Vorschläge zu entwickeln und auf europäischer Ebene zur Diskussion zu stellen, dann sind das in Wirklichkeit die ersten Vorschläge, die mit der Intention gemacht werden, sich nicht alleine etwaigen Diktaten der USA auszuliefern.

Das spricht jedoch nicht dagegen, daß wir auch weiterhin ein vernünftiges Verhältnis mit den USA haben und daß es eine transatlantische Kooperation geben soll. Aber daß sich die Welt in einer Schieflage befindet, wenn es nur einen Hegemon gibt, der nicht darauf Rücksicht nehmen muß, wie sich andere verhalten, erachte auch ich für ungesund. – Daher halte ich eine Verstärkung der europäischen Komponente nicht für eine Drohgebärde oder eine Absage an die transatlantische Kooperation, sondern für einen ganz entscheidenden Schritt zur Herstellung einer vernünftigen Balance in diesem Bereich. (Abg. Jung: Da müssen Sie aber auch erst Mitglied werden!)


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Herr Kollege Wabl! Ich möchte noch etwas zu dem, was Sie über Indien gesagt haben, klarstellen. Zwar verstehe ich, was Sie gemeint haben, wir stehen aber vor einem Problem: Wenn wir auf der einen Seite von den atomwaffentragenden Staaten mit Recht verlangen, daß es eine atomare Abrüstung geben soll – und diese hat es in den letzten Jahren auch tatsächlich gegeben –, dann können wir auf der anderen Seite nicht neuen Staaten zugestehen, daß sie konsenslos Atomwaffen testen und Atomwaffen aufstellen, denn sonst ist der Abrüstungsprozeß Makulatur. (Abg. Wabl: Das ist keine Frage!) Ich glaube, wir sind uns in dieser Frage einig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Abkommen, das wir heute beschließen werden, ist meiner Ansicht nach eine konstruktive Fortsetzung des sicherheitspolitischen Weges Österreichs auf Basis unserer gegebenen verfassungsmäßigen Grundlage. Es werden mit diesem Abkommen nicht irgendwelche Apokalypsen kommen, weder werden gleich alle Seilbahnen in Österreich abstürzen, noch wird sofort überall die Todesstrafe verhängt werden, oder welche Schreckensszenarien noch präsentiert wurden. (Abg. Scheibner: Um das geht es ja nicht!) Es ist ein weiterer Schritt der Einordnung Österreichs in ein internationales Krisenmanagement, und das halte ich für richtig. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Dann nehmen wir nur die Pflichten, aber nicht die Rechte!)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. Ich erteile ihm das Wort.

10.35

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Abhandlung von Details, die oft die Qualität eines Abkommens oder eines politischen Aktes bestimmen, sieht man das Echo der Grundhaltung. Der eine ist eben für mehr Sicherheit durch mehr Solidarität im Bereich der Absicherungen der eigenen Unabhängigkeit durch militärische Hilfe – etwas, was etwa die NATO oder die EU grundsätzlich anpeilen –, der andere ist dagegen und hat Vorbehalte. Daher bin ich der Auffassung, daß wir nicht schwarzweißmalen sollen.

Man muß die Dinge klar sehen. Man möge bedenken, was wir in den letzten Jahren unterschrieben und erklärt haben, begonnen bei dem Zitat, das ich gestern gebracht habe, nämlich dem von der immer enger werdenden europäischen Zusammenarbeit in allen Bereichen – dazu gehören auch die Sicherheit und die gemeinsame Außenpolitik. Wenn es heißt – und das haben wir ebenfalls unterschrieben –, daß die Westeuropäische Union einen Teil der Entwicklung der Europäischen Union darstellt, also ein militärischen Aspekt, wenn es weiter heißt, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu einer gemeinsamen Verteidigungspolitik führen soll und sogar zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, dann liegt klar auf der Hand, daß man anpeilt, unsere Interessen sowie unsere Unabhängigkeit und Freiheit gemeinsam in Solidarität zu verteidigen.

Wenn so viel von der für ein neues Europa notwendigen Solidarität gesprochen wird, dann sollten wir aber die Solidarität auch dort praktizieren, wo sie am wichtigsten ist, dort, wo der größte Wert liegt, nämlich bei der Unabhängigkeit eines Landes sowie der Selbständigkeit und Freiheit seiner Bürger. Denn bei all diesen Fragen – so wichtig sie im Detail auch sind – geht es vor allem um die Sicherheit unseres Landes und die Freiheit seiner Bürger. Das ist das zentrale Ziel! (Beifall bei der ÖVP.)

Völkerrecht, Neutralität, Art des Bundesheeres und vieles andere sind wichtige Fragen, sie haben sich aber dem unterzuordnen. Sie sind nur Instrumente der Sicherung der Freiheit unseres Landes und seiner Bürger.

Dabei gibt es auch Veränderungen. Zur Frage der Neutralität ist zu sagen, daß Spezialisten in den Jahren 1946 und 1945 erklärt haben, daß ein neutraler Staat nicht einmal Mitglied der Vereinten Nationen werden kann. Diese Diskussion wurde eine Zeitlang geführt, als Schweden Mitglied der Vereinten Nationen werden wollte. Die Frage, ob das überhaupt möglich sei, wurde dann bejaht, die Mitgliedschaft voll akzeptiert. Das Problem, wie man bei einem kollektiven Sicherheitsakt der Vereinten Nationen die Vorwirkungen der Neutralität respektieren könnte, wurde weggelassen. Die kollektive Sicherheit bekam Vorrang.


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Heute gibt es bereits Thesen, die besagen, daß auch die regionale Sicherheit, wenn sie von der UNO gebilligt wird, Vorrang vor den Wirkungen des Neutralitätsgesetzes um militärische Konflikte hat. (Abg. Scheibner: Da bleibt aber vom sicherheitspolitischen Aspekt nicht mehr viel übrig!) Richtig! Heute wird in einem ständigen Prozeß in Phasen über eine Änderung des Neutralitätsbegriffs – man kann auch Abwertung sagen, je nach dem, wie man das sieht – diskutiert. Das hat es auch früher teilweise gegeben – ich nenne nur die Neutralität von 1918 bis 1938 –, aber nie in einem Ausmaß wie heute. Da gibt es substantielle Veränderungen!

Trotzdem kann man nicht sagen, daß es Opportunismus ist, wenn man sich dieser Sache anpaßt. Auch in der praktischen Politik, als wir den Brief zum Beitritt in die Europäischen Union überreicht haben, war die Frage nach einem Vorbehalt zwecks Sicherung der Neutralität sicherlich aktuell. Vier, fünf Jahre später hat kein Mensch mehr danach gefragt, es gab ein anderes Verständnis dafür. Das Leben hat seine Dynamik. Wichtig ist, daß man das nicht opportunistisch im Sinne der eigenen Thesen mißbraucht, sondern daß man so wichtige Fragen möglichst konsensual behandelt.

Kollegin Kammerlander! Ich möchte hier auch sehr deutlich etwas zu Cavalese sagen. Es ist bedauerlich, furchtbar für die Familien, aber wenn Sie sagen, wenn wir diesem Übereinkommen zustimmen, riskieren wir auch solche Vorfälle, dann muß ich Ihnen sagen: Immer riskieren wir Gefahren. Aber um das größte Risiko, den größten Schaden zu vermeiden, wollen wir ja ein Sicherheitskonzept, das in der Praxis auch wirklich wirkt. Wir streben ja die Mitgliedschaft in diesen Organisationen deshalb an, weil wir keinen Krieg, keinen militärischen Konflikt wollen, keine Vertriebenen in unserem Land wollen, keine Flüchtlinge wollen, weil wir eine gewisse "Wagenburg"-Unterstützung haben wollen, Kollege Gusenbauer.

Ich wäre froh gewesen, wenn wir 1938 diese "Wagenburg" gegen die damalige Annexion beziehungsweise Okkupation Österreichs gehabt hätten. Wir haben sie nicht gehabt. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Mag. Peter. )

Ich war immer ein großer Bewunderer des englischen Parlaments. Mit einer Mehrheit von 366 zu 144 Stimmen wurde damals das Münchner Abkommen gebilligt – im Parlament mit der größten demokratischen Tradition –, ein Abkommen, das praktisch alles zur Kenntnis genommen hat, was 1938 mit uns passiert ist, mit der Tschechoslowakei und vielen anderen Ländern auch. Ich glaube, wir sollten daraus lernen, daß auch ein kleiner Schritt oft große Wirkung haben kann, und das sollen wir auch in Zukunft so handhaben. Das kann für unser Land nur gut sein. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ, der Freiheitlichen und des Liberalen Forums.)

10.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

10.42

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst bin ich dankbar für die wirklich qualitätsvolle Diskussion und Debatte. Es wurden einige Fragen aufgeworfen, zu denen ich gerne Stellung nehmen möchte.

Das erste – und es ist, glaube ich, wichtig, dies festzuhalten –: Dies ist kein vorweggenommener Beitritt zur NATO. Niemand beabsichtigt das, ich am allerwenigsten. Ich kämpfe für eine ehrliche und offene Diskussion, und jeder kann sicher sein, daß die Diskussion nicht über die Hintertür oder über irgendwelche verfassungsrechtlichen Fußangeln geführt wird. Dieses Abkommen hat einzig und allein einen Sinn: die Übungen für die "Partnerschaft für den Frieden" auf eine verfassungsrechtlich einwandfreie Basis zu stellen. Nichts anderes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dieses Abkommen basiert auf bewährten Regeln. Natürlich sieht das NATO-Truppenstatut mehrere Möglichkeiten vor. Es gilt für dauerhafte Stationierungen, es gilt für Übungen. Für uns kommen natürlich aufgrund der Definition keine dauerhaften Stationierungen in Frage. Wir schließen uns wie alle anderen Partner für den Frieden auch einem Abkommen an, das technisch, juristisch, politisch alle vorhersehbaren Begleitumstände regelt, die man sich einfallen lassen kann, im Sinne der Rechtssicherheit.


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Wir sind gemeinsam mit Aserbaidschan und der Ukraine das letzte Land, das dieses Abkommen ratifiziert. Daher ist es wirklich hoch an der Zeit, daß der österreichische Nationalrat jetzt diesen Schritt setzt. Niemand hat das Recht – ich sage das ausdrücklich –, kein anderes Land hat das Recht, fremde Truppen in Österreich gegen unseren Willen zu stationieren. Vielmehr verpflichtet dieses Abkommen solche Truppen und Personen, österreichische Gesetze und Vorschriften bei ihrem Aufenthalt in Österreich einzuhalten. Das ist, glaube ich, der Kern, darum geht es.

Ein Vorwurf ist gemacht worden, den ich sehr ernst nehme, nämlich daß man den ganzen "PfP"-Komplex, also den "Partnerschaft-für-den-Frieden"-Komplex, dem Parlament hätte vorlegen sollen. Ich habe vor allem die sehr klugen und maßvollen Ausführungen Peter Schieders, des Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses, ernst genommen und ernst zu nehmen. Ich war derjenige – das sage ich schon auch deutlich –, der politisch reagiert und, dem Wunsch, glaube ich, aller Fraktionen folgend, alle relevanten Dokumente den Fraktionen zur Verfügung gestellt hat.

Nur eines, Abgeordneter Moser, weise ich wirklich mit Entschiedenheit zurück, nämlich die Formulierung "Ignoranz des Außenministeriums oder des Außenministers gegenüber dem Parlament". (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Abgeordneter! Mit so einem Vorwurf muß man deswegen sorgsam umgehen, weil er mich trifft – ich sage das auch ganz offen. Ich bin immerhin sechsmal gewählter Abgeordneter dieses Hauses, war zehn Jahre lang Abgeordneter und bin jetzt neun Jahre Minister, der sein Mandat zurückgelegt hat. Ich meine es mit dem Verhältnis Parlament und Regierung sehr ernst, nur kann ich mir nicht aussuchen, ob es jetzt politisch opportun ist, etwas vorzulegen oder nicht. Das entscheiden der Verfassungsdienst, der Legislativdienst des Parlaments oder das Völkerrechtsbüro. Wenn mir gesagt wird, ich kann und soll das vorlegen, haben Sie jetzt schon jede Zusicherung pro futuro von mir, daß alle relevanten Dokumente dem Parlament zur Verfügung gestellt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber erwarten Sie nicht, daß ich mich aus noch so begründeten politischen Opportunitäten jetzt gegen eine legistische Sicht des Verfassungsdienstes oder des Völkerrechtsbüros stelle. Ich habe meinen Weg gefunden, indem ich den Fraktionen alle relevanten Dokumente zur Verfügung gestellt habe. Ich hoffe, damit ist dieser Punkt zwischen uns ausgeräumt, das ist mir wichtig.

Es wurde die Frage gestellt: Wie war das eigentlich mit den bisherigen Übungen? Und ich habe gesagt: Entweder sind Soldaten oder Polizisten Österreichs in der Vergangenheit im Rahmen individueller Arrangements zur Verfügung gestanden, oder sie waren der Jurisdiktion des aufnehmenden Landes unterworfen. Im Falle Amerikas habe ich das aufgrund der Ausschußdiskussion noch einmal überprüft. Bei dieser US-Übung, in die Österreicher involviert waren, gab es technische Arrangements, ein Memorandum of Understanding. Darauf hat vermutlich auch der Verteidigungsminister Bezug genommen. In der Jurisdiktion aber sind die Österreicher in den USA dem amerikanischen Recht unterstellt gewesen. Das ist der Punkt, und das ist unbefriedigend, das sage ich ganz offen. Daher begrüße ich den heutigen Beschluß des österreichischen Nationalrates. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Parlamentarier der Grünen haben hier sicherlich die klarste Position, weil sie gegen die NATO sind, gegen die "Partnerschaft für den Frieden" auftreten, und daher müssen sie logischerweise auch dieses Truppenstationierungs- oder Übungsabkommen ablehnen. Daher sind hier berechtigte Fragen vom Grundsatz her gestellt worden: Gibt es denn eine Alternative zur "Partnerschaft für den Frieden" oder zur Mitgliedschaft innerhalb der NATO? Oder gibt es beispielsweise innerhalb der UNO, innerhalb der OSZE andere Möglichkeiten?

Ich sage Ihnen auch aus tiefer Überzeugung, daß ich mich gegen diese Zuspitzung eines Gegensatzes: entweder NATO oder etwas anderes zutiefst wehre. Das ist auch falsch in der Praxis. Ich glaube, daß dies keine Alternativen sind, sondern Ergänzungen, Symbiosen. Denn es ist doch klar, daß heute unter UNO-Mandat, aber mit NATO-Kommando der Frieden in


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Bosnien gesichert wird, die Rückkehr der Flüchtlinge ermöglicht wird, Kriegsverbrecher gejagt werden – nicht immer mit ausreichendem Erfolg.

Ich sage auch ganz offen dazu, daß mich manche Töne stören, auch in der öffentlichen Diskussion, daß man eigentlich so tut, als ob die Amerikaner ein unerwünschter Feind wären oder eine unerwünschte Parallelaktion machten. Ich bin als österreichischer Außenminister und als EU-Mitglied froh darüber, daß es jetzt in diesen Tagen gemeinsam gelungen ist, durch die Anstrengungen der Europäischen Union, aber auch durch die Vermittlungsversuche von Richard Holbrooke, daß Miloševi% am Freitag endlich den albanischen, kosovarischen Führer Rugova empfangen wird. Das ist ein gemeinsamer Erfolg, der von uns errungen wurde, und die EU ist nicht minder daran beteiligt, wie Richard Holbrooke zeigt, der im Moment auf einer Shuttlemission ist. Daher würde ich meinen, befreien wir uns ein bißchen von diesen Antiamerikanismen, die meiner Meinung nach überhaupt nichts helfen und zu nichts nütze sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte mich nachdrücklich den Ausführungen des Abgeordneten Gusenbauer anschließen, die er hinsichtlich der von Indien durchgeführten Atomtestversuche gemacht hat. Vielleicht ist es schlecht herausgekommen, ich habe es auch so verstanden, als ob ein gewisses Verständnis für die indische Position oder die indischen Atomtestversuche durchgeklungen wäre: Da die Amerikaner es nicht zulassen wollen, daß es neue Atommächte gibt, deswegen muß man ein bißchen Verständnis dafür haben.

Ich habe gestern ganz klar öffentlich verurteilt, was Indien gemacht hat. Für mich gibt es auch überhaupt keinen Unterschied – und wir haben uns gemeinsam massiv dagegen ausgesprochen –, ob Frankreich, ob die Amerikaner, ob die Chinesen oder jetzt die Inder solche Atomtestversuche, sei es oberirdisch oder unter der Erde, durchführen. Österreich, ein kleines Land, war es, das mit anderen Verbündeten weltweit, im UNO-Zusammenhang, durchgesetzt hat, daß es einen umfassenden Atomteststopp gibt, daß es einen Vertrag gibt, der international beachtet werden muß.

Wir wollen auch, daß jene Länder, die noch nicht beigetreten sind, sich in diese Weltallianz gegen Atomversuche einbinden lassen. Wir Österreicher sind umso mehr befugt, das zu tun, weil Wien die Welthauptstadt im Kampf gegen die Atombombe ist. Die CTBTO hat ja hier ihren Sitz. Und deswegen würde ich mir wünschen, daß wir es nicht nur bei einer verbalen Verurteilung durch einzelne Politiker bewenden lassen – ich habe das gestern getan. Es ist ja paradox und fast bitter, daß am Geburtsort von Gautama Buddha diese Atomversuche, drei an der Zahl, in der Wüste, in der Nähe zur pakistanischen Grenze, noch dazu am Geburtstag Buddhas, gemacht wurden. Ich lade Sie wirklich dazu ein – und ich bitte Sie förmlich darum –, daß vielleicht heute der österreichische Nationalrat in einer gemeinsamen Entschließung diese Sorge zum Ausdruck bringt, daß durch diese indischen Versuche eine weitere Spirale auf dem Weg zum Rüstungswettlauf in der Nukleartechnologie in Gang gesetzt wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

10.51

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! – Herr Bundesminister! Es ist in der Debatte nie um Antiamerikanismen gegangen, aber es geht um die berechtigte Frage der Kontrolle von Macht im internationalen Raum. Und ich frage Sie schon: Was waren denn die Reaktionen auf die französischen Atomtests in Mururoa? Ich denke, alle Atomtests sind zu verurteilen.

Zwei kurze Punkte zum NATO-Truppenstatut. Es scheint keinen Kernbestand der Neutralität mehr zu geben. Meine Damen und Herren von der SPÖ, Ihr Lippenbekenntnis zu einer Leerformel Neutralität nützt nichts. Herr Bundesminister! Dieses Truppenstatut und die Folgewirkungen untergraben die österreichische Sicherheit. Wenn wir übereinstimmen, daß die Sicherheit


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vor allem durch Armut, durch dadurch provozierte Migration gefährdet ist, dann frage ich Sie schon, wieso jetzt in den Reformstaaten 400 Milliarden Schilling in die Aufrüstung gesteckt werden. Abgeordneter Mock hat gestern richtig gesagt, es sollte endlich ein wirtschaftlicher Marshallplan gemacht werden, die Löhne und Einkommen müssen steigen, wir brauchen ein besseres Lebenshaltungsniveau in unseren Nachbarstaaten.

Österreichs Sicherheit wird untergraben, wenn 11 000 Millionen Schilling für JAGUAR- und LEOPARD-Panzer und das teure Zubehör ausgegeben werden, während es schier unmöglich ist, 600 Millionen Schilling für Kindergärten aufzutreiben. Diese Aufrüstung untergräbt die soziale Sicherheit in Österreich! (Beifall bei den Grünen. – Heftiger Widerspruch bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ein Weiteres: Wir haben gestern ein Gesetz mit dem häßlichen Namen "Ermächtigungsgesetz" im Zusammenhang mit dem Amsterdamer Vertrag beschlossen. Außer Herrn Abgeordneten Schieder war schon im Ausschuß niemand mehr in der Lage, die aktuellen Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung noch zu umreißen, weil wir nicht mehr wissen, was das Verfassungsrecht und was das Verfassungsrecht sui generis ist. Jetzt wird diese Ermächtigungsstrategie offenbar auf den kriegswirtschaftlichen Bereich ausgedehnt.

Herr Abgeordneter Schieder! Ich weiß nicht, wie Sie es mit dem § 62 StGB halten. Da steht sehr klar etwas über strafbare Handlungen im Inland drinnen. Diese sind nämlich grundsätzlich auch im Inland strafbar. Wenn hier für eine bestimmte Personengruppe Ausnahmen geschaffen werden, dann frage ich Sie schon, warum Sie diese Ausnahmen gerade für eine Organisation schaffen, die Beweismaterial verschwinden läßt, die Tonbandaufzeichnungen als Beweismaterial einfach vernichtet und die einen Flugschreiber verschwinden läßt – und das angesichts von 21 toten Zivilistinnen und Zivilisten. (Beifall bei den Grünen.)

10.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Wunsch auf Schlußwort des Berichterstatters liegt nicht vor. Daher können wir abstimmen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages samt Erklärungen Österreichs in 943 und Zu 943 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit. Dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages wurde somit zugestimmt.

Damit haben wir den 1. Punkt der Tagesordnung erledigt.

2. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (907 der Beilagen): Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren (1171 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 619/A (E) der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend diplomatische Schritte gegenüber der Republik Malta zwecks Eindämmung der Jagd auf Zugvögel (1172 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 672/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Beitritt Österreichs zur Konvention zur


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Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention) (1173 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 2 bis 4 der Tagesordnung. Die Debatte wird unter einem durchgeführt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen somit gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte.

10.57

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da sich diese drei Tagesordnungspunkte mit dem Schutz von Heimtieren und der Erhaltung von Tierarten beschäftigen, gestatten Sie mir zuerst einige grundsätzliche Bemerkungen zum Tierschutz in Österreich.

Derzeit haben wir noch immer die unbefriedigende Regelung, daß wir neun verschiedene Landestierschutzgesetze mit teilweise sehr unterschiedlichen Regelungen haben, die den Schutz unserer Mitgeschöpfe gewährleisten sollen. Dies ist aufgrund der unterschiedlichen Regelungen aber oft nur sehr mangelhaft der Fall, da, wie gesagt, in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen vorhanden sind. Dadurch werden Tierquälereien und Mißbrauch Tür und Tor geöffnet. Aus diesem Grund haben engagierte Tierschützer mit viel Mühe und Einsatz vor zirka zwei Jahren ein Tierschutz-Volksbegehren initiiert, in dem bundeseinheitliche Regelungen in Form eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes verlangt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An der Behandlung dieses Tierschutz-Volksbegehrens sieht man ganz deutlich, wie wenig ernst diese Koalitionsregierung einerseits die direkte Demokratie nimmt, und andererseits, mit welcher Ignoranz sie über die Sorgen und Wünsche von mittlerweile zirka 650 000 Unterzeichnern hinweggeht. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit fast zwei Jahren wird ein erfolgreiches Tierschutz-Volksbegehren mit zirka 460 000 Unterschriften, wobei zu sagen ist, daß zu diesem Volksbegehren noch weitere zirka 200 000 Unterschriften nachgeliefert wurden, ignoriert und im Unterausschuß schubladisiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ÖVP mit ihrem Bremser Khol mauert, und die SPÖ mit ihrem Herrn Kostelka will dieses bundeseinheitliche Tierschutzgesetz zu keiner Koalitionsfrage machen, wie er selbst erklärt hat. Ich kann mich sehr gut erinnern, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß vor einigen Jahren ein Herr Klima – damals noch Minister – am österreichischen Tierschutzkongreß und natürlich vor der Wahl dieses Bundestierschutzgesetz den Tierschützern versprochen hat. Jetzt zeigt sich zum Leidwesen der Tiere, daß der angebliche Macher Klima mit seinem Beiwagerl Schüssel wieder einmal ein gemachtes Versprechen nicht einhält. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun versucht man mit dem Beschluß dieses Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren die Unfähigkeit zu kaschieren und in den Bereich der EU abzuschieben. Man argumentiert, daß die Mitgliedschaft bei diesem Übereinkommen ein Zeichen dafür sei, wie wichtig der Tierschutz in Österreich in allen Bereichen genommen werde, und daß das internationale Ansehen dadurch gestärkt würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Hinblick auf diese Argumentation zwei Dinge klarstellen. Erstens geht es nicht um Tierschutz in allen Bereichen, sondern lediglich im Bereich der Heimtiere, und zweitens würde Österreich sicherlich weit mehr internationales Ansehen genießen, wenn es endlich die Tierschutzaspekte im nationalen Bereich harmonisieren und verbessern würde. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es sollten daher die Forderungen Hunderttausender Unterzeichner endlich ernst genommen und umgesetzt werden. Natürlich muß auch auf EU-Ebene etwas geschehen. Gerade wir Freiheitlichen haben vor zirka zwei Jahren anläßlich des Welttierschutztages im Parlament einen


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diesbezüglichen Antrag eingebracht, der jedoch leider von den Koalitionsparteien – damals leider auch von den Grünen – abgelehnt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bezeichnend für diese Ignoranz in Sachen Tierschutz ist auch, daß der Antrag der Freiheitlichen betreffend diplomatische Schritte und Verhandlungen mit Malta zwecks Einschränkung beim Fang und bei der Jagd bestimmter Zugvögel, vor allem Singvögel, abgelehnt wurde. Nach Schätzungen deutscher Vogelschutzvereine sind 1,5 Millionen der jährlich dort gefangenen Vögel Singvögel, geschützte Arten wie Störche, Blauracken, Falken, Wiedehopfe. Es wäre also wirklich an der Zeit, diplomatische Schritte zu setzen und diesbezüglich aktiv zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist daher bedauerlich, daß dieser Antrag abgelehnt wurde. Faktum ist jedoch, daß gerade wir Freiheitlichen uns für den Beitritt zu diesem Übereinkommen eingesetzt haben und ihm auch zustimmen werden. Wir werden uns aber auch zukünftig verstärkt dafür einsetzen, daß Mißstände, die im Tierschutzbereich aufgezeigt werden, auch tatsächlich abgestellt werden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die Aktivitäten der Tierschutzorganisationen erwähnen und mich dafür bedanken. In einem Tierschutzmemorandum haben sie verlangt, daß sich die Bundesregierung im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft im Europäischen Rat für Belange des Tierschutzes verstärkt einsetzen soll. Wie gesagt, ich bedanke mich bei diesen Tierschutzorganisationen und kann ihnen die Unterstützung und Zustimmung seitens der Freiheitlichen Partei signalisieren. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Rauch-Kallat hat sich zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.04

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Übereinkommen enthält Grundsätze und Detailbestimmungen über die Haltung, die Zucht, den Handel und die tierschutzgerechte Tötung von Heimtieren, außerdem Tierschutzbestimmungen über die Verwendung von Heimtieren zu Schaustellungen und Wettkämpfen sowie über die Behandlung streunender Tiere. Daß Österreich diesem Übereinkommen, das bereits am 13. November 1987 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde und am 1. Mai 1992 in Kraft getreten ist, nunmehr beitritt, ist ein weiterer Schritt, um der Bedeutung des Tierschutzes in Österreich entsprechend Rechnung zu tragen.

Auch der Entschließungsantrag der Abgeordneten Langthaler und Petrovic betreffend den Beitritt Österreichs zur Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten, also der Bonner Konvention, stellt einen weiteren notwendigen Schritt dar, insbesondere was ein globales Übereinkommen über wandernde Tierarten anlangt. Meine Fraktion wird daher diesem Entschließungsantrag gerne zustimmen.

Ich glaube, daß diese beiden Maßnahmen ein wichtiger Schritt in Richtung einer EU-weiten und europaweiten Harmonisierung des Tierschutzes sind, wie sie vor allem von der Österreichischen Volkspartei in der Franz-von-Assisi-Initiative immer wieder angesprochen wurde.

Herr Abgeordneter Salzl hat den Tierschutz in Österreich angesprochen. Ich meine, daß wir gerade mit den Bemühungen um den Abschluß eines Artikel-15a-Vertrages in der Nutztierhaltung, der von allen neun Bundesländern übernommen wurde, eine europaweit mustergültige Regelung geschaffen haben, die es auch unseren Landwirten ermöglicht, dem harten Konkurrenzkampf mit artgerechter Tierhaltung entsprechend entgegenzutreten.

Wir haben uns im Regierungsübereinkommen mit dem Koalitionspartner darauf geeinigt, eine bundeseinheitliche Regelung im Tierschutz zu schaffen, und diese bundeseinheitliche Regelung wird, so glaube ich, schon sehr bald vorliegen. Es haben sich die Landeshauptleute in der Landeshauptleutekonferenz im Juni vergangenen Jahres darauf festgelegt, diese bundeseinheitliche Regelung in Form von Artikel-15a-Verträgen anzustreben. (Abg. Dr. Gredler: Warum kein


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Gesetz?) Sie haben auch den Entwurf eines Artikel-15a-Vertrages ausarbeiten lassen, der vor wenigen Tagen von der Landesamtsdirektorenkonferenz abgesegnet wurde. Ich gehe davon aus, daß dieser Entwurf in der nächsten Landeshauptleutekonferenz am 20. Mai behandelt werden wird.

Ich bin sehr überrascht gewesen, als vergangene Woche in einer Tageszeitung zu lesen war, daß Klubobmann Kostelka mit allen Mitteln versuchen wird, durch eine Blockade in den Landtagen diese bundeseinheitliche Regelung zu Fall zu bringen. Das, meine Damen und Herren, verstehe ich leider gar nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kann Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, von den Grünen, den Liberalen und den Freiheitlichen, wohl nicht darum gehen, eine Kompetenzfrage zu klären. Ich bin immer davon ausgegangen, daß es Ihnen darum geht, Schutzbestimmungen für Tiere zu schaffen. Das möchte die ÖVP, und das wird sie auch tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich ist selbstverständlich neben diesem Übereinkommen, das in der Heimtierhaltung, aber auch zum Beispiel in der Zoohaltung oder beim Zirkus strenge einheitliche Regelungen vorsehen wird, in diesen Bereichen europaweit führend. Es ist uns daher ein Anliegen, daß gerade Österreich während der europäischen Präsidentschaft einen Schwerpunkt in diesem Bereich setzt. Es haben in den vergangenen Tagen mehrere Tierschutzorganisationen gemeinsam ein Memorandum für die österreichische Präsidentschaft des Europäischen Rates publiziert, in dem sie sich vor allem in der Frage der Hühnerhaltung, der Kennzeichnung der Eier, des Verbots der Tierversuche, der Abschaffung der Subventionen für Schlachttierexporte und der Tötung neugeborener Kälber sowie für die Verabschiedung einer verbindlichen Richtlinie zur Erhaltung von Wildtieren in Zoos stark machen.

Ich darf dazu sagen, daß Österreich zum Beispiel auch im Bereich der Tierversuche führend ist. Es war Wissenschaftsminister Busek, der die Tierversuche in Österreich praktisch eliminiert und ganz strenge Bestimmungen in diesem Bereich eingeführt hat.

Ich bin daher sehr froh, daß es auch im Rahmen der zuständigen österreichischen Ministerien entsprechende Vorbereitungen für eine derartige Schwerpunktsetzung während der österreichischen Präsidentschaft gibt. Ich danke dem Herrn Vizekanzler und Außenminister dafür, daß er schon während der italienischen Präsidentschaft gemeinsam mit den Italienern einen diesbezüglichen Schwerpunkt gesetzt hat und daß nunmehr auch in Österreich der Landwirtschaftsminister entsprechende Vorbereitungen trifft, um gerade im landwirtschaftlichen Nutztierbereich Regelungen in Europa zustande zu bringen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen sagen, daß ich auf eine Wortmeldung zur Frage des Walfangs nicht deshalb verzichte, weil die Österreichische Volkspartei dem wenig Bedeutung beimißt, sondern einfach, um die beschränkte Redezeit ökonomisch zu nutzen. Auch hinsichtlich des Walfanges ist es Österreich ein Anliegen, wenngleich diese Tiere in Österreich nicht vertreten sind, ein Zeichen zu setzen, welch große Bedeutung Österreich dem Tierschutz zumißt, und wir werden daher diesen Veränderungen gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Dr. Grollitsch. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.11

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Rauch-Kallat hat gerade die Vorreiterrolle Österreichs im Zusammenhang mit dem Tierschutz erwähnt. Ich werde Ihnen jetzt die Vorschläferrolle Österreichs in diesem Zusammenhang nachweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Debatte zur Bonner Konvention zur Erhaltung wandernder wildlebender Tiere gibt uns endlich Gelegenheit, über ein rapide wachsendes Problem an Österreichs Gewässern zu sprechen. Ich bin glücklich, Herr Außenminister, daß Sie Ansprechpartner zu diesem Thema sind, da ich bei Ihrem Parteikollegen, Landwirtschaftsminister Molterer, diesbezüglich in den letzten Jahren


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auf taube Ohren gestoßen bin. (Vizekanzler Dr. Schüssel spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Murauer.) Ich möchte Sie um uneingeschränkte Aufmerksamkeit für 4 Minuten bitten, Herr Außenminister.

Es geht um die Frage der Festlandrasse des Kormorans, einer Vogelart, die an der Nord- und Ostsee lebt und in den Wintermonaten unsere heimischen Gewässer besucht, und das in den letzten drei Jahren mit einer derart explodierenden Population, daß das Aussterben heimischer Fischarten nicht nur eine Bedrohung, sondern bereits Realität geworden ist. Der Kormoran ist in der Lage, in Fischwässern bis zu 98 Prozent des Bestandes – das sind wissenschaftlich gesicherte Daten – innerhalb kürzester Zeit zu eliminieren.

Die Bonner Konvention bietet nunmehr einerseits den sinnvollen Schutz dieser Arten. In den Anhängen sind jene Arten angeführt, die auch in Österreich Schutzbedarf haben, das ist selbstverständlich zu unterschreiben. Die Bonner Konvention gibt aber auch die Möglichkeit, wenn entsprechende wissenschaftliche Daten zur Verfügung stehen, wonach die Populationen Mengen überschritten haben, die eine Gefährdung der Rasse ausschließen, Tiere aus diesem Anhang 1 zu entlassen. Und genau diese Passage der Konvention sollte in nächster Zeit zum Tragen kommen. Ihnen, Herr Außenminister, ist möglicherweise die Entschließung vom 3. April vor zwei Jahren zu dieser Kormoran-Problematik im EU-Parlament bekannt, die nur in Österreich verschlafen wird.

Deutschland hat längst mit einem geeigneten Gesetz reagiert. Die Bonner Konvention wurde bereits 1983, unmittelbar nach der Unterzeichnung, zu einem Bundesgesetz gemacht. Österreich schläft seither vor sich hin. Die EU gibt durch die Herausnahme des Kormorans aus den Vogelschutzrichtlinien seit zwei Jahren den Ländern die Möglichkeit, nationale Regulative vorzubereiten. Gemeint ist nicht ein Halali auf diese imposanten Vögel, sondern es sollte in einem Management vor Ort EU-weit reagiert werden und entsprechende Zählungen stattfinden. Vor allem sollte eines geschehen, und das verschlafen nicht nur der Bund, sondern auch die Länder: In einer Art Katastrophenfonds sollten Gelder bereitgestellt werden, um eine Revitalisierung vorzubereiten.

Wir haben da bundesweit Handlungsbedarf. Ihr Kollege Molterer hat mir noch vor einem Monat geschrieben – und man möge sich diese Aussage auf der Zunge zergehen lassen –, daß die Unterzeichnung der Bonner Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tiere in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt. Also das, was wir in Kürze beschließen werden – auch die Freiheitlichen werden der Unterzeichnung der Bonner Konvention zustimmen –, verlagerte der Herr Landwirtschaftsminister noch vor einem Jahr in den Bereich der Länder. In Föderalismushysterie wurde alles, was Tierschutzprogramme betrifft, hurtig auf die Länderebene verlagert, um ja nicht tätig werden zu müssen.

Ich hoffe, daß die Unterzeichnung der Bonner Konvention diesem Übel – und es ist ein solches geworden – abhelfen wird. In den Wintermonaten der letzten beiden Jahre haben uns etwa 8 000 dieser Vögel besucht. Es gibt keine historischen Belege, daß jemals Kormorane in dieser Zahl in unserem Alpenbereich waren. Sie haben Schäden in der Höhe von mehr als 200 Millionen Schilling verursacht, allein auf Basis von Besatzfischkosten. Und deswegen eignet sich das Thema nicht dazu, Frau Rauch-Kallat, daß man in Wunden rührt, wie Sie es gestern bei einem vergleichbaren Betrag so lustvoll getan haben. Geschädigt sind durch Kormorane etwa 400 000 österreichische Fischer, etwa 10 000 österreichische Fischereiwasserpächter, etwa 1 500 österreichische Fischereiwasserrechtsinhaber – es ist also ein enormer Schaden entstanden. (Abg. Dr. Petrovic: War das auch der Rosenstingl?)

Ich verstehe Ihre Sichtweise auch, Frau Kollegin Petrovic. Es geht nicht nur darum, diese Personen zu schützen, sondern es geht darum, die Vögel in einer verträglichen Größenordnung zu erhalten – und das nicht durch ein Halali, um es zu wiederholen, sondern durch entsprechendes Management vor Ort und durch eine Herausnahme des Kormorans aus Anhang 1. Das ist unser Anliegen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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11.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

11.17

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Als Tierschutzsprecherin der Sozialdemokraten möchte ich im Rahmen dieser Debatte kurz auf die Tagesordnungspunkte 2 bis 4 eingehen und im Sinne der 650 000 Unterzeichner des Tierschutz-Volksbegehrens wiederum auf die Notwendigkeit eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes in Österreich aufmerksam machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sozialdemokraten haben ja ein Hearing initiiert und einen Entwurf vorgelegt, der, so glaube ich, zukunftsweisend ist. Wir werden Gelegenheit haben, in der nächsten Sitzung des Unterausschusses am 9. Juni darüber zu reden, und ich bin gespannt, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, was die Länder vorlegen werden. Uns geht es nicht um Kompetenzstreitigkeiten, sondern um Effizienz im Tierschutzbereich. Die Artikel-15a-Verträge – da haben wir einige Erfahrungen – sind leider Gottes nicht die besten.

Das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren ist begrüßenswert, weil man ja eine weitere Harmonisierung des unterschiedlichen Tierschutzrechtes in den Mitgliedstaaten des Europarates erreichen will. Dasselbe sollte aber auch für Österreich gelten, denn neun verschiedene Landestierschutzgesetze erschweren den Vollzug erheblich.

Die Regelungen im Bereich der Zucht, der Haltung, der Tierheime, der Ausstellungen, aber vor allem der chirurgischen Eingriffe sind von großer Bedeutung, denn gerade in diesen Bereichen gibt es in Österreich nach wie vor die unterschiedlichsten Regelungen. Es bleibt zu hoffen, daß die Bundesländer entgegen den Erfahrungen aus der Vergangenheit dieses Übereinkommen so rasch wie möglich vollziehen. Einzelne Schwachpunkte müssen im Tierschutzbereich ausgeräumt werden; so wird zum Beispiel endlich dem Kupiertourismus in Österreich ein Ende gesetzt.

Der SPÖ-Entwurf für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz enthält dieselben Forderungen und Regelungen im Bereich der Heimtiere wie das Europäische Übereinkommen. Obwohl ich dieses Übereinkommen im Sinne der Tiere begrüße, möchte ich erneut die Notwendigkeit eines Bundestierschutzgesetzes anmerken. Es freut mich als Tierschutzsprecherin ganz besonders, wenn sich alle Fraktionen in diesem Haus für eine Harmonisierung unterschiedlicher Tierschutzstandards im EU-Raum aussprechen. Es bleibt mir daher die Hoffnung, daß sich diese auch im Inland durchsetzt.

Wie wir alle wissen, ist der derzeitige Stand in Sachen Tierschutz unbefriedigend und ungenügend, obwohl sich doch erfreulicherweise in der letzten Zeit einiges geändert hat. Wir Sozialdemokraten werden aber auch in Zukunft diejenigen sein, die in Sachen Tierschutz für Verschärfungen eintreten.

So möchte ich zum Beispiel anführen, daß erst gestern der sozialdemokratische Landesrat Othmar Raus eine neue Tierschutzregelung in Salzburg eingeführt hat, mit der er einen wichtigen Schritt für den Schutz von Wildtieren setzt. In dieser Verordnung wird festgeschrieben, welche Wildtiere in Zirkussen in Salzburg nicht mehr gehalten und welche künftig nicht mehr transportiert werden dürfen. In diesem Bereich zeigt sich auch das Dilemma der Artikel-15a-Vereinbarung; ursprünglich war nämlich geplant, mit einer Artikel-15a-Vereinbarung in allen österreichischen Bundesländern gemeinsame Richtlinien aufzustellen. Vor allem die Salzburger Sozialdemokraten haben darauf gedrängt, Tiger, Löwen, Elefanten und Mungos darin aufzunehmen. Die anderen Bundesländer wollten jedoch keine strengeren Bestimmungen in Sachen Tierschutz. Genau das ist das Problem der Artikel-15a-Vereinbarung, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat.

Hier möchte ich gleich an den Antrag der Kollegin Langthaler betreffend Beitritt Österreichs zur Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten, kurz Bonner Konvention, anschließen. Österreich und Griechenland sind die einzigen beiden EU-Staaten, die, wie Sie wissen, diese Konvention noch nicht unterschrieben haben, und das ist eigentlich, gelinde gesagt, beschämend. (Abg. Ing. Langthaler: So ist es!)


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In Österreich weigern sich die Bundesländer leider noch immer, dieser Konvention zuzustimmen, und es wird an Herrn Bundesminister Bartenstein liegen, seine Kollegin und Kollegen in den Bundesländern von der Notwendigkeit dieser Konvention zu überzeugen. Bundesminister Bartenstein ist ja dafür; es sind wieder einmal die Bundesländer-Kollegen, die blockieren.

Auch wenn Österreich unabhängig von dieser Konvention mit verschiedenen Staaten und Nationalparks Partnerschaften eingeht, so ist dieser Beitritt notwendig, um Tiere weltweit und vor allem grenzenunabhängig zu schützen, vor allem auch jene Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind. Tierschutz kann nicht vor den Grenzen haltmachen.

Im übrigen wurden Herrn Klubobmann Dr. Kostelka und mir von der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" ein Memorandum für höhere Tierschutzstandards in Europa übergeben. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Dies ist ein Auftrag, den wir sehr ernst müssen. Und soweit es die Möglichkeit gibt, sind diese Forderungen während der EU-Präsidentschaft Österreichs einzubringen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

11.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Parfuss, nur zur Klarstellung: Das Glockenzeichen hat nicht Ihnen gegolten. Bitte um Entschuldigung! Haben Sie deshalb abgebrochen? (Abg. Parfuss: Nein, ich war ohnehin fertig!) Die betroffenen Herren wissen schon, wer gemeint war.

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.23

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Man muß nicht Schüler des österreichischen Nobelpreisträgers Konrad Lorenz sein, um die Bedeutung des Tierschutzes für unsere Gesellschaft besonders hervorzuheben. Ein Kriterium – und ich gebe zu: eines von mehreren – für die Anerkennung eines Volkes als Kulturnation ist wohl auch der Standard seiner Tierschutzgesetzgebung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die freiheitliche Nationalratsfraktion begrüßt die Ratifizierung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren, weil es einheitliche Grundsätze und Detailbestimmungen über die Haltung, die Zucht, den Handel und die tierschutzgerechte Tötung, wenn notwendig, von Heimtieren enthält. Was mich allerdings gewundert hat, war die Dauer, bis diese Regierungsvorlage das österreichische Parlament erreicht hat. Denn ich habe den Unterlagen entnommen, daß dieses Übereinkommen bereits im Jahre 1987 erstmals zur Unterzeichnung aufgelegt wurde. Wir schreiben heuer das Jahr 1998; somit sind elf Jahre ungenützt verstrichen.

Zufriedenstellend ist aber die Aussicht auf eine späte – doch etwas verspätete – Vereinheitlichung der österreichischen Tierschutzgesetzgebung. Das Tierschutzgesetz ist, wie wir bereits gehört haben, in den neun Bundesländern verschieden geregelt. Durch den Beitritt zu diesem Übereinkommen ergibt sich nun die Möglichkeit, ein weiteres Versäumnis der Bundesregierung wettzumachen. Schon vor zwei Jahren hat es ein erfolgreiches Tierschutz-Volksbegehren gegeben, das aber – wie viele Ergebnisse der direkten Demokratie in diesem Lande – von den Verantwortlichen leider ignoriert wurde.

Ein wichtiges Anliegen, das nicht einfach nur milde belächelt werden sollte, ist der Entschließungsantrag von Kollegen Salzl betreffend den Schutz der Zugvögel. Dieser Antrag ist im Außenpolitischen Ausschuß am vergangenen Freitag leider in der Minderheit geblieben. Er sah die Einleitung diplomatischer Schritte gegen die Republik Malta vor. In diesem Urlaubsland, das in zunehmendem Maße auch von unseren Landsleuten frequentiert wird, werden Zugvögel ohne Beschränkung gefangen und gejagt. Rund 1,5 Millionen Falken, Störche und Blauracken werden Jahr für Jahr abgeschossen, ganze Scharen von Singvögeln werden gefangen und anschließend in Käfigen gehalten. Ich meine, daß eine Eindämmung der Jagd in diesem Fall dringend geboten wäre.


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Der Rückgang der Zahl von Zug- und Singvögeln, der von Naturschützern auch für Österreich festgestellt wird, ist auch auf diese Mißstände in Malta zurückzuführen, denn die Tiere sind auf ihrer Wanderung von Europa nach Afrika und zurück gezwungen, auf dieser Insel Station zu machen. Das Argument, daß man aus Rücksicht auf die heimische Wirtschaft da nichts unternehmen sollte, ist für mich nicht nachvollziehbar und auch nicht schlüssig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend darf ich sagen, daß die freiheitliche Nationalratsfraktion den Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Langthaler betreffend den Beitritt Österreichs zur Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tiere unterstützen wird. Wir haben das im Ausschuß noch nicht tun können, weil uns die Bonner Konvention nicht in allen Details bekannt war. Aber ich hoffe – und damit komme ich wirklich zum Schluß –, daß durch diese Gesetze, die beschlossen werden sollen, und das hohe Maß an Übereinstimmung der Tierschutz in Österreich und seinen Nachbarstaaten mit den heutigen Beschlüssen weiter verbessert wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Gredler hat sich zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.27

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die Rede der Abgeordneten Rauch-Kallat reagieren. Ja, wir erwarten, daß Sie mit Ihren Vertretern in den Bundesländern eine Artikel-15a-Vereinbarung treffen. Solche Artikel-15a-Vereinbarungen haben den Nachteil, daß sie keine "Zähne" haben, daß es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt. Daher finden es wir vom Liberalen Forum wesentlich besser, zu einem einheitlichen Gesetz zu kommen, damit es bei der Behandlung von Tieren keine Unterschiede mehr gibt – egal, ob das nun in Niederösterreich, in Tirol, in der Steiermark oder wo immer ist –, und zwar ohne Sanktionen.

Das "Schönste" im Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über das Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren steht bei den Kosten: Im Burgenland und in Wien erwachsen keine Kosten, in Kärnten, Oberösterreich und Tirol minimale Kosten und in Niederösterreich, Salzburg, der Steiermark und Vorarlberg nicht abschätzbare Kosten. Ein Gesetz, in dem steht, daß die Kosten in manchen Bundesländern nicht abschätzbar sind, habe ich schon gerne. Ich halte diese Regelungen, die wir in Österreich bezüglich des Schutzes der Heimtiere haben, für eine besondere Pikanterie.

Damit man sieht, welche Konsequenzen dies hat und warum es notwendig ist, Heimtiere zu schützen, kann ich nur aus einem Artikel des Nachrichtenmagazins "Focus" vorlesen, der mir durch den Verein "Vier Pfoten" zugegangen ist: Mopsen und Pekinesen wurde beinahe die Nase weggezüchtet – Folge: Atemnot, Herzbeschwerden. Shar Pei: Der Faltenhund ist am ganzen Körper mit Falten bedeckt. In vielen Fällen muß er gleich nach der Geburt operiert werden, damit er aus den Hautwülsten heraussehen kann. Chinesischer Nackthund: ist gegen Sonne allergisch, Sterblichkeit: 75 Prozent. Dalmatinerwelpen: Sterblichkeit: 40 Prozent.

Angesichts solcher Zustände sage ich mir: Nein, solche Tiere möchte ich nicht als Heimtiere haben! Ich möchte eigentlich, daß wir alle – und ich bin sicher, daß dies die Züchterinnen und Züchter auch wollen – gesunde Tiere zu Hause halten können. Ich bin gegen solche Dinge, wie sie sich in letzter Zeit abgespielt haben.

Betreffend Kupierungen: Welchen Sinn hat es, wenn man einen Hund kupiert? – Ich sehe es überhaupt nicht ein, warum man deswegen einen Hund quälen soll, und deshalb wäre es mir wirklich ein großes Anliegen, wenn man zu einem einheitlichen Tierschutzgesetz käme und in diesem Zusammenhang Artikel-15a-Vereinbarungen nicht getroffen werden müßten.

Zum nächsten Tagesordnungspunkt bezüglich des Anliegens von Dr. Salzl betreffend diplomatische Schritte gegenüber der Republik Malta kann ich nur folgendes sagen: Im letzten Absatz seines Antrages steht zu lesen – ich zitiere –:


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Innerhalb der EU-Gremien ist dafür einzutreten, daß bisher gewährte Unterstützungen und Begünstigungen der EU an die Republik Malta von der Einstellung der Vogeljagd und des Vogelfanges abhängig gemacht werden. – Das sind Forderungen, die ich leider nicht nachvollziehen kann. Es gibt so viele Mißstände, auch im Tierschutzbereich. Wenn der Beitritt zur EU davon abhängig gemacht worden wäre, daß diese Mißstände beseitigt werden, dann wäre Österreich noch immer nicht in der EU. Andererseits bietet die EU genau jene Möglichkeiten, um auf gewisse Länder, wie auch Malta, Druck auszuüben und dann zu einem positiven Ergebnis zu kommen.

Auch bezüglich der Vogeljagd gibt es ganz strenge Regelungen, was die Zeiten dieser Jagd anlangt. Diese sind vor zwei Jahren im Europäischen Parlament diskutiert worden, und ich meine, daß für neue Regelungen zurzeit kein erhöhter Bedarf existiert. Die Koppelung mit der Begünstigung der EU für die Republik Malta sähe ich daher gerne unabhängig von der Vogeljagd und würde das nicht vermengen. An sich ist Ihr Anliegen, Kollege Salzl, aber richtig und wert, unterstützt zu werden.

Zum dritten und letzten Punkt, zur Bonner Konvention. Ich möchte mich bei Frau Kollegin Langthaler dafür bedanken, daß sie es geschafft hat, dieses Thema endlich ins Parlament zu bringen. Ich zitiere Herrn Minister Bartenstein mit einer Aussage aus dem Jahre 1997, in der er seine Unzufriedenheit zeigt: Er appelliert an die Bundesländer, an deren Widerstand die Unterzeichnung des Vertrages bislang gescheitert ist, sich für die Voraussetzungen für den Beitritt Österreichs zu dieser Konvention einzusetzen. – Das ist im Jahre 1997 gewesen. Man hat ein Jahr lang gebraucht, bis man überhaupt reagiert hat. Umweltminister Bartenstein sagte auch, daß er sich während der österreichischen EU-Präsidentschaft verstärkt für Naturschutzaktivitäten in der EU einsetzen werde. – Ich bin neugierig, was er eigentlich damit meint, denn viel habe ich bis jetzt nicht davon bemerkt.

Die Konvention, die eigentlich seit dem Jahre 1983 in Kraft ist, hat als Mitgliedsländer zum Beispiel Ägypten, Ghana, Guinea, Kamerun, Marokko, Senegal, Somalia bis hin zu Zaire. 43 Staaten haben schon 1994 diese Konvention unterzeichnet, und es ist bedauerlich, daß wir alle eigentlich so lange gebraucht haben, bis wir diese Erkenntnis auch im Hohen Haus gewonnen haben. – Danke, Frau Abgeordnete Langthaler, für Ihre Initiative. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

11.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt eine Wortmeldung von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic vor. Redezeit: 3 Minuten. Daran anschließend gelangt noch Frau Abgeordnete Langthaler zu Wort. – Bitte.

11.34

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zwei ganz kurze Bemerkungen zu den Ausführungen meiner VorrednerInnen.

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Grollitsch: Ich denke, wir sollten insgesamt vorsichtig sein mit der Terminologie, wenn wir von Menschen einerseits und Tieren andererseits reden. Ich meine, wenn Tiere – natürlich! – Futter und Wasser brauchen sowie einen gewissen Anteil an Lebensraum, dann sollte man nicht von "Schäden" sprechen. Die Tiere leben, und sie brauchen Lebensraum. Sie haben bezüglich Kormorane eine "Schadenssumme" – unter Anführungszeichen – von 200 Millionen Schilling genannt. Mir fallen bei einer solchen Summe in allererster Linie nicht die Kormorane ein, Herr Abgeordneter Grollitsch.

Zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Parfuss: Es ist erfreulich, daß das Tierschutz-Memorandum, das Sie dankenswerterweise erwähnt haben, nicht allein ein Produkt des Vereines "Vier Pfoten" ist, sondern daß es von ganz wesentlichen Tierschutzorganisationen Österreichs unterstützt wird, insbesondere auch vom Internationalen Bund der Tierversuchsgegner, vom Verein gegen Tierfabriken und dem Verein "RespekTiere". xxxvgl.Pau Die gesamte Latte der Unterstützerinnen und Unterstützer kann ich hier gar nicht vorlesen. Das besonders Erfreuliche dabei ist jedoch, daß das über die Tierschutzorganisationen im engeren Sinn hinausgeht. Es sind auch wissenschaftliche Universitätsinstitute sowie Vereinigungen von Ärztinnen und Ärzten dabei, und


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ich denke, das macht den Zusammenhang zwischen Tierschutz, Umweltschutz und Gesundheitsschutz wirklich deutlich.

Zum Inhalt: Für mich persönlich sind der bessere Schutz von Heimtieren und eine europäische Verständigung darüber eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Zum Thema Wildtiere wird Kollegin Langthaler anschließend noch etwas sagen. Was uns allen jetzt am wichtigsten sein sollte – und ich hoffe, wir bekommen einen möglichst breiten Konsens zusammen –, ist, daß es gilt, während der österreichischen Ratspräsidentschaft wirklich einige Minimalforderungen umzusetzen. Diese können wir im kommenden halben Jahr erreichen. Jetzt schaut ganz Europa nach Österreich. Und ich meine, so günstig war die Gelegenheit noch nie, ein paar wirklich, fast möchte ich sagen logische Forderungen umzusetzen, wie etwa die Abschaffung der Subventionierung von Tierquälerei mit öffentlichem Geld, nämlich für Langstreckentransporte, Rindertransporte und für die Tötung neugeborener Kälber.

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, Sie haben gesagt, Sie werden sich dafür stark machen. Ganz konkret: Die konservativen Abgeordneten haben es in der Hand, diese Subventionsverschwendung zu verhindern. Stimmen Sie auf europäischer Ebene gegen das Budget, und es wird keine Mehrheit geben! Sie, Ihre Kollegin Flemming und Ihre Kolleginnen und Kollegen haben das in der Hand. Stark machen allein, was auch die Abschaffung von Legebatterien und das Verbot von Tierversuchen für Kosmetika betrifft, ist zuwenig. Ich denke, wir alle haben es in der Hand, dagegen etwas zu tun.

Ein Allerletztes noch: Ich bin sehr traurig darüber, daß die Biopatentrichtlinie mit den Stimmen der Konservativen beschlossen worden ist, denn ein Patent auf tierisches Leben ist etwas, was mit der Würde von Lebewesen absolut unvereinbar ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

11.37


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120. Sitzung / Seite 44

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Frau Abgeordnete Ing. Langthaler hat sich noch zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

11.37

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Leider steht mir nicht sehr viel Redezeit zur Verfügung. Deshalb in aller Kürze: Hier im Hause ist nicht oft ein Erfolg der Grünen zu feiern, nämlich insofern, als ein Antrag der Grünen offensichtlich einstimmig angenommen werden wird.

Ich möchte noch einmal kurz auf den Inhalt dieses Antrages, nämlich daß die Bundesregierung so rasch wie möglich der Bonner Konvention beitritt, und auf die Geschichte dieser Konvention eingehen. Die Anregung dafür kam auf der ersten großen Umweltkonferenz 1972, fertig verhandelt und zur Unterzeichnung aufgelegen ist sie im Jahre 1979, in Kraft getreten ist sie im Jahre 1983. Wir schreiben jetzt das Jahr 1998, und Österreich ist noch immer nicht Mitglied dieser internationalen Konvention. Meiner Meinung nach gibt es eigentlich kaum ein besseres Beispiel, um zu demonstrieren, wie notwendig es wäre, in Österreich endlich eine Zuständigkeit auf Bundesebene für den Naturschutz und ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz zu schaffen. Es gibt kein besseres Beispiel als diese Konvention. Herr Außenminister, ich würde Sie wirklich bitten – Sie sind sonst immer mit so wichtigen Dingen wie der NATO und mit den klassischen außenpolitischen Bereichen beschäftigt –: Hier geht es, wenn man die mittel- und langfristige Zukunft der Bevölkerung betrachtet, um sehr wesentliche und sehr existentielle Dinge, und zwar um die Erhaltung der Artenvielfalt.

Ich würde Sie wirklich bitten, dieses Thema etwas ernster zu nehmen und gerade als ÖVP-Obmann darauf zu drängen, endlich die Bundesländer dazu zu bringen, dieser Konvention ebenfalls beizutreten und dieses Abkommen endlich zu unterzeichnen, zu ratifizieren. Es ist nämlich wirklich kein Vorzeigeexemplar für eine EU-Präsidentschaft, wenn wir gemeinsam mit Griechenland das einzige EU-Land sind, das diese Konvention noch nicht unterzeichnet und ratifiziert hat. Es ist ein erster wichtiger Schritt nach mehr als 20 Jahren hier in diesem Hause, daß wir einer internationalen Konvention beitreten. Herr Minister, ist erwarte mir, daß Sie diesen einstimmigen Wunsch dieses Hauses so schnell wie möglich umsetzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstattung wünscht kein Schlußwort.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wir stimmen über jeden Ausschußantrag getrennt ab, zunächst über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 907 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Genehmigung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. Die Genehmigung wird einstimmig erteilt.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 1172 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Kenntnisnahme erfolgt mehrheitlich, ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt über die dem Ausschußbericht 1173 der Beilagen beigedruckte Entschließung ab.

Wer für diese Entschließung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen. (E 118.)

5. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1042 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen (1174 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1087 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes (1175 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 544/A (E) der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in Europa (1176 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht verlangt.


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Ich erteile jetzt als erster Rednerin der Frau Abgeordneten Dr. Gabriela Moser das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.43

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Besucher auf den Galerien! Sicherheit hat zwei Seiten; Sicherheit im atomaren Bereich hat ebenfalls zwei Aspekte: Die friedliche Nutzung der Kernenergie ist ein hoher Risikofaktor für die Sicherheit, genauso die kriegerische Nutzung der Kernenergie.

Herr Minister! Sie haben sich in einem Brief dazu bekannt, daß in Mitteleuropa sehr wohl eine atomwaffenfreie Zone sein soll. Ich zeige Ihnen (die Rednerin zeigt eine Graphik), daß diese atomwaffenfreie Zone de facto existiert. Ich weise darauf hin, daß diese grüne atomwaffenfreie Zone durch einen NATO-Beitritt auf einen feinen grünen atomwaffenfreien Strich reduziert würde. (Abg. Scheibner: Das ist ein Unsinn!)

Deshalb beharren wir darauf, daß Sie das, was Sie in einem Brief versprochen haben, auch einhalten. Sie haben, wie Sie wissen, gesagt: Die österreichische Bundesregierung tritt für die Reduzierung und letztlich die weltweite Abschaffung von Atomwaffen ein. – Bitte, treten Sie tatsächlich dafür ein! Lassen Sie die NATO links liegen!

Sie haben weiters brieflich festgehalten: Obwohl international der Bereich atomwaffenfreier Zonen auf Widerstände stößt, möchte ich Ihnen versichern, daß Österreich seine auf allgemeine atomare Abrüstung zielende Politik weiterverfolgen wird.

Herr Minister! Bitte werden Sie nicht wortbrüchig! Bitte unterstützen Sie deshalb unseren Antrag auf Erweiterung und auf Gewährleistung eines atomwaffenfreien Mitteleuropas! – Das zur einen Seite.

Nun zur anderen Seite: zur Sicherheitspolitik, zur Informationspolitik im AKW-Bereich, im Bereich der sogenannten friedlichen Nutzung der Kernenergie.

Sie alle wissen, daß knapp vor den Grenzen Österreichs im Osten derzeit Mochovce, ein höchst gefährliches Atomkraftwerk, an der Kippe steht. Es soll in Kürze die Beschickung mit Brennstäben vollendet werden. Es soll, obwohl der Bericht des zweiten Walkdown noch nicht vorliegt, der erst am 22. Juni stattfinden wird, praktisch alles für einen Probebetrieb gerichtet werden, der Mitte Juli starten soll.

Zwischen 22. Juni und Mitte Juli gibt es nur eine sehr kurze Phase, um den Bericht sozusagen in politische Strategien umzumünzen. Deshalb ist es höchste Zeit und Feuer am Dach, daß wir bereits jetzt in Österreich endlich aus dem atomaren Schlaf aufwachen und einen politischen Aktionsplan gegen die Inbetriebnahme von Mochovce und für die Abschaltung von Bohunice erarbeiten.

Herr Minister! Sie selbst haben ein Abkommen mit unterzeichnet, das uns ein Instrument bietet. Dieses Instrument ist allerdings stumpf, weil Sie und Herr Bundeskanzler Klima es nicht in Anspruch nehmen. Deshalb möchte ich Sie, um die Gefahr dieses Atomkraftwerkes von vielen Österreicherinnen und Österreichern abzuwenden, die dagegen unterschrieben haben – 1,2 Millionen waren es –, im Zusammenhang mit Mochovce massiv auffordern, einen Aktionsplan zu erstellen – ich bringe auch den entsprechenden Antrag ein –, auf internationaler Ebene ein Aktionspaket zu schnüren, gemeinsam mit den mächtigen Ländern Frankreich und Deutschland Verhandlungen mit der Slowakei aufzunehmen – mit dem Ziel und in Stoßrichtung eines nicht nuklearen Energiekonzepts für die Slowakei – und sich bei diesen Verhandlungen mit der Slowakei darauf zu berufen, daß es ein Übereinkommen über nukleare Sicherheit gibt.

