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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

968. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 27. Juni 2024

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

968. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 27. Juni 2024

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 27. Juni 2024: 2023: 9.00 – 22.12 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Kinderbetreu­ungsgeldgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Mutterschutzge­setz, das Väter-Karenzgesetz, das Landarbeitsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (Sonderwochengeld-Gesetz)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz
geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Ge­waltambulanzen (Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz – GewaltAFG) erlassen wird


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 2

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Datenschutzgesetz geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinar­gesetz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzge­setz 2001, das Militärbefugnisgesetz und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2024 – WRÄG 2024)

7. Punkt: Bundesgesetz zur Einrichtung einer nationalen Behörde für die Cyber­sicherheitszertifizierung (Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz – CSZG)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine Verbrauchsteuer auf Mineralöl, Kraftstoffe und Heizstoffe (Mineralölsteuergesetz 2022 – MinStG 2022) geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2021 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Ausbildungspflichtgesetz geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung
der Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff nicht biogenen Ursprungs sowie ein Bundesgesetz zur Begründung von Vorbelastungen durch die Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Techno­logie erlassen werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Gasdiversifizierungsgesetz 2022 und das Energielenkungsgesetz 2012 geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 3

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Abmilderung
von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern erlassen wird

15. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Informationsordnungsgesetz,
das Datenschutzgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Ver­waltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 und
das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert werden

18. Punkt: Antrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler,
Marco Schreuder, Korinna Schumann, Klemens Kofler, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (419/A-BR/2024)

19. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsident:innen, der Schriftführer:innen und der Ordner:innen für das 2. Halbjahr 2024

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsver­zicht des Bundesrates MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky und Wahl
eines Ersatzmitglieds ................................................................................................... 63

Angelobung der Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ......................... 20

Schlussansprache der Präsidentin Margit Göll .......................................................... 21


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 4

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bun­desministerium für europäische und internationale Angelegenheiten
gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnah­me von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich des grenzüberschreitenden Schutzes des Luftraums vor nichtmilitärischen Bedrohungen aus der Luft durch den
Bundespräsidenten ..................................................................................................... 65

Wortmeldung der Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler im Zusammen­hang mit der an Bundesminister Mag. Gerhard Karner eingebrachten Dringlichen Anfrage ........ 70

Ersuchen des Bundesrates Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross um Erteilung eines Ordnungsrufes         ............................................................................................................................. 179

19. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsident:innen, der Schriftführer:innen und der Ordner:innen für das 2. Halbjahr 2024 ........................................................................................... 313

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsident Mag. Franz Ebner ............................................................................... 419

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ......................... 419

Aktuelle Stunde (116.)

Thema: „Österreichs Außenpolitik in einer Zeit des globalen Wandels“ ........... 26

Redner:innen:

Mag. Christine Schwarz-Fuchs .................................................................................... 27

Stefan Schennach ......................................................................................................... 30

Markus Leinfellner ........................................................................................................ 34

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................................................. 37

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ................................................ 40

Mag. Christian Buchmann ........................................................................................... 44


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 5

Mag. Elisabeth Grossmann .......................................................................................... 47

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................. 49

Marco Schreuder .......................................................................................................... 51

Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ......................................................................... 54

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäi­schen Union ...................................... 62

Vertretungsschreiben ................................................................................................. 69

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................ 69

Ausschüsse

Zuweisungen ......................................................................................................  58, 419

Dringliche Anfragen

der Bundesrät:innen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an
den Bundesminister für Inneres betreffend „4.000 fehlende Polizist:innen – handeln Sie endlich im Sinne der Sicherheit, Herr Innenminister!“
(4202/J-BR/2024) ..................................................................................................... 209

Begründung: Dominik Reisinger ............................................................................... 209

Bundesminister Mag. Gerhard Karner ...................................................................... 213

Debatte:

Korinna Schumann ..................................................................................................... 226

Philipp Kohl ................................................................................................................. 232

Günter Pröller ............................................................................................................. 234

Marco Schreuder ........................................................................................................ 237


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 6

Michael Wanner ......................................................................................................... 240

Matthias Zauner ......................................................................................................... 245

Klemens Kofler ............................................................................................................ 248

Günter Kovacs ............................................................................................................ 249

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................... 253

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 258

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich fehlen 4.000 Polizist:innen“ – Ablehnung ...........  231, 261

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend „Anschlag auf
die Existenz unserer Landwirte“ (4203/J-BR/2024) ............................................ 316

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität,
Innovation und Technologie betreffend „Anschlag auf die Existenz unserer Landwirte“ (4204/J-BR/2024) .................................................................................................................... 317

Begründung: Christoph Steiner................................................................................. 317

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ............................................................. 336

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ................................................................ 342

Gemeinsame Debatte gemäß § 61 Abs. 6 GO-BR Debatte:

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................... 352

Matthias Zauner ......................................................................................................... 357

Stefan Schennach ....................................................................................................... 361

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................... 369

Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ....................................................................... 372

Marlies Doppler .......................................................................................................... 375

Johanna Miesenberger ............................................................................................... 382


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 7

Simone Jagl ................................................................................................................. 391

Markus Leinfellner ...................................................................................................... 394

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 399

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................... 404

Michael Bernard ......................................................................................................... 410

Silvester Gfrerer .......................................................................................................... 411

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlassung der Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie“ – Ablehnung .................................................  381, 418

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücknahme des EU-Renaturierungsgeset­zes“ – Ablehnung  397, 418

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz,
das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Kinderbetreu­ungsgeldgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Mutterschutzgesetz, das Väter-Karenzgesetz, das Landarbeitsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz
geändert werden (Sonderwochengeld-Gesetz) (2553 d.B. und 2587 d.B. sowie 11502/BR d.B.) ........................................................................................................................................ 71

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................ 71

Redner:innen:

Heike Eder, BSc MBA ................................................................................................... 72

Mag. Sandra Gerdenitsch ............................................................................................. 73

Andrea Michaela Schartel ............................................................................................ 74


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 8

Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................................................. 75

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............................................................ 78

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert
wird (4065/A und 2588 d.B. sowie 11503/BR d.B.) .............................................. 78

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................ 78

Redner:innen:

Marco Schreuder .......................................................................................................... 79

Philipp Kohl ................................................................................................................... 81

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 83

Günter Pröller ............................................................................................................... 86

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............................................................ 87

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz,
das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz geändert werden (4038/A und 2579 d.B. sowie 11498/BR d.B. und 11511/BR d.B.) .............................................................. 87

Berichterstatterin: Heike Eder .................................................................................... 87

Redner:innen:

Sandra Böhmwalder ..................................................................................................... 88

Mag. Sandra Gerdenitsch ............................................................................................. 90

Markus Steinmaurer ..................................................................................................... 92

Simone Jagl ................................................................................................................... 93


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 9

Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ......................................................................... 96

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............................................................ 98

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Gewaltambulanzen (Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz – GewaltAFG) erlassen wird (4067/A und 2565 d.B. sowie 11506/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 98

Berichterstatterin: Viktoria Hutter ............................................................................ 99

Redner:innen:

Mag.a Claudia Arpa ...................................................................................................... 99

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................... 104

Barbara Prügl .............................................................................................................. 108

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................... 111

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................... 114

Klara Neurauter .......................................................................................................... 117

Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ....................................................................... 118

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag.a Claudia Arpa, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzliche Verankerung von Gewaltambu­lanzen“ – Ablehnung  103, 121

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 121

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem das Datenschutzgesetz geändert wird (4031/A und 2566 d.B. sowie 11496/BR d.B. und 11507/BR d.B.) ....................................................................... 121

Berichterstatterin: Viktoria Hutter .......................................................................... 122

Redner:innen:

Dr. Manfred Mertel .................................................................................................... 122


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 10

Marco Schreuder ........................................................................................................ 125

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................... 126

Mag. Bernhard Ruf ..................................................................................................... 129

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................... 131

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 133

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdiszipli­nargesetz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzge­setz 2001, das Militärbefugnisgesetz und das Militärauszeichnungs­gesetz 2002 geändert werden (Wehrrechtsänderungs­gesetz 2024 – WRÄG 2024) (2554 d.B. und 2573 d.B. sowie 11508/BR d.B.) ..................................................................... 133

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ............................................................................ 134

Redner:innen:

Markus Leinfellner ............................................................................................  134, 148

Philipp Kohl ................................................................................................................. 137

Michael Wanner ......................................................................................................... 139

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................... 143

Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner ................................................................... 145

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 150

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz zur Einrichtung einer nationalen Behörde für die Cybersicherheitszertifizierung (Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz – CSZG) (2552 d.B. und 2582 d.B. sowie 11509/BR d.B.) .......................................................................................................... 150

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................... 151


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 11

Redner:innen:

Günter Pröller ...................................................................................................  151, 158

Viktoria Hutter ........................................................................................................... 153

Daniel Schmid ............................................................................................................. 154

Marco Schreuder ........................................................................................................ 157

Staatssekretärin Claudia Plakolm ............................................................................. 159

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 161

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine Verbrauch­steuer auf Mineralöl, Kraftstoffe und Heizstoffe (Mineralölsteuerge­setz 2022 – MinStG 2022) geändert wird (4068/A und 2585 d.B. sowie 11512/BR d.B.) .......................................................................................................... 161

Berichterstatterin: Barbara Prügl ............................................................................. 162

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht .......................................................................................  162, 185

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................... 166

Horst Schachner ......................................................................................................... 169

Michael Bernard ......................................................................................................... 171

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................... 175

Günter Kovacs ............................................................................................................ 178

Johanna Miesenberger ............................................................................................... 180

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................... 186

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pendler:innen entlasten statt belasten!“ – Ablehnung ..........  170, 188


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 12

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Autofahrer: Belohnen statt Bestrafen“ – Ablehnung ............  174, 188

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 187

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2021 geändert wird (4066/A und 2583 d.B. sowie 11510/BR d.B.) ............................................................................. 188

Berichterstatterin: Bernadette Geieregger, BA ....................................................... 189

Redner:innen:

Mag. Bernhard Ruf ..................................................................................................... 189

Stefan Schennach ....................................................................................................... 191

Günter Pröller ............................................................................................................. 192

Marco Schreuder ........................................................................................................ 193

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 194

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Nie­derlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Ausbil­dungspflichtgesetz geändert werden (2528 d.B. und 2589 d.B. sowie 11504/BR d.B.) ............................................................................................... 194

Berichterstatter: Matthias Zauner ........................................................................... 195

Redner:innen:

Doris Hahn, MEd MA ................................................................................................. 195

Philipp Kohl ................................................................................................................. 198

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................... 199

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................... 201


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 13

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 204

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (2550 d.B. und 2590 d.B. sowie 11505/BR d.B.) .......................................................................................................... 204

Berichterstatter: Matthias Zauner ........................................................................... 204

Redner:innen:

Korinna Schumann ..................................................................................................... 205

Günther Ruprecht ....................................................................................................... 261

Marlies Doppler .......................................................................................................... 263

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................... 266

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teil­habe an den Dienstleistungen der Verwaltung und der Daseinsvorsorge“ – Ablehnung .................................  265, 268

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 268

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung der Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff nicht biogenen Ursprungs sowie ein Bundesgesetz zur Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie erlassen werden (2555 d.B. und 2575 d.B. sowie 11499/BR d.B.) .................... 269

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA ........................................................ 269

Redner:innen:

Günter Kovacs ............................................................................................................ 270


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 14

Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................................................ 271

Michael Bernard ......................................................................................................... 273

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................... 275

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ................................................................ 279

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 282

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Gas­diversifizierungsgesetz 2022 und das Energielenkungsgesetz 2012 geän­dert werden (4074/A und 2576 d.B. sowie 11497/BR d.B. und 11500/BR d.B.) .................................................................................................. 282

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA ........................................................ 283

Redner:innen:

Michael Bernard ......................................................................................................... 283

Sandra Lassnig ............................................................................................................ 286

Mag. Bettina Lancaster .............................................................................................. 287

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................... 289

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ................................................................ 294

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben
und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44
Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................ 296

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Abmilderung von Kri­senfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle
von marktbeherrschenden Energieversorgern erlassen wird (4073/A und 2577 d.B. sowie 11501/BR d.B.) .......................................................................................................... 297

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA ........................................................ 298


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 15

Redner:innen:

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 298

Mag. Sandra Gerdenitsch .......................................................................................... 300

Klemens Kofler ............................................................................................................ 301

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................... 302

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ................................................................ 304

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................... 307

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 308

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (3848/A und 2593 d.B. sowie 11513/BR d.B.) ............................................................................. 308

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................... 309

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Informationsordnungsgesetz, das Datenschutzgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert werden (2594 d.B. sowie 11514/BR d.B.) ....................................................................................... 308

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................... 309

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 und
das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert werden (2595 d.B. sowie 11515/BR d.B.) ............................................................................................................................. 309

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................... 309


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 16

18. Punkt: Antrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler,
Marco Schreuder, Korinna Schumann, Klemens Kofler, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (419/A-BR/2024 sowie 11516/BR d.B.) ............................................................... 309

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................... 309

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 311

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben
und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 30a
B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ........................................ 311

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 311

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, der dem Aus­schussbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................................................................ 311

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesrät:innen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Kündigungsschutzes für schwer kranke Arbeitnehmerinnen und eines Entgeltfortzahlungsfonds zur Absicherung der Betriebe( 421/A(E)-BR/2024)

Anfragen der Bundesrät:innen

Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend


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gesetzliche Verpflichtung von Aufsichtstätigkeiten im Verkehrsträger
Eisenbahn (4196/J-BR/2024)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Schüler*innen und Lehrlingsfreifahrt für alle in Ausbildung (4197/J-BR/2024)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Schüler*innen und Lehrlingsfreifahrt
für alle in Ausbildung (4198/J-BR/2024)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Schüler*innen und Lehrlingsfreifahrt für alle in Ausbildung (4199/J-BR/2024)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Schüler*innen
und Lehrlingsfreifahrt für alle in Ausbildung (4200/J-BR/2024)

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Polizei-Waffenübungen mitten im Wohngebiet Biotope City
in Wien (4201/J-BR/2024)

Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend 4.000 fehlende Polizist:innen – handeln Sie endlich im Sinne der Sicherheit, Herr Innenminister! (4202/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Anschlag auf die Existenz unserer Landwirte
(4203/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betref­fend Anschlag auf die Existenz unserer Landwirte (4204/J-BR/2024)


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Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Wahlkampftaktik auf Kosten der Pendler? (4205/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ASFINAG Mautstelle Schönberg (4206/J-BR/2024)

Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Bereits auffälliger Asylwerber schlägt abermals zu (4207/J-BR/2024)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Geschmacklose Informationskampagne für eine Minderheit (4208/J-BR/2024)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesrät:in­nen Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auszahlung des Energiekostenzuschuss II an Klein- und Mittelunternehmen (3866/AB-BR/2024 zu 4174/J-BR/2024)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausgleichstaxe für Menschen mit Behinde­rung (3867/AB-BR/2024 zu 4175/J-BR/2024)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundes­rät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Fortbestehende Missstände beim ÖBH, insbesondere dem JgB12 sowie dem GÜPL Hengstberg (3868/AB-BR/2024 zu 4178/J-BR/2024)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Nationaler Bildungsbericht, Ergebnisse und aktuelle Daten


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bezüglich Sprachlichkeit und Nationalitäten (3869/AB-BR/2024 zu 4179/J-BR/2024)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sachbeschädigungen an steirischen Gymnasien (3870/AB-BR/2024 zu 4180/J-BR/2024)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personalknappheit
an steirischen Landesgerichten (3871/AB-BR/2024 zu 4182/J-BR/2024)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien
auf die Anfrage der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wir kennen die Zahl der Imame nicht! (3872/AB-BR/2024 zu 4176/J-BR/2024)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Nationaler Bildungsbericht, Ergebnisse und aktuelle Daten bezüglich Migrationsstatus und Sprachlichkeit (3873/AB-BR/2024
zu 4181/J-BR/2024)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erlassung und Durchsetzung von LKW-Fahrverboten (3874/AB-BR/2024 zu 4177/J-BR/2024)


 


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09.00.35Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Margit Göll, Vizepräsident Dominik Reisinger, Vizepräsident Mag. Franz Ebner.

09.00.36*****


Präsidentin Margit Göll: Einen wunderschönen guten Morgen, ich eröffne die 968. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 967. Sitzung des Bundesrates vom 29. Mai 2024 ist aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet ist niemand.

In unserer Runde sehr herzlich begrüßen darf ich Bundesratspräsidenten außer Dienst Edgar Mayer. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.01.11Mandatsverzicht und Angelobung


Präsidentin Margit Göll: Eingelangt ist ein Schreiben des Wiener Landtages be­treffend Mandatsverzicht und Wahl eines Ersatzmitgliedes. (siehe S. 61)

Da Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky auf sein Mandat verzichtet hat, ist sein Ersatzmitglied Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik ex lege auf
das durch das Ausscheiden von Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky frei gewordene Mandat nachgerückt.

Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde
daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelo­bung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.



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Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Einen schönen guten Morgen! Ich verlese die Gelöbnisformel für die Mitglieder des Bundesrates: „Sie wer­den geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beachtung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat!


Präsidentin Margit Göll: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. – Das neue Mitglied des Bun­desrates wird von seinen Kolleginnen und Kollegen beglückwünscht.)

Ich darf in unserer Mitte auch Herrn Bundesminister Alexander Schallenberg sehr herzlich begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

09.03.10Schlussansprache der Präsidentin


Präsidentin Margit Göll: Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In wenigen Tagen wird Nieder­österreich den Vorsitz in der Länderkammer und in der Landeshauptleutekonfe­renz an Oberösterreich übergeben. (Bundesrat Steiner: Na Gott sei Dank!)
Die Präsidentschaft im Bundesrat geht damit für mich zu Ende.
(Bundesrat Steiner: Gott sei Dank!)

Die niederösterreichische Präsidentschaft stand unter dem Motto Gemeinsam über Grenzen: Europa verbindet. Ich habe dieses Motto ganz bewusst
gewählt, nicht nur wegen der damals anstehenden Wahl zum Europaparlament,


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sondern vor allem weil ich als Bürgermeisterin einer Grenzlandgemeinde regelmäßig erfahren darf, wie intensiv eine gemeinsame EU-Mit­gliedschaft benachbarte Länder verbindet.

Sehr oft haben wir im Wahlkampf gehört, was uns in der EU trennt, was
es an der Entwicklung der Union auszusetzen gibt, was nicht funktioniert und was am besten sofort abgestellt werden sollte. Ich will das auch gar nicht herunterspielen, denn viele dieser Vorwürfe sind berechtigt. Die EU neigt zu Überregulierung, die Subsidiarität kommt zunehmend unter die Räder,
das Migrationsproblem ist ungelöst, die Hoffnungen in den Green Deal waren überzogen, und wirtschaftlich fallen wir weiter hinter China und die
USA zurück.

Es gibt jedoch auch eine andere Seite, die oft zu wenig Beachtung findet: die vielen Vorteile, die die EU den Bürgerinnen und Bürgern gebracht hat
und die wie selbstverständlich hingenommen werden oder von denen viele nicht einmal wissen, dass sie der EU zuzuschreiben sind.

Vor einer Woche habe ich mit EU-Kommissar Johannes Hahn am Europa­forum Wachau teilgenommen und darüber gesprochen, was sich in meinem Hei­matbundesland Niederösterreich mit dem EU-Beitritt unserer Nachbar­staaten zum Positiven verändert hat. Etwa die grenzüberschreitende und grenz­übergreifende Zusammenarbeit mit Tschechien im Rettungswesen, bei
den Feuerwehren, aber auch bei der Polizei ist bereits beispielgebend, und wir werden daran arbeiten, sie weiter zu intensivieren.

Niederösterreich hat bereits mehrere Interreg-Leuchtturmprojekte um­gesetzt, etwa das Healthacross for Future aus meiner Region. In Gmünd ent­stand das europaweit erste grenzüberschreitende Gesundheitszentrum,
das wir im Rahmen von Bundesrat im Bundesland gemeinsam besichtigt haben. Dort wurde uns eindrucksvoll präsentiert, wie Zusammenarbeit im Ge­sundheitswesen über Grenzen hinweg konkret gelebt wird, die Menschen in den Regionen unterstützt und ihnen zugutekommt.


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Die Bundesratskonferenz „Jugend ohne Grenzen“ sollte Jugendlichen die Mög­lichkeit geben, ihren Meinungen, Ideen und Initiativen Gehör zu ver­schaffen. Jugendliche aus ganz Österreich, der Slowakei und Tschechien kamen im Parlament zusammen, um über ihre Zukunft in einem Europa ohne
Grenzen zu diskutieren, und wir haben dabei erfahren, wie junge Menschen das geeinte Europa erleben und was sie sich von der Europapolitik erhoffen. Armutsbekämpfung, Maßnahmen gegen den Klimawandel, Bekämpfung von Terrorismus und die Schaffung von Arbeitsplätzen stehen ganz oben
auf der Wunschliste unserer Jugend.

In den Grenzregionen Europas befinden sich Kinder und Jugendliche oft in einer besonderen Situation. Sie erleben hautnah die Auswirkungen politischer
und wirtschaftlicher Veränderungen. Doch gerade darin liegen auch sehr große Chancen.

Grenzregionen können Brücken bauen, sie sind Orte der Begegnung und
des Austausches. Es ist wichtig, dass wir unsere Regionen stärken.

Der Besuch der Mitglieder der Präsidiale des Bundesrates in Tschechien hat uns die vielen Aspekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor Augen geführt. Mit dem tschechischen Senatsvorsitzenden Miloš Vystrcil haben wir Ge­spräche über die Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger in den Grenzregionen geführt. Im Austausch mit dem tschechischen Minister für Bildung, Jugend und Sport standen vor allem die Belange der Jugend,
aber insbesondere die elementare Bildung und die Schulbildung im Mittelpunkt.

Die Wahl des Europaparlaments und die Mobilisierung der Jugend, ihr Wahlrecht in Anspruch zu nehmen, standen dann im Mittelpunkt des Austau­sches mit der Präsidentin der Abgeordnetenkammer des tschechischen Parlaments.

Auch Migration und Sicherheit, insbesondere die Unterstützung der Länder für die Ukraine im jeweiligen Rahmen, waren Thema unseres Gesprächs.


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Diese Themen kamen auch beim Treffen mit dem Außenminister der Tschechi­schen Republik zur Sprache. Das Treffen mit dem Minister für europäi­sche Angelegenheiten der Tschechischen Republik stand dann im Zeichen der Beitrittsperspektiven der Länder des Westbalkans sowie der Republik
Moldau und der Ukraine.

Zum Abschluss führte der Besuch der Bundesratsdelegation nach Telc, wo wir mit dem Senatspräsidenten zunächst die Grundschule besuchten, um vor
Ort die Fortschritte in der Bildungszusammenarbeit der Grenzregion kennenzulernen.

Auch für die weitere Arbeit in meiner Gemeinde und im ländlichen Raum brachte das viele neue Perspektiven.

Wichtig war mir in dieser Präsidentschaft außerdem, das Augenmerk auf die An­liegen der Frauen zu lenken. Deshalb fand auch am 8. März, am Welt­frauentag, eine Veranstaltung im Parlament statt. Dabei habe ich jenen Aspekt in den Mittelpunkt gestellt, der mir besonders wichtig ist: die Beteiligung von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen.

Politischer Einfluss ist entscheidend für die Förderung von Chancengleichheit und die Beseitigung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Ich habe
dazu besondere Mutmacherinnen eingeladen, ihre ganz persönliche Geschichte zu erzählen – Frauen, die Widerstände aus dem Weg geräumt haben und
sich durchgesetzt haben.

Die Anliegen der Jugend, der Frauen und insbesondere unserer Bundesländer habe ich auch bei meinen vielen Gesprächen im letzten Halbjahr stets transportiert. Ich habe mit dem Bundeskanzler, mit allen Ministern und Staats­sekretären gesprochen, mit vielen Botschaftern, der Präsidentin des
Deutschen Bundestages, dem Präsidenten des ukrainischen Parlaments, Vertre­tern der Glaubensgemeinschaften wie dem Bischof in Sankt Pölten oder
dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.


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Unserer Funktion als Länder- und Europakammer können wir nur gerecht wer­den, wenn wir unsere Anliegen so oft wie möglich hinaustragen und der Länderkammer Gehör verschaffen.

Besonders ist mir der respektvolle und wertschätzende Umgang in den Gesprä­chen mit allen Fraktionen wichtig. In einer Zeit wie dieser, in der wir uns
wieder vor wichtigen Wahlen befinden, ist das weiterhin ein sehr zentrales An­liegen: wie wir nach den Wahlen auf kollegialer Ebene unter Beachtung
der Vorbildfunktion, die uns Politikern zugeschrieben wird, persönliche Befind­lichkeiten hintanstellen und die Interessen derer, die wir vertreten, in den Vordergrund stellen.

Ein zentraler Aspekt ist die Bedeutung einer gemäßigten Sprache und natürlich auch des respektvollen Umgangs miteinander. Wir müssen uns bewusst
sein, dass unsere Äußerungen und unser Verhalten nicht nur unsere politischen Konkurrenten, sondern auch die Menschen in unserem Land beeinflussen.
Eine gemäßigte Sprache fördert den konstruktiven Dialog und trägt
dazu bei, Spannungen abzubauen und Lösungen zu finden, die dem Wohl aller dienen.

Der politische Diskurs lebt von unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven. Wir dürfen aber niemals vergessen, dass wir alle Teil derselben demokra­tischen Gemeinschaft sind. Ich appelliere an Sie alle, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein und sich für einen respektvollen Umgang miteinander ein­zusetzen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Nur so können wir gemeinsam dazu beitragen, dass unsere Demokratie
stark und lebendig bleibt und unsere Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriftet.

Zum Schluss möchte ich Ihnen allen sagen, dass ich natürlich sehr stolz bin, für mein Heimatbundesland Niederösterreich den Vorsitz im Bundesrat ge­führt zu haben. Dass dies so gut verlaufen ist, verdanken wir insbesondere den


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vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier im Haus. Mein herzlicher
Dank geht an Bundesratsdirektorin Susanne Bachmann, ihre Stellvertreterin Alice Alsch-Harant und besonders an meine Assistentin Paula Jenner.

Großer Dank gilt auch der Veranstaltungsabteilung, die bei der komplexen Vor­bereitung der Jugendkonferenz wirklich hervorragende Arbeit geleistet
hat, sowie dem Internationalen Dienst für die profunde und professionelle Be­gleitung und Unterstützung bei allen internationalen Gesprächen.

Meinem Nachfolger Franz Ebner wünsche ich viel Erfolg für die Präsidentschaft Oberösterreichs. – Alles Gute für deinen Vorsitz, Franz! (Beifall bei
ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ sowie der Bundes­rätin
 Sumah-Vospernik.)

Ich danke Ihnen für die Unterstützung dieser Präsidentschaft und wünsche Ih­nen und Ihren Familien eine schöne und erholsame Sommerzeit. – Vielen
Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

09.14.37Aktuelle Stunde


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Österreichs Außenpolitik in einer Zeit des globalen Wandels“

mit dem Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, den ich noch einmal herzlich willkommen heißen darf.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf
erzielt: Zunächst kommt je ein Redner, eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, des­sen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann
folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner, eine Red-


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nerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung der Bundesrätin oh­ne Fraktion mit einer Redezeit von jeweils 5 Minuten. Zuletzt kann noch
eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte.


9.15.43

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen
und Kollegen! Werte Besucherinnen und Besucher und Zuseher vor den Bild­schirmen! Unsere Welt ist im ständigen Wandel, geprägt von geopoliti­schen Verschiebungen und globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Migration. Gerade für ein kleines Land wie Österreich, das stark
von globalen Entwicklungen abhängig ist und auch von diesen ge­prägt wird, spielt die Außenpolitik eine entscheidende Rolle, um Österreichs Interessen zu wahren und gleichzeitig einen Beitrag zu einer stabileren
und gerechteren Welt zu leisten.

Unsere Rolle als neutrales Land und als Mitglied der Europäischen Union ver­langt eine feinfühlige und gleichzeitig entschlossene Außenpolitik. Aktuell gibt es einige krisenhafte Entwicklungen auf dieser Welt. Neben dem Krieg in der Ukraine, den Konflikten im Nahen Osten und zwischen Armenien und Aserbaidschan ist auch die sicherheitspolitische Lage in der Sahelzone, am Horn von Afrika, im Sudan und auch in der Demokratischen Republik Kongo,
mit einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt, besorgniserregend – um nur einige zu nennen.

Über den Ukrainekrieg wurde in diesem Haus bereits viel gesprochen.
Ich muss die Dinge nicht wiederholen, lassen Sie mich nur einen Punkt dazu sagen: Dieser Ukrainekrieg und die destruktive Haltung von Russland bringen die OSZE in Gefahr. Für Österreich ist es daher eine außenpolitische Priorität,


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den Erhalt und die Funktionsfähigkeit der OSZE sicherzustellen und sich in die­sem Sinne zu engagieren.

Im Nahen Osten beobachten wir den anhaltenden Konflikt zwischen
Israel und Gaza mit großer Besorgnis. Österreich setzt sich für eine Zweistaa­tenlösung ein, die – auf Dialog und friedlicher Koexistenz basierend – ausverhandelt werden soll. Wir unterstützen humanitäre Initiativen und be­mühen uns, durch unsere diplomatischen Kanäle zur Deeskalation beizutragen.

Ein weiteres zentrales Thema unserer Außenpolitik ist die EU-Erweite­rung am Westbalkan. Österreich hat großes Interesse daran, diese Region näher an die Europäische Union heranzuführen. Die Stabilität und der Wohlstand
des Westbalkans sind für die Sicherheit und das wirtschaftliche Wohlergehen Europas von entscheidender Bedeutung. Anstelle eines binären Denkens
in Form von Vollmitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft ist aus österreichischer Sicht ein schrittweiser Ansatz erforderlich, das heißt eine schrittweise Integration.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Außenpolitik Österreichs ist die Neutralität und Friedenssicherung. Österreichs Neutralität ist ein historisches Erbe
und ein Grundpfeiler unserer Außenpolitik. Vor allem auch die Friedenssicherung ist ein wichtiger Aspekt unserer Außenpolitik. In diesem Zusammenhang
ist es auch wichtig, Österreichs Bemühungen in Bezug auf die Ab­rüstung, die nuklearwaffenfreie Welt und die Einhaltung und Stärkung des humanitären Völkerrechts zu erwähnen, aber auch jene in Bezug auf
eine rechtlich verbindliche Regulierung von autonomen Waffensystemen, nämlich dass die Beibehaltung bedeutender menschlicher Kontrolle
über kritische Funktionen dieser Waffensysteme essenziell ist.
(Beifall bei der ÖVP.)

Was das Ziel der nuklearwaffenfreien Welt betrifft: Das nukleare Abrüstungs- und Nichtverbreitungsregime steht aktuell enorm unter Druck. Wir befin-


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den uns in einer scheinbar aussichtslosen Zwickmühle: Stillstand bei der Abrüs­tung, Rückzieher bei der Nichtverbreitung – die nuklearen Risiken sind
größer denn je.

Wir müssen diesen Teufelskreis durchbrechen. Dieses Ziel erreichen
wir am ehesten mit dem von Österreich mitinitiierten Atomwaffenverbotsver­trag, der seit 2021 in Kraft ist. Österreich zählt zu den zentralen Initia­toren dieses Vertrages. Der Prozess steht jedoch erst am Beginn und für die Zielerreichung werden die Bemühungen und Aktivitäten im Bereich
der Bewusstseinsbildung über Risiken und Auswirkungen von Atomwaffen weiter fortgeführt.

Ich weiß nicht, ob Ihnen allen bewusst ist, dass die Weltuntergangsuhr
auf nur 90 Sekunden vor Mitternacht steht. Die Gefahr eines katastrophalen Atomkriegs beziehungsweise einer globalen Katastrophe ist extrem
hoch – sogar höher als während des Kalten Krieges. Das Ausmaß dieser Be­drohung muss der Menschheit verdeutlicht werden, denn eine Abkehr
von nuklearer Abschreckung und der Drohung mit Massenvernichtung als Grundlage der internationalen Sicherheitsarchitektur ist dringend
erforderlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich thematisiert seit Jahren die humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen und die Risiken der nuklearen Abschreckung. Der Einsatz für eine nuklearwaffenfreie Welt ist für Österreich eine außenpolitische Priorität.
In einer Zeit, in der geopolitische Spannungen zunehmen, ist es wichtiger denn je, dass Österreich seine neutrale Position nutzt, um Brücken zu bauen
und den Dialog zu fördern. Unser Engagement in den Vereinten Nationen und in anderen internationalen Organisationen ist dabei von zentraler Bedeutung.
Wir müssen weiterhin aktiv zu Krisensicherheit, Friedenssicherung und Konflikt­bewältigung beitragen und unsere diplomatischen Fähigkeiten in den
Dienst der globalen Gemeinschaft stellen.


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Die Außenpolitik ist neben Sicherheit und Finanzen eine Kernaufgabe unseres Staates. Zur Wahrung unserer Interessen ist es wichtig, dass Österreich
auch in Zukunft die lange Tradition einer berechenbaren, verlässli­chen und konstruktiven Außenpolitik weiterführt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

9.22


Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ste­fan Schennach. – Bitte.


9.23.00

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Außenminister! Liebe geschätzte Vorrednerin, so ganz werden wir
heute hier nicht harmonieren. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie sprechen davon, dass sich Österreich einsetzt. Ich frage mich: Wo ist die österreichische Außen­politik in den letzten Jahren geblieben? (Beifall bei der SPÖ sowie der
Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Selten gibt es ein Politikfeld, das so ambitionslos verwaltet wird wie die österreichische Außenpolitik. (Bundesrat Buchmann: Du bist zu viel im Ausland!) Ich teile Ihre Auffassung von den Krisenherden, die Sie erwähnt haben, geschätzte Vorrednerin, aber: Wo sind die Initiativen Österreichs, was den Genozid in Gaza betrifft? Wo sind die Initiativen, die zu einem Dialog
und zu einem Frieden in der Ukraine führen? (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Gerade ein neutrales Land führt nicht die Neutralität als Tabernakel vor
sich her, sondern ist zu einer aktiven Neutralitätspolitik verpflichtet – und aktive Neutralitätspolitik heißt, Konfliktpartner und -partnerinnen zusammenzu­bringen und einen Dialog zu starten beziehungsweise Möglichkeiten dafür zu su­chen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss immer wieder schmunzeln, wenn ich Bilder sehe, auf denen
der Bundeskanzler oder der Innenminister bei einem Besuch in Ägypten oder in


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Marokko oder in Tunesien zu sehen ist, um sogenannte Rückführungsab­kommen vorzuventilieren. Wir alle wissen: Das kann die Europäische Union ma­chen, aber sicherlich nicht ein einzelner Staat. Diese Rückführungsabkom­men sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.

Zum anderen – wenn wir jetzt so prinzipiell zur Außenpolitik auch ein wenig die EU-Politik dazunehmen – muss man sagen: Alles, was diese Regierung
immer wieder bei EU-Richtlinien präsentiert, kommt zu spät oder nicht recht­zeitig; oder gerade dann, wenn ein Vertragsverletzungsverfahren zur
Tür hereinweht, kommt noch schnell eine Regelung. Da braucht man dann in ganz vielen Fällen die Opposition für eine entsprechende Mehrheit,
und man wundert sich dann, dass bei solch einem Husch-Pfusch die Opposition nicht ständig auf Stand-by steht.

Außerdem: Ich komme gerade aus Straßburg und weiß nicht, wie oft ich
in den letzten Tagen auf diesen unglückseligen Brief von Herrn Nehammer und Frau Edtstadler an den belgischen Vorsitz angesprochen worden bin.
Das ist blamabel. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Doppler.) Zu schreiben, eine amtierende Ministerin habe nicht das Recht, Österreich zu vertreten – natürlich hat sie das Recht! Wenn, dann hätte man sie vorher abberufen müssen. Die Zeit dazu wäre gewesen. Natürlich hatte sie das Recht, Österreich zu ver­treten. Das wird auch noch so weitergehen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Herr Außenminister, nach dem Zusammenbruch in Afghanistan haben wir ganz schlecht ausgeschaut. Wir haben darum gebeten, bedrohte Frauen in Ös­terreich aufzunehmen, aber keine einzige dieser Frauen, deren Leben bedroht war, wurde von uns aufgenommen. Das ist unglaublich und unerhört.
(Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Gerade erst wurden zwei wichtige Personen gewählt – und da sieht man, dass andere Länder anders vorgehen. Die Schweiz hat alle Parteien – auch die Schwesterpartei der FPÖ zum Beispiel, die Blocher-Partei – eingespannt, um für einen Sozialdemokraten zu rennen, und zwar erfolgreich zu rennen. Der


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neue Generalsekretär des Europarates ist ein Schweizer Sozialdemokrat gewor­den, weil die Regierung mit allen Parteien dahinterstand und dies zum
Erfolg führte.

Österreich hat sich um das Amt des Menschenrechtskommissars bemüht. Die Botschafterin war enorm tätig – aber wo war die Regierung dahinter?
Wo hat sie in Europa zum Ausdruck gebracht: Das ist für uns wichtig!? – Das hat sie nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig hat diese schwarz-grüne Regierung Folgendes geschafft:
Gestern hat die Wahl des österreichischen Richters zum Menschenrechtsge­richtshof stattgefunden. Bisher hatten wir eine Richterin. Jetzt haben
wir einen Richter – einen Ungarn. Sie haben es nicht geschafft, von österreichi­scher Seite – wo wir so hohe Kapazitäten haben – einen richtigen
personellen Vorschlag zu bringen. Das ist alles andere als ein Ruhmesblatt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Liebe Frau Schwarz-Fuchs, wo wir praktisch im Duett tanzen, sind
Ihre Ausführungen zum Westbalkan. Das ist immer eine Herzensangelegenheit Österreichs gewesen, allerdings nicht in dieser abgeschwächten Form,
wie Sie es präsentiert haben, sondern schon in der richtigen Form. Ja, wir wollen die Vollmitgliedschaft vieler Balkanstaaten, denn das Haus ist nur dann
komplett, wenn der Westbalkan Mitglied ist und es nicht so kleine Halbmitglied­schaften oder Stufenweise-Mitgliedschaften gibt.

Ich glaube, wir haben noch große Probleme im Bereich Bosnien, nämlich
im Hinblick darauf, dass es dort endlich eine Verfassung gibt, die auch Bürger und Bürgerinnen und nicht nur Religionsgemeinschaften kennt und die
nicht auf einem Waffenstillstand, sondern auf einer echten Verfassung fußt. – Das ist eines.

Beim Kosovo (in Richtung Bundesrätin Schwarz-Fuchs) trennt uns gar
nichts – außer die großen Fünf – die großen Fünf! Okay, ich bin nicht glücklich


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über den Berater oder die Beraterin von Bundeskanzler Scholz in
Deutschland, die da plötzlich alle ins Konzert der Verzögerung einstimmen. Ich hoffe sehr, dass bis zum nächsten Ministerrat im Europarat der Weg für
die Mitgliedschaft des Kosovo zumindest im Europarat frei ist. In manchen Din­gen sind sie ja schon weiter als wir.

Die ÖVP – das muss man auch dazusagen; (in den Saal blickend:) irgend­wo ist Edgar Mayer, ein Zeitzeuge unseres gemeinsamen Bemühens –, die ÖVP hat immer verhindert, dass Österreich Mitglied der Bank des Europarates
wird. Die einzige Bank der Welt, die zwei Fragen stellt: Was ist der
soziale Mehrwert, wenn ich Kredit gebe?, und: Was sind die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt? Das sind die einzigen zwei Fragen, die die erfolgreichs­te Bank in Europa stellt. Und wer ist nicht dabei? – Österreich, weil die ÖVP seit 20 Jahren verhindert, dass wir bei dieser wunderbaren Bank, die bisher
so viel Richtungsweisendes gemacht hat, dabei sind.

Also ich hoffe, irgendwann wird das Finanzministerium wieder eine andere poli­tische Farbe bekommen – da schaue ich jetzt auch Andreas Babler inten­siv an (Heiterkeit bei der FPÖ) –, es ist ganz wichtig, wer im Finanzministerium sitzt. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Ja, ja, ihr werdet es noch sehen.
Dem österreichischen Nationalteam hat man auch nicht zugetraut, dass es in einer Gruppe gewinnt. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe
bei der FPÖ.)
Jetzt beruhigt euch. (Das ehemalige Mitglied des Bundesrates Mayer betritt den Saal.) – Ah, jetzt kommt mein Zeitzeuge, mit ihm könnt ihr dann
gerne reden. Wir haben uns gemeinsam um diesen Beitritt bemüht.

Zum Abschluss möchte ich noch zwei, drei Worte sagen. Liebe Sissi Grossmann, ich gratuliere zu deiner Wahl ins EU-Parlament. Hier wirst du uns fehlen. Vielleicht gehörst du der Delegation der Cosac des EU-Parlaments
an oder vielleicht – hoffentlich – treffen wir uns in der Türkei wieder, wo ich gerade eine Woche in den Gefängnissen war (Heiterkeit bei ÖVP
und FPÖ),
es wäre schön, wenn wir weiterhin zusammenarbeiten würden.


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Danke schön für all deine Arbeit hier im EU-Ausschuss. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

9.33


Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


09.33.33

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende!
Herr Bundeskanzler außer Dienst oder Nochaußenminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Also eines muss man schon sagen: Es ist wirklich nicht
leicht, als neutrales kleines Land wie Österreich außenpolitisch völlig zu versa­gen, aber, Herr Bundesminister, diese Lorbeeren darf ich Ihnen an dieser
Stelle schon auch an den Hemdkragen stecken. (Beifall bei der FPÖ.) Ich sage, Sie werden nicht nur als sadistischster Bundeskanzler aller Zeiten, sondern
auch als schlechtester Außenminister aller Zeiten in die Geschichte eingehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sind aber nicht allein verantwortlich für dieses Totalversagen,
möchte ich fast sagen, sondern das ist ja das gesamte schwarz-grüne Konglome­rat. Das war ein Gemeinschaftsprojekt, Herr Außenminister, aber mit
einem vernünftigen Außenminister wäre das nicht möglich gewesen. Sie und die gesamte schwarz-grüne Chaosregierung haben entgegen jeglichem Neutralitätsgebot einseitig eine Kriegspartei unterstützt, und das in vielfacher Hinsicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach fünf Jahren Totalversagen
wird die nächste Bundesregierung alle Hände voll zu tun haben, um den Schein Österreichs, neutral zu sein, nach außen hin wieder zu wahren. Es wäre
schön gewesen, bei Konflikten als Vermittler aufzutreten, für friedliche Konflikt­beilegungen bereitzustehen, anstatt Partei für eine Kriegsnation zu ergreifen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Die sind überfallen worden!)


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Herr Bundesminister, wir Freiheitliche fordern seit dem Anfang einen aktiven Einsatz für Friedensverhandlungen, einen Waffenstillstand im Konflikt
zwischen Russland und der Ukraine. Wir fordern auch seit dem Anfang, Öster­reich als neutralen Boden, als Verhandlungsort für Friedensgespräche anzubieten. Aber was haben Sie gemacht? – Sie haben sich – und das nicht nur einmal – hingestellt und gesagt: Wir sind militärisch neutral, sprachlich
werden wir nie neutral sein.

Herr Außenminister, da hätten Sie sich wahrscheinlich Ihren Bundeskanzler nicht zum Vorbild nehmen sollen, der sich sogar hingestellt – und einen absolu­ten Bauchfleck damit hingelegt hat – und gemeint hat: Die Neutralität ist etwas, das uns von den Sowjets aufgezwungen wurde. Munter geworden ist er
erst beim Aufschrei aus der Bevölkerung, als er gesehen hat, dass unseren Ös­terreichern die Neutralität etwas wert ist. Dann ist er wieder zurückge­rudert. (Beifall bei der FPÖ.)

Hätten Sie von Anfang an auf uns Freiheitliche gehört, dann wäre uns wahr­scheinlich viel erspart geblieben, all diese Finanzhilfen für eine Kriegs­partei nämlich, die uns inzwischen Milliarden Euro gekostet haben. Wir finan­zieren bilateral und über EU-Töpfe die Kriegspartei Ukraine.

(In Richtung ÖVP:) Ich weiß schon, Sie schreiben da jetzt einiges mit, aber schauen wir uns einmal den Ukraine Support Tracker an! Schauen wir uns den Ukraine Support Tracker an, der seit 2022 alle militärischen, finanziellen
und humanitären Hilfen für die Ukraine mitdokumentiert. Österreich steht bei diesen Hilfen inzwischen bei 3,51 Milliarden Euro. Das ist nicht nichts,
das ist Geld, das wir im eigenen Land wahrscheinlich besser hätten brauchen können, Herr Bundesminister. Die EU hat insgesamt 85 Milliarden Euro an dieses Selenskyj-Regime überwiesen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da sind bitte bilaterale Transferzahlungen noch gar nicht dabei. Auch an
diesen bilateralen Zahlungen hat sich Österreich mit 800 Millionen Euro betei­ligt. Dieser Konflikt ist ein Fass ohne Boden.


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Diese Unterstützungsleistungen, Waffenlieferungen, finanzielle Unterstützun­gen, tragen ja nicht zu einer Beendigung des Konflikts bei. Sie verlängern
das Leid von vielen Menschen, sie verlängern den Krieg und führen zu einer Vervielfachung der Anzahl der Toten. Das ist das, was ihr euch an die
Kappen heften könnt. Das ist das, was diese Bundesregierung und was Sie an­gerichtet haben.

Man darf aber auch die Ausgaben in Milliardenhöhe für die Europäi­sche Friedensfazilität nicht vergessen. Wir stehen bei 11,1 Milliarden Euro für diesen Topf, die mehrmals angehoben wurden. Ich glaube, inzwischen
stehen wir sogar schon bei einer Obergrenze von 17 Milliarden Euro. Und auch da darf man nicht vergessen: Österreich beteiligt sich mit 2,79 Prozent.
Jeder, der ins Bundesfinanzgesetz schaut, sieht, dass allein im Jahr 2024 185 Mil­lionen Euro dafür ausgewiesen sind.

Was macht die Bundesregierung? Schaut sie wenigstens, was mit dem
Geld passiert? – Nein! Sie vertraut auf die Institutionen der EU, nämlich auf jene Institutionen, die selber von einem Korruptionsskandal in den nächsten hineinrutschen. Darauf vertrauen wir, anstatt nachzuschauen, was mit unserem Geld passiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Was soll ich sagen? – Herr Außenminister, nach dieser ganzen außenpoli­tischen Geisterfahrt hängt unsere Neutralität am seidenen Faden, mit all diesen Sanktionen, an denen wir uns beteiligt haben, aber nicht nur unsere
Neutralität, sondern es hängt auch unsere Energieversorgung am seidenen Fa­den. Der Wirtschaft haben wir geschadet; ich glaube, Sie lesen auch die Zeitungen. Wir sind in Richtung Rezession unterwegs – und das als einziges Land in Europa. Das ist eine Leistung, die diese Bundesregierung zusammenge­bracht hat (Beifall bei der FPÖ), der Wirtschaft zu schaden, das Leben unserer Ös­terreicher zu verteuern – obwohl die Leute jetzt schon nicht mehr wissen,
wie sie die Lebensmittel bis zum Monatsende bezahlen sollen!


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Sie haben nicht die Interessen Brüssels zu vertreten. Sie haben auch nicht die Interessen Washingtons zu vertreten. Sie haben die Interessen unserer Österreicher zu vertreten. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.) Sie haben die In­teressen unserer Österreicher zu vertreten. Da haben Sie und dieses
ganze schwarz-grüne Konglomerat ja kläglich versagt.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das Schauspiel hat ja bald ein Ende. Der 29. September steht ja Gott sei Dank fest und dann ist Öster­reich diese schlechteste Bundesregierung aller Zeiten ein- für allemal los. Dann können wir wieder sagen: Österreich ist frei!, und mit einem Volkskanzler Herbert Kickl können wir dann endlich wieder sagen: Österreich zuerst! (Anhal­tender Beifall bei der FPÖ.)

9.41


Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


09.41.41

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! An Herausforderungen mangelt
es zweifelsfrei nicht, denn die Welt ist im Umbruch. Die globale Ordnung bildet sich neu, fundamental neu. Nicht nur die globalen Machtverhältnisse verschieben sich massiv in diesem Jahrhundert, die Megathemen Klimaschutz, Biodiversität, Ernährung, Frieden und Sicherheit, Demokratie sind ganz
oben auf der Agenda.

Um bei dieser Neuordnung und Bewältigung der Megathemen eine Rolle zu spielen, braucht es Stärke. Das heißt für uns, wie ich ganz klar meine, die österreichische Außenpolitik muss vor allem eine europäische sein. Und was ei­gentlich selbstverständlich sein sollte, wo wir aber immer wieder unter
Kritik stehen: Die Außenpolitik muss ihren eigenen Prinzipien, den europäischen Werten treu sein, auch wenn es einen Preis hat oder eigentlich gerade
dann, wenn es einen Preis hat. Wir wissen leider, dass das allzu oft nicht der Fall ist.


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Das betrifft – und das möchte ich schon kritisch anmerken – insbesondere
die Wirtschaftsaußenpolitik – bei allem Verständnis –, die überhaupt
ein dominanter Aspekt der Außenpolitik ist. So leicht machen wir es uns gele­gentlich im Namen von Wachstum und Arbeitsplätzen, wenn es
um Geschäfte mit Autokraten oder um Rohstoffe geht, die man benötigt.

Das zeigt aber auch eines auf: Außenpolitik ist nicht nur eine Sache
des Außenministers, Außenpolitik ist eine gemeinsame Verantwortung. Eine der wichtigsten und wirksamsten außenpolitischen Aktivitäten der letzten
Zeit, jedenfalls auf europäischer Ebene, ist die Zustimmung zum so wichtigen Renaturierungsgesetz, das übrigens im Europäischen Parlament längst
bestätigt ist – und das von 20 Staaten. Ein Diktat aus Brüssel ist jedenfalls etwas anderes. Das ist eine Regelung, bei der es um die Zukunft geht. Eine Zu­kunft für die jungen Leute heute gibt es nur mit einer intakten Natur. (Beifall bei den Grünen.) Gerade in Österreich mit seinem irrwitzigen Bodenverbrauch
sollte uns das ein besonderes Anliegen sein. (Ruf bei der FPÖ: Windkraftanlagen ...!)

Eine fast unbemerkte außenpolitische Aktivität, aber ebenso mit einer
hohen Zukunftsrelevanz für die Energieversorgung – wir haben gesehen, wie wichtig diese ist –, ist die Vereinbarung Österreichs mit Deutschland
und Italien zum Bau einer Pipeline von Süd nach Nord durch halb Europa, um künftig vor allem Wasserstoff transportieren zu können.

Wir sahen ja schmerzvoll in den letzten Jahren und sehen schmerzvoll
nach wie vor die Folgen der katastrophalen außenpolitischen Fehler mit der über viele Jahre aufgebauten einseitigen Abhängigkeit von Russland.

Eine besondere Rolle kann und muss Österreich – das ist schon mehrfach ange­sprochen worden – in der Frage des EU-Beitritts des Westbalkans ein­nehmen. Das geschieht auch zu einem großen Teil. Die Verfahren wären aber, denken wir, dringendst zu beschleunigen, ohne auf Klein-Klein zu
schauen. Wir müssen dabei unbedingt offensiv sein und dürfen nicht den Fehler


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machen, diese Länder viele Jahre lang mit bürokratischen Argumenta­tionen hinzuhalten, denn es gibt nur einen, der sich dann die Hände reibt, und das ist Putin.

Zur außenpolitischen Verteidigung und zum Ernstnehmen europäischer
Werte gehört insbesondere auch die aktive Unterstützung demokratischer Kräf­te im Ausland. Gerade da, Herr Außenminister – auch ein Appell –, könnte Österreich einen wertvollen Beitrag leisten, auch im Alleingang. Insbesondere die Oppositionellen in Russland brauchen Hilfe – etwa durch ein Aufent­haltsrecht bei uns –; das sind vor allem Journalist:innen, Künstler:innen, Wis­senschafter:innen, NGOs, LGBTIQ-Leute und so weiter.

Leider ist eine aktive und progressive Außenpolitik in Europa und auch
in Österreich in Gefahr – in Gefahr durch die nationalistischen, populistischen Demokratiefeinde am äußersten rechten Rand. Wir haben gerade mit
Kollegen Leinfellner ein eindrückliches Beispiel genau dafür gesehen, was uns da blüht. Insofern ist auch die Außenpolitik eine demokratiepolitische Frage­stellung. Wenn die Rechtsnationalisten an der Macht sind – das sagen sie ja sel­ber –, wollen sie Mauern bauen und eben nicht eine – so wichtige – offene, solidarische Außenpolitik betreiben.

Daher: Es gibt noch viel zu tun. Bleiben wir, vor allem die demokratischen Kräfte, dran, für ein freies und, ich denke, auch seinen Werten verpflichtetes
Europa und Österreich! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

9.46


Präsidentin Margit Göll: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für europäische und internationale Angele­genheiten. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten
nicht überschreiten.



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09.46.42

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Danke für die Möglichkeit,
hier zu einem solch wichtigen Thema reden zu dürfen. Es ist kein Geheimnis: Es sind herausfordernde Zeiten – wir haben es ja heute schon von mehreren Rednerinnen und Rednern gehört.

In den letzten fünf Jahren waren wir einer Reihe von unerwarteten Stresstests ausgesetzt. Krieg ist wieder auf diesen Kontinent zurückgekehrt. Wir
haben eine Hangabrutschung in der Sahelzone gesehen. Es gibt eine extrem gefährliche Situation im Nahen Osten, die einen Flächenbrand auslösen
könnte. Denken wir nur an den Raketenangriff des Iran auf Israel vor wenigen Wochen – etwas, das wir seit Jahren nicht mehr gesehen haben.
Schließlich haben wir im letzten Herbst auch eine humanitäre Krise sonder­gleichen im Südkaukasus erlebt.

Ich sage aber ganz klar zu den Vorrednern und zu den Parteien hier:
Die österreichische Bundesregierung ist in jedem einzelnen dieser Fälle eine ganz klare außenpolitische Linie gefahren und wird das auch weiterhin
tun (Beifall bei ÖVP und Grünen), im Unterschied zu manchen Parteien, die nicht wissen: Bin ich im Raum, bin ich nicht im Raum, wenn der ukrainische
Präsident Selenskyj im Nationalrat spricht?, oder die nicht wissen: Bin ich neutral in einem Konflikt zwischen der Terrororganisation Hamas und einem demokratischen Staat wie Israel?, oder die überhaupt glauben, mit einem Knicks vor Russland Frieden und Neutralität wahren zu können – das ist für
mich das falsche Verständnis von Außenpolitik und Neutralitätspolitik. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ja, wir sind von einem Feuerring umgeben. Ich habe einige dieser Krisen­herde aufgezählt. Was vielleicht noch herausfordernder ist als diese einzelnen Krisenherde, ist, dass wir merken, unser Lebensmodell ist unter Druck


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gekommen. Unser Lebensmodell, das auf Grund- und Freiheitsrechten, auf De­mokratie, auf Gewaltenteilung, auf Rechtsstaatlichkeit beruht, ist nicht
mehr der Exportschlager, wie wir es vor zehn, 15 Jahren noch gedacht haben, sondern steht unter Druck. (Bundesrat Steiner: Ja, wenn die Impfpflicht dazukommt! Die Grund- und Freiheitsrechte ...!) Nur noch 20 Prozent der Staaten weltweit haben ein Lebensmodell, wie wir es haben. Und ob wir wollen
oder nicht, wir sind in einem systemischen Wettstreit, bei dem Staaten wie Russ­land und China unser Lebensmodell offen herausfordern. Ich sage hier
ganz klar: Das ist für ein Land wie Österreich brandgefährlich.

Wir sind ein mittelgroßer Staat, der vom Export abhängig ist und der im Zentrum des europäischen Kontinentes liegt. Wir brauchen internationales Recht,
wir brauchen internationale Verträge. Das ist unsere Sicherheit. Wir brauchen Systeme, bei denen nicht ein Staat, nur, weil er größer ist und über
Atomwaffen verfügt, glaubt, er kann sich jetzt beim Nachbarn holen, was er will. Bleiben Sie, liebe FPÖ, auch dann neutral, wen wir angegriffen werden?
Sagen Sie dann: Ah, jetzt müssen wir neutral bleiben?! – Das hielte ich für die schlechtere Regel. Wir müssen jetzt vorbauen, wir müssen jetzt eine
klare Linie haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bun­desrat Schreuder: Richtig!)

Ja, es ist nicht immer angenehm. Ich hätte es mir auch anders vorgestellt,
als ich vor fünf Jahren dieses Amt angetreten habe. (Bundesrat Steiner: Ja, wir auch!) Ja, wir haben herausfordernde Zeiten, aber ganz offen – und ich
habe es hier oft wiederholt –: Wir Österreicher haben immer den richtigen Zu­gang zur Neutralitätspolitik gehabt, zu einer aktiven Neutralitätspolitik.

Als 1956 sowjetische Panzer durch Budapest gerollt sind, um einen ungarischen Volksaufstand niederzuschlagen: Was hat das gerade ein Jahr lang souve­räne Österreich gemacht, das erst kurz davor der UNO beigetreten war? – Wir haben jede Resolution der UNO gegen die Sowjetunion unterstützt
und sogar eine eigene eingebracht.
Das nenne ich aktive Wertepolitik und Neutralitätspolitik, so verstehe ich das. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Nur, um das noch einmal klarzumachen: Wenn jemand in der Ukraine nicht zwi­schen Opfer und Täter unterscheiden kann, sozusagen eine Umkehr
betreibt und die Ukraine selbst als Kriegspartei bezeichnet, finde ich das ziemlich abenteuerlich. (Bundesrat Spanring: ... Kriegspartei ...!) Denn worum geht
es uns? – Gar nicht so sehr um die Ukraine, sondern um den Umstand: Ein Pla­net, auf dem jemand einfach sagt: Ich will jetzt den Nachbarn überfallen,
weil ich dessen Existenzrecht negiere, und hole mir einfach ein Stü­ckerl von dem, weil es mir gerade passt!, ist ein Planet, der für uns sehr gefähr­lich ist. (Bundesrat Steiner: Was ist im Nahostkonflikt? Da ist es wurscht,
oder was?)
Das ist eine brandgefährliche Situation, weil wir keine Atomwaffen haben und auch in Zukunft keine haben werden. Wir sind darauf ange­wiesen, dass sich andere Partner – auch wenn sie im Sicherheitsrat sitzen, auch wenn sie viel mächtiger sind – an die Regeln halten. (Bundesrat Span­ring: ... Amerika ...! – Bundesrat Steiner: Bei den USA war’s wurscht, im Nahost­konflikt war’s wurscht, China war wurscht, Thailand war wurscht,
alles egal!)

Genauso ist es bei Israel: Bei Israel geht es ja nicht nur darum, dass wir eine historische Verantwortung haben, sondern es ist die einzige pluralisti­sche, rechtsstaatliche Demokratie im Nahen Osten. Auch das ist eine Basis für unsere starke, strategische Partnerschaft mit diesem Staat. Diese
Solidarität ist also auch im Hier und Jetzt verankert.

Noch ganz zum Schluss: Einige haben hier den Westbalkan erwähnt – dafür bin ich sehr dankbar. Ich glaube weiterhin, dass wir wirklich einen partei­übergreifenden Konsens in dieser Frage haben. Wir sind von diesem Feuerring umgeben, wir müssen diesem Feuerring einen Ring der Stabilität gegenüberstellen. Das wird nur funktionieren, wenn wir diese Staaten an die Europäische Union, an unsere europäische Wertefamilie heranführen.

Es gibt in der Politik kein Vakuum: Entweder es wird unser Lebensmodell sein, das sich dort durchsetzt, oder wir werden irgendwann mit Alternativen


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konfrontiert sein. Entweder wir schaffen es, Stabilität und Sicherheit zu expor­tieren, oder wir laufen Gefahr, irgendwann Instabilität und Unsicherheit
zu importieren. Es gibt keinen dritten Weg, und ich bin daher sehr dankbar, weil ich das Gefühl habe, diese Politik wird im Haus auch weiterhin klar
unterstützt.

Vielleicht noch als letzten Satz: Jedes Mal, wenn in den letzten Jahren
eine Krise aufgetreten ist, haben die Untergangspropheten wieder einmal Ur­ständ gefeiert. Ich habe das Gefühl, Europa ist manchmal der Kontinent
der Schwarzmaler. Was immer geschieht, die erste Reaktion ist: Das schaffen wir nicht, dann sind wir hin! (Bundesrat Spanring: „Wir schaffen das!“ hat auch
nichts gebracht! – Bundesrat Steiner: „Wir schaffen das!“)
 – Österreich will in dieser Domäne immer eine Medaille haben, wir wollen beim Schwarzmalen immer einen Stockerlplatz haben.

Was ist die Wahrheit? – Wir sind besser als Autokratien durch diese ungeahnten Krisen gegangen. Wir haben es geschafft. Warum? – Weil Demokratien anpassungsfähig sind, lernfähig sind. Haben wir Fehler gemacht? – Ja, tausend­prozentig, aber wir können sie korrigieren, wir haben diese Checks and
Balances in unserem System. Das haben Autokratien nicht. (Bundesrat Spanring: 29. September! – Bundesrat Steiner: Da kannst dich aber entschuldigen!
Für die Impfpflicht kannst dich entschuldigen!)

Ich glaube nur, wir sollten daraus Kraft schöpfen und sagen: Wir sind stärker, besser, resilienter, als wir es uns selber einreden. Es tut mir manchmal
leid, wenn ich das Gefühl habe, ich höre das höhnische Gelächter aus Moskau und Peking, weil gewisse Leute auf diesem Kontinent mit dem Selbstab­bau und der intellektuellen Selbstaufgabe schon die Hälfte ihrer Arbeit überneh­men. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.52


Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank, Herr Bundesminister.


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Wir gehen weiter in der Redner:innenliste, und ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen
Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Buchmann. – Bitte.


9.53.25

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitbürgerinnen und Mitbürger wissen, dass die einzige
Konstante im Leben der stetige Wandel ist. Dieser Wandel im Allgemeinen betrifft die Politik, im Speziellen aber auch die Außenpolitik und damit
auch die österreichische Außenpolitik.

In Zeiten von großen Umbrüchen – sie wurden von den Vorrednern und vom Herrn Bundesminister adressiert; manche sprechen von Zeitenwenden –
ist es aus meiner Sicht die Aufgabe der Politik, für Frieden, und zwar für Frieden in Freiheit, einzutreten.

Frieden ist die eine Sache, aber nicht Frieden ohne Freiheit, ohne die
Freiheit für den Einzelnen, ohne die Sicherheit, dass sich das Recht durchsetzt und nicht die Macht des Stärkeren ausschlaggebend ist. Das ist wichtig
in diesen Tagen.

Für die Bevölkerung ist es wichtig, dass eine Bundesregierung und ein Außen­minister diese Sicherheit auch signalisieren. Ich glaube, dass die öster­reichische Bundesregierung mit dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler, aber ins­besondere auch mit dem Herrn Außenminister das ganz exzellent tut, und
dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Für Frieden in Freiheit einzutreten, für Menschenrechte einzutreten, für Demo­kratie einzutreten, für Rechtsstaatlichkeit einzutreten, wie es die Prin­zipien des Europarates sind, ist in diesen Tagen kein einfaches Unterfangen. Der


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russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu schweren Verwundun­gen geführt – nicht nur zu menschlichem Leid, sondern auch zu zerstörter Infra­struktur. Ich bin froh, dass die Staats- und Regierungschefs bei der
Konferenz in der Schweiz vor wenigen Tagen auch ganz klar ihre Meinung kundgetan haben – so auch die österreichische Bundesregierung. Und die Lage im Nahen Osten wurde vom Herrn Außenminister soeben beschrieben.

Der Kampf gegen die illegale Migration und das Schlepperunwesen beschäftigt viele von uns. Auch im Europarat ist das ein Thema, das immer wieder
diskutiert wird. Und die Krisenherde, die es rund um die großen Krisenherde, die immer im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, gibt, wurden auch von
Christine Schwarz-Fuchs angesprochen. Ich wiederhole nur Bergkarabach, den Armenien-Aserbaidschan-Konflikt und auch die dramatische Lage im Sudan.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Außenpolitik hat auch etwas damit zu tun – neben dem, dass wir Frieden in Freiheit und Sicherheit in unserem
Land haben wollen –, dass wir an unserem Wohlstand weiterarbeiten müssen. Dafür ist es notwendig, dass in der Außenpolitik auch die Wirtschaft entsprechend gesehen wird. Ich danke da auch für das entsprechende Engage­ment seitens des Außenministeriums. Unsere Wirtschaft, die export­orientiert ist, wie Sie wissen, in der jeder zweite Arbeitsplatz unmittelbar mit den Exporterfolgen unserer Wirtschaft zusammenhängt, ist davon abhängig, dass Multilateralität in den Verträgen auch entsprechend gelebt wird.

Das sehen aktuell nicht alle großen Blöcke auf der Welt so, und die Diskussionen in der WTO zeigen ein bezeichnendes Bild. Wenn wir Wachstum wollen,
wenn wir Sicherheit haben wollen, wenn wir Prosperität wollen, wenn wir den grünen und digitalen Wandel gestalten wollen, dann brauchen wir diese multilaterale Zusammenarbeit, und das nicht nur in Europa, sondern quer durch alle Kontinente.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin noch ein bisschen unter dem Zeichen der russischen Entscheidungen, die gestern getroffen wurden:


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österreichische Journalistinnen des ORF seitens Moskaus auszuweisen. Ich fin­de, das ist ein unmöglicher Akt Russlands, und wir sollten auch als dieses
Haus hier entschieden die Meinung nach Moskau schicken: Wir wollen nicht, dass mit österreichischen Journalistinnen und Journalisten, die sich
nichts haben zuschulden kommen lassen, so umgegangen wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz noch
auf das eingehen, was der Herr Außenminister zu den Ländern des westlichen Balkans und der Erweiterung der Europäischen Union am westlichen
Balkan gesagt hat: Ja, wir müssen diese Stabilität in der Region sicherstellen, sonst werden wir instabile Verhältnisse auch zu uns importieren. Wir
brauchen eine stabile Nachbarschaft. Über die veränderte Sicherheitslage und die Einflüsse, die von Russland, von China, aber auch von anderen
Teilen der Welt in dieser Region wirken, kann sich jeder ein eigenes Bild machen, wenn er in dieser Region unterwegs ist.

Ich möchte zum Abschluss kommen und mich noch einmal sehr herzlich
beim Herrn Außenminister für seinen Einsatz bedanken, insbesondere für seine klare Kante, aber auch für seine ruhige Hand. Das steht in einer guten
Tradition der österreichischen Außenpolitik.

Lieber Herr Bundesminister, danke dafür. Richte diesen Dank aber bitte auch dem diplomatischen Dienst und unseren Botschaften aus. Jeder, der im
Ausland unterwegs ist, jeder, der Unterstützung und Hilfe durch unsere Bot­schafterinnen und Botschafter und das diplomatische Personal vor Ort
im Ausland braucht, weiß, er ist gut aufgehoben. In Zeiten des Wandels gibt es verlässliche Ansprechpartner Österreichs auf internationalem Boden.
(Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.59


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.



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9.59.48

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsi­dentin! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meiner letzten Rede hier im Hohen Haus,
bevor ich dann am 16. Juli in Straßburg als Mitglied des Europäischen Parla­ments angelobt werde (Bundesrat Steiner: Da gibt’s keine Angelobung!) – oder den Dienst antrete (Bundesrat Steiner: Da gibt’s keine Angelobung! – Zwischenrufe
bei der SPÖ) 
–, möchte ich einmal mehr betonen, dass die Neutralität
unser höchstes außen- und sicherheitspolitisches Gut ist.

Die Neutralität hat uns nach dem Zweiten Weltkrieg die Unabhängigkeit ge­bracht und wurde auch von Bruno Kreisky in vorbildlicher Weise als
Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik verwendet, und an diese Tradition müssen wir im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit auch wieder anschließen. Das wünsche ich mir von einem österreichischen Außenminister – oder in der nächsten Legislaturperiode vielleicht einer österreichischen Außenministerin – im Sinne einer aktiven Neutralität. Ich denke, es ist auch im Sinne des Friedens in Europa, dass es in der EU neutrale Staaten gibt,
damit sie eben nicht in Bausch und Bogen einem Militärbündnis zugerechnet werden kann. Das werde ich auch in meiner künftigen Tätigkeit immer
wieder betonen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist für mich heute wirklich ein schwerer Tag – ich habe mir gar nicht gedacht,
dass das so schwer werden wird –, denn ich verlasse heute nach 22 Jahren die österreichische Innenpolitik. 2002 wurde ich, eigentlich zu meiner eigenen Überraschung, nach einem innerparteilichen Auswahlprozess für den Nationalrat nominiert und dann auch gewählt, und ich wurde damals Jugend­sprecherin – daran kann man ermessen, wie lange das schon her ist (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ) – und durfte so Themen wie die Wahlalter­senkung verhandeln.


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Mir war es damals aber auch wichtig, die politische Bildung auch im Parlament zu stärken, und ich habe mit meiner Mitarbeiterin verschiedenste Modelle
eines Jugendparlaments entworfen und auch ausprobiert. Der damalige Präsi­dent Khol hat mir da auch dankenswerterweise einiges genehmigt.
Besonders dankbar war ich aber Präsidentin Barbara Prammer, die das Ganze zur Demokratiewerkstatt ausgerollt hat, worauf wir alle wirklich gemeinsam
stolz sein können, denn das ist wirklich ein wunderbarer Exportartikel, sage ich einmal, der in die Welt hinausgegangen ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und
Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.) –
Das werde ich auch weiter ins Europäische Parlament mitnehmen.

Ich bin dann gewissermaßen politisch erwachsen geworden und wurde Sprecherin für Europa- und Außenpolitik. Meine Pendants waren damals bei der ÖVP, in deren Parlamentsklub, Wolfgang Schüssel und Ursula Plassnik,
bei den Grünen war das ein gewisser Alexander Van der Bellen, mit dem ich auch international sehr viel gemeinsam unterwegs war, bei der FPÖ war es
Herbert Scheibner.

Dann wurde ich in der Steiermark in die Landesregierung berufen, was nicht im­mer einfach war, denn da waren wichtige Strukturreformen durchzufüh­ren. Das war notwendig, aber nicht immer angenehm und schon gar nicht lustig.

2013 bin ich als Bildungssprecherin wieder ins Parlament, in den Natio­nalrat zurückgekommen. 2017 bin ich dann hierher in den Bundesrat gekommen und wollte eigentlich nicht mehr weg – selbst, als sich die Möglichkeit
ergeben hat –, weil ich den Bundesrat wirklich aus tiefstem Herzen zu schätzen gelernt habe: als das wirklich umfassendst informierte Gremium mit Ein­blicken in die Landespolitik, in die Bundespolitik und in die Europapolitik. Ich ha­be auch das zumeist wertschätzende, manchmal auch, würde ich sagen, freundschaftliche Miteinander über die Parteigrenzen hinweg sehr,
sehr zu schätzen gelernt und auch genießen dürfen. Dafür sage ich ein ganz, ganz großes Danke Ihnen allen (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der FPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik) und ein Danke


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unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den wirklich großartigen
Support, den sie uns bieten. – Ja, Sie werden mir, ihr werdet mir alle fehlen. Alles Gute für eure persönliche Zukunft! – Danke schön. (Allgemeiner, von der
SPÖ stehend dargebrachter Beifall. – Die Rednerin begibt sich zum Präsidium und gibt Präsidentin Göll, Schriftführerin Gruber-Pruner, der Leiterin des Bundes­ratsdienstes sowie Bundesminister Schallenberg die Hand.)