Es wurde sowohl von Österreich als auch von der Slowakei ratifiziert. Es ist im Bundesgesetzblatt am 13. März 1998 herausgegeben worden, und Sie nützen dieses Instrument nicht. Sie lassen es in der Lade verschimmeln! Hier haben Sie die Möglichkeit, in Sachen Mochovce politisch Druck auszuüben.


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Es steht zum Beispiel im Artikel 11, daß qualifiziertes Personal vorhanden sein muß. – Das wird in der Slowakei nicht eingehalten. Im Artikel 14 wird eine systematische Sicherheitsbewertung gefordert. – Auch das wird nicht eingehalten. Im Artikel 18 steht, daß Notfälle vor der Inbetriebnahme erprobt werden müssen. – Das wird nicht eingehalten.

Bitte klagen Sie das! Halten Sie eine sogenannte – in Artikel 23 ist das vermerkt – "Außerordentliche Tagung" ab, zu der Sie die Slowakei genauso wie alle Unterzeichnungspartner des Vertrages einladen, und fordern Sie das ein, was die Slowakei ratifiziert hat! Sie haben die Möglichkeit, Druck auszuüben. Bitte lassen Sie dieses Instrument nicht ungenützt! (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Ich mache Sie darauf aufmerksam: Sie haben einen Entschließungsantrag überreicht, den Sie jetzt nicht vorgetragen haben. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Ich habe ihn nicht verlesen, aber ich habe ihn inhaltlich vorgetragen!)

Entschuldigen Sie, das geht nicht. Sie müssen bei Entschließungsanträgen den Text der Entschließung vortragen. – Ich bitte Sie, das zu tun.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Der Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Moser und KollegInnen betreffend Aktionsplan zur Nichtinbetriebnahme des KKW Mochovce

Der Nationalrat wolle beschließen:

"1. Die Bundesregierung wird ersucht, einen "Mochovce-Aktionsplan" zu erstellen, mit dem Ziel beziehungsweise Inhalt, alle geeigneten politischen, diplomatischen und rechtlichen Möglichkeiten in einer kurzfristig wirksamen Strategie zur Verhinderung der für Juli geplanten Inbetriebnahme des Blocks I in Mochovce umzusetzen.

2. Insbesondere soll die Bundesregierung mit den für die Inbetriebnahme mitverantwortlichen Staaten Deutschland und Frankreich Verhandlungen aufnehmen, in denen anhand Darstellung der bereits bekannten Sicherheitsdefizite des KKW Mochovce und unter Hinweis auf Ansprüche nach künftigem österreichischen Atomhaftungsrecht gemeinsame Schritte zur Realisierung einer Nachdenkpause bis jedenfalls nach den slowakischen Parlamentswahlen eingefordert werden.

3. Die Bundesregierung möge unter Hinweis auf die geplante Inbetriebnahme zum Zeitpunkt der Übernahme des Ratsvorsitzes eine Initiative auf Ebene der Union setzen, die unter Berücksichtigung der Nicht-Genehmigungsfähigkeit des KKW Mochovce innerhalb der EU kurzfristige Verhandlungen zwischen der Union und der Slowakei mit dem Ziel der Prüfung einer nichtnuklearen Lösung im Rahmen einer Nachdenkpause ermöglicht.

4. Die Bundesregierung möge prüfen, ob geeignete (völker)rechtliche Instrumente gegen eine Inbetriebnahme, insbesondere unter Bedachtnahme auf die Artikel 11, 14, 16, 17, 18 und 19 des internationalen "Übereinkommens für nukleare Sicherheit", das sowohl von der Slowakei wie auch von Österreich ratifiziert wurde, genutzt werden können.

5. Die Bundesregierung möge gemäß Artikel 23 des Übereinkommens bei der Internationalen Atomenergie-Organisation mit Sitz in Wien um Abhaltung einer "Außerordentlichen Tagung" der Vertragsparteien zu Mochovce und den offensichtlich im Widerspruch zum Übereinkommen stehenden Sicherheitsfragen ersuchen."

*****


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Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Abgeordnete. Jetzt bin ich in der Lage, festzustellen, daß der Entschließungsantrag geschäftsordnungsgemäß verlesen, überreicht wurde und ausreichend unterstützt ist. Er ist in die Verhandlungen hiemit einbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.51

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Moser! Von einem können Sie versichert sein: Für uns ist die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung ein derart großes Anliegen, daß wir international und bilateral alles tun, damit diese Sicherheit der österreichischen Bevölkerung gewährleistet ist. Das ist ein Anliegen, dem wir immer Rechnung tragen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben heute unter den Tagesordnungspunkten, die wir jetzt behandeln, ein Abkommen mit der Ukraine, das uns ins Gedächtnis rufen soll, daß wir vor etwas mehr als zwölf Jahren den größten atomaren Unfall erleben mußten, den es bisher gegeben hat, nämlich als am 26. April 1986 um 1 Uhr 23 Minuten 40 Sekunden im ukrainischen Lenin-Kernkraftwerk Tschernobyl tatsächlich ein Super-GAU passierte. All das, was seither geschehen ist – sei es im internationalen Bereich oder sei es im bilateralen Bereich –, dient dazu, daß solche Informationsdefizite, die sich in den darauffolgenden Tagen gezeigt haben, niemals wieder passieren.

Ich sage Ihnen, das ist nur in einem System feststellbar, in dem eine Diktatur herrscht, in dem ein kommunistisches oder nationalsozialistisches oder in irgendeiner Form diktatorisches Regime existiert, in dem man die Informationsmacht total im Griff hat. Ich glaube, das ist systemimmanent, und deswegen müssen wir auch alle diese Systeme bekämpfen, in denen eine derartige Macht im Informationsbereich existiert. Das ist ein grundsätzliches gesellschaftspolitisches Anliegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war nicht am 26. April, es war nicht am 27. April, daß die internationale Gemeinschaft, die Welt über diese furchtbaren Ereignisse informiert worden ist, sondern es hat bis am 28. April gedauert, als in Schweden, Norwegen und Finnland erhöhte Radioaktivität gemessen worden war. Am 28. April hat die TASS erstmals veröffentlicht, daß es einen Unfall gab. Erst am 29. April erfolgte in Deutschland nach Kontaktnahme mit den sowjetischen Stellen die erste offizielle Meldung darüber. Das heißt: Drei Tage nach diesem furchtbaren Unfall sind erst die ersten offiziellen Informationen veröffentlicht worden! Auch noch verniedlichend!

Ich glaube, wenn am 26. Juni 1986, also zwei Monate später, noch die Anweisung des Gesundheitsministeriums der UdSSR lautete – ich zitiere –, alle Mitteilungen über die Havarie sind geheim zu behandeln – Ende des Zitates –, dann zeigt das, welch unmögliches System für eine derartige Vorgangsweise verantwortlich zeichnet!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deswegen haben wir im Jahre 1986 natürlich das internationale Abkommen unterzeichnet und haben heute, neben den verschiedenen anderen bilateralen Abkommen, die bereits abgeschlossen worden sind – mit der Ukraine und mit Slowenien –, diese Staatsverträge vor uns, die wir beschließen wollen. Da wir glauben, daß die internationalen Verträge nicht ausreichen, wollen wir bilateral, wie wir es bisher schon mit Deutschland, mit der Tschechischen Republik, mit der Slowakischen Republik, mit Ungarn und mit Polen gemacht haben, auch diese zwei Staaten, nämlich die Ukraine und Slowenien, in ein rechtzeitiges sofortiges Informationssystem einbauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der Ausdruck des stetigen realistischen und ambitionierten Bemühens Österreichs, alles zu tun, um die österreichische Bevölkerung vor


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allen derartigen Gefahren a) zu schützen und b), wenn irgendwo etwas passiert, schnellstmöglich die Informationen sicherzustellen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus aktuellem Anlaß wissen wir – vor zwei Tagen erreichte uns die Information –, daß die indische Regierung Atomtests, bei denen drei nukleare Sprengsätze unterirdisch gezündet worden sind, durchgeführt hat.

Ich glaube, damit hat Indien seine Nuklearwaffenfähigkeit demonstriert und stellte sich aber – das ist in unseren Augen ganz bewußt etwas, das wir zum Ausdruck bringen wollen – gegen den internationalen Konsens gegen weitere Nuklearversuche und gegen die Verbreitung von Atomwaffen, der im Non-Proliferation Treaty von 1995 und auch im Comprehensive Test Ban Treaty von 1996 festgelegt worden ist. Als Sitzstaat der CTBTO hat sich gerade Österreich – in enger Zusammenarbeit mit seinen Partnern in der Europäischen Union – seit langem für eine umfassende weltweite nukleare Abrüstung eingesetzt.

Deswegen freut es mich, daß ich im Namen aller fünf Fraktionen einen Entschließungsantrag einbringen kann, der folgenden Wortlaut hat:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Höchtl, Otmar Brix, Mag. Karl Schweitzer, Hans Helmut Moser, Andreas Wabl und Kollegen betreffend Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1042 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen (1174 d. B.) und Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1087 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes (1175 d. B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der österreichische Nationalrat

verurteilt schärfstens die von der indischen Regierung durchgeführten Atomversuche vom 11. Mai 1998,

fordert die indische Regierung auf, jeden weiteren Atomversuch zu unterlassen und dem ,Non-Proliferation Treaty‘ und dem ,Comprehensive Test Ban Treaty‘ beizutreten,

appelliert an alle Staaten der Region, sich nicht in ein weiteres (atomares) Wettrüsten treiben zu lassen und

appelliert an alle Staaten der Region, zur Stabilisierung friedlicher Nachbarschaftsbeziehungen beizutragen."

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte alle, diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

11.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Höchtl! Ich muß Sie auf folgendes aufmerksam machen: Entschließungsanträge sind nach der Verfassung lediglich Wünsche, die an die Bundesregierung zu richten sind. Es ist nicht möglich, im Rahmen eines Entschließungsantrages einen Wunsch an den Nationalrat selbst zu richten. Der Nationalrat hat alle anderen Möglichkeiten der Willensäußerung, die ihm in der Geschäftsordnung zur Verfügung stehen,


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aber nicht die Entschließung. Also wenn Sie den Inhalt als Entschließung an die Regierung einbringen wollen, müssen Sie sich das überlegen und eine neue Formulierung finden.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. – Bitte.

11.58

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Ich darf gleich auf Ihre Feststellung replizieren: Wir werden diesen gemeinsamen Antrag aller fünf Parteien, zu dessen Antragstellern auch ich gehöre, neu überarbeiten und ihn in geänderter Form noch einmal einbringen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Österreich hat 1978 beschlossen, auf die Nutzung der Kernspaltung und der atomaren Energieversorgung zu verzichten. Österreich – unser Land – tritt auch massiv gegen die Nutzung, auch für friedliche Zwecke, für Energiezwecke, dieser Kraftwerke ein und ist dagegen, daß weitere Kernkraftwerke in Mitteleuropa errichtet werden.

Natürlich ist es ein Ziel von uns, das uns bis jetzt noch nicht gelungen ist, daß wir auf andere Länder einwirken können, auf diese Art der Nutzung zur Energieversorgung zu verzichten. Daher sind wir froh, daß es mit diesen neuen Maßnahmen, nämlich mit dem Abkommen betreffend Information, zumindest gelungen ist, etwas zu verbessern.

Meine Damen und Herren! Das gegenständliche Abkommen regelt den Informationsaustausch zwischen diesen Staaten auf drei Ebenen, den Informationsaustausch zwischen der Ukraine, Slowenien und Österreich über nukleare und andere besorgniserregende Ereignisse, über bestehende, im Bau befindliche und geplante Kernanlagen, über Nuklearprogramme der Vertragsstaaten, über die aus dem Betrieb von Kernanlagen gewonnenen Erfahrungen und über die Rechtsvorschriften der Vertragsparteien betreffend den Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Höchtl hat vorhin schon darauf hingewiesen, wie wichtig es gewesen wäre, daß wir bereits 1986 dieses Abkommen gehabt hätten. Wir hätten dann zumindest die Informationen erhalten und daher auch rechtzeitig notwendige Maßnahmen zum Schutze der österreichischen Bevölkerung setzen können. Es wären nicht einige Tage verstrichen.

Diese Weiterentwicklung ist daher für den Bereich der österreichischen Kernenergiepolitik sehr wesentlich, sie bedeutet einen sehr wichtigen Schritt in Richtung Schutz für die Umwelt. Sicher wäre es besser – es ist das auch die Meinung des Vizekanzlers, der das im Ausschuß auch gesagt hat –, wenn es uns gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten der EU gelungen wäre, diese Länder finanziell in einem Ausmaß zu unterstützen, das es ihnen ermöglicht hätte, diese Kernkraftwerke überhaupt zu schließen. Es muß daher ein Ziel Österreichs sein und bleiben, alles daranzusetzen, daß diese Kernkraftwerke geschlossen werden, ganz egal, wo sie sich befinden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute diesem Vertrag mit der Ukraine unsere Zustimmung geben und gemeinsam mit ihr diese vertrauensbildenden Maßnahmen setzen, so ist dies ein konkreter Beitrag für die zukünftige Umsetzung unserer Anliegen. Wir dürfen aber bei all den Verbesserungen, die uns dieser Vertrag bringt, von einem wesentlichen Punkt nicht abgehen – ich habe das bereits gesagt und wiederhole es –: Ziel der österreichischen Politik, aller Österreicher, ganz egal, welche Anschauung sie auch haben, muß es sein, die Regierung darin zu bestärken, daß es weiterhin unsere Aufgabe sein muß, dafür zu sorgen, daß Schrottreaktoren wie Mochovce, Bohunice, Dukovany, Tschernobyl und so weiter in nächster Zeit geschlossen werden – zur Sicherheit der Umwelt und unserer Kinder! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Grünen.)

12.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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12.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zur Regierungsvorlage betreffend Österreich und die Ukraine: Es handelt sich um ein Abkommen, das sicher wünschenswert wäre, wäre es etwas gehaltvoller. Worum geht es dabei? – Es geht um die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit, um Strahlenschutz, um die Errichtung eines Strahlenfrühwarnsystems.

Ich stelle hiebei fest, daß hinsichtlich der Realisierung dieses Frühwarnsystems kein Termin festgesetzt wurde, daß sie aber frühestens in fünf Jahren erfolgen wird. Warum nicht rascher? – Kollege Höchtl spricht davon, daß die Bundesregierung, daß wir alle alles tun, um der österreichischen Bevölkerung das erforderliche Maß an Sicherheit garantieren zu können. Ich meine, daß das durch die gegenständliche Vereinbarung, durch diese Regelungen nicht mit der wünschenswerten Effizienz erfolgen wird. Kollege Höchtl hat als Beispiel Tschernobyl angeführt. Uns muß aber bewußt sein, daß Mochovce eine Bedrohung darstellt, die bedeutend näher ist, selbstverständlich auch Krško. Es ist daher für uns vor allem auch jenes Abkommen wichtig, das sich auf Mochovce bezieht.

Lassen Sie mich auch folgendes sagen: Es ist selbstverständlich, daß wir für die Kosten der Errichtung der Standleitungen sowohl in die Ukraine als auch nach Slowenien aufkommen – wir beziffern sie mit 1,7 Millionen Schilling – und in der Folge auch für die Betriebskosten.

Ich möchte darauf hinweisen, daß das einmal mehr – wenn Sie es von den Kosten her vielleicht auch nur als Peanuts bezeichnen – ein Beispiel dafür ist, wie kostenunwahr die Atomenergie ist, weshalb mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen ist, daß weitere Atomkraftwerke errichtet werden, beziehungsweise dafür einzutreten ist, daß bestehende Atomkraftwerke zu schließen sind.

Ich habe noch ein Problem im Zusammenhang mit den beiden bilateralen Abkommen, die geschlossen werden sollen, nämlich hinsichtlich der Bewertung Störfall oder Unfall. Wir wissen aus diversen Veröffentlichungen, daß eine Vielzahl von Störfällen, die tatsächlich der Bewertung unterlagen, ob es sich um einen Störfall oder einen Unfall handelt, stattgefunden hat, ohne daß wir davon in Kenntnis gesetzt wurden.

Ich bemängle bei diesem Abkommen – ich kann mich nicht verschließen, ich muß sagen, daß wir diesem Abkommen wohl zustimmen werden, da ein schlechtes Abkommen immer noch besser ist als gar kein Abkommen auf diesem Gebiet –, daß die Information über den Bau, die Errichtung sechs Monate vor Baubeginn erfolgen soll. Warum schließen wir keinen Vertrag ab, der es uns ermöglicht, rechtzeitig, nämlich dann, wenn geplant wird, während der Projektierungsphase, entsprechende Informationen zu erhalten?

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weise auch noch darauf hin, daß die Übermittlung von Daten, die sicher wünschenswert ist, auch eine Gefahr in sich birgt. Ich nehme als Beispiel das Kernkraftwerk Krško. Es wurde überprüft, ob sich dieses Kraftwerk auf einem erdbebengefährdeten Gebiet befindet. Ich glaube, nahezu alle hier in diesem Hause wissen, daß dies der Fall ist. Slowenien allerdings hat uns Ergebnisse übermittelt, aus denen ganz klar hervorgeht, daß dieses Gebiet vor Erdbeben sicher ist. Tatsache ist jedoch, daß die Meßlinien so gelegt wurden, daß dort, wo es kritisch war und auch schon zu Störfällen aufgrund von Erdbeben beziehungsweise Verschiebungen gekommen ist, nicht gemessen wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

All das gebe ich zu bedenken. Ich halte diese Abkommen in dieser Form für halbherzig, für ineffizient, für zögerlich; man könnte mehr daraus machen. Wir werden aber trotzdem die Zustimmung nicht verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.07

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ukraine – ein Problem, das wir schon seit längerer Zeit haben; Herr


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Kollege Höchtl hat das in seiner Rede erwähnt. Was jetzt zusätzlich als Problematik dazugekommen ist, ist, daß einem Beschluß der G 7 Folge zu leisten ist, wonach die zwei neuen Atomkraftwerke der Ukraine teilweise mit Geldern der EU zu finanzieren sind. Das Problem ist:

erstens: daß man sich von den G 7 nicht diktieren lassen sollte, welche Mitteln der EU wofür verwendet werden;

zweitens: daß die EU Folge geleistet hat, ohne daß wirklich massiver Widerstand gekommen wäre;

drittens: daß diese Gelder zuwenig an Bedingungen geknüpft sind, sodaß die beiden Reaktoren, die dort gebaut werden sollten, wirklich keinen Standard aufweisen würden, mit dem wir alle zufrieden sein könnten. Das, was geplant ist, ist der Bau zweier Reaktoren vom Typ Mochovce in der Ukraine.

Aufgrund der Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die in bezug auf Atomenergie und andere Energieträger durchgeführt wurden, ist festzustellen, daß andere Energieträger den Vorzug bekommen sollten, daß sie auf einem kostengünstigeren Niveau Energie zur Verfügung stellen können und auch den Energiebedarf, der in der Ukraine bei ungefähr 7 Prozent, glaube ich, liegt, durchaus decken könnten. Nun werden von der EBRD aber möglicherweise doch noch die finanziellen Mittel für den Bau der Atomkraftwerke freigegeben.

Bundeskanzler Klima war am 23. und 24. April in der Ukraine. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haben Sie wirklich gehört, daß er sich dort für unser Anliegen, nämlich gegen Atomenergie, eingesetzt hat? Ich habe es nicht wahrgenommen. Die Kritik, die er geäußert hat, war eher sehr milde, und das reicht nicht aus, um ein Land zu überzeugen.

Ich hätte mir erwartet, daß ein österreichischer Bundeskanzler wesentlich vehementer für andere Energie eintritt, daß er nicht nur sagt, daß die Atomenergie problematisch ist. Das ist zuwenig! Er hätte andere Möglichkeiten gehabt.

In dieser Frage nehmen wir in Österreich zum Glück keine gespaltenen Positionen ein, sondern haben wirklich in ganz Europa Glaubwürdigkeit errungen.

Beim Abkommen ist problematisch, daß es nur ein künftiges Frühwarnsystem enthält. Ich hätte gerne, daß Abkommen so geschlossen werden, daß man genau weiß, welche Systeme der Frühwarnung zur Verfügung stehen, welche Mechanismen dann Platz greifen, um die österreichische Bevölkerung zu schützen. Ich meine, daß wir in Österreich in bezug auf Atomgefahren zuwenig informiert sind.

Wenn Sie mich fragen, was zu tun ist, wenn Mochovce wirklich ans Netz geht und etwas passiert, muß ich Ihnen sagen: Ich weiß es nicht! Ich habe keine Ahnung! Ich habe irgendwann einmal von der Bundesregierung einen Zettel bekommen – ganz vergilbt hängt er bei mir zu Hause –, auf dem steht, welche Vorräte man sich für den Katastrophenfall anlegen sollte, aber mehr weiß ich nicht. Was mache ich denn, Herr Bundesminister, wenn es in Mochovce einen Störfall gibt? Soll ich mich dann zu Hause einsperren? Soll ich in den Keller gehen? Soll ich zu Ihnen gehen, Herr Bundesminister, und Sie sagen mir dann Bescheid? – Es wäre daher gut, wenn wir die österreichische Bevölkerung wieder einmal entsprechend darüber informieren würden, was im Falle eines Zwischenfalls in einem Atomkraftwerk zu tun ist. Aber in diesem Zusammenhang ist die gesamte Regierung säumig.

Bezüglich des Antrages der Grünen auf Schaffung einer atomwaffenfreien Zone: Der Gedanke ist gut, wir brauchen wirklich atomwaffenfreie Zonen in unseren Breitengraden, sodaß wir zeigen können, daß wir auf Atomwaffen als Mittel der Verteidigung verzichten wollen. Die Pugwash-Bewegung hat ja ein Papier ratifiziert, das den Verzicht auf den Erstschlag enthält, als ersten Schritt zu einer Welt ohne Atomwaffen. Ich halte das für einen sehr positiven Schritt, der damit von der Pugwash-Bewegung gesetzt wurde, und würde mir wünschen, daß sich die Bundesregierung auch mit diesem Gedanken anfreunden könnte.


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Der Antrag der Grünen bedeutet, so wie er formuliert ist, daß sich der Herr Außenminister in bilaterale Verhandlungen einmischen sollte. Ich finde aber nicht, daß das der richtige Weg ist. Man sollte unsere Nachbarstaaten hinsichtlich ihrer Verhandlungsfähigkeit gegenüber der NATO nicht entmündigen, sondern nur appellieren, daß sie auf die Stationierung von Atomwaffen verzichten. Polen hat ja schon gesagt, daß es gerne Atomwaffen stationieren würde. Dieses Anliegen ist daher richtig.

Der Herr Außenminister hat im Ausschuß gesagt, daß er einem globaler formulierten Antrag zustimmen könnte, einem Antrag, wonach er sich in den Nachbarstaaten dafür einsetzen soll, daß man auf Atomwaffen verzichtet. Aber das muß man eben globaler formulieren, und das haben wir versucht. Mein Kollege Hans Helmut Moser wird den betreffenden Antrag einbringen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Jung. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten. – Bitte.

12.13

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Dem Abkommen ist grundsätzlich zuzustimmen, denn alles, was die Sicherheit in diesem Bereich erhöht, ist positiv. Es sind allerdings einige Bedenken in diesem Zusammenhang anzumelden, weniger was das slowenische Abkommen betrifft als jenes mit der Ukraine, da zumindest aus unserer Sicht das Vertrauen in die Wirksamkeit der dortigen Behörden, deren Tätigkeit ja Voraussetzung ist, geringer ist.

Es war mir bis jetzt auch nicht möglich zu erfahren, wie es bei der Ukraine ausschaut, ob die gesammelten Daten über die ukrainischen Behörden, wie es im Vertrag an sich vorgeschrieben ist, an die österreichischen Dienststellen gehen oder ob sie direkt vom Sensor weg, sozusagen on line, nach Österreich kommen, denn das wäre die einzig wirklich sichere Methode gewesen, um Österreich rechtzeitig zu warnen.

Ich habe den Tschernobyl-Vorfall noch gut vor Augen. Ich war damals in Schweden, und der erste Staat Europas, der Alarm geschlagen hat, war Schweden, weil dort die Sensoren angesprochen haben, die russische Seite versuchte damals zu vertuschen. Und ich habe kein allzu großes Vertrauen, daß das in Zukunft viel besser funktionieren wird.

Es wäre also, sollte dies noch nicht der Fall sein, anzustreben, solche Sensoren dort anzubringen, und mit der ukrainischen Regierung auszuverhandeln, daß diese, wenn etwas passiert, Österreich direkt, on line alarmieren. Soweit zu diesem Punkt.

Der Herr Minister hat sich vorhin dagegen verwahrt, daß dem Außenministerium vom Kollegen Moser nicht sehr seriöse Arbeit vorgeworfen wurde. Gerade im Zusammenhang mit diesem Abkommen darf ich Sie, Herr Minister, aber daran erinnern, daß damals sogar zwei textlich unterschiedliche Abkommen in slowenischer Sprache paraphiert wurden, was eindeutig auf eine Schlamperei in Ihrem Hause zurückzuführen war, anders wäre das nicht möglich gewesen. Es ist daher nicht so, daß im Außenministerium alles so wunderbar funktioniert. Ich selbst habe da einige diesbezügliche Erfahrungen gemacht und bin Ihrem Haus gegenüber sehr skeptisch.

Zum letzten Punkt, dem Antrag der Kollegin Kammerlander: Die Position der Grünen in dieser Sache ist eindeutig – wir treten ihr nicht bei, da es im überwiegenden Gebiet West- und Zentraleuropas heute keine bodenstationierten Atomwaffen mehr gibt und solche im Kriegsfall nur in jenen Ländern, die eben NATO-Mitglieder sind, unter Umständen stationiert würden. Sie würden diesen Ländern dann aber zum Schutze dienen. Wir hoffen natürlich, daß es nicht soweit kommt, aber man kann von den USA nicht verlangen, daß sie im Ernstfall das Risiko allein tragen, wenn man dann den Schutz eines solchen Landes fordert.

Interessant in diesem Zusammenhang ist für uns einzig und allein die Haltung der SPÖ. Wir haben heute schon mehrmals darüber gesprochen, daß hier eine Aufweichung der Neutralität stattfindet, die wir an sich begrüßen, die jedoch nicht – wir haben das gesagt – an der Bevöl


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kerung vorbei stattfinden soll, Frau Kollegin Karlsson. Ich fürchte, Sie müßten heute eigentlich ein zweites Mal bei der Abstimmung hinausgehen, Frau Kollegin, denn mit diesem Abkommen, dem die SPÖ anscheinend zustimmen wird, wird eindeutig aufgepaßt, daß man sich den Weg in die NATO nicht verbaut.

Wir sind sehr zufrieden damit, daß diese vernünftige Einsicht in der SPÖ anscheinend langsam Fuß faßt, aber, Frau Kollegin Karlsson, Sie und Ihre Freunde dürfen dann wirklich nicht behaupten, daß Sie dieses Ansinnen so sehr ablehnen. Hier ist der Weg der SPÖ eindeutig erkennbar. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. Sie haben noch eine Redezeit von 16 Minuten zur Verfügung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Hans Helmut Moser: Herr Präsident! Ich bitte, 3 Minuten einzustellen!)

12.17

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte in meiner Wortmeldung in erster Linie auf den Antrag der Grünen eingehen, und zwar auf den Antrag betreffend die Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in Europa.

Meine Damen und Herren! Es herrscht ja in diesem Hohen Hause grundsätzliche Übereinstimmung über das Verbot von Atomwaffen und darüber, daß wir alles tun müssen, um zu einer weltweiten Abrüstung zu kommen. Nur: Die Tendenz dieses Antrages der Grünen ist im Prinzip nicht richtig, und zwar aus zwei Gründen.

Zunächst einmal wurde, Frau Kollegin Kammerlander, die Situation der atomaren Rüstung in Europa falsch dargestellt. Ich möchte nur auf einige internationale Abkommen hinweisen. 1988 wurde der INF-Vertrag abgeschlossen, wonach es bis Mai 1991 zu einer totalen Abrüstung aller landgestützten atomaren Mittelstreckensysteme gekommen ist. Der START-I-Vertrag wurde abgeschlossen, aufgrund dessen die strategischen Waffensysteme um ein Drittel reduziert wurden. Weiters gibt es den START-II- Vertrag, der von den USA bereits ratifiziert wurde; Rußland geht jetzt daran, diesen Vertrag zu ratifizieren. Darin ist eine Reduzierung der ballistischen Waffensysteme um zwei Drittel vorgesehen. Seit 1997 laufen Verhandlungen über einen START-III-Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland, sodaß wir in Europa in atomarer Hinsicht seit Ende des kalten Krieges eine total geänderte Situation vorfinden. Das ist eine im Prinzip erfreuliche Entwicklung.

Ich glaube, daß es richtig ist und daß alles darangesetzt werden muß, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und weiterhin zu beschreiten. Daher ist es umso bedauerlicher, daß beispielsweise Indien jetzt drei Wasserstoffbomben gezündet hat (Vizekanzler Dr. Schüssel: Nur zwei!), und daher unterstützen wir hier alle Initiativen des Nationalrates, um zu einer scharfen Verurteilung Indiens zu kommen. Meine Fraktion wird einem derartigen Entschließungsantrag – wir sind ja mit dabei – auf jeden Fall die Zustimmung geben.

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kammerlander! Ein Grund dafür, daß wir gegen den Entschließungsantrag stimmen werden, ist, daß er inhaltlich eigentlich so nicht umgesetzt werden kann.

Im Rahmen dieses Entschließungsantrages wird der Außenminister aufgefordert, im Zusammenhang mit der NATO-Osterweiterung eine Initiative zu setzen, damit eine vertragliche Absicherung der praktisch bestehenden atomwaffenfreien Zone in den osteuropäischen Ländern und in ganz Europa zustande kommt.

Meine Damen und Herren! Wenn wir wollen, daß unser Außenminister verhindert, daß die NATO-Osterweiterung in einer bestimmten Form erfolgt, dann kann das nur dann geschehen, wenn wir Mitglied in der NATO sind. Das heißt, unter den derzeitigen Voraussetzungen kann ein Antrag beziehungsweise eine entsprechende Aufforderung an den Außenminister nicht wirksam werden.


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Zum zweiten: Das, was ebenfalls in dem Antrag steht, nämlich daß die Osterweiterung auf der prinzipiellen Bereitschaft zur Atomwaffenstationierung als Vorbedingung zu einem NATO-Beitritt beruht, ist auch falsch, denn es ist klar, daß es keine Conditio sine qua non zwischen einem Beitritt zur NATO und der Zustimmung zur Stationierung von Atomwaffen gibt. Eine derartige Zustimmung bleibt allein eine nationale Entscheidung, und daher paßt dieser Antrag in seiner inhaltlichen Gesamtheit nicht.

Es war interessant, die Debatte im Außenpolitischen Ausschuß zu verfolgen. Der Herr Bundesminister und Vizekanzler hat sich grundsätzlich für eine entsprechende Entschließung des Nationalrates ausgesprochen und auch gemeint, daß er, wenn sie anders formuliert wäre und wenn die österreichische Außenpolitik angesprochen wäre, eine derartige Entschließung sehr wohl begrüßen würde.

Ich möchte daher einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Moser, Gredler, Partnerinnen und Partner einbringen und hier verlesen. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie und von der Österreichischen Volkspartei und auch die Freiheitlichen ersuchen, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Er lautet folgendermaßen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Moser, Gredler, Partnerinnen und Partner betreffend Atomwaffenstationierung in Mittel- und Osteuropa


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120. Sitzung / Seite 55

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, wird ersucht, im Rahmen der Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU bei jeder sich bietenden Gelegenheit dafür einzutreten, daß

a) in jenen europäischen Staaten, in denen Atomwaffen stationiert sind, diese mit dem Ziel der endgültigen Vernichtung weiter abgebaut werden,

b) in jenen europäischen Staaten, in denen derzeit keine Atomwaffen stationiert sind, solche auch in Zukunft nicht stationiert werden."

*****

Meine Damen und Herren! Ich glaube, das wäre eine sehr wichtige Initiative, die die österreichische Außenpolitik im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union setzen sollte. Ich darf Sie ersuchen, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, damit der Herr Außenminister und Vizekanzler in diesem Sinne im Rahmen der Europäischen Union auch aktiv werden kann. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Moser soeben vorgetragen hat, ist geschäftsordnungskonform überreicht, unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich jetzt noch Frau Abgeordnete Inge Jäger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.23

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte den von Herrn Abgeordneten Höchtl eingebrachten Entschließungsantrag noch einmal verlesen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Höchtl, Otmar Brix, Mag. Karl Schweitzer, Hans Helmut Moser, Andreas Wabl und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der österreichische Nationalrat

verurteilt schärfstens die von der indischen Regierung durchgeführten Atomversuche vom 11. Mai 1998,

fordert die indische Regierung auf, jeden weiteren Atomversuch zu unterlassen und dem ,Non-Proliferation Treaty‘ und dem ,Comprehensive Test Ban Treaty‘ beizutreten,

appelliert an alle Staaten der Region, sich nicht in ein weiteres (atomares) Wettrüsten treiben zu lassen,

appelliert an alle Staaten der Region, zur Stabilisierung friedlicher Nachbarschaftsbeziehungen beizutragen und

ersucht die österreichische Bundesregierung in diesem Sinne tätig zu werden und alle diesem Zweck dienenden Maßnahmen zu ergreifen."

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Abgeordnete. Der Antrag, den Sie jetzt verlesen haben, entspricht den Voraussetzungen des Artikels 52 B-VG und § 55 des Geschäftsordnungsgesetzes. Er ist daher ein Entschließungsantrag, der ausreichend unterstützt ist und in die Verhandlungen miteinbezogen wird.

Ich habe dazu keine Wortmeldung mehr vorliegen. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort von seiten der Berichterstattung wird nicht verlangt.

Ich lasse jetzt abstimmen, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir müssen über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen mit der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen in 1042 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen, die Genehmigung wurde einstimmig erteilt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Aktionsplan zur Nichtinbetriebnahme des KKW Mochovce.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Höchtl, Brix, Mag. Schweitzer, Hans Helmut Moser, Wabl und Genossen betreffend Atomversuche Indiens.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen. (E 119.)

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen mit der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem


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Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes in 1087 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür stimmen, um ein Zeichen. – Die Genehmigung ist einstimmig erteilt, einstimmige Annahme.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 1176 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Meine sehr geehrten Herren! Vielleicht kann man während des Abstimmungsvorgangs die Diskussion stoppen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Atomwaffenstationierung in Mittel- und Osteuropa.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

8. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1084 der Beilagen): Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946 (1177 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 673/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend umfassenden Schutz für Wale (1178 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Wir beginnen sofort mit der Debatte.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Dr. Salzl das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.28

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln hier unter den Tagesordnungspunkten 8 und 9 den Schutz der Wale. Tagesordnungspunkt 9 ist ein Antrag der Frau Abgeordneten Petrovic, der dann durch einen Fünf-Parteien-Antrag abgeändert wurde, wodurch es zu einem umfassenden Schutz für die Wale kommt. Wir werden diesem Antrag auch gerne unsere Zustimmung erteilen. Nicht zustimmen hingegen werden wir den Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, da damit die Walfangquote erhöht und ausgeweitet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren bemühen sich Wissenschaftler und Organisationen in aller Welt, die Ausrottung dieser riesigen Wassersäugetiere zu verhindern. Die Wale wurden aus Profitgier jahrzehntelang brutal abgeschlachtet. Ein Jagdgrund nach dem anderen wurde erschlossen und ausgebeutet, und in keinem Meeresgebiet der Erde wurden so viele Wale getötet wie in den antarktischen Gewässern.


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Einige Walarten sind bereits vom Aussterben bedroht, denn trotz eines Internationalen Übereinkommens zum Schutz der Wale sind viele dieser Großsäuger aus Profitgier und trotz des Fangverbots gefangen und getötet worden. Einige Länder wie zum Beispiel Norwegen ignorieren überhaupt dieses Fangverbot, andere wie Japan umgehen es durch einen, wie sie es bezeichnen, "Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken". Nur: Wenn man Hunderte von Walen abschlachtet, wo da der wissenschaftliche Zweck sein soll, ist wohl nicht nachvollziehbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem wissenschaftlichen Walfang, wie es so schön heißt, büßten im Vorjahr, von japanischen Harpunen getroffen, 517 Zwergwale ihr Leben ein. Rußland hat 43 Grauwale abgeschossen, die USA 44 Grönlandwale, Norwegen 504 Zwergwale, Dänemark und Grönland 176 Zwergwale, 19 Finnwale und dergleichen mehr. Insgesamt ist trotz des Fangverbots die Zahl der gefangenen, getöteten, abgeschlachteten Tiere in den letzten Jahren von 855 auf sage und schreibe 1 304 angestiegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist somit die Zukunft dieser Tiere beileibe noch nicht gesichert. Es ist mehr als bedenklich, daß die Zahl der getöteten Großsäuger in den letzten Jahren trotz Unterschutzstellung enorm angestiegen ist. Und jetzt soll mit einer Änderung der Anlage dieses Internationalen Übereinkommens diese Quote noch ausgeweitet werden. Die Änderungen werden zwar mit dem Bedarf der indigenen Bevölkerung Grönlands, der Russischen Föderation und der Vereinigten Staaten begründet, wer aber weiß, wie die Tötungsquote in den letzten Jahren umgangen und erhöht wurde, dem muß bang um die Zukunft dieser Wale, bang um die Zukunft dieser Großsäugetiere sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist hier Schlimmstes zu befürchten. Wir Freiheitlichen wollen da nicht Helfershelfer spielen und werden daher einer Erhöhung dieser Quote nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Inge Jäger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.32

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen heute die Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, und es gibt auch einen zweiten Entschließungsantrag von Kollegin Langthaler. Ich bin sehr froh, daß daraus ein Fünfparteienantrag wurde, der die Aufrechterhaltung des Walfang-Moratoriums beinhaltet.

Es haben seit dem Beitritt Österreichs zur Internationalen Walfangkommission vier Jahrestagungen stattgefunden, und durch Revisionen des Vertrages wurde insgesamt eine Verschärfung des Übereinkommens und damit eine Verbesserung des Schutzes der Wale bewirkt. Die UNO hat das Jahr 1998 zum "Jahr der Meere" erklärt, aber wir müssen einfach erkennen, daß trotzdem die Ausbeutung und die Zerstörung der Weltmeere unvermindert weitergeht.

Herr Abgeordneter Salzl hat es schon angesprochen: Es besteht zwar seit 1986 ein Verbot des kommerziellen Walfanges, aber leider wird dieses Verbot immer wieder von Japan und vor allem von Norwegen unterlaufen. Angesichts der dramatischen Situation der Wale müssen Artenschutzinteressen zu unser aller Wohl Vorrang vor kommerziellen Nutzungsinteressen haben.

Großwale wie der Blauwal und der Grönlandwal sind von der Ausrottung bedroht. Und deshalb kann ich die Forderung von Greenpeace nach Errichtung eines weltweiten Walschutzgebietes nur unterstützen und bestärken, denn nur dann, wenn wir die Weltmeere zum Walschutzgebiet erklären, können diese sensiblen und intelligenten Meeressäuger langfristig überleben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie Berichte des WWF zeigen, ist die Situation der Zwergwale dramatisch, weil eben unter dem Deckmantel der Wissenschaft für Handelszwecke gejagt wird. Es zeigen auch Untersuchungen der Universität Oakland, daß es weiterhin Fleisch von Buckel-, Finn- und Minnwalen, also von


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bedrohten Walarten, auf japanischen und koreanischen Märkten zu kaufen gibt. Und der Vorwurf von seiten der Umweltschutzorganisationen, daß die Internationale Walfangkommission die Kontrolle über den Walfang nicht so ausüben kann, wie dies eigentlich notwendig wäre, muß von uns ernst genommen werden. Gerade Österreich hat bei den letzten Konferenzen gezeigt, daß es sich, wenn es auch ein kleines Land ist, doch sehr kritisch einbringen kann, und ich möchte mich dafür bei allen zuständigen Verantwortlichen bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme jetzt zur Änderung der Walfangquoten; diese hat Herr Kollege Salzl schon angesprochen. Hierbei geht es um die erlaubte Tötung von Grönland-, Grau- und Zwergwalen für die indigene Bevölkerung Grönlands und für Teile der Russischen Föderation und auch für Inuits der Vereinigten Staaten und Makah-Indianern, und ich möchte dazu folgendes feststellen:

Es ist einerseits nicht einsehbar, daß die indigenen Völker dafür bestraft werden, daß die Wale durch die großen Fischfangflotten der Industrieländer in ihrer Existenz bedroht werden. Und natürlich müssen wir sehen, daß die Lebensgrundlagen all dieser Völker schon in den letzten Jahren drastisch eingeschränkt wurden. Auf der anderen Seite muß man aber auch erkennen, daß es bis heute keine rechtlich verbindlichen Kriterien für den sogenannten Eingeborenen-Walfang, also für das aboriginal whaling, gibt. Und es gibt auch kein homogenes Auftreten der indigenen Vertreter. Das heißt, es findet auch unter den indigenen Völkern eine Diskussion darüber statt, wieweit unterstützt wird. Es gibt diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen. Die einen sagen: Wir wollen die Wale fangen!, die anderen sagen: Vielleicht kommen wir besser davon zum Beispiel durch das sogenannte whale watching, also die Walbeobachtung! Vielleicht gibt es da durch streng regulierten Ökotourismus bessere Verdienstmöglichkeiten für die indigenen Völker.

Ich möchte zum Schluß kommen. Die wesentlichste Forderung, die Österreich bei der kommenden Konferenz – sie wird in Oman stattfinden – einbringen sollte, wäre meiner Meinung nach, daß tatsächlich nur jene indigenen Völker eine Abschußquote bekommen, die nachweislich traditionell Walfang betrieben haben. Es zeigt sich immer wieder, daß – auch über Einfluß der Japaner – versucht wird, den Indigenen Geld zu geben – im Osten Kanadas zum Beispiel –, damit sie um Quotenfänge ansuchen, diese Wale werden dann aber kommerziell genützt.

Zweitens halte ich die Neuentwicklung der Quoten für wichtig. Ich möchte, daß die Quoten, die ja an sich gut sind, weiter bestehen, aber daß aufgepaßt wird und daß es eine bessere Kontrolle darüber gibt, damit eben der Walfang nicht für kommerzielle Interessen ausgenützt wird. Und was Kollege Salzl auch schon angesprochen hat: Es ist auch ein Problem, daß gesagt wird: Wir fangen die Wale für wissenschaftliche Zwecke!, und dann werden von den Japanern eben 400 Wale gefangen, und dieses Walfleisch findet sich schließlich auf den lokalen Märkten.

Es wäre auch notwendig, daß es ein Verbot für den Handel mit Walfleisch gibt. Es besteht zwar nach dem Artenschutzabkommen eine Regelung, aber diese genügt nicht für die Kontrolle der Ware, die auf die Märkte kommt.

Wir brauchen weiters eine Regelung des wissenschaftlichen Walfanges. Da müßten wir meiner Meinung nach viel kritischer mit den Vorstellungen umgehen.

Letztendlich meine ich, daß der Schutz der Wale auch jetzt noch nicht tatsächlich abgesichert ist, das heißt, daß es noch immer nicht klar ist, ob die Wale in den Weltmeeren tatsächlich ihren Lebensraum behalten können, ob nicht die Wale weiterhin in ihrer Existenz bedroht sind. Ich hoffe sehr, daß bei der Konferenz in Oman ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Wale geleistet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Gredler hat sich noch zu Wort gemeldet. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.41

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Da von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern die


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wesentlichen Punkte bereits erwähnt worden sind, möchte ich nur noch auf einen Punkt aufmerksam machen: Wenn man den indigenen Völkern überläßt, zu definieren, welche Menge an Tieren sie brauchen, um ihren Traditionen nachkommen beziehungsweise um ihre traditionelle Küche auch weiterhin erhalten zu können, dann läuft man Gefahr, eine Erhöhung der Quote zu erzielen, was sicherlich nicht den Intentionen Österreichs entspricht.

Wir sind zwar nicht unmittelbar von diesem Problem betroffen, auf der anderen Seite muß ich, die ich selbstverständlich die Anliegen der indigenen Völker respektiere, aber sagen, daß man darauf achten sollte, daß wir nicht das Gegenteil dessen, was wir eigentlich mit unserem heutigen Beschluß bewirken wollen, erreichen, nämlich daß die Zahl der Tiere, die gejagt werden dürfen, erhöht wird, um im Umkehrschluß damit nicht nur die traditionelle Lebensart zu unterstützen, sondern auch, wie ich meine, kommerziellen Wünschen von manchen Ländern nachzugeben. Das wäre zu schade.

Ein letztes Wort noch: Der Vorwand der Wissenschaftlichkeit in bezug auf die Zahl der Tiere, die man tötet, steht in keiner Relation. Wissenschaftliche Arbeiten lassen sich mit wesentlich weniger Tieren durchführen, vor allem muß man nicht immer das Tier töten, um Versuche machen zu können. Nur: Das, was jetzt geschieht, entspricht nicht den Intentionen dieses Parlaments, nämlich daß man einfach Interessen von Wissenschaftern vorschiebt, um die Quote zu erhöhen. – Darauf wollte ich meine Ausführungen beschränken. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich noch Frau Abgeordnete Ing. Langthaler zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, ich muß Ihnen leider sagen, daß diese Wortmeldung nicht durchgeführt werden kann, weil aufgrund der beschlossenen Redezeiteinteilung das Zeitkontingent für den grünen Klub bereits zur Gänze aufgebraucht wurde.

Eine weitere Wortmeldung dazu liegt mir nicht vor. Ich schließe daher die Debatte.

Ein Schlußwort seitens des Berichterstatters wurde nicht verlangt.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über jeden Ausschußantrag getrennt durchgeführt wird.

Wir stimmen zunächst ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 1084 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Die Genehmigung ist mehrheitlich erteilt.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1178 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer für diese Entschließung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Entschließung ist einstimmig angenommen . (E 120.)

10. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1085 der Beilagen): Zusatzabkommen zu dem in Paris am 2. September 1949 unterzeichneten Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, abgeschlossen


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zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Europarat betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel (1179 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1098 der Beilagen): 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates (1180 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht begehrt.

Wir beginnen die Debatte mit der Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Scheibner. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten. Gesamtrestredezeit für Ihren Klub: 6 Minuten. Ich stelle 4 Minuten ein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.46

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei diesen zwei Regierungsvorlagen geht es um die Frage, inwieweit verschiedenen internationalen Einrichtungen, und da im speziellen des Europarates, besondere Vorrechte und Immunitäten zuerkannt werden sollen. Es ist eine derartige Regelung schon vorhanden. Nun geht es darum, daß auch die Richter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und auch die Mitarbeiter beim Europäischen Zentrum für lebende Sprachen ausgeweitete Immunitäten und Vorrechte bekommen sollen.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere an die gestrige Diskussion über die Immunität der Abgeordneten, wo meine Fraktion die Meinung vertrat, daß Immunitäten und Privilegien nur in dem für die Ausübung des Mandats und der Funktion unbedingt notwendigen Ausmaß zuerkannt werden sollen. Alles, was darüber hinausgeht, ist nicht gerechtfertigt und gerade in einer offenen Gesellschaft auch immer wieder zu hinterfragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dasselbe sollte auch für Privilegien und Immunitäten im internationalen Bereich gelten, vor allem vor dem Hintergrund einer immer stärkeren europäischen Integration, einer stärkeren Öffnung der Nationalstaaten gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Gerade in Europa ist diese Entwicklung immer stärker vorhanden.

Vor diesem Hintergrund sehen wir es natürlich ein, daß auch Richter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte jene Privilegien und Immunitäten erhalten sollen, die es ihnen ermöglichen, ihre Funktion bestmöglich auszuüben. Was nicht einzusehen ist, ist der Umstand, daß von diesen Immunitäten und Privilegien auch die Familienangehörigen profitieren sollen. Das würde auch einer Parallelregelung im österreichischen Recht für unsere Richter nicht entsprechen. In dieser Hinsicht geht, so meine ich, diese Regierungsvorlage beziehungsweise gehen diese Regelungen zu weit.

Ebenso verhält es sich in der Frage der Mitarbeiter beim Europäischen Zentrum für lebende Sprachen. Auch da soll es natürlich so sein, daß Mitarbeiter, die im Ausland eine Tätigkeit für europäische Institutionen verrichten, möglichst ungestört dieser Tätigkeit nachkommen können sollen. Warum aber auch da sehr weitreichende Privilegien, die ähnlich im Falle eines diplomatischen Status anzuwenden sind, gewährt werden, ist mir unerklärlich. Ich sehe nicht ein, warum es eine Steuerfreiheit für die Kfz-Steuer geben soll, warum es eine Steuerfreiheit für die dort bezahlten Gehälter geben soll und warum es etwa Ausnahmen bei Sozialversicherungsgesetzen oder eine rückwirkende Vergütung der Mehrwertsteuer geben soll.

Noch einmal: Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Integration Europas und einer Öffnung der Nationalstaaten innerhalb Europas – es geht ja hier nicht darum, daß Diplomaten oder andere Mitarbeiter europäischer Institutionen geschützt werden müssen, weil sie in irgendwelchen dubiosen Diktaturen ihre Tätigkeit verrichten müssen, sondern es geht ja hier um westliche De


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mokratien – halten wir derartig weitreichende Immunitäten und Privilegien für überzogen. Diese Regelungen gehen unserer Meinung nach in die falsche Richtung. Deshalb können wir diesen beiden Regierungsvorlagen nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.49

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Abgeordneter Scheibner, übersah in seiner Kritik, daß sich die sogenannten Vorrechte und Immunitäten an den normalen diplomatischen Usancen orientieren. Es geht hier um Personen, die im Dienste internationaler Organisationen europaweit tätig sind, die also durchaus mit Diplomaten, die bilateral tätig sind, vergleichbar sind.

Abgeordneter Scheibner hat auch gemeint, er sehe es nicht ein, warum das etwa bei den Richtern auch für deren Familienangehörige gelten solle. Dazu ist zu sagen: Es sind die Menschenrechtsstandards leider immer noch nicht in allen europäischen Ländern, auch nicht in den Mitgliedstaaten des Europarates, gleich beziehungsweise gleichwertig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte soll ja für die Durchsetzung der Menschenrechte in allen Mitgliedstaaten des Europarates sorgen, und da ist es auch wichtig, daß nicht etwa durch willkürliche Maßnahmen gegen Familienangehörige Druck auf einen Richter ausgeübt werden kann. Wenn etwas vorfällt, was eine behördliche oder gerichtliche Verfolgung rechtfertigt, ist auch in diesem Verfahren natürlich dafür vorgesehen, daß es zu einer Quasiauslieferung, zur Ermöglichung der Verfolgung kommt. Das ist auch im Vertrag so geregelt, aber das hat Kollege Scheibner nicht erwähnt. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Man kann über die Steuerfreiheit natürlich diskutieren. Übersehen Sie aber eines nicht: Der Europarat muß wie alle anderen internationalen Organisationen seine Bediensteten nach einem Schema bezahlen, egal, in welchem Land der Mitarbeiter tätig ist.

Daher müßte man auf die unterschiedlichen Steuersätze Bedacht nehmen. Die internationalen Organisationen gehen daher so vor, daß sie die Steuerfreiheit bei der Festsetzung der Gehälter von vornherein berücksichtigen, und die Bediensteten kommen dann auf die gleichen Nettobezüge, egal, in welches Land sie geschickt werden. Das sind in Wahrheit keine Privilegien, sondern das ist das Herstellen von Gleichwertigkeit und Gleichheit.

Meine Damen und Herren! Diese Debatte bietet mir die Gelegenheit, etwas Grundsätzliches zu sagen, zumal auch das Datum günstig ist. Vor fast genau 50 Jahren, ein paar Tage mehr als vor 50 Jahren, hat in Den Haag der Europakongreß stattgefunden, bei dem mehrere paneuropäische Initiativen und Gruppierungen – Winston Churchill hat auf diesem Kongreß eine führende Rolle gespielt – die Einigung Europas gefordert haben, den Zusammenschluß der europäischen Demokratien zu einer gemeinsamen Organisation, und die Schaffung eines Menschenrechtsinstrumentes, eines Gerichtshofes, bei welchem die Bürger der Mitgliedstaaten direkt Recht finden können, und zwar supranational auf europäischer Ebene. Im Jahre 1948 – von 7. bis 10. Mai 1948 fand der genannte Europakongreß in Den Haag statt – war das eine Vision, heute ist es eine Selbstverständlichkeit, heute ist es Wirklichkeit geworden. Und wenn vom November an der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit den hauptamtlichen Richtern tätig wird, was ja der Grund war, warum dieses Abkommen jetzt ratifiziert werden soll, dann ist das wirklich die vollständige Erfüllung der Vision von 1948, der Vision vom Europakongreß in Den Haag.

Es ist damit ein vollständiges Territorium der demokratischen Sicherheit der Menschenrechte geschaffen worden, nachdem nun auch Rußland ratifiziert hat und daher auch Rußland unter die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte fallen wird. Dieser Gerichtshof wird für alle 40 Mitgliedstaaten des Europarates zuständig sein. Das hat im Jahre 1948 wirklich niemand zu träumen gewagt, daß das eines Tages eintreten wird, noch zu Lebzeiten mancher, die am Europakongreß im Jahre 1948 teilgenommen haben.


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Aber der Europarat hat sich auf seinen Meriten nach der Gründung 1949 nicht ausgeruht, sondern entwickelt sich weiter. Ich möchte auf die Ergebnisse des zweiten Gipfels des Europarates hinweisen, der im Herbst vorigen Jahres in Straßburg stattgefunden hat, und zwar als eine Fortsetzung des ersten Gipfels des Europarates, der in Wien stattgefunden hatte, bei dem ein sehr beachtlicher Aktionsplan beschlossen wurde. Ich meine, "50 Jahre Europakongreß in Den Haag" sind ein guter Anlaß, zu sagen, womit sich der Europarat in Zukunft beschäftigen wird.

Aus Zeitgründen will ich nur stichwortartig die Vorhaben des Europarates aufzählen: Im Aktionsplan praktisch verwirklicht, weil im Herbst installiert, ist der Ständige Gerichtshof für Menschenrechte. Es wird ein europäischer Hochkommissär für Menschenrechte neben der Tätigkeit des Gerichtshofes, der sozusagen nachvollziehend tätig ist, der die Verletzungen feststellt, von vornherein auf die Einhaltung der Menschenrechte achten. Es wird der Europarat auf die Einhaltung der durch die Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen noch größeres Gewicht legen. Der Europarat reagiert auf neue Probleme, etwa durch das Verbot des Klonens durch ein Zusatzprotokoll zur Biomedizinkonvention. Der Europarat nimmt sich der Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz an. Der Europarat übt eine weitere, ganz wichtige Aufgabe aus, die auch zu unserer Sicherheit beiträgt, er sorgt nämlich für den Schutz nationaler Minderheiten, und zwar europaweit. Eine weitere Aktivität des Europarates ist die Entwicklung neuer Strategien des sozialen Zusammenhaltes. Die Förderung und der Schutz der Kinder, leider immer noch aktuell, gehört ebenso zu den neuen Aufgaben des Europarates wie die Bekämpfung des Terrorismus, der Korruption, des organisierten Verbrechens und des Drogenhandels. Die Aufgabe der Erziehung zum demokratischen Staatsbürger und der Aufwertung des europäischen Erbes wird vom Europarat ebenfalls wahrgenommen.

Das alles soll gesehen werden im Kontext, daß der Europarat zu seinem 50. Geburtstag im nächsten Jahr eine eigene Strukturreform plant. Aber es wird auch notwendig sein, eine Strategie der Zusammenarbeit der europäischen Institutionen zu entwickeln, um einerseits Doppelgeleisigkeit zu vermeiden und andererseits Synergien besser zu nützen.

Ein konkretes Anliegen in diesem Zusammenhang, Herr Vizekanzler und Außenminister, und auch im Zusammenhang mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist, daß auch die Europäische Union in die Lage versetzt wird, dieser umfassenden Europäischen Menschenrechtskonvention beizutreten, um sich dann auch den Sprüchen des Menschenrechtsgerichtshofes zu unterwerfen.

Ich glaube, daß sich der Europarat in den 49 Jahren seines Bestehens – 50 Jahre sind seit der Den Haager Europakonferenz vergangen – bewährt hat. Wenn wir diese beiden Protokolle heute ratifizieren, ist das eine weitere Bestätigung dieser Bewährung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Dr. Konrad zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.57

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Aus sozialdemokratischer Sicht begrüßen wir das Zusatzabkommen zum Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, das das Europäische Zentrum für lebende Sprachen in Graz betrifft. Dieses Zentrum wurde als Einrichtung des Europarates vor fast genau drei Jahren, und zwar am 9. Mai 1995, eröffnet, und deshalb ist es notwendig und richtig, den privilegien- und immunitätsrechtlichen Status des Sprachenzentrums entsprechend zu regeln.

Seit vielen Jahren haben sich zahlreiche internationale Organisationen in Österreich angesiedelt, weil sie bei uns zielführend und gut arbeiten können, weil sie gute Bedingungen und eine förderliche Infrastruktur vorfinden, aber nicht zuletzt auch deswegen, weil ihre Arbeit von der Bevölkerung geschätzt wird.


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120. Sitzung / Seite 63

Das gilt auch für das Europäische Zentrum für lebende Sprachen in Graz, das besonders die Entwicklung der Staaten Mittel- und Osteuropas unterstützen soll und es auch tut.

Dieses Europäische Zentrum arbeitet mit österreichischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zusammen, mit Lehrkräften in österreichischen Bildungseinrichtungen, und der Status der Kooperationspartner und -partnerinnen muß analog zu anderen internationalen Organisationen und Einrichtungen geregelt werden.

Die Einräumung der vorgesehenen besonderen Rechte und Befreiungen dient vorwiegend dazu, die Unabhängigkeit der Organisation zu sichern. Es sind keine Privilegien im Sinne von ungerechtfertigten Vorrechten, sondern diese Sonderregelungen entsprechen den einschlägigen Bestimmungen, wie sie üblicherweise zwischen internationalen Organisationen und ihrem Gastland abgeschlossen werden.

In Zeiten wirtschaftlicher Globalisierung begrüße ich dieses Zusatzabkommen als eine Maßnahme, die die Globalisierung der Wissenschaft, der Kommunikation und der Kommunikationsvoraussetzungen fördert.

Dieses Zusatzabkommen erleichtert die effektive Arbeit des Europäischen Zentrums und ist auch Ausdruck der Anerkennung für die geleistete beziehungsweise zu leistende Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.00


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120. Sitzung / Seite 64

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegt jetzt noch eine Wortmeldung von Frau Abgeordneter Dr. Gredler vor. Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

13.01

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Kritikpunkte, die der Redner von der Freiheitlichen Partei vorgebracht hat, muß man wirklich beachten. Es ist einerseits sicherlich nicht mehr notwendig, daß heutzutage steuerliche Privilegien beziehungsweise Umsatzsteuerrückvergütungs-Privilegien einfach so fortgeschrieben werden, ohne daß man das einmal international thematisiert. Es wäre wirklich spannend, sich zu überlegen, welche Immunitäten und Privilegien für welche international aktive Gruppen notwendig sind und wo man international eigentlich eine Neufassung erreichen könnte.

Ich sehe schon ein, daß es nicht möglich ist, daß Österreich alleine das ändert. Das würde bedeuten, daß alle internationalen Organisationen sofort abziehen. Bonn hat sehr viele leere Gebäude, sehr viele leere Häuser und würde sich sehr freuen, alle dort beheimaten zu können. – Das ist also nicht der richtige Weg. Der Weg sollte vielmehr sein, daß wir einmal versuchen, diese Frage international zu besprechen beziehungsweise zu Neuregelungen zu kommen, denn in punkto Besteuerung und Mehrwertsteuerrückvergütung sehe ich die bestehende Regelung nicht unbedingt ein.

Was allerdings den Zugang der Familie beispielsweise zum Arbeitsmarkt betrifft, so gibt es die Regelung ja deshalb, damit Familien, in denen zwei Menschen arbeiten, auch die Möglichkeit haben, unter Umständen nicht geographisch getrennt zu sein, sondern beide an einem Ort zu arbeiten. Da sehe ich ein, warum diesen Personen geholfen werden sollte, sich in ein fremdes Land zu integrieren beziehungsweise dort eine Arbeitsstelle zu finden. Ich halte das nicht für verwerflich, wenn man versucht, Partnerinnen und Partner zu unterstützen. Das würde ich hier nicht als Kritikpunkt anbringen. Aber die Kritik an sich ist richtig, insofern, als sie darauf abzielt – wie das schon vor einigen Monaten auch beim CTBTO-Abkommen der Fall war –, zu versuchen, international jetzt einen Schritt zu gehen und zu sagen, wo es eine Bevorzugung geben soll und wo nicht. Aber das fortzuschreiben, ohne es je in Frage gestellt zu haben, ist, glaube ich, auch der falsche Weg.

Wir werden aber diesmal diesen beiden Anträgen Folge leisten und sie unterstützen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort seitens des Berichterstatters ist nicht begehrt worden.

Wir kommen daher zur Abstimmung; wir stimmen über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Zunächst stimmen wir ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Zusatzabkommen zum Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel in 1085 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Genehmigung sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich. Die Genehmigung wurde mehrheitlich erteilt.

Wir stimmen nun ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates in 1098 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Genehmigung sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Die Genehmigung wurde mehrheitlich erteilt.

12. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1088 der Beilagen): Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich (1181 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1107 der Beilagen): Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärungen;

Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung (1182 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir beginnen die Debatte mit einer Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.06

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Heute sind weltweit rund 110 Millionen Antipersonenminen verlegt – Minen, die durch die Gegenwart, durch die Nähe, durch das Berühren durch einen Menschen zur Explosion gebracht werden und ihn töten, verstümmeln oder schwer verletzen.


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Jedes Jahr kommen an die 2 Millionen solcher Minen dazu. Sie werden in Kriegsgebieten, in Krisengebieten verlegt, und 20 000 Menschen pro Jahr verlieren auf diese Art und Weise ihr Leben beziehungsweise sind durch die Verletzungen dermaßen verstümmelt oder sonst so beeinträchtigt, daß sie ihr normales Leben, das sie bis dahin gewohnt waren, nicht fortsetzen können.

Das sind die Fakten, die einem wirklich kalte Schauer über den Rücken laufen lassen und die, glaube ich, auch jedem, der diese Fakten zur Kenntnis nehmen muß, einen Auftrag mitgeben: den Auftrag, diesbezüglich tätig zu werden. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich freue mich, daß wir heute mit diesem Übereinkommen auch eine österreichische Initiative für die Menschlichkeit beschließen und begrüßen können, die versucht, dieses Leid für die nächste Zukunft zumindest innerhalb eines gewissen Maßes zu halten, es zu vermindern und dazu beizutragen, daß solche Minen zukünftig nicht mehr verlegt werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Dieses Übereinkommen sieht vor – mit ganz konkreten Worten –, daß der Einsatz, die Lagerung, die Herstellung und die Weitergabe solcher Antipersonenminen zukünftig verboten wird; zweitens, daß die vorhandenen Bestände von Minen innerhalb von vier Jahren nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens vernichtet werden; drittens, daß die Antipersonenminen, die in vielen Gebieten dieser Welt leider immer noch verlegt sind, innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens geräumt werden; und viertens, daß man bei dieser Minenräumung auch international zusammenarbeitet.