10.04


Präsidentin Margit Göll: Sehr geehrte Frau Bundesrätin, liebe Elisabeth! Auch von meiner Seite darf ich dir die besten Wünsche für deine neue beruf­liche, politische Tätigkeit im Europaparlament mitgeben. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrätin Grossmann: Danke dir!)

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring und
ich erteile ihm dieses.


10.05.40

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vor­sitzende! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Wir haben es mehrmals gehört: Wir leben
in einer Zeit des politischen Wandels, der in Wahrheit die ganze Welt betrifft. In solchen Zeiten ist eines entscheidend: dass unsere Außenpolitik klar, dass
sie entschlossen und vor allem im besten Interesse unserer Nation geführt wird. Leider wird die derzeitige Außenpolitik diesen Ansprüchen aber in keiner
Weise gerecht.

Entscheidende Punkte dabei sind die fehlende Souveränität und die fehlende Unabhängigkeit in der Außenpolitik. Anstatt eigenständig und im Inter­esse unserer Bürger zu handeln, scheint die aktuelle Außenpolitik stark von externen Mächten und Interessen beeinflusst zu sein. Da frage ich
mich: Wo bleibt die klare österreichische Linie? Wo ist die entschlossene Vertre­tung unserer nationalen Interessen? Bei Ihnen, Herr Minister Schallen­berg? – Fehlanzeige. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir sehen nur ein Einknicken vor internationalen Institutionen und in Wahrheit auch eine blinde Gefolgschaft gegenüber EU-Vorgaben, die oftmals
gegen die Interessen unseres Landes sind. Und so, wie meine Vorrednerin das angesprochen hat, zitiere auch ich immer wieder gerne Bruno Kreisky –
er wurde übrigens auch Volkskanzler genannt; nur so nebenbei – mit seinem Sager: Lernen S’ Geschichte!, denn ein Blick in unsere eigene Geschich­te zeigt, wie wichtig und erfolgreich eine souveräne und auch eine unabhängige Außenpolitik sein kann.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Österreich von den vier Alliierten be­setzt: Großbritannien, USA, Frankreich und UdSSR. Und unsere Geschichte zeigt, dass kluge Diplomatie in Zeiten der Krise von größter Bedeutung ist. Die Konferenz von Jalta im Jahr 1945, auf der Stalin, Roosevelt und auch Churchill über die Nachkriegsordnung verhandelten, zeigte, wie gefährdet Öster­reich damals war. Stalin und Roosevelt haben sich – auf kleinen Zetteln – quasi die Einflusssphären aufgeteilt und Österreich wurde zu einem Gutteil
der UdSSR und zu einem Teil auch den USA zugedacht.

Dass Österreich dennoch seine Unabhängigkeit und Neutralität erlangte, war zur damaligen Zeit ein diplomatisches Meisterstück, meine Damen und Herren,
denn 1953, nachdem Stalin verstorben war, verhandelten österreichische Politi­ker, allen voran Außenminister Leopold Figl, mit den Sowjets die Unab­hängigkeit Österreichs und versprachen Neutralität. Und diese Neutralität stand nicht im Staatsvertrag, sondern wurde unabhängig davon im Parlament beschlossen.

Im Kalten Krieg war das kleine Österreich so klug, neutral zu bleiben, obwohl wir natürlich immer einen Hang zum Westen hatten, no na net, wir traten weder
der Nato noch der damaligen EWG oder EG bei, und dies hat uns höchstwahrscheinlich auch davor bewahrt, wie Deutschland geteilt zu werden, obwohl wir direkt am Eisernen Vorhang lagen und so klein waren, dass
sowohl die Sowjetunion als auch die USA uns locker hätten schlucken können.


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Leopold Figl, das muss ich auch sagen, das war ein Außenminister. Figl
hat den Staatsvertrag unterschrieben und er sagte den berühmten Satz: „Öster­reich ist frei!“ Und auch Leopold Figl, der ja auch Kanzler war, wurde
in seiner Zeit als Kanzler Volkskanzler genannt. Außer der Bezeichnung Volks­kanzler haben Kreisky und Figl noch etwas gemeinsam: Beide würden
heute FPÖ wählen! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Bundesrä­t:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Die derzeitige Außenpolitik ist bestenfalls unzureichend und im schlimmsten Fall gefährlich naiv. Das einzig Positive, das ich Ihnen, Herr Schallenberg, zu­schreiben kann, trotz Ihrer manchmal so anmutenden Kriegsrhetorik: Sie haben im Gegensatz zu Ihrer deutschen Kollegin Baerbock Russland zumindest
noch nicht offen den Krieg erklärt.

Österreich braucht eine klare und eine entschlossene Außenpolitik, die Krisen nicht nur bewältigt, sondern auch proaktiv Lösungen anbietet; Stichwort Friedensverhandlungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich braucht wieder eine Außenpolitik, die österreichische Interessen vertritt, und all das wird mit einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung passieren, all das wird ein Volkskanzler Herbert Kickl garantieren – und dann kön­nen die Österreicher wieder aufatmen und sagen: Österreich ist frei! (Anhalten­der Beifall bei der FPÖ.)

10.10


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco
Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


10.11.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin, ich möchte mich im Namen der grünen Fraktion herzlich für die Vorsitzführung bedanken.
Es hat sich wieder einmal gezeigt, mitunter wird in der Politik auf Frauen anders reagiert als auf Männer, und das finde ich sehr bedauerlich. (Beifall bei
Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)


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Des Weiteren möchte ich natürlich Kollegin Grossmann auch von mei­ner Fraktion alles Gute in Brüssel und in Straßburg wünschen, denn am Ende des Tages geht es um die besten Lösungen. – Viel Erfolg dabei!

Grüße Sie, Herr Außenminister! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um Außenpolitik, und nach der etwas faschingshaften Rede von vorhin (Ruf bei der FPÖ: Was? – Zwi­schenruf des Bundesrates Leinfellner), möchte ich daran erinnern, dass gerade Bruno Kreisky derjenige war, der immer gesagt hat: Neutralität bedeu­tet auch, dass man Verbrechen beim Namen nennt, wenn international Verbre­chen passieren! (Bundesrat Spanring: Impfpflicht!)

Internationale Neutralitätspolitik bedeutet natürlich nicht, dass das Völkerrecht außer Kraft gesetzt wird, sondern dass man gerade als neutraler Staat
das Völkerrecht ganz besonders beachtet. Wenn man nur eine Partei, wie es Kollege Leinfellner gemacht hat, nämlich die Ukraine, als Kriegspartei
nennt und Russland mit keinem Wort erwähnt und damit eigentlich die Kriegs­partei, die wahre Kriegspartei sozusagen, die ein anderes Land überfällt,
völlig verschweigt, dann ist das nicht Neutralität, dann ist das eine Unterwer­fung; ihr habt ja mit dem Kreml einen Freundschaftsvertrag geschlos­sen. Das ist das Gegenteil von Neutralität, das ist die wahre Kriegstreiberei, weil sie aggressive Antidemokraten einlädt, ihre Nachbarländer zu überfallen.
(Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Gross­mann. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Außenpolitik ist allerdings eine große Herausforderung. Ich möchte mein Augen­merk daher auf ein paar Themen lenken, die schon genannt, aber nur
am Rande erwähnt worden sind: China. Ich glaube, sowohl Europa als auch wir als Österreich haben tatsächlich die Aufgabe, eine klarere Chinastrategie
zu entwickeln; das halte ich für dringend notwendig. Wir wissen,
dass China mittlerweile eine sehr, sehr andere Außenpolitik fährt als noch vor einigen Jahren.


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China war ein recht ruhiges Land, das kann man so sagen, mittlerweile
sind die Spionagetätigkeiten gestiegen. Bei der AfD sind zum Beispiel Mitar­beiter verhaftet worden, die ganz klar für China Spionage im Europa­parlament betrieben haben. Wir wissen, dass China illegal Polizeistationen in anderen Ländern hat, wir wissen, dass es das auch in Österreich gibt.
Da eine klarere Politik, eine Chinastrategie zu haben, das halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe ganz oben auf der To-do-Liste.

Wir haben es schon gehört: Die Nachkriegsordnung, wie wir sie gewohnt
waren, nach dem Krieg, ist unter Druck geraten, ist verrutscht. Das ist tatsächlich der Fall. Autokratien und Länder, die die liberalen, demokratischen Werte, unsere Werte von Freiheit und Demokratie nicht teilen, kämpfen
global um Gunst. Wir sind da sehr stark unter Druck geraten.

Zu diesen autokratischen Ländern gibt es natürlich diplomatischen Kontakt, wir arbeiten mit ihnen zusammen. Das sind große, wichtige Staaten, wir müs­sen ja auf irgendeine Art und Weise mit ihnen zusammenarbeiten – das ist nicht die Frage. Wenn man aber zum Beispiel an die menschenrechtliche Situa­tion der Uiguren in China denkt oder eben daran, wie – Minderheitenrechte – Russland die LGBTIQs, die Zeugen Jehovas verfolgt und wie Russland
ein Nachbarland einfach überfällt: Das sind Perspektiven, die wir nicht haben wollen.

Dann gibt es Länder, die tatsächlich noch dazwischen liegen. Wir waren
ja mit einer Delegation des Bundesrates in Georgien, und wir haben dort gese­hen, dass für die Bevölkerung Georgiens Europa das Versprechen von
Freiheit, von Demokratie, vom Entfalten des eigenen Lebens ist. Und es ist so wichtig, dass man das unterstützt, dass wir diesen Ländern diese euro­päische Perspektive auch tatsächlich eröffnen, so schwierig es auch oft ist, mit diesen Regierungen zu verhandeln.

Ich möchte mich deswegen auch ganz herzlich bei Ihnen bedanken, Herr Außenminister, weil Sie das, gerade was den Westbalkan betrifft, tun. Serbien ist


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ein gutes Beispiel, das sozusagen auch noch zwischen prorussisch und proeuropäisch schwankt. Da müssen wir ein ganz klares Signal setzen, ein pro­europäisches Signal setzen. Wir müssen auch die Herzen der Menschen
erobern. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, und da haben Sie auch
einen wichtigen Teil gemacht.

Ich möchte auch noch einmal – Herr Kollege Buchmann hat es bereits getan – an den Sudan erinnern. Dort findet ein tatsächlicher Genozid statt – da gibt
es leider keine Protestcamps. Dort ist das Wort Genozid wirklich angebracht, und da müssen wir auch dringend international aktiv werden.

Wir sehen, es gibt so viel zu tun, wir dürfen keine Ruhe geben. Eines aber müssen wir immer tun: unsere Freiheit und unsere Demokratie verteidigen, denn auch das ist Neutralitätspolitik. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Grossmann.)

10.16


Präsidentin Margit Göll: Für ihre erste Rede zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik. Ich erteile ihr dieses.


10.16.45

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr
geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst danke ich allen Kolleginnen und Kollegen für
die herzliche Aufnahme in Ihre Reihen als Mitglied der stillen Kammer, die gar nicht so still ist wie ihr Ruf. Die Länderperspektiven werden hier mit
Verve, aber meistens auch mit Sachlichkeit vertreten, und es ist mir eine große Ehre und Freude, als erste NEOS-Bundesrätin hier an dieser Stelle zu
stehen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Mein Dank gilt ausdrücklich auch meinem sehr geschätzten Vorgänger Karl-Ar­thur Arlamovsky, der als erster Bundesrat für uns NEOS hier in der Län­derkammer Pionierarbeit geleistet hat. Als erste Frau in dieser Position freut es mich auch ganz besonders, die Frauenquote im Bundesrat auf immerhin


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48,34 Prozent – wenn ich mich nicht verrechnet habe – zu erhöhen. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich verneige mich vor allen Frauen hier im Saal, in Österreich, in Europa –
jede von ihnen ist einzigartig und besonders. Eine ganz besondere Frau war auch Brigitte Bierlein, die als erste österreichische Bundeskanzlerin vielen Frauen
ein Vorbild war und gezeigt hat, wie es gelingen kann, gläserne
Decken zu durchstoßen und auch als Frau ganz an die Spitze zu kommen. Was sie aber auch gezeigt hat – und ich finde, das haben die Nachrufe auf
sie sehr deutlich zum Ausdruck gebracht –, war, dass man den Anstand und die Menschlichkeit in keinem Amt, das man bekleidet, vergessen sollte.
Brigitte Bierlein hat zeitlebens nicht nur ihre fachliche Kompetenz ausgezeich­net, sie war auch jemand, der Freundschaften intensiv gepflegt hat und
auch Menschen, die sie schon vor ihrer Zeit als prominente Person gekannt und geschätzt haben, nicht vergaß. Sie war auch für mich ein großes Vorbild
und wird es weiterhin bleiben.

Bevor ich inhaltlich auf das Thema der Aktuellen Stunde eingehe, möchte ich kurz ein paar Sätze zu meiner Person sagen: Ich bin in Klagenfurt am Wörther­see aufgewachsen, habe nach der Matura in Kleßheim in Salzburg das Touris­muskolleg absolviert, bevor ich in Graz Jus studiert habe. Seit 2001 lebe
ich mit meinem Mann hier in Wien, habe hier die Ausbildung zur Anwältin absol­viert und bin inzwischen leidenschaftliche und begeisterte Wienerin, wenn­gleich mein Herz auch sehr stark für die Bundesländer schlägt.

In meinem Heimatbezirk Währing bin ich seit 2021 für die NEOS auch als Be­zirksrätin tätig und kenne die Sorgen und Anliegen der Bürger:innen
vor Ort. Als selbstständige Rechtsanwältin und Mutter dreier Töchter weiß ich um die manchmal kaum bewältigbaren Herausforderungen rund um
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Meine persönlichen Erfahrungen dazu werde ich hier in meiner politischen Arbeit, deren Schwerpunkte die Frau­enpolitik und das Thema saubere Politik sein werden, einbringen.


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Nun zum Thema: Ja, der globale Wandel hat uns alle fest im Griff. Wir leben zwar – weltweit – in einer Zeit, die gesamt gesehen noch nie so reich,
so sicher und so gesund war wie heute, aber wir sehen auch wieder Krieg in Europa, zunehmende Konflikte zwischen den Global Playern und beängs­tigende Fantasien von Imperialismus, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erleben mussten.

Was kann Österreich in dieser Zeit dazu beitragen, um unseren Konti­nent, unser geliebtes Europa und die Welt sicherer zu machen? – Die Neutralität weckt in den meisten Österreicherinnen und Österreichern nostalgische Gefühle, das geht mir auch so. Seit der Gründung der Zweiten Republik haben wir unser Staatsverständnis und unsere nationale Identität mit dem
Begriff der Neutralität verbunden. Neutralität war auch bis in die Achtzigerjahre ein wichtiger Marker der Außenpolitik Österreichs. Österreich fungierte
als Brückenbauer zwischen Ost und West und war im UNO-Kontext
sehr gefragt.

Ich selbst hatte das Privileg, im Jahre 2000 ein mehrmonatiges Praktikum bei den Vereinten Nationen in New York zu absolvieren, und habe erlebt,
wie der damalige Generalsekretär Kofi Annan die Ratifizierung des Römischen Statuts, also die rechtliche Grundlage des Internationalen Strafgerichts­hofs, vorangetrieben hat. Ich habe damals auch persönlich erlebt, wie hoch das Ansehen Österreichs in der UNO damals war.

Österreich beherbergt seit 1980 einen UNO-Amtssitz und bewirbt sich
aktuell auch um die nichtständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat
für das Jahr 2027/28.

Die UNO ist seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine aber stark unter Druck. Russland torpediert mit seinem Vetorecht im Sicherheitsrat die Hauptaufgabe dieses Gremiums. Während sich UN-Generalsekretär Guterres in Kiew befand, hagelte es dort russische Raketen. Die Position Russlands
zur UNO ist also klar.


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Was sind Österreichs Beiträge, um ein Funktionieren der UNO auch weiterhin zu gewährleisten, Herr Minister? – Ein Funktionieren der UNO ist gerade
auch für Österreich essenziell, weil die UNO der einzige existierende kollektive Sicherheitsmechanismus für Österreich ist. Solange wir nicht bei Artikel 5
des Nato-Vertrags mitmachen wollen und Artikel 42 des EUV nur auf dem Pa­pier existiert, ist die UNO-Charta für uns sicherheitspolitisch von existen­zieller Bedeutung.

Rechtlich gesehen ist in Hinblick auf die Neutralität für Österreich einzig das Verbot aufrecht, einem Militärbündnis beizutreten. Hat Österreich aber
seine Verpflichtung der wehrhaften Neutralität erfüllt? – Nein. Über Jahrzehnte wurde das österreichische Bundesheer zu Tode gespart. Im Falle eines
Angriffs könnten wir uns nicht einmal mehr verteidigen.


Präsidentin Margit Göll: Redezeit!


Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (fortsetzend): Wie verhält es sich mit der Bedrohungslage Österreichs? Wie sind denn die Erzählungen einzuschätzen, dass uns die Neutralität vor einem Angriff schützt? – Die Antwort ist schmerzhaft, aber sehr klar: Diese Erzählungen sind schlichtweg falsch.
Dabei meine ich nicht nur diverse Sicherheitsbedrohungen wie Desinformations­politik, ich meine ganz konkret die Frage, ob das österreichische Staatsge­biet sicher ist.

Im europäischen Ausland hat einzig und allein ein Staat vehementes Interesse daran, dass Österreich seine Neutralität beibehält, und das ist Russland.


Präsidentin Margit Göll: Ich bitte um den Schlusssatz!


Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (fortsetzend): Die neue Regierung wird sich der Aufgabe Diskussion der österreichischen Sicherheitspolitik stellen müssen, um die Sicherheit unseres Landes zu ge­währleisten. – Danke. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ
und Grünen.)

10.23



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 58

Präsidentin Margit Göll: Ich darf bekannt geben: Der Herr Bundesminister musste wegen dringender familiärer Angelegenheiten weg.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

10.23.35Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Margit Göll: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfrage­beantwortungen,

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfas­sungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt,

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundeskanzlers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,

eines Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bun­desministerium für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll
dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung
auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung ange­schlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 18)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 59

2. Eingelangter Verhandlungsgegenstand, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Ermächtigung zur Verfügung über unbewegliches Bundesvermögen (2529 d.B. und 2584 d.B.)

3. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen
Mitgliedsstaat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc am 27. und 28. Juni 2024 in Belgien (Anlage 2)

4. Schreiben des Landtages

Schreiben des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Ersatz­mitgliedes (Anlage 3 und Anlage 3a)

5. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundesmi­nisterium für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich des grenzüberschreitenden Schutzes des Luftraums vor nichtmilitäri­schen Bedrohungen aus der Luft (Anlage 4)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Bericht der Bundesministerin für Justiz über die in den Jahren 2016 bis 2022 erteil­ten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrundeliegende Verfahren been­det wurde (III-856-BR/2024)

zugewiesen dem Justizausschuss


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 60

Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2024, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und
dem Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-857-BR/2024

zugewiesen dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung

Bericht des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft betreffend Tourismus in Österreich 2023 (III-858-BR/2024)

zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur

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BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 61

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BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 62

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BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 63

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BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 64

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*****


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 69

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Margit Göll: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerrats­dienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. am 27. Juni 2024 ab 16 Uhr in der Schweiz bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundes­minister für Inneres Mag. Gerhard Karner mit seiner Vertretung

sowie eine Information des Kabinetts des Bundesministers für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Vertretung
des Herrn Bundesministers Johannes Rauch durch Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden
jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Antrag, die Gegen­stand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorbereitungen abgeschlossen und schrift­liche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl der beiden Vizepräsident:innen, der Schriftführer:innen und der Ordner:in­nen für das zweite Halbjahr 2024 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Margit Göll: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beab­sichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 15 bis 18 unter
einem zu verhandeln.

Gibt es dazu einen Einwand? – Auch das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 70

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsidentin Margit Göll: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe
ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen
betreffend „4.000 fehlende Polizist:innen – handeln Sie endlich im Sinne der Sicherheit, Herr Innenminister!“ an den Bundesminister für Inneres
vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Wir gehen in die Tagesordnung ein. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler hebt
die Hand.)
 – Bitte.

*****


10.27.12

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin, zur Geschäftsordnung! Sie haben soeben angekündigt, die Dringliche um 16 Uhr aufzurufen.

Ich gebe bekannt, dass unser Bundesminister Karner um 16 Uhr im Hauptausschuss des Nationalrates für zwei Tagesordnungspunkte zugegen sein wird. Dieser Hauptausschuss war schon lange vor unserer Sitzung
angesetzt – ich möchte das hiermit nur bekannt geben –, das war auch der SPÖ bekannt. (Bundesrätin Schumann: Wir haben schon eine Lösung, entschuldige,
zu spät dran!)

10.27


Präsidentin Margit Göll: Danke für die Information.

Frau Bundesrätin Korinna Schumann? (Bundesrätin Schumann: Ich habe mich nicht gemeldet – vielen Dank, Frau Präsidentin!) – Gut, dann gehen wir weiter in der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 71

10.27.501. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Fa­milienlastenausgleichsgesetz 1967, das Mutterschutzgesetz, das Väter-Karenzgesetz, das Landarbeitsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (Sonderwochengeld-Gesetz) (2553 d.B. und 2587 d.B. sowie 11502/BR d.B.)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


10.28.14

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich
bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz,
das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Mutterschutzgesetz,
das Väter-Karenzgesetz, das Landarbeitsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich
zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 72

10.29.12

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream!
Liebe Margit, auch seitens der ÖVP-Bundesratsfraktion bedanke ich mich ganz herzlich für deine umsichtige, wertschätzende und sehr sympathische Präsidentschaftsführung und ich wünsche dir, lieber Franz – er ist jetzt gerade nicht im Saal –, alles Gute für deine Präsidentschaft. (Beifall bei ÖVP
und Grünen.)

Ein weiteres Kind bedeutet noch einmal eine ordentliche finanzielle Belastung für Familien. Obwohl man den Kinderwagen und die erste Grundaus­stattung meist von einem Kind auf das nächste weitergeben kann, gibt es dennoch, wenn Familienzuwachs kommt, finanzielle Herausforderungen, die die Familien zu stemmen haben, zum Beispiel den Umstieg auf ein größeres
Auto, den Umzug in eine größere Wohnung oder vielleicht auch einen neuen Radanhänger, in dem zukünftig zwei Kinder statt nur einem Kind Platz
haben. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)

In dieser wichtigen Lebensphase brauchen Familien unsere Unterstützung. Des­halb führen wir für Mütter, die sich noch in Elternkarenz befinden, aber
kein Kinderbetreuungsgeld mehr beziehen, ein Sonderwochengeld
ein. Das Sonderwochengeld ist ähnlich wie das normale Wochengeld: Es gebührt acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt. Während dieser Zeit
sind die Mütter auch pflichtversichert. Diese Regelung tritt rückwir­kend mit 1. September 2022 in Kraft.

Mit dem Sonderwochengeld stärken wir einmal mehr unsere Familien. Bei den Familienleistungen sind wir ja bereits Europameister, jetzt muss es nur
noch unsere Fußballmannschaft werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.31


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächste Rednerin zu Wort gemel­det ist Frau Bundesrätin Sandra Gerdenitsch. Ich erteile ihr dieses.



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 73

10.31.25

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Präsidentin, auch von meiner Seite vielen Dank für Ihre Präsidentschaft!
Für den zukünftigen neuen Präsidenten alles Gute! Und meiner lieben Genossin und Freundin Sissi Grossmann wünsche ich alles Gute für die kommende
Periode in Brüssel. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Eder hat es schon sehr gut ausgeführt und umfassend dargelegt: Wir beschließen heute das Sonderwochengeld – basierend auf einem
OGH-Urteil –, weil die geltende Rechtslage dem Unionsrecht widerspricht. Frauen, die sich für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld entschieden haben und nach dessen Auslaufen noch einige Monate in Eltern­karenz sind, werden damit für den Fall, dass sie in diesem Zeitraum ein
weiteres Kind bekommen, sozialrechtlich abgesichert.

Ich kann nur bekräftigen, was Genosse Stöger bereits im Nationalrat gesagt hat: Wir begrüßen diese Novelle – diese Reparatur – ausdrücklich, weil es für
viele Frauen eine Notwendigkeit ist, dass sie durch diese Anpassung ihre Auto­nomie erhalten können, indem sie eben in der Phase, in der sie ihr Kind bekommen, ein Einkommen haben.

Es ist einfach unsere gesellschaftliche Aufgabe – (in Richtung der auf der Regie­rungsbank Platz nehmenden Bundesministerin Zadić) herzlich willkommen,
Frau Ministerin! –, jenen Frauen, die sich dazu entscheiden, Kinder zu bekom­men, ihre Autonomie zu geben beziehungsweise zu erhalten, denn
Kinder bedeuten nicht nur viel Liebe, viel Freude, viel Action, Kinder bedeuten auch viel Arbeit, viele Herausforderungen für die Nerven, viel Zeit und
viel Geld. Gerade wenn zwei Kinder knapp hintereinander zur Welt kommen, ist jeder Euro willkommen und nötig.

Handlungsbedarf orten wir aber nach wie vor bei den allgemeinen gesetz­lichen Bestimmungen. Rund um eine Geburt hat man ohnehin schon sehr viel um


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die Ohren, und sämtliche Regeln im Zusammenhang mit Kinderbetreuungs­geld, Karenz, Wochengeld sind derartig kompliziert geworden. Bitte nehmen Sie das alles mit: All das muss vereinfacht werden!

Frau Ministerin, Sie erwarten ja auch ein zweites Baby, Sie haben sicher Verständnis dafür; auch herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle. –
Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

10.33


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr dieses.


10.33.44

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Kollegen! Liebe Zuseher! Wie gesagt, es ist wirklich sehr, sehr begrüßens­wert, dass jetzt einmal auch in diese Richtung etwas getan wird, das heißt, dass man sich einmal um Familien kümmert, dass man einmal etwas Positives
für die Familienpolitik macht. (Bundesrätin Schumann: Eh viel zu spät! Viel zu spät! 2022 war der Beschluss!) Von unserer Seite ist es schon sehr lange eine Forderung gewesen, aber – und es ist halt so wie immer bei dieser Regierung, wenn sie Dinge macht, gibt es immer ein großes Aber –:

Erstens einmal finde ich es nicht richtig, dass sich die Betroffenen wie­der wie Bittsteller darum bemühen müssen, Anträge von sich aus stellen müssen, weil es nicht möglich ist, dass das automatisch bitte jenen Frauen zugute­kommt, die seit 1.9.2022 in diese sogenannte Wochengeldfalle hineingerutscht sind.

Zweitens sage ich: Es ist eine Versicherungsleistung. Das ist kein Geschenk
des lieben Staates Österreich – dass man sagt: Jetzt kommen die Wahlen, seien wir wieder so großzügig und schenken wir ein bisschen etwas! –, sondern
das ist eine Versicherungsleistung! (Beifall bei der FPÖ.)


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Es ist von Anfang an falsch gewesen, dass man Frauen, die ihre Kinder
eben nicht sozusagen versicherungsmathematisch zum richtigen Zeitpunkt kriegen, von der zweiten Sache ausgeschlossen hat.

Was aber, finde ich, viel wichtiger ist als die finanzielle Unterstützung,
ist, dass es dadurch wieder eine Versicherungsleistung gibt – denn das Schlimme ist, dass jene Frauen, die in diese Wochengeldfalle hineingefallen sind,
keine Versicherung, keinen Versicherungsschutz mehr hatten. Es löst natürlich auch beim Arbeitgeber die PV-Pflicht aus. Laut Auskunft der Experten
im Ausschuss haben diese 16 Wochen des Sonderwochengeldes auch Vorteile, was Biennalsprünge, die Anrechnung im Hinblick auf den Urlaubsanspruch
und so weiter betrifft.

Also ja, es ist richtig, aber: Warum kann man das nicht automatisieren? Bei der ÖGK liegen doch bitte die Geburtsdaten der Kinder auf, daher sollte es
so sein, dass jede betroffene Frau ein Schreiben von der ÖGK kriegt, in dem sie davon verständigt wird, dass ihr im Nachhinein Geld zusteht. Das wäre
die richtige Vorgehensweise. (Beifall bei der FPÖ.)

10.36


Vizepräsident Dominik Reisinger: Mittlerweile ist Frau Bundesministerin Zadić zu uns gestoßen. – Ich darf Sie recht herzlich bei uns im Bundesrat be­grüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Wir gehen in der Rednerliste weiter. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


10.36.27

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ein kleiner Satz zu Frau
Kollegin Schartel: Das Kinderbetreuungsgeld wurde 2017 reformiert. Wenn Sie sich jetzt hierherstellen und sagen, da sind Fehler passiert, dann können


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wir ja froh sein, dass es jetzt von dieser Regierung unter grüner Beteiligung re­pariert wird. (Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrätin Schartel:
Das hat nichts mit Kinderbetreuungsgeld zu tun!)

Im Zuge der Reform des Kinderbetreuungsgeldes 2017 wurde tatsächlich mit der sogenannten – wir haben dieses Wort heute schon gehört – Wochen­geldfalle eine Ungerechtigkeit für jene Frauen geschaffen, die knapp hinterein­ander Kinder bekommen haben. Das hat zu der Situation geführt – wir ha­ben es heute auch schon gehört –, dass Frauen eben, wenn sie wäh­rend der nicht mehr entgeltlichen Zeit der Karenz ein weiteres Kind bekommen haben (Bundesrätin Schartel: Karenz hat nichts mit Kinderbetreuungsgeld
zu tun!),
keinen Anspruch auf Wochengeld hatten.

Für uns war ganz klar: Frauen dürfen nicht dafür bestraft werden, dass sie ein weiteres Kind vielleicht früher als geplant bekommen. Wir haben inten­siv an der Lösung gearbeitet, und wir können sie heute endlich beschließen. Wir schließen damit eine Lücke, die doch einige Frauen betroffen hat.

Die Einführung des Sonderwochengeldes kommt rückwirkend mit 1. September 2022, und künftig – wir haben es heute schon gehört – sind diese Frauen kranken- und pensionsversichert. Diese Reparatur war wichtig und notwendig, und ja – Kollege Obrecht, er ist jetzt gerade nicht da, hat es am Dienstag
im Ausschuss angesprochen –, es hat durchaus Zeit gebraucht, aber jede betrof­fene Frau wird rückwirkend die ihr zustehende Leistung erhalten, dafür ist
Sorge getragen. Was zählt, ist, dass es nun endlich diese Wochengeldfalle nicht mehr gibt.

Ich werde auch nicht müde, aufzuzählen, was diese Regierung in der letzten Legislaturperiode für Frauen und Familien verbessert hat. Wir bringen im familienpolitischen Bereich viel zustande. Wir setzen die notwendigen
Schritte hin zu mehr Gleichberechtigung. Wir arbeiten ständig daran, alte Rollen­bilder endlich aufzubrechen. Wir entlasten Familien finanziell. Da nenne


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ich ganz prominent beispielsweise die Valorisierung der Familienleistungen: Fa­milien erhalten 10 Prozent mehr. Das ist ein familien- und sozialpoliti­scher Meilenstein, und das Ganze passiert automatisch. Wir haben das Geld für den Papamonat verdoppelt, und es wird später nicht mehr vom Kinderbe­treuungsgeld abgezogen, damit quasi die Kinderbetreuung endlich fair aufgeteilt werden kann.

Es gibt eine Verbesserung bei den Vereinbarkeitsrichtlinien – damit wird
die Väterbeteiligung erhöht. Wir haben außerdem die Familienberatungsstellen wieder aufgestockt. Wir haben die Digitalisierung der Familienbeihilfe,
die Antiteuerungsmaßnahme in Form der Verdoppelung der Familienbeihilfe, die Weiterentwicklung des Eltern-Kind-Passes umgesetzt. Wir haben mit
dem Zukunftsfonds dafür gesorgt, dass bei der Elternbildung endlich etwas wei­tergeht. Die Länder sind eingebunden und werden dadurch tatsächlich
keine Ausreden mehr dafür haben, dass sie nicht den Ausbauturbo zünden, denn gerade dort, glaube ich, können wir uns ein Zuwenig an Kinderbetreuung
einfach nicht mehr leisten. – So geht vernünftige und moderne Familienpolitik! (Bundesrätin Schumann: Ihr habt bei der Kinderbetreuung nichts weiterge­bracht, nichts, nichts, nichts! Das ist eine Schande! Eine Schande ...!)

Wir sind aber noch lange nicht am Ende. Erst wenn jede Familie den benötigten Kinderbetreuungsplatz in der Nähe hat, erst wenn die Kindererziehung
wirklich fair aufgeteilt werden kann, erst wenn Frauen später nicht mehr auf­grund der Sorgearbeit in Altersarmut landen und erst wenn es keine
Nachteile mehr gibt, wenn eine Frau Mama ist, sondern wir eine echte Gleichbe­rechtigung haben, dann sind wir fertig.

Heute beschließen wir eine weitere, aber wichtige Verbesserung, und das ist
gut so. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.40


10.40.31

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 78

Herzlich begrüßen darf ich einen Bekannten, Vizepräsident des Bundesrates außer Dienst Ewald Lindinger, mit einer Besuchergruppe. – Herzlich will­kommen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.41.172. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird (4065/A und 2588 d.B.
sowie 11503/BR d.B.)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 2. Punkt
der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


10.41.41

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den
Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 79

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


10.42.19

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte
Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Opfer­fürsorgegesetz: Die Geschichte des Opferfürsorgegesetzes ist natürlich nicht nur ein Zeichen dafür, wie wir historisch mit unserer schweren Vergangen­heit vor allem in Zeiten des Nationalsozialismus und des NS-Terrors umgehen, sondern dieses Gesetz spiegelt eigentlich auch ganz gut unseren Umgang
nach dem Krieg damit wider. Wann wir welche Opfergruppen hineingenommen haben, wann wir es überhaupt benannt haben, ist eigentlich eine ganz interessante Geschichte.

Am Anfang: 1945 wurde das Opferfürsorgegesetz eingeführt, und damals galt das vor allem für die – ja auch wirklich sehr zu respektierenden – Wider­standskämpfer und Widerstandskämpferinnen. Das war auch gut so, aber das waren natürlich auch deswegen die ersten genannten Opfer, weil es
damals auch darum ging, dem Bild der Moskauer Deklaration sozusagen zu entsprechen, dass man ein Land gewesen wäre, das Widerstand gegen
den Nationalsozialismus geleistet hätte.

Erst 1947, also zwei Jahre später, wurde dann die größte Opfergruppe überhaupt ins Opferfürsorgegesetz aufgenommen – also da gab es das schon zwei Jahre –, das waren die Jüdinnen und die Juden.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 80

Erst später kamen sukzessive auch die anderen Opfergruppen dazu, zum
Beispiel die Sintize und die Romnia, Zeuginnen und Zeugen Jehovas, Menschen mit Behinderungen, und beispielsweise die homosexuellen Opfer des
NS-Terrors wurden überhaupt erst 2005 aufgenommen. Das halte ich schon für wichtig, zu sagen, weil 2005 eigentlich fast keiner derjenigen, die diesem
Terror und diesem Horror ausgesetzt waren, mehr lebte.

Ich möchte einfach einmal ein Buch empfehlen – das passiert nicht oft hier im Bundesrat, aber heute möchte ich das machen –, nämlich „Die Männer
mit dem Rosa Winkel“ von Heinz Heger. Er ist Wiener, aus dem 9. Bezirk, und er ist eigentlich der Einzige, der von seinen Erfahrungen in den Konzentra­tionslagern erzählt. Er ist auch der Einzige, von dem noch ein Rosa Winkel – das war dieses Symbol, das man in den Konzentrationslagern als homosexuelles
Opfer bekommen hat – erhalten geblieben ist; die meisten haben ihn logischer­weise weggeworfen, seiner ist erhalten geblieben. Er hat ihn dann öster­reichischen Museen angeboten, und – auch das eine interessante Geschichte, wie wir nach dem Krieg damit umgegangen sind – kein einziges Museum
hatte Interesse daran. Deswegen liegt dieser Rosa Winkel, dieser Wiener Rosa Winkel, jetzt im Holocaust Memorial Museum in Washington, weil die
die Einzigen waren, die daran Interesse hatten.

Es war Justizministerin Zadić, die sich auch für das Unrecht entschuldigt hat, das den homosexuellen Opfern nicht nur während des NS-Terrors, sondern
auch danach angetan worden ist. Das ist im Opferfürsorgegesetz auch wichtig: den Umgang zu begreifen, wie wir damit umgehen. Es wurden Urteile,
die in der Zeit des NS-Terrors gefällt wurden, später in der Zweiten Republik nachträglich bestätigt. Natürlich gab es damals zum Glück nur noch menschenrechtskonforme Justizanstalten und keine Konzentrationslager mehr, aber dass die Menschen aufgrund von NS-Urteilen trotzdem wieder ins Gefängnis mussten, das passierte auch in der Zweiten Republik.

Heute und hier machen wir wieder eine Adaptierung. Wir müssen natürlich be­fürchten, dass es sich auch in diesem Fall um einen symbolischen Akt


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 81

handelt, weil wahrscheinlich - - Sagen wir es einmal so: Ich würde mich freuen, wenn noch jemand davon lebt und als Opfer anerkannt wird.

Es geht um diejenigen, die als angebliche – und jetzt muss man das unter Anführungszeichen setzen – „Berufsverbrecher“ verurteilt worden sind. Unter dieser Bezeichnung wurden in der NS-Zeit Menschen einfach willkürlich verurteilt und in Konzentrationslager gesteckt. Das war eine Bezeichnung, die einfach vollkommen willkürlich verwendet wurde, weil man zum Beispiel Widerstand gegen einen Nationalsozialisten geleistet hat, weil man einfach nur zu Hause in seiner Gemeinde aktiv Widerstand geleistet hat, weil man
vielleicht auch in einen Raufhandel mit einem SS-Angehörigen verwickelt war. Solche Sachen wurden dann unter diesem Begriff „Berufsverbrecher“ subsumiert.

Heute werden diese Menschen, die in die Konzentrationslager gesteckt wurden, im Opferfürsorgegesetz auch als Opfer anerkannt. Es ist viel zu spät, aber
besser man tut es, als man tut es nicht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.47


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Philipp Kohl. Ich
erteile ihm dieses.


10.47.44

Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen
und Zuseher! Das Opferfürsorgegesetz gewährt Leistungen an Menschen, die während der NS-Zeit Opfer von politischer Verfolgung waren. Dieses
Gesetz, das seit der Einführung im Jahr 1945 bereits viele Anpassungen erfahren hat, dient dazu, sicherzustellen, dass diejenigen, die gelitten haben, ent­schädigt werden.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 82

Es ist bedauerlich, dass viele Opfergruppen leider lange Zeit von Unterstützun­gen ausgeschlossen waren. Erst durch den Nationalfonds von 1995 erhiel­ten viele weitere Opfer eine Entschädigung.

Die geplante Aufhebung der Einschränkungen für Menschen mit nicht getilgten gerichtlichen Verurteilungen, der Berufsverbrecher, ist ein weiterer Schritt
in Richtung historische Gerechtigkeit. Auch wenn die meisten Betroffenen – vielleicht leider sogar alle – bereits verstorben sind, bleibt es von großer Bedeutung, dieses Gesetz anzupassen, um den Opfern und ihren Familien die verdiente Anerkennung zukommen zu lassen.

Geschätzte Damen und Herren! Fast 80 Jahre nach dem Ende des Zwei­ten Weltkrieges ist es unsere Pflicht, uns weiterhin mit den Auswirkungen dieser dunklen Periode auseinanderzusetzen. Es ist unsere Verantwortung, die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten und sicherzustellen, dass ihr Leiden nicht umsonst war. Es gibt keine Worte, die das Leid und das Elend, das den Menschen damals widerfahren ist, irgendwie beschreiben könnten, aber wir müssen darüber sprechen, weil wir das niemals vergessen dürfen.
Jede Geschichte, jedes Schicksal erinnert uns daran, dass ein Krieg nie eine Lösung sein kann.

Das Opferfürsorgegesetz ist mehr als nur ein Gesetz – es ist ein Sym­bol für unsere kollektive Verantwortung, aus der Geschichte zu lernen und sicherzustellen, dass solche Gräueltaten nie wieder geschehen. (Bei­fall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie der Bundesrätin Grimling.)

Durch die fortwährende Anpassung und Erweiterung dieses Gesetzes
setzen wir ein Zeichen der Solidarität und des Respekts gegenüber den Opfern und deren Familien. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Obrecht.)

10.50


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 83

10.50.18

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident!
Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Zuseherinnen und Zuseher! Meine beiden Vorredner haben jetzt
schon einiges zum Opferfürsorgegesetz geschildert, und ich muss nicht alles wiederholen, aber ich möchte schon betonen, dass durch diese Initiative,
die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ausgegangen ist, dann von den Grünen und der ÖVP und der SPÖ im Nationalrat aufge­griffen wurde, eine wirklich große Ungerechtigkeit – dass eben nicht
alle Opfergruppen nach dem Ende des Naziterrors gleichermaßen bewertet und auch behandelt wurden – nun endlich richtiggestellt wird. Das sind wir
diesen Opfern schuldig – und ich muss sagen: Endlich gelingt es uns heute, die­ses Unrecht zu beseitigen.

Wir sprechen im Übrigen von unfassbaren 60 000 bis 80 000 Menschen,
die von dieser Kategorisierung betroffen waren, die sozusagen als Berufsver­brecher oder Asoziale von den Rassenideologen der Nazis bezeichnet
wurden, die damit Menschen wirklich gnadenlos stigmatisiert, bewertet, diskri­miniert, verfolgt und schlussendlich aussortiert haben – und am Ende mit
einem furchtbaren Plan, der Vernichtung durch Arbeit genannt wurde, viele tat­sächlich auch ermordet haben.

Allein im KZ Mauthausen waren 4 234 dieser sogenannten Berufsverbrecher inhaftiert und 11 098 Sicherungsverwahrte – also diese Dimensionen
müssen uns einfach bewusst sein.

Diese sogenannten Berufsverbrecher – Kollege Schreuder hat es schon ausgeführt – waren eben keineswegs, wie der Begriff vermuten lassen würde, Schwerverbrecher oder Mörder, sondern es ging oft um Bettler, um Alko­holiker, Obdachlose, Kleinkriminelle, die vielleicht Eigentumsdelikte begangen haben. Es waren auch gar nicht so wenige Frauen darunter. Zum Beispiel


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 84

war es zu dieser Zeit ein Vergehen, wenn man abgetrieben hat oder der Prosti­tution beschuldigt wurde: Auch das hat gereicht, um dort inhaftiert zu
werden.

Asozial war man, wenn man in diesem System in irgendeiner Form auffällig war – und in diesem System wurde man sehr schnell auffällig, wenn man in irgend­einer Form nicht angepasst war.

Die Nazis haben ab 1933 wirklich permanent neue Gesetze erfunden, um diese Menschen systematisch aus dem Verkehr zu ziehen. Da gab es sogenann­te Sicherungsverwahrungen für diese Menschen, und Menschen wurden mit Vorbeugehaft auch sozusagen vorsorglich inhaftiert. Viele dieser betrof­fenen Gruppe waren auch die Ersten, die in die Konzentrationslager gebracht und dort sozusagen verwahrt wurden.

Das, was dann in den KZs passiert ist, war, dass sie dort wiederum mar­kiert und wiederum stigmatisiert wurden: einerseits mit diesem Grünen Winkel auf der linken Brust (die Rednerin weist mit der rechten Hand auf die entspre­chende Stelle) für die sogenannten Berufsverbrecher und mit dem Schwarzen Winkel für die sogenannten Asozialen. Also auch dort wollte man noch
einmal deponieren, dass das eine besonders verabscheuungs­würdige Bevölkerungsgruppe sei.

Diese Stigmatisierung ging auch nach 1945 weiter, und ich denke, das ist die besondere Demütigung, die dieser Gruppe widerfahren ist: dass man sie
auch nach 1945 weiter stigmatisierte und sich auch andere Opferverbände von dieser Gruppe von Opfern distanziert haben, und leider, muss man sagen,
war auch diese Opfergruppe nicht selbstbewusst genug, um sich lautstark genug für ihre Rechte oder für ihre Anerkennung einzusetzen. Bis heute wurde
ihnen der Opferausweis sozusagen verwehrt, und diese Demütigung und Ernied­rigung wird erst heute mit unserem Beschluss beendet. (Beifall bei der SPÖ
sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 85

Ich möchte jetzt noch ganz kurz darüber nachdenken, was das eigentlich auch für heute, für die Gegenwart bedeutet, denn wahrscheinlich begegnet
auch Ihnen allen dieser Begriff asozial nach wie vor sehr oft – dass Menschen als asozial eingestuft werden. Heute werden immer noch Menschen stigmati­siert aufgrund eines Verhaltens, aufgrund einer Eigenschaft, die sie mitbringen – das passiert leider nach wie vor. Wir haben auch nach wie vor Politiker –
auch hier im Parlament –, die keinen Genierer haben, Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, sozusagen an einem Ort konzentriert
sehen zu wollen. Also auch dieses Gedankengut ist nach wie vor präsent. – Sie alle erinnern sich an diese Aussage von Herbert Kickl; das ist noch nicht
so lange her.

Ich finde aber, wir haben als Politiker:innen, wir haben als Bürger:innen eine Ver­antwortung, mit solchen Klassifizierungen, mit solchen Zuweisungen
extrem vorsichtig zu sein – da gebe ich meinem Vorredner Kohl vollinhaltlich recht. Wir haben eine Verpflichtung diesen Opfern gegenüber, bei sol­chen Entgleisungen, bei solchen Überschreitungen einfach tatsächlich hoch­sensibel zu sein und zu bleiben – dies alles im Gedenken an diese
Tausenden Opfer, denen wir heute ein Stück Gerechtigkeit zukommen lassen können und damit auch unserer Gesellschaft und unserem Zusammen­leben etwas Gutes tun. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:in­nen von ÖVP und Grünen.)

10.56


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Ich darf einen weiteren Gast bei uns begrüßen. Bei uns im Bundesrat ist heute die Verfahrensrichterin der letzten beiden Untersuchungsausschüsse,
Frau Dr. Edwards. – Frau Doktor, herzlich willkommen im Bundesrat. (Allgemei­ner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile
ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 86

10.57.16

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher hier im Saal und
vor den Bildschirmen! Wie bereits meine Vorredner gesagt haben, debattieren wir hier unter dem aktuellen Tagesordnungspunkt die Novellierung des Opferfürsorgegesetzes und haben es schon genauer erläutert. Wir wollten eine Klarstellung beziehungsweise eine Gleichstellung mit anderen, vergleich­baren Gesetzen, dass es einen gleichen Zugang für jeden einzelnen Bürger geben soll, und das wurde erreicht.

Es hat in § 15 des Opferfürsorgegesetzes einen Absatz gegeben, der besagt,
dass der „Anspruch auf Ausstellung einer Amtsbescheinigung oder
eines Opferausweises [..] nicht gegeben“ ist, „wenn der Anspruchswerber“ – das wurde auch schon erwähnt – „wegen einer [...] gerichtlich“ strafbaren
Handlung „zu einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde“. – Wenn diese Verurteilung noch nicht getilgt gewesen ist, hatte man also
keinen Anspruch.

Wenn man aber vergleichbare Gesetze heranzieht, zum Beispiel das Impfscha­dengesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Verbrechensopferge­setz und das Heimopferrentengesetz, dann sieht man die ganz klare Regelung, dass es auch bei noch nicht getilgten Verurteilungen oder Strafen zu
einem Anspruch gekommen ist.

Mit dieser Gesetzesnovelle wird diese Einschränkung endlich gestrichen, damit kommt es zu einer Gleichbehandlung. Dies ist, wie im Ausschuss ausge­führt, vor allem auch ein symbolischer Schritt zur Aufarbeitung unserer Vergan­genheit. Dementsprechend werden wir dem zustimmen.

Ich darf Ihnen, Frau Minister, für die Schwangerschaft alles Gute wün­schen, herzlichen Glückwunsch – ich freue mich. Im Dezember ist es dann so weit, nicht? Alles Gute! – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.59


10.59.01


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 87

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.59.313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden
(4038/A und 2579 d.B. sowie 11498/BR d.B. und 11511/BR d.B.)


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Ich bitte um den Bericht.


10.59.53

Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Ich bringe den Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen bereits vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 88

Der Gleichbehandlungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage ein­stimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für Ihren Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Böhmwalder. Ich erteile ihr dieses.


11.00.31

Bundesrätin Sandra Böhmwalder (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, sehr geehrte Damen und Herren, Fehl- und Totgeburten, das ist ein sehr sensibles Thema, das uns alle in unserer Menschlichkeit tief berührt. Der Tod eines ungeborenen Kindes, diese Tragödie ist für jede Familie ein
schwerer Schicksalsschlag, besonders für die Mütter, die oft eine immense psychische und physische Belastung erfahren.

Der Verlust eines Kindes während der Schwangerschaft, besonders ab
der 18. Schwangerschaftswoche, ist ein Schmerz, der kaum in Worte zu fassen ist. Die Mutter, die ihr Kind bereits spürt, die mit dem Kind eine tiefe
Verbindung aufgebaut hat, erlebt nicht nur eine emotionale Leere, sondern auch eine körperliche Herausforderung. In dieser Zeit ist es von größter
Bedeutung, dass die betroffenen Frauen und ihre Familien nicht alleingelassen werden.

Ein Beispiel, das leider zeigt, dass in solchen schwierigen Situationen
nicht immer die notwendige Unterstützung verfügbar war, betrifft eine Frau aus meinem Bekanntenkreis. Sie verlor ihr Kind in der 20. Schwangerschafts­woche. In ihrer ohnehin schwersten Zeit hatte sie leider nicht die Möglichkeit, eine Hebammenbegleitung in Anspruch zu nehmen. Sie und ihr Partner


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 89

waren auf sich allein gestellt, als sie mit der schockierenden Nachricht konfron­tiert wurden. Obwohl das Krankenhauspersonal medizinisch kompetent
und fürsorglich war, fehlte die spezielle emotionale und psychologische Unter­stützung, die eine erfahrene Hebamme hätte bieten können. Diese Lücke
führte dazu, dass das Paar nicht nur den unmittelbaren Verlust verar­beiten musste, sondern auch mit einer Vielzahl unbeantworteter Fragen und Ängste konfrontiert war.

Hier kommt die wichtige Rolle der Hebammen ins Spiel. Hebammen
sind nicht nur medizinische Fachkräfte, sondern auch vertraute Begleiterinnen, die mit ihrer Empathie und mit ihrem Fachwissen unterstützen können.
Sie bieten eine ganzheitliche Betreuung, die sowohl die körperliche Heilung als auch die psychische Verarbeitung umfasst. In der schwierigen Zeit nach
einer Fehlgeburt können sie Trost spenden, Fragen beantworten und wertvolle Hilfestellung leisten. Genau deshalb ist es von großer Bedeutung, dass
die Unterstützung durch die Hebammen in solchen Fällen gewährleistet wird.

Das vorgesehene Maßnahmenpaket sieht vor, dass die Kosten für die Inanspruchnahme der Hebammenbetreuung nach einer Fehlgeburt ab der 18. Schwangerschaftswoche von der Krankenkasse übernommen werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, um den betroffenen Familien und den Frauen
die notwendige Hilfe zukommen zu lassen, ohne dass sie sich um finanzielle Belastungen sorgen müssen. Die Übernahme der Kosten ist mehr als
nur eine finanzielle Entlastung, sie ist ein Zeichen des Mitgefühls und der An­erkennung der schwierigen Situation, in der sich die betroffenen Fami­lien befinden. Es ist ein Schritt hin zu einer umfassenden Unterstützung und einer besseren Versorgung in einer der schwersten Zeiten ihres Lebens.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass keine Familie in solch
einem schmerzhaften Moment alleine bleibt! Lassen Sie uns die wichtige Arbeit der Hebammen würdigen und sicherstellen, dass jede Frau, die einen sol­chen Verlust erleidet, die bestmögliche Unterstützung erhält!


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Ich bedanke mich abschließend noch bei allen Hebammen und Hebammenver­bänden für ihre großartige Arbeit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP,
Grünen und SPÖ.)

11.04


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Gerdenitsch. Ich erteile ihr dieses.


11.04.48

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Was Kollegin Böhmwalder gesagt hat, kann ich vollinhaltlich unterstützen: Schwangerschaftsverluste sind extrem schmerzlich. Auch ich hatte das erst kurz vor Weihnachten mit einer sehr guten
Freundin miterleben müssen. Daher ist unbedingt Unterstützung notwendig, auch um Folgeerkrankungen zu vermeiden und diese bestmöglich
abzufangen.

Das Thema ist leider immer noch ein gesellschaftliches Tabu, so wie ich das fest­stelle, und ich bin der Meinung, dass wir heute dieses Plenum auch nützen sollten, um diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn man sich mit Frauen unterhält und in die Tiefe geht, kommt man darauf: Aha, dieser Freundin ist das auch schon einmal passiert, diese Bekannte hatte schon einmal eine Fehlgeburt – also das ist nichts, was nicht quasi zu unserem Leben dazugehören würde, was etwas Seltenes ist. Jede dritte Schwangerschaft endet leider mit einer Fehlgeburt. Das sind die Fakten.

Betroffene sind emotional sehr stark belastet, und wenn sie nicht die Möglichkeit haben, diesen Verlust entsprechend zu verarbeiten, können sich eben auch weitere Krankheitsbilder entwickeln, seien es Depressionen, Angststörungen, aber auch Suchtabhängigkeiten oder sogar Krebserkrankungen. Und ein Krankenstand reicht oftmals nicht aus, um damit fertigzuwerden.


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Deshalb ist es so wichtig, dass Maßnahmen in diesem Bereich gesetzt werden, und das machen wir heute, und deshalb stimmen wir auch zu.

Wir begrüßen, dass mit der Weiterbildung für das Gesundheitspersonal, für die Beratungsstellen und vor allem auch mit dem Hebammenbeistand Betrof­fenen nun besser geholfen wird. Die Hebammen, die wir haben, sind ein ganz wichtiger Berufsstand. Ich kenne auch persönlich zwei, drei Hebammen,
und die machen wirklich einen großartigen Job. Ein herzliches Dankeschön auch an dieser Stelle! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Was wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an dieser Stelle aber auch für die betroffenen Frauen fordern, ist die Ausdehnung des Mutterschut­zes mit dem entsprechenden Kündigungs- und Entlassungsschutz,
damit die trauernden Frauen wenigstens sicher sein können, dass sie ihre Arbeit nicht verlieren und ihnen eine angemessene Zeit bleibt, um mit dem
Erlebtem umgehen und trauern zu können. Meine Gedanken sind jetzt gerade bei allen Sternenkindeltern. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

11.07


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

11.07.16Ankündigung von Dringlichen Anfragen


Vizepräsident Dominik Reisinger: Ich gebe bekannt, dass mir jeweils ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfragen der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anschlag auf die Existenz unserer Landwirte“ an die Bundesministerin für EU und Verfassung sowie an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vorliegt.


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Die beiden Anfragen wurden nach Eingang in die Tagesordnung einge­bracht. Ihre Behandlung erfolgt daher nach Erledigung der Tagesordnung. Da die beiden Anfragen weiters in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen,
wird deren Behandlung gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundes­rates mit Zustimmung der Antragsteller unter einem erfolgen.

Weiters gebe ich bekannt, dass im Einvernehmen mit den Fraktionen die Be­handlung der an den Bundesminister für Inneres gerichteten Dringlichen Anfrage um 15 Uhr erfolgen wird.

11.08.18Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm dieses.


11.08.24

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Werte Ministerin! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseher zu Hause und hier im Bundesratssaal! Liebe Österreicher! Bei diesem Tagesordnungs­punkt geht es um die Angleichung beziehungsweise den Lückenschluss
der Bestimmungen bei einer Lebendgeburt, einer Totgeburt oder einer Fehlge­burt. Mit dieser Änderung besteht ein Anspruch auf Hebammenbei­stand auch bei einer Fehlgeburt ab der vollendeten 18. Schwangerschaftswoche.

Die Geburt eines Kindes ist für die gesamte Familie ein erfreulicher Lebensabschnitt. Wenn in der Schwangerschaft Probleme auftreten und eine Fehl- oder Totgeburt auftritt, braucht die Familie fachlichen psychi­schen und gesundheitlichen Beistand. Diese Angleichung ist zu begrüßen, wenngleich es keinen Unterschied macht, ob eine Tot- oder Fehlgeburt vorliegt. Solche Schicksalsschläge sind einfach nur tragisch. Es ist deswegen richtig
und wichtig, Frauen in solchen Situationen zu unterstützen.

Unser Zugang ist ja bekannt: Für uns spielt es keine Rolle, wie so ein tragischer Schicksalsschlag bezeichnet wird. Eine langjährige Forderung von uns ist


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eine Ausbildungsoffensive im Gesundheitsbereich, und genau da, beim Hebam­menbeistand, ist der Personalmangel Tatsache.

Ein Anspruch auf Wochengeld nach einer Fehlgeburt ist leider auch bei
dieser Gesetzesänderung nicht dabei.

Bei dieser Gesetzesanpassung wird auf das Hebammengesetz aus dem Jahr 1994 zurückgegriffen. Eine Gesetzesänderung nach 30 Jahren ist einfach notwendig. Diese Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes, des Bauern-Sozialversicherungs­gesetzes und des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes
soll mit 1. September in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt kann der Hebammen­beistand in Anspruch genommen werden.

Es gibt breite Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg. Wir als Sozial-
und Familienpartei unterstützen Familien bestmöglich und in solch tragischen Lebenssituationen. Wir unterstützen daher diese Gesetzesänderung. –
Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.10


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr dieses.


11.11.02

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich persönlich wirklich sehr, dass wir heute etwas
so Wichtiges beschließen, und das einstimmig, nämlich die dringend notwendige Hilfe und Unterstützung für Frauen in einer absoluten Ausnahmesituation.

Ja, ein Schwangerschaftsverlust – wir haben es schon mehrfach gehört, aber man kann es gar nicht oft genug betonen – kann ein extrem belastendes
Ereignis im Leben einer Frau sein, nämlich sowohl psychisch als auch körperlich.


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Aus diesem Grund erweitern wir den Hebammenbeistand auf Fehlgebur­ten nach der 18. Schwangerschaftswoche. Das ist ein wirklich wichtiger Schritt, denn wir dürfen betroffene Frauen einfach nicht alleinlassen.

Immerhin zwischen 12 und 24 Prozent aller Schwangerschaften enden
durch einen Schwangerschaftsverlust oder eine Fehlgeburt frühzeitig, und da sprechen wir nicht von den unbekannten, von den unbemerkten Fehlge­burten, bei denen die Frauen vielleicht noch gar nicht einmal wussten, dass sie schwanger sind, sondern diese Zahl betrifft die Schwangerschaften, die
schon festgestellt wurden.

Auch wenn es wünschenswert wäre, dass die Frauen in dieser Situation durch ihre Familie, durch Freunde aufgefangen und unterstützt werden, so ist
es doch leider immer noch so, dass das Thema Fehlgeburten und auch frühe Fehlgeburten Tabuthemen sind. Dadurch haben diese Frauen, die betrof­fenen Frauen, nicht nur die seelische und die körperliche Belastung, sondern zusätzlich auch noch das Gefühl, die Situation alleine stemmen zu müs­sen; und oft haben sie auch noch Schuldgefühle, weil ihr Körper diese Schwan­gerschaft nicht halten konnte.

Wie läuft das denn bisher ab? – Da kommt vielleicht eine Frau von einem Kontrolltermin nach Hause, bei dem sie erfahren hat, dass der Herzschlag ihres Babys nicht mehr zu hören ist, nicht mehr zu sehen ist. Sie wird nach
Hause geschickt, vielleicht mit einer Überweisung zur Kürettage. Vielleicht hört sie auch zum ersten Mal von der Möglichkeit, dass sie die ganze Sache
quasi aussitzen kann und abwarten kann, ob ihr Körper die Schwangerschaft selber beendet.

Sagen wir, sie entscheidet sich dazu, ihren Körper mit der Situation sel­ber zurechtkommen zu lassen. Das kann von vielen Tagen bis zu Wochen dau­ern – Tage, in denen sie zusätzlich womöglich immer noch zum
Beispiel unter Schwangerschaftsübelkeit leidet oder Unterleibsschmerzen hat.


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Dann setzt wie gesagt oft erst nach vielen Tagen die Geburt ein – denn
jeder Schwangerschaftsverlust ist eine Geburt. Wenn sich die Frau dann in die­ser Situation doch unsicher fühlt und ins Spital geht, hört sie dort vielleicht noch einmal den Vorwurf, warum sie nicht gleich gekommen ist und überhaupt so lange zugewartet hat. Dann Narkose, Kürettage, nach dem Aufwachen
nach Hause – und das war’s dann mit der Begleitung. Noch ein paar Tage Kran­kenstand, und dann sollte auch schon wieder alles okay sein.

Das ist es aber eben oft nicht! Ein Schwangerschaftsverlust ist wie schon erwähnt wirklich eine Geburt und sollte auch so begleitet werden – davor, wäh­renddessen und danach –, und das eben durch jene Fachfrauen, die da­für ausgebildet sind. Hebammen sind in dieser schwierigen Zeit eine wichtige Unterstützung. Sie beraten, sie betreuen und sie pflegen körperlich. Sie
begleiten den Trauerprozess, aber auch die körperlichen Veränderungen. Sie kümmern sich um Rückbildung und Heilvorgänge nach der Geburt.
Und das schaffen wir jetzt mit den vorliegenden Gesetzesänderungen zumindest für Fehlgeburten nach der 18. Schwangerschaftswoche.

Der von mir skizzierte mögliche Ablauf zeigt auch, wie wichtig die weite­ren Maßnahmen sind, die im Ministerrat beschlossen wurden, um Frauen bei Fehl- und Totgeburten umfangreich und bestmöglich von Anfang an
zu begleiten und zu unterstützen. Da gibt es die Weiterbildungsoffensive für Ärztinnen und Ärzte und auch für Hebammen – ganz wichtig –, speziel­le Weiterbildungen für Beraterinnen und Berater bei Familien-, Frauen- und Mädchenberatungsstellen; es werden Richtlinien und Leitfäden für
Ärztinnen und Ärzte erstellt, auch ganz wichtig, denn diese sind meistens die ersten Ansprechpersonen von betroffenen Frauen. Eine Broschüre
wird erstellt – „Stille Geburt oder Tod des neugeborenen Kindes“ –, die in Krankenhäusern aufliegen soll. Das soll nicht nur Information für
betroffene Eltern sein, sondern auch zur Bewusstseinsbildung und zur Ent­tabuisierung beitragen, das einfach sichtbar machen.


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Als besonders wichtig erachte ich auch die Einrichtung der interdiszi­plinären Arbeitsgruppe, die sich damit beschäftigt, wie eine Erweiterung der Definition Totgeburt erfolgen kann und die Ansprüche betroffener
Frauen auf Wochengeld, Kündigungs- und Entlassungsschutz, auf Mutterschutz prüft.

Alles in allem ist das also ein wirklich sehr gutes und ganz wichtiges Paket,
und wie schon gesagt freue ich mich über die breite Zustimmung. –
Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Obrecht.)

11.16


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


11.16.33

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr
geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sterneneltern mussten ihre Kinder loslassen und manchmal
auch beerdigen, ohne sie je lebend in den Armen gehalten zu haben. Die Trauer, der Schmerz und die Belastungen, die das für die Eltern und Geschwis­terkinder darstellt, sind schier unermesslich.

Ich selbst kenne zumindest acht Frauen, die einen Schwangerschaftsverlust er­leiden mussten und drei Frauen, die ihr Kind als Totgeburt oder nicht
lebensfähig zur Welt bringen mussten. Im letzteren Fall müssen Frauen nicht nur den seelischen Abgrund überstehen, die Nachricht vom Tod ihres Kindes
zu verarbeiten, sondern sie müssen zusätzlich auch noch die körperlichen Stra­pazen einer Geburt erdulden.

Oft sind nach der Geburt des toten Kindes das Bild eines Fußabdruckes
oder ein Foto von ihrem Baby die einzige Erinnerung, die diesen Frauen und ih­ren Familien an das Kind bleibt. Die Begleitung von Hebammen in solchen


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Stunden und Tagen ist für Frauen und ihre Familien essenziell. Auch die geplante Ausarbeitung von Richtlinien für Ärztinnen und Ärzte, die Frauen bei sol­chen Geburten medizinisch begleiten, ist aber dringend notwendig. Ein sensibler und empathischer Umgang mit den Betroffenen in solchen Ausnahmesitua­tionen muss auch vonseiten der Ärzteschaft gewährleistet werden.

Das österreichische Hebammengremium macht seit Jahren auf den flächende­ckenden Mangel an Hebammenbetreuung aufmerksam. Durch die bevorstehenden Pensionierungen der Sechzigerjahrgänge und durch den zu­nehmenden Hebammenbedarf im extramuralen Bereich wird der Hebam­menbedarf noch zusätzlich steigen. Da muss rechtzeitig gegengesteuert werden, weil durch den Ausbau des Hebammenanspruchs auch der Bedarf an Hebammen zunehmen wird.

Nicht nachvollziehbar ist auch die Begrenzung des Anspruches auf Unterstüt­zung durch eine Hebamme auf die 18. Schwangerschaftswoche. Eine
stille Geburt oder ein Schwangerschaftsverlust können auch zu einem früheren Zeitpunkt in der Schwangerschaft geschehen, und dann haben die betrof­fenen Frauen denselben Betreuungsbedarf.

Aus rechtlicher Sicht ist aber auch die derzeit bestehende gesetzliche Regelung, nach der der Mutter bei einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm und
ohne Lebenszeichen des Kindes kein Mutterschutz und auch kein Bestattungs­kostenbeitrag zusteht, völlig nicht nachvollziehbar. Nicht das Geburts­gewicht des Kindes sollte Normzweck sein, sondern die körperlichen und psy­chischen Vorgänge während und nach einer Geburt bei den betroffenen
Frauen, die ja auch Zweck der mutterschaftsrechtlichen Bestimmungen sind. Die Initiative Mut zeigen! hat zu Recht darauf hingewiesen.

Nach dem Erlebnis eines Schwangerschaftsverlustes erfüllen bis zu
60 Prozent der Frauen und Männer die klinischen Kriterien einer posttrauma­tischen Belastungsstörung. Bis zu 20 Prozent der Frauen zeigen Anzei­chen einer Depression und 32 Prozent der Frauen entwickeln Angstzustände. Es


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ist daher wichtig, dass allen betroffenen Frauen, die einen Schwanger­schaftsverlust vor oder nach der 18. Schwangerschaftswoche erleiden, bei Be­darf professionelle psychische Unterstützung zuteilwird. Die Versorgungs­lage des Gesundheitssystems im Bereich der psychischen Gesundheit in Öster­reich ist seit Jahren mehr als prekär. Auch in diesem Bereich wird es
rasche und umfassende Maßnahmen brauchen, um den Betroffenen die Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, die sie benötigen.

Der vorliegende Gesetzesvorschlag ist aber jedenfalls ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung und wird von uns NEOS vollumfänglich unterstützt. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

11.20


11.20.05

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.20.324. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Gewaltambulanzen (Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz – GewaltAFG) erlassen wird (4067/A und 2565 d.B. sowie 11506/BR d.B.)



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Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. – Ich bitte um den Bericht.


11.21.01

Berichterstatterin Viktoria Hutter: Ich darf Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Gewaltambulanzen, Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz, erlassen wird,
zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur An­tragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den
Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Arpa. Ich erteile ihr dieses.


11.21.38

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Minister – auch
von meiner Seite: herzliche Gratulation! Werte Zuhörende! Es gibt Herausfor­derungen, die aus meiner Sicht besonders schmerzhaft sind. Die dunkle
Seite unserer Gesellschaft ist die Gewalt, vor allem die Gewalt an Frauen, die – und das ist oft die Spitze eines Eisberges – oft in einem Mord enden
kann. Laut Autonomer Österreichischer Frauenhäuser gibt es bereits dieses Jahr zwölf Frauenmorde, 25 Mordversuche und weitere Menschen, die von


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anderen verletzt worden sind und werden und dadurch auch mit großem Leid konfrontiert sind.

Wir als SPÖ wollen das ändern und hinschauen. Deshalb fordern wir,
dass der Bund – aus unserer Sicht: endlich einmal – tätig wird. (Beifall bei
der SPÖ.)

Ich bedanke mich auch gleichzeitig bei allen Institutionen, die mit
Opfern arbeiten, weil ich glaube, dass das eine sehr herausfordernde Arbeit ist. An dieser Stelle sage ich noch einmal herzlichen Dank.

Noch einmal zurück zum Bund: Wir als SPÖ-Fraktion verlangen einen
Nationalen Aktionsplan, damit wir gegen diesen Fleckerlteppich im Gewaltschutz auftreten können, um Lücken zu identifizieren und diese auch mit klaren Zuständigkeiten und Zeitplänen zu schließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und – deswegen stehe ich ja auch heute hier vor Ihnen –: Es braucht endlich flächendeckende Gewaltambulanzen, wie wir es schon seit Jahren for­dern. Ich sage das seit Jahren, die Kollegin aus dem Nationalrat, Selma Yildirim, bringt bereits seit vier Jahren immer wieder Anträge ein, die nicht behan­delt werden. Es braucht bei Gewaltambulanzen kein Miniprojekt – obwohl man in Graz seit Jahren ein Vorbild hat –, es braucht eine Blaupause, die man
auf ganz Österreich umlegen kann. Es kann nämlich nicht sein, dass ein Gewalt­opfer im Westen weniger wert ist als im Osten. (Beifall bei der SPÖ.)

Flächendeckende Gewaltambulanzen sind ein wesentlicher Teil, der uns
im österreichischen Gewaltschutz fehlt. Was ist eigentlich die Aufgabe einer solchen Ambulanz? – Diese stellt sicher, dass vorhandene Beweise, die
eine Tat belegen oder sie ausschließen, gesichert werden.

Das Angebot einer Gewaltambulanz steht grundsätzlich allen von Gewalt be­troffenen Menschen zur Verfügung – wir reden oft von Frauen, aber
es gibt natürlich auch andere Gewaltopfer –, dies sollte auch rund um die Uhr


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sein, und es ist auch unabhängig von einer Anzeige nutzbar, das heißt, es sind verfahrensunabhängige Untersuchungen.

Gewaltambulanzen sichern Beweise, sodass sie später auch vor Gericht ver­wendet werden können. Das ist vor allem bei Gewalt gegen Kinder,
gegen Frauen, ältere Menschen oder pflegebedürftige Menschen ganz zentral und wichtig, vor allem, wenn sie nicht nur von körperlicher, sondern
auch von sexueller Gewalt betroffen sind. Das kann natürlich auch helfen, die in Österreich leider sehr niedrige Verurteilungsrate zu heben. Sie sind sozu­sagen dafür geeignet, Beweise sicherzustellen. Die Betroffenen
können sich dann auch in Ruhe überlegen, ob sie etwas zur Anzeige bringen oder auch nicht.