Das ist ganz konkret ein riesiger Fortschritt auch in Richtung einer Ächtung dieser Antipersonenminen, und es ist ein wesentlicher Beitrag, den Österreich hiermit geleistet hat!

Ich möchte mich namens der ÖVP bei allen Fraktionen im Hause bedanken, die dazu beigetragen haben, daß dieses Übereinkommen sehr schnell behandelt werden konnte.

Ich hoffe auch – und das möchte ich von dieser Stelle aus besonders betonen –, daß die Abgeordneten der Freiheitlichen Partei ihre Ablehnung im Ausschuß noch einmal überdenken (Abg. Dr. Fuhrmann: Sie sind pro gemeldet!) – sie sind pro gemeldet, und das sehe ich als ein positives Zeichen – und daher heute im Plenum dem auch zustimmen werden. Wenn dem so ist, freue ich mich darauf, weil ich glaube, daß eine einheitliche Vorgangsweise unseres Hauses in dieser Richtung sehr wertvoll ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte mich aber auch beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten besonders bedanken. Dort hat es einen Mann gegeben, der diesen Vertragsentwurf innerhalb kürzester Zeit formuliert hat, und ich möchte ihn hier auch besonders nennen: Es war Gesandter Dr. Thomas Hajnoczi, der für den Text verantwortlich ist, und ich möchte ihm dazu gratulieren, denn das war wirklich eine Angelegenheit, die Österreich sehr viel Anerkennung in der ganzen Welt gebracht hat! Ich möchte mich bei Herrn Dr. Hajnoczi von dieser Stelle aus herzlich bedanken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn man betrachtet, wie dieses Übereinkommen über das Verbot von Antipersonenminen innerhalb – für ein internationales Übereinkommen – kürzester Frist durchgetragen wurde, ist das auch durchaus ein Lob für den Außenminister und für das ganze Außenministerium.

Erst Ende 1996 gab es den Auftrag an Österreich, einen Entwurf zu erstellen. Dieser Entwurf wurde innerhalb weniger Wochen fertiggestellt. Bereits im Februar 1997 fand eine Expertentagung in Wien statt, ein paar Monate später eine Konferenz in Brüssel, wieder ein paar Monate später in Oslo die Endredaktion, und schließlich wurde Ende letzten Jahres, und zwar am 3. und 4. Dezember 1997, in Ottawa die Unterzeichnung durch 122 Staaten vorgenommen. – Das ist nicht nur eine große Zahl an Unterstützern, sondern das ist auch ein Zeitablauf, der wirklich rekordverdächtig ist. Ich möchte Herrn Bundesminister Dr. Schüssel dazu beglückwünschen, der persönlich in seinen Gesprächen sehr viel Druck gemacht hat, damit viele Staaten unterzeichnen, und der auch persönlich mit seiner Handschrift für dieses Übereinkommen verantwortlich zeichnet. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Fuhrmann und Dr. Karlsson. )


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Und wie geht es weiter, meine Damen und Herren? – Mit diesem Übereinkommen ist der rechtliche Rahmen geschaffen, aber wir haben im Ausschuß vom Herrn Bundesminister gehört, daß Österreich darüber hinaus aktiv werden wird. Das österreichische Bundesheer wird Trupps ausbilden, die für die Minenräumung verantwortlich sind. Der Außenminister hat mit dem Finanzminister und dem Jugendminister auch Geldmittel organisiert, damit die Minenräumung voranschreiten, damit Opfern geholfen werden kann. Es ist dies also wirklich eine Initiative, die nicht mit der Ratifizierung des Übereinkommens stehenbleibt, sondern in deren Rahmen Österreich auch in Zukunft weiterhin einen wertvollen Beitrag leisten wird.

Ich möchte daher für meine Fraktion festhalten: Das ist ein Musterbeispiel für eine gute österreichische Außenpolitik, und ich wünsche mir, daß sie genau in dieser Weise in vielen Bereichen fortgesetzt wird. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fuhrmann. )

13.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.12

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich kann den Worten meines Vorredners, was den Inhalt dieser Abkommen betrifft, nichts hinzufügen und schließe mich ihnen hundertprozentig an. – Ich möchte aber doch drei Punkte noch genauer ausführen.

Ein Punkt, der – zwar von uninformierten Kreisen, aber doch – manchmal gebracht wird, ist die Frage, welchen Sinn denn solche Abkommen überhaupt hätten, denn die Gauner halten sich ja sozusagen ohnehin nicht daran. Das wäre so, als würde man sagen: Machen wir keine Gesetze, denn die Gauner halten sich sowieso nicht daran! – Auf internationaler Ebene sind diese Abkommen eben das Äquivalent dieser Gesetze, und es zeigt sich sehr wohl, welch immense Auswirkung sie haben.

Wir haben uns heute unter einem anderen Tagesordnungspunkt schärfstens in den Chor der internationalen Gemeinschaft eingereiht, die den Bruch des Atomteststopp-Abkommens verurteilt. Ich möchte in diesem Zusammenhang schon darauf hinweisen, daß Atomwaffen vor 40 Jahren keine verabscheuungswürdigen Waffen waren, sondern daß sozusagen sehr honorige Staaten an der Entwicklung eigener Atombomben gearbeitet beziehungsweise daran gedacht haben. Erst internationaler Druck – es waren das sehr viele kirchliche Organisationen, sehr viele Frauenorganisationen, die diesen Protest auch außerhalb der Parlamente organisiert haben – hat zur Ächtung geführt, hat zu den Abkommen geführt und dazu, daß wir heute ganz eindeutig sagen: so nicht!

Ähnliches ist mit den Antipersonenminen-Abkommen passiert, wobei der Weg da noch ein anderer war: daß nämlich nicht auf Großmächte gewartet wurde, sondern daß die kleinen Staaten gesagt haben: Mit uns nicht mehr; wir wollen diese Waffen nicht mehr haben!

Zweiter Punkt: Wir in Österreich haben uns nicht nur in – wie bereits ausgeführt wurde – exemplarischer Weise außenpolitisch verpflichtet, sondern wir haben auch innen unser Haus in Ordnung gebracht. In diesem Zusammenhang möchte ich auch anmerken, daß bei dieser Vorführung leider – vielleicht war es nur Zeitnot – von den Abgeordneten außer mir niemand dabei war. Es hat das Bundesheer eine eigene Veranstaltung organisiert, zu der es die Firmen eingeladen hat, zu zeigen, daß Antipersonenminen in Österreich nicht mehr erzeugt werden, daß – ganz im Gegenteil! – das, was erzeugt wird, hier nicht unwillkürlich ausgelöst werden kann. Diese Vorführung wurde vom Bundesheer organisiert, vom Bundesheer unterstützt, und ich habe alle Hoffnung, daß diese Rolle Österreichs, was die Minenräumung und das Spezialistentum hinsichtlich Delaborierung – das heißt, der Entsorgung – dieser Minen betrifft, weiter fortgeführt wird.

Dritter Punkt: Laserwaffen. Diesbezüglich haben wir sowohl innerösterreichisch als auch auf internationaler Ebene im Vorfeld – schon bevor diese Waffen Massenwaffen geworden sind! –


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gesagt: Nein, nicht einmal daran denken, nicht einmal entwickeln! Diese Waffen lehnen wir von vornherein ab!

Auch da wird, wie gesagt, wieder das Argument folgen, die Gauner hielten sich nicht daran. Aber darum geht es nicht. Es muß ja Gesetze, es muß Ächtung geben. Wenn wir mit der heutigen Zustimmung zu diesen Abkommen etwas mehr Frieden in der Welt schaffen und das menschliche Leid etwas verringern können, dann sollten wir hochzufrieden sein. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. Restredezeit Ihres Klubs: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.17

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeit ist knapp, daher ganz kurz: Wir stimmen beiden Vorschlägen zu, nicht zuletzt deswegen, weil sie eigentlich keine echte Auswirkung auf das österreichische Bundesheer haben, denn das Gesetz, das Frau Kollegin Karlsson hier gerade gepriesen hat, hat eigentlich keine richtige rechtliche Wirkung. Es geht nicht darum, ob die "Gauner" das nicht akzeptieren, sondern es geht darum, daß es die wichtigen Staaten im wesentlichen nicht annehmen.

Die Folge des Gesetzes wird folgende sein: Wir akzeptieren es, es ist ja nur eine Aufforderung an die anderen – für uns ist die Lage ja ohnehin klar –, diese werden produzieren – 2 Millionen im Jahr, wie wir gehört haben –, und wir haben nach diesem Gesetz für die Räumung mitzuzahlen. Das ist das einzige Faktum, das wirklich Auswirkungen auf Österreich hat.

Ein weiteres Faktum betrifft unser Bundesheer: Wir spenden ins Ausland – das ist gut für die Räumung –, machen aber für unser Bundesheer, weil wir notorisch finanziell am Ende sind, nichts. Wir haben als Minenräumausstattung von hoher Qualität pro Jägerbataillon ein solches Räumgerät – und schicken unsere Leute ins Ausland! Wir haben keine gute Minensuch-Schutzausstattung für unsere Leute, aber im Ausland hauen wir sozusagen groß auf den Tisch! – Das werfe ich dieser Regierung vor, und das ist Doppelbödigkeit – auch wenn Kollege Amon wieder einmal seinen Kopf schüttelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Jung und Kollegen zum Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1088 der Beilagen): Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich (1181 der Beilagen) betreffend die Ausstattung des österreichischen Bundesheeres zur Unterstützung bei der Räumung von Minen

"Die Bundesregierung wird ersucht, in den kommenden Finanzjahren dafür Sorge zu tragen, daß dem österreichischen Bundesheer für Einsätze im Rahmen der Minenräumung im Ausland die entsprechenden zusätzlichen modernen Minenräumgeräte zur Verfügung stehen und hiefür mindestens 25 Millionen Schilling pro Jahr zusätzlich im Budgetkapitel 40 (militärische Landesverteidigung) veranschlagt werden."

*****

Ich bin neugierig, ob die Grünen dem zustimmen werden. Das wäre jedenfalls ein Antrag, bei dem sie es tun könnten.

Letztlich – weil Kollege Amon noch immer sein weises Haupt schüttelt –: Die Doppelbödigkeit der ÖVP in diesem Zusammenhang ist geradezu unglaublich. Hätte ich mehr Haare am Kopf, würde ich sagen, haarsträubend, Herr Kollege. Denn Ihr Minister hat uns vor noch nicht allzu


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langer Zeit, bevor dieses erste Minenabkommen abgestimmt wurde, händeringend darum ersucht, ihn dabei zu unterstützen. Eine knappe Woche vorher hat er es sich anders überlegt und gesagt, er hält es nicht mehr aus. – Das ist das, was Doppelbödigkeit ist! Das ist das, was Kollege Maitz hier vorhin kritisiert hat, aber das ist genau die Haltung der ÖVP! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kollege Maitz selbst hat mich dort draußen ersucht: Bitte reden Sie im Plenum nicht über die Richtsplitterladungen, denn das sind ja eigentlich auch Schützenminen, und die braucht das Bundesheer! – So sieht es aus, meine Damen und Herren, mit der "Ehrlichkeit" in Ihrer ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist Doppelbödigkeit reinsten Wassers, und diese findet man in dieser ausgeprägten Form wirklich nur in der ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Moser. Restredezeit Ihres Klubs: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.20

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß der Nationalrat heute dieses Abkommen beschließt und daß wir damit auch die notwendige Ratifizierung durchführen. Die ganze Sache hat natürlich einen Wermutstropfen insofern, als bedauerlicherweise jene Länder, die diese Antipersonenminen produzieren, diesem Abkommen noch nicht beigetreten sind, allen voran die Vereinigten Staaten, Rußland, aber beispielsweise auch China.

Ich darf daher den Herrn Außenminister und Vizekanzler dringendst ersuchen, daß auch diese Frage – so wie wir es vorhin im Bereich der Verhinderung der Stationierung von Atomwaffen in Europa besprochen haben – ein Teil, ein ganz wichtiger Teil der österreichischen Außenpolitik im Rahmen der Europäischen Union wird.

Wir haben, wie Sie sich erinnern können, vor einem Jahr eine sehr emotionale Debatte über das Gesetz zum Verbot von Antipersonenminen geführt. Ich bin sehr stolz darauf, daß es zu diesem Verbot gekommen ist. Wir haben dadurch international ein sehr hohes Ansehen bekommen. Wir haben dadurch international auch einiges bewegt. Nicht nur, daß dieses Gesetz, das wir seinerzeit beschlossen haben, der eigentliche "Turbo" für Ottawa war, haben sich auch andere Staaten dieses Gesetz zum Vorbild genommen, um national eine entsprechende Beschlußfassung vorzunehmen. Ich darf daran erinnern – ich war damals noch Mitglied der österreichischen Delegation beim Europarat –, daß sich auch der Europarat dieser Frage angenommen hat.

Ich bin auch sehr stolz darauf, daß in der Zwischenzeit das österreichische Bundesheer die vorhandenen Antipersonenminen bereits entsorgt hat und daß es damit einen Beitrag zur Umsetzung dieses Gesetzes und auch zur Umsetzung jener vertraglichen Bestimmungen, die wir heute beschließen werden, geleistet hat.

Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin gesagt, dieses Gesetz, das wir vor etwa einem Jahr beschlossen haben, war der "Turbo" für Ottawa. Ich möchte es daher nicht verabsäumen, dem Außenministerium, das ich vorhin kritisiert habe, weil ich der Meinung war, daß in der Art und Weise, wie Unterlagen dem Parlament vorgelegt werden, manchmal schlampig vorgegangen wird, nun ein Lob auszusprechen. Ehre, wem Ehre gebührt. Da haben unsere Diplomaten sehr vorbildlich gearbeitet, und das soll in diesem Hause anerkannt und auch so dargestellt werden.

Ich finde es sehr günstig, sehr positiv, daß seitens des Außenministeriums 40 Millionen Schilling für Minenräumung zur Verfügung gestellt werden.

Wir werden selbstverständlich auch dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen die Zustimmung geben, daß das österreichische Bundesheer, wenn es zu einem Einsatz im Ausland kommt, entsprechend ausgerüstet wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ganz kurz etwas zur Frage des Einsatzes von Antipersonenminen sagen. Wir haben ja schon sehr intensiv darüber diskutiert und auch in der Debatte im Außenpolitischen Ausschuß ist immer wieder die Frage erörtert worden: Brauchen wir so etwas? Ist es sinnvoll? Ist es notwendig? Faktum ist: Die Antipersonenminen sind eine inhumane, eine grausame Waffe. Sie sind – und das ist es besonders, was diese charakterisiert – eine heimtückische Waffe, weil sie nicht wirklich lokalisiert werden können, weil man sich nicht wirklich darauf einstellen kann – ich sage das auch als Offizier und Kommandant von Soldaten, die ich über Jahre führen mußte und für die ich verantwortlich war –, und diese Waffe ist auch militärisch nicht wirklich sinnvoll, weil sie letztendlich nicht kriegsentscheidend ist.

Ich habe mir, weil auch österreichische Abgeordnete als Wahlbeobachter in Bosnien-Herzegowina waren, den Minenplan mitgenommen, den wir seinerzeit bekommen haben. (Der Redner hält einen Plan in die Höhe.) Hier haben Sie die Lage der Millionen von Minen eingezeichnet, die in Bosnien-Herzegowina verlegt sind. Die Lage dieser Minenfelder zeigt den seinerzeitigen Verlauf der Verteidigungsstellungen. Heute sind keine Soldaten mehr dort eingesetzt, heute ist der Krieg zu Ende, aber was noch immer in Bosnien-Herzegowina vorhanden ist, sind die Minen. Heute gefährden diese Minen immer noch Menschen, wirken gegen Zivilisten und Kinder, die unschuldig sind.

Daher ist diese Waffe so verabscheuungswürdig, daher bedeutet ein Einsatz dieser Waffe einen klaren Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht, und daher haben wir auch alles daranzusetzen, daß es zu einem Totalverbot dieses Waffensystems kommt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der zuvor von Herrn Abgeordneten Jung verlesene Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Maitz gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.25

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich berichtige Herrn Kollegen Jung, der behauptet hat, daß ich ihn in den Gängen gebeten hätte, hier nicht von Antipersonenminen oder Splitterminen zu reden, weil das das Bundesheer brauche.

Richtig ist, daß ich seit vielen Wochen mit Herrn Kollegen Jung kein persönliches Gespräch mehr gehabt habe (Abg. Dr. Niederwieser: Vielleicht hat er sich verkleidet gehabt!) , und richtig ist auch, daß das Bundesheer selbstverständlich keine Antipersonenminen besitzt oder erzeugt und auch in Zukunft nicht brauchen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kiss: Er ist vielleicht ein Tagträumer! Das wäre auch eine Möglichkeit!)

13.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Ich würde Ihnen, Frau Abgeordnete, gerne das Wort erteilen, die Redezeit Ihres Klubs ist allerdings bereits auf Null. Ich bitte Sie, diese Redezeitbeschränkung akzeptieren zu wollen. – Danke.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Amon vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Kiss: Der Jung ist von Beruf Brigadier! – Weitere Zwischenrufe. – Abg. Kiss: Aber es kann auch sein, daß er schlecht gelesen hat oder zuviel getrunken!)

13.26

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler und Außenminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über die Ratifizierung dieses internationalen Abkommens zum Verbot und damit zur Ächtung von Antipersonenminen debattieren, so gebührt zweifelsohne – ich möchte das sehr bewußt an den Beginn meiner Ausführungen stellen – der Dank unserem Herrn Außenminister, denn wir wissen, wie schwierig es wäre, ein


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derartiges Vorhaben durchzuführen, wenn nicht seitens des zuständigen Regierungsmitgliedes ein dementsprechender Support, eine dementsprechende Unterstützung gegeben wäre.

Dafür, Herr Vizekanzler, meinen herzlichen Dank, denn zweifelsohne kann man – Kollege Moser hat es angesprochen – stolz darauf sein, daß Österreich in dieser Frage eine geradezu unglaubliche Vorreiterrolle eingenommen hat!

Offensichtlich – das ist ja tatsächlich interessant – haben das langsam auch die Freiheitlichen begriffen, denn wenn man im Protokoll die Redebeiträge anläßlich der Debatte zu unserem Verbotsgesetz der Antipersonenminen nachschlägt, findet man den Abgeordneten Jung noch als Kontraredner. Sie haben dieses Verbotsgesetz damals nicht unterstützt, aber da es eine erfolgreiche Sache geworden ist, drehen Sie sich jetzt offensichtlich. Wir freuen uns, daß wir Sie überzeugen konnten. Ich freue mich, Herr Abgeordneter Jung, daß unsere Argumente im Ausschuß Sie überzeugt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Während wir hier debattieren, werden wieder zumindest zwei Menschen auf Antipersonenminen treten, dabei verstümmelt, schwer verletzt, möglicherweise sogar getötet werden. Von zehn Opfern, die durch Antipersonenminen ums Leben kommen, sind neun Zivilisten, also keine Militärs, und vier davon sind Kinder.

Man muß bedenken, daß derzeit 120 Millionen Antipersonenminen verlegt sind und daß man, wenn keine neuen dazukämen – derzeit kommen aber deutlich mehr dazu, als geräumt werden können –, 33 Jahre bräuchte, um diese Minen zu räumen.

Diese Mine ist eine Defensivwaffe, eine Waffe, die zum Teil zur Selbstverteidigung oder vielmehr zur vermeintlichen Selbstverteidigung eingesetzt wurde und wird, und daher wiederhole ich das, was ich Ihnen, Herr Abgeordneter Jung, im Ausschuß schon gesagt habe: Nicht selten treten die Kinder jener Soldaten auf eine Antipersonenmine, die diese Soldaten selbst verlegt haben. Das ist die eigentliche Tragik in diesem Zusammenhang.

Ich möchte aber auch sehr herzlich sowohl jenen danken, die im Vorfeld der Debatte zum Verbotsgesetz, das wir hier in Österreich beschlossen haben, Aktivitäten gesetzt haben, als auch jenen, die jetzt im Zuge der Verhandlungen über das internationale Abkommen Aktivitäten durchgeführt haben. Es war sehr stark das Rote Kreuz, das sich hiefür engagiert hat, es war sehr stark die Internationale Kampagne zur Ächtung und zur Bannung von Antipersonenminen, und es ist wohl auch kein Zufall, daß es die "International Campaign to Ban Landmines" war, die den Friedensnobelpreis erhalten hat. Auf Einladung unseres Außenministers war die Vertreterin und Sprecherin dieser Internationalen Kampagne erst letzte Woche hier in Österreich und hat ausdrücklich die Vorreiterrolle Österreichs in dieser Frage unterstrichen und hervorgehoben.

Ich danke sehr herzlich den zuständigen Beamten des Außenamtes. Einem wurde bereits gedankt; ich möchte aber auch sehr herzlich Herrn Botschafter Ehrlich – mittlerweile Botschafter im Iran – danken, der im Rahmen der Vorbereitung zu diesem Gesetz große Hilfe geleistet hat.

Da die NATO hier sehr oft als Schreckgespenst dargestellt wurde, darf ich abschließend doch erwähnen, daß mittlerweile – bis auf zwei NATO-Staaten – alle anderen NATO-Mitgliedstaaten dieses internationale Verbot, diese internationale Ächtung von Antipersonenminen unterstützt beziehungsweise ratifiziert haben.

Mein herzlicher Dank gilt also allen, die sich in dieser Frage engagiert haben. Ich glaube, das ist eine Waffe, die verboten gehört, denn dies ist – ebenso wie die Laserwaffen, die angesprochen wurden – eine feige Waffe, eine Waffe, die sich nicht von einem Soldaten gegen den anderen richtet – was natürlich ebenfalls zu verurteilen ist –, sondern eine Waffe, die sich gegen Zivilisten richtet, es ist eine Waffe, die sich gegen Kinder richtet. Daher ist es gut, daß wir diese Waffe hierzulande verboten haben und daß wir im internationalen Bereich eine Vorreiterrolle beim Verbot dieser Waffen spielen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Karlsson. )

13.32


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. – Bitte.

13.32

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, daß nach dem gestrigen Tag dieser Tagesordnungspunkt heute einvernehmlich, einstimmig beschlossen werden kann, und ich glaube, daß nach diesem gestrigen sehr unerfreulichen parlamentarischen Tag durch diese heutige Entscheidung – auch derer, die sich noch im Ausschuß nicht dazu überwinden konnten, dieser Vorlage die Zustimmung zu geben, die es heute im Plenum aber doch tun werden – von diesem Nationalrat, von diesem Parlament ein positives Signal gesetzt wird.

Ich stehe nicht an, den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, die ich im Ausschuß angesprochen und ersucht habe, es sich bis zum Plenum noch zu überlegen – so sehr man ihnen alles kritisch sagen soll, was man glaubt, ihnen sagen zu müssen –, auch Anerkennung auszusprechen, daß sie sich, wenn auch mit einer Mentalreservation und auch, wenn sie nicht hundertprozentig davon überzeugt sind, doch dazu entschlossen haben, dieses Signal von diesem Hohen Haus einstimmig in die Welt hinausgehen zu lassen, weil nämlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entscheidung des österreichischen Nationalrates zur Ratifikation dieses internationalen Übereinkommens sehr genau angesehen werden wird und weil – wie es ja schon die Vorredner geschildert haben – Österreich in dieser Frage eine sehr entscheidende, sehr intensive, sehr drängende Rolle gespielt hat.

Da gerade Kollege Höchtl in meine Richtung schaut: Er wird sich sicherlich daran erinnern – ich werde dir das nicht wegnehmen, denn ich nehme an, daß du dich auch deswegen zu Wort gemeldet hast –, welche Redeschlachten wir bei den interparlamentarischen Konferenzen im Rahmen der Interparlamentarischen Union geführt haben, wobei wir es zuletzt dann aber doch auch geschafft haben, eine entsprechende Resolution durchzubringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, daß wir im Rahmen des Flüchtlingsausschusses des Europarates sehr intensiv an dieser Frage gearbeitet haben, daß wir gemeinsam mit dem Internationalen Roten Kreuz Seminare veranstaltet haben, bei denen ich persönlich als Teilnehmer mit großer Betroffenheit und großem Entsetzen vieles gelernt habe. Da sind – wenn auch nicht alle unmittelbar, so doch über Video – Betroffene zu Wort gekommen, so etwa ein kleiner thailändischer Bub mit neun, zehn Jahren, dem ein Fuß abgerissen worden ist, der sagte: Wir haben eh gewußt, daß dort wahrscheinlich diese Minen liegen, aber einer von uns – und das ist meine Aufgabe in der Familie – mußte die Yaks zum Fressen hinausführen, weil uns diese sonst verhungern. Ich mußte es tun, daher mußte es mir passieren, und ich muß damit leben! Da, meine sehr geehrten Damen und Herren, läuft es einem kalt über den Rücken.

Ich meine, eine Grundsatzdebatte über Waffen, über Waffengebrauch, über kriegerische Auseinandersetzungen in diesem Hohen Haus zu führen, ist sinnlos. Wir alle sind gegen Krieg, wir alle sind dagegen, daß Menschen aufeinander schießen, daß Menschen einander Sprengfallen auslegen – wir können es nur leider als Österreicherinnen und Österreicher nicht verbieten, daß es trotzdem in der Welt passiert.

Wenn wir es aber schaffen, daran mitzuwirken, daß eine Waffe, von der wir wissen, daß neun von zehn Opfern, die zerfetzt werden – entweder bis zum Tode oder zur Verstümmelung –, keine Uniform anhaben, keine Soldaten sind, sondern Zivilistinnen und Zivilisten, und daß statistisch von diesen zehn Zivilisten, die zerfetzt werden, wieder sechs Kinder sind, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir, meine tiefe Freude und tiefe Genugtuung darüber zum Ausdruck zu bringen, daß wir diesen heutigen Ratifikationsbeschluß einstimmig fassen können.

Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Es ist auch die Frage der Räumung, die Frage der finanziellen, logistischen oder personellen Mithilfe bei der Räumung in diesen Ländern angesprochen worden. Und da meine ich, daß wir österreichischen Volksvertreterinnen und Volksvertreter auch


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sehr stolz darauf sein können, daß wir uns daran beteiligen, weil es eben leider Gottes Tatsache ist, daß nach wie vor mehr Minen verlegt werden, als geräumt werden können.

Und wenn es schon so ist, daß die Soldaten des österreichischen Bundesheeres – auch das habe ich gelernt bei diesem Seminar des Europarates – in der Welt anerkannte Fachleute, anerkannte Spezialisten sind und wir diesbezüglich weltweit großes Ansehen unserer Soldaten mit Freude registrieren können, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, halte ich es nicht nur aus humanitären Gründen für absolut richtig und unterstützenswert, dafür Geld zu investieren, sondern wir können auch zur Kenntnis nehmen, daß das das internationale Ansehen unserer Soldaten und damit unseres Bundesheeres und in weiterer Folge unserer Republik Österreich weiter mehren wird. – Herzlichen Dank für die heutige Beschlußfassung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Die Restredezeit des freiheitlichen Klubs beträgt 1 Minute. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.38

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann meinem Vorredner vollinhaltlich zustimmen. Ich danke auch für die Anerkennung unserem Klub gegenüber und hoffe, Herr Kollege Fuhrmann, daß Ihre Fraktion auch unserem Entschließungsantrag zustimmen wird. Denn durch diesen Entschließungsantrag soll es ja gerade dem Bundesheer ermöglicht werden, durch Neuanschaffungen – denn momentan ist das Gerät nicht vorhanden – genau in diesem Bereich der Minenentfernung noch bessere Arbeit leisten zu können.

Kollege Amon, Ihre zynische Bemerkung ist hier völlig fehl am Platze. Wir haben nicht Ihre Belehrungen für die Zustimmung gebraucht (Abg. Amon: Haben Sie zugestimmt im Ausschuß?), sondern ich sage es noch einmal: Unsere damalige Kritik bei der innerstaatlichen Regelung war dadurch bedingt, daß das Bundesheer und auch Ihre Fraktion uns gebeten haben, daß wir es allgemein verhindern mögen, daß sogenannte intelligente Minen entwickelt werden können. – Sie haben dann plötzlich Ihre Meinung geändert; wir sind konsequent geblieben.

Jetzt geht es aber um etwas anderes: Jetzt geht es darum, im Ausland konsequent mit einer Stimme dafür zu sorgen, daß man gegenüber jenen Staaten, die diesen Konventionen nicht beigetreten sind, die aber diese Minen vor allem verwenden, wie etwa China, wie etwa die USA, einheitlich auftreten kann.

Das ist meine Bitte und auch meine Forderung, Herr Außenminister: Nehmen Sie diese einstimmigen Beschlüsse des Nationalrates zum Anlaß, endlich auch stark und offensiv im Bereich Ihrer außenpolitischen Kontakte diese Interessen zu vertreten!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz, bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Herbert Scheibner (fortsetzend): Ich bin schon beim Schlußsatz. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Das mache ich die ganze Zeit!) Bis jetzt haben wir nicht viel gehört, Herr Außenminister.

Sorgen Sie dafür, daß endlich eine Totalächtung von Schützenminen stattfinden kann! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten; Restredezeit Ihres Klubs: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.40

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in dieser Debatte gehört, daß jährlich wesentlich mehr neue Minen verlegt als geräumt werden: Bei 20 neu verlegten Minen wird nur eine geräumt. Das


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bedeutet, daß ein "Riesenlager" des Todes, der Verletzung und der Verstümmelung in wesentlichen Regionen der Welt errichtet wird.

Mich freut auch enorm, daß wir nach einem längerem Diskussionsprozeß Einstimmigkeit in diesem Hause erzielen konnten. Ich meine, daß das eine sehr vernehmbare, starke Stimme des gemeinsamen menschlichen Empfindens darstellt, eine Stimme, die wirklich die Rolle Österreichs im humanitären Bereich verstärkt, da nicht nur die Regierung in der Person des Außenministers und seiner hervorragenden Mitarbeiter diese Stimme erhebt, sondern alle Fraktionen, jede Kollegin und jeder Kollege in diesem Haus das tun. Das ist eine wirklich erhebende Situation und Stimmung.

Wir erreichen damit, daß dadurch viele die Chance haben, nicht getötet, nicht verstümmelt und nicht verletzt zu werden. Wir müssen uns aber sehr bemühen – und da sind auch wieder alle Abgeordneten und nicht nur das Außenministerium aufgefordert –, daß möglichst viele Staaten diese Ratifizierung bald vornehmen. Dieses Abkommen tritt erst in Kraft, wenn es zumindest 40 Staaten ratifiziert haben. Sechs Monate nach der Ratifizierung durch den 40. Staat können wir das Inkrafttreten dieses Übereinkommens feststellen.

Da dieses Abkommen derzeit erst von neun Staaten ratifiziert, aber von 124 Staaten unterzeichnet wurde, ist noch viel Einsatz notwendig. Jedenfalls ist es schön, daß Österreich führend bei dieser Initiative war, was international Anerkennung in allen Konferenzen erfährt. Wir konnten damit ein kräftiges Signal der humanitären Einstellung der österreichischen Politik für die Welt geben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Vizekanzler.

13.42

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich finde es wichtig, daß der heutige Tag zwei einstimmige, und zwar wesentliche Beschlußfassungen gebracht hat: die gemeinsame Verurteilung der Atomtests Indiens und den Beschluß, die Ratifizierung eines umfassenden Verbots von Antipersonenminen. Das zeigt, daß es diese Gemeinsamkeit einer österreichischen Politik nach wie vor gibt, daß die österreichische Politik in der Lage ist, über Fraktions- und Parteigrenzen hinwegzusehen und zu unterscheiden, was wichtig ist, und daß wir in der Lage sind, zu erkennen, wo ein kleines Land wie das unsere wirklich eine Rolle spielen kann.

Ich habe in Vorbereitung einer Rede einen interessanten Aufsatz von Peter Sloterdijk mit dem bezeichnenden Titel "Falls Europa erwacht" gelesen. Sloterdijk schreibt in diesem Essay, daß in Europa, sobald es wieder erwacht, wichtige Fragen, die nur Europa in den Vordergrund rücken kann, wiederum gestellt werden, nämlich Wahrheitsfragen. Europas tiefster Gedanke sei es, daß man der Verachtung widerstehen müsse. Die Unüberwindlichkeit dieses Gedankens bestehe darin, daß er auch für müde und besiegte Menschen wahr bleibt. Und das ist gerade für dieses Thema sehr wichtig: Es waren nämlich nicht die Großmächte, nicht so sehr die Diplomaten und die Politiker – ihnen wurde zu Recht heute auch gedankt –, die diesen internationalen Vertrag erzwungen haben. Einige Redner haben es schon erwähnt: Es waren eigentlich kleine Länder, die den anderen das Thema vorgegeben haben. – Ich möchte übrigens Staatssekretärin Ferrero-Waldner in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen, die sich aus einer persönlichen Betroffenheit heraus – ihr Vater war ein Minenopfer – sehr für dieses Thema engagiert hat. (Allgemeiner Beifall.)

Es waren wirklich Zehntausende Aktivisten der NGOs und Aktionsgruppen, die in vielen gemeinsamen Aktivitäten dieses Thema vorbestimmt haben. Daraus kann man eine sehr wichtige Lehre gewinnen: Es bewirkt etwas, wenn man unterschreibt, wenn man einen Leserbrief schreibt, wenn man anruft, wenn man Lobbying betreibt. Kleine Länder können etwas bewirken. Es kann sogar zu einer Welle, die sehr schnell ihre Wirkung entfaltet, kommen.


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Das Interessante an dieser ganzen Kampagne ist, daß sie wahrscheinlich in der jüngeren Geschichte die erfolgreichste Kampagne überhaupt gewesen ist, die sogar bis zum Friedensnobelpreis für die Kampagne in der Person von Jody Williams geführt hat. Jody Williams hat vorige Woche bei ihrem Besuch hier sehr deutlich die Rolle Österreichs – ich habe nicht zu hoffen gewagt, daß sie das so klar sagen würde – in den Vordergrund gerückt.

Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, daß wir heute diesen Vertrag ratifizieren, sondern jetzt muß gehandelt werden. In diesem Sinne ist es wichtig, daß man für die Entminung, für das Wegräumen der Minen etwas tut, auch Geld zur Verfügung stellt. Weiters muß man etwas tun, um die Rehabilitation von Minenopfern zu erleichtern. Eine Prothese kostet, wenn sie funktionieren soll, oft mehr als das Jahreseinkommen einer Familie in einem solchen Dritte-Welt-Land. Daher haben wir uns wirklich bemüht, gemeinsam mit dem österreichischen Fernsehen und Radio, gemeinsam mit den österreichischen Printmedien und Zeitungen einen Appell über das Rote Kreuz und die Caritasaktion "Nachbar in Not" zu starten, sodaß möglichst viele Menschen in Österreich nicht nur sagen: G’scheit und gut, daß ihr das gemacht habt!, sondern auch selbst in die Tasche greifen und etwas tun, um die Bemühungen im Kampf gegen die Minen Gestalt gewinnen zu lassen.

Ich möchte daher von dieser Stelle aus an alle Österreicherinnen und Österreicher appellieren, so wie in der Vergangenheit für "Nachbar in Not" – da ist in den letzten Jahren mehr als 1 Milliarde Schilling gesammelt worden, was zeigt, daß die Österreicher wirklich ein goldenes Herz haben – auch für diese spezifische Kampagne für Landminenopfer und die Beseitigung der Minen zu spenden. (Allgemeiner Beifall.)

Es wurde in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Bundesheeres hervorgehoben. Ich bin sehr dankbar dafür, daß dies von einigen Abgeordneten gemacht wurde. Im Moment sind etwa in Sarajewo österreichische Offiziere als Ausbildner für die Menschen vor Ort, für Experten vor Ort, die dann rascher als bisher die Minen beseitigen sollen, tätig. Werner Fasslabend und ich waren gestern beziehungsweise vorgestern – er gestern, ich vorgestern – beim Ministerrat der Westeuropäischen Union in Rhodos. Wir haben dort eine gemeinsame Initiative der Italiener, die ab Sommer die Präsidentschaft der Westeuropäischen Union innehaben werden, und von uns, die wir ab Sommer die Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen, vorgestellt. Wir wollen ein gemeinsames Seminar für die mittel- und osteuropäischen Länder veranstalten, um in diesen Ländern die noch immer vorhandene Skepsis zu beseitigen, ihnen begreifbar zu machen, daß diese Minen in Wirklichkeit militärisch wertlos sind, daß sie oft Jahrzehnte nach einem Krieg ein nicht wirklich abschätzbares Potential der Gefahr für die Zivilbevölkerung, besonders für die Kinder darstellen, und daß wir auch mit Rat und Tat und Know-how-Transfer wirklich zur Verfügung stehen.

Ich möchte auch zu den Freiheitlichen sehr offen sagen: Es freut mich wirklich, daß Sie zustimmen. Ich anerkenne und respektiere das und enthalte mich jeder Bemerkung über Polemik oder sonst etwas. Ich freue mich wirklich, denn das ist ein wesentliches Zeichen für uns, daß die Gemeinsamkeit lebt.

Zum Entschließungsantrag: Das ist schwierig, weil gerade jetzt das Budget für das nächste Jahr, für 1999, beschlossen wurde. Ich sage aber ganz offen, daß ich mich persönlich dazu verpflichte, bei den nächsten Budgetverhandlungen den Verteidigungsminister hundertprozentig dahin gehend zu unterstützen, einen Schwerpunkt zu setzen. So wie heuer 40 Millionen Schilling für Minenopfer und für die Entminung bereitgestellt wurden, so werden wir auch einen Schwerpunkt im nächsten beziehungsweise im übernächsten Jahr setzen, daß die Ausrüstung der österreichischen Soldaten mit Minenräumgeräten verstärkt wird. Vielleicht könnte man dies als ein Zeichen von Gemeinsamkeit werten. (Allgemeiner Beifall.)

Nochmals ein herzliches Dankeschön für dieses Zeichen, daß eine österreichische gemeinsame Außenpolitik lebt. Seit wir bei der Europäischen Union dabei sind, haben wir unsere Schwerpunkte in der UNO nicht vernachlässigt, sondern sogar noch verstärken können. (Allgemeiner Beifall.)

13.50


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Vielen Dank, Herr Vizekanzler.

Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich in 1088 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend Ausstattung des österreichischen Bundesheeres zur Unterstützung bei der Räumung vom Minen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, im Sinne des Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu beschließen, daß die Fassungen dieses Übereinkommens in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mehrstimmig so beschlossen. Angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll II über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen zum Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können, samt Erklärungen;

Protokoll IV über blindmachende Laserwaffen zum Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können, samt Erklärung, in 1107 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie dies tun wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses im Sinne des Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß die Fassungen des erwähnten Staatsvertrages in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist so angenommen.


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14. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Inneres zum Abschluß der Ermittlungen durch die Sicherheitsbehörden zur Aufklärung der Bomben- und Briefbombenanschläge der letzten Jahre

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung, der Erklärung des Herrn Bundesministers für Inneres.

Im Anschluß an diese Erklärung wird gemäß § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegendem Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte stattfinden.

Ich erteile nun dem Herrn Bundesminister für Inneres das Wort. – Bitte, Herr Bundesminister.

13.54

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich bei Ihnen sehr herzlich für die Gelegenheit bedanken, heute anläßlich der Abgabe der Strafanzeige zur Aufklärung einer Terrorserie, die Österreich seit 1993 erschütterte, eine kurze Erklärung vor dem Hohen Hause abzugeben.

Ich habe bereits nach dem Vorfall in Gralla im Oktober letzten Jahres, der zur Verhaftung von Franz Fuchs führte, dem Nationalrat einen kurzen Bericht erstattet, um Sie, sehr geehrte Damen und Herren, offiziell von der Arbeit der Sicherheitsbehörden zu informieren.

Ich darf Ihnen mitteilen, daß die bei der EBT gebildete Sonderkommission zur Aufklärung der Bomben- und Briefbombenanschläge der letzten Jahre heute die Vollanzeige in dieser Strafsache an die Justizbehörden abgegeben hat. Die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden werden – vorbehaltlich weiterer Aufträge durch das Gericht – mit dem heutigen Tag abgeschlossen.

Ich bitte Sie gleichzeitig um Verständnis dafür, daß ich im Interesse der gerichtlichen Voruntersuchung, die noch nicht zur Gänze abgeschlossen ist, nicht auf Details und Einzelheiten der polizeilichen Ermittlungen eingehen kann. Es ist dies Sache des Gerichtes, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden.

Meine Erklärung dient dazu, dem Nationalrat und der Öffentlichkeit von der Arbeit der Exekutive in einem Kriminalfall, der seit Jahren unser Land erschütterte, zu berichten. Der Bericht über die Abgabe der Strafanzeige soll auch diversen Spekulationen und manchen Mutmaßungen über diese Attentate und deren Aufklärung der letzten Jahre deutlich entgegentreten.

Das Ergebnis der Erhebungen der Sicherheitsbehörden seit Verhaftung von Franz Fuchs am 1. Oktober 1997 wird in der 947 Seiten umfassenden Strafanzeige dokumentiert und durch die den Behörden vorliegenden Expertengutachten gestützt. Insgesamt wurden 14 Gutachten vom Gericht in Auftrag gegeben, mit deren Ergebnissen Franz Fuchs laufend konfrontiert wurde beziehungsweise wird. Das Ermittlungsergebnis, das von den Beamten der Sonderkommission zusammengetragen wurde, umfaßt rund 400 000 Seiten in 1525 Aktenordnern. Nicht berechenbar ist die Zahl der Stunden, die zur Erreichung dieses Ergebnisses aufgewendet werden mußten – oder gar die Höhe der Kosten der Ermittlungen in der Causa Briefbomben.

Zuallererst möchte ich mich von dieser Stelle aus für die ausgezeichnete Arbeit der Exekutive in den letzten Jahren und für die intensiven und engagierten Ermittlungen zur Aufklärung dieser entsetzlichen Attentate bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Mein Dank gilt auch der ausgezeichneten Kooperation und Unterstützung mit den und durch die Justizbehörden. Ich möchte insbesondere der "Sonderkommission Briefbomben", der EBT und der Staatspolizei für ihr Engagement und ihr professionelles Vorgehen danken. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden gebührt unsere Anerkennung für ihren Einsatz und für ihre über das übliche Maß hinausgehende Motivation zur Klärung der Anschläge. (Allgemeiner Beifall.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Als am 3. Dezember 1993 um 11.05 Uhr in Hartberg eine Briefbombe detonierte und den Priester Mag. August Janisch verletzte, nahm ein Kriminalfall seinen Anfang, der sich zum aufsehenerregendsten, langwierigsten und umfangreichsten in der Geschichte der Zweiten Republik entwickelte und das österreichische Innenressort und uns alle vor eine große Belastungsprobe stellen sollte.

Die Terrorserie dauerte bis zum 9. Dezember 1996 und umfaßte in sechs Serien insgesamt 25 Briefbomben, eine Rohrbombe und zwei Sprengfallen. Trauriger Höhepunkt der Anschläge war der 4. Februar 1995 mit der Explosion einer Sprengfalle in Oberwart, die vier Menschenleben forderte. Neben den vier Todesopfern wurden im Zuge der Anschläge 15 Personen zum Teil schwer verletzt; auch Mitglieder dieses Hauses waren Ziel des Terrors.

Diesen Menschen und ihren Angehörigen gilt nach wie vor unser Mitgefühl. Wir teilen ihren Schmerz, ihre Trauer und die Erschütterung vor einem menschenverachtenden Terror.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Polizei stand dieser für Österreich neuen Dimension des Terrors zunächst unvorbereitet gegenüber. Es fehlte an Erfahrung in der Bewältigung von Ausnahmesituationen dieser Art, aber auch an Ausrüstung und spezifischer Ausbildung. Dieses Manko wurde nach und nach ausgeglichen. Heute beherrschen die zur Bewältigung terroristischer Sonderlagen zuständigen Organisationseinheiten des Innenministeriums das einschlägige Krisenmanagement in hohem Maße.

Bei der Klärung stellte sich den Ermittlern eine zweifache Aufgabe: zunächst die sicherheitspolizeiliche, die vor allem in dem Ziel gipfelte, keine weiteren Anschläge zuzulassen, aber auch im kriminalpolizeilichen, nämlich dem Ziel der Überantwortung des Tatverdächtigen an das Strafgericht. Beide Aufgaben konnten nur durch die Ausforschung des oder der für die Terrorserie Verantwortlichen bewältigt werden.

Die Tätersuche konzentrierte sich von allem Anfang an auf die rechtsradikale Szene. Die Auswahl der Opfer der ersten Bombenserie – nahezu ausnahmslos Persönlichkeiten, die sich für Fremde engagiert hatten – sowie die in den Sprengkörpern eingearbeiteten Bekennungen wiesen scheinbar in diese Richtung.

Mit der Festnahme von Peter Binder und Franz Radl Mitte Dezember 1993 schien sich dieser Verdacht zu bestätigen und ein rascher Erfolg einzustellen. – Der Prozeß gegen diese beiden Männer endete aber nicht nur mit einem Freispruch in der Briefbomben-Causa: Der Terror setzte sich auch ab August 1994 unvermindert fort.

Dazu gab es seit Oktober 1994 Bekennerschreiben einer "Bajuwarischen Befreiungsarmee", die vorher noch nie in Erscheinung getreten war. Diese Schreiben bestätigen in ihrem Inhalt die durch die Opferauswahl der Briefbombenserien gezeigten Tendenzen einer fremdenfeindlichen, rassistischen Denkweise historisierender deutsch- beziehungsweise österreichtümelnder Provenienz.

Bereits 1995 begann sich aber unter den Ermittlern die Überzeugung durchzusetzen, hinter den Anschlägen könnte ein Einzeltäter oder eine kleine Gruppe von bis zu drei Personen stehen, die nicht dem Kreis der sogenannten Rechtsradikalen angehören müßten. Die Ermittlungstätigkeit wurde in diese Richtung intensiviert. Das Bundesministerium für Inneres, dessen politisch Verantwortliche zu jeder Zeit die Aufklärungsarbeit der Ermittler unterstützten, hatte mittlerweile die anfänglichen Probleme, die auch zu verschiedenen Fehlleistungen geführt hatten, überwunden und begann, offensiv zu werden.

Am 7. März 1995 wurde ein erstes Täterprofil – zugeschnitten auf eine Gruppe von drei Personen – veröffentlicht und eine Belohnung von 10 Millionen Schilling für sachdienliche Hinweise ausgesetzt. Gleichzeitig wurde österreichweit die gesamte Exekutive durch Verteilung einer umfangreichen Information über den Erkenntnisstand in die Fahndung eingebunden.

Im Herbst 1995 wurde die "Sonderkommission Briefbomben", die bald nach den ersten Attentaten errichtet wurde, räumlich von der "Einheit zur Bekämpfung des Terrorismus" getrennt, und


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durch die Einsetzung eines Pressesprechers sollte die Medienarbeit verbessert werden. Die Sonderkommission sollte fortan – unberührt von der politischen Diskussion und politischen Richtungen – nach rein kriminalpolizeilichen Gesichtspunkten arbeiten. Darüber hinaus wurden Verbindungsbeamte in den Bundesländern installiert. Dadurch wurde die Zusammenarbeit mit nachgeordneten Dienststellen entscheidend verbessert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in der Ermittlungsarbeit zur Causa Briefbomben neue Wege und neue Ermittlungsmethoden beschritten. Zwei Beispiele möchte ich anführen: die "Aktion Briefkästen" und das Projekt "Restwasseruntersuchung". Wir haben diese neue Wege nicht publik gemacht, denn nur so konnten in aller Stille diverse Vorkehrungen und strategische Maßnahmen getroffen werden; Maßnahmen, die unter nahezu weitgehender Geheimhaltung vorbeugend gegen die Täter gerichtet waren.

Beispielsweise weiß nur ein kleiner Kreis von Personen bis heute von einem Projekt, das Postbedienstete und mögliche Adressaten von Briefbomben vor deren Sprengwirkung schützen sollte. Anfang 1996 wurde ein Gerät in Auftrag gegeben, das sich die Ausstattung von Briefbomben mit einem Funksensor zunutze machen sollte, ein Gerät, das durch die Abgabe eines Impulses den Funksensor der Briefbomben betätigen und die Sprengladung zur Umsetzung bringen sollte. Ab 1. Juni 1996 bestückten Beamte des Gendarmerieeinsatzkommandos, die in Postuniformen und mit Postautos unterwegs waren, 2000 Postkästen in Niederösterreich und der Steiermark mit diesen Geräten. Die Postkästen waren unter Berücksichtigung der bisherigen Vorgangsweise der Täterschaft ausgewählt worden. Im Falle des Einwurfes einer Briefbombe wäre sie im Briefkasten zur Explosion gebracht worden.

Tatsächlich wurde am 27. September 1996 in Weisskirchen im Bundesland Steiermark von der Täterschaft ein Brief in einen solcherart präparierten Briefkasten geworfen. Der Brief enthielt ein teilweise verschlüsseltes Schreiben an das Magazin "profil", war allerdings nicht mit Sprengstoff ausgestattet.

Ab dem Jahre 1996 wurde in verstärktem Maße der Versuch unternommen, mit dem oder den Tätern über Printmedien und Fernsehen zu kommunizieren, um ihn oder sie damit unter Druck zu setzen. Im November 1996 erschien in diesem Konnex auch ein Buch zum Thema "Briefbomben", das vom Bundesministerium für Inneres unterstützt worden war, in dem die Einzeltätertheorie vertreten und ein stark akzentuiertes Täterprofil entworfen wurde.

Im Dezember 1996 wurde ein in der Geschichte der Kriminologie einzigartiger Versuch gestartet, nämlich über das Wasser, mit dem die Mörtelmischung des Sockels der Sprengfalle in Oberwart angerührt worden war, einen Weg zur Täterschaft zu finden. Ein deutscher Wissenschafter erklärte sich dazu imstande, die Restwassermenge auszuscheiden und molekularphysikalisch zu untersuchen. Später wurden diesem Projekt auch noch einige österreichische Wissenschafter zugezogen und zuletzt sogar die Atomenergiebehörde damit befaßt. Bereits im Frühjahr 1997 stand als erstes Ergebnis fest, daß wassermäßig eine geographische Eingrenzung auf zirka sieben Bezirkshauptmannschaften des Burgenlandes und der Steiermark – mit dem Schwerpunkt Leibnitzer Becken – möglich war.

Dies war auch der Grund, weshalb im Zuge der parlamentarischen Debatte um die besonderen Ermittlungsmethoden der Exekutive vom Bundesministerium der Wunsch geäußert wurde, die Rasterfahndung schon ab 1. Oktober 1997 zu erlauben. Es wurden in der "SOKO Briefbomben" alle Vorbereitungen für eine Rasterfahndung in diesen sieben Bezirkshauptmannschaften getroffen. Diese Rasterfahndung hätte sich unter anderem auf folgende Parameter gestützt: ein Mann im Alter zwischen 35 und 60 Jahren mit einer höheren schulischen Ausbildung, einem speziellen Ausbildungsstand im Bereich Elektronik, individuellen Kenntnissen im Bereich der anorganischen Chemie und einem möglichen Beschäftigungsverhältnis auf Werkvertragsbasis; dazu die generelle Berücksichtigung des von unseren Experten erstellten Täterprofils.

Die Vorarbeiten für einen Antrag an die Staatsanwaltschaft waren soweit gediehen, daß auf kriminalpolizeilicher Ebene die Ausmittlung der entsprechenden Datenbanken, deren Auftraggeber sowie eventuelle Dienstleister in Angriff genommen worden war. Die im Gesetz vorgesehenen


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Einzelanträge für individuelles Abfragen von Datensätzen wurden formuliert. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, daß die Exekutive bei der Durchführung dieser Rasterfahndung auf Herrn Franz Fuchs gestoßen wäre.

Hohes Haus! Am 1. Oktober 1997 trat jedoch der "Briefbombenfall" durch die Explosion der Bombe von Gralla und die Festnahme von Franz Fuchs in seine entscheidende Phase. Die sachbezogenen Erhebungen nach dem 1. Oktober 1997 haben übrigens erbracht, daß die seitens der Sonderkommission berücksichtigten Indikatoren der in Aussicht genommenen Rasterfahndung zutrafen.

Seit der Festnahme von Franz Fuchs sind mittlerweile mehr als sieben Monate vergangen, sieben Monate, in denen durch die Sonderkommission und die anderen eingesetzten Organisationseinheiten in hervorragender Zusammenarbeit mit Gericht und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zur Klärung des Falles mit Hochdruck vorangetrieben wurden. Am heutigen Tag wurden nun die polizeilichen Ermittlungen mit der Überreichung der Vollanzeige an die Staatsanwaltschaft Graz abgeschlossen. Die genannte Sonderkommission steht vor ihrer Auflösung. Nur fünf oder sechs Beamte werden dem Gericht für ergänzende Ermittlungen weiterhin zur Verfügung stehen.

Hohes Haus! Im Laufe der Briefbombenermittlungen wurden immer wieder Vorwürfe gegen das Innenministerium und die Sicherheitsexekutive erhoben. Die erfolgreiche Beendigung der Erhebungen gibt mir Anlaß zu folgenden Feststellungen:

Erstens hat die österreichische Sicherheitsexekutive gezeigt, daß sie aus Fehlern lernen und die notwendigen Konsequenzen ziehen kann. Dies hat sie unter anderem in der professionellen Aufarbeitung des Falles Fuchs gezeigt.

Zweitens haben die Beamten der Sonderkommission und der anderen beteiligten Organisationseinheiten unter jahrelangem psychischen und physischen Druck mit größter Genauigkeit und Objektivität gearbeitet. Sie sind penibel allen Spuren und Hinweisen nachgegangen und haben sich auch durch zahlreiche Trittbrettfahrer, die es leider gegeben hat, nicht aus dem Konzept bringen lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ein sehr offenes Wort: Die Festnahme von Franz Fuchs war Glück und Zufall. Ich glaube aber, es war nicht nur Glück, sondern auch das Ergebnis einer konsequent eingehaltenen Strategie, den Täter unter Druck zu setzen, um ihm das Gefühl zu vermitteln, die Sicherheitsbehörden seien ihm bereits auf der Spur. Die Aussage des psychiatrischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung wird beweisen, daß diese Strategie aufgegangen ist und richtig war.

Tatsächlich begann Fuchs bereits im November 1996, ihn belastendes Material zu vernichten. Er notierte die Kennzeichen von Autos, durch die er sich verfolgt fühlte, und er vermied es zuletzt immer mehr, das Haus zu verlassen. Am meisten Angst hatte er – wir wissen dies aus seinen Aussagen – vor der Rasterfahndung, deren Effizienz er als Techniker und EDV-Fachmann hoch einschätzte. Dies alles führte schließlich zur bekannten Überreaktion dieses Mannes bei der Kontrolle durch die Gendarmerie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vollanzeige der Sonderkommission enthält auf 947 Seiten einen Querschnitt der Ermittlungen der letzten viereinhalb Jahre. Sie listet alle Straftaten der Terrorserie auf, alle wesentlichen Ermittlungsschritte sowie die Ergebnisse der kriminaltechnischen und wissenschaftlichen Untersuchungen, und sie befaßt sich vor allem auch mit der Beweislage, die dem Gericht zur Beurteilung angeboten wird und den Tatverdacht gegen Franz Fuchs untermauert.

Ohne der Beurteilung durch die Justiz vorgreifen zu wollen, kann ich aus der Sicht des Innenministeriums folgendes Resümee ziehen:

Erstens: Der Tatverdacht gegen Franz Fuchs beruht auf einer dichten Indizienkette und – wie die Ermittler meinen – auch auf einigen Sachbeweisen. An Indizien seien – ohne in das schwe


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bende Verfahren einzugreifen – demonstrativ einige wenige aufgezählt. (Rufe bei den Freiheitlichen in Richtung ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich darf vielleicht unterbrechen. – Ich glaube, es wäre optisch nicht sehr gut, wenn das Protokoll bei diesem Bericht "Heiterkeit" vermerken würde. – Danke schön. (Abg. Mag. Stadler: Das hat einen anderen Grund!) Der im Protokoll aber nicht aufscheinen wird. (Abg. Gaugg: Der Klubobmann der ÖVP schläft beim Bericht! – Abg. Mag. Stadler: Er schläft beim Bericht des Ministers! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Ich bitte um Aufmerksamkeit! – Wenn Sie bitte fortsetzen, Herr Minister!

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wiederhole, daß der Tatverdacht gegen Franz Fuchs auf einer dichten Indizienkette und – wie die Ermittler meinen – auch auf einigen Sachbeweisen beruht. An Indizien seien demonstrativ einige wenige aufgezählt.

Dazu gehört das bereits angeführte Ergebnis der Wasseruntersuchung, das zwei Erkenntnisse gebracht hat: erstens den Hinweis, daß das Wasser, mit dem der Bombensockel von Oberwart angemischt wurde, aus Gralla stammte; zweitens, daß der Sockel im Arbeitsraum des Franz Fuchs angefertigt worden sein muß, was sich aus dem Tritiumgehalt des Wassers ergibt, zu dem sich Vergleichswerte nur in diesem Gebiet feststellen ließen.

Die Auswertung der sichergestellten, handschriftlich verfaßten Schaltpläne, elektrischen Meßreihen sowie Detailbeschreibungen zum Aufbau von Briefbomben und anderer Sprengvorrichtungen ergab, daß es sich hiebei um teilweise exakte Übereinstimmungen mit den aufliegenden Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchungen bereits verübter Anschläge handelt. Schaltpläne der Anschläge Oberwart, Klagenfurt, Stinatz und der Briefbombenanschläge der Serien V, V und VI konnten ebenfalls sichergestellt werden.

Die im Zuge der Hausdurchsuchung vorgefundenen, teilweise bereits verarbeiteten elektronischen Bauteile beziehungsweise Schaltungen, eine als Blumentopf getarnte Sprengfalle, mehrere mit Sprengstoff gefüllte Rohre, zwei als Zündauslöser manipulierte Wecker und eine funktionsfähige Auslöseelektronik für Sprengkörper stehen in auffälligem Konnex zu den zwischen 1993 und 1996 eingesetzten Sprengvorrichtungen.

In einer Bleistiftskizze, die ebenfalls im Arbeitszimmer des Franz Fuchs gefunden wurde, wurde die detailgetreue Verlegung der Auslösedrähte der Briefbombenserien I, II und IV dargestellt.

Die in der Wohnung des Verdächtigen sichergestellten Sprengstoffe Nitroglycerin und Nitrozellulose sowie die Initialsprengstoffe Silberfulminat und Quecksilberfulminat wurden in sämtlichen der "BBA" zuzuordnenden Anschlägen verwendet. Das von Franz Fuchs in Eigenregie synthetisierte Nitroglycerin dürfte in chemischer Reinheit und Zusammensetzung jenen der Briefbombenserie vom Dezember 1993 entsprechen.

Die von Franz Fuchs verwendete EDV-Anlage wurde durch selbstgeschriebene Arbeitsprogramme erweitert und für die Verschlüsselung von Textstellen adaptiert.

Ein im Zuge der Hausdurchsuchung vorgefundenes, mehrseitiges, handschriftlich redigiertes Schriftstück weist signifikante Übereinstimmungen hinsichtlich Stil, Verbalzynismus, thematischer Grundsatztextierung und EDV-mäßiger Formatierung mit bereits veröffentlichten und von der Täterschaft verfaßten Bekennerschreiben auf.

Die Gutachten, die seitens des Landesgerichtes Graz in Auftrag gegeben wurden, untermauern, daß das Ergebnis der Ermittlungen der Sicherheitsbehörden richtig ist, und stützen den Verdacht gegen Franz Fuchs.

Das Ergebnis des bereits erwähnten Wassergutachtens – es handelt sich um eine Restwasseruntersuchung und eine Isotopenfeststellung –, das durch drei Forschungszentren in Österreich


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und Deutschland erstellt wurde, ist für die Sicherheitsbehörden ein starkes Indiz in der Beweiskette gegen Franz Fuchs.

Weitere Sachverständigengutachten betreffen die in den Sprengfallen zur Anwendung gebrachte Elektronik, eine linguistische Bewertung der Bekennerbriefe, die kryptographischen Fähigkeiten des Verdächtigen, die im Zuge der Hausdurchsuchung sichergestellten Gegenstände und die historischen Kenntnisse des Verdächtigen im Vergleich zu den Ausführungen in den Bekennerbriefen.

Weiters wurden eine DNA-Untersuchung, sprengtechnische Gutachten, zwei psychiatrische Gutachten zur Person Franz Fuchs und ein die EDV betreffendes Gutachten vorgelegt. Die Wissenschafter liefern in ihren Sachverständigengutachten weitere starke Indizien.

Zur Motivlage konnte im Verlauf der Vernehmungen herausgearbeitet werden, daß der Zweck der Bekennerschreiben darin bestand, Angst unter der Bevölkerung zu schüren. Die Menschen sollten das Gefühl bekommen, daß die Exekutive deren Schutz nicht mehr gewährleisten könne.

Hintergrund der Anschläge dürften Minderheiten- und Fremdenfeindlichkeit, Deutschtümelei sowie Ablehnung der staatlichen Institutionen – insbesondere der Sicherheitsexekutive und der Justizbehörden – sein.

Hohes Haus! Die Sonderkommission hat seit der Verhaftung von Franz Fuchs am 1. Oktober 1997 ihre Ermittlungen weiter intensiviert, um Hintergründe und Beweise für mögliche weitere Täter zu erhalten. Seit Beginn der Ermittlungen im Jahre 1993 haben die SOKO und die befaßten Behörden 103 Hausdurchsuchungen durchgeführt, an die 54 000 Personen wurden überprüft, 9 800 Hinweisen wurde nachgegangen. In der Causa Franz Fuchs wurden in den letzen Monaten 403 Personen überprüft und mehr als 100 Hinweisen betreffend seine Person nachgegangen.

Sieben Monate Ermittlungstätigkeit seit der Festnahme von Franz Fuchs haben nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür erbracht, daß Franz Fuchs Mittäter oder auch nur Helfer hatte. Franz Fuchs hat in den Vernehmungen kein umfassendes Geständnis abgelegt. Er stellt sich nach wie vor nur als Teil der "Bajuwarischen Befreiungsarmee" dar. Franz Fuchs besitzt jedoch Detailwissen über die Bauweise der Bomben, die nur der Konstrukteur selbst haben kann. Er hat auch zugegeben, Bomben zusammengebaut zu haben, deren Bestandteile ihm von der "BBA" geliefert worden seien. – Unsere Ermittler haben keine Anhaltspunkte und keine Indizien oder Beweise für allfällige weitere Mittäter gefunden.