Als Leiterin eines Frauenhauses weiß ich, wie schwer es ist, sich zu öffnen,
wenn man von Gewalt betroffen ist. Wenn man Beweise gleich sichern möchte, dann muss eine Ambulanz 24 Stunden offen haben. Es muss die Möglich­keit bestehen, dass alle in Österreich betroffenen Opfer diese zeitnah erreichen können. Das ist eine Forderung, die wir auch aufstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie schaut es aber aus, wenn wir uns die Landschaft hier anschauen? – Die Ver­sorgung von Gewaltopfern ist in Österreich völlig unzureichend. Wir ha­ben das auch im Ausschuss intensiv diskutiert und auch da gab es die Diskussion darüber, dass dies 24 Stunden lang möglich sein muss.

Ich habe mich ein bisschen auf die heutige Rede vorbereitet und gefunden,
dass im Jahr 2022 im Auftrag der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integra­tion und Medien im Bundeskanzleramt, des Bundesministers für Inneres,
der Bundesministerin für Justiz und des Bundesministers für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz eine Studie mit dem Titel „Die Versor­gung Österreichs mit Gewaltambulanzen“ erstellt wurde.

Darin werden auf 116 Seiten der Istzustand und auch die Lösungsmöglichkeiten beschrieben. Diese Studie liegt nun vor und es gibt die Empfehlung, wie


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Gewaltambulanzen umgesetzt werden können. Davon finden wir aber im vor­liegenden Gesetzestext nichts mehr. An keinem Ort, auch nicht in grö­ßeren Ballungsräumen, gibt es aktuell die rund um die Uhr verfügbare Möglich­keit einer fachgerechten forensischen Beweissicherung.

Trotz der Studie und trotz kritischer Stimmen wurde ein Initiativantrag
ohne Begutachtung in die parlamentarische Debatte geschickt. Das verstehen wir nicht und wir unterstützen das auch nicht. Warum wurden die Inhal­te der Studie mit genau jenen Einrichtungen und Expert:innen, die
jahrein, jahraus – ich habe sie vorhin schon genannt – mit von Gewalt betrof­fenen Frauen, Kindern und behinderten Menschen beschäftigt sind und
arbeiten, nicht mit eingebunden? Warum wurde das nicht gemeinsam evaluiert? (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Das ist eine gute Frage!)

Stattdessen gibt es einen Initiativantrag. Dementsprechend gibt es natürlich auch kritische Reaktionen, auch vom Frauenring. Es gibt gegenteilige Stellungnahmen, die öffentlich kundgetan wurden. Was ist passiert? – Nichts, sie bleiben ungehört.

In diesem vorliegenden Initiativantrag finden wir noch folgende Ausgestal­tung, die ich auch einmal vorlesen möchte: Die Ministerien werden ermächtigt, mit Betreibern Förderverträge abzuschließen. – Das heißt, Sie beschließen
da heute etwas, was die Verfassung eh schon zur Verfügung stellt.

Es gibt keine genaue Konkretisierung, ob institutionalisierte oder öffentliche Betreiber gemeint sind, es gibt keine ausreichenden Mindeststandards,
es gibt keine nachhaltige Finanzierung – gar nichts ist da geregelt,
wirklich nichts!

Man könnte meinen, dass dieser Initiativantrag dann notwendig ist, wenn der Rechnungshof auffordert beziehungsweise wenn Wahlen vor der Tür
stehen. Dafür stehen wir als Sozialdemokratie nicht.


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Deswegen möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen – da könnten Sie sich ja heute noch einmal umentscheiden –:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag.a Claudia Arpa, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzliche Verankerung von Gewaltambulanzen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz,
wird aufgefordert, die gesetzlichen Grundlagen für Gewaltambulanzen zu schaffen. Diese sind im öffentlichen Bereich flächendeckend in allen österreichischen Bundesländern zu institutionalisieren und sollen die forensische Beweissicherung im Falle von Gewalt – insbesondere gegen Frauen –
für etwaige spätere Strafverfahren sicherstellen. Ein kostenloser, niederschwel­liger Zugang ist sicherzustellen. Dabei sind jedenfalls u.a. Expertinnen
und Experten aus den Bereichen Gewaltschutz, Gewaltprävention sowie dem medizinischen, insbesondere aus dem gynäkologischen und gerichtsme­dizinischen Bereich, einzubinden.

Vorzusehen ist außerdem eine Berichtspflicht, die beim Frauenministerium zu bündeln ist. Die Berichte sind im Nationalrat sowie dem Bundesrat jähr­lich bis zum 30. September des Folgejahres vorzulegen.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.29


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Der von den Bundesräten Mag.a Claudia Arpa, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „gesetzliche Verankerung von


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Gewaltambulanzen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir fahren fort in der Debatte. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.


11.29.46

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter
Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Zuallererst möchte ich meiner Vorrednerin Claudia Arpa danken, allerdings nicht für ihre Ausführungen und schon gar
nicht dafür, dass die SPÖ gegen die Einrichtung und Förderung von Gewaltam­bulanzen ist – sie bringt seit vier Jahren Anträge dahin gehend ein, war
aber davor zig Jahre in der Regierung, und in dieser Zeit wurden keine Gewalt­ambulanzen eingerichtet (Ruf bei der SPÖ: Oh, es ist Wahlkampf! – Zwischen­ruf der Bundesrätin Schumann) –; ich möchte ihr vielmehr für ihre wichtige Arbeit in einem Frauenhaus und ihre Vernetzungsanstrengungen danken, die sie
damals als Präsidentin des Bundesrates mit Blick auf die österreichischen Frau­enhäuser unternommen hat. – Vielen Dank dafür! (Beifall bei den Grünen
sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Apropos Präsidentin: Ich möchte mich auch bei ihr bedanken; jetzt ist sie nicht da, dann werde ich das in meiner nächsten Rede machen. Ich möchte
mich auch bei Elisabeth Grossmann bedanken, sie ist auch nicht da, dann mache ich das auch in meiner nächsten Rede.

Zum Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz: Wir wissen – ich habe es
auch hier schon öfter gesagt –, 90 Prozent aller Verfahren, die Frauen ange­strengt haben, weil sie Gewalt ausgesetzt waren, nämlich in ihren eige­nen vier Wänden, oft leider auch sexualisierte Gewalt erfahren haben, wurden eingestellt. Nur jedes zehnte Verfahren endete mit der Verurteilung des
Täters: aber nicht deswegen, weil festgestellt wurde, dass der Täter unschuldig ist – das wäre schön –, sondern deswegen, weil das Verfahren im Zweifel


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für den Angeklagten, aus Mangel an Beweisen geendet hat. Ein Mangel an Be­weisen bedeutet, es lagen zu wenige Zeug:innenberichte vor oder die Verletzungen wurden nicht oder schlecht dokumentiert und konnten für das Verfahren nicht verwendet werden.

Da wollen wir mit der Förderung von Gewaltambulanzen Abhilfe
schaffen, nämlich insofern, als alle Personen, die von Gewalt betroffen sind, sich dort kostenlos und rund um die Uhr, sieben Tage die Woche gerichtsmedi­zinisch untersuchen lassen können. Egal, ob danach Anzeige erstattet wird oder nicht, diese gerichtsfeste – so nennt sich das – Dokumentation von Gewalt­anwendung bleibt kostenlos.

Das ist der wichtige Punkt: Es geht um diese gerichtsmedizinische Unter­suchung, es geht nicht um Opferschutz in dem Sinne, dass Leistungen im Spital zur Heilung und zur Vorsorge erbracht werden, sondern es geht um die gerichtsmedizinische Untersuchung, das heißt, um die Beweissicherung der Ver­letzung, damit der Beweis genügend Aussagekraft vor Gericht haben wird
und außer Zweifel gestellt werden kann, dass die Frauen oder Kinder
durch Fremdeinwirkung Gewalt ausgesetzt waren. Genau das ist das Neue.

Eine weitere wichtige Funktion dieser Gewaltambulanzen ist, dass sie
den Frauen Aufklärung und Unterstützung dahin gehend bieten, wo sie weitere Hilfe bekommen können. Das ist auch deswegen so wichtig, weil jedes
Gespräch mit kompetenten Menschen helfen kann, diese Gewaltspirale zu durchbrechen. Wir haben es eh auch vorhin von Kollegin Arpa gehört: Auch in den Frauenhäusern werden diese Gespräche geführt. Das ist deswegen
so wichtig, da so vielleicht zum ersten Mal überhaupt bemerkt wird, dass es nicht normal ist, unter Druck gesetzt oder kontrolliert zu werden, geprüft zu
werden, geschlagen zu werden, und dass man nicht selbst schuld an der Gewalt ist oder sie gar provoziert. Schuld ist immer der Täter. Jedes solches
Gespräch hilft – es hilft und es ist ein erster Schritt, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu lösen.


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Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss kann der Bund nun Förderver­träge, die sehr lange, mit sehr vielen Experten nach bestimmten Standards aus­gearbeitet wurden, mit Einrichtungen abschließen, die dann als Gewalt­ambulanzen fungieren können. Das heißt, es können auch bereits bestehende Projekte in Krankenhäusern in diesem Bereich weiterhin finanziell abge­sichert werden. Das ist wichtig, da das bekannte Anlaufstellen sind, die damit erhalten werden. Es können aber auch neue errichtet werden. In Wien
wird es ab Herbst eine fixe Stelle geben, in Graz gibt es bereits eine. Diese zwei Stellen, aber grundsätzlich auch alle zukünftigen Stellen werden mobile
Teams haben, die auch in den Ländern unterwegs sein werden, um dort diese Dokumentationen durchführen zu können.

Im Ausschuss – wir haben es gehört – gab es große Kritik daran, was
sehr schade ist, denn es sollte eigentlich große Freude herrschen. Diese Kritik bezog sich einerseits darauf, dass nicht sofort und überall in Österreich ausgerollt wird. Wie auch schon eingangs frage ich mich auch da, warum das nicht schon im Zuge von früheren Regierungsbeteiligungen gemacht
wurde, warum das Thema erst heute aufs Tapet kommt, obwohl es das Thema leider schon sehr lange gibt, es altbekannt ist.

Die andere Kritik war, dass es zu wenig Personal gibt. Auch das ist ein –
sage ich einmal – Henne-Ei-Problem, denn ich kann nicht Personal schulen, wenn es diese Einrichtungen nicht gibt. Es passiert aber jetzt beides gleichzeitig, und es sind vier Ministerien – wir haben es eben gehört: auch das Bildungs­ministerium – Teil dieser gemeinsamen Arbeitsgruppe, um genau dafür
zu sorgen. Wir wissen genau, dass das ein großer Kraftakt ist.

In Wien und Graz gibt es schon ähnliche Projekte, sie werden noch an die ein­heitlichen Standards angepasst. Das geht natürlich schneller, wenn es
diese Projekte schon gibt. Sie dienen als Pilotprojekte, um so schnell wie möglich in den Westen, nach Innsbruck, nach Salzburg, auszurollen. Auch dahin


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gehend gibt es schon Gespräche, natürlich wird an einer österreichweiten Ver­sorgung und auch an einer rechtlichen Absicherung gearbeitet. Das ist
das Ziel.

Das Wichtige ist, es geht nicht um die medizinische Erstversorgung, die ist na­türlich immer gewährleistet, sondern es geht um die gerichtsmedizini­sche Feststellung von Gewaltanwendung, darum, diese gerichtsfest zu machen und als klaren Beweis im Verfahren verwenden zu können.

Zum Schluss möchte ich mich noch ganz eindringlich an den Innenminister wen­den (Bundesrat Spanring: Ihr seids mit ihm in der Regierung!) – vielleicht
hören Sie es oder es wird an Sie weitergeleitet –: Schulen Sie Ihre Polizistinnen und Polizisten, schulen Sie sie, damit sie den Frauen schon bei der
Anzeige größtmögliche Unterstützung geben können, damit sie sie über juris­tische und psychosoziale Angebote informieren können, aber vor allem
dahin gehend, dass sie die Anzeigerinnen ernst nehmen und so viele Beweise wie möglich sammeln! (Bundesrat Spanring: Das ist jetzt eine Unterstel­lung gegen die Polizei! Das ist typisch grün!) Mehr Beweise führen zu besseren Verfahren, zu höheren Aufklärungsraten und Verurteilungen, bessere
Verfahren führen natürlich wiederum zu mehr Anzeigen. So werden sich Frauen eher an die Polizei um Hilfe wenden.

Schließlich werden, wenn es mehr Verurteilungen gibt, die Gefährder viel­leicht nicht mehr so leicht zuschlagen. Genau darum geht es, um die Verhinderung von Gewalt, genau das ist Prävention, genau das ist das Wichtige. Daher sind die Gewaltambulanzen als ein Puzzleteil von vielen in der Gewaltprävention so wichtig. Bleiben wir dran, nutzen wir alle Instrumente im Gewaltschutz! Vielleicht entscheiden auch Sie sich um, liebe SPÖ, und
stimmen für die Gewaltambulanzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

11.38



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 108

Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


11.38.13

Bundesrätin Barbara Prügl (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin, auch ich wünsche dir alles Gute für die Schwanger­schaft, herzliche Gratulation! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren! Gewalt geht uns alle an! Wenn man bedenkt, dass im Jahr 2023 in Österreich mehr als 85 000 Gewaltdelikte angezeigt wurden, wenn man bedenkt, dass die Dunkelziffer laut Experten sogar noch weit höher
sein soll, wenn man bedenkt, dass jede dritte Frau in Österreich in ihrem Leben irgendwann einmal Opfer von Gewalt wird, und wenn man bedenkt, dass 90 Prozent aller Verfahren mangels Beweisen eingestellt werden, dann macht das sehr betroffen.

Da ist es mehr als wichtig und richtig, dass die Bundesregierung, dass
wir als Bundesrat parteiübergreifend mit Vehemenz dagegen auftreten. Eine Maßnahme alleine, wissen wir, reicht natürlich bei Weitem nicht aus,
denn Gewalt hat leider viele Gesichter. Ob physische Gewalt oder psychische Gewalt wie herabwürdigendes und verachtendes Verhalten oder Hass
im Netz, in sozialen Medien: Davon sind vor allem Frauen und Mädchen beson­ders stark betroffen.

Eines ist klar: Jegliche Form von Gewalt beeinträchtigt das Leben der Betroffenen massiv und nimmt die Möglichkeit, auf ein freies und selbstbe­stimmtes Leben.

Ich denke, dass es unser aller Ziel und Anliegen ist, und ich würde
sogar sagen, es ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe eigentlich klar definiert: Mit Gewaltschutz und Gewaltprävention muss es möglich sein, dass
jede Frau, dass jedes Mädchen ein freies und selbstbestimmtes Leben in Ös­terreich führen kann – ein Leben frei von Gewalt und ein Leben ohne
Angst.


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Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Gewalt haben wir in dieser Legislaturperiode schon sehr viel auf den Weg bringen können – hin zu Strukturen der Prävention von
Gewalt und für den Opferschutz.

Ich darf da ein paar Dinge aufzählen, die sehr wesentlich sind, wie etwa die Ver­dreifachung des Frauenbudgets. Damit werden unter anderem die Gewalt­schutzzentren in jedem Bundesland ausfinanziert. Die Frauen- und Mädchenbe­ratungsstellen werden damit finanziell gestärkt und können so auch flächen­deckend in jedem Bezirk in Österreich ausgerollt werden.

Was auch neu ist durch die Bund-Länder-Vereinbarung: Es sind mehr
Schutz- und Übergangswohnungen möglich. Und wenn ich den Blick auf mein Heimatbundesland, auf Oberösterreich, richte, so darf ich berichten:
Wir haben derzeit in Oberösterreich sechs Frauenhäuser. Das in Ried wird ge­rade wieder neu gebaut, im Bezirk Braunau ist ein neues geschaffen
worden, zwei weitere sind in Planung, eines im Mühlviertel, das andere im Salzkammergut, und der Plan ist, dass es in jedem Bezirk ein entspre­chendes Angebot gibt – entweder an Frauenhäusern oder Übergangswohnungen.

Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss wird es möglich werden – das ist ein zu­sätzliches, ein weiteres wichtiges Angebot –, dass eine zusätzliche
Struktur aufgebaut wird, und zwar mit der flächendeckenden Ausrollung von Gewaltambulanzen.

Es ist schon erklärt worden: Das sind klinisch-forensische Untersuchungs­stellen, wo von Gewalt betroffene Menschen von Gerichtsmedizi­nern untersucht werden. Dabei werden Spuren und Beweise bekundet und sichergestellt und bis zu zehn Jahre aufbewahrt. Der Zugang soll dabei
sehr einfach sein: Es ist keine Anzeige notwendig, und falls das Opfer später doch eine Anzeige erstatten will, sind die Beweismittel dokumentiert
und vor Gericht auch verwendbar.


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Sehr geehrte Damen und Herren, das Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz regelt, wie der Name schon sagt, einerseits die Finanzierung der Ge­waltambulanzen und andererseits auch, welche Aufgaben zu erfüllen sind.

Die Leistungen der Gewaltambulanzen – das ist auch sehr wesentlich – sind für die betroffenen Personen kostenlos. Die Betreiber von Gewaltambulan­zen – so steht es im Gesetz – können Universitäten, die ein gerichtsmedizini­sches Institut haben, aber auch andere geeignete Betreiber sein. Es kon­zentriert sich nicht nur auf eine oder zwei Stellen, was vielleicht kritisiert werden würde, sondern es ist sehr wohl möglich, dass weitere Betreiber damit
gefunden werden können.

Uns ist selbstverständlich auch klar, dass die Stellen nicht von heute auf morgen eingerichtet werden können – das wäre wünschenswert, aber das geht
natürlich nicht; einerseits was das Personal betrifft, wir haben es schon gehört. Hinsichtlich der Gerichtsmediziner ist eine gute Lösung gefunden wor­den: dass, wenn nicht genügend Gerichtsmediziner verfügbar sind, ein speziell geschultes Ärztepersonal diese Tätigkeit verrichten kann.

Aus dem Pilotprojekt Graz wird die erste Gewaltambulanz, und in Wien
ist bereits die zweite Anlaufstelle im Umbau, und wenn diese gut funktionieren, ist auch mit diesem Gesetz im Endeffekt geregelt, dass das dann auf ganz Österreich ausgerichtet wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, was ich an diesem Gesetz wirklich sehr gut finde – und das möchte ich betonen –, sind die geplanten mobilen
Teams, also die quasi – möchte ich jetzt einmal sagen; vielleicht ist es vom Ver­ständnis her besser – mobilen Gewaltambulanzen kommen hinaus in die Regionen zu den Krankenhäusern vor Ort. Und ich muss ganz ehrlich sagen: Ich komme aus Oberösterreich, aus einem Flächenbundesland, und ich
fahre eineinhalb Stunden nach Linz. Wenn ich jetzt fordere, ich brauche nur in Linz eine Gewaltambulanz, dann ist einem im Endeffekt als betroffene
Person auch nicht geholfen. Anders ist es aber, wenn ich weiß, im Klinikum in


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Schärding beispielsweise ist es möglich, dass die verletzte Frau diese Untersuchung gerichtsmedizinisch begleitet vor Ort in Schärding durchführen lassen kann und sich so eine mühevolle Extrafahrt nach Linz ersparen
kann. Außerdem muss man auch bedenken, dass das ja so anonym wie möglich sein sollte; wenn es eine Extrafahrt ist, ist im Endeffekt auch wieder ein schlechtes Gewissen dahinter gestellt.

Meine Damen und Herren, Gewaltschutz ist unser aller Ansinnen, das habe ich eingangs schon erwähnt. Mir ist es deshalb auch unverständlich, wenn
heute jemand gegen Gewaltambulanzen stimmt.

Zu den aufgezählten Punkten beziehungsweise dem Antrag der SPÖ: Wenn man das Gesetz durchsieht, sieht man, was geregelt ist: Die Berichtspflicht ist geregelt, die Evaluierung ist geregelt, der kostenlose Zugang ist geregelt, und es sind nicht eigens Standorte definiert, sondern es ist allgemein formuliert,
sodass, weil erstens die Finanzierung geregelt ist, auch eine flächendeckende Ausrollung auf ganz Österreich möglich ist.

Ich sage es noch einmal, wie eingangs erwähnt: Gewalt geht uns alle an! Gewaltschutz und Gewaltprävention sind einfach ein wichtiger Baustein für ein sicheres Österreich. Wir wissen es aus dem Österreichplan von Bundes­kanzler Karl Nehammer: Neben Leistung, neben Familie ist auch die Sicherheit ein wesentliches Thema, und das ist ein wichtiger Baustein dazu. Und
mit den Gewaltambulanzen schaffen wir für Frauen und Männer einen Ort der Möglichkeit auf Recht und auf Sicherheit. – Danke schön. (Beifall bei der
ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

11.45


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


11.46.07

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsit­zender! Frau Bundesminister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und


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Herren Zuschauer! Auch vorweg von meiner Seite (in Richtung Bundesministerin Zadić): Alles Gute und Gratulation! (Bundesministerin Zadić: Danke!)

Wir Freiheitliche werden gegen dieses Gesetz keinen Einspruch erhe­ben, da es dabei eben um die Förderung von Gewaltambulanzen geht. Leider ist es aber auch so – das muss man auch erkennen –, dass es im Jahr 2024 notwendig ist, dass wir solche Gewaltambulanzen brauchen. Im vorigen Jahr – das haben wir von einer Vorrednerin schon gehört – gab es mehr als 85 000 Gewaltdelikte, die angezeigt wurden, aber die Dunkelziffer ist in Wahr­heit viel, viel höher. In Österreich ist jede dritte Frau mindestens einmal
in ihrem Leben von Gewalt betroffen. – So weit, so schlecht.

Was ich dabei scharf kritisiere, ist: Diese Gewaltambulanzen lindern zwar die Symptome und helfen hoffentlich vermehrt bei der Überführung von
Tätern, aber Sie bekämpfen damit nur bedingt die Ursachen, dass es überhaupt zu dieser Gewalt kommt, und die Ursachen sind mannigfaltig.

Einen Grund möchte ich heute hier auch anführen, weil das keiner mei­ner Vorredner gemacht hat – warum wohl? –, und wir brauchen dazu gar keine Statistiken, wir brauchen nur täglich die Medienberichte zu verfolgen.
In Österreich gibt es leider nur eine einzige Partei, das sind wir Freiheitliche, die den Mut hat, Probleme und Missstände ganz offen anzusprechen: dass
zum Beispiel prozentuell gesehen ein viel größerer Anteil Frauen Opfer von Ge­walt in Familien mit Migrationshintergrund wird, als es bei der autochthonen Bevölkerung der Fall ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist Fakt! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sie ignorieren diese Tatsache, Sie streiten das auch ab – gleich mit einem Zwischenruf von der SPÖ – und Sie laufen
lieber weiterhin mit einer rosaroten Brille durchs Leben. Fakt ist auch,
dass Gewalt an Frauen in muslimischen Familien vermehrt vorkommt – bis hin zum Ehrenmord. Das ist ja auch logisch, wenn wir wissen, dass es eine
Religion gibt, wo die Frau weniger Rechte hat oder auch weniger wert ist als ein Mann. Und jeder, der jetzt behauptet, dass das nicht stimmt, der hat


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ganz einfach keine Ahnung von der Realität. Und ja, das wissen wir auch, das gilt natürlich nicht für alle, und man darf hier nicht generalisieren – aber erst
vor wenigen Tagen ist es in Deutschland wieder passiert, dass ein 15-jähriges Mädchen von seiner eigenen Familie, von seinen eigenen Eltern, ermor­det wurde, weil diese mit dem Lebenswandel des Mädchens nicht einverstanden waren.

Prozentuell noch größer ist die Anzahl der Übergriffe auf Frauen und
Kinder außerhalb der eigenen Familie wieder bei Zuwanderern, nämlich wieder in Relation gesehen zur eigenen Bevölkerung. Nur all das darf man ja
heute gar nicht mehr ansprechen, denn wenn man es anspricht, dann ist man gleich wieder ein Rechtspopulist, dann ist man ein Rassist, dann ist man
ein Ausländerfeind, und wer weiß was noch alles, bis hin wahrscheinlich dann wieder zum Nazi.

Ich habe es erst vor Kurzem bei einer meiner Reden hier angesprochen –
da ist es um die Jugendkriminalität, um die ausufernde Jugendkriminalität und die Messerstechereien gegangen –: dass ich mir von SPÖ, Grünen und
NEOS gar nichts anderes erwarte. Wir wissen, wofür die stehen.

Das wahre Problem, das wir in Österreich haben, ist die ÖVP, denn die kündigt immer eine harte Gangart bei solchen Leuten an, um kurze Zeit
später wieder gemeinsame Sache mit den Linken zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Solange alle von dieser Einheitspartei nicht willens sind, diese Proble­matik zu erkennen und endlich auch offen anzusprechen, so lange wird sich an diesen Gewalttaten in Österreich nichts ändern. Vielmehr sind Sie, meine
Damen und Herren, damit in Wahrheit die stillen Wegbereiter und die Dulder gewaltbereiter Zuwanderer. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Schreuder: Ah!)

Ja, natürlich gibt es auch gewalttätige Österreicher, leider viel zu viele. Wir als Österreich sind für diese Menschen verantwortlich und müssen uns
darum kümmern, dass es besser wird. Jetzt kommt aber wieder ein Aber: Was


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wir aber nicht brauchen, ist, dass wir diese Probleme auch noch in großer
Zahl importieren. Genau das ist in den letzten Jahren passiert und passiert jetzt noch immer. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend muss ich leider noch etwas kritisieren: Schon wieder
wurde der Gesetzesantrag ohne Begutachtung eingebracht; das kritisieren übrigens nicht nur wir. Diese Vorgehensweise, die diese Regierung
sehr oft an den Tag legt, ist eine klare Missachtung und eine Geringschätzung des Parlamentarismus. (Beifall bei der FPÖ.)

Was Sie von Schwarz-Grün damit noch machen: Sie schließen wichti­ge Expertenmeinungen und Perspektiven aus, nämlich Meinungen von jenen Personen, die tagtäglich in der Praxis genau mit solchen Gewalttaten
zu tun haben – egal ob im medizinischen Bereich, im Exekutivdienst oder zum Beispiel auch im Bereich der Gerichte. Im Ausschuss haben wir es dann
live miterlebt, da wurden wir von den Beamten darüber aufgeklärt, dass es ein ganz starkes Ost-West-Gefälle gibt: Vorarlberg, Tirol, Salzburg, aber auch Kärnten werden da komplett stiefmütterlich behandelt.

Trotz all meiner Kritikpunkte halte ich die Initiative selbst für unterstützenswert, deshalb gehen wir mit, und wir werden auch den Entschließungsantrag der
SPÖ unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.52


Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


11.52.55

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es
ist mir wirklich eine außerordentliche Freude, dass wir diesen Initiativantrag heute hier behandeln. Warum? – Weil Gewaltambulanzen ein Projekt
sind, das schon seit Jahrzehnten gefordert wurde.


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Es ist schon jahrelang darauf hingewiesen worden, dass wir ganz dringend Gewaltambulanzen brauchen. Warum? – Weil unsere Verurteilungsquote viel zu niedrig ist. Das wissen wir nicht erst seit dieser Legislaturperiode, das haben
wir schon vorher gewusst. (Beifall bei den Grünen.)

Um die Verurteilungsquote zu heben, braucht es Beweise, und um einen Beweis wirklich vor Gericht verwenden zu können, braucht es Forensiker, die eine betroffene Person so untersuchen, dass diese Verletzungen gerichtsfest gemacht werden können und dass Beweise für diese Verletzungen vor einem Gericht verwendet werden können. Genau deswegen braucht es diese forensischen Zentren, genau deswegen braucht es die sogenannten Gewalt­ambulanzen.

Ja, bei einem Punkt haben Sie vollkommen recht: Wir haben viel zu
wenige Gerichtsmediziner, viel zu wenige. Wien war einmal führend in diesem Bereich, Wien war weltweit führend, was die Gerichtsmedizin betrifft,
aber leider hat man durch viele, viele Einsparungen, auch in der Wissenschaft, nicht mehr an den medizinischen Fakultäten im Bereich der Gerichts­medizin investiert. Das wird sich jetzt ändern, denn durch die Einführung der Gewaltambulanzen ist mehr Geld im Topf, um genau diesen Bereich zu
fördern, denn wir brauchen Gerichtsmediziner im Land – nicht nur im Bereich Gewalt gegen Frauen, sondern generell für die Aufklärung von Straftaten.
(Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Das ist eine Mammutaufgabe. Das ist nicht nur etwas, was wir jetzt im
Wahljahr gemacht haben, sondern wir haben drei Jahre lang daran gearbeitet. Es hat eine interministerielle Gruppe gegeben – zusammengesetzt aus Vertre­tern von Justizministerium, Innenministerium, Frauenministerium, Gesundheits­ministerium –, in der sich Beamtinnen und Beamte zusammengesetzt ha­ben, um einen Forderungskatalog zu erarbeiten, was es denn für eine gut funk­tionierende Gewaltambulanz in Österreich alles braucht.


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Gut funktionierend bedeutet, dass eine Gewaltambulanz 24 Stunden an sieben Tagen erreichbar sein muss, die kann am Wochenende nicht geschlossen
sein. Eine Gewaltambulanz muss niederschwellig sein, man muss durch mobile Teams jede Frau in Österreich erreichen können, egal wo sie ist. Genau
dafür braucht es auch die Unterstützung des Bundes, und genau deswegen gibt es vier Ministerien, die das fördern und unterstützen.

Warum war es denn jetzt notwendig, diesen Initiativantrag einzubringen?
Ich entschuldige mich noch einmal dafür, dass es ein Initiativantrag ist und dass wir keine Begutachtung haben. – Weil es einfach notwendig war, dass wir
das so rasch wie möglich umsetzen. Warum war es notwendig? – Wir können die Institute, die wir jetzt fördern, nicht mehrfach fördern. Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage, dass ein Institut, das den Zuschlag für eine Gewaltambu­lanz bekommen hat, auch weiterhin gefördert werden kann, denn ohne gesetzliche Grundlage kann man diese Förderung kein zweites Mal vergeben. Genau aus diesem Grund braucht es eine gesetzliche Grundlage. Der Forderungskatalog ist nicht ins Gesetz geschrieben, da es diesen ja schon gibt und die bereits betrauten Institute diese Forderungen auch erfüllen.

Ich freue mich wirklich, dass es gelungen ist, dass wir in Graz für die Region Süd jetzt dieses erste Pilotprojekt eröffnet haben, das hoffentlich dann auch
weiter ausgebaut wird, und im Sommer soll die Gewaltambulanz Wien für die Modellregion Ost folgen. Wir führen bereits auch Gespräche mit dem
Westen, mit Tirol und mit Salzburg, um das Ganze auch flächendeckend anbieten zu können.

Es ist mir wirklich ein großes Anliegen, denn ich bin der festen Überzeu­gung, dass wir Gewalt gegen Frauen nicht eskalieren lassen dürfen. Wir müssen dafür sorgen, dass auch kleine Verletzungen so festgemacht werden,
für das Gericht vorbereitet werden, dass sie in einem späteren Verfahren ver­wendet werden können. Das passiert nicht. Ein blauer Fleck ist schnell
weg, und deswegen braucht es eine niederschwellige Möglichkeit, dass man das fotografiert, abmisst und später für ein Gerichtsverfahren verwenden kann.


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In diesem Sinne bin ich der festen Überzeugung, dass es uns als Bundesregierung wirklich gelungen ist – ich danke vielmals für die Unterstüt­zung –, einen großen Schritt nach vorne zu machen, um die eskalieren­de Gewaltspirale zu durchbrechen, damit wir in Zukunft weniger Femizide haben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

11.58


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich
erteile ihr dieses.


11.58.16

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Werte Zuseherinnen und Zuseher, Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich möchte nichts wiederholen, was in den verschiedenen Redebeiträgen schon gesagt wor­den ist, es wurde schon sehr viel Richtiges gesagt, aber Gewaltschutz ist auch für mich ein Thema, daher habe ich mich zu Wort gemeldet.

Wir haben die Zahlen bereits gehört. Wir erschrecken über die Nachrichten
von Gewalt gegen Kinder, gegen Frauen, gegen ältere und pflegebedürftige Per­sonen und verlangen zu Recht, dass die Taten geahndet werden, wenn sie
schon nicht verhindert werden können. Dazu ist es einfach notwendig, beweis­bare Unterlagen zu bekommen. (Vizepräsident Ebner übernimmt den Vorsitz.)

Wie die Frau Minister jetzt gerade noch einmal ausgeführt hat, sind
einfach gerichtsfeste Beweise notwendig, damit es zu einer Anzeige kommen kann. Bisher hat in Österreich im Gewaltschutz diese Möglichkeit ge­fehlt, die Beweise so zu sichern, dass sie später vor Gericht verwendet werden können. Nun wird mit den Gewaltambulanzen flächendeckend und


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niederschwellig den Opfern von Gewalt die Sicherheit gegeben, bei einer Anzei­ge auch mit einer Verurteilung des Täters rechnen zu dürfen, und es
wird damit in unserem Land auch die sehr niedrige Verurteilungsrate gehoben.

Diese Gewaltambulanzen sollen überall erreichbar sein, 24 Stunden
sieben Tage in der Woche. Im Rahmen des Gewaltschutzes ist die Einführung beziehungsweise die Förderung von Gewaltambulanzen ein Meilenstein.

Im Rahmen des Projektes, das von Graz und Wien ausgehend derzeit die östli­chen Bundesländer umfasst, wird man Erfahrungen sammeln. Ich rechne
damit, Frau Minister, dass die Insellösung in Innsbruck und Tirol bald auch in dieses Gesetz integriert werden kann.

Wir sind, glaube ich, alle gegen Gewalt. Niemand soll Angst haben müs­sen. Alles, was getan werden kann, um Verbesserungen mit dem Ziel der Verhin­derung von Gewalt voranzutreiben, das muss getan werden. Wir stehen
immer an der Seite der Opfer. Daher mein Appell an alle Fraktionen: Bitte stim­men Sie diesem Gesetzesvorhaben zu! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.01


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik. Ich erteile ihr das Wort.


12.01.09

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab ist zu sagen, dass die Einführung von Gewaltambulanzen natür­lich wünschenswert ist und das Projekt und damit auch die vorliegende Gesetzesinitiative von uns NEOS unterstützt werden.

Schade ist allerdings, wie diese wichtige Neuerung eingeführt wurde: als Anlass­gesetzgebung, ohne Begutachtungsverfahren, ohne Einbindung von
Expertinnen und Experten und auch in Kenntnis der Tatsache, dass die für diese


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Gewaltambulanzen notwendige Anzahl an Gerichtsmedizinerinnen und ‑medizinern gar nicht vorhanden ist.

Die Gewaltambulanzen sind mit einem minimalen Budget ausgestattet, das noch dazu in Wahrheit nur für die kommenden Monate gesichert ist. Es fehlt
an einer flächendeckenden Versorgung, sodass in der Bevölkerung der Eindruck entstehen kann, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen der Bevölke­rung im Osten und im Westen Österreichs gibt, was ja auch im Ausschuss schon thematisiert wurde.

Wenn die derzeit unterirdisch niedrige Verurteilungsrate durch die
Einführung von Gewaltambulanzen verbessert werden kann, ist das natürlich gut, wichtig und richtig, aber dem Thema Gewalt an Frauen begegnet
man nicht mit der Anhebung der Verurteilungsquote. Die Plattform Siolence – zusammengesetzt aus den Wörtern violence und silence – hat zuletzt
aufgezeigt, dass in Österreich Hunderttausende Frauen im Stillen mit Gewalt leben. Sie werden gedemütigt, bedroht und so weiter, und zwar vom
eigenen Partner, vom eigenen Vater, vom eigenen Opa, vom eigenen Bruder oder von einem Unbekannten. Die Opfer schweigen oft, weil sie sich
genieren oder keinen Ausweg sehen, und die Gesellschaft schweigt viel zu oft, weil Gewalt gegen Frauen immer noch ein Tabuthema ist oder als solche
gar nicht wahrgenommen wird.