Das Innenministerium geht daher bei Abschluß der Ermittlungen vom Tatverdacht gegen eine Person aus. Alle Versuche, die von manchen heraufbeschworene Verschwörung durch Versendung von angeblichen Bekennerschreiben zu untermauern, sind fehlgeschlagen. Diese Schreiben der letzten Monate wurden allesamt als Nachahmungen erkannt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus Sicht der Sicherheitsbehörden ist sowohl die sicherheitspolizeiliche als auch die kriminalpolizeiliche Aufgabe erfüllt. Der Abschluß der polizeilichen Ermittlungen läßt mit Optimismus in die Zukunft schauen und erwarten, daß der spekulationsreiche Briefbombenfall in wenigen Monaten einen klärenden Abschluß auch durch das Gericht finden wird.

Mit der Verhaftung von Franz Fuchs und den polizeilichen und gerichtlichen Ermittlungen haben wir einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung des Terrorismus gesetzt. Ich darf mich von dieser Stelle aus auch bei der Bevölkerung für die aktive Mithilfe bedanken. Seit Beginn der Anschläge langten Tausende Hinweise bei den Behörden ein.

Der Briefbombenterror hat blutige Spuren hinterlassen und uns deutlich vor Augen geführt, daß in unserer Mitte noch Menschen leben, die die Werte, für die diese Republik steht, zutiefst verachten. Ich meine Werte wie Demokratie, Freiheit, Toleranz und das friedliche Miteinander der Menschen.


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Viele Österreicherinnen und Österreicher haben angesichts dieses feigen und hinterhältigen Terrors Angst vor der Zukunft gehabt. Viele mögen sich gefragt haben, ob die Grundfesten unserer Demokratie und Republik stark genug sind, keinen Schaden zu nehmen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen nicht vergessen, daß wir lange Zeit davon ausgehen mußten, daß sich die Terrorakte auf ein organisiertes Netzwerk stützen könnten.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben von Beginn der Terrorserie an mit der nötigen Vorsicht sowie mit Abscheu und Ablehnung gegen jede Form der Gewalt reagiert. Unser Land hat sich einig gegen politisch motivierte Gewalttaten gestellt und jeder Art des Terrorismus, der Einschüchterung und des Fremdenhasses eine deutliche Absage erteilt. Terror – ob aus politischen oder anderen Gründen – darf und wird in Österreich keine Chance erhalten. (Allgemeiner Beifall.)

Die Sicherheitsbehörden werden alles in Ihrer Macht Stehende unternehmen, damit auch in Zukunft an den Grundfesten unserer Demokratie und Republik nicht zu rütteln ist. Die Exekutive – und insbesondere die Staatspolizei – wird auch weiterhin ihre klare und harte Linie gegen den Terrorismus fortsetzen. Die Bundesregierung sowie alle demokratischen Kräfte und Parteien arbeiten mit ganzer Kraft für ein sicheres Österreich, für ein Land, in dem das Miteinander und die Toleranz im Vordergrund stehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

14.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank für Ihren Bericht, Herr Bundesminister.

Wir treten in die Debatte ein.

Als Erstredner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 15 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.21

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister, was Sie heute über den Stand der Ermittlungen berichten, und zwar als Ergebnis dessen, was die Mitarbeiter Ihres Hauses herausgefunden und nunmehr zur Anzeige gebracht haben: Dieser Stand der Ermittlungen hat selbstverständlich auch damit zu tun, daß sich in Ihrem Ressort eine politische Veränderung abgespielt hat.

Ich denke, daß das Intermezzo Ihres Vorgängers, des in der Zeit zwischen Franz Löschnaks und Ihrer Amtszeit tätigen Ministers Einem, mit dafür verantwortlich ist, daß man versucht hat, diesen Bombenterror schamlos politisch zu instrumentalisieren, daß man damit Denunzianten und Falschinformanten Vorschub geleistet, ja sie geradezu wohlwollend behandelt hat – einer davon ist unter Bundesminister Einem sogar im Ministerium ein und aus gegangen –, und daß nicht nur finanzieller und kriminalistischer, sondern auch politischer Schaden angerichtet wurde, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Hohes Haus! Diesen Schaden wollen wir nicht vergessen, wenn wir die letzten Jahre Revue passieren lassen. (Abg. Öllinger: Was war Ihre Rolle? – Abg. Dr. Krüger: Du kannst dich einmal entschuldigen!) Da ist schon der erste! Er ist einer von jenen Fraktionen, die es bis heute nicht übers Herz gebracht haben, für all jene Untergriffe, Verdächtigungen und Pauschalverurteilungen namentlich gegenüber meiner Fraktion heute einmal ein Wort der Entschuldigung zu finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sind einer der Mitverantwortlichen dafür, daß in unserem Lande ganze Hundertschaften anständiger Bürger verhört, bei ihnen Hausdurchsuchungen sowie Abhöraktionen durchgeführt wurden. Damals sind aber keine Bürgerrechtsdebatten im Raum gestanden! Nur wenn ein Grüner gemeint ist, der unter Umständen oder mit Sicherheit irgendwelchen linksextremen Gruppierungen angehört – auch Herr Öllinger gehört mit seiner kommunistischen Vergangenheit durchaus einer Gruppierung an, die früher einmal am äußersten linken Rand des politischen Spektrums angesiedelt war (ironische Heiterkeit des Abg. Öllinger )  –, nur dann reden Sie vom Bürgerrecht. Aber solange es um die Bürgerrechte anständiger Bürger geht, die nicht links sind,


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spielt es für Herrn Öllinger keine Rolle, wie die Menschen in unserem Lande behandelt werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist das wirklich Bedauerliche, und das ist ein Problem, das ich nicht Ihrer Partei vorwerfe. Ich werfe es einem Minister, einem Noch-Minister und ehemaligen Innenminister, vor, und ich werfe verschiedenen Gruppierungen in diesem Lande vor, daß sie versucht haben, ihr politisches Süppchen mit einer Instrumentalisierung des Bombenterrors zu kochen. Das ist etwas, das in dieser Republik einmalig war! Ich bin froh, meine Damen und Herren, daß sich das unter Bundesminister Schlögl aufgehört hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das hat auch ein wenig damit zu tun, daß es anständige Beamte gibt – das soll aus diesem Anlaß auch einmal erwähnt werden –, daß es anständige Spitzenbeamte dieses Landes gibt, die sich von einem Minister nicht politisch unter Druck setzen lassen, obwohl sie sogar mit Strafanzeige bedroht wurden, weil sie nicht an die politisch gewünschte Linie des Denunzierens geglaubt und sich nicht daran gehalten haben, sondern an die Aufklärungsarbeit der Kriminalistik gedacht haben, als sie die Herausgabe des von Ihnen, Herr Bundesminister, zitierten Buches unterstützt haben.

Denn das, was Herr Bundesminister Schlögl heute in seinem Bericht anerkennt, war vor zwei Jahren noch Thema in der Berichterstattung von Tageszeitungen und Gegenstand der Erörterung darüber, ob man nicht gegen den betreffenden Beamten mit einer Strafanzeige vorgehen solle. – Meine Damen und Herren! Das war ein Tiefpunkt des Ermittlungsstandes. Das war auch ein Tiefpunkt des Vorgehens der Polizei, und da zeigte sich, wie man mit politischem Druck und politischer Infiltration versucht hat, einen ganzen Polizeiapparat zu einer Vorfeldorganisation einer Partei zu machen.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich habe heute an Sie das Anliegen, nicht nur den Fall Franz Fuchs und die Bomben-Causa im engeren Sinn aufzuklären, sondern in einem nächsten Schritt auch für die Aufklärung der Tätigkeit all jener Desinformanten – Sie nennen sie "Trittbrettfahrer" – und all jener gezielten Versuche, die Ermittlungen in eine ganz andere Richtung zu lenken, zu sorgen. Außerdem sollte der Schaden aufgeklärt werden, der angerichtet wurde mit gefälschten Bekennerbriefen und mit sonderbaren Gutachten, wie sie das sogenannte Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes im politisch gewünschten Sinne erstellt hat, um damit gleich die ganze Leserschaft einer bestimmten Zeitung des Freiheitlichen Akademikerverbandes pauschal zu kriminalisieren. Auch das ist noch Teil dessen, was meiner Ansicht nach zum Kriminalfall "Bombenattentate in Österreich" gehört und was ebenfalls aufzuklären ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! So kann man weder mit den Bürgern umspringen, noch kann man die Steuergelder der Bürger dazu benutzen, eine politische Instrumentalisierung einer ganzen Verbrechensserie zu bewerkstelligen und die Bürger dafür auch noch zahlen zu lassen.

Herr Bundesminister! Ich würde mich auch dafür interessieren, was Sie zu tun gedenken mit all jenen sonderbaren Gutachtern und deren fragwürdigen Gutachten, die zu enormen Honorarnoten geführt haben. Da gibt es Gutachten von Wissenschaftlern und solchen, die sich dafür halten, oder von technischen Sachverständigen, über die sich herausgestellt hat, daß sie nicht mehr sind als HTL-Lehrer, die für teures Geld gewünschte Gutachten geliefert haben.

Meine Damen und Herren! Bis heute hat niemand darüber nachgedacht, ob man nicht vielleicht Regreßforderungen stellen, Rückzahlungsforderungen erheben sollte. Daß diese Leute sich ein schönes Taschengeld mit dem, was politisch erwünscht war, verdient haben, daß also diese Leute für so etwas auch noch fürstlich bezahlt werden sollen, sehe ich beileibe nicht ein. Ich denke, daß ich mit einem Großteil der österreichischen Bevölkerung einer Meinung bin, wenn ich sage, daß bei diesen Gutachtern zu hinterfragen ist, ob sie ihre Honorarforderungen überhaupt je zu Recht gestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die "Trittbrettfahrer", wie Sie sie nennen – ich nenne sie "Desinformanten" – und von denen ein Teil jetzt ein Buch herausgegeben hat, für das eines der angeblichen Mitopfer mit als Herausgeber fungiert – Sie wissen, Herr Bundesminister, welches Buch


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ich meine –, haben sich zum Teil schon namentlich zu erkennen gegeben. Ich würde gerne von Ihnen hören, Herr Bundesminister, wie der Stand der Ermittlungen gegen diese Leute ist. (Abg. Jung hält ein Buch mit einem Umschlag, auf dem zwei rote Längsstreifen zu sehen sind, in die Höhe.) Herr Kollege Jung zeigt das Buch gerade her, ich möchte hier ein bißchen Werbung dafür machen: Es ist so unglaublich dumm geschrieben, daß man es eigentlich jedem zur Lektüre empfehlen sollte, damit bekannt wird, wie primitiv man hierzulande ein ganzes Land und einen ganzen Polizeiapparat über Jahre in die Irre leiten kann. Das ist geradezu eine Musterlektüre, die zeigt, wie das möglich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich glaube gerne, daß Franz Fuchs der mutmaßliche Haupttäter ist und daß er mit Sicherheit den größten Anteil dieses Kriminalfalles zu verantworten hat. (Abg. Mag. Steindl: Das wird nach den Ermittlungen nicht so schwierig sein!) Das glaube ich ihm gerne. Ich meine, daß die Ermittlungen dafür die nötigen Sachbeweise erbracht haben. Ein wenig Skepsis melde ich im Hinblick darauf an, ob es wirklich völlig auszuschließen ist, daß er ohne jeglichen Mittäter gehandelt hat. Da wage ich es – gerade angesichts des üblen Machwerks der Herausgeber und Mitherausgeber des genannten Buches, die sich zum Teil als Denunzianten betätigt haben, und angesichts dessen, was darin nachzulesen ist und was zum Teil als Absenderangabe auf Bekennerbriefen nachzulesen war –, zumindest Zweifel anzumelden, die man nicht völlig wegdiskutieren sollte. Man sollte den Kriminalfall nicht völlig als Einzeltäterfall darstellen. Wenngleich die bisherigen Ermittlungen keine Indizien für Mittäter erbracht haben, denke ich doch, daß sich im Hinblick darauf das eine oder andere im Zuge des Gerichtsverfahrens noch herausstellen könnte.

Ein letztes Anliegen, meine Damen und Herren! Da geht es mir um die Polizei. Wir sollten wieder dazu zurückkehren, daß unser Polizeiapparat unbeeinflußt arbeitet, genauso wie übrigens auch die Justiz. Allerdings sieht das ein Teil dieses Hauses – namentlich die Sozialisten – etwas anders. Da werden interne Besprechungen in Rechtsanwaltskanzleien durchgeführt, in denen man sich darüber unterhält, wie man zusätzliche Richterposten für die SPÖ bekommen und wie man über Rechtspraktikanten künftig mehr sozialistische Richter an den Gerichten haben kann. Das mag also sein, aber wir sollten wieder dazu zurückkehren, daß wir ... (Abg. Dr. Keppelmüller: Das ist wieder etwas, das man darauf stülpt!)

Nein, das kann ich Ihnen belegen, Herr Kollege Keppelmüller! Ich habe sogar das Protokoll dieser Besprechung in der Kanzlei Lansky dabei. Daran haben Kollege Jarolim und Kollegin Hlavac teilgenommen, und da wurde darüber beraten, wie man es über eine Änderung bei der Bestellung in den Personalsenaten bewerkstelligen soll, daß man mehr sozialistische Richter in die Gerichte hineinbringt, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich kann mir vorstellen, daß die SPÖ ein Bedürfnis dazu hat, wenn ich mir das Problem ansehe, das Kollege Kostelka mit der Strafanzeige aus seiner eigenen Parteizentrale hat (Abg. Dr. Keppelmüller: Gestern haben wir das Klagenfurter Protokoll gehört!), oder etwa das Problem des Herrn Ex-Bundeskanzlers Vranitzky, da er gestern abend nicht erklären konnte, daß er mit der Ostmafia nichts zu tun hatte, wie ihm ein Fachmann für die Ostmafia – nämlich Herr Jürgen Roth – taxfrei über den Rundfunk ausgerichtet hat. Ja, das ist ein Problem, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Keppelmüller: Was ist mit der Klagenfurter Vereinbarung? – Weitere Zwischenrufe.)

Herr Bundesminister! Die Scheuklappen, welche die Justiz und die Polizei nach den Wünschen einiger in Ihrer Partei haben sollen, wird es – so hoffe ich – zumindest in Ihrem Ressort nicht mehr geben. Sie haben gesagt, die Polizei ist im Zuge der Ermittlungen lange Zeit von einem "organisierten Netzwerk" ausgegangen. – Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Zeitungen zurzeit lesen, dann wissen Sie, daß wir es gegenwärtig mit einem anderen organisierten Netzwerk zu tun haben, einem, das dafür sorgt, daß bereits Juweliere bei hellichtem Tage von Hinrichtungskommandos aus dem Osten erschossen werden. Das ist ein organisiertes Netzwerk, das tatsächlich die Polizei beschäftigen wird und auch sollte, und zwar ebenfalls ohne politische Scheuklappen.


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Da wird auch zu untersuchen sein, ob jenem Hinweis via Fernsehen eines international anerkannten Ostmafia-Experten namens Roth nachgegangen wird, daß ehemalige Minister – gemeint ist: der SPÖ – und ein ehemaliger Bundeskanzler – namentlich genannt: Franz Vranitzky – mit Ostmafia-Kontakten unterwegs sind, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist nicht von mir erfunden worden, sondern das war gestern abend zu hören. Ex-Bundeskanzler Vranitzky war nicht in der Lage, das zu entkräften, sondern hat sich nur darauf berufen, daß die Journalistin wissen sollte, mit wem Sie spricht, nämlich mit dem Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky. Daher solle sie nicht so dumme Fragen nach seinen Ostmafia-Kontakten stellen. Wollen Sie dafür auch noch ein paar Belege haben? – Darüber werden wir noch eine gesonderte Debatte führen, meine Damen und Herren! Das sind tatsächlich organisierte Netzwerke.

Kollege Löschnak! Sie wissen, welche Ex-Minister ich meine. Nicht Sie, denn Sie sind einer jener Minister, die wir immer für hochanständige Sozialdemokraten gehalten haben, deren es Gott sei Dank noch eine größere Zahl gibt. Aber keine Partei ist gefeit vor Kriminellen und Gaunern, das haben wir gestern selbst festgehalten. (Abg. Dr. Keppelmüller: Jene Partei mit dem Rosenstingl!)

Wer sagt, daß Herr Roth gestern abend ohne jeden Grund dem österreichischen Fernsehpublikum die Behauptung offeriert hat, daß der Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky Mafia-Kontakte hat? – Das ist zumindest etwas, dem man wird nachgehen müssen, Herr Bundesminister! Das kann man nicht einfach nur mit Niederschreien, Empört-Sein und Telephonanrufen, in denen man versucht, eine ORF-Journalistin in Verlegenheit zu bringen, aus der Welt schaffen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Unsere Polizei muß – ich denke, das wird unter diesem Minister möglich sein – genauso wie die Justiz vor jeder parteipolitischen Einflußnahme geschützt werden. Nur so ist öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Nur so ist zu gewährleisten, daß ehemalige Minister und ehemalige Kanzler dieses Land nicht zu einem Aufmarschfeld für Ostmafia-Agenten machen können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Schwemlein: Stadler wird langsam pathologisch! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Leikam! – Bitte.

14.34

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als im Oktober vergangenen Jahres der Innenminister nach der Verhaftung von Franz Fuchs im Parlament einen Bericht über diese Verhaftung gegeben hat, stand am Beginn der Debatte auch eine Anschuldigung des Abgeordneten Stadler im Raum. Er hatte damals über die APA ausgesendet, daß es in der Wohnung des Herrn Bundeskanzlers Vranitzky ein Schlichtungsgespräch zwischen Herrn Generaldirektor Sika und Herrn Minister Einem gegeben hätte. – Diese Behauptung war nicht aufrechtzuerhalten, sie war ganz einfach unwahr.

Heute, wieder am Beginn dieser Debatte, erleben wir dasselbe Spielchen des Herrn Abgeordneten Stadler: Er beschmutzt wieder Alt-Bundeskanzler Vranitzky mit Vorwürfen, die nicht haltbar sind. (Abg. Gaugg: Das war im Fernsehen!) Herr Abgeordneter Stadler! Was Sie hier machen, ist Rufmord am ehemaligen Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei den Freiheitlichen: Im Fernsehen!)

Haben Sie seine Stellungnahme nicht gelesen, die er zu den Vorwürfen des ORF und des Herrn Roth heute über die APA versendet hat? Warum verschweigen Sie diese Stellungnahme? (Abg. Gaugg: Leikam, du wirst noch Kopfweh kriegen!)  – Die Sudelkampagne, Herr Abgeordneter Stadler, die Sie hier im Parlament immer wieder vornehmen, ist schärfstens zurückzuweisen!


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(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Schweres Kopfweh, Leikam! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.)

Genauso wie Ihre Behauptung, daß es wieder in irgendeinem Raum Geheimgespräche bezüglich der Einstellung von der SPÖ angehörenden Richtern gegeben haben soll. (Abg. Gaugg: Du kriegst schweres Kopfweh!) Das ist die ganz gleiche üble Masche, die Sie hier in diesem Hause immer wieder gehen!

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Sie werden doch den gestrigen Tag noch nicht vergessen haben! Abgeordnete der Freiheitlichen Partei mußten zurücktreten, ein Landesparteiobmann mußte zurücktreten, nach einem freiheitlichen Abgeordneten wird seit heute gefahndet. (Ruf bei den Freiheitlichen: Sie sind freiwillig zurückgetreten! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wo sind Sie da? (Abg. Mag. Stadler: Wann tritt Einem zurück?)  – Messen Sie einmal in Ihren eigenen Reihen, machen Sie einmal Ordnung in Ihren eigenen Reihen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grabner: In Niederösterreich glaubt euch eh keiner mehr! – Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zur Behauptung des Herrn Abgeordneten Stadler, daß die politische Veränderung im Ressort ein anderes Klima geschaffen hätte (Abg. Jung: Nicht ein Wort des Bedauerns!): Ich habe heute einiges vermißt, Herr Abgeordneter Stadler! Denn als Sie vor sieben Monaten hier gesprochen haben, da haben Sie noch Schuldzuweisungen gemacht, da haben Sie noch vom "Genossen" gesprochen, der es war. Ich habe einmal mehr in Erinnerung zu rufen, daß es Schuldzuweisungen von Ihrem Parteiobmann gegeben hat, und zwar Schuldzuweisungen bei den vier Toten in Oberwart. (Abg. Scheibner: Ihr habt uns jahrelang besudelt!)

Was hat Haider damals gesagt? – Die Autoschieberbanden, die Waffenschieberbanden oder der serbische Geheimdienst wird es wohl gewesen sein. (Abg. Gaugg: Oder die Ostmafia?) Genau das waren damals die Zuweisungen! Ich wiederhole, was ich schon im Oktober gesagt habe: Wenn Sie heute wieder beklagen, daß am Beginn der Ermittlungen vom damaligen Minister Einem nur in eine Richtung ermittelt worden sei, nämlich in Richtung der rechtsextremen Szene, dann sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit, und zwar für meine gesamte Fraktion: Niemand von der SPÖ-Fraktion hat die Freiheitliche Partei oder einen Abgeordneten der Freiheitlichen Partei beschuldigt, bei den Briefbombenattentaten mit dabei gewesen zu sein. Legen Sie einen solchen Beweis vor! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Wenn wir aber davon gesprochen haben, daß Angehörige der rechtsextremen Szene als mögliche Tatverdächtige in Frage kommen, und Sie sich in dieser rechtsextremen Szene wiederfinden, dann ist das Ihr Problem, aber nicht das Problem dieses Hauses! (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Der Vorwurf, daß Minister Löschnak oder Minister Einem vertuscht oder die Ermittlungen in eine bewußt andere Richtung gelenkt haben, ist wohl nicht aufrechtzuerhalten. (Abg. Jung: Der Sika hat es gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn Sie das Gesamte chronologisch betrachten, dann werden Sie recht bald draufkommen – das hat Minister Schlögl in seinem heutigen Bericht auch sehr deutlich gesagt –: Als die Briefbombenserie in Österreich begann, stand die Exekutive vor einer Situation, wie es sie vorher nie gegeben hatte. Es waren keine Erfahrungen vorhanden, es war nicht die entsprechende Ausrüstung vorhanden. Man war mit einem solchen Kriminalfall ganz einfach noch nie konfrontiert, und das war der Beginn. Aber die ersten entscheidenden Maßnahmen wurden von Löschnak gesetzt, und bei Einem wurde die Richtung der Ermittlungen in den kriminalpolizeilichen Bereich gegeben. Die Gründung der SOKO ist unter Einem erfolgt, meine Damen und Herren! Ob Sie das zur Kenntnis nehmen wollen oder nicht, das ist Ihr Problem, aber das ist Realität und Tatsache! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Vorwurf, daß unschuldige Leute bei Hausdurchsuchungen einvernommen worden sind: Wie wollen Sie einen so schwierigen Kriminalfall lösen, wenn nicht auch unter Umständen jemand gefragt werden muß, der letztlich mit dem Fall überhaupt nichts zu tun hat? (Abg. Jung: In Unterhosen mit vorgehaltenem Sturmgewehr zur Überprüfung!)  – 54 000 Personen wurden


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überprüft, wie wir vom Herrn Bundesminister gehört haben, und es gab weit über 100 Hausdurchsuchungen.

Am Ende ist das Ergebnis entscheidend, meine Damen und Herren! Das Ergebnis ist ein wirklich erfreuliches, und ich stehe nicht an, hier allen, die seit 1993 mit den Ermittlungen betraut waren – in der Justiz, in der Exekutive –, auch den Dank unserer Fraktion zum Ausdruck zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir von der sozialdemokratischen Fraktion verneigen uns heute auch vor den Opfern! Herr Abgeordneter Stadler! Das habe ich bei Ihnen vermißt. Sie haben damals, als es jene vier Toten von Oberwart gegeben hat, Schuldzuweisungen in eine bestimmte Richtung gemacht und kein Wort des Bedauerns gefunden. (Abg. Aumayr: Sie wollen uns zu Tätern machen!) Sie haben es auch heute nicht getan! Eigentlich sollten Sie sich schämen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Das stimmt ja nicht! – Abg. Mag. Schweitzer: Sie wollen das umdrehen!)

Meine Damen und Herren! Das, was seit 1993 im Zuge der Ermittlungen in der Briefbombenserie, die vier Tote und 15 Schwerverletzte gefordert hat, von der Exekutive geleistet wurde, ist beachtlich. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Ich bin beeindruckt von dem, was wir heute in diesem Saal vom Herrn Bundesminister gehört haben: über 400 000 Ermittlungsseiten! (Abg. Jung: Nicht genügend!)

Die Anzeige umfaßt fast 1 000 Seiten! Über 1 500 Ordner sind im Laufe dieser Ermittlungen angelegt worden! Eine ganz großartige Leistung! In penibler Kleinarbeit, unterstützt durch modernste Technik, hat es die Ermittlungskommission zustandegebracht, daß der wohl größte Verbrecher unseres Landes rechtzeitig vor dem Richter stehen wird. Meiner Ansicht nach reicht das, was im Abschlußbericht enthalten ist, auch aus, ihn entsprechend zu verurteilen. – Ich wiederhole daher: Es war für alle ein guter Tag, als Franz Fuchs verhaftet werden konnte.

Es war auch Glück dabei! Denn da wir es jetzt noch einmal gehört haben, muß ich für all jene in diesem Haus, die Lauschangriff und Rasterfahndung nicht wollten, noch einmal deutlich sagen: Franz Fuchs ist nicht zuletzt auch deshalb nervös geworden und hat einen großen Fehler gemacht, weil er wußte, daß jener Tag, an dem er diesen Fehler begangen hat, der erste Tag war, an dem die Rasterfahndung in Österreich angewendet werden konnte. Und das hat ihn nervös gemacht! – Nicht umsonst fühlte er sich schon länger verfolgt und hat die Nummern von allen Autos aufgeschrieben, die in seiner Nähe herumgefahren sind, wie die Erhebungen und die Einvernahmen ergeben haben. Es war eine Bestätigung!

Noch einmal zurück zu allen Ministern, die dafür verantwortlich waren: Es war eine klare Bestätigung all jener Annahmen, die vom Ministerium in jenen viereinhalb Jahren an Möglichkeiten im Raum gestanden sind. – Bis 1995 war nicht klar, wohin sich der Fall wenden würde und wer die Täter waren. Ab 1995 hat sich die Einzeltätertheorie sehr stark verdichtet, und letztendlich war es auch so.

Das Täterprofil, das Minister Schlögl heute in seinem Bericht noch einmal erwähnt hat, war damals auch bereits erarbeitet. Der Spielraum ist enger geworden, und die Schlinge hat sich zusammengezogen. Letztendlich ist es zur Verhaftung gekommen, und nun liegt es beim Gericht, eine entsprechende Verurteilung auszusprechen.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich daher noch einmal betonen, daß die Exekutive hervorragende Arbeit geleistet hat, und daß vor allen Dingen die Österreicherinnen und Österreicher froh sein können, daß dieser wohl so einzigartige abscheuliche Kriminalfall in unserer Geschichte nun bei Gericht und vor dem letzten Teil, nämlich der Verurteilung steht. Denn ich bin davon überzeugt, daß die Österreicherinnen und Österreicher in einem Land leben wollen, in dem es eine sehr, sehr umfangreiche innere und soziale Sicherheit sowie einen inneren Frieden gibt.

Es ist der Wunsch der österreichischen Bevölkerung, daß so etwas in unserem Lande nicht vorkommen kann und darf! Wir, die wir in der Politik tätig sind, haben dafür zu sorgen, daß diese


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Vorstellungen der Bevölkerung auch entsprechend umgesetzt und realisiert werden können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zweytick. )

Meine Damen und Herren! Demokratiezerstörende Elemente dürfen in unserem Lande keinen Platz haben – egal, von welcher Seite auch immer sie kommen mögen. (Abg. Jung: Purtscheller! – Abg. Aumayr: Einem!)

Anschuldigungen und Anschüttungen, wie sie in diesem Haus heute wieder vom Abgeordneten Stadler in eine bestimmte Richtung gemacht wurden, sind ein erster Schritt in diese Richtung! Denn diese Anschuldigungen sind wider besseres Wissen erfolgt! – Herr Abgeordneter Stadler, ich fordere Sie daher auf, diese durch nichts bewiesenen Anschuldigungen zurückzunehmen und sich zu entschuldigen! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum, bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Salzl: Entschuldigt euch ihr einmal! – Abg. Grabner: Der Rosenstingl ist wohl nie bei euch gewesen!)

14.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Mir sind nun zwei tatsächliche Berichtigungen gemeldet.

Ich möchte ganz besonders auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung über den Ablauf von tatsächlichen Berichtigungen hinweisen.

Die erste tatsächliche Berichtigung kommt von Herrn Abgeordneten Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Krüger: Hoffentlich gibt es jetzt einmal eine Entschuldigung vom Öllinger! – Abg. Grabner: Da könnte der Stadler nicht mehr vom Rednerpult weggehen, wenn er einmal anfängt, sich zu entschuldigen!)

14.45

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Stadler hat in seinen Ausführungen einmal mehr – wider besseres Wissen – von meiner "kommunistischen Vergangenheit" gesprochen. (Abg. Mag. Stadler: Marxistisch! – Abg. Koppler: Das wäre aber auch kein Problem!)

Ich stelle richtig: Ich war niemals Mitglied einer Organisation, die in direkter oder indirekter Beziehung zur Kommunistischen Partei gestanden ist. Aber vielleicht ist die Bemerkung ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Kollege! Tatsächliche Berichtigung, kein Kommentar.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Vielleicht ist die Bemerkung des Abgeordneten Stadler darauf zurückzuführen, daß ... (Abg. Kiss: Das ist ein Kommentar!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Das geht über die tatsächliche Berichtigung hinaus, Sie kommentieren eine Wortmeldung des Abgeordneten Stadler. Sie haben nur den Sachverhalt richtigzustellen. (Abg. Aumayr: Das hat er auch schon!)

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... er mit dem Spürsinn eines Dobermanns nicht zwischen der Mitgliedschaft in einer katholischen Organisation, nämlich der Katholischen Jungschar, in der ich tatsächlich tätig war (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum kann man ihm nicht endlich das Mikrophon wegnehmen, Herr Präsident?), und der Mitgliedschaft in der Kommunistischen Jugend – oder was weiß ich welche Organisation Sie dabei im Auge hatten – zu unterscheiden vermag. (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)


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14.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet.

Ich weise ebenfalls auf die Geschäftsordnung hin.

14.46

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Leikam hat behauptet, es hätte nie eine Unterredung gegeben, in der eine Verstärkung des sozialistischen Einflusses in der Justizpolitik besprochen worden ist. – Das ist unrichtig. (Abg. Grabner: Wenn er einmal anfängt, sich zu entschuldigen, können wir nicht mehr weggehen und müssen hier übernachten!)

Richtig ist vielmehr, daß am 12. Juli 1997 nach einem mir vorliegenden Protokoll der Anwaltskanzlei Lansky in Wien (Abg. Mag. Schweitzer: Oh! Der Lansky!) mit folgenden Teilnehmern Elisabeth Hlavac, Dr. Helga Hofbauer, Mag. Henri Goldmann, Senatspräsident ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Wortmeldung bezieht sich nicht auf einen Debattenbeitrag, es handelt sich nicht um eine tatsächliche Berichtigung! (Rufe bei den Freiheitlichen: Natürlich!)

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Wenn Sie mir gestatten, daß, da auch mein Vorredner Kommentare lieferte, auch ich meinen Sachverhalt zu Ende bringen kann. (Nein!-Rufe bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ja, ich lasse es zu. Es bezieht sich auf Herrn Abgeordneten Leikam.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): ... Rechtsanwalt Dr. Johannes Jarolim, Staatsanwältin Nittel. folgendes ausgeführt wurde: Zum Themengebiet "Personalpolitik" sei zu überlegen, wie sich die Partei noch mehr als bisher einbringen kann. Es werden Vorschläge gemacht, wie über das Richterdienstgesetz als Ansatzpunkt bei den Rechtspraktikanten in Zukunft mehr Sozialisten in eine Richterfunktion gebracht werden könnten. Und letztlich wird ein Vorschlag gemacht: Es stelle sich in diesem Zusammenhang noch die Frage, ob nicht ein informeller Juristenkreis zusammengestellt werden sollte, der die Idee einer rechtssoziologischen Untersuchung finalisieren soll. (Abg. Grabner: Berichtigung, Herr Präsident! – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist eine Berichtigung! Lesen Sie das Protokoll!) Dann wird darin übereingekommen, daß eine derartige Untersuchung nichts bringe, weil ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Das geht jetzt ... (Anhaltende Zwischenrufe.) Ich verbitte mir diese Zwischenrufe!

Herr Abgeordneter! Die tatsächliche Berichtigung zu beurteilen, ist erst am Schluß möglich. Ich habe nun den Verdacht, daß es über eine tatsächliche Berichtigung hinausgeht und stelle das auch richtig.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): ... weil so viele Blaue in der Medienjustiz tätig seien. – Das ist nachzulesen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Jung: Pfui Teufel! – Abg. Dr. Salzl: Die sollen sich schämen! – Abg. Jung: Das ist für die ganz normal!)

14.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.49

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird notwendig sein, die Emotionen wieder zurückzunehmen, denn gerade sicherheitspolitische Debatten oder Debatten über die innere Sicherheit sollten auf sachlicher Grundlage geführt werden und nicht so emotional. Es entstünde sonst wirklich ein falscher Eindruck, und wir würden der parlamentarischen Debatte zu einer für die österreichische Sicherheit so wichtigen Frage einen Bärendienst erweisen!

Ich bin Herrn Innenminister Schlögl sehr dankbar dafür, daß er uns heute einen Bericht über den Abschluß des Kriminalfalles Fuchs gegeben hat. Die erfreuliche Seite ist, daß nun trotz des Fehlens eines Geständnisses offensichtlich mit großer Wahrscheinlichkeit Herr Fuchs der Täter


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dieser seit Jahren die österreichische Bevölkerung und Exekutive in Atem haltenden Briefbombenserie ist! Ich möchte daher seitens meiner Fraktion der Exekutive einen besonderen Dank aussprechen, da es letztendlich ihre Arbeit war, durch die der Fall Fuchs nun in dieser Form den unabhängigen Gerichten übergeben werden kann.

Meine Damen und Herren! Der Fall Fuchs ist aufgrund seiner kriminellen Dimension – immerhin waren mehrere Tote und eine Vielzahl von schwerverletzten Personen zu verzeichnen – und einer für die österreichische Innenpolitik völlig neuen Art des Terrors zwar kein Kriminalfall wie die anderen, die wir in den letzten Jahren in unserem Lande gehabt und teilweise auch im Hohen Haus debattiert haben. Aber auch die politische Dimension in diesem Fall ist neu, da versucht wurde, die Briefbombenserie politisch zu argumentieren und politisch zu polarisieren.

Ich glaube, wir sind schlecht beraten, die Parteipolitik in die Diskussion einzubringen und parteipolitisches Kleingeld kassieren zu wollen! Das ist unverantwortlich. Egal, von welcher Seite der Terror kommt – ob von der rechten oder der linken Seite –, das ist kein Fall für parteipolitische Argumentation! Die Parteipolitik hat draußen zu bleiben. Es wird notwendig sein, daß die Exekutive auch in Zukunft ohne parteipolitische Einflußnahme von außen ermitteln kann.

Denn wenn sie das kann – und ab einem gewissen Zeitpunkt war es, Gott sei Dank, möglich –, dann werden auch die entsprechenden positiven Ergebnisse kommen. Und das wollen wir alle, die wir für ein sicheres Österreich eintreten!

Der Fall Fuchs hatte sicherlich auch einige positive Seiten. Herr Fuchs ist nun gefaßt, und seit er inhaftiert ist, hat auch der Bombenterror der "Bajuwarischen Befreiungsarmee" aufgehört. Es bleibt zu hoffen, daß die Einzeltätertheorie tatsächlich stimmt. Vieles spricht dafür, und auch ich gehe davon aus, daß damit dieser Terrorserie ein Ende bereitet werden konnte.

Ein positives und richtiges Ergebnis der Ermittlungen ist, daß die Ausrüstung und Ausstattung der Exekutive im Bereich der EDV und des Kriminalpolizeilichen Dienstes besser geworden ist. Weiters ist es richtig, daß es mit der Bildung des Sonderkommandos zu einer wesentlichen Verbesserung der sicherheitspolizeilichen Arbeit gekommen ist, vor allem durch den interdisziplinären Ansatz, der dafür gewählt wurde.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß diese Erfahrungen auch in Zukunft einen entsprechenden Niederschlag in der Arbeit der Exekutive finden werden. Aber es muß auch klar gesagt werden – und der Innenminister hat das heute auch klar eingestanden –, daß die Exekutive nicht darauf vorbereitet war.

Für mich stellt sich nun die Frage: Wie schaut es eigentlich mit der sicherheitspolitischen Beurteilung aus? – Ich halte es für ein Versäumnis der Exekutive, daß man von einer derartigen Terrorwelle überrascht worden ist. Wenn eine entsprechende laufende Lagebeurteilung – auch in Fragen der inneren Sicherheit – angestellt worden wäre, dann hätte man darauf vorbereitet sein müssen. Es gibt Parallelen dazu im Ausland, etwa den "UNA-Bomber"! Derartige Kriminalfälle hätten also in der Ausbildung der Exekutive ihren Niederschlag finden müssen.

Es gibt organisatorische Verbesserungen, die in anderen Polizeidiensten längst Standard waren. Das war ein politisches Versäumnis der sozialdemokratischen Innenminister, die vor Minister Schlögl die Verantwortung hatten.

Meine Damen und Herren! Der Innenminister hat auch gesagt, Fuchs sei im Prinzip nicht verhaftet oder überführt worden, sondern er habe sich selbst gestellt, und "Kommissar Zufall" habe Regie geführt. – Es stellt sich für mich auch die Frage, warum es dieses Falles Fuchs – und ich habe bereits vorhin auf die Ausrüstung und Ausstattung sowie die organisatorische Situation der Exekutive hingewiesen – bedurft hat, damit die Exekutive auf den letzten technischen Standard gebracht worden ist. Wir haben in diesem Hohen Haus, gerade im Zusammenhang mit den Debatten über das Budget des Innenministeriums, sehr oft darauf hingewiesen, daß es einen Nachholbedarf gibt, aber bedauerlicherweise bedurfte es eines Wirrkopfes, damit Fortschritte in der Modernisierung der Exekutive getroffen wurden.


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Der Fall Fuchs hat auch gezeigt, daß es innerhalb der Exekutive interne Probleme im Zusammenwirken der verschiedensten polizeilichen Dienststellen gegeben hat. Diese notwendigen Strukturmaßnahmen hätten schon längst gesetzt werden müssen und gesetzt werden können.

Es gab auch Spannungen mit Diensten außerhalb des sicherheitspolizeilichen Apparates, zum Beispiel mit dem Heeres-Nachrichtenamt. Herr Bundesminister! Ich habe aber von Ihnen eine positive Erwähnung des militärischen Nachrichtendienstes vermißt, der durch die Dechiffrierung von verschlüsselten Botschaften immerhin einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung dieses Kriminalfalles geleistet hat.

Letztendlich hat uns der Fall Fuchs auch gezeigt, daß der Reformstau unübersehbar ist. Herr Bundesminister! Es fehlt noch immer eine Reform im Bereich der Staatspolizei sowie des Kriminalpolizeilichen Dienstes. Dieser Fall sollte nun zum Anlaß genommen werden, diese Reformen mit Nachdruck zu setzen. Ich erwarte von Ihnen, Herr Bundesminister Schlögl, daß Sie – auch wenn sich die Österreichische Volkspartei und ihr Sicherheitssprecher, Herr Kollege Kiss, wie ich höre, gegen die Reform der Staatspolizei und des Kriminalpolizeilichen Dienstes einsetzen, da es parallel dazu keine Reform des militärischen Nachrichtendienstes gibt, die sie damit junktimieren – auch ohne Unterstützung der Österreichischen Volkspartei solche Reformschritte einleiten. (Abg. Mag. Steindl: Immer nur schimpfen!)

Herr Kollege Steindl! Sollte es anders sein, so wäre ich froh darüber, denn dann ist zu erwarten, daß die Reform der Staatspolizei und des Kriminalpolizeilichen Dienstes endlich auch realisiert werden können. (Abg. Schwarzenberger: Sie erzählen nur Märchen!)

Ich erwarte mir weiters eine Reform im Ausbildungsbereich. Herr Kollege Kiss, auch das darfst du dir niederschreiben. Ich erwarte, daß es endlich auch seitens deiner Fraktion zu einer Schlußstimmung, was die Reform der Sicherheitsakademie betrifft, kommt, sodaß wir im Bereich der Ausbildung ganz wesentliche Akzente setzen können, die sich natürlich auch positiv auf den Ausbildungsstand der Exekutivbeamten auswirken und damit zukünftige Kriminalfälle mit einer größeren Wahrscheinlichkeit und vor allem rascher aufgeklärt werden können.

Meine Damen und Herren! Ich darf abschließend noch auf die Feststellung eingehen, daß die Einführung des Lauschangriffes und der Rasterfahndung letztendlich dazu geführt hat, daß der dadurch "nervös" gewordene Herr Fuchs aufgegriffen werden konnte. – Das, was der Herr Bundesminister gesagt hat, ist aus meiner Sicht höchstens eine Feststellung beziehungsweise eine Behauptung; Beweise dazu ist er uns schuldiggeblieben.

Ich bedaure, daß es im Parlament zur Einführung dieser Erhebungsmethoden gekommen ist. Wenn ich mir noch einmal Revue passieren lasse, was der Herr Innenminister gesagt hat, nämlich unter welchen Kriterien die Rasterfahndung durchgeführt worden wäre – Mann, Alter zwischen 35 und 60 Jahren; das Täterprofil hat übrigens, soweit erinnerlich, eine andere Altersgrenze angegeben; höhere schulische Ausbildung, spezieller Ausbildungsstand im Fachbereich der Elektronik –, dann möchte ich, Herr Bundesminister, wirklich die Frage stellen: In welchen Datenbanken werden derartige Informationen gespeichert? (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Führt die österreichische Exekutive eine lückenlose Erfassung dieser Daten der österreichischen Bevölkerung? Wie schaut das aus? Oder zum Kriterium des speziellen Ausbildungsstandes im Bereich der organischen Chemie und des Beschäftigungsverhältnisses auf Werkvertragsbasis: Welche Datenbanken werden dazu verknüpft, welche Einrichtungen und Organisationen werden da von der Exekutive angesprochen? – Darüber wollen wir Aufklärung!

Diese Tatsache ist für uns die Bestätigung, daß wir recht gehabt haben, als wir die Einführung von Lauschangriff und Rasterfahndung abgelehnt haben. Denn damit wird das Kind mit dem Bade ausgegossen, und die Vorteile, die möglicherweise damit verbunden sind, stehen in keinem Verhältnis zu den Nachteilen – dem Schlag gegen die Grund- und Freiheitsrechte, ja sogar die Aufgabe ganz wesentlicher Grund- und Freiheitsrechte. Dagegen werden wir auch in Zukunft massiv auftreten. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.00


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Redezeit: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.00

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In Anlehnung an ein Märchen – und es ist ein schönes Märchen, Herr Bundesminister, es heißt "Hans im Glück" – würde ich eingangs meinen: Karl im Glück. Es gehört in der Politik zweifelsfrei auch ein gewisses Maß an Glück, an Fortüne dazu, daß ein Politiker in einer politischen Funktion letztlich auch Rechenschaft ablegen kann, eine Erklärung abgeben kann, im speziellen Fall eine Erklärung über den größten Kriminalfall der österreichischen Geschichte in der Zweiten Republik.

Herr Bundesminister! Seitens der ÖVP eine einfache Überlegung dazu: Wir sind der Auffassung, daß diese Erklärung ausgewogen gewesen ist. Sie war kritisch in jenem Bereich, in dem Kritik angebracht gewesen ist. Sie findet unsere Zustimmung. Ich kann Sie nur in diesen Intentionen unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Einmal mehr tut es uns allen gut, in einem Moment innezuhalten, in dem die Worte zwischen Rechts und Links wieder hin- und hergeflogen sind, in dem man mit dem Dreschflegel aufeinander eingeschlagen hat, in einem Moment, in dem der Herr Bundesminister unter anderem von den Opfern gesprochen hat. Wir von der Österreichischen Volkspartei – und ich sage es im Ernst dessen, was ich zu sagen habe – haben stets jene bedauert, die Opfer dieses Terrorismus, dieses Gewaltakts geworden sind, und wir bedauern sie auch jetzt in dieser Situation. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich nähere mich dem Thema heute zum ersten Mal von der ideologischen Position. Wir von der Österreichischen Volkspartei haben als einzige Partei im demokratischen Spektrum eines, was die anderen alle miteinander nicht haben: Wir wissen, daß wir die Position der Mitte vertreten. (Abg. Dr. Ofner: Geh, hör auf! Was dort für ein Gedränge ist! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Gaugg. ) Wir wissen, daß wir eine Position der Mitte vertreten, die gerade diesen wichtigen Bereich abdeckt und uns ruhig sein läßt, die uns sicher macht; eine Position der Mitte, die nicht links und nicht rechts angekränkelt ist, eine Position der Mitte, von der wir wissen, daß dieses Land aus dieser Position der Mitte am besten geführt wird, unter anderem durch unsere Mitverantwortung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaugg: Wo sind die Scientologen? In der Mitte?)

Wir haben in der Vergangenheit gezeigt – und unsere Parteiobmänner stehen dafür –, daß die Österreichische Volkspartei nicht nur gegen Gewalt, gegen Radikalismus, sondern auch gegen jegliche Form von Terrorismus aufgestanden ist. Wir finden uns dabei gerade durch diesen aktuellen Anlaßfall bestätigt, und wir wissen, daß es unser politischer Auftrag ist, aus dieser Position heraus diesen politischen Weg gegen Gewalt, gegen Rassismus, gegen Radikalismus, gegen Terrorismus unbeirrt weiterzugehen. Die ÖVP wird dies tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Gedankengang in diesem Zusammenhang gilt der Exekutive. Herr Bundesminister! Wir haben registriert, daß Sie als der politisch Verantwortliche gemeint haben, vieles von dem, was in Zusammenhang mit der Causa Fuchs ruchbar geworden sei, sei unter anderem erst deswegen ruchbar geworden, weil die Exekutive unvorbereitet gewesen sei. Es ist gut, in einer Stunde, in der man Erfolg hat, nachzudenken über die Bereiche, in denen man nicht erfolgreich war. Es steht Ihnen gut an, es steht dem Ministerium gut an, es steht der Exekutive gut an, Einsicht zu üben, und es freut uns, daß Sie das in einer Form getan haben, die korrekt ist.

Es stimmt eben, daß die Exekutive auf diese Form des Terrorismus unvorbereitet gewesen ist. Es stimmt, daß die Erfahrung nicht vorhanden gewesen ist, auch wenn es Möglichkeiten gegeben hätte, sich international einzuklinken, sich an internationalen Vorbildern nicht nur aufzurichten, sondern internationalen Vorbildern auch zu folgen. Das stimmt. Aber es ist ja besser geworden, und das haben wir alle miteinander registriert, und genau in diese Richtung wollen wir gehen. Und es ist richtig, daß es gerade an der Ausrüstung, am technischen Equipment gemangelt hat, und wir wissen, daß auch die Ausbildung nicht jene gewesen ist, die wir uns erwartet hätten.


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Herr Bundesminister! Kollege Moser hat mich darauf angesprochen, daß ich es sei, der sich gegen eine allfällige STAPO-Reform, gegen neue Strukturen stemmen würde. Das hat mich überrascht. Ich habe niemandem je etwas Ähnliches gesagt, schon gar nicht dem Kollegen Moser, auch nicht im Couloir-Bereich, vor allem aber nicht dem zuständigen Mann für den STAPO-Bereich, dem Herrn Bundesminister. An der ÖVP wird eine STAPO-Reform nicht scheitern. Ich als Vorsitzender des STAPO-Ausschusses im Parlament bin im Gegenteil an diesen reformatorischen Ansätzen interessiert, und ich kann mich dafür verbürgen, daß wir gemeinsam mit dem Bundesminister für Inneres genau diese STAPO-Reform, die der Kollege Moser moniert hat, selbstverständlich in der Koalition diskutieren und auch umsetzen werden. Das kann ich Ihnen versichern. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Abschluß kommend: Werte Kolleginnen und Kollegen! Weil die ÖVP als eine Partei der Mitte, als eine Partei dieses demokratischen Spektrums in der Vergangenheit für diesen Weg gestanden ist, sind wir uns unserer Verantwortung, auch um die Exekutive, auch um die Bekämpfung des Terrorismus, von Radikalismus und Gewalt, bewußt. Mit der ÖVP geht dieses Land einen guten Weg. Wir werden unseren Teil dazu leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

15.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort. – Bitte.

15.06

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Je weiter diese Debatte voranschreitet, desto mehr frage ich mich: Herr Bundesminister, was war die Intention, der Zweck Ihrer heutigen Erklärung? – Ich habe eigentlich damit gerechnet, daß Sie uns heute davon Mitteilung machen würden, daß die Ermittlungen abgeschlossen sind und es jetzt zum Prozeß kommt. Jetzt stelle ich jedoch fest: Sie geben einen Zwischenbericht, der aber sehr klar von einer bestimmten Bezeichnung der Person Fuchs als Täter ausgeht, gestützt auf Indizien und, so wie Sie sagen, Sachbeweisen. Da frage ich mich schon, ob Sie dem Prozeß, der bevorsteht, einen guten Dienst erweisen, und wenn ich an den heutigen Redebeitrag des Kollegen Stadler zu diesem Thema denke, weiß ich nicht, ob diese Debatte diesem Haus insgesamt einen guten Dienst erweist. Aber vielleicht können Sie uns zu Ihrer Motivation noch etwas sagen.

Wenn es eine Motivation war, einen Zwischenbericht über die Notwendigkeit und die Erfolge der Rasterfahndung zu geben, dann, muß ich sagen, entspricht der Bericht nicht dem, was Sie daraus ableiten wollen. Ich kann aus diesem Ihrem Bericht überhaupt keine Begründung oder Rechtfertigung für die Einführung dieser besonderen Fahndungsmethoden erkennen.

Eines finde ich schon sehr bemerkenswert, daß sich nämlich das damals auch öffentlich diskutierte Täterprofil, wie es der Kriminalpsychologe Thomas Müller entwickelt hat, mit jenem, das Sie uns heute hier vorstellen, nicht mehr deckt. Ein Vorredner hat gesagt, das Täterprofil sei noch einmal dargestellt worden. Es ist nicht noch einmal dargestellt worden, denn es ist verändert, Herr Bundesminister, und zwar deutlich. Da gibt es zwar ein paar gleiche oder ähnliche Punkte, wie zum Beispiel daß der mutmaßliche Täter Bücher und Zeitschriften lese, Katholik, sehr ordnungsliebend und Zyniker sei. Das sind alles Fakten, für die es sicher keine Karteien gibt und die schwer feststellbar sind. Denn wenn ich mir da so die Kollegen anschaue, könnte ich nicht ad hoc sagen, wer sehr ordnungsliebend ist. Das weiß ich nicht. (Zwischenruf des Abg. Leikam. ) Ja, so ist es, Herr Abgeordneter Leikam. Es ist schwierig. Es ist ganz schwierig, und Sie würden wahrscheinlich falsche Schlüsse ziehen.

Aber dort, wo es um wirklich harte und überprüfbare Fakten geht, Herr Bundesminister, haben Sie das Täterprofil gegenüber jenem des Psychologen Müller heute deutlich verändert. Im damaligen veröffentlichten Täterprofil hieß es: 50 Jahre oder älter und Pensionist. – Das trifft nicht zu. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso nicht?) Das trifft nicht zu, weil der Herr Fuchs jünger ist und weil er auch arbeitslos und nicht Pensionist ist. Frau Abgeordnete, das sind eindeutige Unterschiede.


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Herr Bundesminister, Sie sollten sich fragen, was Sie mit dieser Debatte auslösen und von wo und aus welchen Gründen, auch SPÖ-intern, die Unterstützung dafür kommt. Das hat ja ganz andere Gründe. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Welche Gründe?)

Das nächste harte Faktum, wo man allenfalls rastern könnte, im Täterprofil: Alleinstehend, er hat bereits erwachsene Kinder und Enkelkinder. "Alleinstehend" trifft nicht zu, denn er hat in einem Familienverband, wenn auch als Sonderling, gelebt. Auch "Kinder und Enkelkinder" trifft nicht zu.

Das heißt, Sie hätten mit diesem Täterprofil, das Sie heute in Ihrer Erklärung irgendwie verändert haben – ich frage Sie auch, warum –, absolut in die falsche Richtung gerastert, und das mit extremen Kosten.

Herr Bundesminister! Sie haben die Restwasseruntersuchungen, die Analyse der Schaltpläne und Fragmente von Bekennerschreiben erwähnt. Ja, dazu wurden Sie immer von diesem Haus in seiner Gesamtheit, insbesondere auch von denen, die selbst Briefbomben erhalten haben, dringend aufgefordert, diese konventionellen Fahndungsmethoden in ihrer modernsten Form anzuwenden. Wenn es in diesem Fall Sachbeweise geben wird, dann sind sie auf die konventionellen Fahndungsmethoden zurückzuführen. Das möchte ich wirklich in aller Form hier festhalten. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Weiteres im Zusammenhang mit der Rasterfahndung: Daß sich offenbar die ganz gefährliche organisierte Kriminalität nicht wirklich vor der österreichischen Rasterfahndung schreckt, beweisen Vorkommnisse wie jenes, daß am hellichten Tag in der Wiener Innenstadt Geschäftsleute erschossen werden. Die Täter, die offenbar wirklich zu professionellen Kriminellen zählen, lassen sich ganz wenig durch Ihre neuen Fahndungsmethoden abschrecken und sind mittlerweile offenbar auf der Flucht. Bei anderen flüchtigen Personen wird man diese Methoden wohl auch nicht brauchen, denn diese sind namentlich und mit ihrem Bild bekannt.

Herr Bundesminister! Zum zweiten: Wenn Sie in den Erklärungen sagen, es hat sich sehr bald herausgestellt, der Täter sei nicht aus dem Kreis der Rechtsradikalen, dann muß ich Sie schon fragen: Was ist der mutmaßliche Täter Fuchs denn sonst? – Herr Bundesminister! Es gibt nicht nur Rechtsradikale, die unter 30 Jahren sind, nahezu eine Glatze geschoren haben und mit schwarzen Stiefeln herumrennen, sondern es gab zu allen Zeiten Nazis an den Schreibtischen, ganz verborgene, ganz unauffällige, und es gab jene, die mit ihren militärischen Emblemen aufgetreten sind.

Es gab in Österreich Menschen, die als Ärzte gewirkt, kleine Kinder getötet und ihr Gehirn in Spiritus eingelegt haben. Diese sind nach wie vor in Amt und Würden. Und es gibt andere: Wir haben hier einen mutmaßlichen Täter, der sich eindeutig und in langen schriftlichen Elaboraten als Rechtsextremer, als politischer Täter zu erkennen gegeben hat. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben ferner gesagt – und da möchte ich Sie auch noch einmal fragen, wie das im Detail gemeint ist, denn es kommt natürlich aus den Worten auch immer ein gewisser Unterton heraus –: Alle Versuche, die von manchen heraufbeschworene Verschwörung – da will ich mich jetzt nicht an den Worten, die nicht ganz ideal gewählt sind, stoßen – zu untermauern, sind fehlgeschlagen. – Wenn Sie sagen, diese Vermutung habe sich nicht erhärtet oder ist aus heutiger Sicht nicht zutreffend, dann hat das einen anderen Unterton, als wenn Sie sagen, es habe da einen gewissen Wunsch in diese Richtung gegeben, dieser habe sich jedoch nicht erfüllt.

Herr Bundesminister! Wenn Sie in Ihrer Erklärung anführen, Glück und Zufall hätten Regie geführt, und dann betonen, nicht nur Glück, sondern auch – und das ohne Zweifel – ein Lernprozeß bei der Exekutive und der Einsatz der konventionellen modernen Ermittlungsmethoden hätten zum Erfolg geführt – das heißt Können und Tüchtigkeit, das wird ja nicht in Abrede gestellt –, dann haben Sie, glaube ich, eines vergessen: Es war letztlich auch der Mut und die Wachsamkeit von zwei Frauen, die den entscheidenden Hinweis geliefert haben. (Abg. Kiss: Ist das nicht banal, was Sie sagen?)


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Ich weiß nicht, ob das banal ist, Herr Abgeordneter! Offenbar hat hier ein mutmaßlicher Täter über Jahre hinweg eine Verbrechensserie entwickeln können, ohne daß es jemandem aufgefallen ist, obwohl er nicht allein gelebt hat. Wenn eine Wachsamkeit in der Bevölkerung vorhanden ist, dann sage ich, gerade als jemand, der eine Briefbombe bekommen hat, auch danke schön für diese Wachsamkeit und bin froh darüber, daß es Menschen gibt, die bei derartigen Vorfällen um eine Überprüfung bitten. Sie kritisieren ja sonst immer, wenn Derartiges unterbunden wird. Also hier ist ganz offenbar richtig gehandelt worden, wodurch auch immer: durch Instinkt, durch Wachsamkeit und auch sicherlich durch eine gehörige Portion persönlichen Mutes.

Ich frage Sie schon, wie es denn mit der Belohnung ausschaut und ob es nicht an der Zeit wäre, für den entscheidenden Hinweis die ausgesetzte Belohnung tatsächlich zu übergeben.

Ich komme zum allerletzten Punkt, und da schließt sich wieder der Kreis mit meiner Frage: Was bringt uns die heutige Debatte, außer daß sie durchaus die Gefahr heraufbeschworen hat, daß vielleicht im Verfahren der Eindruck entstehen könnte, die Unbefangenheit gerät in Gefahr oder es tritt eine Vorverurteilung ein? – Ich will, daß dieser Prozeß effizient geführt werden kann und daß nicht der geringste derartige Verdacht im Raum steht und daß das Verfahren auch zu einem Abschluß kommen kann.

Aber ich frage Sie noch einmal, auch in bezug auf die Zwischenrufe und gerade auch auf die Äußerungen des Abgeordneten Stadler: Was bringt es und wozu führt es? – Da muß ich schon eines sagen: Ich stehe felsenfest, weil ich immer politisch dieser Überzeugung war, auf der Basis der beruflichen und außerberuflichen Immunität, so wie sie in den rechtlichen Grundlagen verankert ist. Nicht einmal Wortmeldungen wie die des Abgeordneten Stadler werden mich diesbezüglich in meiner Überzeugung erschüttern können.

Aber wenn Stadler hier am Rednerpult sagt, der Bombenterror sei politisch schamlos instrumentalisiert worden, dann muß ich sagen, das hat eine einzige Partei getan, nämlich die Freiheitliche Partei, und insbesondere der Abgeordnete Stadler. Es hat bis zum heurigen Frühjahr acht Anfragen betreffend die Kollegin Stoisits gegeben, die selber eine Briefbombe bekommen hat, in denen sie in den Dunstkreis dieses Verbrechens gerückt wird. Das ist von derselben Abstrusität und Impertinenz, so wie Sie gestern den Abgeordneten Marizzi auf einmal zum Kopf der Russenmafia und zum Auftraggeber von Morden gemacht haben und heute offenbar den Ex-Bundeskanzler Vranitzky. Das ist von derselben Abstrusität! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ganz offenbar kommen diese Ihre Verdächtigungen aber – und das scheint wieder kein Zufall zu sein – im Zusammenhang mit Menschen, Österreicherinnen und Österreichern, die einen ausländischen Namen haben. Und da, Herr Kollege Stadler, haben wir immer gesagt – und bei dieser meiner Behauptung, die ich auch in diesem Haus mehrmals gesagt habe, bleibe ich, weil sie den Tatsachen entspricht –: Niemand macht irgend jemand von der Freiheitlichen Partei den Vorwurf einer direkten Beteiligung an diesem Delikt. "An anderen Delikten" kann ich jedenfalls seit dem Abgeordneten Rosenstingl nicht mehr sagen.

Es macht Ihnen auch niemand den Vorwurf, dieses Verbrechen in irgendeiner Form gutzuheißen oder gutgeheißen zu haben, aber ich mache Ihnen den Vorwurf, daß Sie mit Ihren permanenten Thesen der Ausländerfeindlichkeit, des Heraufbeschwörens irgendwelcher dunkler Machinationen, sogar im Bereich von Repräsentantinnen und Repräsentanten des politischen Systems, sehr wohl den Boden aufbereitet haben, damit sich als Spitze des Eisberges solche, vermutlich schwer gestörte Täter entwickeln können, weil hier offenbar die Schranke, bis zu der das Unrechtsbewußtsein reicht, sehr stark herabgesetzt worden ist. Eine politische Verantwortung oder Mitverantwortung kann man Ihnen in diesem Fall tatsächlich nicht abnehmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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120. Sitzung / Seite 96

15.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

15.19

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich jenen mein Mitgefühl aussprechen, die von dieser Terrorserie getroffen wurden, den Freunden und Verwandten, die durch diese schreckliche Tat ihnen nahestehende Menschen verloren haben und heute noch unter dieser Tat leiden, wie auch den Eltern und Verwandten von Franz Fuchs, die schwere Zeiten durchmachen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen immer wieder daran erinnern, daß Menschen sterben mußten oder schwer verletzt wurden, wenn wir dieses Thema diskutieren. Dahinter steckt Ewiggestriges, verbunden mit Intoleranz und Menschenverachtung, wie Frau Abgeordnete Petrovic vorhin schon gesagt hat. Ich kann die Ausführungen von Frau Abgeordneter Petrovic nur unterstreichen.

Ich möchte mich ebenso wie meine Vorredner bei der österreichischen Exekutive, bei den österreichischen Justizbehörden, den Gutachterinnen und Gutachtern bedanken, die die Verhaftung des Franz Fuchs möglich gemacht haben, im besonderen bei den Leibnitzer Gendarmeriebeamten, die als erste damit befaßt worden sind – einer wurde sogar verletzt. Dank aber auch an die österreichische Bevölkerung, die in den letzten Jahren, als unsere Republik von dieser unglaublich schrecklichen Terrorserie heimgesucht wurde, den Glauben an die Sicherheit in unserem Lande nicht verloren hat.