Gewalt ist ein Kreislauf, der uns als Gesellschaft alle betrifft. Wie können wir als Gesellschaft der zunehmenden Gewalt gegen Frauen entgegenwirken? –
Es braucht dazu nicht nur eine umfassende Strategie gegen Gewalt, klare Zu­ständigkeiten und ausreichende Budgets, sondern auch einen klaren
Fahrplan für Männerprävention und viel mehr Aufklärung und Bewusstseinsar­beit in der Gesellschaft.

Feminismus ist Männersache. Ich habe diesen Satz hier im Bundesrat
bereits von Kollegen Mertel gehört, der, glaube ich, Kollegen Schreuder zitiert hat. Feminismus muss tatsächlich Männersache werden. Warum? – Weil


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 120

sich Feminismus für unsere ganze Gesellschaft lohnt. Wie Sie sicher wissen, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, belegen Studien von McKinsey,
WHO und UN übereinstimmend, dass Feminismus unsere Gesellschaft reicher, gesünder und friedlicher macht.

Damit wir als Gesellschaft zu einer gleichberechtigten Gesellschaft wer­den, muss aber zuerst das Bewusstsein dafür, was Gewalt an Frauen schon alles ist, geschärft werden. Gewalt an Frauen endet vielleicht in den Gewalt­ambulanzen, aber sie fängt schon viel früher an: bei Beleidigungen, Erniedrigun­gen, Demütigungen.

Deshalb ist es zum Beispiel auch wichtig, dass wir Bundesrätinnen und Bundesräte hier im Saal mit gutem Beispiel vorangehen. Insbesondere: Wenn Ministerinnen anwesend sind, dürfen diese zwar in der Sache hart
kritisiert werden – das ist klar –, aber sie dürfen nicht mehr durch die Abwertung zum Beispiel ihres optischen Erscheinungsbildes beleidigt werden. (Beifall
bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Auch wenn wir hier strafrechtliche Im­munität genießen: Das darf es nicht mehr geben.

Wohin müssen wir als Gesellschaft uns also entwickeln? – Der
Gentleman – übersetzt: der sanfte Mann – 2.0 oder der Ehrenmann, wie die Jugend sagt, 2.0 muss ohne Wenn und Aber für uns Frauen einstehen.
Er muss zum Wohle unserer ganzen Gesellschaft aufstehen, wenn er Gewalt an Frauen in welcher Form auch immer erkennt. Wir Frauen müssen auch aufstehen, wenn wir Gewalt an Frauen in welcher Form auch immer erkennen. Wir dürfen nicht weiter schweigen, denn wer schweigt, spielt mit.

Die geplanten Gewaltambulanzen sind daher ein sehr guter, überfälliger Schritt in die richtige Richtung und werden von uns NEOS unterstützt.

Schade ist, dass dieses wichtige Gesetz tatsächlich vorerst nur eines ist: der erste Schritt in die richtige Richtung. – Danke. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP
und Grünen sowie des Bundesrates Mertel.)

12.05


12.05.28


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 121

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Claudia Arpa, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „gesetzliche Verankerung von Gewaltambulanzen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag
abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsan­trag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit.
Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

12.06.375. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Datenschutzgesetz geändert wird (4031/A und 2566 d.B. sowie 11496/BR d.B. und 11507/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter genannt. – Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 122

Bericht.


12.06.59

Berichterstatterin Viktoria Hutter: Ich darf Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Datenschutzgesetz geändert
wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur An­tragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den
Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Manfred Mertel. Ich erteile ihm das Wort.


12.07.47

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzter Herr
Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin Dr. Zadić! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Gestatten Sie mir, mich zuerst bei der Präsidentin für ihre Vorsitz­führung zu bedanken. In wenigen Tagen gibt es einen Wechsel. Ich darf
mich recht herzlich bedanken. Es war keine leichte Vorsitzführung, aber sie hat einmal mehr gezeigt, dass Frauen Führungspositionen sehr gut ausüben. –
Dafür danke ich dir. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Gestatten Sie mir auch, dass ich mich bei Frau Dr. Sumah-Vospernik
nicht nur bedanke, sondern ihr auch für die Zukunft alles Gute wünsche. Wir haben ein bisschen eine Verbindung, weil wir beide gebürtige Klagen­furter sind. Ich glaube, es gehört sich, dass ich als Klagenfurter dir alles Gute wünsche. – Du wirst unsere Stadt im Bundesrat sehr, sehr gut vertreten.
Danke.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 123

Der Tagesordnungspunkt, der mich heute hier herausgeführt hat, ist eigentlich ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, das am 14.12.2022 veröf­fentlicht wurde – oder am 14.12.2022 ist die Entscheidung getroffen worden –, in dem es darum geht, dass der Datenschutz neu und kritisch betrachtet
wurde, nämlich dass der Ausschluss der Medien im Rahmen des § 9 im Wider­spruch zu § 1 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes steht.

Dort wurde die Lösung vorgeschlagen, dass es eine Abwägung des Gesetzgebers zwischen dem Interesse, personenbezogene Daten zu schützen, und dem Interesse der Medien, personenbezogene Daten im Rahmen der journalistischen Tätigkeit zu verwenden, geben muss.

In diesem Sinne sind wir eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass dieses Grundrecht auf Datenschutz durch § 9 Abs. 1, glaube ich, ausgehebelt worden ist, sodass der Gesetzgeber nun aufgefordert war, dringend eine neue
Regelung zu schaffen, mit der das Interesse, personenbezogene Daten zu schüt­zen, mit dem Interesse der journalistischen Tätigkeiten in Einklang gebracht beziehungsweise sachlich abgewogen wird.

Klar ist aber auch, dass der Verfassungsgerichtshof ganz deutlich gesagt
hat, er gibt dem Gesetzgeber bis zum 1. Juli beziehungsweise bis zum 30. Juni 2024 Zeit, eine Änderung vorzunehmen.

Ich habe den Gesetzgebungsprozess ein bisschen verfolgt und bin zu
der Ansicht gekommen, dass das sehr schleppend erfolgt ist und eigentlich eine Ausschusssitzung der Anlass war, dass man diesen Erfordernissen des Verfassungsgerichtshofes dann in einem Initiativantrag beziehungsweise in einem Abänderungsantrag nachgekommen ist und die notwendige Änderung zur Verfügung gestellt hat, mit der man den Schutz, den der Verfassungsge­richtshof fordert, gewährleisten kann.

Ich glaube, Frau Ministerin, da gibt es schon wichtige Kritikpunkte. Nicht nur, dass die Oppositionsparteien mangelhaft oder verspätet informiert worden sind, es hat in diesem Zusammenhang auch kein Begutachtungsverfahren gegeben.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 124

Ich kann aber sagen, dass wir heute schon einmal gehört haben: Ein Begutachtungsverfahren ist wahnsinnig wichtig, weil wir der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben wollen, an einem Gesetzwerdungsprozess teilzunehmen (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ), Experten miteinzubeziehen und auch mithilfe der Stellungnahmen vielleicht die richtige Lösung für die Zukunft zu finden.

Gestatten Sie mir, Frau Bundesministerin, jetzt einen Ausflug – das ist
heute schon einige Male angesprochen worden – zur Europameisterschaft: Wir sind heute alle begeistert darüber, dass unser Teamchef uns alle motiviert
hat, uns alle mitnimmt und auch die Mannschaft das erfüllt.

Ähnliches möchte ich von einem Verantwortlichen in einem Ministeramt haben: nämlich dass er die gesamte Bevölkerung mitnimmt, und erst recht bei
einem solch schwierigen Thema, denn wir alle wissen, dass der Journalismus gestärkt werden muss, dass die Demokratie gestärkt werden muss und dass wir die Balance finden müssen zwischen Datenschutz auf der einen Seite und Kundmachung von Problemen, die letztendlich unsere Gesellschaft
berühren und begleiten, auf der anderen Seite.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass diese Führungsverantwortung in den Mi­nisterien klarer dargestellt wird. Wir haben heute schon einmal gehört,
wie wichtig diese Begutachtungsverfahren sind, wie wichtig es ist, wenn man die Opposition in Vorschläge miteinbezieht. Es kann ja sein, dass es dort
einen besseren Vorschlag gibt, der praktikabler ist, den man besser umsetzen kann.

In diesem Sinne, glaube ich, ist es wichtig, festzustellen, dass der
Gesetzestext, der uns vorgelegt wurde, noch viele, viele Fragen offenlässt, sodass ich schon jetzt um Verständnis dafür bitte, dass wir der
Aufforderung, dem Gesetzestext die Zustimmung zu erteilen, nicht nachkommen können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

12.14



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 125

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort. Ich erteile es ihm.


12.14.08

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Mertel, Sie haben jetzt in einem Satz einen Vergleich zum Fußball angestellt. Da möchte ich schon etwas sagen: Auch ich als gebürtiger Holländer war total begeistert von Österreich. (Heiterkeit des Redners.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es geht um das Datenschutzgesetz und um das Medienprivileg. Da der Verfassungsgerichtshof die bisherige
Rechtslage aufgehoben hatte, wurde eine Neuregelung dieses medienspezifi­schen Grundrechtsausgleichs, eben Medienprivileg genannt,
mit dem 1. Juli 2024 notwendig.

Wie sah die Regelung aus? – Da waren die Medienunternehmen grundsätzlich vom Datenschutzgesetz ausgenommen. Dieser Entwurf wurde jetzt
erarbeitet, und es hat tatsächlich sehr lange gedauert – das ist eine Kritik, die ich durchaus nachvollziehen kann. Aber es wurde sehr, sehr lange ausgear­beitet, weil es nun einmal nicht trivial ist. Wenn Grundrechte sozusagen einen Widerspruch bilden und man da eine Balance und einen Ausgleich finden
muss, ist das wirklich keine einfache Aufgabe.

Welche von den Grundrechten standen einander da gegenüber? – Auf der einen Seite eben die Medienfreiheit, die Informationsfreiheit, die ein ganz wichti­ges Gut für die Demokratie ist. Wir dürfen ja nicht nur in Sonntagsreden oder wenn wir in den Redaktionsstuben sind, von der Bedeutung der vierten
Gewalt, nämlich der Medien, für die Demokratie reden, sondern dass muss ja auch gelebt werden.

Die Funktion von Medien als Public Watchdog ist natürlich eine ganz ent­scheidende Sache in einer funktionierenden Demokratie, man denke


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 126

nur an Investigativjournalismus und dergleichen. Demokratische Willensbildung möchte ich hier auch erwähnen. Das steht eben auf der einen Seite, und
auf der anderen Seite stehen der Datenschutz und das Recht auf Datenschutz.

Es hat tatsächlich lange gedauert. Es mussten sehr viele Stakeholder und Stakeholderinnen hier zusammengebracht werden, um eine Lösung zu finden. Früher wäre das sicher besser gewesen, keine Frage. Wir alle hätten wahrscheinlich lieber ordentliche und lange Verfahren gehabt. Ich verstehe die Kritik sehr wohl, die Ablehnung jedoch nicht, denn wenn wir das jetzt nicht beschließen, dann gibt es ab 1.7. gar keine Regelung, dann gibt es für Medienunternehmen keine Ausnahmen von den Datenschutzbestimmungen, dann hätten wir eben nicht mehr diesen Quellenschutz, den Schutz des Redaktionsgeheimnisses und dergleichen.

Jedenfalls war es das Ziel, das in Einklang zu bringen. Das ist jetzt gelungen. Ich würde daher, auch wenn ich die Kritik nachvollziehen kann, doch darum
bitten, dem zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.17


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort. Ich er­teile es ihm.


12.17.30

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vize­präsident! Frau Bundesminister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren Zuschauer! Wir diskutieren hier einen Gesetzesvorschlag,
der das Datenschutzgesetz ändern soll; und obwohl es sich um
eine sehr komplexe und tiefgreifende Materie handelt, wurden die Opposi­tionsparteien im Nationalrat schon wieder extrem kurzfristig informiert.

Ich habe es vorhin angesprochen und ich sage es jetzt noch einmal: Das ist weder akzeptabel, noch entspricht es den Grundsätzen einer fairen


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 127

parlamentarischen Demokratie. Und dann braucht sich auch niemand darüber zu wundern, dass Österreich von einer liberalen Demokratie zu einer Wahldemokratie abgestuft wurde, denn genau ein solches Verhalten dieser Regierung ist mit dafür verantwortlich.

Die Vorgehensweise dieser Regierung ist einfach unprofessionell. Unprofessionell sage ich jetzt deshalb, weil alle anderen Worte, die mir dazu einfallen würden, wahrscheinlich einen Ordnungsruf nach sich ziehen
würden.

Herr Kollege Mertel von der SPÖ hat einen sehr guten und passenden Vergleich angestellt, nämlich den Vergleich mit einem Fußballtrainer, der schauen
muss, dass das ganze Gefüge zusammenpasst und zusammenhält.

Auch ich stelle einen Vergleich an, nämlich zum Strafrecht – das wird dir (in Rich­tung Bundesrat Mertel) als Juristen wahrscheinlich gefallen. Angesichts
dieser Vorgangsweise der Regierung könnte man sagen: Sie sind nicht unbe­scholten, sondern Wiederholungstäter, denn es war ja schon beim voran­gegangenen Tagesordnungspunkt so und viele andere Male haben wir es auch schon erlebt. Und zweitens, und das unterstelle ich Ihnen jetzt, machen
Sie von der Regierung das mit voller Absicht, also mit Vorsatz.
Beides ist inakzeptabel.

Vor eineinhalb Jahren, meine Damen und Herren, gab es ein Erkenntnis des Ver­fassungsgerichtshofes, das die Verfassungswidrigkeit des § 9 Datenschutzge­setz festgestellt und eine verhältnismäßige Neuregelung gefordert hat.

Eineinhalb Jahre später wurde der erste Initiativantrag im Justizausschuss einge­bracht, bestehend nur aus redaktionellen Änderungen. Und dann – und
das ist meiner Meinung die größte Frechheit bei Ihrem Vorgehen –, jeweils nur Stunden vor den letzten Ausschusssitzungen im Nationalrat, folgten
kurzfristige Abänderungsanträge ganz nach dem Motto: Friss, Vogel, oder stirb!


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 128

Diese Zeit, meine Damen und Herren, ist ganz einfach zu kurz, um sich
ernsthaft mit einer Gesetzesmaterie auseinanderzusetzen, in der es um nichts weniger als um die Einschränkung von Grundrechten geht. Leider wissen
wir ja aus der Vergangenheit, dass diese Regierung die Grundrechte der Bürger, wenn es ihr gerade passt, auch gerne einmal mit Füßen tritt. Seit einigen
Tagen wissen wir, dass auch Mitglieder dieser Bundesregierung vorsätzlich die Verfassung brechen. Passend zu diesem Gesetz ist Ihr Verhalten gegenüber
den Oppositionsparteien, gegenüber dem Parlament und der demokratischen Prozessgestaltung schlichtweg unprofessionell und respektlos.

Die FPÖ hat mehrmals auf die Wichtigkeit dieses Gesetzes hingewiesen,
weil es eben um die Abwägung von Grundrechten geht: Datenschutz, Meinungs­freiheit, Pressefreiheit, Redaktionsgeheimnis. Das sind keine Themen,
die man über Nacht bespricht, vor allem wenn das Thema ja bereits eineinhalb Jahre im Raum steht.

Da gab es weiters im Gesetz einige Begriffe, die in Wahrheit auch nicht
klar definiert wurden. Genau aus diesem Grund hat dann unser Justizsprecher Harald Stefan im Nationalrat einen Rückverweisungsantrag an den Justizausschuss gestellt, damit in aller Ruhe darüber diskutiert und debattiert werden kann. Was hat diese Regierung gemacht? – Sie hat das abgelehnt,
und jetzt wird wieder eine weitere Husch-Pfusch-Regelung durchgepeitscht. Kollege Schreuder von den Grünen hat es ja gesagt: Was wäre euch
lieber gewesen: dass wir gar kein Gesetz haben? – Jetzt haben wir halt ein Husch-Pfusch-Gesetz. (Bundesrat Schreuder: Habe ich nicht gesagt!) – Das ist die Arbeitsweise dieser Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend jetzt noch zur Frau Präsidentin Göll von der ÖVP: Vielleicht verstehen Sie jetzt auch, warum wir es nicht immer ganz ernst nehmen können, wenn Sie uns dann von da oben belehren wollen und uns etwas über die
Würde des Hauses erzählen wollen, denn Ihre eigene Partei ist es, die ja als der


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 129

angeblich stärkere Teil dieser Regierung genau die von Ihnen oft zitierte Würde des Hauses immer wieder mit Füßen tritt. (Beifall bei der FPÖ.)

12.22


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Ruf. Ich erteile ihm das Wort.


12.22.59

Bundesrat Mag. Bernhard Ruf (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Live­streamzuschauer und TV-Zuschauerinnen! Liebe freiwillige und unfreiwil­lige Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Saal! Liebe Frau Ministerin, ich darf Ihnen zu zwei Dingen gratulieren: erstens zum Nachwuchs – also dieses Weih­nachten wird sicher ein besonderes werden, glaube ich – und zweitens darf ich Ihnen auch gratulieren, denn im Gegensatz zu mancher Kollegin aus Ihrer
Partei haben Sie es nämlich geschafft, über die verschiedenen Betroffenen nicht drüberzufahren, sondern sie einzubeziehen, die Meinung der Stakeholder
nicht zu ignorieren, sondern zu respektieren, wodurch Ihnen auch ein Interes­senausgleich in einem sehr komplizierten Bereich gelungen ist, den man
sich bei anderen ideologiegetriebenen Bereichen wünschen würde. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Spanring – in
Richtung Bundesrat Schreuder –: Bravo, Marco! Vielen Dank, dass du geklatscht hast!)

Jetzt noch einmal zu meinen Vorrednern: Kollege Mertel hat den Ver­gleich mit dem Fußballspiel gebracht. Ja, wenn es in der 90. Minute 0 : 0 steht, dann sollte man die Nachspielzeit für einen raschen Konter nutzen, damit
man noch zum Abschluss kommt. Alles andere wäre ein Verschleppen, und das wäre in meinen Augen unpatriotisch. (Bundesrätin Schumann: Das passt
bei der Demokratie...! )


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 130

Mit dieser Gesetzesvorlage wurde jetzt etwas erreicht, das im Grunde fast un­möglich scheint, nämlich Datenschutz, Redaktionsgeheimnis und Presse­freiheit als Grundrechte in Einklang zu bringen. Die Rolle der Medien in einer Demokratie ist eine sehr wichtige. Als vierte Gewalt im Staat, als – schon
vom Kollegen Schreuder angesprochen – Public Watchdogs leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Balance in einer Demokratie. Das gilt natürlich
auch und vor allem für die öffentlich-rechtlichen Sender, die ja zunehmend von ebenfalls ideologiegetriebenen Bubblefakekanälen wie dem Channel der Halbwahrheiten und des Hasses, FPÖ-TV, in Bedrängnis gebracht werden und die gegen die Angriffe auf die Meinungsfreiheit verteidigt werden müssen.

Ja, ich sage es klar: Österreich darf in diesem Bereich nicht die Slowakei werden. Ich halte es wirklich für verwerflich, wenn gerade ein potenzieller Fake­kanzler die Europameisterschaft nutzt, um auf den ORF einzudreschen. Auch der ORF ist rot-weiß-rot und ist unser Rundfunk. (Beifall bei ÖVP und Grünen. –
Rufe bei der FPÖ: Euer Rundfunk! Ja! Euer Rundfunk!)
 – Nur, weil er euch nicht in das Konzept passt - - (Bundesrat Steiner: Parteiisch! Euer Rundfunk! Das
wird nicht besser!)
 – Also gut. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ich verkneife mir jetzt meine - - Ich muss mir bei euren Äußerungen auf
die Zunge beißen. (Bundesrat Steiner: Ja, natürlich!)

Gut, der Schutz der Medien ist jetzt auch durch dieses Gesetz ausgiebig ge­währleistet, in concreto durch einen starken Redaktionsschutz und
einen umfangreichen Quellenschutz. Das sogenannte datenschutzrechtliche Redaktionsgeheimnis wurde deshalb mit einem effektiven Umgehungs­schutz ausgestattet. In meinen Augen sehr lobenswert ist dabei die zeitliche Differenzierung, die ja gewährt, dass in der Phase vor der Veröffent­lichung sämtliche Auskunftsrechte ausgeschlossen sind, weil in dieser besonde­ren journalistischen Phase der Schutz der Meinungsfreiheit Vorrang
genießt. Auskunftsrechte gibt es natürlich nach der Veröffentlichung eines et­waigen Artikels.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 131

Auch durch die erstmals vorgesehene eigene Regelung für Bürger:innen, Journalist:innen wurde eine moderne Grundlage für den Schutz der immer bu­nter werdenden Medienlandschaft gewährt. Damit ist ein sehr guter
Spagat zwischen dem Schutz der Pressefreiheit, dem Schutz von Investigativ­journalismus und den datenschutzrechtlichen Erfordernissen des Verfas­sungsgerichtshofes gelungen. Dadurch macht diese Novelle aus der Not eine hohe Tugend und hat damit unsere Zustimmung mehr als verdient. –
Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.27


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić. Ich erteile ihr das Wort.


12.27.59

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Ge­schätzte  Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es wurde schon angesprochen: Die Novelle des Datenschutzgesetzes
war und ist nach wie vor wirklich ein sehr heikles Unterfangen.

Es ist deswegen sehr heikel, weil wir verschiedene Grundrechte in Einklang bringen mussten. Es geht ja darum, dass wir einerseits den Schutz der Daten der Einzelnen und andererseits auch die Interessen der Allgemeinheit am
Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit miteinander in Einklang bringen mussten. Das bedeutet, dass das einfach eine immense Herausforderung war, denn natürlich sind der Datenschutz und das Recht der Personen an eigenen Daten ein immens wichtiges Grundrecht und gleichzeitig ist aber auch das
Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit ein sehr wichtiges, weil wir den Investigativjournalismus und den Journalismus als solchen auch
schützen müssen.

Dennoch hat uns der Verfassungsgerichtshof gesagt, die Medien komplett aus der DSGVO rauszunehmen, ist verfassungswidrig, weil es einfach diesen


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Ausgleich braucht – und diesen Ausgleich müssen wir auch ins Gesetz schreiben. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich in den letzten Monaten intensiv
mit Stakeholdern getroffen habe, intensiv mit Medienhäusern gesprochen habe, mich auch intensiv mit Datenschützern ausgetauscht habe, mich auch
intensiv mit der Wissenschaft ausgetauscht habe. Und ja, es hat auch länger ge­dauert; ich bedauere sehr, dass wir diesen Antrag nicht begutachten lassen konnten, weil es sich schlicht und ergreifend nicht ausgegangen ist.

Bis zum 30. November - - Bis zum 30. Juni – November wäre ja schön gewe­sen – müssen wir das umgesetzt haben, denn sonst wären die Medien­häuser komplett in der Datenschutz-Grundverordnung. Es wurde in den letzten eineinhalb Jahren nicht einfach zugeschaut. Die Datenschutzstabsstelle
bei uns hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, und dieser Entwurf musste aber noch wirklich intensivst mit allen Stakeholdern durchdiskutiert und auch intensivst abgeändert werden.

Genau aus diesem Grund glaube ich, dass wir einen guten Ausgleich zwischen diesen zwei Rechten geschaffen haben, einen Ausgleich insofern, als wir einerseits das Redaktionsgeheimnis und die Quellen umfassend schützen, aber andererseits auch den Betroffenen die notwendigen Rechte, die ihnen
aus der DSGVO entspringen, zur Verfügung stellen. Vor der Veröffentlichung des Artikels gibt es keine Betroffenenrechte, weil da der Schutz des Redaktionsgeheimnisses überwiegt, aber nach der Veröffentlichung haben die Betroffenen sehr wohl Rechte, die sie auch einklagen können und nach
der Datenschutz-Grundverordnung auch zugestanden bekommen.

In diesem Sinne ist uns, glaube ich, wirklich die Quadratur des Kreises – wenn ich es so sagen darf – gelungen (Bundesrat Schennach: Nein, da kann ich
nicht applaudieren!),
und ich hoffe wirklich sehr, dass Sie uns die fehlende Be­gutachtung verzeihen (Bundesrat Schennach: Nein, die verzeihen wir
nicht! – Bundesrätin Grimling: Nein!),
aber die Berichterstattung in den Medien


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 133

lässt vermuten, dass es sich wirklich um ein gut ausgeglichenes Gesetz handelt. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.31


12.31.27

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen. (Bundesrätin
Schumann: Eine Schande! Eine Schande ist das! – Bundesrätin Grimling: Ja!)

12.32.106. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militärbe­fugnisgesetz und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert
werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2024 – WRÄG 2024) (2554 d.B. und 2573 d.B. sowie 11508/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße an dieser Stelle Frau Bundesministerin Klaudia Tanner ganz herzlich im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Als Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer genannt. – Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 134

Bericht.


12.32.45

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Landesverteidigungsausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz, das Heeresdisziplinargesetz, das Heeresgebührengesetz,
das Auslandseinsatzgesetz, das Militärbefugnisgesetz und das Militärauszeich­nungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Landesverteidigungsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 25. Juni in Verhandlung genommen
und mehrheitlich beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.


12.33.44

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender!
Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! (Bundesrat Schreuder: Und Österreicherinnen!) Zweifelsohne sind einige wirklich gute Dinge bei
diesen Gesetzesänderungen dabei – aber auch einige nicht so gute Punkte, und auf die möchte ich etwas genauer eingehen. Es heißt ja nicht umsonst:
Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.

Frau Bundesminister, Sie wissen es ja selbst aus Ihrem Landesverteidigungsbe­richt 2023: Wir bräuchten jährlich 150 Milizoffiziere und haben 30 Miliz­offiziere. Das ist ein Delta von 120 Personen im Bereich der Offiziere.
Wir bräuchten aber auch 610 Milizunteroffiziere – da ist das Delta noch größer, denn wir haben nur 50 Milizunteroffiziere.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 135

Frau Bundesminister, Sie wissen auch, dass erst nach sechs Monaten die Feldverwendbarkeit eines Grundwehrdieners gegeben ist. Das steht ja auch in Ihrem Leistungsbericht. Bei diesen sechs Monaten bis zur Feldverwend­barkeit schaffen Sie jetzt die Möglichkeit, noch um ein weiteres Monat zu ver­kürzen – sprich sechs Monate auf fünf Monate Grundwehrdienst.

Wenn ein Grundwehrdiener das Papamonat in den ersten paar Wochen
in Anspruch nimmt, sprich in der Basisausbildung eins, dann ist dieser Grund­wehrdiener in weiterer Folge militärisch nicht mehr einsatzfähig. Passiert
es in der waffenspezifischen Ausbildung, in der Basisausbildung zwei oder in der Basisausbildung drei, dann wird man diesen Grundwehrdiener in weiterer
Folge in keiner Milizfunktion mehr einsetzen können. Frau Bundesminister, mit diesem Papamonat, das Sie einführen wollen, konterkarieren Sie in Wahr­heit Ihren eigenen Landesverteidigungsbericht, in dem Sie selbst das Personal­wesen zum Schwergewicht erklären. (Bundesrat Schennach: Das meinst du
ernst? Entschuldige, ist das ernst gemeint? – Ruf bei der SPÖ: Leider!)

Wie Sie wissen, komme ich ja selbst aus dem Bereich des Bundesheeres – und ja, auch ich habe mein Papamonat zweimal, bei beiden Kindern, in Anspruch genommen. Mit einem großen Unterschied: Meine Ausbildung war bereits abge­schlossen, und das war, als ob ich meinen Urlaub konsumieren würde. Ich
habe in dieser Zeit keine wesentlichen Ausbildungsschritte versäumt. – Das ist der große Unterschied. (Bundesrat Schennach: Das Bundesheer ... Papa­monat! – Bundesrätin Grossmann: Das Papamonat ist kein Urlaub!)

Für mich hat es den Anschein, als ob man da ein Wahlzuckerl verteilen möchte. Das ist ja bereits in der Vergangenheit unter Verteidigungsminister Platter sprichwörtlich und im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose gegangen. Damals hat man den Grundwehrdienst von acht Monaten auf sechs Monate
verkürzt, und ich glaube, wir alle wissen, wie sehr man damit die Miliz ge­schwächt hat. Das war leider der falsche Weg, den man da eingeschlagen hat. Es braucht eine Stärkung der Miliz. Es liegen ja wirklich genug freiheitliche


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 136

Anträge vor: eine Wiedereinführung von sechs plus zwei Monaten Grundwehr­dienst; wir brauchen mehr Personal, nicht weniger Personal; es braucht verpflichtende Milizübungen – die fehlen mir auch noch immer. (Zwischenbe­merkung von Bundesministerin Tanner.)

Frau Bundesminister, ein weiterer Punkt, den Sie mir erklären müssen – Sie sind ja noch zu Wort gemeldet –, ist die Einführung dieser Tapferkeitsmedaille.
Das ist gut und schön und Orden sind wichtig, aber das rückwirkend mit 2015 zu beschließen – das sind doch mehr als ein paar Monate. Für mich macht das
den Eindruck, als wäre das ein Abschiedsgeschenk für Sie, um in den letzten paar Wochen noch möglichst vielen Soldaten eine Medaille umhängen zu können
und medial noch relativ gut dazustehen. Ja, Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig, aber Öffentlichkeitsarbeit kann man auch anders machen. (Zwischenbemerkung
von Bundesministerin Tanner.)

Frau Bundesminister, was brauchen wir im Bereich des Bundesheeres? – Wir brauchen mehr Personal. Sie kennen das Delta, nicht nur in der Miliz,
sondern auch bei den Offizieren, bei den Unteroffizieren, beim tatsächlichen Kaderpersonal. Wir haben das Personal nicht.

Warum haben wir das Personal nicht? – Damit man Leute kriegt, muss
man sie auch dementsprechend gut bezahlen. Sie waren aber nicht in der Lage, Unteroffizieren und Stabsunteroffizieren ein dementsprechendes Gehalt
zu bezahlen. Es gibt noch immer keine Unterscheidung zwischen Stabsunterof­fizieren und Unteroffizieren im Bereich des Gehaltsschemas. Das kann es
bitte nicht sein. (Bundesrat Schennach: Schrecklich!) Menschen, die in die Schule gehen, die eine Ausbildung machen, die eine Verantwortung über Men­schen übernehmen, muss man auch dementsprechend bezahlen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Tanner.)

Wir schaffen es auch bei den Offizieren nicht. Jetzt hat man extra ein Bachelorschema eingeführt – unsere Offiziere machen einen Hochschulab­schluss, und wir bezahlen sie wie Maturanten. So kann man kein
Personal gewinnen. Das würde es brauchen.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 137

Der Gleichzeitigkeitsbedarf, den wir jetzt im Bundesheer haben, ist so hoch. Ich glaube, das ist auch das Problem mit der Abwanderung, dass Leute nicht
mehr bereit sind, tagtäglich irgendwohin verschickt zu werden. Das
ist der Grund, warum wir bei der Truppe draußen schlicht und ergreifend jedes Jahr ein größeres Delta haben und immer weniger statt mehr Personal
haben. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Tanner.)

Ich glaube, es braucht schlicht und ergreifend wieder einen freiheitlichen Ver­teidigungsminister, um da in eine richtige Richtung zu gehen. – Vielen
Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Ja selbstverständlich! – Bundes­rätin Schumann: Mhm!)

12.39


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Philipp Kohl. Ich erteile ihm das Wort.


12.40.03

Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte
Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Zunächst möchte ich mich bei Ministerin Klaudia Tanner für die Unterstützung der Bevölkerung durch Soldatinnen und Soldaten bei der Bewälti­gung der Hochwasserkatastrophe in meinem Heimatbundesland Burgen­land und in der benachbarten Steiermark bedanken – vielen Dank!
(Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Diese Hochwasserkatastrophe stellte uns vor immense Herausforderungen, doch der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit zwischen der Bevöl­kerung, dem Bundesheer und der freiwilligen Feuerwehr waren entscheidend für die erfolgreiche Bewältigung dieser Krise. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, zum Wehrrechtsänderungsge­setz 2024 möchte ich nun folgende Punkte erwähnen:


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 138

Es ist eine Verbesserung der Personalgewinnung für die Miliz vorgesehen. Das umfasst unter anderem eine Milizausbildungsvergütung – Stichwort Bil­dungsscheck –, die für jeden Tag einer geleisteten Milizübung angespart und auf Antrag für berufliche Ausbildungsmaßnahmen genutzt werden kann.

Dieser Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit einer Dienstfreistellung im Zusam­menhang mit der Geburt eines Kindes – Stichwort Elternmonat – und
eine Härtefallregelung bei sozialversicherungsrechtlichen Benachteiligungen vor.

Die Einführung einer neuen Tapferkeitsmedaille, die besondere Leistungen
im Rahmen von Einsätzen des Bundesheeres würdigen soll, möchte ich hervorheben.

Weitere Neuerungen betreffen Verwaltungsvereinfachungen beim Wechsel von Präsenzdienstarten, bei Dienstfreistellungen und bei Auslandseinsätzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zu jedem Thema gibt es verschiedene Herangehensweisen, um Verbesserungen zu erreichen und Lösungen zu finden. Über eine Verlängerung des Wehrdienstes zu sprechen und eine dazuge­hörige Verpflichtung einzufordern ist das eine, doch Menschen durch Anreize zu motivieren, sich für das Bundesheer zu entscheiden, ist das andere. Mit
dem Wehrrechtsänderungsgesetz wird der Weg des Anreizes gegangen. Es zielt darauf ab, den Beruf des Soldaten und der Soldatin attraktiver zu gestalten.

Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, dass bereits davor viel erreicht und umgesetzt worden ist: Eine umfassende Investitionsoffensive wurde gestartet, mit der in Mobilität, in die Infrastruktur und in das Personal investiert worden ist. Das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz wurde geschaf­fen, um die langfristige Finanzierung des Bundesheeres zu sichern.
Und: Im Jahr 2024 gibt es das höchste Heeresbudget in der Geschichte. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, die Maßnahmen, die wir
heute im Wehrrechtsänderungsgesetz beschließen, sind Schritte, um mehr junge


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 139

Menschen für den Grundwehrdienst zu begeistern und sie möglicherweise
auch über die Wehrpflicht hinaus zu binden. Auch jene, die bereits im
Dienst sind, sollen von diesen Maßnahmen profitieren. Das sind Punkte, um das österreichische Bundesheer zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen.
Dies ist unerlässlich für die Stärkung unseres Bundesheeres und letztendlich für die Verteidigungsfähigkeit unserer Republik. (Beifall bei der ÖVP.)

12.43


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm das Wort.


12.43.48

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Wir haben da mehrere Gesetzesvorlagen, die auf die Attraktivie­rung des Milizdienstes abzielen.

Man muss sagen: Milizdienst ist ja nicht immer etwas ganz Einfaches,
ob man jetzt verpflichtet wird oder ihn freiwillig macht. Man hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen sicher darin, dass man netzwerken kann;
man bekommt eine Ausbildung, die man in diesem Österreich sonst nirgends bekommt – die bekommt man nur beim Heer. Der Nachteil ist halt,
dass man auch nachher aus seinem Familienleben und aus seinem Berufsleben herausgerissen wird – ob jetzt verpflichtet oder freiwillig –, aber
damit kann man und muss man leben, und das ist meines Erachtens auch gut so.

Besonders gut finden wir diesen Milizbildungsscheck, die Milizbildungs­vergütung, momentan in der Höhe von 109 Euro: Wenn ich jetzt 60 Tage habe, habe ich fast 6 600 Euro zur Verfügung, die ich für meine Fortbildung,
für meine Weiterbildung einsetzen kann. Das ist eine klasse Sache. Ich glaube, das ist ein Anreiz.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 140

Die anderen Dinge sind genannt worden. Ob es aufgrund dieser Maßnah­men zu einem Personalgewinn kommen wird, sei noch dahingestellt. Das werden wir uns aber sicherlich anschauen.