Franz Fuchs hat letztlich ein Ziel erreicht: Er geht – wie auch immer – in die Geschichte dieser Republik ein, zumindest in die Kriminalgeschichte, wenn ihm die Täterschaft nachgewiesen werden kann. Da dieser Mann aus meiner Region stammt, möchte ich mich im besonderen mit der Person Franz Fuchs beschäftigen.

Es wurde viel spekuliert, wer solch hinterhältiger und gemeiner verbrecherischer Taten fähig ist. Die Indizienkette deutet darauf hin, wie Herr Bundesminister Schlögl in seiner Rede gesagt hat, daß Franz Fuchs der Täter ist. Die Gerichte werden das prüfen und letztendlich auch beurteilen.

Wer ist dieser Mann Franz Fuchs? Welche Beweggründe hatte er? – Der Tatverdächtige Franz Fuchs wird als intelligent, hochbegabt, perfektionistisch veranlagt und mit einem rigiden, aber falschen Gerechtigkeitssinn versehen beschrieben. Er wollte Atomphysiker werden und hatte sicherlich eine gewisse Begabung dafür. Es sollte aber anders kommen. Seine Wünsche und Vorstellungen waren wohl immer etwas überhöht, und die Realität war für ihn vermutlich desillusionierend. Die Ansprüche an sich und an die anderen wurden immer höher und führten zu Frustrationen, was ihn letztlich zu dem Menschen machte, der er jetzt ist, wie psychologische Gutachten belegen.

Ein Schulfreund von Franz Fuchs aus meiner Stadt schreibt, daß er schon in der Schule als versponnener Denker und Eigenbrötler galt. Er sagt, alles, was von ihm kam, war irgendwie skurril. Mit seinem Wissen wollte er Prüfer übertrumpfen und war von Rechthaberei geprägt, wie Professor Zeder im "Falter" geschrieben hat. Der hochbegabte Leistungsfanatiker verbummelte nach der Matura seine berufliche Zukunft, er kapselte sich von der Umwelt ab und zimmerte sich seine eigene Welt, geprägt von Haß und pseudohistorischem Wissen. Je weiter er weg war von seiner Umwelt, desto verdammenswerter schien ihm das Glück der Mittelmäßigen, um wieder den Schulfreund zu zitieren. – Dies ist sicherlich nur der Versuch einer Erklärung, des Verstehens von Außenstehenden.

Jemand, der psychische Defizite aufweist, kann durch aufgebaute Feindbilder ein persönliches Bessergehen erfahren, stellen Psychiater fest. Uns sollte das zu denken geben. Franz Fuchs hat sicher psychische Defizite, aber darüber hinaus glaubt er auch an eine fremdenfeindliche, rassistische Ideologie: eine Ideologie, die in Österreich nichts verloren hat, weil sie auf Feindbildern beruht.

An diesem Punkt stelle ich fest, daß in der aktuellen Politik bedauerlicherweise sehr oft mit Feindbildern gearbeitet wird. Achten wir auf die Sprache, die manche in diesem Hause verwenden. Ist es nicht oft eine Sprache der Feindbilder, der Ausgrenzung und der Vereinfachung: hier die Tüchtigen, dort die Faulen? Vor allem nach der gestrigen Debatte, aber auch nach dem


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120. Sitzung / Seite 97

Beginn der Debatte zum diesem Tagesordnungspunkt frage ich mich, ob die Signale, die wir aus der Politik aussenden, nicht Feindbilder gesellschaftsfähig machen. (Abg. Böhacker: Lesen Sie Ihre Rede nach!)

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Ich wünsche mir, daß diese Alltagsfeindbilder bald keinen Platz mehr haben (Abg. Ing. Nußbaumer: Sie haben das Feindbild!), und ich wünsche mir, daß wir in diesem Hohen Haus damit beginnen, heute und jetzt. – Das an die Fraktion von Herrn Stadler! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Tichy-Schreder. )

15.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

15.25

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Zu meiner Vorrednerin, Frau Parfuss, bezüglich der Worte, die hier im Parlament fallen. Ich möchte Ihnen folgendes sagen: Sie glauben immer wieder, wenn Sie nur das richtige Wort verwenden, dann wird sich auch die Welt verändern. – Verändern Sie sich selbst einmal, dann wird sich auch die Welt verändern, und dann werden sich auch die Worte ändern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn was gestern bei dieser Diskussion hervorgekommen ist (Abg. Dr. Stippel: Von Ihrer Seite!) aus diesem Sumpf von der sozialdemokratischen Seite, den Sie "Biotop" nennen, das ist es, was zu verurteilen ist, aber nicht die Worte – auch nicht die harten Worte –, die man im Zusammenhang damit gebraucht. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.) Vieles an Mißständen auch von Ihrer Seite, das gestern hier aufgezeigt worden ist, ist nur mit sehr deftigen Worten zu bezeichnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte wieder zurückkommen auf den Bericht des Innenministers. Es hat sich herausgestellt, daß diejenigen, die eine Schuldzuweisung in eine bestimmte Richtung im Zusammenhang mit den Briefbombenattentaten machen wollten, sehr schlechte Verlierer sind. Und dazu gehört Frau Petrovic. Denn in einer ungewohnt stockenden Rede hat sie ihre Enttäuschung darüber kaum verbergen können, daß man die FPÖ nicht beschmutzen konnte im Zusammenhang mit den Briefbombenattentaten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie hat im Zuge ihrer Enttäuschung sogar völlig vergessen, was es da nicht alles für Verdächtigungen und Verunglimpfungen gegeben hat, als noch nicht festgestanden ist, daß es ein Spinner war, der diese Briefbomben gebastelt hat. Wenn Frau Petrovic sich völlig distanzieren möchte, dann muß ich ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen und sie daran erinnern, was nicht alles in ihrer Fraktion gegen uns an Schuldzuweisungen getätigt worden ist. Beispielsweise sagte Frau Petrovic im Dezember 1993 in Richtung FPÖ, daß sich derjenige, der mit dazu beiträgt, daß es zu solchen Gewaltanwendungen kommt, daß Bomben verschickt werden, aus der Verantwortung nicht freikaufen kann – und damit meinte sie eindeutig die FPÖ.

Frau Stoisits sagte, die geistige Urheberschaft der Briefbomben ist in der FPÖ und ihr nahestehenden Kreisen zu suchen. – Das stellte die Immigrationssprecherin Stoisits am 5. Oktober 1994 fest. Frau Stoistis sagte weiters, noch viel gravierender und in einer wirklich sehr häßlichen Sprache, die sie sonst immer anprangert und auszumerzen versucht, im Oktober 1994: Jetzt wagt sich der braune Bodensatz der Gesellschaft wieder aus den Löchern heraus, ermutigt von jenen, die es auf der großen politischen Bühne vormachen, und versucht, mit allen Mitteln Angst und Schrecken gegen jene zu verbreiten, die in diesem Land für Menschlichkeit eintreten.

Das sind die Grünen, das sind diejenigen, die ununterbrochen rufen, daß sich die verbale Auseinandersetzung verbessern soll! Das sind diejenigen, die ununterbrochen Diffamierungen in Richtung Freiheitliche gemacht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es waren nicht nur die Grünen. Auch Herr Cap hat im Juni 1995 gesagt: Der rechtsextremistisch-fremdenfeindliche Hintergrund des Briefbombenterrors ist bei der FPÖ zu suchen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Leikam hat gesagt, kein Sozialdemokrat hat


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die Freiheitlichen in die Nähe der rechtsextremistischen Bombenleger gebracht. – Das stimmt überhaupt nicht. Hiermit ist es widerlegt.

Natürlich sind Sie heute enttäuscht, daß es nicht die Freiheitlichen waren, daß es nicht den Freiheitlichen nahestehende Kreise waren, die die Briefbombenattentate verübt haben. Wie gesagt: Es war ein Spinner, der sich offensichtlich durch nichts und niemanden zurückhalten hätte lassen. Das müssen Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen, und Sie müßten sich eigentlich entschuldigen, Herr Cap, Frau Stoistis, Frau Petrovic. Bitte haben Sie doch endlich einmal die Größe und entschuldigen Sie sich bei den Freiheitlichen für Ihre Ungeheuerlichkeiten in der Vergangenheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie haben den Bericht vorgelegt, und ich sehe auch ein, warum: Sie freuen sich, daß es gelungen ist, eine wirklich ganz entsetzliche Serie von strafbaren Handlungen aufzuklären.

Ich bin froh darüber – auch im Interesse unserer Exekutive –, daß eine so gute Leistung erbracht worden ist. Aber, Herr Minister, wir dürfen trotzdem nicht vergessen, was im Hintergrund beziehungsweise als Begleiterscheinung alles vorgefallen ist. Pannen, Mißstände sind aufgedeckt und völlig falsche politische Vermutungen angestellt worden.

Zum Beispiel sagt der Schießsachverständige Wieser, viele Spuren seien vernichtet oder nicht zum richtigen Zeitpunkt aufbereitet oder nicht richtig gewürdigt worden. Ich kann mich erinnern: In Oberwart hat man großartig gesagt, es gibt Fingerabdrücke, die auf den Täter hinweisen. Dann hat sich herausgestellt, daß der einzige Fingerabdruck, der vorhanden war, von dem erhebenden Gendarmeriebeamten stammte. So etwas darf natürlich nicht passieren.

Ein anderer Sachverständiger sagt: Am Beginn der Fahndung standen wir vor denkbar schlechten Voraussetzungen. Es gab überhaupt keine Computer, es gab überhaupt keine Geräte, um die Elektronik der Bomben zu überprüfen und zu analysieren. Mit jedem neuen Briefbombenfall, sagt der Sachverständige, wurden die Unzulänglichkeiten deutlicher.

Die Exekutive hat nicht einmal die Minimalerfordernisse zur Verfügung gehabt, um in einer solchen Causa zu ermitteln. Ich meine, daß man sich das schon vor Augen halten muß. Ich weiß, der Vorwurf ist Ihnen gegenüber, Herr Minister, nicht sehr gerecht, weil Sie damals noch in einer anderen politischen Funktion waren, aber man muß einmal aufzeigen, daß wir für solche Fälle gerüstet sein müssen. Wir dürfen nicht damit zufrieden sein, wenn wir auf dem Stand der Technik sind, den wir für die aktuelle Kriminalität gerade brauchen, sondern wir müssen auch ein bißchen vorausdenken. Das ist im Bereich der inneren Sicherheit ungeheuer wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister, da ist etwas, was nicht nur die Vergangenheit betrifft, sondern auch die Gegenwart: Das ungeheure Konkurrenzdenken der einzelnen Organisationen, der Sondergruppen und Sonderkommissionen, die es in Ihrem Ministerium gibt, hat bei der Aufklärung der Briefbombenattentate wirklich großen Schaden angerichtet. Zum Beispiel bei der Rohrbombe in Klagenfurt: Bis endlich die richtigen Beamten mit den entsprechenden Fachkenntnissen am Tatort eingetroffen sind, sind zwei Tage vergangen, weil die Sicherheitsdirektion Klagenfurt nicht wollte, daß Spezialisten aus Wien anreisen. Die örtlichen Polizeibehörden haben sich auch dagegen gewehrt. Und dieses Konkurrenzdenken gibt es nach wie vor.

Es gibt ja auch diese Kommissionen, die einzelnen Untergruppen, die bei jeder Gelegenheit gebildet werden – kaum taucht ein neues Problem auf, bilden Sie schon wieder eine Gruppe, eine eigene Kommission –, von denen natürlich jede Erfolge verbuchen will. Im Zuge dessen kommt es zu einer ungeheuren Konkurrenz. Eine Gruppe weiß nicht, was die andere macht, es herrscht Informationsmangel. Ich glaube, Sie müssen wirklich darauf schauen, daß da Ordnung herrscht, daß es zu einem Informationsfluß kommt, weil sonst können Sie samt Ihren vielen Gruppen und Untergruppen einpacken, sehr geehrter Herr Minister. Ich meine wirklich, daß das in der Realität immer noch eine sehr große Rolle spielt.


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Ich möchte aber auch ein paar Worte zum politischen Hintergrund sagen. Herr Minister, ich bin der Meinung, es muß in Zukunft verhindert werden, daß solche Dinge passieren, wie sie in der Briefbomben-Causa passiert sind, daß beispielsweise ein Täterprofil, das unter Umständen zur Ausforschung des Täters geführt hätte, ganz einfach ein Jahr lang in der Schreibtischlade gelegen ist, weil der zuständige Minister aus politischen Gründen gesagt hat, das darf nicht veröffentlicht werden. Sonst wäre ja das politische Ziel, die FPÖ in die Nähe der Rechtsextremisten beziehungsweise der Briefbombenattentate zu bringen, gescheitert! Da muß Vorsorge getroffen werden.

Ich möchte wieder einen Sachverständigen zitieren, der gesagt hat, es ist wirklich eine kriminalistische "Spitzenleistung", daß das Täterprofil in einem Buch veröffentlicht werden mußte, obwohl es bereits in einer Schreibtischlade im Ministerium gelegen ist. Ich meine, da müßten auch Ihre Spitzenbeamten das Rückgrat haben, in einem solchen Fall, in dem es eindeutig um eine gesetzwidrige Weisung geht, zu sagen, nein, einen solchen Auftrag führen sie nicht aus. – Das ist unbedingt notwendig im Interesse der Sicherheit. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kier: Die sind ja pragmatisiert, die Spitzenbeamten! Die müssen sich nicht fürchten!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um noch einmal denjenigen, die heute Erinnerungslücken haben, auf die Sprünge zu helfen, möchte ich sagen, daß Herr Generaldirektor Sika selbst gesagt hat, er sei dazu verpflichtet worden, erstens das Täterprofil nicht zu veröffentlichen und zweitens in eine bestimmte Richtung zu ermitteln. Herr Generaldirektor Sika hat gesagt: Hätte ich im Jahr 1994 gesagt, es waren keine Neonazis, dann hätte man mich auf einer Laterne aufgehängt. – Da sieht man, mit welcher Absicht dieses ganze Verfahren geführt worden ist.

Ich komme zum Schluß. Ich bitte all jene, die die FPÖ ununterbrochen verdächtigt haben, sich heute zu entschuldigen. Sie sollten die Größe haben, an das Rednerpult zu treten und zu sagen, daß alle Verdächtigungen, die die FPÖ in die Nähe des Briefbombenterrors gerückt haben, haltlos waren, und wir entschuldigen uns dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Platter. – Bitte.

15.36

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Viele Monate, sogar Jahre hielt der Briefbombenterror die Bürger unseres Landes in Atem. Heute, meine Damen und Herren, können wir Entwarnung geben, und zwar deshalb, weil die Ermittlungen der Sicherheitsbeamten zu dieser schrecklichsten Attentatsserie der Zweiten Republik abgeschlossen sind und heute die Vollanzeige an das Gericht erstattet wurde. Wie einige Kolleginnen und Kollegen vor mir möchte ich als ÖVP-Bundesbetreuer der Exekutive natürlich allen Sicherheitsbeamten, aber auch den Bundesheerexperten für ihre Arbeit recht herzlich danken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Im Rahmen dieser heutigen Debatte möchte ich auf drei Punkte zu sprechen kommen, die mir diskussionswürdig erscheinen. Zum ersten: moderne Ermittlungsmethoden, Rasterfahndung. Wenn auch diese modernen Ermittlungsmethoden, die Rasterfahndung, nicht unmittelbar ausschlaggebend für den Erfolg der Exekutive waren, so ist es mittlerweile unumstritten – und das hat heute auch der Herr Minister gesagt –, daß die Beschlußfassung über diese neuen Ermittlungsmethoden beim mutmaßlichen Bombenattentäter Verunsicherung hervorgerufen hat, was zu Fehlern und letztendlich zu seiner Verhaftung geführt hat.

Es gab, wenn ich mich zurückerinnere, zum Bereich moderne Ermittlungsmethoden viel Kritik, es gab viel Polemik, und dadurch wurde wertvolle Zeit verloren, die zur Verzögerung bei der Einführung der modernen Ermittlungsmethoden geführt hat. Wäre es nach der ÖVP gegangen, dann hätte es eine wesentlich frühere Beschlußfassung gegeben, und es wäre nicht zu dieser Verzögerung gekommen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum zweiten Punkt: versuchte politische Zuordnung des Bombenattentäters. Ich kann mich an einige Debatten hier im Hohen Haus erinnern, in denen geradezu verzweifelt versucht wurde, die Attentatsserie als politischen Terror zu sehen und darüber hinaus einem extremen Eck zuzu


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ordnen. Ich bin wirklich froh darüber, daß sich das nicht bewahrheitet hat. Die Politik hat sich mit diesem entwürdigenden Scharmützel der politischen Zuordnung zweifellos keinen guten Dienst erwiesen.

Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung, die durch Hinweise ebenfalls zur Festnahme des Bombenattentäters beigetragen hat, hat für solche Auseinandersetzungen, wie das heute auch hier teilweise der Fall war, überhaupt nichts übrig. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich möchte mit aller Klarheit hier sagen, daß die ÖVP in dieser traurigen Kriminalgeschichte nie versucht hat, zu polemisieren. Wir haben gesagt: Laßt die Exekutive ermitteln, laßt die Exekutive untersuchen und ordentlich arbeiten, fernab jeder politischen Polemisierung, fernab jeder politischen Zuordnung! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Gerade die heutige Debatte, meine Damen und Herren, hat gezeigt, daß wir, die ÖVP, zu Recht für uns in Anspruch nehmen, bei sicherheitspolitischen Themen objektiv, sachlich zu arbeiten und gute Argumente einzubringen.

Meine Damen und Herren! Zum letzten Punkt: Einzeltäterschaft. Wir haben in den letzten Monaten schon immer vermutet, daß es sich bei dem mutmaßlichen Attentäter um einen Einzeltäter handelt. Diese Vermutung hat sich nun aufgrund der Ermittlungen der Exekutive ebenfalls bestätigt.

Der frühere Bundesminister Dr. Einem hat sich aber durch seine einseitige Vorgangsweise in dieser Angelegenheit keine Lorbeeren verdient. (Abg. Mag. Schweitzer: Bravo!) Daß es zur Festnahme dieses Einzeltäters Fuchs gekommen ist, ist sicher in keinster Weise ein Verdienst beziehungsweise den Vorarbeiten des Ministers Einem zuzurechnen. Er hat die Sache verschleppt. Er hat die Sache aufgrund seiner einseitigen Ermittlungen in Richtung Gruppentäterschaft zweifelsfrei verschleppt. Das ist seine politische Verantwortung. Konsequenzen wurden bereits gezogen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend: Wir alle sind froh darüber, daß diese schreckliche Straftat aufgeklärt werden konnte. Ich glaube aber, daß der Verbrechensvorbeugung und der Verbrechensbekämpfung noch ein größerer Stellenwert in unserem Lande beigemessen werden soll; durch personelle Weichenstellung, indem man eine Prioritätenverschiebung zum Kriminaldienst machen sollte, außerdem durch zusätzliche Ausrüstung im Kriminaldienst, wobei festzustellen ist, daß in den letzten Monaten einiges geschehen ist, und vor allem durch permanente, intensive Schulung der Sicherheitskräfte soll der Verbrechensvorbeugung und -bekämpfung ein besonderer Stellenwert beigemessen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Minister! Das ist Ihr und das ist unser Auftrag im Interesse der Sicherheit unseres Landes. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Gut!)

15.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum hat der Einem verschleppt? – Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.)

15.42

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab ein paar interessante Überlegungen, die wir im Rahmen der Diskussion gehört haben. Ich möchte mich wieder dem Bericht des Herrn Bundesministers zuwenden und ein paar Teilaspekte beleuchten.

Zum Aspekt Einzeltäterschaft: Ich halte es schon für wichtig, daß das nicht dogmatisch gesehen wird. Ich bitte Sie zu berücksichtigen, daß sich, nachdem Herr Fuchs in Haft genommen wurde, in Graz schon auch noch, wenn auch von einer anderen Typologie, eine nicht unbemerkenswerte Briefbombe eingefunden hat, von der wir wissen – nach den Berichten, die wir gelesen haben –, daß ihre potentielle Gefährlichkeit wesentlich größer gewesen wäre, wenn sie explodiert wäre, als die der früheren Briefbombenserien. Das bedeutet, daß das Problem an sich


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nicht zur Gänze erledigt ist, auch wenn vielleicht die Serie, die mit Herrn Fuchs im Zusammenhang steht, jetzt durch seine Verhaftung gebrochen ist. Ich sehe auch keine Querverbindungen zwischen diesen beiden Briefbombentypen. Aber das heißt, das Phänomen für sich ist nicht zur Gänze erledigt.

Manchmal habe ich das Gefühl, daß die Öffentlichkeit glaubt, weil Herr Franz Fuchs in Haft sitzt, weil eine Vollanzeige existiert, weil die Anklage bevorsteht, sei Bombengewalt in Zukunft nicht mehr möglich. Daher meine ich, daß diese Einzeltätertheorie ihre Schattenseite hat, daß sie irreführende Schlußfolgerungen erlaubt. Ganz abgesehen davon bin ich mir nicht ganz so sicher, ob man tatsächlich all das, was letztlich mit Herrn Fuchs verbunden wird, auch tatsächlich physisch allein leisten kann. Aber das ist eine andere Sache, und das ist eine Frage der Beweiswürdigung möglicherweise im Rahmen des Strafverfahrens.

Ein weiterer Aspekt, der mir wichtig zu sein scheint: Herr Bundesminister! Diesbezüglich verknüpfe ich auch Ihren Bericht mit der Wortmeldung der Kollegin Partik-Pablé. Zur Motivlage haben Sie Aussagen getroffen. Sie haben zur Motivlage ausgeführt, in den Vernehmungen sei herausgearbeitet worden, daß es der Zweck der Bekennerschreiben war, unter der Bevölkerung Angst zu schüren. Der Hintergrund der Anschläge dürften Minderheiten und Fremdenfeindlichkeit sowie Deutschtümelei und Ablehnung staatlicher Institutionen gewesen sein. Jetzt frage ich Sie, Herr Bundesminister: Wie beschreibt man solche Positionen, wenn man sie in eine Typologie einreiht?

Die Tatsache, daß Herr Fuchs offenbar ein nicht organisierter Mensch ist, sich also nicht in Organisationen betätigt hat, ändert nichts daran, daß er ziemlich klare politische Positionen hatte – wenn auch überdies noch dazu als wirrer Mensch. Das macht im übrigen die Sache erst gefährlich und lebensbedrohlich, denn merkwürdige Positionen haben viele Menschen, die deswegen noch nicht unbedingt gewaltbereit sind. Dieser Unterschied ist mir wichtig.

Ich meine, das wird wohl auch etwas sein, was im Rahmen des gerichtlichen Strafverfahrens, das öffentlich sein wird, in der Folge dann auch herauszuarbeiten sein wird, damit manches, was heute mit Entrüstung zurückgewiesen wird, auf den harten Kern zurückgeführt wird, nämlich daß es um bestimmte politische Positionen geht, die Herr Fuchs mit völlig untauglichen und auch strafrechtswidrigen Mitteln durchzusetzen versucht hat, wobei er sich vielleicht von einer bestimmten Strömung getragen oder geborgen gefühlt haben mag. Diese Milieufrage ist nachhaltig nicht vom Tisch. Da braucht man nicht nach Sachsen-Anhalt zu schauen.

Zur Rasterfahndung: Das ist der eigentliche Grund, warum ich mich zu Wort gemeldet habe. Herr Bundesminister! Sie sind entweder Ihrer Beamtenschaft aufgesessen, oder es wird versucht, retrograd zu argumentieren. Denn so, wie Sie die Rasterfahndung in Ihrem Bericht geschildert haben, nämlich als das Instrument, das Erfolg bringen hätte sollen, hätte sie in der notwendigen Zeit gar nicht stattfinden können. (Bundesminister Mag. Schlögl spricht mit einem Beamten aus seinem Ressort.) – Dr. Heindl lenkt Sie ab, Herr Bundesminister! Er darf das schon, sofern er Ihnen Unterlagen zu meinem Debattenbeitrag bringt.

Zur schulischen Ausbildung als Merkmal für die Rasterfahndung: Nach welchen Methoden, aus welchen Quellen und aus welchen Datenbanken mit systematischer Zugriffsmöglichkeit hätten Sie die Maturanten oder den speziellen Ausbildungsstand im Fachbereich Elektronik herausgefiltert? Aus welchen Datenbanken und nach welchen Systemen kann dieses Merkmal rasterfähig zur Verfügung gestellt werden? – Individuelle Kenntnisse im Bereich der anorganischen Chemie – ist dieses Merkmal, das über die männliche Bevölkerung im Alter zwischen 35 und 60 Jahren verfügbar ist, rastertauglich? Ja oder nein? – Da habe ich meine Zweifel.

Oder die Tatsache, daß man in einem Beschäftigungsverhältnis auf Werkvertragsbasis stehen kann, ist, mit Verlaub gesagt, überhaupt etwas geradezu Humoristisches. Sie wissen, wie intensiv wir diskutieren, was Werkverträge sind und was nicht. Gemeint wird wohl sein – im Verständnis des Herrn Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit Sika, dessen Handschrift ich erkenne – ein Mensch, der in keinem fixen, ihn zeitlich stark in Anspruch nehmenden Beschäfti


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gungsverhältnis steht. – Aber das heißt nicht Werkvertragsbasis, oder ist Ihnen die Semantik in der Rede mißlungen? – Das akzeptiere ich, das ist gekauft.

Dann sagen Sie mir aber folgendes: In welchen Datenbanken finden Sie Namen von Menschen, auf die das Merkmal zutrifft, daß sie nachhaltig nicht in einem ordentlichen, sie zeitlich stark bindenden Beschäftigungsverhältnis stehen – und zwar rastertauglich, datenkompatibel und überhaupt erst einmal erfaßt, ohne daß nicht schon bei der Erfassung Datenschutzbestimmungen verletzt wurden?

Daher ist das, was Ihnen sozusagen in diesem Bericht durch die Damen und Herren Ihres Hauses an Argumenten mitgegeben wurde, letztverantwortlich der Herr Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, ein "Argumentationstürke", denn so hätte das gar nicht laufen können. Es sei denn – aber das schließe ich annähernd aus –, Sie haben zu irgendeinem Zeitpunkt begonnen, all diese Daten in irgendwelchen Datenbanken zu sammeln, von denen niemand etwas weiß. Aber das schließe ich aus.

Daher meine ich, daß bestenfalls die These übrigbleiben kann – bestenfalls –, daß der Täter subjektiv irrend über die Möglichkeiten einer Rasterfahndung – subjektiv irrend – nervös war. Bestenfalls! Aber eine beschleunigte Einführung der Rasterfahndung hätte Sie konkret um keinen Schritt weitergebracht – es sei denn, all das, was wir im Rahmen der Debatte zur Einführung der Rasterfahndung über die Schonung der Intimsphäre et cetera gehört haben, war frei erfunden; und das glaube ich auch wieder nicht.

Daher ist der eigentliche Skandal dieses Redebeitrags, daß es einen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit gibt, der einer der Beamten ist, die sich gefürchtet haben. Wir haben das heute schon ein paarmal gehört: Die Beamten haben sich so vor Ihnen, vor Ihrem Amtsvorgänger und vor Ihrem Amtsvorvorgänger gefürchtet, daher konnten sie nicht machen, was sie wollten. Einer dieser pragmatisierten Beamten, dieser unkündbaren Beamten, die sich gefürchtet haben, hat einen "Türken" gebaut. So jemand, so meine ich, sollte sich irgendwann einmal dafür öffentlich rechtfertigen müssen, denn ich habe es satt, immer durch den Mund des Ministers Sachen zu hören, die ihm andere schreiben – logischerweise –, die aber nicht einmal einen halben Tag einer objektiven Überprüfung standhalten.

Denn wenn Sie das irgendwelchen Leuten zeigen, die sich noch mehr mit Daten befassen als ich als Mitglied des Datenschutzrates, dann lachen diese nicht einmal über dieses Argument. Das ist so unseriös, daß es Angst macht. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

15.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

15.51

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist heute schon sehr viel zum gegenständlichen Thema gesagt worden, es ist auch darüber gesprochen worden, daß sowohl seitens der Polizeibehörden als auch seitens der Justizbehörden mit höchster Effizienz vorgegangen worden ist.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit das Augenmerk vielleicht noch auf die Frage richten – jetzt gibt es gerade die Gehaltsdiskussion innerhalb der Richterschaft –, daß man den Einzelfall betrachten muß, und zwar daß ein einzelner Richter, nämlich etwa Rat Nauta, einen enormen Arbeitseinsatz gezeigt hat, daß er weit über das Ausmaß hinaus, das üblicherweise der Fall ist, tätig war, daß er eine Unzahl von Akten durchgearbeitet hat, daß er zwei Ordner, wie man vorgestern im Fernsehen sehen konnte, an Befragungen zusammengestellt hat und daß er nunmehr seinen Akt abgeschlossen hat, der außerordentlich umfassend und komplex ist und der wahrscheinlich die bestmögliche Aufbereitung gewährleistet.

Wir haben daher im Rahmen der derzeitigen Gehaltsdiskussion diese Aspekte mit in Betracht zu ziehen und die Frage zu stellen, ob derartige Leistungen durch das normale Gehaltsschema


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auch tatsächlich abgegolten werden, wenn die Höhe des Einstiegsgehalts – Rat Nauta hat ungefähr das Einstiegsgehalt – in der Höhe von 20 000 S netto liegt. Soweit zum Sachlichen.

In bezug auf die sonstigen Diskussionsbeiträge, insbesondere auf die mehrfachen Aufforderungen seitens der Freiheitlichen Partei, Entschuldigungen für ungeheures Leid, das Ihnen zugefügt worden wäre, auszusprechen, muß ich mich ein bißchen wundern und Ihnen in Anlehnung an Kollegen Kier in Erinnerung rufen, daß das, was Herr Fuchs an Gedankenwelt in diversen Briefen von sich gegeben hat, von der Einordnung in ein Spektrum von Ideologie her nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher am ehesten in Ihrem Spektrum unterzubringen ist, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Fremdenhaß, manifestiert durch diverse Volksbegehren, Ausgrenzungen und Radikalisierungen in der Form, wie sie der Diktion des Herrn Fuchs zugrunde liegt, meine Damen und Herren, können Sie keiner anderen Partei dieses Hauses zuordnen als der Ihren. Wer die gestrige Debatte verfolgt hat, konnte erleben, daß eine unglaubliche Entgleisung und Demütigung Ihrer eigenen Fraktion passierte, meine Damen und Herren!

Ich gehe davon aus, daß Sie sich selbst gegenüber einen gewissen Anstand erheben. Heute hat Kollege Stadler wieder einen Rundumschlag gemacht, der mich bedenklich gestimmt hat, weil ich nicht mehr weiß, welches Bewußtsein Kollegen Stadler derzeit noch lenkt. Wenn er sich herstellt und den Mord der Russenmafia mit Exkanzler Vranitzky in Zusammenhang bringt, dann muß ich sagen: Das ist das Unverschämteste, das ist das Armseligste, das dieses Land und dieses Haus seit langem gehört hat! Dagegen verwahren wir uns! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, daß der größte Skandal dieses Hauses seit seinem Bestand (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) – Sie haben immer schlechte Argumente bei der Hand, meine Damen und Herren; das kennen wir, und da können Sie jetzt laut kreischen, aber das wird in der Sache nicht helfen – an Ihnen hängenbleibt, meine Damen und Herren!

Zur Lösung, die gestern am Abend gefunden worden ist: Ich muß Ihnen ehrlich sagen, das erschüttert mich abermals, weil es an die Grenzen der Belastbarkeit und an die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit geht. Was tun Sie? – Sie sagen, es soll eine persönliche Haftung eines einzelnen Abgeordneten geben, damit die Schäden in Zukunft verhindert werden. Das ist grotesk, denn wenn Sie einen Bankrotteur haben, der nichts hat, dann nützt Ihnen diese persönliche Haftung auch nichts. Diese Argumentation geht total in den Nebel und vorbei an jeglicher Vorkehrung.

Meine Damen und Herren! Sie sagten – das ist der Succus, das ist das, was herauskommt –: Wir, die FPÖ, sind nicht in der Lage zu sagen, daß die Personen, die im Hohen Haus für uns agieren, die auch sonst politisch tätig sind, so anständig sind, daß sie nicht auch das machen, was jetzt von Rosenstingl getan worden ist, und daher müssen wir sie an die Kandare nehmen, daher beschneiden wir das freie Mandat, meine Damen und Herren – das ist der Skandal –, weil wir nicht glauben, daß die von uns im Haus sitzenden Personen tatsächlich anständig sind. Daher werden sie verpflichtet, Erklärungen abzugeben, daher wird das freie Mandat unterminiert. – Das ist nicht nur verfassungs- und rechtswidrig, sondern ein Skandal und spricht für Ihre Haltung, meine Damen und Herren! Sie sollten sich für diesen Vorschlag schämen! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Liberalen Forums. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich komme zum Schluß. Es tut mir leid, daß wir bei dieser Gelegenheit wieder das aufkochen mußten, was Sie an Undemokratie geleistet haben und wie Sie Ihr Demokratieverständnis definieren. Ich meine nur folgendes: Es kann nicht angehen, derartige Aspekte einreißen zu lassen. Wir alle sind aufgefordert, dagegen anzutreten, denn das, was Sie tun wollen, hat etwas damit zu tun, was wir nicht mehr wollen, was wir einmal erlebt haben und was wir bekämpfen werden. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

15.57


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

15.57

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Dobar dan, gospodin Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe seit Dezember 1993, als ich selbstverständlich ungewollt mit dem Briefbombenterror in Österreich in Verbindung gekommen bin, mehr Kontakt mit österreichischen Sicherheitsbehörden gehabt, als ich mein gesamtes Leben je vorher gehabt habe und als ich hoffentlich jemals in meinem Leben wieder haben werde. (Zwischenruf des Abg. Dr. Löschnak. ) – Nein, aber, Herr ehemaliger Bundesminister, keine Bürgerin hat gerne Kontakt mit der Polizei (Abg. Leikam: Warum? Ich habe kein Problem mit der Polizei!), und zwar deshalb, weil man, wenn man mit der Polizei Kontakt hat, entweder von der Polizei verdächtigt wird oder weil man als möglicherweise Betroffene eines Vergehens oder Verbrechens Auskunft zu geben hat. – Ich sage das jetzt so untechnisch, weil ich es von meinem Gefühl her erkläre.

Ich hatte nicht gerne Kontakt mit den Herren der EBT und der Sonderkommission, aber nicht deshalb, weil ich die Herren nicht schätze – eine Dame ist mir nie untergekommen –, sondern weil das ganze Drumherum unangenehm für mich war. Mein Umfeld war jahrelang bestimmt und ist in gewisser Hinsicht immer noch bestimmt von Angst, von Unsicherheit und von Fragen: Was ist? Wann passiert wieder etwas? Wem passiert wieder etwas? Warum – das ist für mich auch bis heute eine wesentliche Frage – ich? Warum Mitglieder meines Freundeskreises, meiner Familie, die in Angst und Schrecken versetzt werden? Warum ich – das hat der Herr Bundesminister heute in seinen Äußerungen gesagt – als eine Person aus einem Kreis von Menschen, die sich – unter Betrachtung aller, die damit in Zusammenhang gekommen sind und gebracht wurden – auszeichnen durch ein bestimmtes – ich sage es jetzt einmal so – staatsbürgerliches und dann auch im engsten Sinne politisches Engagement?

Für mich ist diese Phase der Beunruhigung und der Unsicherheit, Herr Bundesminister, noch nicht zu Ende. Sie wird vielleicht dann zu Ende sein können, wenn der jetzt mutmaßliche Tatverdächtige rechtskräftig verurteilt ist. Und natürlich – das sage ich auch aus dem Bauch heraus – wäre mir am liebsten, er würde zugeben, er ist der Täter, dann könnten wir ihn als Täter bezeichnen, und er wäre nicht mehr nur der mutmaßliche Täter.

Das wäre ein Ergebnis, das sehr viel Unsicherheit und Angst wegnähme. Ich bin zwar auf der einen Seite über den Bericht, den Sie uns heute geliefert haben, erfreut, denn er beinhaltet auch Passagen, die aus Ihrer Sicht durchaus selbstkritisch sind, was die Ermittlungstätigkeiten, die Aufklärungsarbeit der Sicherheitsbehörden betrifft. Das war durchaus selbstkritisch. Ich habe selbst miterlebt, welche Fehler beziehungsweise Probleme es gegeben hat, und ich bin, weil ich es miterlebt habe, mit dem Ergebnis, das Sie jetzt mit dieser Vollanzeige liefern, insofern zufrieden, als jetzt eine bestimmte Art von Beunruhigung nicht mehr so gegeben ist wie vorher.

Herr Bundesminister! Was ich aber auf der anderen Seite sehr vermißt habe, was Ihnen noch freisteht nachzuholen, ist es, jene, die in der Debatte genau das getan haben, was sie schon jahrelang beziehungsweise seit Oktober letzten Jahres erst recht und besonders tun, nämlich von Spinnern zu sprechen, wie Frau Kollegin Partik-Pablé, die einen mutmaßlichen Täter mit der Bezeichnung "Spinner" abtut und daraus überhaupt keine Rückschlüsse zieht, aufzuklären. Das ist eigentlich das, was ich mir hier von Ihnen in Ihrer Erklärung erwartet hätte, und zwar auf diese Hintergründe, auf dieses Klima und auf diese Situation einzugehen, warum es zu einem Kriminalfall wie diesem, der Österreich jahrelang beschäftigt hat und noch immer beschäftigt, kommen konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn heute – von der Freiheitlichen Partei erwarte ich es auch gar nicht; ich bin schon so geläutert, daß ich weiß, daß von ihr keine sachlichen Beiträge zu erwarten sind – immer wieder davon gesprochen wird, daß es Menschen gibt, die sich zu entschuldigen hätten, dann wüßte ich schon jemanden, der sich wirklich zu entschuldigen hätte, nämlich der Parteiobmann der Freiheitlichen Partei, der, nachdem vier Menschen in Oberwart gestorben sind, ganz genau gewußt hat, daß das nichts mit Waffenschieberei oder mit


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Suchtgiftdelikten zu tun hatte und daß es keine Fehde gewesen ist. Er ist der allereinzige, der im Laufe dieser Jahre einen konkreten Tatverdacht und Beschuldigungen ausgesprochen hat. (Abg. Mag. Schweitzer: Terezija! Terezija!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den Kollegen Schweitzer brauche ich gar nicht einzugehen, denn wer Friedhofsschänder in seinem Freundeskreis hat, möge hier schweigen und nicht Zwischenrufe brüllen. (Abg. Mag. Schweitzer: Kollegin Stoisits! Wer hat denn am 8. Februar Schuldzuweisungen gemacht?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir ganz genau angeschaut, was ich in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Briefbombenterror in Österreich gesagt habe (Abg. Mag. Schweitzer: Am 8. Februar 1995! Das kannst du nachlesen im Protokoll!) , mit welchem geistigen Umfeld und welcher geistigen Urheberschaft. Alles, was ich gesagt habe, würde ich heute wörtlich , genau wortwörtlich, wiederholen. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist es, was uns noch weiter beschäftigen wird, sollte es zu einer Verurteilung – das haben unabhängige Gerichte zu entscheiden – von Franz Fuchs kommen, der heute als mutmaßlicher Täter zu bezeichnen ist. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Mag. Schweitzer und Öllinger. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob es jetzt ein Täter war, ob Fuchs Helfer hatte oder nicht, wissen wir nicht. Sie, Herr Minister, haben gesagt: Sie wissen es nicht, möglich ist alles. – Ich wünsche mir, er hätte keine gehabt. Nichts würde ich mir sehnlicher wünschen, als daß er keine gehabt hat und daß er wirklich ein Einzeltäter war und ist – egal, ob er jetzt Franz Fuchs oder anders heißt.

Aber Tatsache ist, daß sich dieses Land in den letzten Jahren verändert hat. Das ist es, was uns zu beschäftigen hat. Das Klima und die Situation, in der wir heute alle – vor allem als Politiker und Politikerinnen – anders dastehen als damals, das ist es, was für uns alle in Zukunft ein Thema bleiben wird und bleiben sollte.

Deshalb meine ich auch, daß das nicht der letzte Bericht gewesen ist, den uns der Herr Bundesminister zum Thema Briefbomben-Causa hier geben wird; vielleicht zu diesen konkreten Fällen, aber nicht im Zusammenhang mit der Tatsache, daß es – jetzt spreche ich mit den Worten des Herrn Klubobmannes Stadler – "Trittbrettfahrer", "Desinformanten" und "Denunzianten" gibt – und ich verwende diese Begriffe nicht so, wie er sie gemeint hat, sondern so, wie sie tatsächlich zu verstehen sind –, und das erlebe ich auch mehr oder minder tagtäglich, wenn ich meine Post öffne. Das ist ein Sachverhalt, den der mutmaßliche Attentäter Franz Fuchs mit verursacht hat, daß sich nämlich Schleusen geöffnet haben und daß es heute nichts Besonderes mehr ist, wenn man Politikern, Politikerinnen, Bürgern, Bürgerinnen, Aktivisten und Aktivistinnen von Menschenrechtsbewegungen Briefe schreibt, in denen man ihnen eindeutig die Meinung sagt.

Das müssen nicht Rechtsextreme mit Glatze sein, so wie es Frau Kollegin Petrovic beschrieb. Ganz "rechtschaffene Bürger" schreiben uns Briefe und sagen uns eindeutig ihre Meinung. Das ist etwas, was sich in den letzten Jahren verändert hat. Diese Schleuse ist geöffnet worden. Da gibt es ganz eindeutig Verantwortliche, die ein gewisses geistiges Klima schaffen, es begünstigen und das nach wie vor tun. Die heutige Debatte ist ja der allerbeste Beweis dafür. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Herren von der Sonderkommission, den Herren von der EBT, aber auch den Herren von der Staatspolizei (Abg. Leikam: Damen sind auch dabei!) und vor allem jenen, die nicht nur mich, sondern auch andere Personen im Laufe dieser Jahre unterstützt haben, so zum Beispiel der Gendarmerie und der Polizei, die nicht nur mir, sondern auch sehr vielen anderen Personenschutz gegeben haben, aber auch der Sicherheitsdirektion in Wien gebührt Dank, denn sie haben einen Beitrag dazu geleistet, daß auf der einen Seite eine gewisse persönliche Verunsicherung gemindert werden konnte und daß es auf der anderen Seite zu einem Fahndungserfolg gekommen ist.

Meine Hochachtung gilt selbstverständlich auch Herrn Dr. Nauta, den ich kennenzulernen Gelegenheit hatte. Das Gespräch mit ihm ist für mich sehr aufschlußreich gewesen. Es hat gezeigt,


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daß er in seiner Arbeit seinen Untersuchungen und Überlegungen ein sehr breites Spektrum zugrunde gelegt hat, um den Schlüssel für diese Verbrechensserie zu finden.

Es ist mir daher ein Anliegen, Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Bundesminister, folgendes zu sagen: Die Illusion, die Sie jetzt in Österreich im Zusammenhang mit der Rasterfahndung aufbauen, kann ich Ihnen irgendwie nicht verübeln, auch nicht, daß Sie uns dies so präsentieren wollen, aber alle Fakten, die heute hier auch schon von Frau Dr. Petrovic, aber vor allem vom Kollegen Kier geschildert wurden, sprechen wirklich dagegen, daß man jetzt im nachhinein, wenn man schon durch Zufall, Glück, aber auch durch beständiges Beharren auf einer Linie, die man entwickelt hat – wie Sie es ausgedrückt haben –, einen Erfolg aufzuweisen hat, diesen Erfolg selbst gleich relativiert, indem man versucht, ein grundrechtsproblematisches Instrument noch einmal hervorzuheben.

Herr Bundesminister, das haben Sie angesichts der Tatsache, daß die Arbeit der Sicherheitsbehörden mit dem heutigen Tag beendet ist, eigentlich gar nicht notwendig. Ich meine, daß diese Debatte jetzt von Ihnen in einer gewissen Weise geradezu mißbräuchlich verwendet wurde, denn ich sehe dazu angesichts eines Tages, der ein durchaus positiver Tag für Sie ist, keine Veranlassung. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier. )

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Franz Lafer. – Bitte.

16.10

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Jarolim, wir sind es ja schon aus den letzten Sitzungen des Plenums von Ihnen gewohnt, wie Sie mit Ihren Haßtiraden gegen die Freiheitlichen vorgehen. Wenn Sie hier behaupten, Franz Fuchs wäre mit seiner Ideologie im Spektrum der Freiheitlichen unterzubringen, so schaut Ihnen das ähnlich beziehungsweise sind Sie mit Ihren Behauptungen auch lückenlos den Caps und Konsorten zuzuordnen, was andhand des Protokolls vom 8. Februar 1995 nachvollziehbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Cap sagte damals an die Adresse der Freiheitlichen Partei gerichtet: "Gewalt hat kein ideologisches Mascherl. Ich meine, wenn man eine solche Politik verfolgt, dann muß man sich auch die Kritik gefallen lassen, daß man der wahre Destabilisierer ist." 

Oder ein weiteres Zitat: "Der wahre, geistige Wegbereiter sitzt in Ihren Reihen, und Sie müssen überdenken, ob Sie diesen Weg mitgehen wollen." – Zitatende.

Herr Kollege Leikam, das ist auf Sie bezogen, weil Sie vorhin gesagt haben, daß Sie und Ihre Fraktion noch nie etwas Derartiges behauptet hätten, daß Sie die Freiheitliche Partei nie mit solchen Dingen angeschüttet hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Das war nicht im Zusammenhang mit der Briefbomben-Causa! Das war nicht diese Diskussion! Nichts in die Schuhe schieben!)

Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte diese Debatte in zwei Komponenten unterteilen, und zwar in eine sachliche und in eine politische Komponente. Die sachliche Komponente ist jene, daß es der Exekutive gelungen ist, eines Täters habhaft zu werden, der Gewaltverbrechen verübt hat, wie sie schon lange nicht mehr in Österreich vorgekommen sind. In diesem Zusammenhang gilt der besondere Dank all jenen, die wirklich mit größter Motivation daran gearbeitet haben, daß es zur Verhaftung von Franz Fuchs gekommen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese strafbaren Handlungen haben aber auch dazu geführt, daß die Exekutive mit jenen technischen Mitteln ausgestattet wurde, die sie bis jetzt nicht zur Verfügung hatte. Gerade bei den Ermittlungen in der Briefbomben-Causa waren diese unbedingt nötig, und heute ist der Standard zumindest in dieser Hinsicht so hoch, daß man hier wirklich etwas tun kann.

Herr Bundesminister! Die Zeit ist jedoch reif dafür, daß die Exekutive mit wesentlich mehr technischen Mitteln ausgestattet sein müßte, und ich hoffe, daß Sie das auch weiterhin vorantreiben,


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damit dies eben in Zukunft der Fall ist. Muß erst immer etwas passieren, damit die Exekutive mit den entsprechenden technischen Hilfsmitteln ausgestattet wird?

Die zweite Komponente ist die politische. Meine Kollegin Frau Dr. Partik-Pablé hat schon angeführt, daß es in bezug auf das Täterprofil zu einer Schubladisierung gekommen ist, das heißt, Ihr Vorgänger als Innenminister, Caspar Einem, hat aus politischen Gründen dieses Täterprofil in seinem Schreibtisch versperrt. Ich bewundere auch Herrn Kollegen Platter, wenn er seine Kritik an den ehemaligen Innenminister Einem richtet und sagt, daß das alles in dessen Schuld liege.

Auch die Tatsache, daß zum Beispiel Paul Kiss noch am 6. Oktober 1997 folgendes gesagt hat, ist bemerkenswert – ich zitiere –:

Er, nämlich Caspar Einem, hat die alleinige Verantwortung dafür, daß der mutmaßliche Briefbombenattentäter nicht schon früher gefaßt werden konnte. Mehr als eineinhalb Jahre hat Einem das vollkommen richtige Täterprofil aus politischen Gründen unterdrückt und schubladisiert, weil die Schlußfolgerungen dieses Täterprofils nicht in seine politischen Absichten paßten. Einem hat daher die alleinige Schuld dafür, daß der nunmehr gefaßte mutmaßliche Täter jahrelang unbehelligt weiterarbeiten konnte. – Zitatende.

Das "Faszinierende" dabei ist aber, daß, wenn von den Freiheitlichen ein Antrag eingebracht wird, damit der ehemalige Innenminister Einem auf seine politische Verantwortung überprüft werden möge, dagegen gestimmt wird. Das ist das Bedauerliche an dieser ganzen Aussage. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Es sind natürlich auch enorme Kosten mit der Briefbomben-Causa verbunden. Ich weiß schon, was Sie mir antworten werden, denn ich habe Sie schon im Innenausschuß gefragt, wie hoch man diese Kosten überhaupt beziffern muß, die zur Aufklärung dieser strafbaren Handlungen nötig waren. In der politischen Verantwortung wird auch zu suchen sein, welche Kosten alleine dadurch entstanden sind, daß dieses Täterprofil ein Jahr lang überhaupt versperrt und nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Das ist Geld der Steuerzahler, mit dem wirklich sorglos umgegangen worden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister, ich fordere Sie auf, uns hier zu erklären, ob Sie diese Kosten beziffern können, in welcher Höhe sie sich bewegen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.15

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! In der gestrigen "Zeit im Bild 2" hat ein gewisser Herr Jürgen Roth – offensichtlich in der Absicht der Hebung der Auflage seines soeben erschienenen Buches – eine sehr lockere Bemerkung gemacht, derzufolge es einen Dienst gegeben hätte, den Herr Bundeskanzler a. D. Vranitzky einem Repräsentanten der Ostmafia in Österreich erwiesen hätte. Er hat sich hiebei locker auf sein eigenes Buch bezogen.

Ich habe dieses Buch nunmehr durchgesehen und finde darin die zitierte Passage. Ich darf sie dem Hohen Haus wörtlich vortragen: "Andererseits hat der" – und jetzt kommt der genannte angebliche Repräsentant – ",Admiral‘ in der Alpenrepublik beste Beziehungen." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Das ist nicht das Thema! Ruf zur Sache! – Abg. Leikam: Und was hat der Stadler gemacht?)

Ich zitiere weiter: "Daher ist es eigentlich verwunderlich, daß diese nichts nutzten, als er um die österreichische Staatsbürgerschaft ansuchte." – Also so gut können die Beziehungen dann nicht gewesen sein.


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Und weiters: "Da liegt im Archiv seines Unternehmens" – nämlich des Unternehmens dieses Repräsentanten (Abg. Dr. Jarolim  – in Richtung der Freiheitlichen –: Sie haben selbst die Diskussion eröffnet! Sie brauchen sich nicht zu beschweren!)  – "ein Brief an Franz Vranitzky ..." – Also nicht Vranitzky hat diesen Brief geschrieben, sondern dieser "Knabe" hat einen Brief an den damaligen Bundeskanzler der Republik gerichtet.

In diesem Brief heißt es: "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Der Ministerrat der Republik Kasachstan empfiehlt sich Ihnen bestens und möchte noch einmal die Gelegenheit nützen, um Ihnen seine Zufriedenheit betreffend Ihres so ergiebigen Besuches in der Republik Kasachstan im April dieses Jahres auszusprechen." (Abg. Aumayr: Gehört das zu den Briefbomben?)

Ich zitiere weiter: "Dem Schreiben nach ging es um die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs. Dabei wurde auch über die ,Heranziehung der österreichischen Exportkreditlinie‘ für Kasachstan gesprochen." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Zur Sache!)  – Entsprechende Verträge wurden auch abgeschlossen.

Zitat: "Und nun ,hält der Ministerrat von Kasachstan die Heranziehung der österreichischen Exportkreditlinien für Kasachstan für zweckmäßig und ersucht Sie um Unterstützung dieses Programmes. Hochachtungsvoll S. Abischew, Stellvertretender Premierminister der Republik Kasachstan.‘" (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hat mit Briefbomben überhaupt nichts zu tun!)

Das ist alles, meine sehr geehrten Damen und Herren! Daraus einen Skandal zu machen, ist in zweifacher Hinsicht sehr vordergründig: Es ist erstens einmal vordergründig, um eben die Auflage des eigenen soeben erschienenen Buches zu steigern, und zweitens ist das ein sehr vordergründiges – auf Grund der Umstände verständliches – Ablenkungsmanöver der FPÖ. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ich sage Ihnen folgendes: Wenn Sie sonst schon keinen Anstand haben, dann bringen Sie diesen Anstand zumindest gegenüber einem ehemaligen Bundeskanzler dieser Republik auf, der zehn Jahre lang hervorragende Leistungen für dieses Land erbracht hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mehrfach von einer Fraktion der "Ruf zur Sache" verlangt worden. Es ist unter meinem Vorgänger als vorsitzführendem Präsidenten – ich habe hier das Protokoll vor mir – minutenlang zu dieser Frage über die gestrige "Zeit im Bild 2", über angebliche Mafia-Kontakte gesprochen worden. Es entspräche nicht meiner Vorstellung der Handhabung der Geschäftsordnung, daß jemand, nur weil er einer Fraktion angehört, zu diesem Thema Stellung nehmen darf, dann aber eine Stellungnahme einer anderen Fraktion zum gleichen Thema untersagt werden soll. So wird die Geschäftsordnung in diesem Haus nicht gehandhabt werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)  – Ich ersuche: kein Beifall bitte, denn das sind Entscheidungen des Präsidiums. Da bedarf es keines Beifalles und keiner Kritik.

Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter außer Dienst und nunmehr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte. (Heiterkeit.)

16.20

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch zu einigen Fragen, die unmittelbar die Causa betreffen, Stellung nehmen.

Frau Abgeordnete Petrovic hat mich gefragt, wieso ich heute diesen Bericht abgegeben habe. Ich bin sehr dankbar dafür, daß die Antwort darauf eigentlich schon Frau Abgeordnete Stoisits in sehr eindrucksvoller Weise gegeben hat.

Ich möchte noch einmal betonen – es erscheint mir wichtig, daß das hier klar gesagt wird –: Es gilt für Herrn Franz Fuchs selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Mein Bericht hat aus


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schließlich dazu gedient, dem Parlament darzulegen, wie die Arbeit der Exekutive zur Lösung dieses doch sehr entscheidenden Falles in der Zweiten Republik geartet ist, was von der Exekutive in den letzten Monaten an Indizien und Fahndungsmaterial gesammelt wurde und wie der derzeitige Stand der Ermittlungen ist.

Dieser Bericht ist auch deshalb notwendig und wichtig, weil er den Abschluß der polizeilichen Ermittlungen in der Causa Bombenattentate in Österreich zwischen 1993 und 1996 darlegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch in Richtung der Frau Abgeordneten Petrovic ein klares Wort: Ich habe nie behauptet, daß der Täter nicht rechtsradikale Thesen vertritt. Ich habe nur gesagt, daß ursprünglich ausschließlich in der Rechtsradikalenszene ermittelt wurde, und das hat sich als falsch erwiesen. Ich habe in meiner Rede aber auch sehr klar dargelegt, daß die Motive, die dahinterstecken, eindeutig in Richtung Fremdenhaß, in Richtung Minderheitenfeindlichkeit gehen, eine gegenüber der Demokratie sehr feindliche Einstellung zeigen.

Ich glaube, man sollte folgendes klar sagen: Es gibt keinen parteipolitischen Hintergrund, es gibt aber sehr wohl einen klaren gesellschaftspolitischen Hintergrund. Der Täter hatte – auch wenn die Unschuldsvermutung gilt und er als vermutlicher Täter zu bezeichnen ist – mit seinen Taten klare politische Absichten.

Mir ist es auch wichtig – das möchte ich auch deutlich sagen –, daß dann, wenn dieser Fall vom Gericht rechtskräftig abgeschlossen sein sollte, diejenigen, die dazu beigetragen haben, daß wir auf die Spur des Täters gekommen sind, die entsprechende Belohnung erhalten.

Zum Schluß: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte das, was Herr Abgeordneter Kier und auch Frau Abgeordnete Stoisits gesagt haben, für völlig richtig. Ich bin kein Illusionist, der glaubt, daß die Rasterfahndung ein Allheilmittel ist, und ich bin auch nicht der Meinung, daß sie das ausschließliche Fahndungsmittel der österreichischen Exekutive sein soll. Ich gehe sogar so weit zu sagen, daß ich mir nicht einmal sicher bin, ob wir bis zum Jahr 2001 – bis zu diesem Zeitpunkt hat die Exekutive nach dem Willen des Parlaments die Möglichkeit, dieses Fahndungsinstrument einzusetzen – überhaupt einmal in die Situation kommen werden – ich hoffe sogar, daß es nicht der Fall sein wird –, dieses Mittel einzusetzen. Aber gerade im Fall der Briefbomben wäre die Rasterfahndung ein geeignetes Mittel gewesen.

Wie ich in meinem Darstellungsbericht bereits gesagt habe, hätten wir mit der Rasterfahndung bei der Fahndung nach dem Briefbombenattentäter eine berechtigte Chance gehabt, durch die notwendigen konventionellen Fahndungsmittel und durch neue Fahndungsmittel in Verbindung mit der Rasterfahndung, auf den mutmaßlichen Täter Franz Fuchs zu kommen.

Aufgrund der Wasseranalysen konnten wir die Zahl der Gerichtsbezirke Österreichs, in denen der mögliche Täter zu finden ist, auf sieben einschränken. Somit wäre die Meldekartei für uns ein wesentliches Mittel gewesen. Ein zweiter wichtiger Punkt wäre die Ausbildung gewesen, und in diesem Zusammenhang hätten wir gehofft, von den Universitäten entsprechende Datenträger zu bekommen. Schlußendlich hätten wir auch noch Daten aus dem Sozialversicherungsbereich oder aus anderen Bereichen bekommen können – das aber immer nur dann, wenn das Gericht, wenn die Staatsanwaltschaft zugestimmt hätte, was erst in Vorbereitung war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusammenfassend: Ich meine, daß es notwendig und wichtig war, dem Parlament als Vertreter des österreichischen Volkes, der österreichischen Bevölkerung einen Bericht über das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen in der Causa Franz Fuchs und den Abschluß der Ermittlungen über die Briefbomben- und Bombenattentate in Österreich abzuliefern, und ich hoffe, daß die Erkenntnisse, die die Polizei, die die Exekutive gesammelt hat, bei der Gerichtsverhandlung, die Ende dieses Jahres stattfinden wird, die entscheidende Grundlage für eine Klärung dieser fürchterlichen Attentate und für eine rechtskräftige Verurteilung sein werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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120. Sitzung / Seite 110

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer. – Bitte.

16.25

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Seit "Karl im Glück", so hat ihn Kollege Kiss bezeichnet, durch Zufall den mutmaßlichen Täter Fuchs präsentiert bekommen hat, werde ich das Gefühl nicht los, daß einige hier im Haus vertretene Kolleginnen und Kollegen irgendwie enttäuscht darüber sind, daß das Spiel, das mit dem seinerzeitigen Minister Einem so gut funktioniert hat, nicht mehr weitergespielt werden konnte. Er hat überall dort gesucht, wo nichts zu finden war! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Sie waren enttäuscht, daß es nicht mehr möglich war, Artikel zu produzieren, die eindeutige Schuldzuweisungen beinhaltet haben, Artikel und Sendungen zu produzieren, in denen immer wieder – einmal mehr, einmal weniger offensichtlich – Schuldzuweisungen vorgenommen wurden, und dann über den staatlich geführten Rundfunk zu verbreiten. Deshalb diese Enttäuschung, als das Schicksal Fuchs präsentiert hat und dem glücklichen Karl der mutmaßliche Täter in die Hände fiel.

Selbstverständlich hat sich der Arbeitskreis der sozialistischen Rechtsanwälte, der sozialistischen Juristen sofort zusammengesetzt, Herr Kollege Jarolim – er hat es vorgezogen, wieder hinauszugehen –, und zwar in der Anwaltskanzlei des Dr. Lansky, der ja in vielen Kreisen kein Unbekannter ist. Am 12. Juli 1997 – das Protokoll stammt vom 18. August – hat man sich zusammengesetzt – mit dabei war neben dem neuen Justizsprecher Jarolim auch Kollegin Hlavac – und darüber beraten, wie man die unabhängige Justiz ein bißchen sozialistisch unterwandern könnte, damit es in Zukunft wieder mehr Spielwiesen gibt.

Sie haben damals doch glatt unter dem Thema – und das sagt jetzt das Protokoll, Herr Kollege Jarolim – "Personalpolitik" überlegt, wie sich die Partei stärker in die unabhängige Justiz einbringen kann. Das ist wortwörtlich dem Protokoll zu entnehmen. Man hat darüber diskutiert ... (Abg. Schieder: Nein, das ist nicht wahr!) Kollege Schieder! (Abg. Schieder: Lesen Sie es wörtlich vor!)

Themengebiet ist Personalpolitik. Es heißt: Zu überlegen ist, wie sich die Partei noch mehr als bisher einbringen kann. (Abg. Schieder: Aber nicht in die unabhängige Justiz!)  – Es geht ja um die Justiz! (Ironische Heiterkeit des Redners. – Anhaltende Zwischenrufe.)

Herr Kollege Schieder! Bleiben wir beim Protokoll. Diskutiert wird eine Reform des Richterdienstgesetzes. Der Ansatzpunkt wären die Rechtspraktikanten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da ändern sie gleich das Gesetz!) Hier wäre ein vernünftigeres Auswahlverfahren zu treffen, um auch junge Genossinnen und Genossen zu ermutigen, in den Richterdienst einzutreten. (Abg. Schieder spricht mit einer Klubmitarbeiterin.)  – Herr Kollege Schieder, Sie wollten doch, daß ich zitiere, aber dann hören Sie doch auch zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht dabei eindeutig darum, junge Genossinnen und Genossen in der unabhängigen Justiz in Front zu bringen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.) Diskutiert wird auf Anregung von Gabriel Lansky darüber, wie es zum Beispiel passieren kann, daß im Medienrecht alle Instanzen blau besetzt sind, was in manchen Fällen auch nachweisbar ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wo ist der Anstand? Ihr wollt das Gesetz ändern, damit Sozialisten Richter werden! – Weitere Zwischenrufe.)

Und dann, Herr Kollege Jarolim – bitte, dieser Satz braucht Aufmerksamkeit, Kollegin –, wird die Idee geboren (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das Gesetz soll gleich geändert werden, damit GenossInnen Richter werden, das ist der Skandal!), eine rechtssoziologische Untersuchung durchzuführen, und zwar unter dem Titel: Richter und Parteibuch. Kollege Jarolim, Richter und Parteibuch! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.) Jarolim als Spitzel! – Eine neue Spielwiese für die Sozialisten soll eröffnet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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120. Sitzung / Seite 111

15. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1099 und Zu 1099 der Beilagen): Budgetbegleitgesetz 1998 (1161 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht und Antrag des Budgetausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (1162 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wird eine mündliche Berichterstattung gewünscht? – Das ist nicht der Fall, daher können wir sogleich in die Beratungen eingehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Böhacker: Herr Präsident! Bitte, 8 Minuten!)

16.31

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Eingangs möchte ich die von mir im Ausschuß bereits geäußerte Kritik wiederholen, nämlich daß mit diesem Budgetbegleitgesetz 1998 19 weitgehend voneinander unabhängige und unterschiedliche Gesetzesmaterien wie Kraut und Rüben durcheinandergewürfelt, völlig unstrukturiert eingebracht wurden; ein Sammelsurium an Gesetzesnovellen, wobei sich der Bogen vom ÖIAG-Anleihegesetz über Steuergesetze, das Familienlastenausgleichsgesetz bis hin zur Übernahme von Geschäftsanteilen der Graz Köflacher Eisenbahn GmbH spannt.

Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Diese Vorgangsweise ist absolut unerträglich und vor allem auch unfair! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Sie ist unfair gegenüber jenen positiven Oppositionskräften in diesem Haus, die sich ehrlich bemühen, auch bei der Behandlung von Regierungsvorlagen entsprechend mitzuarbeiten und Mitverantwortung tragen zu wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wiederhole meine Forderung immer wieder, nämlich daß Sie von der Bundesregierung künftig Ihre Regierungsvorlagen entsprechend strukturieren sollten, um auch der Opposition eine ordentliche Behandlung und Beschlußfassung zu ermöglichen.

Schwerpunkt – zumindest budgetär gesehen – dieser Regierungsvorlage ist das Familienpaket. Daß wir neuerlich über ein Familienpaket diskutieren müssen, zeigt uns deutlich, daß die Bundesregierung seit Jahren nicht in der Lage ist, eine familiengerechte Steuerpolitik zu betreiben. Ergebnis: 120 000 Familien sind an oder unter der Armutsgrenze. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) Frau Kollegin, 120 000 österreichische Familien! Täglich werden jene, die unter die Armutsgrenze fallen, mehr! Und die Verantwortung dafür tragen Sie von den Regierungsparteien! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: So hat der Rosenstingl auch immer gesprochen!)

Frau Kollegin! Darüber hinaus sei angemerkt, daß diese Regierungsvorlage zumindest im Jahr 1999 verfassungswidrig und ab dem Jahr 2000 zumindest verfassungsrechtlich bedenklich sein wird.

Sie haben uns im Ausschuß erklärt, es gebe eine positive Prüfung durch den Verfassungsdienst. Dazu muß ich sagen: Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Das sagt noch lange nicht, daß Verfassungskonformität gegeben ist. Zu oft mußte in den letzten Monaten und Jahren der Verfassungsgerichtshof korrigierend eingreifen – ich erinnere nur an die unsägliche Werkvertragsregelung, an die Mindestkörperschaftsteuer, wobei der Verfassungsgerichtshof immer wieder Gesetzesstellen aufgehoben hat, die der Verfassungsdienst noch mit einem verfassungsrechtlichen Persilschein ausgestattet hat.


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120. Sitzung / Seite 112

Wir Freiheitliche stellen diesem rot-schwarzen Flickwerk namens Familienpaket unser Familiensteuersplitting entgegen. Dies deshalb, weil unser Modell verfassungskonform und sozial gerecht ist. Es wirkt der Armutsgefährdung der österreichischen Familien entgegen, ist ohne größeren Verwaltungsaufwand administrierbar, frauenfreundlich und beruht – und das ist wesentlich – auf Freiwilligkeit. Niemand wird gezwungen, sich dem Familiensplitting zu unterwerfen, sondern das ist die Entscheidung des mündigen Bürgers! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist außerordentlich bedauerlich, daß sich diese Bundesregierung dann, wenn sich eine Oppositionspartei in konstruktiver Art Gedanken macht, nicht einmal ansatzweise bemüht, die freiheitlichen Vorschläge auch nur anzudiskutieren beziehungsweise in ein Gespräch darüber einzutreten.

Zusammenfassend sei zum Familienpaket festgestellt: Es besteht absolut kein Grund dafür, in eitler Freude über die Spendierlaune der Bundesregierung zu frohlocken. Das ist absolut nicht angebracht.

Josef Bruckmoser hat es in den "Salzburger Nachrichten" auf den Punkt gebracht – man kann daraus viel zitieren, aber der Schluß dieses Artikels ist besonders interessant –: "Wenn die Familien 1999 endlich wieder etwas mehr bekommen, dann ist das kein Geschenk, sondern nur gerecht: Gestohlenes Familiensilber wird zurückgegeben. Zu spät und ohnehin nur teilweise." – Das zum Bereich der Familiensteuerreform. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Ich möchte mich in aller Kürze auch noch mit zwei Bereichen der Steuergesetzgebung befassen, und zwar mit der Novelle des § 89 Einkommensteuergesetz, wodurch normiert wird, daß in Hinkunft alle Prüfungsergebnisse von Gebietskrankenkassen- und Lohnsteuerprüfungen automatisch ausgetauscht werden. Bisher war es so, daß dieses Verständigungsverfahren nur in Einzelfällen Platz gegriffen hat.

Man kann sagen: Das ist in Ordnung, warum auch nicht, warum sollen unehrliche Steuerzahler nicht überführt werden? – Nur folgendes, Herr Bundesminister: Man ist da auf dem halben Weg stehengeblieben. Ich fordere daher ein, daß man einen Schritt weitergeht. Weshalb bedarf es nach wie vor mehrerer Prüfungen lohnabhängiger Abgaben – Lohnsteuer, Sozialversicherung, Dienstgeberbeitrag, Kommunalsteuer et cetera? Viele, viele Prüfungen! Ein klassischer Prüfungsoverkill findet da statt! Warum geht man nicht her und veranlaßt eine Behörde, alle lohnabhängigen Abgaben zu prüfen?

Zweite Forderung: Alle lohnabhängigen Abgaben sind nur mehr an eine Stelle abzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Es gäbe viele Dinge, die man vereinfachen könnte! Selbstverständlich, Herr Kollege!

Drittens: Es wird unbedingt notwendig sein, den Bereich der Personalverrechnung endlich einmal so zu vereinfachen, wie es bereits seit Jahrzehnten von vielen, von allen Parteien hier in diesem Haus gefordert wird.

Zum zweiten Bereich: Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Es wird dabei von einer bewährten Praxis, die nun schon fast zehn Jahre Gültigkeit hat, abgegangen. War es bisher so, daß Umsatzsteuervoranmeldungen nur noch dann abgegeben werden mußten, wenn die Umsatzsteuer nicht in voller Höhe und nicht rechtzeitig einbezahlt wurde, dreht man den Spieß nun um und verpflichtet generell alle Unternehmer zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen, mit Ausnahme jener, für die der Finanzminister mittels Verordnung eine Ausnahme festlegt.

Besonders bedauerlich ist, daß in dieser Verordnung angeblich stehen soll, daß Jungunternehmer im ersten Jahr des Bestehens ihres Unternehmens von der Voranmeldungspflicht betroffen sein sollen – und das unter dem Titel der Gründeroffensive, der Jungunternehmerförderung. Damit führen Sie wieder Bürokratie ein, die sowohl für die Wirtschaft als auch für die Verwaltung enorme Kosten verursachen wird. Sie werden jedoch mit dieser Vorgangsweise die klassischen Umsatzsteuerbetrügereien nicht hintanhalten können.


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120. Sitzung / Seite 113

Meine Damen und Herren! Beim gegenständlichen Budgetbegleitgesetz 1998 wird die freiheitliche Fraktion dem Artikel II, Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, und der Erhöhung der Familienbeihilfe die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

16.39

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Anläßlich der ersten Lesung haben wir Sozialdemokraten bereits davon gesprochen, daß dieses Budget ein weiterer Schritt zu einem Quantensprung in der Familienförderung ist. Heute können wir mit Freude darauf verweisen, daß mit der Beschlußfassung dieses Familienpaketes, also der Budgetbegleitgesetze, tatsächlich dieser Quantensprung gemacht wird. Dieses Familienpaket ist nach der Steuerreform 1992 das größte Paket, das für österreichische Familien geschnürt worden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Anläßlich des Budget-Hearings im Parlament hat der Wifo-Experte Dr. Ewald Walterskirchen Kritik an diesem Paket geübt. Er hat aufgezeigt, daß Österreich schon vor dem Paket bei den Familienförderungen an zweiter Stelle hinter Frankreich lag und mit dem Familienpaket jetzt an erster Stelle landen wird. Er hat mit der Kritik verbunden gleichzeitig die Frage gestellt, ob wir uns diese Familienförderung überhaupt leisten können.

Meine Damen und Herren! Ich gehe als Familienpolitikerin davon aus, daß sich Österreich als drittreichstes Land diese Familienförderung leisten können muß. (Beifall der Abgeordneten Dr. Sonja Moser und Rauch-Kallat. ) Für die SPÖ stehen nämlich das Wohl und die Interessen der Kinder sowie die finanzielle Absicherung der Familien im Mittelpunkt der Politik. Es ist uns gelungen, die Leistungen für die Familien deutlich auszuweiten, ohne das geplante Budgetdefizit zu erhöhen, ohne neue Steuern einzuführen, ohne den Weg der Budgetkonsolidierung zu verlassen. Österreichs Familien werden mit dieser Reform im Jahre 2000 500 S pro Monat und Kind mehr erhalten, das sind im Jahr 6 000 S pro Kind.

Wir Sozialdemokraten – das möchte ich dezidiert erwähnen – haben immer aufgezeigt, unabhängig vom Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, daß eine Reform der Familienförderung notwendig ist, und zwar eine Reform, die insbesondere den Jungfamilien, den einkommensschwachen Familien und den Mehrkindfamilien mit niedrigem Einkommen zugute kommt, und das ist hiermit gelungen. Für die einkommensschwächsten Familien wird es eine zusätzliche Förderung von monatlich 400 S ab dem dritten Kind geben. Laut Berechnung von Experten kommen 120 000 Familien in den Genuß dieser Regelung. Der Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag wird zur Gänze – bis zu 5 000 S – in die Negativsteuerregelung miteinbezogen.

Mit diesen neuen Maßnahmen hat die Familienförderung erstmals eine deutliche soziale Komponente erhalten und ist damit sozial wesentlich ausgewogener geworden, aber auch treffsicherer, da die Familienbeihilfe für behinderte Kinder ebenfalls schrittweise bis zum Jahr 2000 von jetzt 1 650 S auf 1 800 S angehoben wird, um vor allem jenen Familien zu helfen, die diese Hilfe ganz besonders brauchen.

Ich räume ein, daß wir Sozialdemokraten uns eine noch stärkere soziale Ausgewogenheit, eine noch deutlichere soziale Differenzierung bei der Familienförderung gewünscht hätten. Das war aber unter den gegebenen Umständen leider nicht möglich. Da gebe ich dem Herrn Familienminister selbstverständlich recht in bezug auf die Feststellungen, die er heute in einer Presseaussendung traf: Nur unter schwierigen Umständen – gegen hinhaltenden Widerstand der ÖVP – konnten wir der ÖVP dieses Familienpaket abringen. – Da gebe ich ihm recht. (Beifall des Abg. Müller. ) Und auf dieses Ergebnis, das wir der ÖVP abringen konnten, sind wir stolz! (Beifall bei der SPÖ.)

Eines möchte ich schon sagen, Herr Familienminister: In Verhandlungen gehen bedeutet doch nicht, wie Sie das erwarten, daß man ein Paket vorlegt, und der Verhandlungspartner hat das zu schlucken. Verhandeln bedeutet, sich auf etwas zu einigen, aber nicht, ohne Wenn und Aber


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etwas hinzunehmen und sich damit zufriedenzugeben. Wir haben uns gegen Ihre Vorschläge gewehrt. Wir haben Widerstand geleistet, damit diese Reform nicht zu einer Reform für die Bestverdiener wird. Wir wollten keine Reform, mit der Reiche noch reicher werden. Wir wollten etwas für einkommensschwache Familien tun, wir wollten ein Mehr für einkommensschwache Familien, und das ist ja erreicht worden durch einen Mehrkindzuschlag ab dem dritten Kind und durch die Erhöhung der Negativsteuer.

Die SPÖ hat immer wieder betont, daß Familienpolitik nicht nur einen steuerlichen Aspekt hat, daß Kinder keinesfalls nur steuerliche Absetzposten sind, sondern daß Familienpolitik umfassend zu sehen ist, vor allem aber vor dem Hintergrund einer Verbesserung der Situation der Berufstätigen in diesem Land, einer Verbesserung der Situation der Alleinerzieherinnen. Daher werden zusätzlich seitens des Bundes – zusätzlich! – 600 Millionen Schilling als Zweckzuschuß für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt, und diese Summe werden die Länder verdoppeln.

Gleichzeitig haben sich die Koalitionspartner aber auch darauf geeinigt, daß nach Maßgabe der Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds eine Reihe wichtiger zusätzlicher Maßnahmen, wie sie ja Frau Ministerin Gehrer im Ausschuß erwähnt hat, ebenfalls zur Verbesserung der Situation der Berufstätigen gesetzt werden wird. Dazu zählen die Anhebung des Karenzgeldes, der Teilzeitbeihilfe, der Teilzeitkarenz, eine Anhebung des Zuschlages zum Karenzgeld, der Ausbau der Familienberatung, vor allem in Richtung einer Beratung für Wiedereinsteigerinnen in das Berufsleben, die Erhöhung der Mittel für den Familienhärteausgleichsfonds mit neuen Richtlinien für die Inanspruchnahme, Schüler- und Lehrlingsfreifahrten für jene mit Wohnsitz außerhalb des Heimatortes, die Heimfahrtbeihilfe schlicht gesagt, eine Verbesserung der Sondernotstandsregelung insbesondere für Alleinerzieherinnen sowie eine Verbesserung bei den Unterhaltsvorschußzahlungen. Ich bin sehr zuversichtlich, daß wir auch eine Lösung für diese Rahmenbedingungen finden werden.

Ich weiß, daß wir mit den Konsolidierungspaketen 1995 und 1996 Leistungen zurücknehmen mußten, damit der Familienlastenausgleichsfonds wieder schuldenfrei wird. Ich meine, das war ein wichtiger und auch notwendiger Schritt, denn hohe Defizite im Familienlastenausgleichsfonds müssen aus den allgemeinen Budgetmitteln abgedeckt werden. Dies würde schließlich nichts anderes als zusätzliche Belastungen für die Familien bedeuten. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, daß es mit den neuen familienpolitischen Maßnahmen und der deutlichen Ausweitung der Transferleistungen den Familien weiterhin ermöglicht wird, an der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung entsprechend teilzuhaben.

Wir brauchen aber eine Reform des Finanzierungsaufkommens beim Familienlastenausgleichsfonds, um die positive finanzielle Weiterentwicklung sicherstellen zu können. Und da beziehe ich mich wieder auf den Experten Walterskirchen, der sich die Einführung einer wertschöpfungsbezogenen Abgabe durchaus vorstellen kann, wie er im Ausschuß erwähnt hat.

Ich möchte aber Walterskirchen noch zu einem anderen Punkt heranziehen. Er hat beim Budget-Hearing im Ausschuß gesagt, besonders weh getan habe es, daß der Nationale Aktionsplan für Beschäftigung keinen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung für Eltern mit Kindern bis zum 6. Lebensjahr enthielt. Angesichts des Überschusses an Arbeitskräften – so Walterskirchen beim Budget-Hearing – wäre es sinnvoll, eine derartige Maßnahme für eine freiwillige Arbeitszeitverkürzung einzuführen. Ich schließe mich dieser Auffassung an, weil ich meine, daß wir weitere Reformschritte brauchen, um dem Wunsch, den viele junge Menschen haben, nämlich eine Familie zu gründen und gleichzeitig einen qualifizierten Beruf auszuüben, Rechnung tragen zu können. Dazu gehört der Rechtsanspruch auf Teilzeit bis zum 6. Lebensjahr des Kindes. Dazu gehört auch die Verlängerung der Behaltefrist nach der Karenz von vier auf 26 Wochen.

Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten werden daher weiterhin massiv dafür eintreten, daß diese Wünsche der Frauen und der Familien durch- und umgesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

16.49


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

16.49

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Mertel! Sie haben uns soeben gesagt, daß Sie den Familientransfer erhöhen, ohne die Steuern anzuheben. Das ist auf den ersten Blick schon richtig. Nur: Wenn die nominellen Steuereinnahmen aus der Lohnsteuer schneller steigen als die nominellen Einkommen, es also eine Progression gibt und Sie diese Progression nicht weitergeben im Rahmen einer Lohnsteuerreform, dann erhöhen Sie indirekt die Steuern. Also ich glaube, diese Aussage sollten Sie sich noch einmal überlegen. Sie ist schlicht und ergreifend nicht wahr.

Sie haben damit einen Teil der Lohnsteuerreform vorweggenommen, also letztlich auf eine Steuersenkung, die notwendig gewesen wäre, um das Steuerniveau vom Einkommen gleichzuhalten, verzichtet. Sie haben die Mittel dafür für den Familientransfer verwendet. Also ich meine, wir sollten die Dinge schon beim Namen nennen.

Das Budgetbegleitgesetz wird nicht die Zustimmung der Liberalen finden, sehr wohl aber das Studienförderungsgesetz. Daher konzentriere ich mich darauf, für Sie unsere Ablehnungsgründe zu untermauern.

Punkt eins: der Familientransfer. Ich freue mich sehr, daß der Herr Familienminister anwesend ist, weil es diesbezüglich offensichtlich unterschiedliche Auffassungen gibt. Die Familie ist für uns Liberale der privateste Teil des menschlichen Zusammenlebens, und wir wollen keinen Unterschied in Transfers und im Steuerrecht machen und bei der Art und Weise, wie die Bürger und Bürgerinnen in ihrer Familie zusammenleben. Wir halten ganz im Gegensatz zum hochverehrten Herrn Klubobmann Khol Kinder nicht für ein Geschenk an den Staat, wir meinen auch, daß die Kinder nicht uns gehören, sondern sich selbst gehören. (Abg. Dr. Khol: Wie kommen Sie auf "Geschenk an den Staat"?)  – Das ist eine Formulierung, die Sie einmal bei einer Familiendebatte gebraucht haben. Sie ist mir damals sehr bitter aufgestoßen, darum habe ich mich an sie erinnert.

Ich glaube, daß wir Eltern eine selbstverständliche Unterhaltsverpflichtung haben. So ist auch das liberale Transfermodell aufgebaut, das davon ausgeht, daß Eltern ihre Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern insoweit erfüllen, als sie in ihrem Nettoeinkommen stattfindet. Nur dann, wenn sie das nicht können, weil ihr Nettoeinkommen zu gering ist – wobei wir unter "Nettoeinkommen" selbstverständlich alle Einkommensarten verstehen –, hat der Staat Transferleistungen zu geben.

Herr Familienminister! Jetzt gebe ich schon zu, daß es eine Hilfe für viele Tausende Familien in Österreich ist, daß Sie die Familienbeihilfe erhöht haben. Das gebe ich schon zu. Aber ich weiß eigentlich nicht, warum der Martin Bartenstein für seine fünf Kinder und der Helmut Peter für seine zwei Kinder jetzt zusätzliche Familienbeihilfe bekommen. (Abg. Wabl: ... Steuererhöhungen! – Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser.  – Bundesminister Dr. Bartenstein: Früher hat es nur geheißen, Haselsteiner braucht das nicht!)  – Der Haselsteiner ist heute nicht da. Aber er wird auch nicht mehr da sein. Wie du weißt, ist er karenziert. Aber nehmen wir die drei Söhne des Haselsteiner, deine fünf Kinder und meine zwei Kinder. Da haben wir schon zehn österreichische Kinder, die mehr Familienbeihilfe bekommen und diese eigentlich nicht notwendig hätten.

Das heißt, Sie blähen in Ihrer Politik das Transfervolumen unnötigerweise auf. Und obwohl Sie selbst sagen, Sie wollen einen zielgerichteten Transfer, gehen Sie mit der Gießkanne darüber. Sie betreiben eine Politik, die gegen das gerichtet ist, was Sie selbst immer wieder sagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

In Ihrer Regierungserklärung, Frau Dr. Moser, steht zu lesen, Sie wollen zielgerichtete Transfers haben. Aber Sie machen hiermit eine Familiensteuerreform, die letztlich gießkannenartig zu einer Ausweitung des Transfers führt. Ich bin also froh darüber, daß es dem ... (Abg. Wabl:


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Nicht auf den reichen Papa bezogen, sondern aufs Kind bezogen!)  – Jawohl, aufs Kind bezogen. (Abg. Wabl: Nicht nach dem Einkommen!) Herr Wabl! Ich habe bereits bei meiner Bezugnahme auf das liberale Transfermodell klar ausgeführt, daß es hier um einen Unterhaltsanspruch des Kindes geht und nicht um Geld, das Eltern bekommen. (Abg. Rosemarie Bauer: Sie nehmen den Familien 17 Milliarden Schilling weg! – Zwischenruf der Abg. Rauch-Kallat. )  – Wir nehmen den Familien nicht 17 Milliarden Schilling weg, sondern wir haben ein Modell zur Diskussion gestellt, von dem wir meinen, daß es ganz konkret, Frau Rauch-Kallat, jenen hilft, die es notwendig haben, und nichts den Rauch-Kallats gibt, die es nicht notwendig haben! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie mich einen Schritt weitergehen: zur Wohnbevölkerung. Ich habe hier die Zahlen von Oberösterreich. Im Jahre 2011 – das ist gar nicht so fern – werden wir in Oberösterreich weniger unter 20jährige haben als über 60jährige. Im Jahre 2031 wird der nichtproduktive Teil der Bevölkerung unter 20 Jahre und über 60 Jahre 108 Prozent der produktiven Bevölkerung zwischen 20 Jahren und 60 Jahren ausmachen. Wir müssen uns also in dieser Republik entscheiden, wie wir die Altersversorgung und die Ausbildung weiter finanzieren wollen.

Wir als Liberale wollen alle Möglichkeiten freimachen, damit sich Familien aus eigenem Antrieb zu Kindern entschließen (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer ) , und da wird die direkte Familienförderung alleine zuwenig sein. Die Kinderbetreuung als Alternative ist in Österreich nur im staatlichen Teil ausgebildet. Die Bundesregierung hat 600 Millionen Schilling für die Ausweitung der Kinderbetreuungseinrichtungen eingesetzt. Sie wird noch einmal 600 Millionen Schilling einsetzen. Das ergibt 15 000 plus 15 000 – so habe ich es den Unterlagen entnommen –, also 30 000 Kinderbetreuungsplätze.

Meine Damen und Herren! Das löst aber das Problem nicht. Sie werden den Mut haben müssen, den Schritt zu machen, daß in der Kinderbetreuung auch private Alternativen gefördert werden. Ich darf Ihnen, Frau Bauer, eine ganz kleine Rechnung vorführen, die weit mehr als eine Milchmädchenrechnung ist. Sie ist die steuerliche Realität in diesem Lande. Nehmen Sie ein gut verdienendes Ehepaar, wo beide berufstätig sind, das vor der Frage steht, ob es sich für Kinder entscheiden soll oder nicht. Um 30 000 S Arbeitskosten pro Monat darstellen zu können, müssen sie 55 000 S brutto verdient haben. Das ist ein Grenzsteuersatz von etwas über 42 Prozent. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Die gibt es, Frau Dr. Mertel! Gott sei Dank gibt es Menschen, die gut verdienen, in diesem Land.

30 000 S Arbeitskosten bedeuten, sie können sich einen Bruttolohn von 15 000 S im Monat leisten, damit diese Haushaltsgehilfin, diese Familiengehilfin, die Bonne, wie immer wir sie nennen wollen, 11 000 S netto bekommt. Das heißt, sie müssen den fünffachen Bruttobetrag verdient haben, um der Person 11 000 S netto bezahlen zu können. Das ist ja skurril! Sie verhindern damit ja die private Kindervorsorge. Lösen wir uns doch davon, daß heute eine Hausangestellte oder ein männlicher Hausangestellter, wie auch immer, etwas Schlechtes sei, es ist eine Beschäftigung!

Gehen wir einen Schritt weiter: Wenn jetzt diese Hausgehilfin 15 000 S brutto verdient, dann betragen der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberbeitrag davon in der Sozialversicherung 40 Prozent, also 6 000 S, die Lohnsteuer macht rund 2 000 S aus, die Kommunalsteuer, FLAF et cetera noch einmal 1 000 S. Das heißt, aus diesen 30 000 S Arbeitskosten, 15 000 S Bruttolohn, 11 000 S Nettolohn entstehen für den Staat 9 000 S Mehreinnahmen an steuerlichen Leistungen, Sozialversicherung oder Steuern. War diese Frau oder dieser Mann vorher auch noch arbeitslos, hat sie oder er, sagen wir, nur 6 000 S Arbeitslosenunterstützung bekommen, dann macht die Einsparung bereits 15 000 S aus. Das ist genau ein monatlicher Bruttolohn.

Warum haben Sie also steuerlich nicht den Mut, zu sagen, daß die einkommensstarken Familien die Möglichkeit haben – beide selbstverständlich, halbe-halbe –, diese 15 000 S, die diese Kraft als Bruttolohn verdient, als einen Steuerfreibetrag zu nehmen? – Das macht bei einem Grenzsteuersatz von 50 Prozent erst 7 500 S Kosten für den Staat aus, und gespart haben Sie sich mindestens 9 000 S oder, wenn diese Frau oder dieser Mann arbeitslos war, 15 000 S.


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Damit können Sie privatwirtschaftlich Beschäftigung schaffen! Und damit können Sie eine junge Familie, in der beide gut verdienen, beide eine gute Ausbildung haben, entlasten, wo doch gerade heute die Frau unter dem Druck steht: Soll ich mich zur Mutterschaft entschließen oder nicht? Wie soll ich das bei meinem Beruf mit den Kindern machen? – Das sind privatwirtschaftliche Ansätze, wie wir das Problem lösen könnten. Ich bedauere, daß davon in Ihrem Familientransferpaket nichts zu entdecken ist.

Zweiter Punkt: die Umsatzsteuer. Das, was Sie 1990 abgeschafft haben, Herr Finanzminister ... (Der Redner wendet sich zur Regierungsbank.)  – Da ist er, Grüß Gott (Bundesminister Edlinger: Angenehm!) ; ich habe Sie zuerst dort drüben vermutet, darum war eine 360-Grad-Wendung notwendig. (Bundesminister Edlinger: Da müssen Sie aufpassen, daß Sie nicht im Kreis gehen!) Ja, das ist mir gerade passiert!

Das heißt konkret: Genau das, was im Jahre 1990 Ihr Vorgänger Lacina wegen bürokratischer Überbelastung der Unternehmungen abgeschafft hat, führen Sie jetzt wieder ein. Ob Ihnen das die verlorenen 7 Milliarden Schilling an Umsatzsteuer wieder bringt, ist etwas, was ich hinterfrage. Ich halte das für eine falsche Maßnahme.

Dritter und letzter Punkt: der Steuerfreibetrag für Lehrlinge. Irgendwo wird jetzt der Hund in der Pfanne verrückt! Zuerst verteuern Sie durch eine Summe staatlicher Maßnahmen, inklusive Kommunalsteuer auf Lehre et cetera, die Lehre derart, daß sich viele Lehrherren, viele Lehrbetriebe nicht mehr zur Lehrausbildung entschließen können. Und jetzt, weil das zu teuer geworden ist, kommen die Steuergeschenke. Ja haben Sie einmal darüber nachgedacht, ob es eine Möglichkeit gibt, die Lehre insgesamt in den Kosten zu entlasten, ein neues Modell der dualen Ausbildung zu finden, bei dem die Lehre als gleichberechtigte Säule in der sekundären Bildungsstufe neben der AHS und der BHS steht?

Entlasten Sie doch die Lehrbetriebe von Lehrlingsentschädigungen während einer Zeit, in der der Lehrling Schüler ist wie in der AHS und in der BHS! Ich habe noch nie gesehen, daß ein AHS-Schüler oder ein BHS-Schüler ein Entgelt bekommen hätte. Aber selbstverständlich muß er ein Entgelt bekommen, wenn er im Betrieb ist und dort einen gewissen Produktivitätsfaktor darstellt; gar keine Frage! Also er ist finanziell allemal noch wesentlich besser dran als der AHS- oder BHS-Schüler!

Haben Sie doch den Mut, in der Lehre zwischen Schulzeit und betrieblicher Zeit zu entkoppeln und im Zuge dieser Entkoppelung dann auch die Schulzeit potentiell zu verlängern! Gerade neue Lehrberufe, etwa in den neuen Technologien, bräuchten mehr Schulzeit, bräuchten eine wirkliche Dualität in einem neuen Berufsschulsystem! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bin davon überzeugt, daß diese Geschenkmaßnahmen viel kosten, aber relativ wenig bringen werden, weil sie kein Strukturproblem lösen. Sie haben im Jahre 1997 2 Milliarden Schilling ausgegeben, um 3 000 Lehrlinge zusätzlich unterzubringen. Ich habe mich schon einmal im Hohen Haus bei den Regierungsfraktionen dafür bedankt, daß sie diese Initiative gesetzt haben! Ich will jetzt auch nicht die Rechnung aufstellen, daß 3 000 Lehrlinge in Relation zu 2 Milliarden Schilling 700 000 S pro Lehrling ergeben – was ja ein skurriler Betrag ist! Es ist doch skurril, für einen einzigen Lehrplatz 700 000 S auszugeben!

Welche Maßnahmen könnten wir mit diesen finanziellen Mitteln setzen, wenn wir die duale Ausbildung wirklich auf neue Beine stellen und diesem großartigen Instrument der dualen Ausbildung in Österreich damit eine neue Basis schaffen würden?! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Das Budgetbegleitgesetz – und hier schließe ich an Kollegen Böhacker an – ist wie immer ein Gesetzesbeschluß mit 22 Inhalten. Ich halte dies nicht für eine sehr sinnvolle Form der Legislative. Was mich aber viel mehr schmerzt, ist, daß er gut gemeint ist, aber in vielen Dingen in die falsche Richtung geht. Wir werden ihn daher ablehnen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Der Haselsteiner hätte sicher besser geredet!)

17.00


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.00

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Hohes Haus! Der heutige Tag ist ein Tag der Freude für meine Partei. Mit dem Beschluß des Familienpakets wird eine langjährige Forderung der Österreichischen Volkspartei zur Besserstellung der Familien in die Tat umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesem Paket, das pro Kind und Jahr 6 000 S mehr ab dem Jahr 2000 bringt, also 500 S mehr im Monat pro Kind, plus der Beibehaltung der Mehrkinderstaffel, plus einer Unterstützung der Mehrkinderfamilie, wenn ihr Einkommen unter der Sozialversicherungshöchstgrenze liegt, setzen wir ein klares Signal für die österreichischen Familien, vor allem für die Mittelstandsfamilien und die Mehrkinderfamilien, die auch immer wieder davon bedroht sind, an die Armutsgrenze zu rutschen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Liebe Frau Kollegin Mertel! Ich habe mit großer Freude am Beginn Ihrer Rede festgestellt, daß Sie jetzt offensichtlich auch eine Akzeptanz dieses Familienpakets erreicht haben. Aber wenn ich bei den Verhandlungen nicht selbst dabei gewesen wäre (Abg. Dr. Mertel: Sie waren oft lange Zeit nicht dabei!) , dann hätte ich ja fast bezweifeln müssen, ob ich denn das alles richtig wahrgenommen habe: Ich habe nicht erlebt, daß Sie uns das abgerungen haben, verehrte Frau Kollegin Mertel! (Abg. Dr. Mertel: Selbstverständlich! Der Herr Minister schreibt es ja in der Presseaussendung!)

Ganz im Gegenteil, liebe Frau Kollegin Mertel, ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie Frau Stadtrat Ederer – immerhin Finanzstadträtin in Wien und lange Zeit Abgeordnete hier im Hause – das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eine Frechheit genannt hat, und wie Frau Kollegin Binder – auch sie sitzt hier im Haus – von einer Mogelpackung gesprochen hat und Frau Kollegin Prammer enttäuscht war über das Ergebnis des Familienpakets. Das sind die Tatsachen! (Beifall bei der ÖVP.)

Tatsache ist, Frau Kollegin, daß es die Österreichische Volkspartei und ihre Familienorganisationen waren, die sich dafür stark gemacht haben, die seit vielen Jahren von einem steuerfreien Existenzminimum für die österreichischen Familien gesprochen haben. Es war Bundesminister Bartenstein, der im Jänner 1997 ein Modell vorgelegt hat, das in seinen Auswirkungen letztendlich fast dem entsprochen hat, was wir heute beschließen. Und es hat des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bedurft, daß wir endlich auch den Koalitionspartner davon überzeugen konnten. (Abg. Dr. Mertel: Das hätten wir auch allein gemacht, mit absoluter Mehrheit!) Sei es darum: Es ist uns wichtig, dieses Ergebnis für die österreichischen Familien erreicht zu haben, und das ist es letztendlich wert. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Frau Rauch-Kallat, wer stört die Freude: Herr Bartenstein oder ich?)

Verehrte Frau Mertel! Ich möchte hier in meiner kurzen Redezeit nicht darauf eingehen (Abg. Dr. Mertel: Warum nicht?), aber wenn ich vielleicht ganz kurz das Programm der SPÖ zur Familie zitieren darf, dann enthält das nicht sehr viel. Es enthält einen einzigen Satz in bezug auf die Familie: Wir stehen für einen erweiterten, modernen Familienbegriff und verstehen alle anderen Formen als eine größere Bereicherung. – Sehr geehrte Damen und Herren! Die ÖVP hat einen anderen Familienbegriff, und wir sind stolz darauf! (Beifall bei der ÖVP.)

Bei uns ist es nichts Schlimmes, daß es in einer Familie Mutter, Vater und Kinder geben kann. Ganz im Gegenteil, denn Familie ist der Ort, wo Kinder Vertrauen und Geborgenheit lernen müssen. (Abg. Mag. Peter: Bestreitet das jemand? – Abg. Dr. Mertel: Bestreitet das jemand?)

Und wenn Herr Abgeordneter Kier gerade sein Kreuzzeichen darüber macht, dann verstehe ich zwar nicht ganz, was das bedeuten soll, aber vielleicht war das doch die entsprechende Haltung des Liberalen Forums zu diesen Punkten. Für uns von der ÖVP ist auch Religion in der Familie ein Wert, der ganz besonders wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kier: Und Kinder sind nicht wichtig?)


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Meine Damen und Herren! Die finanzielle Absicherung der Familie ist wichtig, und mit diesem Familienpaket – 12 Milliarden Schilling mehr für die Familien ab dem Jahr 2000, und nicht 17 Milliarden weniger für die Familien, wie das Liberale Forum das vorsieht (Abg. Dr. Kier: Und Kinder sind nicht wichtig?)  – ist ein entscheidender Schritt gesetzt worden, zusätzlich zu all jenen Familienförderungen, die in Österreich ja bereits seit vielen Jahren wirksam sind: die Transferleistungen für die Familien, die Karenzzeiten, der kostenlose Schul- und Universitätsbesuch. Nur Deutschland und die USA geben mehr Geld aus als Österreich.

Auch bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten ist es uns gelungen, für die Frauen eine wesentliche Verbesserung zu erreichen – 35 Prozent mehr seit der letzten Pensionsreform. Und letztendlich ist hier noch die beitragsfreie Mitversicherung der nichtberufstätigen Familienangehörigen zu nennen – auch etwas, was die SPÖ nicht immer unangetastet lassen will, zumindest nach ihren Aussagen.

Aber Familie ist für uns mehr als soziale Absicherung. Familie ist für uns jener Ort des Vertrauens und der Geborgenheit, an dem Kinder lernen können, was Vertrauen und Geborgenheit heißt. Und Familie ist letztendlich das, was sich alle jungen Menschen ersehnen. Wenn sie darauf angesprochen werden, was ihnen das Wichtigste im Leben ist, sagen sie: eine dauerhafte Partnerschaft und eine Familie. Wir müssen alles daransetzen, damit wir jungen Menschen dieses Familienbild auch ermöglichen können.

Daher ist meine Partei sehr daran interessiert, daß neben der finanziellen Absicherung ein Schwerpunkt vor allem auf die Unterstützung der jungen Familien im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum Beispiel durch den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen als familienergänzende – nicht als familienersetzende – Maßnahme, gelegt wird.

Aber es ist uns auch wichtig, daß Elternbildung ausreichend angeboten wird – in vielfältiger Form, damit sie von Eltern auch angenommen werden kann und wird –, Unterstützung in Krisensituationen, Familienberatung, Prävention von Gewalt. Es ist uns wichtig, daß Gewalt ein absoluter Scheidungsgrund wird, genauso wie es uns wichtig ist, daß Ehebruch nicht bagatellisiert wird und ein absoluter Scheidungsgrund bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, meine ich, daß es wichtig ist, Familien auch zu unterstützen (Abg. Dr. Kier: Kinder, elternlose Kinder unterstützen! – Das ist ein Zynismus! Das ist beschämend!) bei ihrer schwierigen Aufgabe im Kontext von Gewalt in den Medien, Gewalt im sozialen Umfeld, bei der Prävention von Drogenmißbrauch, bei der Prävention von Sektenabgang. All das sind Gefahren, denen Familien heute stärker ausgesetzt sind als früher, und daher ist es uns ein Anliegen, Familien zu unterstützen, Familien zu stärken und ihnen die Zukunft zu sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

17.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.09

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir gestern lange über den Tatbestand der "Malversation" diskutiert haben und uns nicht so recht darüber klar werden konnten, was das ist, möchte ich Ihnen ein neues Fremdwort bieten, das, glaube ich, dieser Debatte sehr angemessen ist, und zwar ist das der Tatbestand der "Amnesie", über die wir anläßlich der heutigen Debatte auch diskutieren sollten: die politische Amnesie, die Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ganz offensichtlich befallen hat, wenn Sie ein Familienpaket preisen, für das Sie – Zitat Frau Abgeordnete Rauch-Kallat – "lange Jahre gekämpft haben", meine Damen und Herren, "lange Jahre"!

Aber ich kann mich im Unterschied zu Ihnen, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, noch daran erinnern, daß Sie vor nicht allzu vielen Jahren hier herinnen ganz heftig dafür gekämpft haben, daß es den Familien schlechter geht. (Zwischenruf der Abg. Rauch-Kallat. ) Und dann stellen Sie


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sich hier her und breiten ein süßliches Familienbild aus, daß es einem die Ohren verschlägt, wenn man Ihnen zuhört, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! Es ist das ja nicht mehr auszuhalten, was Sie da an süßlicher Melodie und Romantik über die Familie bieten, was aber leider in den letzten Jahren allzuoft mit der Realität der Familien, die Sie ihnen beschert haben, nichts zu tun hat. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) Sie waren ja dafür verantwortlich, daß die Familienbeihilfe gekürzt wurde. Sie waren dafür verantwortlich, daß das Karenzgeld gekürzt wurde, daß die Sondernotstandshilfe gekürzt wurde, daß die Heimfahrtsbeihilfe gestrichen wurde.

Und dann stellen Sie sich her und sagen, nach langjährigem Kampf haben wir erreicht, daß es den Familien jetzt deutlich besser geht als je zuvor. – Das ist politische Amnesie, und sie ist offensichtlich in bestimmten Kreisen – nicht nur bei einzelnen Personen – sehr weit verbreitet.

Ich will aber nicht nur in dieser Polemik bleiben, meine Damen und Herren, obwohl sie dem, was Sie hier an Schauspiel geboten haben, eigentlich angemessen wäre. Ich will auch auf einige Punkte kommen, die Sie nicht erwähnt haben und die Sie gleich hören werden: daß Sie zum Beispiel vergessen haben, anläßlich dieser Debatte und Auseinandersetzung um das Familienpaket das Unterhaltsrecht zu reformieren.

Selbstverständlich habe ich auch zu denjenigen gehört, die, als sie das erste Mal vom Urteil des Verfassungsgerichtshofs gehört haben, kritisiert haben, was der Verfassungsgerichtshof da gesprochen hat. Und selbstverständlich kritisiere ich das Urteil nach wie vor, aber nicht mehr den Verfassungsgerichtshof, sondern die Politik ist zu kritisieren – und das ist auch eine wesentliche Ausführung aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes –, und zwar die Politik der Regierungsparteien, die, wie der Verfassungsgerichtshof ja schon fast flehentlich einmahnt, über Jahrzehnte nichts gemacht haben, um im Bereich des Unterhaltsrechtes, das dem 19. Jahrhundert entstammt und im Prinzip ein ständisches Unterhaltsrecht ist, an dem Sie offensichtlich festhalten wollen, etwas neu zu ordnen. Wir haben in Österreich ein ständisches Unterhaltsrecht, das die Besserverdienenden bevorzugt, und dem mußten Sie, weil Sie das Unterhaltsrecht nicht ändern wollten, auch irgendwie mit dem Familienpaket entsprechen. Das ist das Problem dabei.

Denn hätte man einen wirklich umfassenden Entwurf machen wollen, der Familienpolitik nicht nur so eng definiert im Hinblick auf diese Erhöhungen – mit denen ich auch ganz zufrieden bin, allerdings nicht vergessend, was Sie vor ein paar Jahren noch in diesem Bereich gemacht haben –, dann hätte man auch diesen Zipfel über dem Unterhaltsrecht lüften müssen, denn da mieft es schon ordentlich heraus aus dem 19. Jahrhundert, Herr Minister Bartenstein. Das geht ja vor allem an Ihre Adresse, weil Sie ja eine Zeitlang schon noch damit spekuliert haben – das war immer wieder auch an Äußerungen von ÖVP-Seite erkennbar –, daß es, wenn schon die SPÖ nicht bereit ist, diesem Forderungspaket von Ihnen zu entsprechen, dann ja ganz gut wäre, wenn man auf dieses Urteil des Verfassungsgerichtshofes zurückgreifen könnte, das für diese ständische Familienpolitik genügend Anhaltspunkte bietet.

Aber, ich betone, nicht der Verfassungsgerichtshof ist der eigentliche Täter, sondern die Politik ist der Täter, die nichts gemacht hat, über Jahre und Jahrzehnte. Ich mahne von Ihnen ein, auch in diesem Bereich, daß Sie endlich einmal tätig werden! Wir brauchen ein bedarfsbezogenes Unterhaltsrecht und kein ständisches Unterhaltsrecht aus dem 19. Jahrhundert, das weitgehend durch die Richter, durch Richterrecht weitergeschrieben wurde und im Prinzip völlig veraltet ist und natürlich nur zu diesen Konsequenzen wie im Verfassungsgerichtshofurteil führen kann. Das wäre der erste Punkt, und das haben Sie verabsäumt.

Das zweite – mindestens ebenso wichtig – wäre gewesen, daß Sie sich bei der Aufbringensseite für die Kosten der Familienpolitik, vor allem was den FLAF betrifft, auch zu einem mutigen Neuentwurf hätten entschließen können. Da geht es nicht nur, wenngleich auch, darum, daß es noch immer Gruppen gibt – ich wiederhole das noch einmal, und Sie werden es vermutlich noch einige Jahre von mir zu hören bekommen –, die nach wie vor keine Beiträge in den FLAF zahlen. Da geht es auch darum, Herr Bundesminister, daß es die Möglichkeit gegeben hätte, entweder über eine Wertschöpfungsabgabe, wie das von den sozialdemokratischen Kolleginnen


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und Kollegen vorgeschlagen wurde, oder aber über eine Ökosteuer – Sie sind ja immerhin auch Umweltminister – diese lohnsummenbezogenen Abgabenteile beträchtlich zu entlasten.

Ich würde nicht völlig auf einen FLAF-Beitrag verzichten, aber eine Beitragsentlastung um 3 oder 4 Prozent – das haben wir auch mit unserem Ökosteuermodell zu beweisen versucht – wäre jederzeit möglich: also statt 4,5 Prozent dann nur mehr 1 Prozent oder 0,5 Prozent an lohnsummenbezogenen Abgaben, und das andere über eine Ökosteuer finanziert. Das wäre ein besserer Beitrag – auch zu dieser Aufkommensgerechtigkeit zwischen den verschiedenen Gruppen.

Das dritte, was Sie verabsäumt haben – ich nenne es Ihnen noch einmal, und auch das werden Sie noch öfter zu hören bekommen –: Sie haben versprochen – anläßlich des ersten Sparpakets –, daß Sie jene Maßnahmen, die in bezug auf Ausländer oder auf im Ausland lebende Kinder getroffen wurden, schon wieder korrigieren würden, dann, wenn Geld im Familienlastenausgleichsfonds vorhanden wäre. Ich wiederhole: Sie haben weder das korrigiert noch haben Sie sich – und das geht jetzt an Ihre Adresse, Herr Finanzminister, und Sie wissen das auch – bis heute dazu entschließen können, den Unterhaltsabsetzbetrag so zu regeln und so klar zu definieren – und das ist keine Frage des Gesetzes, dort ist es nämlich klar, sondern eine Frage in bezug auf die Finanzämter –, daß jene, denen die Familienbeihilfe vorenthalten wird, immerhin den Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen können.

Ich komme zu einem anderen Bereich, weil mich natürlich das, was Frau Kollegin Rauch-Kallat mit Ihrem Familienbild geboten hat, besonders angesprochen hat. Sie haben gesagt, Frau Kollegin, es müsse möglich sein, Familie wieder zu leben und ein Familienbild zu formulieren. Ich hätte gerne gewußt: Welches Familienbild meinen Sie? Worüber sprechen Sie? – Selbstverständlich kann man damit bestimmte Bilder transportieren. Es gibt aber nicht mehr nur die eine Familie und das eine Bild, an das man immer denkt – und Sie haben es in Ihrer Rede durchaus widersprüchlich dargestellt –, wo es den Vater und die Mutter gibt und die netten kleinen Kinder (Abg. Dr. Maitz: Verhöhnen Sie das?), sondern es gibt auch eher dramatische Familiensituationen, wo einer der beiden Partner fehlt, wo es Schwierigkeiten gibt, den Unterhalt abzusichern, auch trotz der Maßnahmen, die Sie hier wiederherzustellen versuchen, wo es andere Probleme innerhalb der Familien gibt.

Wir sollten uns – ich habe das schon mehrmals vorgeschlagen – unabhängig von jeder ideologischen Debatte vielleicht auf eines einigen können – Sie haben durchaus einen Anhaltspunkt dafür geboten, zumindest habe ich ihn mitgehört, aber in den Bildern, die Sie dann transportiert haben, haben Sie nicht mehr darauf zurückgegriffen –, der Anhaltspunkt wäre – und das stammt aus einer Broschüre, die aus dem Familienministerium kommt –: Wir sollten uns unabhängig von der ideologischen Debatte vielleicht darauf einigen können, worum es dem Staat dabei gehen soll. Hier meine ich, es geht nicht darum, eine bestimmte Art der Familie abzusichern – was Sie immer noch vorhaben, zumal der Streit oder die Auseinandersetzung um die Absicherung von Ehe und Familie in der Verfassung nach wie vor hinter den Kulissen geführt wird. Es geht darum, daß der Staat die Aufgabe haben sollte – und darüber könnten und sollten wir reden –, Partnerschaften oder Dauerhaftigkeit in den Beziehungen – und hier verwende ich nicht einmal den Begriff der Partnerschaft – zu fördern und zu ermöglichen.

Wenn wir uns darauf einigen könnten, Frau Kollegin Rauch-Kallat, dann wären wir schon einen Schritt weiter. Aber was ist die Voraussetzung dafür, damit diese dauerhaften Beziehungen, ob zwischen den Geschlechtern, ob innerhalb desselben Geschlechts, ob zwischen den Generationen oder ob innerhalb einer Generation – das ist dann schon ganz egal –, diese Partnerschaften möglich werden? – Da geht es nicht nur um das Geld – wenngleich auch um das Geld –, da geht es auch um den Faktor Zeit. In einer Zeit, in der die Beziehungen und die Kommunikation innerhalb der Beziehungen und Partnerschaften zwischen Erwachsenen und Kindern nur mehr über das Pinboard am Kühlschrank stattfinden können, weil keine Zeit vorhanden ist, sollten Sie das, was auch wir Grüne im Zusammenhang mit diesem Familienpaket gefordert haben, schon etwas ernster nehmen, nämlich daß für diese Dauerhaftigkeit von Beziehungen auch die Zeiträume zur Verfügung gestellt werden müssen.


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Das hieße etwa, tatsächlich das Recht auf Teilzeitkarenz für beide Erziehende zu schaffen, selbstverständlich, denn sonst kommt man nicht zu dieser Dauerhaftigkeit, sonst kann es nicht zu dieser Kommunikation von Erwachsenen und Kindern genau in diesen schwierigsten Perioden für die Kinder kommen.

Das hieße, daß Sie das zur Verfügung stellen müßten. Das hieße aber auch, etwas nachzudenken – und da bin ich für manche Anregungen, die gekommen sind, durchaus offen – über die Qualität der Beziehungen zu den Kindern und Jugendlichen, und zwar nicht nur auf der Seite der Eltern, sondern auch auf der Seite der betreuenden Institutionen, wie zum Beispiel der Kindergarteneinrichtungen, wo ein bestimmtes Maß an Zeiteinheit pro Kind teilweise nicht mehr gegeben ist, weil zu viele Kinder in einer Gruppe sind, oder der Schule, wo in den vergangenen Jahren im Zuge der Sparmaßnahmen die Anzahl der SchülerInnen in den Klassen erhöht worden ist, wodurch natürlich die Aufmerksamkeit, die ein Lehrer oder eine Lehrerin den Kindern schenken kann, zurückgenommen worden ist.

Ich frage mich, ob das notwendige Ausmaß an Zeit nicht nur auf seiten der Schulen oder Betreuungseinrichtungen, wie zum Beispiel der Kindergärten, also Einrichtungen, denen ziemlich viel an gesellschaftlichen Aufträgen überantwortet wird, egal ob es Drogenprävention oder eine andere Aufgabe ist, sondern auch auf seiten der Eltern tatsächlich vorhanden ist.

Wenn man sich die Untersuchungen, die teilweise in Ihrem Auftrag, Herr Familienminister, gemacht worden sind, ansieht, dann weiß man eines: Die individuelle Verfügungszeit nimmt zwar noch zu, aber die sozialen Zeiten nehmen ab, also die Zeiten, die tatsächlich gemeinsam verbracht werden. Es wäre daher Aufgabe einer Familienpolitik ohne ideologische Scheuklappen, genau darüber die Debatte zu führen, Überlegungen dahin gehend anzustellen, wie wir sicherstellen können, daß die Kinder und Jugendlichen mit ihren Eltern tatsächlich kommunizieren können, sich die Frage zu stellen, wie wir eine bestimmte Qualität der Betreuungseinrichtungen sicherstellen können, sodaß ein Ausmaß an Zeit, das individuelle Kontakte und soziale Kommunikation sicherstellt, noch gewährleistet ist. Das wären jene Fragen, die im Zusammenhang mit einem umfassenden Familienpaket fernab von Weihrauch und Myrrhe zu stellen gewesen wären. Diese Fragen wurden aber leider bis jetzt nicht gestellt, und sie sind mit diesem Familienpaket auch nicht beantwortet worden.

Ich ersuche Sie, diese Debatte mit etwas mehr Ernsthaftigkeit zu führen. Da geht es tatsächlich um elementare Fragen. Sie könnten sich – das wage ich zu behaupten, wenn ich die Ergebnisse der Drogenforschung, des Suchtverhaltens von Kindern und Jugendlichen Revue passieren lasse – ziemlich viele Programme über Sucht- und Drogenprävention sparen, wenn tatsächlich der Faktor Zeit, nämlich soziale Zeit in den Beziehungen zwischen Jugendlichen oder Kindern und Erwachsenen etwas mehr Raum erhielte.

Aber wenn auf der einen Seite die Politik und die Wirtschaft Rahmenbedingungen setzen, die das nicht mehr ermöglichen, indem das Tempo, der Beschleunigungsfaktor immer größer wird, in dem diese Zeit nicht mehr zur Verfügung gestellt wird, dann werden natürlich auf der anderen Seite kontraproduktive Maßnahmen gesetzt, die dann genau dazu führen, daß Sie hinterher wieder Krisenpolizei spielen müssen, und zwar über die Schulen, über die Betreuungseinrichtungen, über Familienberatungsstellen, und versuchen müssen, da und dort noch zu reparieren, was zu reparieren ist. Aber das ist nicht vorsorgende Politik, sondern nachsorgende Politik. Aber da müßte Familienpolitik beginnen, meine Damen und Herren!

Das ist jedoch in dieser Debatte, in der man sich nur darauf konzentriert hat, von großartigen Erfolgen zu sprechen, die Sie jetzt abfeiern wollen, bisher leider nicht Gegenstand der Diskussion gewesen. Aber ich hoffe, Herr Bundesminister, daß wir irgendwann einmal die Möglichkeit haben werden, auch diese Fragen etwas ernsthafter zu diskutieren, da Sie in diesem Familienpaket für den Faktor Zeit keine Vorsorge getroffen haben. (Beifall bei den Grünen.)


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17.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich nunmehr der Herr Bundesminister Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

17.24

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Kollege Edlinger! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Die Familiensteuerreform 1998 ist für die Familien in der Tat ein Grund zum Feiern, sie ist eine Sternstunde für Österreichs Familien, und daher möchte ich vor allem auf jene Dinge zu sprechen kommen, die in positiver Hinsicht erwähnenswert sind, auch wenn gerade von Ihrer Seite, Frau Kollegin Mertel, manches Wort der Kritik gekommen ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Herr Kollege Öllinger! Wenn ich auf das von Ihnen skizzierte Familienbild und die Wertigkeit der Beziehungen eingehe, so muß ich sagen: Unsere Vorstellungen liegen in so mancher Hinsicht gar nicht weit auseinander. Es ist richtig, daß funktionierende Familien die beste Voraussetzung für Kinder sind, die nicht nur in Frieden, sondern auch so aufwachsen, daß sie mit den von Ihnen, Herr Abgeordneter, skizzierten Risiken wie Drogenmißbrauch und ähnlichem mit möglichst geringer Wahrscheinlichkeit konfrontiert werden. Ich meine, daß nicht so sehr die zur Verfügung stehende Zeit von Lehrern und Kindergärtnern im Vordergrund stehen sollte – auch das ist wichtig, das gebe ich zu –, sondern vielmehr die Zeit und die Intensität der Beziehungen, die Väter und Mütter für ihre Kinder aufbringen können.

Eine Familienpolitik, die dafür die Rahmenbedingungen gewährleistet und bereitstellt, ist mit Sicherheit eine gelungene und eine gute Familienpolitik. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Wäre!)

Sehr verehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Daraus leitet sich unser christdemokratisches Familienbild sehr wohl ab. Es ist aus dieser Sicht das Wohl des Kindes eindeutig vorzuziehen, daß nämlich Kinder in der Obhut von Vater und Mutter aufwachsen können. Es sind andere Formen der Beziehungen und der Partnerschaften durchaus auch als Familien anzuerkennen. Ich stehe nicht an, allen Alleinerzieherinnen in Österreich meine Hochachtung auszusprechen. Es ist für die 300 000 Alleinerzieherinnen in Österreich nicht leicht, dieser Aufgabe gerecht zu werden und die Mehrfachbelastung, die da auf eine einzelne Person zukommt, zu tragen. Aber aus der Sicht des Kindeswohles ist es eindeutig ein Vorteil, wenn Vater und Mutter da sind, wenn beide Zeit für die Erziehung des Kindes haben. Aber ich meine, daß wir beide – abgesehen von der parlamentarischen Dialektik – in unserer Vorstellung hinsichtlich des Familienbildes nicht sehr weit auseinander liegen.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Thema Familiensteuerreform: Es ist das größte Familienpaket der letzten Jahrzehnte, wahrscheinlich der Zweiten Republik. Es hat zwei Motive für die beiden Koalitionspartner, die Sozialdemokraten und uns, gegeben, dieses Familiensteuerreformpaket zu schnüren. Ein Motiv war zweifellos das Erkenntnis der Verfassungsrichter, der Auftrag, die entsprechenden Gesetzesstellen zu sanieren, der Auftrag, dafür zu sorgen, daß zumindest die Hälfte der Unterhaltsverpflichtungen von Eltern in unserem Land steuerfrei zu stellen ist. Aber es ist für uns auch die Tatsache, daß in Österreich laut jüngstem Sozialbericht der Sozialministerin Hostasch, publiziert in den ersten Jännertagen dieses Jahres, nicht weniger als 152 000 Kinder an oder unter der Armutsgrenze leben, nicht weniger ein Motiv dafür gewesen. Vor allem das Verhältnis zwischen an oder unter der Armutsgrenze lebenden Kindern und Personen, die im Erwerbsleben stehen, und Senioren ist bedenklich. Während 8 Prozent der Kinder von Armut betroffen sind, sind es 5 Prozent der im Erwerbsleben stehenden Österreicher und 2 Prozent der Senioren in diesem Lande, die an oder unter der Armutsgrenze leben. Das ist auf der einen Seite etwas sehr Erfreuliches für die Seniorenpolitik in diesem Land, insgesamt erfreulich, aber daß ausgerechnet die Gruppe der Kinder mit der größten Wahrscheinlichkeit an oder unter die Armutsgrenze rutscht, war natürlich für uns ein familienpolitischer Auftrag, etwas dagegen zu unternehmen, und deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht dieses Familiensteuerreformpaket weit darüber hinaus, was uns die Verfassungsrichter als unterste Latte gelegt haben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Mertel. )

Frau Abgeordnete Mertel! Ich will in dieser Feierstunde, die sie aus meiner Sicht in Wirklichkeit ist, die Debatte zur Familiensteuerreform nicht dazu benützen, jetzt den langen Weg näher zu skizzieren – der Runde mit Herrn Finanzminister Edlinger, Frau Frauenministerin Prammer, Ihnen und unseren Verhandlern, Minister Fasslabend, Frau Abgeordneter Rauch-Kallat und


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meiner Person selbst –, den es bis zur Gemeinsamkeit gebraucht hat. Es war ein langer Weg, es war ein Weg gegenseitiger Überzeugung, es war auch ein schwieriger Weg, aber wir sind zu einem guten und sehr konstruktiven Ergebnis gekommen, und ich stehe nicht an, den Verhandlern dafür zu danken. Ich denke, da ist in manchen von uns der Familienmensch durchgekommen, und Finanzminister Edlinger und ich haben gerade festgestellt, daß wir gemeinsam zehn Kinder haben: er drei eigene und zwei Enkelkinder und ich fünf auf dem vorläufig direkten Wege, sodaß vom Emotionalen her, glaube ich, die Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen gegeben war. (Beifall bei der ÖVP sowie Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Bundesminister Edlinger: Ich habe endgültig drei, er hat vorläufig fünf!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Folgendes ist noch wichtig: Neben der Erhöhung der Stammleistungen für unsere Familien, und zwar um 6 000 S pro Kind und Jahr – dieser Teil macht die wirklich sehr große Summe von 11 Milliarden Schilling aus, und dazu, Frau Abgeordnete Mertel, stehen wir von der Volkspartei sehr gerne –, sind wir – und diesen kleinen Satz gestatten Sie mir, Frau Mertel – nicht nur von der Mehrkinderstaffel nicht abgerückt, haben sie nicht fallen lassen oder entfernt oder darauf verzichtet, sondern haben auch einen Mehrkinderzuschlag für Familien mit drei und mehr Kindern eingeführt.

Dabei haben wir sehr wohl bei einer neuen Leistung eine Einkommensobergrenze in der vernünftigen Höhe von 42 000 S pro Familie und Monat eingezogen. Vernünftig ist das deswegen, weil schätzungsweise 80 oder 85 Prozent der Familien darunter fallen und diesen Mehrkinderzuschlag in Anspruch nehmen können, und vernünftig deswegen, weil, wie wir wissen, gerade Mehrkinderfamilien tendenziell stärker – ich will nicht sagen: armutsgefährdet sind – von Wohlstandsverlusten bedroht sind als Familien mit ein oder zwei Kindern oder Partner, die aus welchen Gründen auch immer keine Kinder haben.

Ich stehe dazu ebenso wie ich dazu stehe, daß diejenigen Menschen – ob das Alleinverdiener oder Alleinerzieher sind, sei dahingestellt –, die in Zukunft fast keine oder gar keine Steuer zu bezahlen haben, den jeweiligen Absetzbetrag in voller Höhe von 5 000 S pro Jahr lukrieren können. Diese Begleitmaßnahmen sind ebenso sinnvoll, wie es wichtig war, die Stammleistung, nämlich die Kombination aus Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, um 6 000 S pro Jahr zu erhöhen.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Peter! Normalerweise waren es in den letzten Monaten immer die Kinder des Herrn Bartenstein und die Kinder des Herrn Haselsteiner, die zum Vergleich herangezogen wurden, aber ich nehme zur Kenntnis, daß sich das von heute an geändert hat, daß in Zukunft meine Kinder und deine Kinder, sehr geehrter Herr Abgeordneter Peter, hier miteinander verglichen und als Beispiel herangezogen werden. Aber, sehr geehrter Herr Abgeordneter Peter, eines sage ich dir schon: Es wäre der größte Fehler gewesen – und wir haben das ja prüfen lassen –, da solche Überlegungen anzustellen beziehungsweise solch eine Lösung zu finden, mit der man den Kindern und der Familie des Herrn Haselsteiner oder auch des Herrn Bartenstein nicht gerecht worden wäre, weil genau diejenigen Einkommensschichten, die ganz oben liegen, deutlich mehr in den Familienlastenausgleichsfonds einzahlen, als sie jemals aus diesem herausbekommen. Wenn man diese Einkommensschichten, Herr Abgeordneter, von den Leistungen ausschlösse, dann müßte man sie auch von den Leistungen befreien. Das wäre ein sehr schlechtes Geschäft für den Familienlastenausgleichsfonds, ein schlechtes Geschäft für Österreichs Familien; unter anderem wollten und sind wir deswegen diesem Vorschlag nicht nähergetreten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist aber auch wichtig, zu erwähnen, daß es einen wichtigen Zusatzaspekt in dieser Familiensteuerreform gibt, und zwar die von der Frau Abgeordneten Mertel schon angeschnittenen zusätzlichen 600 Millionen Schilling für die Kinderbetreuung. Frau Ministerin Prammer und ich haben uns die Zahlen angeschaut, und wir sind bei den vier- bis sechsjährigen Kindern auf 1,2 Milliarden Schilling – das ist die erste Tranche – für bedarfsgerechte und flächendeckende Betreuung gekommen. Wir werden mit der zweiten Tranche vor allem in Richtung untere und obere Altersgruppen operieren und zum Beispiel auch der außerschulischen und der nachschulischen Betreuung mehr Stellenwert beimessen, was darauf


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abzielt, Herr Abgeordneter Öllinger, daß die Kinderbetreuung dort, wo sie gebraucht wird, auch tatsächlich zur Verfügung steht.