Spannend finde ich die Tapferkeitsmedaille – allein schon, dass man sie so benennt –, die man bekommen kann, wenn man eine tolle Leistung im Einsatz bei der Katastrophenhilfe, im Grenzeinsatz und so weiter erbringt. Ob
das jetzt tapfer ist und ob deshalb mehr Leute kommen, weiß ich nicht, aber es ist gut, dass Leistung belohnt wird.

Auf die Verwaltungsvereinfachung gehe ich jetzt nicht ein. Was ich aber
noch ansprechen will, ist die Dienstfreistellung bei der Geburt eines Kindes. Die FPÖ tut ja gerade so, als ob jeder, der in der Miliz ist, genau zu der Zeit,
zu der er zum Bundesheer kommt, Papa würde. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Ich meine, das müsste schon abgezielt sein, dass man genau zu
diesem Zeitpunkt Papa wird. (Bundesrat Schennach: ... Leinfellner!)

Ich kenne als ehemaliger Berufsoffizier das Bundesheer ziemlich gut, und
ich greife da jetzt auch auf die Auskünfte im Ausschuss zurück und
frage Sie: Was ist denn, wenn diese Person fehlt? Bricht dann alles zusammen? – Ja, Leute, das Bundesheer hat überall seine Reserven! Das Bundesheer
hat Stellvertreter. Das ist nicht das Argument, warum man keinen Rechtsan­spruch einführen sollte, den wir ja fordern, im Gegensatz zur FPÖ, die
den Papamonat überhaupt abschaffen will, denn – das finde ich jetzt auch ganz klasse –: Beim Heer einrücken und Milizdienst machen kann ich eigent­lich fast mein ganzes Leben lang, bis ich aus Altersgründen ausscheiden muss, aber mein Kind kriege ich nicht so oft. Wenn ich dann einem Öster­reicher die Möglichkeit nehme, ein paar Wochen, ein paar Tage mit dem Kind zu verbringen, dann finde ich das nicht sehr österreicher- und familien­freundlich. Da muss ich sagen, das verstehe ich überhaupt nicht. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)


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Es ist natürlich ein Problem für Paare, in Karenz zu gehen. Bei 82 Prozent
der Paare geht die Frau in Karenz. 1 Prozent der Männer geht sechs Monate und länger in Karenz. Man muss sich Karenz vom Einkommen her einfach leisten können. (Beifall bei der SPÖ.) Da sind wir genau beim Thema: Wir sind noch weit weg von einer Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Der Mann geht
bei uns zu 82 Prozent nicht in Karenz, weil es eine Geldfrage ist; 1 Prozent der Männer geht.

Da wäre jetzt eigentlich schon ganz spannend und wichtig, dass der
Staat, die staatlichen Institutionen mit einem großen Schritt vorangehen und dieses Ungleichgewicht dahin bringen, dass mehr Männer zu Hause
bleiben können. Das wäre unserer Ansicht nach mit einem rechtlich zugestan­denen Papamonat auch bei der Miliz, beim Bundesheer gegeben. Das
gehört eigentlich so eingeführt. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Fall dieses Elternmonats oder Vatermonats – es ist ja auch noch immer so, dass mehr Männer beim Bundesheer sind – ist es so, dass man seinen Vorgesetzten fragen muss. Na also bitte, ich muss zum Chef bitten gehen und sagen: Bitte lass mich gehen!

Militärische Voraussetzungen – ich sage es noch einmal –: Was ist in Friedenszeiten so wichtig, dass man unbedingt beim Heer sein muss und nicht das eine oder das andere Mal - - Noch einmal an die FPÖ: Es wird nur
eine Handvoll Väter sein, die das vielleicht in Anspruch nehmen können. Kinder zu kriegen kann man auch nicht so planen, dass man es zum Grundwehr­dienst und zum Milizdienst macht. (Bundesrat Leinfellner: Aber um Aufschub kann man ansuchen ...! Unglaublich!) – Ja, ihr vielleicht schon, das weiß ich ja nicht.

Deswegen glaube ich, dass da eine Chance verpasst wurde, aber jetzt
sind wir genau da. (Bundesrat Leinfellner: So viel Meinung bei so wenig Ahnung!) Das ist eine gute Idee. Die ÖVP braucht immer ein bisschen, bis sie in
die Spur kommt; ein bisschen länger dauert es in den meisten Bereichen. Wir haben das in Sachen Kinderbetreuung gesehen: Das machen wir alles


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anders! – Jetzt gibt es doch den ganzen Tag über Kinderbetreuung. Wir haben das in Sachen Ganztagsschule gesehen, da schwenkt man jetzt auch
um und sagt: Das wäre eh etwas Gutes! Wir sehen es bei manch anderen Dingen wie dem öffentlichen Verkehr; da braucht man ziemlich lang. Nachdem
man ihn zuerst abgedreht und Linien gestrichen hat, kommt man jetzt schön langsam drauf, dass man doch etwas macht. Da gibt es mehrere
Themen: leistbares Wohnen, Energiedeckel und so weiter. Die ÖVP braucht halt ein bisschen.

Was aber wehtut, Frau Ministerin, das ist, dass die Sicherheitsstrategien
noch immer nicht da sind. Jetzt kaufen wir uns um viel Geld – wir kaufen und kaufen und kaufen – in ein System Sky Shield ein. Das Parlament wird
da nicht eingebunden; in der Schweiz ist es eingebunden, da wird das Parlament gefragt. Wir kaufen Flugzeuge, wir kaufen Hubschrauber, wir kaufen
Panzer, wir kaufen, kaufen, kaufen Ausrüstung, aber wir wissen nicht, wofür wir sie kaufen, denn die Strategie ist nicht da. Wann ist die letzte - - (Zwischen­bemerkung von Bundesministerin Tanner.– Mir ist das wurscht. Ihr seid
eine Regierung, und wenn ihr streitet, dann müsst ihr etwas
machen! Die Sicherheitsstrategie für Österreich ist nicht da, und das fällt uns allen auf den Kopf.

Wir zahlen, kaufen, kaufen, kaufen, obwohl sie noch nicht da ist. Warum
kaufen wir es, wenn wir eh nicht wissen, was wir anschaffen sollen? Das bedeu­tet ja wohl wirklich, das Pferd von der falschen Seite aufzuzäumen. Noch
einmal: Die Intransparenz im Zusammenhang mit Beschaffung und Einstieg in Sky Shield haben wir ja schon mehrfach besprochen. Es gibt weder ein Gutachten zur Neutralität noch gab es eine Verfassungsdebatte. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Frau Ministerin, wir werden diesen Gesetzen zustimmen, aber es geht in
allen Bereichen darum: Die Regierung schläft einfach. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Vielleicht – da bin ich jetzt bei den Freiheitlichen – ist es gescheiter, dass


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das zu Ende geht. Es geht um die Sicherheit der Menschen, es geht um die Si­cherheit der Bevölkerung. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Es
geht auch um die Sicherheit unserer Wirtschaft, es geht um unseren Wohlstand und es geht vor allem um unser Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


12.52.49

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident!
Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher:in­nen hier und vor den Bildschirmen! Jetzt ist Elisabeth Grossmann hier. – Elisabeth, ich möchte dir wirklich von Herzen alles Gute für die Arbeit in der EU wünschen. Du wirst mir fehlen, du wirst mir vor allem in der feministi­schen Debatte fehlen. (Bundesrätin Schumann: Ja, die hätten wir führen sollen!) Danke dir für deinen Einsatz hier! (Beifall bei Bundesrät:innen von
Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Kurz zum Wehrrechtsänderungsgesetz: Auch ich freue mich wie Herr Kollege Philipp Kohl über die neuen Hubschrauber, nämlich darüber, dass diese
für Katastrophenhilfe, in Assistenzeinsätzen österreichweit zur Verfügung ste­hen. Umweltkatastrophen vermehren sich aufgrund der Klimakrise, sie
werden jedes Jahr mehr, sie werden jedes Jahr schlimmer, und da ist jede schnel­le Hilfe essenziell. Das ist gut so.

Der Hauptpunkt des heutigen Wehrrechtsänderungsgesetzes betrifft aber Verbesserungen im Zusammenhang mit der Personalreserve des Bundesheeres. Das sind positive Änderungen für die Milizsoldaten, Grundwehrdiener und Zivildiener:innen.

Es wurde schon sehr viel gesagt. Ich möchte auf einen ganz kleinen Punkt eingehen, den wir natürlich sehr wichtig finden, und zwar ist das dieser nicht zu


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 144

unterschätzende Anreiz der Freifahrt. Das Klimaticket Österreich für
Angehörige des Bundesheeres gilt nämlich ein ganzes Jahr lang. Es gilt 365 Tage im Jahr für ganz Österreich, ist gratis und auch ganz leicht zu bekommen,
muss nur beantragt werden.

Das war eine Umstellung, denn davor musste bei Fahrten ein Fahrtkostenersatz beantragt werden, und das wurde geändert. Jetzt gibt es das österreich­weite Ticket, und weil uns das so wichtig war, trägt die Zusatzkosten das Klima­ministerium. Auch das ist gut so. Wir stellen heute eben klar – deswegen
komme ich darauf –, dass es auch dann Fahrtkostenersatz gibt, wenn es keine ausreichende Anbindung am Wohnort gibt.

Auch wir sehen den Bildungsscheck, also die Milizausbildungsvergü­tung, als wichtigen Punkt, als Anreiz im Milizsystem, damit dort keine beruflichen Nachteile entstehen, sondern dass das eher sogar Vorteile bringen kann.
Man kann – wir haben es auch im Ausschuss gehört – etwa 110 Euro pro Miliz­übungstag dafür verwenden, sich beruflich weiterzubilden oder auch umzuschulen.

Ganz kurz möchte ich noch etwas über den Papamonat – wir haben auch darü­ber schon viel gehört – sagen. Es ist eigentlich ein Elternmonat für Grund­wehrdienende, Zeitsoldat:innen und Menschen, die Ausbildungsdienst machen. Das müssen eben nicht nur Männer sein, das können auch Frauen sein,
die in einer Beziehung mit einer Frau stehen. (Zwischenruf des
Bundesrates Leinfellner.)

Das Bundesheer wird mit diesen kleinen, aber wichtigen Änderungen ein zeitge­mäßer und guter Arbeitgeber, dem kommen wir mit vielen kleinen
Schritten näher. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Grossmann.)

12.56


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 145

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Klau­dia Tanner. Ich erteile ihr das Wort.


12.56.27

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr
geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie uns zugeschaltet
sind! Es ist schon angesprochen worden: Der jüngste Einsatz im Zusammenhang mit den Hochwässern ist noch nicht zu Ende. Es stehen laut der heutigen Morgenmeldung in der Steiermark nach wie vor Soldaten im Einsatz und auch in Niederösterreich sind Soldaten mit dem Brückenbau beschäftigt. Ich
würde bitten: Spenden wir ihnen gemeinsam einen Applaus und sagen wir ihnen ein ganz, ganz großes Dankeschön für diesen so wichtigen Einsatz.
(Anhaltender allgemeiner Beifall.)

Diesen Applaus und dieses Dankeschön, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, möchte ich aber auch Ihnen, jedem und jeder Einzelnen von Ihnen, spenden. Warum? – Sie waren es am Ende des Tages, die mit Ihrer Zu­stimmung das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz ermöglicht haben. Das heißt, wir haben erstmalig über die Legislaturperiode hinaus Planungssi­cherheit für unsere Investitionen, für unseren Aufbauplan, der bis zum Jahr 2032 und darüber hinaus reicht.

Einige von Ihnen haben es ja in ihren Redebeiträgen schon angesprochen: Es ist wichtig, dass wir diese finanziellen Mittel, die über 18 Milliarden Euro
in den nächsten vier Jahren, auch sehr transparent verwenden. Auch dafür hat das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz Vorsorge getroffen, weil
wir ja eine Beschaffungsprüfkommission, Kontrollkommission eingerichtet ha­ben, weil wir ja regelmäßig auch dem Parlament darüber Bescheid
geben, wie weit wir in den einzelnen Bereichen mit den Investitionen sind.

Ich bin jetzt soeben aus Wiener Neustadt gekommen. Das eine ist die Frage des Budgets, das wir zur Verfügung haben. Die aber ebenfalls wichtige Frage,


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die Sie auch angesprochen haben – und darum geht es ja auch am heutigen Ta­ge –, ist die des Personals. Wir haben dort eine Sicherheitsschule, die ih­resgleichen sucht, die BHAK, in der Daun-Kaserne angesiedelt.

Ich bin wirklich stolz, dass wir gemeinsam im Rahmen der Mission vorwärts ei­nen wichtigen Schritt gehen konnten, weil wir diese Schule, die Daun-Kaserne, jetzt so eingerichtet haben, dass die jungen Schülerinnen und Schüler, unsere Kadetten, auch wirklich die entsprechende Infrastruktur vorfin­den. Wir haben 19 Millionen Euro im inneren und im äußeren Bereich investiert. Eine Kadettin hat es heute so gut gesagt: Das ist ihre zweite Heimat, die
sie dort haben. – Also auch dafür ein ganz großes Dankeschön, dass das möglich geworden ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist angesprochen worden, dass wir hinsichtlich der Anzahl der Soldatin­nen durchaus noch Aufholbedarf haben: Das steht außer Frage – aber es ist uns gemeinsam auch schon sehr vieles gelungen.

Wir haben im vergangenen Jahr den freiwilligen Grundwehrdienst für
Frauen ins Leben gerufen. Es sind mittlerweile auch schon an die 200 Soldatin­nen eingerückt. Und wenn man sich die Zahlen gerade an dieser Schule,
an der BHAK für Führung und Sicherheit, anschaut, dann sieht man, dass wir in den Klassen, die jetzt nachkommen, teilweise schon über 50 Prozent
Frauen – Mädchen in diesem Fall – haben. Natürlich werden wir uns bemühen, dass wir sehr viele derjenigen, die dort ihre Ausbildung erhalten, die dort maturieren, auch zu uns, zum österreichischen Bundesheer, werben.

Damit bin ich auch schon bei der Frage der Personalwerbung. Sie haben recht – es ist so, wie es angesprochen worden ist –: Wenn es darum geht, im
Bereich der Personalwerbung erfolgreich zu sein, kann es niemals eine einzige Maßnahme sein, die uns zum Erfolg führt, sondern es ist immer ein Bündel
an Maßnahmen.


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Daher bitte ich Sie auch heute um die Unterstützung für diese Änderungen, egal ob es um den Milizbereich geht, ob es um den Anreiz mit einem Eltern­monat geht, ob es um Verwaltungsvereinfachungen geht, gerade auch im Aus­landseinsatz, der unglaublich wichtig ist.

Es ist auch die Tapferkeitsmedaille angesprochen worden. Das hat schon
einen Hintergrund: Sie müssen sich vorstellen – ich war heute beim Jagdkommando, dort hat die Kommandoübergabe stattgefunden, ein Festakt, den ich leider dann etwas früh verlassen musste, damit ich hier bei
Ihnen sein darf –, unsere Jagdkommandosoldaten haben damals eine Auszeich­nung von den Amerikanern bekommen. Wir haben sie ihnen bis jetzt nicht
geben können. Ganz ehrlich gesagt, die Einsätze, in die unsere Jagdkommando­soldatinnen und ‑soldaten gehen, suchen wohl ihresgleichen, und ich
glaube, die haben sich auch verdient, dass wir ihnen diese Anerkennung von unserer Seite mit einer Tapferkeitsmedaille geben können. Es gibt auch Zivilbedienstete, die sich besonders verdient gemacht haben, und auch ihnen wollen wir die Möglichkeit einer Anerkennung in einer solchen Form
bieten. Ich hoffe auf die Unterstützung von Ihnen allen, damit wir wieder in einem Bereich der Mission vorwärts einen Schritt gemeinsam gehen.

Wir wissen sehr wohl genau, wozu wir unser Bundesheer bis zum Jahr 2032 und darüber hinaus machen wollen, nämlich zu einer modernen Armee, die all
diesen Herausforderungen, egal aus welchem Bereich – sehr viele sind angesprochen worden, insbesondere aus dem Assistenzbereich –, auch gerecht werden kann. Das haben sich unsere Soldatinnen und Soldaten, aber
auch die Österreicherinnen und Österreicher verdient. Und jawohl, dazu gehört auch, dass wir in all das, was mit Luftverteidigung zu tun hat, investieren,
denn es muss uns gar niemand wirklich angreifen, es reicht schon dieses Beispiel der Drohne, die fehlgeleitet wurde und dann in Zagreb abgestürzt ist.
Es ist unsere Verantwortung und unsere Aufgabe, dass wir auch in diesem Be­reich, der Luftverteidigung, investieren – sehr genau geplant, im Rahmen
der Mission vorwärts, mit einem Aufbauplan.


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Ganz ehrlich noch etwas – ein großer Vorteil, den wir haben –: Die Österrei­cherinnen und Österreicher haben im Jahr 2013 eine so kluge Entschei­dung getroffen, nämlich jene für die Wehrpflicht. Man sieht jetzt in anderen Staaten, wie schwierig es ist, den Weg zurück wieder zu finden. Wir haben damit einen Pool an jungen Männern und jetzt auch Frauen, denen wir zeigen
können, wie attraktiv und wie vielfältig das österreichische Bundesheer ist und wie attraktiv es ist, dass sie länger als die sechs Monate bleiben.

Es ist uns, Herr Bundesrat, auch im Bereich der Miliz schon etwas gelun­gen: Über 2 000 mehr sind es mit dem freiwilligen Prämiensystem, das wir ins Leben gerufen haben, geworden.

Nutzen wir – jeder und jede Einzelne von Ihnen – jede Möglichkeit, die
wir auch im privaten Bereich haben, um die jungen Menschen für eine Laufbahn bei uns, beim österreichischen Bundesheer, zu begeistern – zur Sicherheit
von uns allen! Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zum heutigen Paket. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

13.04


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Leinfellner meldet sich nochmals zu Wort. Ich erteile dieses.


13.04.37

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ja, wie gesagt, da war ganz viel Gutes dabei, oder es ist ganz viel Gutes dabei. Einige Dinge, mit denen wir
weniger gut leben können, habe ich in meinem ersten Redebeitrag bereits ausgeführt.

Warum aber habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet? – Vielleicht um eini­ge Dinge ins richtige Licht zu rücken, denn bei so viel geballtem Blödsinn,


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 149

wie Herr Kollege Wanner hier heraußen verzapft hat, kann man nicht einfach zur Abstimmung übergehen, da muss man schon noch ein bisschen Nachhilfe vielleicht im Bereich des Biologieunterrichts geben.

Du sagst, man kann sich das Kinderkriegen nicht aussuchen, man kann das nicht immer so planen. Ja, das ist richtig, aber, Kollege Wanner: Wie lange ist eine Frau schwanger? Neun Monate, oder? Grundsätzlich neun Monate, viel­leicht sind es acht Monate oder sieben Monate, aber definitiv mehr als sechs Monate, länger also als die Zeit, die dieser Grundwehrdienst dauert.

Das heißt, ich weiß vor dem Einrücken grundsätzlich, dass meine Frau, meine Freundin, meine Lebensgefährtin schwanger ist. Ja dann suche ich doch
bitte um einen Aufschub des Präsenzdienstes an, meine sehr geehrten Damen und Herren – und das wird auch funktionieren, es konterkariert den Grundwehrdienst nicht. Dann suche ich also um Aufschub an! Diesen Mann kann man noch brauchen – und wenn es nur einer ist, ist es zumindest
einer mehr, den man danach auch verwenden kann.

Kollegin Kittl, du hast den Elternmonat angesprochen, hast also den von mir verwendeten Ausdruck Papamonat auf Elternmonat korrigiert. Ich hoffe
doch sehr, dass eine Schwangere im sechsten Monat nicht mehr zum Ausbil­dungsdienst einrücken wird, damit sie diesen Elternmonat in
Anspruch nehmen könnte. Da gibt es ja bei den Frauen dann andere Möglichkeiten.

Vielleicht hast du aber auch jene Frauen gemeint, die nach euren wahnsinnigen Gesetzesbeschlüssen inzwischen eine Vaterschaft annehmen können.
Das wäre auch möglich. Vielleicht kannst du mir das erklären. Wenn das von dir gemeint war, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Österreich!
(Beifall bei der FPÖ. – Bundesministerin Tanner: Oje!)

13.06


13.06.52

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.


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Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesministerin Tanner – auf ihrem Weg aus dem Sitzungssaal zwischen den Bankreihen stehen bleibend –: Danke schön! Vielen Dank!)

Ich begrüße ganz herzlich bei uns im Bundesrat Frau Staatssekretärin
Claudia Plakolm. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

13.07.377. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz zur Einrichtung einer nationalen Behörde für die Cybersicherheitszertifi­zierung (Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz – CSZG)
(2552 d.B. und 2582 d.B. sowie 11509/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin wurde mir Frau Bundesrätin Bernadette Geieregger ge­nannt. – Ich bitte um den Bericht.

Ist Frau Bundesrätin Geieregger im Saal? (Bundesrat Tiefnig: Dann muss
der Vorsitzende! Wer ist Vorsitzender im Ausschuss?)

Kann jemand anders von der Fraktion die Berichterstattung übernehmen? (Bun­desrätin Eder-Gitschthaler gibt, zu ihrem Sitzplatz eilend, ein entsprechendes


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Zeichen.) – Ich bitte Frau Fraktionsvorsitzende Eder-Gitschthaler, den Bericht zu Tagesordnungspunkt 7 vorzubringen.


13.08.46

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz zur Einrichtung einer nationalen Behörde für die Cybersicherheits­zertifizierung – Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich
zur Antragstellung:

Der Ausschuss stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin, für den
Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile das Wort.


13.09.29

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Saal! Geschätzte Zuschauer vor den Bildschirmen! Hintergrund des Cybersicherheits­zertifizierungs-Gesetzes ist wieder einmal eine EU-Verordnung, die umgesetzt werden muss. Darin werden die Mitgliedstaaten von der EU zur Benen­nung von einer oder mehreren nationalen Behörden für die Cybersicherheitszer­tifizierung verpflichtet. Man sieht daran wieder, dass auch dieses Gesetz
zu einem überwiegenden Teil EU-fremdbestimmt ist. (Bundesrat Schreuder: Wir haben es schon mitverhandelt!) Daher war es wichtig und notwendig, dass
wir bei der EU-Wahl eine kritische Stimme gegen den Zwang und diese Art der


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Politik aus der EU waren – und weiter sind (Bundesrat Schreuder: Wir
haben mitverhandelt!)
 – und uns vor allem auf die Anliegen Österreichs kon­zentriert haben. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Wir haben mitverhandelt!)

Geschätzter Kollege, die Bürger haben diesen Weg unserer Politik bestätigt (Bundesrat Schreuder: Wir haben mitverhandelt!), wir sind Nummer eins geworden, daher danke ich auch auf diesem Weg noch einmal für das Vertrauen. –
Sie haben noch einmal die Möglichkeit, am 29. September für die FPÖ zu stim­men. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Sie haben auch für den
EU-Beitritt gestimmt!)

Geschätzte Damen und Herren, ja, wir wollen für die österreichischen Firmen, für die österreichischen Kunden eine zertifizierte Sicherheit schaffen.
Das Gesetz soll sicherstellen, dass die Kreditprodukte, Dienstleistungen und Prozesse, die nach einem gewissen Schema zertifiziert werden, den Sicherheitsanforderungen entsprechen und auch EU-weit gelten – so weit, so gut.

Die Frage ist wieder: Wie setzt diese Regierung das Ganze wieder um? –
Wir haben gehört, es muss wieder eine neue Behörde geschaffen werden. Wa­rum ist es notwendig, dass eine gänzlich neue Stelle eingerichtet wird?
Wie viele Mitarbeiter werden benötigt? Welche Kosten fallen
an? – 1,3 bis 1,4 Millionen Euro pro Jahr. Welche Fremdleistungen werden um dieses Geld vergeben? Was werden diese Stellen dann daraus machen?
Welche Firmen sind das? Wie schaut überhaupt die Qualitätssicherung aus? – Es gab keine Antworten, weder im Nationalrat noch im Ausschuss.

Ja, geschätzte Damen und Herren, es zeigt doch ganz klar und ist bezeich­nend für die Arbeit der Bundesregierung der letzten fünf Jahre: Es wird den Bür­gern, den Firmen, allen Beteiligten wieder Sand in die Augen gestreut.
Kritische Fragen, die wir stellen – die wir aber nicht für uns stellen, sondern für die Bürger –, werden nicht oder unvollständig beantwortet. Und solange


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das so ist, sage ich: Das ist wieder ein schwaches Gesetz einer Regierung, die Gott sei Dank nicht mehr lange in Verantwortung ist, und daher gibt es
keine Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

13.12


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. Ich erteile ihr das Wort.


13.12.26

Bundesrätin Viktoria Hutter (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Bild­schirmen! Für uns alle sind das Handy und das Internet ja gar nicht
mehr aus dem alltäglichen Leben wegzudenken. Die Jugend von heute kennt eine Welt ohne Handy und Internet gar nicht mehr. So viele Vorteile
uns das auch bietet, so viele Risiken und Bedrohungen, die täglich mehr werden und sich ständig ändern, bringt es mit sich.

Heutzutage wird kaum noch eine Bank ausgeraubt, aber im Bereich der Cyberkriminalität tut sich unglaublich viel, und daher müssen auch wir viel im Bereich Cybersicherheit tun. Unsere beiden Sicherheitsminister Klaudia
Tanner und Gerhard Karner gehen da voran und setzen auch schon einiges um, so wie natürlich auch das Kanzleramt mit unserer Digitalisierungsstaats­sekretärin mit dem Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz, um welches es ja bei diesem Tagesordnungspunkt geht. Auch da setzen wir einen wichtigen
weiteren Schritt.

Sicherheit ist eines unserer Kernthemen in der ÖVP und auch zentral im Ös­terreichplan unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer verankert: Leis­tung, Familie, Sicherheit. Neben dem Nulltoleranzprinzip für Kriminelle, für das wir auch eine wesentliche Aufstockung im Bereich Bekämpfung Cyber­crime brauchen, ist auch beim Bundesheer das oberste Ziel, die Sicherheit der


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österreichischen Bevölkerung zu jeder Zeit zu gewährleisten. Daher braucht es auch dort unter anderem einen Ausbau der Cyberverteidigungsfähigkeit.

Heute, wie eingangs schon gesagt, setzen wir mit dem zur Abstimmung stehenden Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz ein weiteres Zeichen. Wir setzen damit die EU-Verordnung zur Cybersicherheit um, wir schaffen
eine eigene Behörde in diesem Bereich; zum einen mit dem Ziel der Stärkung eines digitalen Binnenmarktes der Europäischen Union und zum Zweiten
mit dem Ziel einer erhöhten Cybersicherheit und digitalen Sicherheit in Öster­reich durch klare gesetzliche Vorgaben und operative Möglichkeiten.

Die Bewahrung der inneren sowie der äußeren Sicherheit ist essenziell, um unser österreichisches Lebensmodell vor den unterschiedlichsten Herausforde­rungen und Gefahren zu schützen. Eine wehrhafte Demokratie, ein verlässliches Bundesheer und Schutz vor Kriminalität sind entscheidend. Die Sicherheit
und eben auch die Cybersicherheit unseres Landes und der Menschen in Öster­reich haben für uns klare Priorität und darum bitte ich um breite Zustim­mung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

13.15


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Daniel Schmid. Ich erteile ihm das Wort.


13.15.18

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zu­seherinnen und Zuseher! Als jemand, der 1979 geboren wurde, habe
ich – so wie viele vor mir in den Sitzreihen des Plenarsaals – die digitale Revo­lution hautnah miterlebt. Vom Wählscheibentelefon und Postbrief hin
zum Smartphone und zum E-Mail (Zwischenruf des Bundesrates Schennach – Bun­desrat Schreuder: Aber Vierteltelefon kennst nicht!) hat sich ja unter anderem gerade die Kommunikation drastisch verändert.


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Die Digitalisierung hat uns allen natürlich viele Erleichterungen und neue Mög­lichkeiten gebracht, aber auch Herausforderungen, wenn es um den Datenschutz und wenn es um die Cyberkriminalität geht. Es ist wichtig, die Vorteile der Technologie zu nutzen, aber gleichzeitig die Risiken zu
beachten.

Es liegt in unser aller Verantwortung als politische Verantwortungsträger und Verantwortungsträgerinnen, gemeinsam eine sichere digitale Infrastruk­tur zu schaffen, die es den Menschen in Österreich ermöglicht, die Vorteile der Digitalisierung ohne Sicherheitsrisiken zu nutzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere kritischen Infrastrukturen sind zunehmend anfällig für Cyberkriminalität, daher müssen wir entsprechende Sicherheitsmaßnahmen treffen.

Gerade wir von der Sozialdemokratie haben immer wieder aufs Neue innovative Vorschläge zur Förderung der Digitalisierung eingebracht, die aber leider
nur allzu oft von der Bundesregierung abgelehnt wurden. (Ruf bei der SPÖ: Mhm!) Unser Ziel muss es doch sein, sicherzustellen, dass niemand von den technologischen Fortschritten der Digitalisierung abgehängt wird. Jeder soll ja die Vorteile der Digitalisierung nutzen und davon profitieren können.

Ein für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr wichtiges Anliegen ist es, dass staatliche Förderungen und Leistungen nicht nur digital,
sondern auch analog beantragt werden können. Ältere Menschen, die keinen Zugang zu digitalen Mitteln haben, dürfen nicht länger benachteiligt
werden, denn sie werden noch immer benachteiligt. Es ist essenziell, dass analoge Zugänge gleichwertig zu den digitalen Zugängen zur Verfügung stehen.

Der Mangel an analogen Alternativen bei staatlichen Leistungen wie beispielsweise dem Reparaturbonus oder dem Zugang zum Bundesschatz ist dis­kriminierend; aber nicht nur diskriminierend, sondern, sehr geehrte Damen
und Herren, respektlos gegenüber jener Generation, die unser Österreich, unse­re Zweite Republik aufgebaut hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen
der FPÖ.)


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Cybersicherheit wird oft diskutiert, doch die Maßnahmen der Regierung hinken dieser rasanten Entwicklung, die wir erleben, hinterher. Ich darf betonen:
Gerade die geringe Beteiligung an einer Veranstaltung der Parlamentsdirektion zu Cybersicherheit verdeutlicht den dringenden Bedarf an einem grundle­genden Wandel im Umgang mit dem Thema.

Neben der Cybersicherheit ist auch die künstliche Intelligenz, KI, ein zentrales Thema der Digitalisierung, das uns gerade auch ordentlich einholt. KI
bietet große Chancen, aber sie birgt auch enorme Risiken und Gefahren in sich. Daher ist es so wichtig, eine klare KI-Strategie zu entwickeln, eine Strate­gie, die Innovationen fördert und gleichzeitig den Schutz der Privatsphäre und allem voran den Schutz von Arbeitsplätzen berücksichtigt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die bishe­rigen Maßnahmen der Bundesregierung sind unzureichend. Es bedarf Investi­tionen in Forschung, Investitionen in Entwicklung sowie eines ethisch verantwortungsvollen Umgangs mit der KI. Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei KI-Entwicklungen müssen gewährleistet sein und individuelle Rechte
müssen geschützt werden. Die Herausforderungen der Digitalisie­rung und Cybersicherheit erfordern eine umfassende Strategie, um Österreich als führenden Technologiestandort zu sichern.

Kolleginnen und Kollegen! Trotz aller Kritik betrachten wir Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten das vorgeschlagene Gesetz zur Cyber­sicherheit als einen Schritt in die richtige Richtung, und wir werden dazu
unsere Zustimmung geben.

Abschließend: Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, eine sichere und faire digitale Zukunft zu gestalten. Lassen Sie uns die Herausforderungen gemeinsam entschlossen angehen, damit Österreich auch in der digitalen Ära stark und si­cher bleibt! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 157

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile das Wort.


13.22.00

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte
Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pröl­ler, ich muss jetzt schon kurz auf Ihre Rede eingehen. Zum einen: Europa ist nicht fremdbestimmt, so wie auch ein Bundesland nicht von Österreich fremdbestimmt ist, sondern Österreich ist in Europa und verhandelt bei allen Akten mit. – Das ist einmal das Erste.

Das Zweite ist, weil da gern dieses Bild vermittelt wird, Europa sei so irgendwie ein bürokratisches Monster (Bundesrätin Schartel: Na ist es ja auch!) – also wirklich, jetzt hörts einmal zu! –: Das wahre bürokratische Monster wollt ihr ma­chen, und das ist nebenbei auch noch wirtschaftsfeindlich. Wenn ein öster­reichisches Unternehmen eine Zertifizierung haben will, was ja gescheit ist, weil wir ja Vertrauen in die Produkte brauchen, wenn es um die Cyberfragen, um Cybersicherheit geht - - (Bundesrätin Schartel: Was ist denn beim AMA-Gütesiegel?) – Jetzt hören Sie einmal zu! Sie können sich gerne zu Wort melden, Frau Kollegin, aber einmal kurz zuhören! (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Miesenberger und Tiefnig.)

Wenn wir das nicht europäisch lösen, dann müsste ein österreichisches Unter­nehmen, das eine Zertifizierung für Cybersicherheit haben will, bei der österreichischen Behörde, bei der italienischen Behörde, bei einer französischen Behörde, bei einer niederländischen Behörde, bei einer belgischen Behörde darum ansuchen. Das wollt ihr, ernsthaft? (Bundesrätin Schartel: Das muss doch nicht sein!) Das ist doch absurd! (Zwischenruf des Bundesrates Pröller.)
Wenn es irgendwo eine sinnvolle europäische Idee gibt, dann ist es gerade da. Das verstehe ich nicht, ich verstehe es wirklich nicht. (Beifall bei den
Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich muss einmal emotional werden, weil es so absurd ist. Gerade in der digitalen Welt, wo der Druck so enorm ist, wo die Standards von beispielsweise


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chinesischen Produkten einfach nicht die Standards sind, die wir haben wollen – und das ist auch eine Stärke des europäischen Markts, das muss man
auch dazusagen –, ist es doch wichtig, dass wir als Europa gemeinsam agieren.

Was wir da machen, das ist eigentlich etwas ganz Einfaches: Wir ermögli­chen, dass ein Unternehmen, das ein Cybersicherheitszertifikat haben will, das in Österreich beantragen kann und es dann in der gesamten EU gilt. (Bundes­rätin Schartel: Ja, aber dafür braucht man keine eigene Behörde, oder?) So einfach ist es, so klug ist es, und mehr ist es nicht. Ich verstehe überhaupt nicht,
wie man dagegen sein kann. Ich verstehe es wirklich nicht. (Bundesrätin Schartel: Na, gegen das sind wir nicht!)

Eines muss man schon sagen: Das Vertrauen in die Produkte unserer europäischen Unternehmen zu stärken ist auch wichtig. Warum? – Weil die Cyberattacken zunehmen (Bundesrätin Schartel: Deswegen tun wir ja auch
alles digitalisieren!),
und diese Cyberattacken kommen allen voran
von den Staaten, die autoritär agieren, mit denen ihr Freundschaftsverträge habt, die kommen aus Russland, die kommen aus China und die unter­graben unsere eigene Sicherheit. Das lassen wir als Europa uns einfach nicht gefallen (Bundesrätin Schartel: Ja eh!), deswegen ist es klug, das heute
zu entscheiden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.25


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Noch einmal zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile das Wort.


13.25.10

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Kol­lege Schreuder, wir sind nicht gegen die Zertifizierungsstelle, das habe ich nicht behauptet. Wir haben Fragen gestellt, die Fragen sind nicht beantwortet worden, daher können wir da nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin


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Schartel: Genau! – Bundesrat Schreuder: Ah geh, nur weil da EU draufsteht! Jetzt sei ehrlich!)