Lassen Sie mich aber noch sagen, daß ich zwei Gedanken absolut nicht nähertreten kann: Der eine wurde von Frau Abgeordneter Mertel geäußert, der andere kam vom Herrn Abgeordneten Öllinger, beide bezogen sich auf alternative Methoden der Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds.

Wir haben eine seit Jahrzehnten bewährte Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds. Es ist auch nicht so, daß mir die zukünftigen Planzahlen Sorgen machen, ganz im Gegenteil: Sie sehen recht gut aus. Für die nächsten Jahre können wir mit einer gut darstellbaren Situation des Familienlastenausgleichsfonds rechnen. Angesichts dessen erscheinen mir auf der einen Seite Überlegungen in Richtung einer Wertschöpfungsabgabe, die ausgerechnet im Bereich der Familien gewissermaßen probiert werden soll – denn so etwas gibt es ja in Wirklichkeit noch nirgendwo, so etwas wäre Neuland –, und auf der anderen Seite der Vorschlag der Verwendung einer Ökosteuer zur Finanzierung der Familien nicht als der richtige Weg.

Das gilt vor allem, Herr Abgeordneter Öllinger, für die Ökosteuer zur Finanzierung der Familien, weil eine Ökosteuer ja per definitionem eine Steuer ist, die den Verbrauch natürlicher Ressourcen reduzieren soll, also per definitionem etwas ist, was am Anfang mit einem bestimmten Niveau beginnt, aber dann Jahr für Jahr geringer wird, weil hoffentlich der Verbrauch energetischer und sonstiger Ressourcenrohstoffe zurückgeht. Bei dieser Finanzierung könnten wir dann nicht auf Wachstum setzen, sondern müßten, ganz im Gegenteil, mit einem Rückgang rechnen. Das scheint mir der falsche Ansatz zu sein. Ich halte an der bewährten Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds weiterhin fest. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Letztes, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir haben in unserer politischen Diskussion einen Punkt sehr wohl immer wieder andiskutiert, und zwar die Frage, wie wir mit den Scheidungsvätern umgehen. Das ist eine heikle Frage. Es ist keinesfalls so, daß die Verfassungsrichter dazu bereits Recht gesprochen hätten. Es wäre durchaus möglich, daß aufgrund der heutigen Gesetzeslage die Verfassungsrichter zur Auffassung gelangen könnten, daß Scheidung Privatsache und dementsprechend die geltende Rechtslage verfassungskonform sei. Wir gehen in guter Hoffnung davon aus, aber wir können das nicht mit Sicherheit sagen.

Ich habe daher vorgeschlagen, meine sehr verehrten Damen und Herren und geschätzte Vertreter des Koalitionspartners, daß man gerade diesbezüglich einen Zuruf des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Adamovich, aufgreift, und durch eine Verankerung der Familie in der Verfassung insofern eine Klarstellung schafft, als dann die Verfassungsrichter bessere Anhaltspunkte haben, wenn sie Beschwerden zu bearbeiten haben. Eine Verankerung der Familie in der Verfassung ist im übrigen in 13 von 15 EU-Ländern gegeben. Sie könnte jedenfalls auch die Möglichkeit schaffen, den Verfassungsrichtern im Fall des Falles einen Spruch zu erleichtern, der dann eben lauten würde: Scheidung ist Privatsache! Es besteht jetzt keine Notwendigkeit dazu, beispielsweise geschiedenen Vätern zusätzliche finanzielle Familienleistungen zukommen zu lassen, bloß deswegen, weil die Bestimmung zur Anwendung kommt, daß deren Unterhaltsverpflichtungen jedenfalls zur Hälfte steuerfrei gestellt zu werden haben, während auf der anderen Seite aber die Mütter Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag und ähnliches mehr beziehen.

Das ist eine Überlegung, die ich an den Koalitionspartner herangetragen habe, und ich hoffe, daß man über diesen Aspekt der Familiensteuerreform in den nächsten Monaten eine gewissermaßen abrundende Beschlußfassung ermöglichen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Zusammengefaßt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Heute ist ein großer Tag, ein schöner Tag für Österreichs Familien aufgrund einer Familiensteuerreform, die Österreich nunmehr tatsächlich in die erste Reihe der besonders familienfreundlichen Länder Europas und der Welt insgesamt bringt, einer Familiensteuerreform, die die finanziellen Transferleistungen des Bundes an unsere Familien um nicht weniger als 30 Prozent, von derzeit rund 42 Milliarden Schilling auf 54 Milliarden Schilling, erhöht, einer Familiensteuerreform, auf die wir im Sinne unserer Familien wahrlich stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Müller. )

17.39


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120. Sitzung / Seite 126

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.39

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Tag sei ein Tag zum Feiern, hat der Herr Bundesminister heute gemeint. – Das mag sein. Ich kann mich aber auch an einen anderen Tag erinnern. Diesen möchte ich nun in Erinnerung rufen, weil er sehr viel mit der heutigen Diskussion zu tun hat, und zwar meine ich jenen Tag, an dem das Urteil des Verfassungsgerichtshofes gefällt worden ist. Man ist seitens der ÖVP diesem Urteil nicht kritisch gegenübergestanden, sondern die ÖVP hat den Tag, an dem das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gekommen ist, auch als einen Tag zum Feiern bezeichnet, sie hat diesen Tag bejubelt. Damals hieß es aber, daß, wenn wir keine Maßnahmen ergreifen würden, Bezieher höherer Einkommen bevorzugt werden würden, jene, die ein höheres Einkommen beziehen, eine höhere Steuerersparnis hätten, um vieles höher als die Bezieher niedriger Einkommen, jene bevorzugt werden würden, die zu den 3 Prozent der Bezieher höchster Einkommen in Österreich gehören. Aber auch das, Herr Bundesminister, war für Sie leider ein Tag zum Jubeln.

Ich glaube nicht, daß es, wenn man dieses Erkenntnis kritisiert, darum geht, daß man davon ausgeht, daß es dem Verfassungsgerichtshof zusteht, Sozialpolitik zu betreiben. Das ist unsere Aufgabe. Ich teile auch die Auffassung, daß das natürlich auch mit unserer gesetzlichen Grundlage zu tun hat, denn es ist auch das ständische Unterhaltsrecht, das wir haben, das zu solchen Urteilen führen kann.

Nichtsdestotrotz muß man auch Kritik üben. Es ist kein Zufall, daß der Anteil der Frauen im Verfassungsgerichtshof ein viel zu geringer ist, und unserer Auffassung nach sähe die Judikatur auch anders aus, würden Frauen stärker mit einbezogen.

Ziel ist es – damit wird das verhindert, was Sie noch vor einiger Zeit bejubelt haben –, mit sozialer Treffsicherheit Familienförderung so zu gestalten, daß diejenigen sie bekommen, die sie auch tatsächlich brauchen. Und eine Form der sozialen Treffsicherheit ist jene, daß uns jedes Kind gleich viel wert ist und gleich viel bekommen muß, und jene Kinder, die besondere Förderung brauchen, sollen zusätzliche Mittel bekommen. Da sind erfreulicherweise einige Maßnahmen gelungen, die wir heute in dem Budgetbegleitgesetz beschließen werden. Ich möchte zwei davon herausgreifen.

Die eine ist der Mehrkinderzuschlag für einkommensschwache Familien. Davon werden rund 150 000 Familien in Österreich profitieren und eine zusätzliche Förderung bekommen.

Der zweite für mich sehr wesentliche Aspekt, bei dem es uns gelungen ist, genau auf diese soziale Ausrichtung Bedacht zu nehmen, ist die Regelung der Negativsteuer, die nun, wenn die Steuerleistung eine zu geringe ist, mit 5 000 S zur Gänze gewährt werden kann; in der Vergangenheit waren das ja nur 2 000 S. Von dieser Maßnahme werden ebenfalls 100 000 Familien in Österreich profitieren.

Deshalb teile ich die Auffassung, daß mit dieser Regelung heute sehr wohl ein Tag zum Feiern sein wird. Dies ist doch – Sie haben es gesagt – eine Erhöhung von 6 000 S jährlich, und das wird für die Familien in Österreich eine spürbare Erleichterung bedeuten.

Im EU-Schnitt liegt Österreich, was die Familienförderung betrifft, im Vergleich zu den anderen EU-Staaten an zweiter Stelle. Mit den Maßnahmen, die ab dem Jahr 2000 voll greifen werden, ist es sehr wahrscheinlich, daß Österreich an die erste Stelle gelangen wird.

Viel schlechter sieht es bei der Erwerbsquote von Frauen aus. Da liegen wir nur an neunter Stelle. Daher denke ich, daß es neben diesen materiellen Zuwendungen, die sehr wichtig sind und bei denen es um die sozialen Gesichtspunkte geht, auch notwendig sein wird, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Mittelpunkt zu rücken.


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Ich möchte kurz auf die Ausgangslage eingehen. Nach einer Befragung wollen 85 Prozent aller Frauen zwischen dem 18. und dem 35. Lebensjahr Kinder haben und berufstätig sein. Wir haben die UN-Konvention für die Rechte der Kinder ratifiziert. Hier könnten wir einen gesetzlichen Handlungsauftrag erteilen und für alle Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ermöglichen.

Aber wir haben natürlich viele Papiere, und viel wurde zu diesem Bereich bereits gesagt. Ich habe mir nur angeschaut, was allein die Familienministerinnen – Ihre Vorgängerinnen – zu diesem Themenbereich gesagt haben, seit ich in diesem Haus bin. Ich habe das kurz zusammengefaßt.

1990, Dr. Marilies Flemming, ÖVP: "Forderungen an ein familienpolitisches Programm". Sie fordert Kinderbetreuungseinrichtungen, und sie fordert die stärkere Möglichkeit von Teilzeitarbeit.

"Meine familienpolitischen Leitlinien" von Dkfm. Feldgrill-Zankel, 1991. Sie ist für ein flexibleres Angebot von familienergänzenden Einrichtungen, für einen stärkeren Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, und sie ist für stärkere Einstiegshilfen für Frauen nach der Familienpause.

Und weil sie heute hier gesprochen hat, sei auch noch das Papier "Leben sichern für die Zukunft" von Frau Exbundesministerin Rauch-Kallat aus dem Jahre 1993 erwähnt. Darin heißt es: "Das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen entspricht auch heute vielfach nicht den Bedürfnissen von Kindern und Eltern. Sie gehören ausgebaut, und die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung sollte zu einer selbstverständlich möglichen Beschäftigungsform werden."

Schließlich Frau Dr. Sonja Moser, 1995: "Mein politisches Ziel lautet: Mehr Betreuungsplätze für Kinder!"

Herr Bundesminister! Papier ist geduldig, wie wir sehen. Jene Kinder, von denen hier gesprochen wurde, maturieren wahrscheinlich demnächst und sind der Frage, ob wir Betreuungsplätze geschaffen haben oder nicht, längst entwachsen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Hoffentlich haben Sie dann einen Arbeitsplatz, einen Lehrplatz!) Wenn Sie, Herr Bundesminister, vom Deckungsgrad sprechen, muß ich sagen: Wir wissen doch, daß 120 000 bis 180 000 Kinderbetreuungsplätze in Österreich fehlen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Bundeskanzler Klima hat ihnen einen Lehrplatz versprochen, und zwar allen!) Diese Situation ist für die Eltern tagtäglich spürbar, denn es gibt für sie zwei Möglichkeiten: Entweder die Frauen können keinem Beruf nachgehen, oder es ist organisatorische Schwerstarbeit für Familien, das zu bewältigen.

Daher möchte ich gerade jenen Bereich hervorheben, der mir am wichtigsten erscheint, nämlich die zusätzlichen Förderungsmittel für Kinderbetreuungseinrichtungen. Ich ersuche Sie, Herr Bundesminister, nicht die Worte Ihrer Vorgängerinnen fortzusetzen, sondern tatsächlich Taten zu setzen. Ich denke, Sie werden innerhalb Ihrer eigenen Partei – vor allem, weil das in die Zuständigkeit der Länder fällt – ein Machtwort sprechen, und ich lade Sie dazu ein, mit uns gemeinsam die Forderungen nach Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit bis zum 6. Lebensjahr des Kindes tatsächlich umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Haller zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.46

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Wir debattieren derzeit die sogenannten Budgetbegleitgesetze, und zur gleichen Zeit – oder vielleicht ist das Fest jetzt schon vorbei – feiern die Sozialdemokraten ganz groß angekündigt am Rathausplatz ein Familienfest. Sie feiern den Erfolg des Familienpakets. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Also wer war es jetzt?) Eben! Auch aus freiheitlicher Sicht erscheint es doch ein bißchen eigenartig, wenn Herr Bundeskanzler Viktor Klima und die Frauenministerin einladen, diesen Erfolg mit ihnen zu feiern. Vor allem ist dies deshalb eigenartig, weil man ja Dinge feiert, die noch Zukunftsmusik sind.


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120. Sitzung / Seite 128

Es ist einfach ein Faktum, daß neue Kinderbetreuungsplätze für 1,2 Milliarden Schilling, die heute gefeiert werden, erst bis zum Jahr 2000 verwirklicht werden können. (Abg. Großruck: Bundeskanzler Klima feiert den Erfolg von Minister Bartenstein heute!) Auch die 6 000 S für mehr Familienförderung, die hier in diesem Inserat aufscheinen, Frau Kollegin Mertel, kommen erst im Jahr 2000; nächstes Jahr sind es erst 3 000 S. Und zu dieser zusätzlichen Förderung für einkommensschwache Familien, von der gerade Sie immer so schwärmen, muß ich Ihnen schon sagen: Erstens degradiert diese Form die Familien wieder einmal zu Bittstellern, und zweitens wird diese Regelung gerade im wichtigsten Bereich des untersten Viertels der Einkommensbezieher nicht verstärkt wirksam. Im Gegenteil: Sie schließt nur 20 Prozent der besserverdienenden Familien aus, und das widerspricht eigentlich dem, was Sie hier so lautstark verkünden.

Auch im Bereich der Kinderbetreuungsplätze können wir Freiheitliche nicht ganz einverstanden sein, denn bisher sind die Mittel zu mehr als vier Fünftel in öffentliche Betreuungseinrichtungen gegangen, die privaten Institutionen haben großteils durch die Finger geschaut. Wenn man uns auch im Ausschuß versichert hat, daß es jetzt neue Richtlinien zur Vergabe geben wird – so ganz trauen wir der Sache nicht. Trotzdem werden wir diesem Punkt zustimmen.

Mit dem Rest des Familienpakets, wie es hier auf dem Tisch liegt, sind wir natürlich auch nicht so zufrieden, denn die Steuergerechtigkeit, um die – und um nichts anderes – es ja letztlich im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs geht, wird zwar leicht und schrittweise verbessert, aber dem Erkenntnis wird wieder nicht entsprochen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die nächsten Einsprüche stehen also bereits vor der Tür, und zwar vor allem deshalb, weil durch den Verfassungsgerichtshof beeinspruchte Bestimmungen in diesem neuen Entwurf genau wortwörtlich wieder enthalten sind und die steuerliche Lage der Unterhaltsverpflichteten nicht verbessert wird. Es wird eigentlich nur ein verfassungswidriger Pfusch prolongiert. Auch wenn es Verbesserungen gibt, so wird er doch prolongiert.

Es stellt sich für uns Freiheitliche eine Frage: Mindestens zehn Jahre hat man österreichischen Familien das Grundrecht auf die Gleichheit vor dem Gesetz vorenthalten. Es wäre aus unserer Sicht wirklich einmal zu prüfen, ob das Einbringen von verfassungswidrigen Gesetzentwürfen, bei denen man schon vorher weiß, daß sie wieder verfassungswidrig sein werden, nicht mit dem Amtseid der Regierungsmitglieder kollidiert. Es wäre zu prüfen, ob sie damit vereinbar sind. Es wäre auch abzuklären, ob hier nicht Schadenersatzansprüche von seiten der betroffenen Familien geltend zu machen wären. Das habe ich im Ausschuß schon angesprochen, aber ich habe keine Antwort darauf erhalten.

Wir Freiheitlichen sind für die Erhöhung der Familienbeihilfe, ganz klar – gerade in diesem Bereich gibt es ein großes Loch, die Familienbeihilfe wurde durch die Sparpakete gekürzt, sie wurde jahrelang nicht valorisiert –, wir sind aber nicht dafür, daß man diese Erhöhung der Familienbeihilfe jetzt praktisch als Rückzahlung für die bisher erfolgte steuerliche Diskriminierung betrachtet, denn der Anspruch auf Familienbeihilfe steht im Gesetz neben der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung. Das ist einmal festzuhalten!

Fest steht auch, daß die steuerliche Mehrbelastung der unterhaltsverpflichteten Eltern durch das in Österreich bestehende und gerade von der Koalition so hochgelobte System der progressiven Individualbesteuerung entsteht und darin verankert ist, wodurch eine Regelung, so wie Sie sie haben wollen, ebenfalls schwierig umzusetzen ist.

Es steht weiters fest, daß die von Amts wegen festgestellte Kluft zwischen den Unterhaltsverpflichteten und den Nichtunterhaltsverpflichteten seit dem Jahre 1987 – damals hat es die erste Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gegeben – immer größer geworden ist. Sie wird auch durch diese Vorlage wiederum größer. Einzig und allein ein Splitting wäre eine Möglichkeit, dem Grundprinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit gerecht zu werden; das noch dazu mit einem sehr wohl administrierbaren Aufwand. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Großruck: Richtig!)


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120. Sitzung / Seite 129

Ich möchte noch einmal monieren, was Kollege Böhacker schon gesagt hat: Es ist einfach nicht einzusehen, daß sich die Regierungsparteien mit den Vorschlägen der Freiheitlichen, die nachweislich verfassungskonform sind, nicht beschäftigen und daß im Budgetausschuß von Staatssekretär Ruttenstorfer und vor allem von Frau Bundesministerin Gehrer abgedroschene Phrasen in Richtung Familiensplitting zu hören waren, die eigentlich nur eines bewiesen haben: daß man sich in diesem Bereich überhaupt nicht auskennt, daß man sich überhaupt nicht damit auseinandergesetzt hat. (Abg. Dr. Mertel: Na, Sie kennen sich aus!)

Herr Familienminister! Ihnen muß ich auch etwas sagen: Sie werden vielleicht mit dieser Lösung, die jetzt getroffen worden ist, zufrieden sein oder müssen damit zufrieden sein. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Bin ich!) Aber es waren doch Sie selbst, der eigentlich auch eine andere Lösung im Kopf gehabt und ein anderes Modell vertreten hat.

Ich zitiere hier eine Aussendung des Kartellverbandes, wonach Sie eigentlich eine Lösung haben wollten, die in der Größenordnung von 18 Milliarden Schilling gelegen ist. Und daß das die bessere Lösung gewesen wäre ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Was?)  – Aussendung Kartellverband. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Was kann ich für den Kartellverband?! Ich bin nicht Mitglied dort!) – Das weiß ich auch nicht. Ich zitiere nur eine Aussendung des Kartellverbandes, Herr Bundesminister, in der Ihnen das unterstellt wird. Den Wahrheitsgehalt kann ich nicht überprüfen.

Fest steht auf alle Fälle – das sagen ja nicht nur wir Freiheitlichen –, daß es sich bei dieser Vorlage um einen Minimalkonsens zwischen den beiden Regierungsparteien handelt, für den sich jetzt sowohl die ÖVP als auch die SPÖ das Federl für den Wähler auf den Hut stecken will. (Abg. Dr. Mertel: Sie können das sicher nicht!) Aber aus unserer Sicht ist das kein Grund zum Feiern. (Abg. Dr. Mertel: Selbstverständlich nicht!) Ein Minimalkonsens kann nie ein guter Kompromiß sein (Abg. Dr. Mertel: Einen Maximalkonsens wollen Sie!), und ich warte, Frau Kollegin Mertel, bis die nächsten Einsprüche kommen.

Wenn Sie, gerade Sie, von einem Quantensprung in der Familienpolitik sprechen, dann muß ich Ihnen zugestehen, daß das vielleicht Ihrem Familienverständnis entspricht, aber nicht unserem freiheitlichen. (Abg. Dr. Mertel: Jeder hat die eigene Wahrheit, und Sie ganz besonders!) Denn die Familien bekommen durch diese Regelung mit einem anderen Mascherl nur ein bißchen von dem Geld zurück, das man ihnen vorher weggenommen hat. Und das geben Sie den österreichischen Familien nicht einmal freiwillig, sondern nur aufgezwungen durch den Verfassungsgerichtshof. Das ist wirklich kein Grund zum Feiern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dkfm. Mühlbachler kommt schon zum Pult, weil er zu Wort gemeldet ist. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.55

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Edlinger! Sehr geehrter Herr Bundesminister Bartenstein! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, Herr Bundeskanzler Klima und Frau Bundesministerin Prammer feiern das, was Herr Bundesminister Bartenstein für die Familien herausgeholt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Und Edlinger! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Tatsache ist, Frau Kollegin Mertel, daß in der Ausgabe des "Kurier" vom 9. Jänner 1998 folgendes zu lesen steht: "Die Suche der SPÖ nach einem Modell zur Familienförderung ist beendet. Das Modell würde kommendes Jahr 5 Milliarden Schilling, ab 2000 zwischen 9 und 9,5 Milliarden Schilling kosten. Für die SPÖ ist klar, woher das Geld für den zusätzlichen Aufwand kommen soll: 1999 will man in den Familienlastenausgleichsfonds greifen, in dem bis dahin rund 3 Milliarden an Überschuß liegen, die restlichen 2 Milliarden sollen aus dem Budget kommen." – Bitte, das ist das SPÖ-Modell!

Am 4. März 1998 – da ging es dann schon um das Gesamtpaket – schrieben die "Salzburger Nachrichten": "Das Gesamtpaket, das den Familien ab 1998 insgesamt 12 Milliarden Schilling


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mehr bringen soll, wird, wie berichtet, je zur Hälfte aus den Mitteln des FLAF und des Budgets finanziert." – So schaut also die Sache in Wirklichkeit aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte aber noch einiges zu den Vorrednern anmerken. Hier wird immer so getan, als wäre Familienpolitik entideologisiert zu sehen. (Abg. Dr. Mertel: Genau!) Das stimmt nicht! Das kann nicht so sein. (Abg. Dr. Mertel: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht!) Wenn man ein bißchen in die Vergangenheit schaut, dann wird man feststellen können, daß es auch in der Vergangenheit schon verschiedene Meinungen dazu gegeben hat. Es gibt darüber eine sehr gute Dokumentation, und zwar in der "Wirtschafts- und sozialpolitischen Zeitschrift" aus dem Jahr 1994. Darin findet sich eine Abhandlung einer gewissen Frau Agnes Streissler, die folgendes schreibt:

"Während bis Ende der sechziger Jahre in der Familienpolitik die familienpolitische Komponente die sozialpolitische überwog mit dem Argument, daß jeder, der Kinder aufzieht, positive externe Effekte für die Gesellschaft erzeuge und daher entsprechend zu kompensieren sei, ändert sich die Familienpolitik grundlegend mit dem Beginn der SPÖ-Alleinregierung."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist insofern auch bemerkenswert, als sich damit natürlich auch eine Veränderung der Familie in der Gesellschaft ergeben hat. Und stellen Sie sich vor: Damit einher geht auch ein Knick in der Entwicklung der Kinderzahl.

Ich kann Ihnen folgendes sagen: Bis zum Jahre 1977 war die Kinderzahl steigend, und nach diesem Jahr stetig fallend. Weiters geht aus der Statistik eindeutig hervor, daß es keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kinder und der Förderung pro Kind gibt. Man kann daher nicht ableiten, daß eine höhere Förderung auch eine höhere Kinderzahl bedingen würde. Das ist leider Gottes nicht so.

Ein Letztes – meine Zeit läuft leider Gottes schon ab – möchte ich noch sagen. (Abg. Großruck: Die Redezeit läuft ab!) Selbstverständlich, die Redezeit! (Abg. Großruck: Du bist ja nicht bei der FPÖ! – Abg. Madl: Gott sei Dank!)

Weil immer wieder beklagt wird, die Besserverdienenden würden bevorzugt – so hat es wortwörtlich Herr Kollege Öllinger zum Ausdruck gebracht –: Er sollte sich in der "Wirtschafts- und sozialpolitischen Zeitschrift" vom Jänner 1998 einmal eine Statistik ansehen, aus der hervorgeht, in welcher Art und Weise die Haushaltseinkommen durch Sozialleistungen beeinflußt werden. Ich kann daraus nur einige Daten nennen: Das untere Zehntel der Einkommensbezieher verfügt über ein Pro-Kopf-Einkommen von 2 200 S. Das wird mit Sozialleistungen von 5 600 S pro Monat aufgebessert. Das mittlere Zehntel der Einkommensbezieher verfügt über 11 100 S an Pro-Kopf-Einkommen im Haushalt, und dort machen die monatlichen Sozialleistungen nur noch 1 600 S aus. Für diejenigen, die bei 30 300 S liegen, macht die Sozialleistung gar nur mehr 400 S aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Verteilungsdebatte zu führen, ist richtig, allerdings aus meiner Sicht nicht unbedingt einzig und allein dann, wenn es um familienpolitische Maßnahmen geht. Ich denke, daß das, was herausgekommen ist, ein tragbarer und vor allen Dingen für die Familien gut spürbarer Kompromiß ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Klara Motter hat sich als nächste zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, Sie haben beziehungsweise Ihr Klub hat noch eine Redezeit von 14 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

18.02

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Familienminister! Herr Finanzminister! Es ehrt Sie, daß Sie Väter von zehn Kindern sind. Ich habe es mit meinem Mann leider nur auf zwei gebracht. (Bundesminister Edlinger: Ich habe auch nur drei! – Bundesminister Dr. Bartenstein: Dazu Enkelkinder!) Also nicht zehn? – Entschuldigung. Aber trotzdem ist es toll, daß hier hinter meinem Rücken Väter oder Großväter von zehn Kindern sitzen! (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das war die Dunkelziffer!)


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Meine Damen und Herren! Grundsätzlich sind auch wir Liberale erfreut, daß in unserem Land endlich etwas für Kinder getan wird und in der zweiten Ausbaustufe der Familienbesteuerungsreform jedem Kind 6 000 S mehr im Jahr zur Verfügung stehen. Allerdings knüpft die gewählte Form der Familienförderung nicht wirklich an den Bedürfnissen der Kinder an, was ich für sehr bedauerlich halte. Denn die Reform wird in der bekannten Methode durchgeführt: Es werden nämlich unabhängig von der individuellen Situation für alle die gleichen Beträge ausbezahlt.

Herr Familienminister Bartenstein! Der Konflikt, den wir darüber miteinander ausfechten beziehungsweise immer ausgefochten haben, wird auch weiterhin bestehen bleiben. Dieses Gießkannenprinzip kann die Kinderarmut – sie hat bereits beträchtliche Ausmaße angenommen – auf keiner Ebene wirksam bekämpfen, da diese Mittel auch jenen Familien, die über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügen, zugute kommen. Werden diese Mittel gebunden, dann können sie nicht jenen Mehrkinderfamilien zur Verfügung gestellt werden, die tatsächlich armutsgefährdet sind und einen wirklichen Bedarf an den Familientransferleistungen haben.

Herr Minister Bartenstein! Das ist grundsätzlich an dieser Reform zu kritisieren, denn sie ist nicht sozial ausgewogen. Die oft angekündigte Erhöhung der Treffsicherheit wurde auch diesmal nicht realisiert. Mit Kosten im Ausmaß von 12 Milliarden Schilling in der zweiten Ausbaustufe der Reform wird Österreich über ein im europäischen Vergleich sehr luxuriöses System der Familienförderung verfügen. Dieses ist aber trotzdem nicht geeignet, der Kinderarmut wirklich zu begegnen.

Frau Kollegin Mertel! Glauben Sie wirklich, daß diese Familienförderung treffsicher ist? – Ich glaube nicht, daß Sie das glauben, denn Sie haben in Ihrer Rede schon anerkannt, daß Sie große Kompromisse machen mußten. Dazu, heute auf irgendeinem Platz zu feiern, besteht meiner Ansicht nach sicher kein Grund. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Mertel: Ich bin ja da!) Sie sind da, das ehrt Sie.

Meine Damen und Herren! Wir sind überzeugt davon, daß die bestehende Problematik der Kinderarmut nur dann adäquat bekämpft werden kann, wenn die konkrete Lebenssituation des Kindes und seine individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Wir wissen, daß 21 Prozent aller Kinder in Österreich von Armut bedroht sind, hingegen – das unter Anführungszeichen – "nur" 9 Prozent der Erwachsenen. Was wir angesichts dieser Tatsachen brauchen, ist, daß die Transferleistungen, um tatsächlich wirksam sein zu können, von den jeweils einzelnen Bedürfnissen der Bezugspersonen abhängig gemacht werden.

Meine Damen und Herren! Im Transfermodell des Liberalen Forums – das werden wir Ihnen hier von dieser Stelle aus immer wieder sagen – stehen im Gegensatz zur Familienbesteuerungsreform das Kind und dessen Bedürfnisse im Mittelpunkt, nicht aber die Struktur der Familie. Dabei geht es uns aber auch nicht um Ideologie, und trotzdem kann ich Ihnen versichern, daß auch Liberale der Familie einen großen Stellenwert einräumen. Auch wir haben Familie, und auch wir leben Familie! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Für uns steht aber trotzdem das Kind im Mittelpunkt. Um dies zu erreichen, brauchen wir treffsichere und sozial ausgewogene Transferleistungen. Denn nur dadurch können bei gleichem Mittelaufwand die bestehenden Ungleichgewichte, die ausschließlich zu Lasten der Kinder gehen, aufgehoben werden. Das ist mit der nun vorliegenden Novelle keinesfalls gewährleistet. Probleme wie zum Beispiel ein Anspruch auf zwei Jahre Karenzgeld für AlleinerzieherInnen wurden trotz Versprechungen bisher nicht eingelöst, obwohl Kinder alleinerziehender Mütter und Väter dreimal mehr von Armut bedroht sind als Kinder aus Mutter-Vater-Kind-Familien.

Wie ich schon am Anfang betont habe, erkennt die vorliegende Novelle zwar prinzipiell die Problematik der materiellen Versorgungsleistung an, allerdings können wir Liberale dem nicht zustimmen, da sich in der Reform keinerlei Ansatz für die längst überfälligen Änderungen in der Struktur der Transferzahlungen erkennen läßt. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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18.08


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. Wollen Sie eine Redezeitbeschränkung? – 5 Minuten. – Bitte.

18.08

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Durch die Erstellung des Bundesbudgets 1999 sind in verschiedenen Bereichen gesetzliche Begleitmaßnahmen erforderlich. Das betrifft vor allem die heute schon oftmals angesprochenen, durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmungen im Einkommensteuergesetz.

Durch die vorliegende Regierungsvorlage wird auch das Finanzausgleichsgesetz geändert. Denn durch den weiteren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen gewährt der Bund im Rahmen der Familienförderung den Ländern eine weitere Tranche in Höhe von 600 Millionen Schilling. Damit wird eine Anhebung des Zweckzuschusses an die Länder für Kinderbetreuungseinrichtungen auf 1,2 Milliarden Schilling erreicht, und damit werden rund 19 000 neue Kinderbetreuungsplätze geschaffen. Die Vereinbarkeit von Kind, Familie und Beruf wird dadurch weiter erleichtert, und es wird auch ein sozialdemokratisches Ziel erreicht.

Meiner Ansicht nach ist es wesentlich, daß zum Zweck der Projektbeurteilung und Mittelvergabe eine Kommission eingerichtet wird, der neben Vertretern des Bundes auch der Gemeindebund angehört.

Das Budget 1999 – dessen Beratungen wir morgen beginnen – kann auch als Meilenstein im Bereich der Familienförderung angesehen werden. Denn durch die Reform der Familienförderung wird der Großteil der Familien und damit die Zukunft unseres Landes stärker als bisher finanziell unterstützt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Damit werden die Rahmenbedingungen für die Kindererziehung verbessert, und soziale Härtefälle werden seltener werden. Österreich gehört bekanntermaßen zu den familienfreundlichsten Ländern in der EU. Das ist eindeutig eine Leistung der fast 30 Jahre dauernden SPÖ-Regierungsverantwortung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Das ist ein ganz neuer Ton!)

Der Verfassungsgerichtshof vertritt die Auffassung, daß Kinder nicht nur Sache privater Lebensgestaltung sind. Um dem Erkenntnis gerecht zu werden, wurde ein Modell gewählt, das einerseits am System der kombinierten Transferleistungen festhält. Dabei wird – darauf sind wir besonders stolz – auf die sozialen und familienpolitischen Bedürfnisse Rücksicht genommen. Die sozialen Komponenten werden für einkommensschwächere Familien ausgebaut, und ab dem dritten Kind – auch das wurde heute schon mehrmals betont – wird ein Mehrkindzuschlag geschaffen. Dieser Zuschlag ist zusätzlich an das Einkommen gebunden. Andererseits wird die Familienbeihilfe mit 1. Jänner 1999 sowie in einer zweiten Rate mit 1. Jänner 2000 deutlich angehoben. Somit erfolgt aufgrund dieses Bundesgesetzes eine erhebliche Valorisierung der Familienbeihilfe.

Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Einkommensteuer halte ich es für wichtig, neben der Erhöhung des Kinderabsetzbetrages um 350 S pro Monat und Kind auch die Tatsache zu erwähnen, daß geringe Einkommen durch die Anhebung der Negativsteuer von 2 000 auf 5 000 S stärker als bisher profitieren werden.

Nicht verschweigen dürfen und wollen wir auch, daß die Gesamtkosten der Familiensteuerreform im Ausmaß von rund 12 Milliarden Schilling zu einem beträchtlichen Anteil von den Ländern und Gemeinden mitfinanziert werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Da im Bereich der Umsatzsteuer Mindererlöse im Aufkommen augenscheinlich sind, befürworte ich die Regelung, wonach Unternehmer nur dann von der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen befreit werden, wenn sie ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen pünktlich nachkommen.

Hohes Haus! Durch die Budgetbegleitgesetze werden nicht nur rund 5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher profitieren, sondern es wird damit ein weiterer wichtiger Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit getan. Daher werden wir Sozialdemokraten dieser Vorlage gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

18.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Madl. Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Redezeit von 16 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

18.13

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Nach dem gestrigen Tag habe ich geglaubt, daß mich in diesem Hohen Haus nichts mehr überraschen kann. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Nein, wirklich nicht! Nach dem gestrigen Tag, der von dieser "Vierergemeinschaft" derart mit Haß erfüllt war, habe ich mir gedacht: Das war an und für sich der "Höhepunkt" meiner parlamentarischen Erfahrungen. (Abg. Kiss: Habt ihr einen zweiten Rosenstingl? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber der heutige Tag bringt mir wieder eine neue Variante an Überraschungen. (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Ich brauche nur daran zu denken, daß hier von einer Gesetzesänderung gesprochen wird, die ein "Tag der Freude" für die Familien sei – so Frau Kollegin Rauch-Kallat – oder die ein "Quantensprung" sei – so Frau Kollegin Mertel –, und der Herr Bundesminister versteigt sich sogar zu dem Ausdruck "Sternstunde für die österreichischen Familien". (Abg. Rosemarie Bauer: Alles zu Recht!)

Herr Bundesminister! Eine "Sternstunde" für die österreichischen Familien war damals, als zum ersten Mal das Sparpaket beschlossen wurde, und zwar von den Koalitionsparteien sowie im Ministerrat unter Mitwirkung des Familienministers. (Abg. Dr. Maitz: Hat Rosenstingl auch Steuergeld veruntreut?) Denn damals haben die österreichischen Familien gemerkt, daß sich die Bundesregierung und das Hohe Haus von der Familienpolitik verabschiedet haben, Herr Abgeordneter Maitz! Das war die "Sternstunde" der österreichischen Familien, aber nicht der heutige Tag! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder haben Sie es schon vergessen, Herr Kollege Maitz? – Sie haben auch mitgestimmt. Nicht nur der Kürzung der Familienbeihilfe haben Sie vor drei Jahren zugestimmt, wodurch es einen direkten Einfluß auf die Familien gab, sondern auch vielen gesetzlichen Maßnahmen, die indirekten Einfluß auf die Familien gehabt haben, zum Beispiel der Kürzung ... (Abg. Rosemarie Bauer: Na schrecklich!) "Na schrecklich", sagen Sie? – Sagen Sie, war es nicht schrecklich, als die Karenzzeit gekürzt worden ist, Frau Kollegin Bauer? – Das war also nicht schrecklich, Sie schütteln den Kopf! Ihre Wähler werden sich bei Ihnen bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Familien, die jetzt unter der Armutsgrenze leben, werden sich bei Ihnen bedanken, weil es für Sie nicht schrecklich war. Für Sie waren ein paar tausend Schilling nicht soviel wie für viele österreichische Familien!

Oder war es nicht schrecklich, als man die Geburtenbeihilfe zurückgenommen hat? – Sie haben mitgestimmt! Ist das nicht schrecklich? – Geben Sie es zu! Ja oder nein? Eine einfache Frage. Oder war es nicht schrecklich, als man den Familien plötzlich einen Selbstbehalt von 10 Prozent bei den Schulbüchern aufoktroyiert hat? (Abg. Rosemarie Bauer: Das war nicht schrecklich!) War das nicht auch schrecklich? – Und Sie haben mitgestimmt, Frau Kollegin Bauer! (Abg. Dr. Fekter: Das ist gut so!) Und wie Sie gestanden sind, als diese Sparpakete beschlossen worden sind!

War es nicht schrecklich, als man einen 10prozentigen Selbstbehalt bei den Schülerfreifahrten beschlossen hat, Frau Kollegin? (Abg. Dr. Fekter: Sind Sie für Verschwendung?) War es nicht belastend für die Familien, Frau Kollegin, als man die Schülerheimfahrten gestrichen hat? War es nicht belastend, daß man zum Beispiel während der letzten zwei Jahre die Steuerfreibeträge sistiert hat? – Jeder Familienvater, der früher Steuerfreibeträge hatte, hat das monetär gespürt. War das nicht schrecklich? – Und Sie haben zugestimmt, Sie haben all dem zugestimmt!

Da wollen Sie es heute zu einer "Sternstunde" machen, daß eine Familie im Jahr 1999 pro Kind 3 000 S mehr bekommt? Zu einem Tag der Freude, den Sie feiern? – Ein solches Theater, wie es heute in den Reden aufgeführt worden ist, ist eine neue Variante!

Dann setzen Sie allem noch das Pünktchen auf und sagen (Abg. Koppler: Pünktchen und Anton!): Wir haben ja auch arme Familien, und Sie stimmen zu, daß man jetzt für die erhöhte


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Familienbeihilfe bei mehr Kindern eine Einkommensgrenze einführt. Das ist überhaupt das Überdrüber, denn das betrifft 100 000 Familien, die mit dem Familieneinkommen leben müssen, das Sie heute deckeln und den Familien vorschreiben wollen. Man darf nicht mehr als 42 000 S brutto verdienen, um einer erhöhten Familienbeihilfe würdig zu sein. Diese Deckelung werden Sie heute auch beschließen. Damit machen sie Hunderttausende Familien zu Bittstellern.

Denn was macht man, damit man eine besondere Förderung bekommt? – Man muß ansuchen, man muß betteln gehen, und man muß sich dann vielleicht noch bedanken. Für etwas, was man uns genommen hat, muß man dann noch danke schön sagen. Das ist genauso, wie wenn ein Dieb oder ein Einbrecher 10 Prozent der gestohlenen Ware wieder zurückgibt und der Geschädigte sich dann noch hundertmal bei ihm bedanken muß, weil er etwas zurückbekommen hat. Genau so etwas ist diese Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes, der Sie zustimmen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine "Sternstunde" der österreichischen Familien, Herr Bundesminister – das gestehe ich Ihnen zu, weil die österreichischen Familien heute merken, daß Sie sich damals von der Familienpolitik verabschiedet haben und bis heute noch nicht zurückgefunden haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeit von 6 Minuten. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Wort zu Ihnen, Frau Kollegin Madl: Es wäre ein Beitrag zur Debattenkultur im Hohen Haus, wenn von der Opposition nicht alles, was von der Regierung kommt, immer nur schlechtgemacht werden würde! (Abg. Madl: Das müssen gerade Sie mir sagen! Dann machen Sie endlich etwas Gutes!)

Sie sind wirklich auf einem Auge blind, Frau Kollegin! Sie haben das einfache Verhaltensmuster: Die Opposition macht alles schlecht, was von der Regierung kommt. Das ist ein bißchen wenig für Oppositionspolitik! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Madl: Machen Sie einmal etwas Gutes!) Sie sollten ein bißchen objektiver sein, Frau Kollegin, ein bißchen objektiver!

Egal, welche Punze man wählt, ob "Sternstunde" oder was auch immer: Unbestritten ist, daß ein derartiger finanzieller Schub zugunsten der Familie in den letzten Jahren nicht stattgefunden hat, Frau Kollegin! Ich frage alle, die hier sitzen: Wenn wir ehrlich sind – ich nehme mich da nicht aus –: Wer hätte es vor einem Jahr geglaubt, wenn wir gesagt hätten, es wird ein Familienpaket geben, daraus werden die Familien 12,5 Milliarden Schilling bekommen? Ich nehme mich nicht aus, auch ich habe daran gezweifelt, daß das gelingen wird! So ehrlich sollten wir sein: Vor einem Jahr hat das wahrscheinlich kaum jemand von uns geglaubt, und heute beschließen wir es, heute ist es Realität! Eine Vision ist mit diesem Paket Wirklichkeit geworden! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Und noch etwas möchte ich heute sagen. Nachdem ich soeben zugegeben habe, daß auch ich vor einem Jahr noch ein bißchen gezweifelt habe, muß ich sagen: Ich war wirklich davon angetan, mit welcher Konsequenz, mit welcher Hartnäckigkeit sich unser Familienminister da engagiert hat. Ich glaube, das sollte man bei so einer Beschlußfassung einmal sagen. (Beifall bei der ÖVP.) Ein Mann aus der Wirtschaft, der bewußt gesagt hat: Ich möchte hier einen starken Akzent in Richtung Familie setzen! Lieber Herr Familienminister! Das muß man einmal sagen. Ich bewundere dich (Abg. Dr. Nowotny: Halleluja!), weil ich wußte, wie schwierig es sein wird, das umzusetzen. Du hast viel riskiert, aber du hast die Chance gehabt, und du hast gewonnen – zugunsten der Familien. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es wäre aber – das muß ich auch sagen – jetzt nicht fair, zu sagen, eine solche Reform kommt ohne Finanzminister zustande. Das wäre nicht fair. Wir müssen fair sein und sagen: Der Finanzminister – jeder Finanzminister! – hat bei einer solchen Reform ein lachendes Auge – zugunsten der Familie – und ein ein bißchen tränendes Auge aus der Budget


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sicht. Aber dieser Finanzminister trägt dieses Paket mit, und auch das sollten wir festhalten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das ist bei einem Konsolidierungskurs nicht selbstverständlich, und ich glaube, daß damit – und auch das sollten wir festhalten – ein erster wichtiger Teilschritt der Steuerreform 2000 bereits erfüllt ist. Wir sollten auch so ehrlich sein, zu sagen, daß mit der heutigen Beschlußfassung – und das sagen wir von der Volkspartei – eine Zielgruppe der Steuerreform ihr Ziel erreicht hat. Daß damit natürlich auch der Spielraum für die Steuerreform 2000 bewußt – bewußt, wir wollten das ja! – kleiner geworden ist, muß man ehrlicherweise auch dazusagen.

Ich nenne nur drei Schwerpunkte bezüglich der Steuerreform 2000, denn wir sollten ja nicht nur diskutieren, was in der Vergangenheit war, was in den letzten Monaten war, sondern was auf uns noch an Herausforderungen zukommt. Und die Herausforderungen der nächsten Monate werden gewaltig sein, meine Damen und Herren, denn diese Doppelstrategie: Budgetkonsolidierung einerseits, andererseits aber Offensivstrategie im Sinne einer Steuerreform 2000, ist eine äußerst schwierige Aufgabe, ich würde sagen: die Quadratur des Kreises: Es ist tatsächlich etwas wie die Quadratur des Kreises, diese Doppelstrategie, einerseits das Budget zu konsolidieren, andererseits aber doch auch Offensivstrategien zu fahren in Richtung Steuerreform 2000.

Ich möchte also nur drei Aufgaben nennen, die uns besonders wichtig erscheinen, nach den Verbesserungen im Bereich der Familie, die wir heute schon beschließen.

Erster Punkt: Beschäftigungspolitik. Ich glaube, die Steuerreform 2000 muß im Dienste der Beschäftigungspolitik stehen, das heißt, bei aller Schwierigkeit: Entlastung der Arbeit. Und ich sage gleich, die Alternative wird nicht die Wertschöpfungsabgabe sein!

Der zweite Schwerpunkt wird die Ökologisierung des Steuersystems sein müssen. Das ist auch wieder äußerst schwierig (Abg. Meisinger: Schon wieder!), äußerst schwierig, Herr Kollege! Das geht nur, wenn es uns gelingt, diese Problematik während der EU-Präsidentschaft zu thematisieren, um da einen europäischen Gleichklang zu erzeugen. Da brauchen wir noch sehr viel Bewußtseinsbildung. Das wird die primäre Aufgabe sein, weil hier ein nationaler Alleingang nicht zu verkraften sein wird. Aber das sind wirklich Herausforderungen, die man deutlich aufzeigen muß.

Der dritte Punkt, meine Damen und Herren: Wir brauchen natürlich auch für den leistungsfähigen Mittelstand eine steuerliche Entlastung. Leistung muß sich lohnen in diesem Land (Beifall der Abg. Dr. Fekter ), und daher brauchen wir, trotz aller budgetären Beengtheiten, auch eine Tarifkorrektur. Ich bin sehr froh, Herr Finanzminister, daß Sie bereits öffentlich gesagt haben, daß wir, bei aller Schwierigkeit des Budgets, eine steuerliche Entlastung im Sinne einer Tarifkorrektur brauchen. Die gewaltige Herausforderung sieht man daran, daß eine winzige Änderung des Tarifs schon 10 bis 15 Milliarden Schilling kostet.

Herr Finanzminister! Wir haben das Vertrauen in Ihre Person, daß Sie diesen gewaltigen Kraftakt mit unserer Unterstützung schaffen, diese Doppelstrategie ins nächste Jahrtausend hinein, einerseits den Budgetkonsolidierungskurs beizubehalten, andererseits Offensivstrategien zu fahren, wobei zur Finanzierung dieser Vorhaben zweifellos eine ausgabenorientierte Politik im Sinne einer Sparpolitik notwendig sein wird. Ich kündige kein Sparpaket an, aber, bitte, es ist einfach notwendig, daß wir ausgabenseitig weiterhin jenen Kurs fahren, den wir bereits mit den letzten Budgets gefahren sind. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesminister für Finanzen das Wort. – Bitte, Herr Minister.

18.24

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kollege Bartenstein! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit der Debatte


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über die Budgetbegleitgesetze doch dazu benutzen, einige Bemerkungen grundsätzlicher Natur auch zur Budgetsituation und zu den Fragen, die uns in den nächsten zwei Jahren massiv beschäftigen werden, zu verlieren.

Zunächst einmal glaube ich, daß es bemerkenswert ist – und das ist jetzt überhaupt kein Akt von Selbstbeweihräucherung, weil ich persönlich diese Funktion nur eine kurze Zeit in der schwierigen Phase der Budgetkonsolidierung innehatte –, daß es in unserem Lande gelungen ist, aus einer Phase einer inneren Dynamik des Bundesbudgets und der öffentlichen Haushalte, die das Budgetdefizit in den Jahren von 1992 bis 1995 von 1,9 Prozent auf über 5 Prozent verschlechtert hat, nicht nur strukturell herauszukommen, sondern durch gezielte Maßnahmen der Budgetkonsolidierung den umgekehrten Effekt zu erzielen. Dieser hat dazu geführt, daß es uns als einem der wenigen Länder in der Europäischen Union gelungen ist, das Haushaltsdefizit zu halbieren, ohne daß wir mit jenen sozialen Eskalationen konfrontiert waren, die andere europäische Länder in den letzten zwei Jahren erlebt haben.

Ich glaube, daß es vor allem das politische Klima in Österreich ist, das Klima der großen politischen Parteien, die Einbindung der Sozialpartnerschaft, die überlegte Konfliktaustragung in Österreich, die es ermöglicht haben, daß wir uns gegenüber vielen anderen durchgesetzt haben, daß in der von den ECOFIN-Ministern am 2. Mai beschlossenen Erklärung das Konzept des Dialoges mit der Europäischen Sozialpartnerschaft als einer der Eckpunkte betrachtet wird, um künftighin diesen Europäischen Wirtschaftsraum auch entsprechend kultiviert, sozial ausgewogen und treffsicher zu gestalten. Ich glaube, darauf können wir uns eigentlich etwas einbilden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Und ein Zweites: Ich habe immer gesagt – und ich wiederhole mich hier –, daß die Phase der Budgetpolitik von 1996 bis 1999 als Einheit zu sehen ist. Es ist völlig ausgeschlossen, die Budgetentwicklung – vor allem, wenn es darum geht, auch Strukturen von Ausgaben zu verändern – von einem Jahr auf das andere in die umgekehrte Richtung zu bringen, ohne Eskalationen, in welchem Bereich auch immer, hervorzurufen. Denn jede Veränderung eines Systems von Steuern und Abgaben, aber auch von Förderungen und Transferleistungen, jede Veränderung erzeugt Betroffenheit, Betroffenheit aus der subjektiven Sicht von Menschen, die die Gesamtzusammenhänge, und das durchaus aus guten Gründen, gar nicht erkennen oder auch gar nicht erkennen wollen und müssen. Es ist daher besonders schwierig, einen Weg einer bestimmten Ausgewogenheit, einer bestimmten Verträglichkeit zu suchen und letztendlich auch zu finden.

Ich war daher auch sehr stolz darauf, daß, ohne daß wir darauf im besonderen hingewiesen hätten, auch das EWI in seinem Konvergenzbericht Österreich betreffend dezidiert festgestellt hat, daß besonders bemerkenswert ist, daß die rasche Budgetkorrektur und -konsolidierung der Jahre 1996 und 1997, die zugegebenermaßen mit einer Summe von Einmalmaßnahmen bewerkstelligt wurde, sonst wäre das gar nicht gegangen, in den Voranschlägen 1998 und 1999 durch Maßnahmen einer bestimmten Nachhaltigkeit abgelöst worden ist.

Ich sage aber auch in diesem Hause ganz offen, daß uns das Konsolidierungsergebnis, das wir 1999 verzeichnen können – und ich gehe davon aus, daß wir gesamtstaatlich auf ein Defizit von etwa 2,2 Prozent nach Maastricht kommen werden –, nicht gestattet, uns zufrieden zurückzulehnen. Ich sage das mit aller Deutlichkeit. Wir müssen in einem Prozeß der ständigen Wachsamkeit und der ständigen Überprüfung unserer Ausgaben-, aber auch unserer Einnahmenpositionen jenen Weg finden, der es uns gestattet, langfristig ein Budgetergebnis zu erzielen, das sicherstellt, daß wir auch für den Fall einer wirtschaftlichen Rezession, vielleicht im Jahr 2001 oder 2002, ohne Ad-hoc-Maßnahmen mit unserem Budget leben können.

Das wird eine ganz große Herausforderung sein, der wir uns stellen müssen. Und ich sage auch ganz deutlich – und ich habe das auch schon unmittelbar nach dem Ergebnis der Verhandlungen im Bereich der Familienbesteuerung gesagt –, daß ich gerade in meiner Position als Finanzminister zwei Seelen in meiner Brust habe. Denn – und das wird viel zu selten gesagt – in einer Phase der Konsolidierung derartige Maßnahmen zu setzen, ob das jetzt Transfers sind oder Steuerabsetzbeträge, die ja die gleiche Wirkung haben, nämlich 12 Milliarden Schilling im


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Jahr 2000 zusätzlich auszugeben, um in einem politischen Kompromiß ein in der Tat nicht unwichtiges Problem zu lösen, ist sicherlich nicht einfach.

Meine Damen und Herren von der Opposition, seien Sie mir bitte nicht böse: Selbstverständlich gibt es unterschiedliche gesellschaftspolitische Positionen zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten! Wenn sich zwei Parteien entschließen, in einer Koalition gemeinsam zu regieren, ist es am wichtigsten, daß man bei Vermeidung wechselweiser Überforderung versucht, einen Kompromiß zu erzielen. Und das ist gelungen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich freue mich natürlich sehr, wenn Sie mich stellvertretend für die Sozialdemokraten loben – nein, nicht Sie (auf die Reihen der Freiheitlichen weisend), aber Sie (zur ÖVP gewandt), und wenn Bartenstein stellvertretend für die Christdemokraten gelobt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich hat die Koalitionsregierung hier Erstaunliches für zwei Drittel der Österreicher zuwege gebracht, denn 5 Millionen Menschen wohnen in Familien, die durch diese Maßnahmen positiv beeinflußt sind. Und das ist ein ganz entscheidender Faktor! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es mag schon sein – ja ich bin sogar ganz sicher –, daß Sozialdemokraten allein eine andere Form der Familienbesteuerungsreform gemacht hätten, ebenso auch Christdemokraten allein. Aber das ist nicht entscheidend, sondern entscheidend ist, daß wir dem Grundsatz, jedes Kind ist gleich viel wert, treu geblieben sind. Entscheidend ist, daß es für sozial Schwächere zusätzliche Förderungen gibt, nämlich für Mehrkinderfamilien bis zu einem gewissen Einkommen, und die Negativbesteuerung, die vor allem die Alleinerzieher in ganz besonderem Maße trifft, zum Tragen kommt.

Wenn Soziologen, wenn Gesellschaftsforscher recht haben, dann sind Familien mit vielen Kindern in Gefahr, an die Armutsgrenze zu kommen. Und dann sind vor allem auch Alleinerzieherinnen – das sind ja meistens Frauen – in Gefahr, an die Armutsgrenze zu kommen. Deswegen haben wir dort zusätzlich dazugelegt. Und deshalb ist das Paket ein bißchen groß geworden, aber es ist sozial vertretbar, und dafür stehe ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit aller Konsequenz und mit allem, woran ich in der Politik glaube! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eine letzte Bemerkung: Ich glaube nicht, daß man die Debatte zu den Budgetbegleitgesetzen zur Erläuterung auch gesellschaftlicher Visionen, etwa zu Familie und Ehe und ähnlichem, benutzen soll. Das wird uns sicher noch beschäftigen. Ich habe da meine spezifischen Ansichten, die sicher nicht ganz deckungsgleich sind mit denen des Herrn Familienministers, aber das ist jetzt nicht relevant für die Beschlußfassung des Budgets 1999.

Ich sage Ihnen auch in aller Offenheit: Diese Phase der vierjährigen Budgetkonsolidierung und der Stabilisierung des Konsolidierungszieles auf dem Niveau – zwar Gott sei Dank noch immer leicht degressiv – des Zieljahres 1997, auch projiziert auf 1999, enthebt uns nicht der Verpflichtung, darüber nachzudenken, in welcher Form wir die Steuerreform 2000 über die Bühne bringen, eine Steuerreform, die genaue Antworten darauf gibt, wo wir strukturell verändern müssen, um den Wirtschaftsstandort Österreich in der internationalen Konkurrenz zu verbessern, wo wir auch die sozialen Komponenten der Steuerpolitik berücksichtigen und gleichzeitig die Konvergenzkompatibilität aufrechterhalten müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über den Faktor Arbeit, über die Ökologisierung des Systems ist bereits gesprochen worden. Es ist auch von Tarifkorrekturen gesprochen worden. Gar keine Frage, das alles gehört in diesem Zusammenhang diskutiert, und zusätzlich – ich verweise auf Beispiele etwa von Finanzministern, die das derzeit in Europa diskutieren, Finanzminister, die gar nicht meiner politischen Partei angehören – muß man auch darüber nachdenken, wie man im Zusammenhang mit einer solchen zielgerichteten Steuerreform auch mit der Besteuerung des Kapitals umgeht, nämlich des Veranlagungskapitals und des Investitionskapitals.


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Denn wenn, wie Sie, Herr Abgeordneter Stummvoll, sagen, man bei dem Ziel der Steuerreform die Beschäftigungspolitik nicht aus dem Auge verlieren darf, dann ist es legitim, auch darüber nachzudenken, wie das Kapital, das Beschäftigung produziert, behandelt wird, und wie jenes Kapital behandelt wird, das faktisch nur Renditen bringt. Das gehört in diesen Konnex, das diskutieren wir auch im nächsten halben, dreiviertel Jahr. Und ich bin eigentlich schon sehr froh darüber, daß sich diese Koalitionsregierung dazu entschlossen hat, eine Steuerreform 2000 und nicht eine solche 1999 zu machen. Denn wir wollen keine Steuerreform der Wahlgeschenke, an die ohnehin niemand glaubt, sondern wir wollen eine ehrliche, eine nachhaltige Steuerreform.

Ich weiß schon, daß es angenehmer wäre, den Menschen lauthals alles mögliche zu versprechen, aber dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Ich stehe zur Verfügung in dem redlichen Bemühen, in dieser Regierung, gemeinsam mit allen Kolleginnen und Kollegen der Regierung, eine Steuerreform zustande zu bringen, die den Anforderungen des Wirtschaftsstandortes Österreich, der sozialen Komponente und dem Prinzip der Ausgewogenheit entspricht. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Herr Abgeordneter, Ihr Klub hat noch eine Redezeit von 12 Minuten. – Bitte.

18.37

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Finanzminister Edlinger versucht die Quadratur des Kreises. Es ist immer eine Weihrauchwolke hier herinnen, wenn Regierungsmitglieder sprechen. Es wird dabei übersehen, daß die gesamte Budgetpolitik – Gott sei Dank, muß ich sagen – auch international beobachtet wird und die OECD schon sehr deutlich darauf hinweist, daß diese von Ihnen vorgelegten Budgets doch auch etliche Mängel beinhalten, nämlich Mängel fiskalischer Art.

Aber Sie versprechen ja jetzt eine Steuerreform 2000. Da bin ich neugierig, wie Sie das erfüllen werden, ohne daß Sie die Bevölkerung neuerlich belasten! (Bundesminister Edlinger: Mit Glück!) Das Glück ist ein guter Wegbegleiter für eine wirtschaftliche Konjunkturentwicklung. Sollte es nur einen kleinen ... (Bundesminister Edlinger: Was macht ein Depperter mit dem Glück?) – Ja, ist schon recht, Herr Minister! Ich nehme an, daß Sie kein "Depperter" sind, sonst wären Sie nicht in der Regierung. Zumindest nehme ich das an, obwohl ich hin und wieder bei einzelnen Mitgliedern schon zweifle.

Aber nehmen Sie einmal Stellung zum OECD-Bericht, der sehr deutlich sagt, daß die fiskalischen Notwendigkeiten eigentlich schärfere sein müßten. Nur: Sie trauen sich nicht, weil es ja 1999 Wahlen gibt!

Aber um das "Fest der Familie" in der Regierung vielleicht doch ein wenig – nur ein wenig – zu stören: In der Beilage 1099 findet sich wieder etwas, das beweist, daß man eigentlich nichts dazugelernt hat, sondern der unappetitliche Postenschacher wird noch verfeinert. Es gibt den Staatsschuldenausschuß mit 13 Mitgliedern. Der setzt sich zusammen aus sieben Mitgliedern der einen Regierungspartei und sechs Mitgliedern der anderen. Um die "Effizienz" zu steigern, stellt man jetzt eine parteipolitische Ausgewogenheit her. Das ist sicherlich nicht das, was wir brauchen, Herr Finanzminister! Sie sollten Ihre Zeit für etwas anderes verwenden, als einem derartigen Postenschacher Vorschub zu leisten!

Das zweite: Niemand soll mehr als zehn Aufsichtsratsfunktionen haben. Und jetzt wird es ganz fein: Firmenkonglomerate sollen nicht dazuzählen. Ich frage mich immer ... (Abg. Müller: Wie viele Funktionen hat denn der Herr Prinzhorn?) Schaut, der Unterschied zum Herrn Prinzhorn ist der, daß er in der Privatwirtschaft ein sehr erfolgreich tätiger Mensch ist (Beifall bei den Freiheitlichen), und jene, die Sie in die Aufsichtsräte entsenden, sind alles parteipolitische Günstlinge. (Widerspruch bei


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der SPÖ.)

Und jetzt werde ich Ihnen etwas sagen, weil Sie immer wieder von irgendwelchen dubiosen Entsendungen reden: Ihr Anteil an gestohlenem Gut ist wesentlich höher als von jedem anderen. (Abg. Dr. Nowotny: Was ist jetzt schon wieder? Das ist ja absurd! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie von der SPÖ, Sie, die Abgeordneten der SPÖ, Sie haben mit Ihrem "Konsum"-Debakel 15 000 österreichischen Arbeitnehmern den Arbeitsplatz gestohlen – mit Ihren Freunden im Aufsichtsrat! Das ist Ihre Art von Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.) 15 000 Menschen haben Sie den Arbeitsplatz gestohlen. (Abg. Koppler: Wo denn? Wo denn?)  – Herr Koppler! Von der VOEST reden wir gar nicht, was da einmal war. (Abg. Koppler: Da kannst du schon reden! Davon hast du überhaupt keine Ahnung!)

Die VOEST ist mit dir in ein Debakel geschlittert, 80 000 Arbeitsplätze sind weg. (Abg. Koppler: Kein einziger ist arbeitslos geworden!) Aber das ist völlig egal, Hauptsache, Herr Koppler sitzt hier, hat seinen Dienstwagen, seinen Chauffeur und sein Abgeordnetenmandat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Binder. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.42

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Familienminister! Meine Damen und Herren! Kollegin Madl hat schon recht, die Welt ist Bühne, das Parlament ist Bühne. Ich frage mich nur, welche Rolle zum Beispiel Frau Kollegin Madl oder Herr Kollege Gaugg dabei spielt.

Meine Damen und Herren! Es ist schön, in einem Land zu leben, wo jeder Feste feiern kann. Die einen feiern Feste aufgrund von Verabschiedungen oder von Urteilsverkündungen, wir feiern Feste mit den Familien, mit den Kindern in Wien. Ich finde es schön, daß man das in diesem Land so feiern kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt, den Frau Kollegin Motter angeschnitten hat: Das Thema Armut ist ein sehr ernstes und macht sehr betroffen. Aber ich meine, wir müssen in diesem Zusammenhang, wenn es um die Armut von Kindern geht, von Kindern, die am Rande der Gesellschaft stehen, vor allen Dingen auch davon reden, daß deren Eltern ein geringes oder gar kein Einkommen haben. Darüber müssen wir auch reden.

Da Frau Kollegin Rauch-Kallat aus unserem Entwurf des Parteiprogramms zitierte, vielleicht noch ein Satz zur Ergänzung: Für uns sind das Selbstbestimmungsrecht der Menschen und die soziale Verantwortung entscheidend.

Meine Damen und Herren! Es geht um das Zulassen von verschiedenen Familienformen. Mein Leben entspricht wahrlich nicht dem Muster von dem, wie man sich einen klassischen Familienverband vorstellt. Ich denke, auch das Leben der Frau Rauch-Kallat spielte sich nicht immer im klassischen, ewig dauernden Familienverband ab. (Zwischenruf der Abg. Rauch-Kallat. ) Und deshalb meine ich, daß wir die verschiedenen Formen von Familien, die Menschen wählen, zulassen müssen. Es geht um die Qualität, in der Familien miteinander leben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Wunsch ist oft der Vater des Gedankens, vor allen Dingen, wenn Frau Kollegin Rauch-Kallat meint, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurde umgesetzt. Es wurde nicht umgesetzt, und das hat Kollegin Bures schon ausgeführt. Umgesetzt wurde ein Kompromiß, den Herr Minister Edlinger heute auch sehr klar dargestellt hat, ein Kompromiß der Koalitionspartner: im Sinne der österreichischen Familien und im Sinne der Kinder, denn die Kinder sollten im Zentrum unserer Überlegungen stehen.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Familienpaket können wir einigermaßen zufrieden sein. Was es bedeutet, wurde schon ausgeführt. Ich bin davon überzeugt, daß im Gegensatz zu komplizierten Steuerformen Kinder direkt durch diese Maßnahmen gefördert werden, und auch der sozialen Gerechtigkeit kommen wir damit wieder ein Stück näher.

Der geplante Ausbau von Infrastrukturmaßnahmen wie Kinderbetreuungseinrichtungen und Familienberatungsstellen kann nachhaltig nur von einer Familienpolitik geleistet werden, die den


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Bedürfnissen der Kinder und Familien entgegenkommt. Deshalb bin ich sehr froh über die zusätzlichen Förderungen für Betreuungseinrichtungen, denn diese sind eine wesentliche Unterstützung für die Familien und gewährleisten vor allen Dingen eine qualitative Betreuung unserer Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang weise ich auch auf Presseaussendungen und auch auf eine Anfragebeantwortung von Herrn Minister Bartenstein hin, daß die Förderungsrichtlinien hinsichtlich der Vergabe der Kindergartenmillionen neu erstellt und überarbeitet werden. Denn die logische Fortsetzung von Ganztagskindergärten ist die Nachmittagsbetreuung von Schulkindern. Ein kleines Beispiel aus der Stadt Amstetten: Hier wurde durch eine Initiative von Frauen ein Trägerverein gefunden, der einen Hort errichten möchte. Auf die Beantragung von Förderungsmitteln wurde ein negativer Bescheid des Landes Niederösterreich erlassen, obwohl im § 6 des Kinderbetreuungsgesetzes festgehalten ist, daß es für die Errichtung diesbezüglicher Einrichtungen Förderungen gibt. Laut Aussagen des zuständigen Beamten ist das aber totes Recht.

Deshalb, so denke ich, meine Damen und Herren, kann das nicht der Weisheit letzter Schluß sein, und ich vertraue auf das Wort des Herrn Ministers, daß in Zusammenarbeit mit den Ländern die Erfahrungen in die Richtlinien einfließen und diese überarbeitet werden.

Meine Damen und Herren! Es gilt, Lücken in der Kinderbetreuung zu schließen.

Familienpolitik ist mehr als finanzielle Unterstützung und mehr als finanzielle Förderung der Familien. In Zukunft sollen nicht nur die Kosten, die den Eltern durch ihre Kinder entstehen, sondern vor allem die Qualität der Betreuungseinrichtungen und, was mir vor allen Dingen sehr wichtig ist, die Förderung der Qualität der Beziehung von Eltern zu ihren Kindern im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und der öffentlichen Diskussion stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.48

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Bundesminister! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Beschlußfassung der Familiensteuerreform hat zwar heute alle möglichen Bezeichnungen bekommen, aber eines, glaube ich, müssen wir schon betonen: Die Betroffenen, nämlich immerhin über 1,8 Millionen Kinder und deren Eltern, sind diejenigen, die sich wirklich über diese neuen Rahmenbedingungen, die wir heute schaffen und beschließen, freuen können. Darüber sollen wir uns freuen, das können wir feiern, wer immer daran mitwirkt. Nicht diejenigen, die kritisieren, sondern diejenigen, die das mit beschließen, schaffen die neuen Bedingungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweitens: Kritik ist immer notwendig, besonders wenn es sich um einen Wettbewerb an besseren Ideen handelt, denn niemand hat die Weisheit mit dem Löffel gefressen. Wenn ich aber manchmal nur ein Gejammere höre, daß alles schlecht sei, dann möchte ich Ihnen eines sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Damit wird die Qualität der Politik nicht besser, das sollten wir uns alle merken! (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens: Ich möchte die Dimension dieses Paketes jetzt nicht im einzelnen nochmals wiederholen, aber eines ist klar, nämlich daß wir wahrscheinlich nicht so schnell zu dieser Reform gekommen wären, hätte es nicht Menschen gegeben, die sich gewehrt haben.

Ich habe es als äußerst positiv empfunden, daß diese Personen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht haben, denn dadurch ist der gesamte Reformprozeß beschleunigt worden. Natürlich war ich und sind viele von uns enorm froh gewesen, daß durch die Verhandlungen soviel bewirkt werden konnte, aber eines ist klar, nämlich daß wir das Ganze natürlich im Zusammenhang mit der großen Steuerreform des Jahres 2000 zu sehen haben. Dazu haben wir uns bekannt, weil die Entlastung der Familien in steuerpolitischer Hinsicht für uns ein wesent


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licher Eckpunkt ist, und 12,6 Milliarden Schilling sind kein Klacks – das möchte ich den Kritikern sagen –, sondern das ist ein ganz wesentliches Paket. Immerhin handelt es sich um 6 000 S pro Kind und Jahr. Das ist ein Riesenschub, ich würde sagen, der große Wurf für die Familien, den wir in diesem Jahrzehnt geschafft haben. Und ich glaube, alle, die nur irgendeinen Beitrag dazu geleistet haben, sollten sich darüber freuen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Familienpolitik ist natürlich nicht nur materielle Politik, und ich glaube, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist etwas, was wir uns in den verschiedenen Dimensionen umso stärker ans Herz legen müßten, woran wir stärker arbeiten müssen – egal, ob das die flexiblen Arbeitszeiten sind, ob dies die qualifizierte Teilzeitarbeit ist, ob das Unterstützungen beim Wiedereinstieg der Mütter oder der Väter in den Beruf sind, ob es Möglichkeiten des Job-sharing sind und so weiter und so fort. Ich glaube, da gibt es sehr, sehr viel an qualitativer, ideenmäßiger Arbeit, die wir, um ein familienfreundliches Klima erzeugen zu können, leisten müssen.

Aber folgendes können wir sagen: Wenn wir diesen großen Schritt als Bestandteil der gesamten großen Steuerreform heute setzen, dann ist es ein bewußter Schritt, ein Schritt, wo wir sagen können, das ist verwirklichter politischer Wille, der in den Budgetzahlen eindeutig erkennbar ist. Wir haben uns zur Entlastung der Familie bekannt, wir sagen ein klares Ja zur Familie, wir stellen eine Lobby für die Kinder dar, weil die Kinder unsere Zukunft sind. (Beifall bei der ÖVP.)

18.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Grabner: Endlich einmal ein Gescheiter! – Heiterkeit.)

18.53

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich möchte mich mit jenen Familien beschäftigen, die studierende Kinder haben. Wir haben ja auch eine Novelle zum Studienförderungsgesetz vorliegen. Im wesentlichen weiß dieses Haus, worum es hier geht, nämlich daß jene Studierenden, die eine Studienförderung beziehen, würden wir diese Novelle nicht machen, im Prinzip nichts aus dieser Familienförderung herausbekämen. Die Gespräche, die mit den Ministern dazu geführt wurden, sind äußerst positiv verlaufen. Das Problem wurde eingesehen, und wir haben daher diese Novelle zu beschließen. Es ist eine befristete Beschlußfassung vorgesehen, weil sich dieses Hohe Haus im heurigen Jahr noch einmal mit einer wirklich größeren Novelle zur Studienförderung beschäftigen soll, wo es um gewisse Systemumstellungen insgesamt geht.

Es ist das Ziel, kostendeckende Höchststipendien zu erreichen für jene, die tatsächlich ausschließlich davon abhängig sind, um zu verhindern, daß ein hohes Maß an Berufstätigkeit das Studium verzögert. Weitere Ziele sind eine stärkere Förderung berufstätiger Studierender und jener im zweiten Bildungsweg, die Berücksichtigung von Zusatzausgaben wie beispielsweise für weite Fahrten, die zurückzulegen sind, eine erweiterte Förderung von Auslandsstipendien und dergleichen mehr. Es handelt sich also um eine ganze Reihe von Punkten, und ich darf jetzt schon ankündigen, daß wir, wenn wir dieses Paket dann zur Beschlußfassung im Haus vorliegen haben, für die Studierenden noch einmal einen wirklich wichtigen Schritt setzen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ .)

18.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.55

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es wäre ganz einfach, eine kurze Rede zu halten und zu sagen, dem, was beide Minister gesagt haben, ist hundertprozentig beizupflichten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums.) Trotzdem, meine Damen und Herren, einige Sätze dazu.


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Ich habe mich gefreut – es dürfte sich dabei um kein Gerücht handeln –, daß heute einige Oppositionsabgeordnete Schwierigkeiten gehabt haben, bei dem, was von den beiden Ministern gesagt wurde, nicht klatschen zu können, weil sie in Wirklichkeit dem, was diese heute zur Familie gesagt haben, wenn sie ehrlich sind, auch beipflichten müßten.

Meine Damen und Herren! Daß dieses großartige Paket möglich wurde, ist der hervorragenden Finanzpolitik, der Wirtschaftspolitik, der steigenden Konjunktur und den politischen Rahmenbedingungen zu verdanken. Dieses Familienpaket im Umfang von 12 Milliarden Schilling ist ein Meilenstein in der politischen Geschichte unseres Landes. Genau sind es 12,6 Milliarden.

Aber zum Abschluß noch eine Bitte an dich, Herr Bundesminister Bartenstein: Es sollten zumindest Überlegungen angestellt werden, wie man die Problematik der Ungerechtigkeit bei der Schulbusfreifahrt zwischen Stadt- und Landkindern einer Lösung zuführen könnte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich bitte dich dringend darum, für eine gerechtere Lösung Sorge zu tragen. Es ist nicht verständlich, daß man in der Stadt bei der nächsten Haltestelle zusteigen kann und man den Kindern auf dem Land drei Kilometer bis zur nächsten Haltestelle oder eine Stunde Wartezeit zumutet. Das kann auf Dauer nicht so sein. Ich bitte daher, auch in diesem Fall einen Meilenstein zu setzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steindl zu Wort. Gleichfalls 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.57

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Hohes Haus! Herr Minister! Zu drei Punkten möchte ich Stellung nehmen. Es ist ja heute schon sehr viel gesagt worden.

Punkt 1 – die Familienbesteuerung, das Herzstück dieses Gesetzeskonvolutes: Hier gibt es zweifellos einen Erfolg der Regierung, und ich danke auch unserem Familienminister Bartenstein, der sich für die ÖVP couragiert eingesetzt hat. Warum Erfolg? – Weil eben 30 Prozent mehr Geld für Familienleistungen zur Verfügung stehen, weil das wirklich ein einmaliges Vorzeigebeispiel innerhalb der EU ist, Österreich zu den familienfreundlichsten Ländern der Welt zählt und weil dadurch kinderreiche Familien auch steuerlich entlastet werden.

Punkt 2 – ein Hinweis zum Finanzausgleichsgesetz: Es stehen 1,2 Milliarden Schilling für Kinderbetreuungseinrichtungen, gefördert von Bund und Land, zur Verfügung. Das ist die zweite Tranche. Als Bürgermeister bin ich dafür, Herr Minister, sehr dankbar, denn die Gemeinden sind ja die Kindergartenerhalter. Ich selbst bin als Bürgermeister in meiner Stadtgemeinde in den Genuß einer ersten Tranche gekommen. Wir können stolz darauf sein, daß wir im Burgenland diesbezüglich einen Versorgungsgrad von über 90 Prozent haben. Das ist österreichweiter Rekord. Es geht jetzt um Verfeinerungen bei den Öffnungszeiten, darum, daß man dementsprechend mehr Qualität anbietet.

Und der dritte und letzte Punkt, nämlich die Änderung des Studienförderungsgesetzes: Das war zweifellos nach Bekanntgabe der Reformabsicht immer ein Anliegen unseres Wissenschaftssprechers Dieter Lukesch, nämlich daß mit der Erhöhung der Familienbeihilfe die Studienförderung nicht gekürzt werden darf. Es sind zirka 27 000 Studierende, die auf diese Studienbeihilfe angewiesen sind.

Wir können daher diesem Budgetbegleitgesetz mit Recht unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP .)

19.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Sonja Moser. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.00

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Europa muß sich als Einheit bewähren und Reformen bewältigen.


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Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wir wollen die Europäische Union erweitern. Wir führen eine gemeinsame Währung ein. Wir wollen ein gemeinsames Sicherheitssystem schaffen. Europa muß sich also als starke Einheit zeigen, leistungsfähiges Gegengewicht sein zu den USA und dem asiatischen Raum.

In einer Welt der zunehmenden Globalisierung wird sich Europa nur dann behaupten können, wenn es als starke Einheit auftritt, und dafür ist und bleibt die zentrale und wichtigste Gemeinschaft der modernen Gesellschaft die Familie. Selbstverständlich geht es dabei um das Einkommen der Familien. Wir wollen materiell abgesicherte Familien. Es wäre aber auch eine völlig unzulängliche Verkürzung der Tatsachen, zu glauben, wir kämpfen nur für eine steuerliche Entlastung der Familien. Ich muß die Dimensionen nicht nochmals ausführen, sie wurden heute schon deutlich dargestellt. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Nur, wäre unser Bundesminister Dr. Bartenstein nicht ein harter Kämpfer und wäre er nicht sehr sportlich im "Ideologiengraben" 13 Monate schwimmend unterwegs gewesen, dann hätten wir nicht dieses Ergebnis für die Familien erreicht (Beifall bei der ÖVP) , nämlich eine steuerliche Entlastung von 12,6 Milliarden Schilling!

Für mich lassen sich Kinder nicht auf Verursacher von Armut reduzieren oder auf Störenfriede in der Lebens- und Karriereplanung. Familien haben nur dann Zukunft, wenn wir sie emotional stärken – schlicht und einfach deshalb, weil unsere Kinder in glücklichen und stabilen Verhältnissen heranwachsen sollen. Wir müssen daher gesellschaftspolitisch signalisieren, daß Kinder und Familien willkommen sind.

Familien brauchen Zeit füreinander, damit sie ihre Beziehungen entfalten und ihre Aufgaben wahrnehmen können. Daher mein Appell auch an die Wirtschaft, gut funktionierende Betriebsvereinbarungen zur Entlastung der Frauen und Familien zu dokumentieren und zwecks Anregung und Bewußtseinsbildung vermehrt in die Öffentlichkeit zu bringen und zugänglich zu machen. Es sind immerhin bereits 600 bis 700 Betriebe, die freiwillig an der Aktion "Taten statt Worte" mitmachen.

Auf die Bewußtseinsbildung kommt es auch auf europäischer Ebene an. Ich darf hier mit Stolz erwähnen, daß das Österreichische Institut für Familienforschung eine europäische Beobachtungsstelle für Familienpolitik für die nächsten sechs Jahre geworden ist. Es hat sich unter 17 Mitbewerbern aus ganz Europa durchgesetzt und soll nun die Entwicklung der Familienstruktur und der Lebensgewohnheiten darstellen und darüber informieren. Es geht auch um die Vergleichbarkeit der nationalen Familienpolitik, zum Beispiel um die Besteuerung von Familien.

Die Beobachtungsstelle besteht aus einer Koordinationsgruppe, die vernetzt Wissenschaft, Politik und Verwaltung auf EU-Ebene darstellt. Wir können durch die Sichtbarmachung von Kinderinteressen einerseits weiteres Konfliktpotential zu bereits bestehenden Bruchlinien in der Familienpolitik darstellen, ihr aber auch andererseits nahetreten und Hilfestellungen und Lösungen anbieten.

Mein letztes Anliegen ist eine Art Schattenboxen, nämlich Familie und Ehe in der Verfassung zu verankern und dort zu schützen. Es gibt das bereits in 13 von 15 EU-Ländern, es ist also praktisch vergleichbar. Finanzpolitisch, hörten wir, kommt eine Doppelförderung von weggeschiedenen Eltern für uns nicht in Frage. Strukturell ist es ein tief verwurzeltes Basisbedürfnis von Kindern, eine Beziehung auf Dauer genießen zu können. Ich darf hier Tony Blair zitieren, der sagte: Children with two parents have a head start into their lives. (Beifall bei der ÖVP.)

19.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. Gleichfalls 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.05

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Finanzminister hat darauf hingewiesen, daß der im Jahre 1996 begonnene Konsolidierungskurs im Jahre 1997 erfolgreich fortgeführt und die


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Neuverschuldung auf 2,7 Prozent des BIP reduziert wurde. Dieser erfolgreiche Konsolidierungskurs wird auch in den kommenden Jahren 1998 und 1999 fortgesetzt werden.

Vor allem sollen Reformmaßnahmen das starke Wachstum bei bestimmten Ausgaben einbremsen, den Staat schlanker und effizienter machen. Dabei steht die soziale Verteilergerechtigkeit und Ausgewogenheit weiterhin im Vordergrund. Andererseits sollen Impulse zur Sicherung von Beschäftigung und zur Förderung unseres Wirtschaftsstandortes gesetzt werden.

Sehr verehrte Damen und Herren! Heute stehen das Budgetbegleitgesetz 1998 auf der Tagesordnung und die Familie, das Familienpaket im Vordergrund. Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zum Umweltförderungsgesetz, weil dieses Umweltförderungsgesetz für die Arbeitsplätze im ländlichen Raum und für die Gemeinden besonders wichtig ist.

Mit einem jährlichen Budget von 3,9 Milliarden Schilling ist die Siedlungswasserwirtschaft der bedeutendste Förder- und Investitionsbereich. Wie schon 1997 ist mit dem zu beschließenden Budgetbegleitgesetz 1998 eine Sondertranche in Höhe von 1 Milliarde Schilling an Barwertförderung für den Wasserbau vorgesehen. Es stehen somit im Jahr 1998 insgesamt 4,9 Milliarden Schilling an Förderbarwert zur Verfügung, und diese 4,9 Milliarden Schilling lösen ein Investitionsvolumen von 14 Milliarden Schilling aus. Die Bauzeit in der Wasserwirtschaft beträgt im Schnitt zwei bis drei Jahre. Nach Schätzungen beträgt der durchschnittliche Beschäftigungseffekt in diesem Bereich pro 1 Milliarde Schilling 1 000 Arbeitsplätze. (Abg. Mag. Peter: Was passiert mit den Kanalgebühren? – Sie explodieren!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Förderung der Siedlungswasserwirtschaft 1998 bedeutet daher die Sicherung von rund 14 000 Arbeitsplätzen. (Beifall bei der ÖVP.) 14 000 Arbeitsplätze bedeuten eine Stärkung der regionalen Wirtschaft. Eine Stärkung der regionalen Wirtschaft bedeutet selbstverständlich eine Steigerung der Wertschöpfung, und eine Steigerung der Wertschöpfung zusätzliche Investitionen – und so schließt sich dieser Kreis.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Budgetbegleitgesetz werden wichtige Voraussetzungen für die Zukunft geschaffen. Wir stimmen diesem Gesetzentwurf sehr gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

19.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.08

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die beste Investition, die wir in unserer Generation tätigen können, ist, in unsere Kinder zu investieren, denn das ist zugleich eine Investition in die Zukunft. (Abg. Dr. Khol: Das tun wir alle, und sehr viel: Zeit und Geld!)

Es wurde heute von seiten der Oppositionsparteien versucht, diese 12,6 Milliarden Schilling, die den Familien ab dem Jahr 2000 zur Verfügung stehen werden, herunterzuspielen. Ich muß sagen, daß wir uns sehr über diesen Erfolg freuen, und ich schließe mich hiermit allen Danksagungen an, weil ich tatsächlich glaube, daß uns in diesem Fall über die Steuergesetzgebung eine Maßnahme für die Familien gelungen ist, die ein Jahrhundert- oder zumindest ein Jahrzehntewerk ist. Darüber sollten wir uns freuen.

Die Familien und die Kinder sind die Gewinner bei dieser Maßnahme. Ich freue mich sehr, daß ich auf der Anzeige der SPÖ die Überschrift einer 14 Tage zurückliegenden Presseaussendung von mir wiederfinde: Die Kinder sind die Gewinner. Und ich bin fest davon überzeugt, daß dem auch so ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich, daß wir gerade die mittelständischen Familien und auch die Mehrkindfamilien unterstützen können, denn die Mehrkinderstaffelung war stets das Anliegen der Österreichischen Volkspartei. Damit jedes Kind gleich viel wert ist, soll eine unterschiedliche Förderung ge


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geben werden, in dem Fall nach Zahl und Alter der Kinder, weil das aus unserer Sicht die gerechteste Form der Unterstützung für die Familien ist.

Ich möchte noch einmal hervorheben – ich glaube, der Herr Bundesminister hat es schon gesagt –, daß bei geringer Steuerleistung der Alleinerzieher beziehungsweise Alleinverdiener den Absetzbetrag bar auf die Hand bezahlt bekommt. 6 000 S mehr pro Kind – 62 Prozent der Familien haben zwei oder mehr Kinder, für sie sind es 12 000 S oder jeweils 6 000 S mehr Unterstützung pro Kind – sind ein ganz wesentlicher Beitrag für Österreichs Familien.

Lassen Sie uns nicht vergessen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß auch der Finanzminister letztendlich profitiert, denn dieses Geld kommt zu ihm zurück, wahrscheinlich sogar in vielfachem Ausmaß, denn die Familien sind Konsumenten, und sie verkonsumieren das Geld in Österreich, in unserem Lande, und stecken es faktisch wieder in den Wirtschaftskreislauf. Somit wird sich dieses Geld auch noch im besonderen Maße vermehren.

Wichtig ist auch eine gute Infrastruktur für die Familien. Es sollen die 600 Millionen Schilling, die für die Kinderbetreuung zur Verfügung stehen, nicht unerwähnt bleiben. Ich glaube, es ist wichtig, daß – und so haben wir uns ja auch beim Frauen-Volksbegehren verstanden – dieses Geld Kindern zugute kommt, die unter vier und über sechs Jahre alt sind und außerfamiliäre Betreuung brauchen.

Ich meine, es hat sich dieses Budgetbegleitgesetz, das natürlich auch noch andere Inhalte hat, eigentlich den Namen "Familienbegleitgesetz" verdient. (Beifall bei der ÖVP.)

19.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Ellmauer. Gleichfalls 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.13

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Budgetbegleitgesetz werden zirka 20 Artikel beschlossen. Vom Inhalt her sind diese – das wurde heute schon ausgeführt – natürlich sehr unterschiedlich, doch alle diese Novellen haben ein gemeinsames Ziel: Die Budgetkonsolidierung wird fortgesetzt.

Für die Bevölkerung am meisten spürbar ist das Familienpaket. Es bedeutet einen weiteren entscheidenden Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit für Familien. Dem Verlangen des Verfassungsgerichtshofes, Unterhaltspflichtige steuerlich mehr zu entlasten, wurde mit diesem Familienpaket teilweise Rechnung getragen. Insgesamt werden für Familien 12,6 Milliarden Schilling zusätzlich vorgesehen. Die Beibehaltung der Mehrkinderstaffel in vollem Umfang war der Volkspartei und mir im besonderen sehr wichtig, da Familien mit mehreren Kindern erfahrungsgemäß größere finanzielle Lasten zu tragen haben.

Herr Bundesminister! Ich darf dir an dieser Stelle ein Danke dafür sagen, daß du so hartnäckig verhandelt hast und daß das gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und unser Wille, von Anfang an beim Euro dabeizusein, verpflichtet uns, die Konvergenzkriterien auch in Zukunft einzuhalten. Das verpflichtet uns auch zu einer vernünftigen Steuer- und Staatsschuldenpolitik. Die Zeiten, in denen die Steuergelder mit beiden Händen ausgegeben werden konnten und sich der Staat übermäßig verschuldet hat, sind endgültig vorbei. Eine hohe Verschuldung führt in allen Bereichen – egal, ob bei Staat oder bei privat – früher oder später zur Armut. Deshalb beschlossen die Regierungsparteien in den letzten Jahren Sparmaßnahmen.

In diesem Zusammenhang mache ich auf folgendes Problem aufmerksam: Das vorgesehene Budgetdefizit beträgt 70,1 Milliarden Schilling – das sind 2,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes –, was sicherlich ein respektables Ergebnis ist. Diese Feststellung sagt aber nichts aus über unser eigentliches Problem, die Altschulden. Nach Schätzungen vom März dieses Jahres beträgt die Gesamtschuld des Bundes 1998 knapp 1 544 Milliarden Schilling, und wir zahlen


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heuer etwa 95 Milliarden Schilling an Zinsen. Der durchschnittliche Zinssatz beträgt somit 6,2 Prozent. Aus der Praxis als Bankdirektor weiß ich natürlich, daß derzeit der durchschnittliche Zinssatz für Investitionskredite für Gewerbebetriebe unter 5 Prozent liegt. Mit anderen Worten heißt das: Der Bund ist zu teuer finanziert. Bei einer Reduzierung der langfristigen Zinsen um etwa 1,2 Prozent wäre die Zinsbelastung für den Bund um 19 Milliarden Schilling jährlich geringer.

Diese 19 Milliarden Schilling würden uns natürlich Spielraum für die Steuerreform 2000 geben, aber auch Investitionsförderungen erleichtern. Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß die Finanzierung der Bundesschuld nicht von heute auf morgen umgekrempelt werden kann. Und obwohl wir im Vergleich der europäischen Länder gut liegen, bin ich trotzdem der Meinung, daß wir hier verstärkt aktiv werden müssen. Unser Ziel muß daher sein, die derzeitigen Finanzierungsformen zu ändern. Wir müssen versuchen, unter Berücksichtigung des Kapitalmarktes günstigere Konditionen zu erreichen. Zu einem wohlhabenden Land gehören auch gesicherte Finanzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin deshalb froh darüber, daß der Finanzminister ein gutes Budget vorgelegt hat. Meine Fraktion und ich werden daher diesem Budgetbegleitgesetz gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kröll. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.17

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr gerne haben sich heute viele von uns hier mit einem Anstecker als Lobby für Kinder ausgewiesen. Wir sind in der Tat – das ist an vielen Beispielen nachweisbar – in der Kommunalpolitik, in den Ländern und auch im Bund eine echte, ja die Familienpartei. Und daher sind wir auf der Seite jener, die sich heute zu Recht wirklich von innerstem Herzen freuen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Vorredner von der Österreichischen Volkspartei haben schon darauf hingewiesen, welch wichtigen Stellenwert die Familie in Österreich für uns einnimmt. Ich freue mich, daß uns mit diesem Familienpaket ein wirklicher Durchbruch gelungen ist, und ich danke allen Beteiligten. Insbesondere und allen voran danke ich aber unserem steirischen Familienminister Dr. Martin Bartenstein für seinen langen Atem und den richtigen Weg zu einem richtigen Ergebnis. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Familienpolitik war und ist stets ein Schwerpunkt der Regierungs- und Gesellschaftspolitik der Österreichischen Volkspartei unter Wolfgang Schüssel in diesem Land. Und aus Sicht der Gemeinden ist die Investition von 12,6 Milliarden Schilling, die nun für die Familien bereitgestellt wird, ein besonders spürbarer finanzieller Beitrag, der auch ausgegeben werden kann: als Kaufkraft in den Orten, in den Regionen für die klein- und die mittelständische Wirtschaft. Das ist auch nicht zu unterschätzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für uns von der Österreichischen Volkspartei war immer klar, daß es uns um alle Familien geht: nicht nur um AlleinerzieherInnen mit einem Kind – um sie auch –, sondern auch um die Großfamilien mit mehr Kindern. Diese liegen uns sehr am Herzen.

Es haben Herr Minister Bartenstein und auch der Herr Finanzminister dargelegt, daß es auch ein Teil der Konsolidierung der Staatsfinanzen, der Budgetpolitik ist, daß wir eine vorgezogene Steuerreform den Familien zukommen lassen. Das heißt aber nicht, daß wir mit der Konsolidierung am Ende sind, sondern wir sind weiterhin alle gefordert – der Bund, die Länder und die Gemeinden –, längerfristig gemeinsame konsolidierte Budgetpolitik zu machen, denn davon haben die Familien langfristig am meisten.


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Die sozialen Komponenten bei Mehrkindfamilien werden durch dieses Modell verstärkt. Oft genug ist die bedenkliche Situation von Mehrkindfamilien bereits seitens der Volkspartei angesprochen worden. Das Armutsrisiko einer Familie mit drei Kindern ist fünfmal so groß wie das von kinderlosen Paaren. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß man da politisch besondere Schwerpunkte zu setzen hat.

Nun wird eine neue Mehrkinderstaffel für einkommensschwächere Familien eingeführt. So wird für Mehrkindfamilien ab dem dritten und für jedes weitere Kind ein Mehrkinderzuschlag gewährt werden. Im Jahr 1999 soll dieser für jedes dritte und weitere Kind 200 S monatlich, ab dem Jahr 2000 400 S monatlich betragen. Es ist in Ordnung, wenn der Familienlastenausgleichsfonds in Zukunft für Familien mit mehr als drei Kindern pro Kind unter der Einkommensgrenze von 42 000 S brutto 400 S dazuzahlt. Der Mehrkinderzuschlag, die Mehrkinderstaffel soll als einkommensbezogene Leistung gestaltet werden. Dadurch sollen die Familien unter Bedachtnahme auf ihre finanzielle Lage und deren Kinderanzahl sozial gerecht und gezielt gefördert werden.

Als weiteren Schwerpunkt im Familienpaket begrüße ich gerade als Bürgermeister besonders die "Kinderbetreuungsmilliarde", gewährt durch 600 Millionen vom Bund und weitere 600 Millionen von den Ländern, und weise auf die großen Leistungen der Gemeinden hin, die sie zusätzlich zu diesen Leistungen erbringen: durch die Bereitstellung von neuen Kindergartenplätzen, aber auch durch Kinderbetreuungsmodelle. Hier wird man den Bedürfnissen der Bevölkerung in großem Maße gerecht.

Verehrte Damen und Herren! Hohes Haus! 12 Milliarden mehr für Österreichs Familien heißt 12 Milliarden Schilling mehr Kaufkraft, das heißt, daß es 5 Millionen Österreichern besser geht. Daher freue ich mich, daß sich der Einsatz der Volkspartei gelohnt hat. Herr Familienminister! Geschätzte Damen und Herren und Kollegen des Hohen Hauses! Ich glaube, uns alle soll es freuen, daß es einen großen Sieger gibt, nämlich die Familien und die Kinder. (Beifall bei der ÖVP.)

19.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Herrn Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren, ihren jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1161 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Mag. Trattner vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen daher zur getrennten Abstimmung über Art. II und XVI in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Ich komme weiters zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.


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Im Fall Ihrer Zustimmung bitte ich auch hier um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist abermals die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Falls Sie dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht durch die Mehrheit. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1162 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen.

17. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1096 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (BFG-Novelle 1998) (1163 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1097 der Beilagen): Budgetüberschreitungsgesetz 1998 – BÜG 1998 (1164 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 17 und 18 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Restredezeit Ihres Klubs: 8 Minuten. – Bitte.

19.25

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es ist bis jetzt immer üblich gewesen und auch im Interesse der Bundesregierung, daß im Fall von Privatisierungen die ÖIAG eingeschaltet wurde. Jetzt haben wir den Fall der Köflacher Eisenbahnbetriebsgesellschaft, die im Eigentum der ÖIAG ist und deren Konzession per 31. Dezember ausläuft. Jetzt will man den umgekehrten Weg gehen, und zwar, daß man von der ÖIAG wieder an den Bund, an das Verkehrsministerium verkauft und dann nach jemandem sucht, der eine Privatisierung vornehmen soll, und vielleicht landet diese Gesellschaft dann wieder bei der ÖIAG.

Herr Staatssekretär! Einerseits ist in der Regierungsvorlage 1099, die wir gerade behandelt haben – wir haben im Ausschuß auch schon darüber gesprochen –, verankert, daß dieser Bereich vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr unentgeltlich zu übernehmen ist. In der Regierungsvorlage 1096 gibt es aber einen Betrag in der Höhe von 1,8 Milliarden Schilling an Zahlungen für die Graz-Köflacher Eisenbahn- und Bergbau GmbH. Was stimmt jetzt? Stimmt


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jetzt die Regierungsvorlage 1099, daß es unentgeltlich sein soll, oder stimmt die Regierungsvorlage 1096, daß 1,8 Milliarden Schilling an Vorsorge getroffen werden müssen?

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß es laut einer schriftlichen Anfragebeantwortung auf eine Anfrage an den Verkehrsminister eigentlich keine Notwendigkeit wäre, diese Gesellschaft von der ÖIAG wegzugeben beziehungsweise an das Bundesministerium für Verkehr zu übertragen. Da steht ganz deutlich: Derzeit gibt es Interessenten für einen Konzessionär beziehungsweise Eigentümer. – Es haben sich schon mehrere in- und ausländische Interessenten gemeldet.

Herr Staatssekretär! Was soll das? – Das Verkehrsministerium sagt, es gibt Interessenten, im Finanzministerium gibt es keinen Interessenten dafür. Im Finanzministerium will man diese Gesellschaft von der ÖIAG wegverlagern und 1,8 Milliarden Schilling dafür aufwenden. Was soll diese Privatisierungsstrategie? Wollen Sie privatisieren? – Dann lassen Sie diese bei der ÖIAG, wenn dort die Alleskönner sind! Ansonsten bekennen Sie sich einfach dazu, daß Sie nicht mehr privatisieren wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen)

Herr Staatssekretär! Ich erwähne in diesem Zusammenhang – das wäre ein Anlaß für eine schriftliche Anfragebesprechung – eine Anfrage der Kollegin Kammerlander von den Grünen. Sie fragt wegen dieser Graz-Köflacher Eisenbahn- und Bergbau GmbH unter anderem an: Durch den starken Personalabbau bei der GKB klafft im Pensionsinstitut der österreichischen Privatbahnen eine Finanzierungslücke. Wie soll die Bedeckung dieser Finanzierungslücke erfolgen? Wie hoch ist die finanzielle Unterstützung, die seitens des Bundes zugesagt wurde? Welche sonstigen Vereinbarungen wurden getroffen, um Pensionen zu sichern?

Die Antwort lautete: Der Personalabbau bei der GKB war aufgrund der jährlichen hohen Verluste des Eisenbahnbetriebes unabhängig von jeder Eigentümerschaft unverzichtbar. – Das ist in Ordnung. – Wie die dadurch beim Pensionsinstitut für Verkehr entstandene Finanzierungslücke geschlossen werden kann, ist eine Frage, die nicht im Entscheidungsbereich des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, sondern in jene des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales fällt.

Diese Anfragebeantwortung ist vom 29. April. Wir haben die Regierungsvorlage, laut der 1,8 Milliarden Schilling aufgebracht werden müssen, von Ende März vorliegen. Da sollten die Regierungsämter untereinander schon ein bißchen "koalieren", damit nicht der eine das und der andere etwas anderes sagt. Wenn eine Anfrage gestellt wird und die Möglichkeit besteht, aufgrund dieser Regierungsvorlage diese Frage zu beantworten, dann soll man das auch tun.

Im Zuge dieser Debatte betreffend diese BFG-Novelle 1998 gibt es aufgrund des hohen Steuerdrucks in Österreich ein Problem mit der Steuer- und Abgabenquote in der Größenordnung von 45,7 Prozent für das Jahr 1996. Wir wissen ganz genau, daß die Oesterreichische Nationalbank aufgrund der Neubewertung der valutarischen Differenzen rückwirkend 10 Milliarden Schilling lukriert hat. Das ist recht gut und schön, somit hat der Finanzminister ein Körberlgeld, damit er sein Budget wieder herstellen kann. Aber das hat nichts mit einer erfolgreichen strukturellen Budgetpolitik zu tun, sondern das ist einfaches Löcherstopfen.

Wir aber wollen diese 10 Milliarden Schilling in einer Rücklage für eine Steuerreform haben, womit die kalte Progression für die österreichischen Einkommensbezieher beseitigt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deswegen stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Trattner, Böhacker und Kollegen betreffend Bildung einer Rücklage aus den Mehreinnahmen der OeNB

 


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"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen sechs Wochen Gesetzentwürfe vorzulegen, wodurch die Mehreinnahmen aus der OeNB einer Rücklage zugeführt werden, die für Zwecke einer progressionsmindernden Steuerreform gebildet wird."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt, steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sigl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.30

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Trattner, ein ehemaliger Kollege von Ihnen, Kollege Rosenstingl, hat hier als Politiker vor zwei Jahren das Angebot gemacht, die Mariazeller-Bahn um 1 S zu kaufen. Ich empfehle Ihnen, machen Sie jetzt einen Antrag für die Graz-Köflacher, und wir werden mitbieten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Mit dieser von uns heute zu behandelnden Gesetzesvorlage reagiert die Bundesregierung auf Entwicklungen, die bei der Erstellung des Bundesvoranschlages 1998 nicht voraussehbar beziehungsweise zahlenmäßig nicht abschätzbar waren. Diese nunmehr aktuell gewordenen Veränderungen bedingen Überschreitungen bei verschiedenen Voranschlagsätzen des Bundesvoranschlages 1998.

Das Budgetüberschreitungsgesetz 1998 sieht saldenneutrale Umschichtungen im Gesamtausmaß von rund 2,5 Milliarden Schilling vor. Diese Gesamtüberschreitungsbeträge können aufgrund von Ausgabeneinsparungen durch Mehreinnahmen und durch Rücklagenauflösungen bedeckt werden. Zusätzlich damit bleibt auch das veranschlagte Defizit des Bundesvoranschlages 1998 unverändert.

Der Großteil des Überschreitungsbetrages wird für die Tilgung von Forderungen der Autobahn- und Schnellstraßenfinanzierungsgesellschaft gegen den Bund anfallen. Die übrigen Überschreitungen sind durch vertragliche Verpflichtungen und durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel zur Fortführung der Verwaltungstätigkeiten bedingt. So resultieren die weiteren Mehraufwendungen aus Verwaltungsreformen, der Euro-Umstellung und EDV-Aufwendungen im Finanzressort sowie aus höheren Aufwendungen der Bundesgendarmerie für Sicherheitskontrollen auf den Flughäfen Graz und Linz. Ebenfalls fallen im Jahr 1998 Mehrausgaben bei der Exekutive, Gendarmerie und Polizei aufgrund der Telekommunikationsgebührenverordnung, die für Bundesdienststellen keine Befreiung von der Frequenznutzungsgebühr mehr vorsieht, an.

Einsparungen dagegen sind bei Finanzhaftungen der Literaturförderung und auch bei der Instandhaltung von Finanzämtern zu erwarten. Ebenso wird in der Kassenverwaltung eine Rücklage aufgelöst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nochmals möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß durch dieses Überschreitungsgesetz, wie ich eingangs schon erwähnt habe, der Abgang des allgemeinen Haushaltes keine Erhöhung erfährt. Diese Tatsache ist sicherlich auf die gute Arbeit der Bundesregierung, insbesondere des Bundesfinanzministers Rudolf Edlinger und seines Ministeriums, zurückzuführen. Deshalb ersuche ich Sie auch um Ihre Zustimmung zu dieser Regierungsvorlage.

Abschließend möchte ich noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler und Sigl zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (BFG-Novelle 1998) (1096 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1163 der Beilagen)

 


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Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Im Artikel I lautet der Einleitungssatz der Z 8:

"8. Im Artikel V Abs. 1 wird der Punkt nach der Z 41 durch einen Strichpunkt ersetzt und werden als Z 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51 und 52 angefügt:"

2. Im Artikel I wird in der Z 8 der Punkt am Ende der Z 51 durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 52 angefügt:

"52. beim Voranschlagsansatz 1/10008 bis zu einem Betrag von 25 v.H. des veranschlagten Betrages für Maßnahmen im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft, wenn die Bedeckung durch Ausgabeneinsparungen und/oder Mehreinnahmen sichergestellt werden kann."

3. Im Artikel II wird der Ziffer 2 lit. o) folgende lit. p) angefügt:

"p) nach dem Voranschlagsansatz 1/10003:

1/10004/43 Förderungen (Gesetzl. Verpflichtungen)"

*****

Ich bitte, auch dies in die Behandlung aufzunehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Restredezeit Ihres Klubs: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.35

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#er, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Mit tiefster Überzeugung habe ich letztes Jahr das Budget für das Jahr 1998 abgelehnt. Meine tiefste Überzeugung wird durch diese heutigen Novellen bestätigt, die Bundesfinanzgesetz-Novelle und das Budgetüberschreitungsgesetz. Wenn das Budget so gut gewesen wäre, wären diese Novellen doch wohl nicht notwendig, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Aber da bekanntlich jedes Ding zwei Seiten hat, haben auch diese beiden Gesetzesanträge nicht nur negative, sondern auch positive Seiten. Beim Bundesfinanzgesetz gibt es erfreulicherweise Geld für die Volksgruppen-Lokalradios – ein Versprechen, das Bundeskanzler Mag. Klima, aber auch Staatssekretär Wittmann mehrmals gemacht haben; das sind die Zuständigen für Medienangelegenheiten und gleichzeitig auch Volksgruppenangelegenheiten in der Bundesregierung.

Deshalb freue ich mich, daß der Voranschlagsansatz "Volksgruppenförderung" für das Jahr 1998 um einen Betrag von 50 Millionen Schilling erhöht wird. Dieser Betrag wird aber dezidiert, abweichend zum sonst allgemeinen Voranschlagsansatz, für die Förderung von Volksgruppen-Lokalradios verwendet.

Zur Information an die Kolleginnen und Kollegen: Dabei handelt es sich um zwei Lokalradios, eines im Burgenland mit dem Namen "Mora", mehrsprachiges offenes Radio, das Radioprogramm in den Sprachen der burgenländischen Wohnbevölkerung machen wird, also nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch in kroatischer Sprache – vorgesehen auch in der Sprache der Volksgruppe der Roma und der ungarischen Minderheit, nämlich in ungarisch.

Das zweite Lokalradio, das durch diese Gesetzesänderung gefördert werden kann, ist Radio Korotan und Agora in Kärnten. Das ist auch ein mehrsprachiges Lokalradio, also deutsch und slowenisch, das einen ganz wesentlichen Beitrag zur Verständigung zwischen den Volks


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gruppen in Österreich einerseits leisten wird, andererseits aber sicher eine große "Strahlkraft" auch über unsere Grenzen hinaus haben wird. Das möchte ich positiv bemerken.

Aber auch das Budgetüberschreitungsgesetz hat eine gute Seite, nämlich daß Österreich in seinem Einsatz gegen die weltweite Ächtung von Minen auch einen monetären Beitrag dazu leistet, wiewohl dieser Beitrag im Hinblick auf das Elend, das weltweit durch Minen ausgelöst wird, nicht sehr hoch ist. Aber 5 Millionen Schilling wird Österreich zum Schutz von Minenopfern in den Fonds der Vereinten Nationen einbringen. Ich begrüße das sehr – vor allem im Hinblick auf den jahrelangen Einsatz seitens der Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion bei der Ächtung von Landminen.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es mir wichtig, diese beiden Feststellungen hier zu machen, wiewohl das nichts an meiner allgemeinen Einschätzung, daß diese beiden Novellen insgesamt betrachtet nicht das Gelbe vom Ei sind, ändert und wir Ihnen deshalb nicht zustimmen werden. (Beifall bei den Grünen.)

19.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sauer. Restredezeit Ihres Klubs: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.39

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In dieser Regierungsvorlage mit dem Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabensätzen beschlossen werden sollen, werden einige Punkte angesprochen, wie Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, berufsbildendes Schulwesen und Handelsakademien. Ich möchte mich nicht mit den einzelnen Zahlen befassen, sondern ein Problem ansprechen.

Es sind in letzter Zeit einige junge Menschen an mich herangetreten, die eine berufsbildende Schule besuchen und Klage geführt haben, daß sie keinen Praxisplatz erhalten, weil die Wirtschaft in vielen Bereichen nein zu Praxisplätzen sagt. Ich weiß aber, daß die Wirtschaft sehr wohl Praktikanten aufnehmen würde, wenn sie sie finanziell nicht so stark belasten würden.

Man könnte jetzt zwei Wege gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren: entweder die Pflichtpraxis aus den Lehrplänen entfernen oder den Firmen die Möglichkeit geben, diese Praktikanten unterzubringen, weil diese Ausbildung nicht nur von der schulischen Qualität her, sondern auch von der Praxis her sehr wesentlich zum weiteren Berufsbild beitragen soll.

Unsere Aufgabe müßte es sein, neben der guten Ausbildung in der Schule den jungen Leuten die Möglichkeit zu geben, in der Praxis ihr Wissen und Können zu erweitern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie könnten jetzt vielleicht sagen, ich hätte das Thema verfehlt, weil ich nicht zum eigentlichen Thema, nämlich zur Budgetüberschreitung, gesprochen habe. Doch es ist mir ein Anliegen, gerade für diese jungen Menschen eine Lanze zu brechen, damit sie die Möglichkeit haben, in ihrem späteren Beruf ihren Mann beziehungsweise ihre Frau zu stellen. Und damit helfen wir nicht nur den jungen Menschen, sondern auch den Familien. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Peter. )

19.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Restredezeit Ihres Klubs: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.42

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Die Änderung des Bundesfinanzgesetzes nehme ich zum Anlaß, einen Entschließungsantrag betreffend die Olympiabewerbung der Stadt Klagenfurt mit den Partnern Slowenien und Friaul/Julisch Venetien einzubringen. Dies erscheint uns als dringlich, da durch die Untätigkeit des Präsidenten des Bewerbungskomitees, des Exgesund


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heitsministers Ausserwinkler, die Gefahr besteht, daß diese Bewerbung in einem Debakel endet.

Es sind jetzt in Kärnten Maßnahmen gesetzt worden, um die Bewerbung voranzutreiben, und ich meine, daß es auch wesentlich ist, daß die Bundesregierung eine entsprechende Zusage beziehungsweise Garantien gegenüber dem Internationalen Olympischen Comité abgibt, da das Fehlen der geforderten Garantien die Bewerbung gefährden kann.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haider, Gaugg und Kollegen betreffend die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006

Um einerseits die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung Österreichs für die Olympischen Winterspiele 2006 raschest sicherzustellen und um eine internationale Blamage Österreichs aus Gründen der bislang fehlenden Unterstützung durch die österreichische Bundesregierung doch noch zu vermeiden, stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1. einen höheren Beitrag als die bisher zugesagten 1,5 Millionen Schilling zu den Kosten der Olympiabewerbung 2006 zu leisten sowie

2. bis längstens 26. Mai 1998 geeignete Maßnahmen zu treffen, die vom Internationalen Olympischen Comité geforderten Garantieübernahmen der Republik Österreich in der Höhe von 11 Milliarden Schilling sowie die dafür erforderlichen Gesetzesbeschlüsse noch vor der Sommerpause des Nationalrates sicherzustellen und

3. im Falle des Zuschlages an Österreich für die Austragung der Olympischen Winterspiele 2006 den Beitrag des Bundes an den Infrastrukturkosten zu gewährleisten."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die Rednerliste ist geschlossen und damit auch diese Debatte beendet.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt, und wir treten sogleich in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte daher, den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird samt Titel und Eingang in 1163 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Sigl und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Art. I Z. 8 und Art. II Z. 2 eingebracht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Sigl und Genossen abstimmen.


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Ich bitte die Damen und Herren des Hohen Hauses, im Falle der Zustimmung ein entsprechendes Zeichen zu geben. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wenn Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung Ihre Zustimmung erteilen wollen, bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend das Budgetüberschreitungsgesetz 1998 samt Titel und Eingang in 1164 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Für den Fall, daß Sie auch in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf zustimmen wollen, bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Trattner und Genossen betreffend Bildung einer Rücklage aus den Mehreinnahmen der Oesterreichischen Nationalbank. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe.)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006. (Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandlung!)  – Bitte.

19.47

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es handelt sich hiebei um einen unselbständigen Entschließungsantrag, und ein unselbständiger Entschließungsantrag setzt einen inhaltlichen, sachlichen Zusammenhang mit der Vorlage voraus.

Ich stelle die Frage, ob Sie das geprüft haben, und ich stelle weiters die Frage, worin dieser inhaltliche Zusammenhang besteht. – Ist dies nicht der Fall, ist eine Abstimmung darüber unzulässig. (Abg. Dr. Haider: Gegen die Olympischen Spiele!)

19.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der inhaltliche Zusammenhang besteht im weiteren Sinne des Budgets, und das wurde auch vom Abgeordneten Gaugg so begründet.

19.48

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es handelt sich um kein Bundesfinanzgesetz, sondern um eine BFG-Novelle mit ganz eng umgrenzten Änderungen im Budget 1998 selbst. Zu diesen Änderungen, nämlich zur Bundesfinanzgesetz-Novelle, müßte ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen, nicht aber zum Budget selbst, denn dieses ist nicht Gegenstand der Beschlüsse, die heute vom Nationalrat zu fassen sind. (Abg. Dr. Haider: Budgetwirksame Maßnahme!) Und daher ist ein solcher Antrag unzulässig. Ich nehme an, daß Sie das vorher geprüft haben.

19.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich sehe mir diesen Antrag noch einmal an. (Der gegenständliche Antrag liegt im Moment nicht vor. – Rufe bei der SPÖ: Jetzt gibt es keinen


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Antrag! Wo ist der Antrag? Liegt ein Antrag vor?)  – Der Antrag lag mit den Originalunterschriften vor, und es war von hier aus auch sichtbar, daß Kopien davon vorlagen. (Abg. Dr. Haider: Zur Geschäftsbehandlung!)

Herr Abgeordneter Dr. Haider zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.

19.49

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Im Antrag selbst ist ja darauf hingewiesen, daß es sich dabei um Haftungsübernahmen handelt, die die Republik Österreich – als Voraussetzung für die Erteilung der Durchführung der Olympischen Spiele – gegenüber dem Internationalen Olympischen Comité zu tätigen hat. Das bedeutet: Es ist das zweifelsohne eine mit den hier in Verhandlung stehenden Finanzmaterien typischerweise verbundene Materie und daher überhaupt keine Frage, daß dieser Antrag mit in Verhandlung steht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich erteile Herrn Klubobmann Kostelka noch das Wort und werde nachher die Sitzung unterbrechen, damit dieser Antrag beigeschafft werden kann. – Bitte.

19.50

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung) : Sehr verehrter Herr Präsident! Die Sache ist sehr einfach: Heute stehen ganz bestimmte Punkte des Bundesfinanzgesetzes 1998 zur Diskussion. Diese haben zur Olympiade 2006 sicherlich keinen Bezug. (Ruf bei den Freiheitlichen: Leikam! – Abg. Dr. Haider: Ausserwinkler ist Präsident, und ihr verhindert das!) Es wird auch in diesem Antrag in keiner Weise eine Haftungsübernahme für das Budgetjahr 1998 gefordert.

Morgen haben wir erstens einmal eine Generaldebatte, die Budgetkapitel Oberste Organe und Bundeskanzleramt stehen auf der Tagesordnung; da ist auch der Sportbereich dabei. Da ist bis zu einem gewissen Grad ein inhaltlicher Bezug gegeben – heute jedoch sicherlich nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

19.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich unterbreche nun die Sitzung, um in diesen Antrag noch einmal Einsicht zu nehmen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 19.51 Uhr unterbrochen und um 19.55 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Zur Geschäftsbehandlung hatte sich vor der Unterbrechung Herr Abgeordneter Haider gemeldet. – Er zieht die Meldung zurück.

Herr Klubobmann Dr. Khol gelangt zu Wort. – Bitte, Herr Klubobmann.

19.55

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich verlange eine Sitzungsunterbrechung bis morgen früh, damit wir in einer "normalen" Sitzung bis dahin den inneren Zusammenhang klären und dann die Abstimmung durchführen können. (Rufe bei den Freiheitlichen: Nein! – Abg. Dr. Haider: Kommt überhaupt nicht in Frage!)

Ich möchte auch wissen, ob der Antrag ordnungsgemäß eingebracht ist. Er ist mir beispielsweise nicht zur Verfügung gestanden. (Abg. Mag. Stadler: Bereits enunziert!)

19.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich darf letztere Frage aufklären: Der Antrag war ordnungsgemäß eingebracht, er ist auch entsprechend unterstützt. Er lag mir hier am Präsidium


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vor, er kam von den Beamten zu mir. (Abg. Mag. Stadler: Khol hat beim Enunzieren geschlafen! Das ist sein Problem!) Er war schon eingebracht bei der vorangegangenen Wortmeldung eines freiheitlichen Abgeordneten, wurde von diesem aber nicht verlesen. Es war in Aussicht genommen, daß der Antrag von Herrn Abgeordneten Trattner hätte verlesen werden sollen, dieser hat allerdings dann einen anderen Antrag verlesen, sodaß schließlich Herr Abgeordneter Gaugg diesen Antrag verlesen hat. Dann ging das Original wieder zurück zu den Beamten und wurde von dort, glaube ich, zum Zwecke des Kopierens weitergegeben. Ich glaube, Sie sind hier erschienen und haben eingemahnt, daß der Antrag kopiert wird. (Zwischenrufe.)  – Bitte, die Tätigkeit des Kopierpersonals entzieht sich der Kontrolle hierorts vom Präsidium. Das wollte ich dazu feststellen, Herr Abgeordneter Khol.

Bitte, Frau Abgeordnete Stoisits.

19.57

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung) : Sehr geehrter Herr Präsident! Es ist mir nicht bekannt, daß es eine geschäftsordnungsmäßige Vorschrift gäbe, daß ein Antrag – es handelt sich um einen unselbständigen Entschließungsantrag –, der vom Pult aus verlesen wird, den Fraktionen schriftlich vorzuliegen hat. Sollte es so sein, bitte ich um Aufklärung. Ich habe jedenfalls gehört, wie Kollege Gaugg diesen Antrag hier verlesen hat.

Daß es einen sachlichen Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt gibt, scheint mir doch ziemlich klar und eindeutig zu sein, denn es geht um eine Novelle des Bundesfinanzgesetzes mit zahlreichen Punkten, die sich auf das Budget beziehen und budgetäre Auswirkungen nach sich ziehen. Und dieser Antrag, würde er hier eine Mehrheit finden, hätte auch Auswirkungen auf das Budget.

Deshalb unterstütze ich Ihre Vorgangsweise und bitte umgehend um Abstimmung dieses unselbständigen Entschließungsantrages.

19.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte.

19.58

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Da feststeht, daß der Antrag ordnungsgemäß eingereicht, ausreichend unterstützt wurde und in Verhandlung stand, darf ich darauf hinweisen, daß im Antragstext der Punkt 2 eine eindeutige Haftungs- und Garantieübernahme vorsieht, die ebenfalls gemäß Artikel 9 des Bundesfinanzgesetzes 1998 Gegenstand der jetzigen Beratungen und Abstimmungen ist, und daß daher jegliche Entscheidung über diesen Antrag selbstverständlich auch Auswirkungen auf das Bundesfinanzgesetz hätte und daher mitabgestimmt werden muß. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist völlig falsch!)

19.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Klubobmann Dr. Kostelka. – Bitte.

19.58

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Erstens: Ich darf Sie daran erinnern, daß wir in der Präsidiale mehrfach die Frage des sachlichen Zusammenhangs geprüft haben und davon ausgegangen sind, daß ein enger, unmittelbarer sachlicher Zusammenhang bestehen muß.

Zweitens: Herr Kollege Haider hat in diesem Zusammenhang einen Gesetzesbeschluß eingemahnt, den er durchaus einzubringen imstande wäre – auch heute, auch in jeder anderen Plenarsitzung. Aber das Entscheidende in diesem Zusammenhang ist, daß die Novelle, die hier Gegenstand, sozusagen Trägerrakete für einen solchen Antrag sein soll, keinen Bezug auf sportliche Relevanzen hat, nur das dahinterstehende Bundesfinanzgesetz. Zu dem, über das wir hier abstimmen, besteht kein Bezug. (Abg. Mag. Stadler: So ein Blödsinn! So ein Topfen! Das


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ist nicht zu vertreten! – Ruf bei den Freiheitlichen: Ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Ich mache Sie deswegen so nachdrücklich darauf aufmerksam, Herr Präsident, weil die parlamentarische Vorgangsweise ja ohnedies relativ durchsichtig ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Kostelka irrt!) Morgen wird es zum Budget auch von seiten meiner Fraktion in dieser Angelegenheit eine Entschließung geben. Das, was hier ... (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.  – Gegenrufe bei der SPÖ.)


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Bitte, den Herrn Klubobmann ausreden zu lassen!

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (fortsetzend): Das, was hier versucht wird, ist, unter Umgehung der Geschäftsordnung heute bereits in mangelndem Zusammenhang eine Entscheidung herbeizuführen, und ich bitte Sie, in Wahrung der Geschäftsordnung dies nicht zuzulassen. Es gibt keinen Sportbezug in dieser Bundesfinanzgesetz-Novelle! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Jetzt ist die Larve gefallen! – Abg. Mag. Stadler: Schwache Vorstellung!)

20.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich möchte folgendes festhalten: Der Antrag – ich wiederhole das nochmals – ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt. (Abg. Mag. Stadler: Und steht in Verhandlung!) Darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel.

In dem verlesenen Text, worin die Bundesregierung in einer bestimmten Weise aufgefordert wird, kommt das Wort "Garantieübernahmen" vor. In der Begründung zu diesem Entschließungsantrag ist ausdrücklich auf Garantien hingewiesen. Ich sehe daher einen sachlichen Zusammenhang gegeben und stelle folgendes fest: Ich bleibe bei meiner Enunzierung, daß ein sachlicher Zusammenhang besteht, und ich bleibe dabei, daß dieser Entschließungsantrag mit in Verhandlung steht und daher auch zur Abstimmung kommt. (Abg. Dr. Kostelka: Herr Präsident! Beziehen Sie sich endlich einmal auf den Text des Gesetzes!)

Wir gehen daher im Abstimmungsverfahren weiter. Ich wiederhole das zuletzt zum Abstimmungsverfahren Ausgeführte, nämlich:

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bewerbung Klagenfurts um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2006.

Es ist ein Verlangen auf namentliche Abstimmung entsprechend der Geschäftsordnung gestellt worden. Daher ist namentlich abzustimmen.

Ich gehe so vor, daß die namentliche Abstimmung durch Aufruf vom Präsidium erfolgt. Wenn Sie dem Antrag zustimmen wollen, so ist laut und vernehmlich mit dem Wort "Ja" zu antworten, im gegenteiligen Fall laut und vernehmlich mit dem Wort "Nein".

Ich bitte, die Abstimmung dadurch zu erleichtern, daß die Geräuschkulisse möglichst vermieden wird.

Wir gelangen nun zum Namensaufruf.

(Präsident Dr. Brauneder ruft die Namen der Abgeordneten auf und wiederholt diese zusammen mit dem jeweiligen Stimmverhalten der einzelnen Abgeordneten.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich unterbreche die Sitzung zur Feststellung des Stimmenergebnisses.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 20.11 Uhr unterbrochen und um 20.14 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Mit "Ja" stimmten 41 Damen und Herren des Hohen Hauses, mit "Nein" 101. Der Antrag ist somit nicht angenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Antoni, Aumayr;

Blünegger, Böhacker;

Dolinschek;

Gatterer, Gaugg, Graf, Grollitsch;

Haider, Haidlmayr, Haigermoser, Haller, Haupt, Hofmann;

Jung, Kammerlander, Koller, Krüger, Kurzmann;

Lafer, Langthaler, Leikam;

Madl, Meisinger, Mertel, Hans Helmut Moser, Müller;

Öllinger;

Partik-Pablé, Preisinger, Pumberger;

Salzl, Schöggl, Schweitzer, Stadler, Stoisits;

Trattner;

Van der Bellen;

Wabl, Wurmitzer.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Amon, Auer;

Rosemarie Bauer, Sophie Bauer, Binder, Brinek, Brix, Buder, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Donabauer;

Eder, Edler, Ellmauer;

Fekter, Feurstein, Fink, Fischer, Freund, Frieser, Fuchs, Fuhrmann;

Gaál, Gaßner, Gradwohl, Gredler, Guggenberger, Gusenbauer;

Hagenhofer, Heindl, Heinzl, Höchtl, Horngacher, Huber, Hums;

Jäger;

Kaipel, Kampichler, Karlsson, Kaufmann, Keppelmüller, Khol, Kiermaier, Koppler, Kostelka, Kräuter, Kukacka, Kummerer, Kurzbauer;

Lackner, Leiner, Löschnak, Lukesch;

Maier, Maitz, Marizzi, Mock, Morak, Sonja Moser, Motter, Mühlbachler, Murauer;


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Neisser, Niederwieser, Nowotny, Nürnberger;

Oberhaidinger;

Parfuss, Parnigoni, Pittermann, Platter;

Rada, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riepl;

Sauer, Schieder, Schrefel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwemlein, Schwimmer, Seidinger, Sigl, Silhavy, Stampler, Steibl, Steindl, Stippel;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Wallner, Wimmer, Wurm;

Zweytick.

*****

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 770/A bis 773/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4405/J bis 4411/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Jörg Haider an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

Feststellung betreffend unentschuldigte Abwesenheit eines Abgeordneten

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich stelle fest, daß der Abgeordnete Peter Rosenstingl dieser Sitzung ferngeblieben ist, und zwar unentschuldigt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 14. Mai 1998, 11 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1100 und Zu 1100 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen (1160 der Beilagen).

Zur Beratung kommen aus der Beratungsgruppe I folgende Kapitel: Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei, Kapitel 02: Bundesgesetzgebung, Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof, Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof, Kapitel 05: Volksanwaltschaft, Kapitel 06: Rechnungshof;

aus der Beratungsgruppe II die Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen, Kapitel 13: Kunst (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) und Kapitel 71: Bundestheater.

In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Ich erinnere daran, daß im Anschluß an diese Sitzung eine Präsidialkonferenz stattfindet.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.15 Uhr