13.25


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm. Ich erteile ihr das Wort.


13.25.35

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Es ist bereits sehr oft gefal­len: Die Sicherheit von digitalen Produkten und Dienstleistungen ist eine ganz entscheidende Sache in einer Zeit, in der die Digitalisierung einfach über­all Einzug hält, in der sich viele Dinge verändern.

Eine ganz entscheidende Frage ist immer die Frage des Vertrauens: Vertraue ich in die Sicherheit, in die Qualität der täglich genutzten Systeme? Da ist es durchaus sinnvoll, dass wir innerhalb der Europäischen Union einen einheitlichen Weg gehen. Die Digitalisierung macht keinen Halt an unseren Grenzen,
die Nutzung von digitalen Produkten – wenn wir schauen, was wir beispielswei­se alles am Handy haben – macht natürlich auch keinen Halt an den öster­reichischen Landesgrenzen, sondern wir sind zunehmend international vernetzt. Deswegen ist es so entscheidend, dass wir da auch einen einheitlichen
Weg gehen, um einfach die Vertrauensfragen der Nutzerinnen und Nutzer mit Cybersicherheitszertifizierungen gut lösen zu können.

Wir wollen damit das, wofür wir mit dem Cybersecurity Act auf europäischer Ebene die Basis geschaffen haben, auch auf nationaler Ebene umsetzen.
Dafür wird eine zuständige Behörde notwendig sein, die gibt es ja jetzt noch nicht; ich weiß nicht, wo sie sonst eingerichtet oder angehängt werden
sollte. Wir wollen da eben auch eine klare Kompetenz in Österreich schaffen, eine Behörde, bei der diese Kompetenz gebündelt wird, die auch als Aufsichtsorgan fungieren wird, in der die notwendigen Zertifizierungsprozesse


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abgewickelt werden. Hersteller und Anbieter können ihre IT-Systeme,
ihre Produkte dort zertifizieren lassen – auf freiwilliger Basis kann das Ganze passieren.

Durch den Cybersecurity Act, den CSA, und unser nationales Cyber­sicherheitszertifizierungs-Gesetz stellen wir dann eben sicher, dass die Zertifizie­rungen der Produkte auch EU-weit anerkannt werden. Ich glaube, das ist
ganz entscheidend für die Konsumentinnen und Konsumenten und deswegen ein großer Schritt in Richtung mehr Sicherheit, in Richtung mehr aner­kannte Qualität auch für unsere österreichischen Produkte in diesem Bereich.

In manchen Bereichen, wie beispielsweise bei den digitalen Identitäten,
wird es auch verpflichtende Zertifizierungen geben. Unsere ID Austria beispiels­weise wird künftig gemäß CSZG zertifiziert werden. Unsere elektronische Identität wird bereits jetzt als die sicherste im EU-Raum anerkannt, deswegen freuen wir uns, wenn wir uns dieses Gütesiegel auch für unsere
ID Austria, die der Schlüssel zu digitalen Behördenwegen ist, abholen können.

Entsprechende Stellen werden in Österreich diese Zertifizierungen von Produkten durchführen und somit auch für die Einhaltung der Standards sorgen. Es wird drei Sicherheitsstufen geben, die Zertifikate für die höchste Sicher­heitsstufe, wie sie beispielsweise eben bei digitalen Identitäten notwendig sein wird, kann nur durch diese nationale Behörde im Bundeskanzleramt aus­gestellt werden. Genau diese zentrale Stelle wird auch für Fragen zu den Ver­fahren zuständig sein und erste Anlaufstelle für die Unternehmerinnen
und Unternehmer sein. Ich denke, das ist ganz entscheidend, dass wir da auch gut servicieren, wenn unsere österreichischen Unternehmen ihre
Produkte zertifizieren wollen.

Ich möchte noch einmal festhalten, dass das Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz eine absolute Notwendigkeit darstellt. Es geht darum, dass wir
den digitalen Markt in Österreich, in Europa stärken können, dass wir unsere Unternehmen digital fit halten, dass wir auch die Konsumentinnen und


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Konsumenten besser aufklären und ihnen mehr Schutz bieten können und dass wir vor allem auch als Standort konkurrenzfähig bleiben.

Ich freue mich über die doch sehr, sehr breite Zustimmung zu diesem Gesetz und danke für die konstruktive Debatte. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrät:innen der Grünen.)

13.29


13.29.21

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.29.538. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine Verbrauchsteuer auf Mineralöl, Kraftstoffe und Heizstoffe (Mineralölsteuergesetz 2022 – MinStG 2022) geändert wird (4068/A und 2585 d.B. sowie 11512/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrätin Barbara Prügl genannt. – Ich bitte um den


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Bericht.


13.30.16

Berichterstatterin Barbara Prügl: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine Verbrauchsteuer auf
Mineralöl, Kraftstoffe und Heizstoffe – kurz Mineralölsteuergesetz 2022 ge­nannt – geändert wird.

Dabei geht es um die Verlängerung der temporären Agrardieselvergü­tung von 7 Cent pro Liter bis Dezember 2025.

Der detaillierte Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin, für den Bericht.

Als Erster ist Herr Bundesrat Sascha Obrecht zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


13.31.12

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So ist das mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (auf einen hinter den
Bankreihen der Bundesrät:innen der SPÖ stehenden Kinderwagen weisend):
Es trifft auch Politikerinnen und Politiker. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wir sind in der Tagesordnung so schnell fortgeschritten, dass die zweite Betreuungsperson noch nicht da ist. Die Mama wird gleich kommen, und ich halte meine Rede dementsprechend kurz. (Präsidentin Göll übernimmt
den Vorsitz.)

Was will ich sagen? – In diesem Gesetz geht es um eines: um ein Riesengeschenk an den Bauernbund. Jetzt können Sie sich vorstellen - - (Bundesrätin Miesen­berger: SPÖ ... Bauern!) – Ja, da muss man gleich direkt reinkommen. Worum geht


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es da nämlich genau? – Mit der Agrardieselförderung werden 75 Millionen
Euro an den Bauernbund und die österreichischen Bäuerinnen und Bauern ver­teilt. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger. – Bundesrat Himmer: Doch
an die Bauern und nicht ...!)

Frau Kollegin, wenn wir darüber reden, wer es mit den Bauern und Bäuerinnen gut meint, dann müssen wir nur darüber reden, wer die Bauernpension eingeführt hat: Das war nicht die ÖVP, das war die SPÖ. Da können wir schon in die Vergangenheit schauen! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf
der Bundesrätin Miesenberger.)
 – Das kann ich Ihnen aus der Geschichte sagen: Es ist tatsächlich so, dass die SPÖ das gemacht hat.

Was machen Sie aber jetzt? – Sie schenken 75 Millionen Euro her zu
einem Zeitpunkt, der gar nicht schlimmer sein könnte. Ich rede hier immer und sage: Die Inflation ist hoch! Das ist ein Riesenproblem, die Leute können
sich nichts leisten! – Das wird weggewischt, natürlich.

Gestern waren das Wifo und das IHS hier und haben dasselbe gesagt: Die In­flation ist ein Riesenproblem gewesen. – Und jetzt kommen Sie – norma­lerweise sitzt der Finanzminister hier oder die ÖVP sitzt hier – und
sagen: Ja, aber wir haben die Kaufkraft erhalten, das ist so toll! – Na, einen Blödsinn habt ihr gemacht: Die Gewerkschaft hat die Kaufkraft erhal­ten, denn die hat für hohe Löhne gekämpft (Beifall bei der SPÖ), und diese hohen Löhne waren alternativlos, weil man nichts gegen die Inflation gemacht
hat. (Bundesrat Tiefnig: Kalte Progression! – Bundesrätin Miesenberger: Genau!)

Aus ÖVP-Sicht ist es ein absolut dummes Argument, muss man tatsäch­lich sagen, zu sagen, dass man in dem Fall die Kaufkraft erhöht hat, denn wenn man es sich überlegt: Was bedeutet das? – Es bedeutet natürlich, dass
das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Österreich nach unten geht.

Wenn man nicht von Anfang an in die Inflation eingreift und gegensteuert, so wie die anderen Staaten, sondern das durchrauschen lässt und dann alter­nativlos die Löhne nach oben gehen müssen, weil die Gewerkschaften


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nachziehen, dann wir die Produktion teurer. Wir stehen aber in einem interna­tionalen Wettbewerb, und das bedeutet, österreichische Unternehmen
haben es wesentlich schwerer – und das haben Sie zu verantworten. Die Wirt­schaftspartei Volkspartei hat es zu verantworten, dass es für den Wirt­schaftsstandort Österreich und für die Österreicherinnen und Österreicher so viel schwerer geworden ist! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundes­rätin Miesenberger.)

Die weiteren Dinge, die Wifo und IHS gesagt haben, sind ja erschreckend: Das Bruttoinlandsprodukt pro Person sinkt erstmals seit – keine Ahnung! Ich
kann mich nicht erinnern, dass das jemals so war. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Die Inflationsprognosen sind katastrophal, der Staatshaushalt bewegt sich auf ein vernichtendes Niveau zu, dass wir die Maastrichtkriterien nicht erfüllen – und was das bedeutet, kann ich Ihnen kurz skizzieren: Die Europäische Kommission wird kommen und wird sagen: Na ja, jetzt müssen wir langsam über ein Vertragsverletzungsverfahren reden – das wird dann
teuer für Österreich –, oder ihr lenkt ein und macht ein Spardiktat von uns mit. – Das haben wir bei Griechenland gesehen, und das droht Österreich auch,
mit dem Pfad, auf dem wir uns bewegen.

Bevor das passiert, gibt es ja noch einen viel schlimmeren Mechanismus für uns: Wir als Österreich werden nämlich auch auf den Finanzmarkt angewiesen
sein, wenn wir Gelder brauchen, und wenn wir mit unserem Staatshaushalt so umgehen, dann wird das Rating nach unten gehen, die Zinsen für dieses
Geld werden höher werden, und es wird schwieriger werden, Investitionen zu tätigen.

Es ist so bezeichnend, dass der Finanzminister im Oktober 2022 seine
erste Budgetrede so gehalten hat; er hat gesagt: Ich will Verantwortung über­nehmen, Verantwortung für die Zukunft! – Das schaut jetzt so aus, dass
das Budget so im Eimer ist, dass die nächste Regierung gar nicht anders kann, als sich zwei Dinge zu überlegen: Einerseits könnte sie sich überlegen: Wo


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kriege ich neue Einnahmen her?, oder andererseits: Wo kürze ich bei den Aus­gaben?

Das will ich auch bezüglich Wahlkampf sagen: Jede Partei, die Ihnen das
Blaue vom Himmel verspricht, und nicht sagt, woher sie das Geld nimmt oder wo sie die Ausgaben kürzt, lügt Ihnen ins Gesicht. (Bundesrat Spanring: Ja, aber
das hat der Herr Babler gesagt! ... Herr Babler!)

Die SPÖ hat ein klares Konzept! Die SPÖ hat ein klares Konzept: Wir reden über Erbschaftssteuern, wir reden über Vermögensteuern (Zwischenruf des Bun­desrates Buchmann), wir reden darüber, dass jene, die sauviel Geld haben, einen gerechten Anteil für die Gesellschaft leisten. Darüber reden wir (Beifall bei
der SPÖ – Zwischenruf des Bundesrates Himmer),
und das ist der einzige Weg, dass wir ausgabenseitig auch wirklich, tatsächlich nicht mit Kürzungen rechnen müssen. Der einzige Weg ist: wenn wir über Einnahmen reden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Wenn wir nicht über Einnahmen reden – so wie das die überwiegende
Mehrheit hier in diesem Haus tut –, dann sagt bitte, wo bei den Ausgaben ihr nach der nächsten Wahl kürzen wollt – und sagt es vorher, sagt es nicht nachher, denn die Leute werden wissen wollen, wie ihr das alles finanziert! (Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring.)

Genau in dieses Umfeld, während wir einen Staatshaushalt haben, der
völlig außer Rand und Band gerät, genau in dieses Umfeld kommt eine Förde­rung, ein Persilscheck: 75 Millionen Euro, einfach so, an den Bauern­bund, denn wir haben es ja. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Das kommt noch einmal dazu.

Wir bewegen uns allein dieses Jahr auf ein Defizit von 20 Milliarden
Euro zu, und wir hauen noch einmal 75 Millionen Euro hintennach. Es ist keine Überraschung, dass beide ÖVP-Rednerinnen nach mir vom Bauernbund


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sind. Was die machen werden, weiß ich: Sie werden (in die Hände klatschend) applaudieren, der Bauernbund, die Bäuer:innen: 75 Millionen Euro!

Lustigerweise stimmen die Grünen da auch mit. Das ist eine klimaschäd­liche Subvention: Wir fördern da Agrardiesel! Ja, wir – SPÖ, ÖVP gemeinsam – haben das 2011, 2012 abgeschafft, damals noch mit der Begründung,
dass das eine klimaschädliche Subvention war. Da war die Volkspartei dabei. Wir haben das in den Erläuterungen drinnen: klimaschädliche Subvention.
Deswegen ist es abgeschafft worden, und ihr gebt jetzt noch einmal 75 Millio­nen Euro dafür her, nach demselben Schema F – in einer Situation,
in der wir das Geld gar nicht haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Es ist völlig ungenügend, so etwas ohne Gegenfinanzierung herzugeben,
absolut ohne Gegenfinanzierung. Das ist ein billiges Wahlkampfzuckerl von einer Partei, die sagt: Das freie Spiel der Kräfte, das wollen wir nicht – aber 75 Mil­lionen Euro herschenken, das wollt ihr schon! (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrat Gfrerer: Und ihr wollt billige Lebensmittel!)

In dem Sinn ist die Bundesregierung eines: sehr vergleichbar mit der belgischen Nationalmannschaft, nämlich in einer Linie nur enttäuschend. (Beifall bei
der SPÖ. – Bundesrat Gfrerer: Und ihr wollt billige Lebensmittel! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

13.37


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth
Wolff. Ich erteile ihr dieses.


13.37.35

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geschätzte Kolleginnen und
Kollegen sowie Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrter Herr Obrecht, auch Sie nehme ich jetzt vielleicht noch einmal ein bisschen mit zurück in
meine Schulzeit. Ja, wir haben jetzt viel darüber gehört, wie man ein Staats­budget leiten kann oder nicht, aber es gibt auch ein paar Basics,


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und ich habe eine Tourismusschule besucht, und da hatte ich auch Rechnungs­wesen.

Dort hatte ich einen wirklich strengen Lehrer, und bereits in der allerersten Stunde wollte er unseren Wissensstand prüfen und schauen, was wir
so draufhaben. Er hat gesagt: Okay, ich stelle jetzt eine Frage, und jeder, der mir diese eine Frage beantworten kann, bekommt am Ende des Jahres eine
um einen Grad bessere Note. – Wir alle waren also recht motiviert und waren schon gespannt auf die Frage, und die Frage war: Kennen Sie die wichtigs­te Kennzahl in einem Unternehmen? – Das freudige Raten hat begonnen: Ist es der Cashflow, ist es der Return on Investment, ist es der Gewinn – das
wäre doch irgendwie logisch. Nein, das alles war es nicht, es ist die Liquidität, es ist die Zahlungsfähigkeit. (Bundesrätin Schumann: Gratuliere!)

Jetzt ist die Frage: Was hat das mit unserem heutigen Tagesordnungs­punkt zu tun? – Wir haben in der Landwirtschaft die Situation, dass die Einkom­men der Bäuerinnen und Bauern sinken. Das ist nicht unbedingt dem ge­schuldet, dass sie schlecht wirtschaften, sondern es kommt auch auf ganz viele externe Faktoren an, bei denen die Landwirte eben nicht direkt eingreifen können: weil sie es ermöglichen, dass wir günstig Lebensmittel ein­kaufen können, und sie sind nun einmal abhängig von Weltmarktpreisen. Gleichzeitig haben die Betriebe mit steigenden Kosten zu kämpfen,
mit steigenden Betriebsmittelpreisen, wie für Energie, Saatgut, Dünger und eben auch Diesel.

Ich glaube, dafür braucht man jetzt eigentlich auch gar keinen Rechnungs­wesenunterricht, das funktioniert relativ einfach: Das geht sich irgendwie nicht mehr ganz aus. (Bundesrätin Schumann: Haben Sie eine bessere Note gekriegt?)

Das führt zu einer angespannten Finanzsituation, zu einer angespannten Liquidi­tätssituation für die Betriebe, und es ist auch die Aufgabe der Politik, da einzugreifen – und genau das tun wir mit dem heutigen Beschluss und der Un­terstützung des Agrardieselpakets. (Beifall bei der ÖVP.)


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Im Detail geht es um eine steuerliche Vergütung von 7 Cent je Liter,
eine pauschale Abgeltung. Dazu kommen noch die CO2-Preis-Rückvergütung im Jahr 2024 in der Höhe von 13,5 Cent und ein Bodenbewirtschaftungsbei­trag von 17 Cent. Das macht in Summe für das Jahr 2024 37,5 Cent.

Was aber bedeutet das in der Praxis? – Ich habe ein Beispiel: Bei einem landwirt­schaftlichen Ackerbaubetrieb mit 33 Hektar Ackerland, davon 5 Hektar
Zwiebel, 5 Hektar Kartoffel – Produkte, die vielleicht auch von den SPÖlern kon­sumiert werden, aber nach der Rede weiß ich es nicht –, erwartet den
Bauern eine Entlastung von rund 1 900 Euro, und das ganz einfach mit einer Auszahlung im Dezember, genauso wie die AMA-Zahlungen abgewi­ckelt werden. Das sind also 1 900 Euro, einfach abgewickelt, als direkte Hilfe für unsere Landwirtinnen und Landwirte. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, das ist jetzt kein Wert, der irgendein Unternehmen zu Unrecht bereichert, aber es ist eben ein Beitrag, um die angespannte Situation
in der Landwirtschaft zu entschärfen, eine Entlastung für unsere Bäuerinnen und Bauern.

Weil immer gesagt wird, die Maßnahme sei zu wenig zielgerichtet, die Hilfe werde einfach mit der Gießkanne an alle Betriebe ausgezahlt und: Wie kann man gerade in Zeiten der Klimakrise den Agrardiesel fördern!?, möchte ich dazu
zwei Dinge ganz klar sagen: Erstens ist es in der Landwirtschaft einfach so, dass wir auf dieselbetriebene Fahrzeuge angewiesen sind. Es gibt noch nicht genügend Alternativen, um sagen zu können: Brauchen wir nicht mehr! – Zwei­tens wird zur Berechnung der Auszahlung der Dieselverbrauch auf die bewirtschaftete Fläche umgerechnet. Es besteht also durchaus der Anreiz für die Betriebe, möglichst wenig Diesel zu verbrauchen oder auch, wenn es mög­lich ist, alternative Antriebsformen zu nutzen, und das wissen auch
unsere Bäuerinnen und Bauern.

Mit dem heutigen Beschluss gelingt es uns also, dort zu entlasten, wo es notwendig ist, und dafür bedanke ich mich auch bei allen Kolleginnen und Kolle­gen, die heute hier mit uns mitstimmen. Ich verstehe nicht ganz die Seite


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der SPÖ, die sich doch sonst auch immer für eine faire Entlohnung einsetzt. Die Bäuerinnen und Bauern in Österreich sind Ihnen wohl einfach nicht so
wichtig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es ist ein Teil der Ent­lohnung, es ist keine Förderung, nein! (Ah-Rufe bei der SPÖ.)

Schlussendlich bleibt dann noch zu sagen: Die Schulzeiten sind vorbei.
Es geht nicht mehr darum, seine Noten zu verbessern, sondern es geht darum, dass wir uns für unsere heimische Landwirtschaft einsetzen wollen, für
unsere regionale Versorgung und für unsere Familienbetriebe in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.42


Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses.


13.42.30

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und
Herren! Schauts, ich glaube, dass die Diskussion hier jetzt nicht falsch läuft. Das, was Sascha Obrecht gesagt hat, stimmt vollkommen, und ich sage euch,
warum: weil man einfach auf die Pendlerinnen und Pendler vergisst.

Es gibt Leute, die müssen mit dem Auto fahren, die sind auf Diesel und auf Benzin angewiesen. Wo ist da das Mineralölsteuergesetz geändert
worden, damit diese Menschen zu einem ein bisschen billigeren Benzin oder Diesel kommen? Was ist da gemacht worden, dass man die Steuer nicht
so weit hinaufsetzt? Ihr wisst ja alle miteinander, dass über 50 Prozent Steuern auf Diesel und auf Benzin sind, und die Leute können sich das in dieser
Form einfach nicht mehr leisten, wenn sie arbeiten fahren.

Ich war erst unlängst ein Wochenende in Kroatien: 1,38 Euro auf der Autobahn, bei uns 2 Euro auf der Autobahn. Das muss mir jetzt einmal irgendjemand erklären, warum der Treibstoff bei uns 2 Euro kostet und in Kroatien


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nur 1,38 Euro! Der Schluss daraus ist: Die Bundesregierung tut für die Men­schen, die in diesem Land arbeiten, einfach zu wenig. (Beifall bei SPÖ
und FPÖ.)

Ich sage euch noch etwas: Wir alle miteinander wissen, wie viel mehr Geld Fa­milien jetzt brauchen als in den Jahren davor, und da geht es wirklich
um Summen – das hat die Schuldnerberatung ausgerechnet –, um 5 000 Euro im Jahr. Wir als Gewerkschafter haben ausrechnen lassen, wie viel eine Fami­lie mit einem Kind mehr braucht: Das sind über 400 Euro im Monat! Und da re­den wir von Nettobeträgen und nicht von Bruttobeträgen oder von sonst irgendetwas. Das sind 400 Euro netto, die jede Familie mit einem Kind mehr im Monat braucht. Deshalb brauchen wir für Pendlerinnen und Pendler auch
Geld, damit sie sich wieder die Fahrt in die Arbeit leisten können. Das könnt ihr mir glauben. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringen wir folgenden Antrag ein, wiewohl ich ja noch viel mehr
dazu sagen könnte:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pendler:innen entlasten statt belasten!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

- die CO2-Steuer temporär auszusetzen bis die Energiepreise auf ein vernünfti­ges Niveau zurückgeführt werden können,“ (Bundesrat Himmer: Und wo
nehmen wir das Geld her? Wo ist die Gegenfinanzierung?)

„- eine Reform des Pendlerpauschales durch Umwandlung in einen gerechten kilometerabhängigen Absetzbetrag für Pendler:innen mit kleinen und
mittleren Einkommen, das auch ökologischen Gesichtspunkten gerecht wird, auf den Weg zu bringen,


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- die Valorisierung und damit Erhöhung des Kilometergeldes in die Wege
zu leiten sowie

- eine transparente und einheitliche Regelung der Energiepreise an E-Tankstel­len, analog zur Bepreisung von fossilen Treibstoffen sicherzustellen.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Und weil du jetzt den Zwischenruf gemacht hast: Na, wie macht denn das Deutschland? Wie macht es Italien? Wie machen es die anderen
Länder? Ihr wisst aber schon ganz genau, dass wir am teuersten sind, dass wir die Zeche bezahlen, oder? – Okay, danke, alles gut. Ihr werdet es bei
der nächsten Wahl sehen. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Hauptsache, die Bauern kriegen nichts! Das ist wichtig!)

13.45


Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Pendler:in­nen entlasten statt belasten!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


13.45.55

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte
Frau Präsident! Frau Staatssekretär! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Zu Kollegen
Obrecht: Wenn es darum geht, denen, die die österreichischen Qualitätsprodukte produzieren, die die Lebensmittelversorgungssicherheit gewährleisten, 75 Millionen Euro, wie du sagst, zurückzugeben, von
denen man vorher 105 Millionen Euro CO2-Steuer eingehoben hat – dann habt ihr ein Problem und hast du einen hohen Blutdruck. Das verstehe ich gar
nicht. (Beifall bei der FPÖ.)


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Und wenn der Klimabonus an Asylwerber oder Häftlinge ausgezahlt wird, hat er kein Problem damit. Also ich verstehe die Welt nicht mehr, aber gehen wir weiter.

Kurz einmal zur Geschichte des Agrardiesels: 2014, 2015 hat die SPÖ gemein­sam mit der ÖVP den Agrardiesel abgeschafft und hat damit für einen
massiven Wettbewerbsnachteil für die österreichische Landwirtschaft gesorgt. In anderen Ländern der EU wurden die Bauern durchaus weiter unter­stützt. Der dadurch entstandene Wettbewerbsnachteil für die österreichischen Bauern wurde auch nicht auf andere Art und Weise ausgeglichen.

Dann kamen die schwarz-grüne menschenrechtswidrige Einsperrzeit
unter dem Titel Corona und die durch die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten verursachte Teuerung, wodurch die gesamte österreichische Bevölkerung belastet wurde. Und was hat dann die schwarz/türkis-grüne ahnungslose Bundesregierung als Konzept dagegen entwickelt? – Als sich die österreichische Bevölkerung teilweise das Essen, das Heizen nicht mehr hat leisten können,
weil die Energiepreise gestiegen sind, hat diese Bundesregierung noch zusätzlich die CO2-Steuer eingeführt und damit die ganze Teuerungssituation noch
einmal angeheizt.

In den Jahren 2022, 2023 wurde dann temporär ein sogenannter Agrardiesel eingeführt. Aber spätestens nach der letzten stattgefundenen Finanz­ausschusssitzung weiß man ja, dass mindestens eine Partei – die im grünen Koalitionskleid – keine Ahnung hat, was Agrardiesel ist. Für den Kolle­gen Adi Gross nur eine kurze Erklärung: Der Agrardiesel ist kein anderer als der Diesel für alle anderen Benutzer von Fahrzeugen mit Dieseltechno­logie. Landwirte tanken genauso bei Tankstellen und zu den gleichen Preisen.

Schwarz-grüner Agrardiesel schaut folgendermaßen aus: 10,5 Cent
CO2-Steuer pro Liter, die zusätzlich bezahlt werden, und dann gibt man ihnen 7 Cent Steuerrückvergütung für den Diesel zurück. Nach unserer
freiheitlichen Meinung ist das im wahrsten Sinne des Wortes kein Agrardiesel.


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Jetzt kurz vor den Nationalratswahlen kommt aber die ÖVP daher,
da ihr die Bauern mittlerweile in Scharen davonrennen, und gießt noch einmal einen Tropfen auf den heißen Stein, der die Bauern nicht wirklich
weiterbringen wird. Hätten wir keine CO2-Strafsteuer, dann bräuchten wir dieses ganze komplizierte und teure Regelwerk nicht.
(Beifall bei der FPÖ.)

Auch das Amt für den nationalen Emissionszertifikatehandel, für das es immer­hin 65 Planstellen gibt, könnten wir gleich damit einsparen.

Es ist aber auch kein Wunder, dass die Besteuerung der Spritpreise aus
dem Ruder gelaufen ist, die ganze Bürokratie der schwarz-grünen Bundesregierung muss ja irgendjemand finanzieren. Der Dieselpreis besteht 2024 zu 48 Prozent aus Steuern und Abgaben: Mineralölsteuer,
CO2-Strafsteuer, Umsatzsteuer; beim Benzin sind es sogar 55 Prozent.

In Slowenien und Kroatien tankt man, wie Kollege Schachner schon angespro­chen hat, viel günstiger. Die Novelle zum Mineralölsteuergesetz 2022
entlastet befristet die österreichischen Landwirte, diese Entlastung ist aber bei Weitem nicht ausreichend.

Autofahrer werden ebenfalls zunehmend dafür bestraft, wenn sie ihren
Weg zur Arbeit mit ihrem Kfz zurücklegen müssen. Insbesondere Pendler in den ländlichen Regionen (Bundesrat Schennach: Ihr stimmt aber zu!), die über
keine entsprechenden öffentlichen Verkehrsanbindungen verfügen, werden fi­nanziell stark benachteiligt. (Bundesrat Schennach: Ihr stimmt aber zu!) Die
seitens der Bundesregierung beschlossene CO2-Steuer stellt viele Menschen vor enorme finanzielle Probleme und verteuert jede Tankfüllung enorm. Die
CO2-Abgabe gehört abgeschafft. Sie ist wirtschafts- und wettbewerbsfeindlich und obendrein ein reiner Inflationstreiber. (Beifall bei der FPÖ.)

Die mit 1. Juli 2023 erfolgte Kürzung der Pendlerpauschale muss rück­gängig gemacht werden und damit im Ergebnis die Erhöhung der Pendlerpau­schale um 50 Prozent sowie eine Vervierfachung des Pendlereuros bis


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auf Weiteres wiedereingeführt werden. Das amtliche Kilometergeld ist eine Pauschalabgeltung. Auch wenn die SPÖ heute unseren Antrag kopiert
hat (Bundesrätin Schumann: Nein!), den wir schon früher und schon ein paarmal eingebracht haben (Bundesrätin Schumann: Was? Ganz anderer Text!):
Wir sind dafür, dass wir das amtliche Kilometergeld verdoppeln. Seit 2008 hat es trotz all der gestiegenen Kosten keine Erhöhung gegeben, und das sind wir unserer Bevölkerung schuldig. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil wir Freiheitliche auf der Seite der österreichischen Bevölkerung stehen und Autofahrer nicht bestraft, sondern belohnt werden sollten, weil viele davon Leistungsträger in unserem Land sind, stellen die Bundesräte Michael Bernard und weitere Unterzeichnende folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Autofahrer: Belohnen statt Bestrafen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, alles Erforderliche zu unternehmen, um die Autofahrer um­gehend zu entlasten. Insbesondere sollen folgende Maßnahmen
umgesetzt werden:

- Sofortige Abschaffung der CO2-Abgabe

- Sofortige massive Steuersenkung auf Benzin und Diesel durch Halbierung be­ziehungsweise bei weiteren Preisanstiegen völlige Streichung sowohl der Mehrwertsteuer als auch bei der Mineralölsteuer

- Signifikante Erhöhung der Pendlerpauschale


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- Verdoppelung des amtlichen Kilometergeldes

- Abschaffung der NoVA.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

13.52


Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Autofahrer: Belohnen statt Bestrafen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile
ihm dieses.


13.53.07

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Nationalen Emis­sionszertifikatehandelsgesetz – ein schönes Wort –, also der so wichtigen Einführung der Ökosteuerreform, die wir zustande gebracht haben,
mit Rückvergütung, die, das darf man nicht vergessen, sozial wirksamer ist – übrigens beneiden uns ja sehr viele Länder um genau dieses Gesetz, insbesondere Deutschland zum Beispiel, mit einer SPD-Regierungsbeteiligung, wenn mich (Heiterkeit des Redners) nicht alles täuscht; sie würden es
sehr gerne nachmachen, kriegen es aber nicht hin –, wurde bereits die Möglich­keit für Entlastungsmaßnahmen verankert, und zwar für energieinten­sive Betriebe und für die Landwirtschaft. Da wurden jährlich maximale Beträge fixiert, und für die Landwirtschaft sind im Zeitraum 2022 bis 2025 134,5 Millionen Euro verankert. – So.

Wie macht man es? – Technisch wird das nun mit der vorliegenden Änderung im Mineralölsteuergesetz gelöst. Das lässt sich technisch einfach lösen. Ich


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gebe aber schon zu, dass das kommunikativ aus unserer Sicht nicht so toll ist, denn es ist missverständlich. Es handelt sich nämlich de facto nicht um
eine, wie suggeriert wird, Agrardieselvergütung, da der Entlastungsbetrag eben nicht vom Dieselverbrauch abhängt, sondern von der Größe und Art der bewirtschafteten Fläche. Darum bin ich nicht ganz glücklich mit der Kommunikation.

Mit anderen Worten: Es ist eigentlich sogar umgekehrt. Es entsteht ein Anreiz, möglichst wenig Treibstoff zu verbrauchen, dann bleibt nämlich mehr
von der Förderung über; und es begünstigt Landwirte, die gar keinen Diesel tanken, sondern ihren Traktor zum Beispiel mit Pflanzenöl betreiben –
das geht – oder, besonders innovativ, mit Elektroantrieben tuckern. Da tut sich übrigens sehr viel.

Schön wäre natürlich gewesen, wenn man kleinere Betriebe stärker
entlastet hätte als große, also ein degressives Element eingebaut hätte. Was aber schon das Wichtigste ist: Es geht darum, die Betriebe zu entlasten,
da sie, das haben wir schon von der Kollegin gehört, unter einem hohen Wettbe­werbsdruck beziehungsweise unter dem Druck niedriger Preise stehen,
vor allem vonseiten der Lebensmittelketten; und natürlich spüren sie auch die In­flation und die Preisanstiege.

Es ist auch ein Beitrag, dämpfend auf die Lebensmittelpreise zu wirken,
darauf wurde noch nicht hingewiesen (Bundesrat Schennach: Sehr indirekt! Sehr indirekt!), da ja die Kosten irgendwie weitergegeben werden müssen –
oder eben nicht (Bundesrätin Schumann: Na geh!), wenn man eine Unterstützung bietet. (Bundesrätin Schumann: Das merken die Konsumenten, bei den Preissteigerungen! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Weil ich es da gerade so ein bisschen rumoren höre (Zwischenruf des Bundesrates Spanring): Ich meine, dass die Freiheitlichen irgendwie zurück ins vorige Jahrtausend wollen, ist ja nichts Neues. Dass sich jetzt aber die SPÖ mit der F einen Wettkampf liefert, finde ich schon erstaunlich; einen Wettkampf


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um die Abschaffung ganz entscheidender struktureller Maßnahmen, um Klima­schutz zu betreiben – denn das ist nun einmal die ökologische Steuerre­form, die ja zu mehr als 100 Prozent rückvergütet wird und die unteren Einkom­men sozial entlastet. Ich finde das schon abenteuerlich.
(Bundesrat Schennach: Ihr schafft eine öko..., ihr schafft eine feindliche Förderung!)

Man kann es aber vielleicht nur so erklären, dass Kollege Obrecht
herauskommt und eine Wahlkampfrede hält, die genau gar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hat, und auch Kollege Schachner sich zum
Thema nicht äußert. Ein weiteres Mal zeigen Sie damit, dass Sie Klimaschutz einfach nicht ernst nehmen (Bundesrat Schennach: Ah! Mein Gott! –
Zwischenruf der Bundesrätin Hahn):
jedes Mal herauszukommen und die Abschaf­fung der CO2-Besteuerung zu fordern, die überhaupt keine belastende
Wirkung hat, was einfach erwiesen ist. (Bundesrat Schennach: Ich meine, dass du da mit ...! Bei dem Gesetz würde ich rot werden!)

Sie behaupten jetzt einfach, die Energiepreise seien zu hoch. Ja das stimmt
halt nicht! Ich habe extra noch in den Tarifkalkulator hineingeschaut:
In Wien kriegen Sie um 8 Cent Strom, Energiepreis, um 4 Cent Gas und an der Tankstelle tanken Sie um 1,60 Euro oder 1,70 Euro ohne Weiteres Ben­zin und auch Superbenzin. Das sind keine hohen Energiepreise. (Bundesrätin Hahn: Das ist weltfremd! Das ist komplett ...!)

Sie vergessen auch – das erstaunt mich immer wieder bei den Sozial­demokraten –: Der Verkehr verursacht 7 Milliarden Euro jährlich an externen Kosten. (Bundesrätin Hahn: Das erzähle einmal jemandem, der sich das nicht
leisten kann!
) Ja was glauben Sie, wer das zahlt? Und jetzt herzukommen und das noch verschärfen zu wollen, finde ich schon einen sehr spannenden
Zugang. (Bundesrätin Schumann: Genau! Das erzählen wir den Pendlerinnen und Pendlern! Das sagen wir den Pendlern!) De facto versuchen Sie, sich jetzt
mit einem eigenen Antrag irgendwie zu retten und über die Runden zu kommen, und die armen Pendlerinnen und Pendler müssen definitiv für alles herhalten. (Bundesrätin Hahn: Was? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich möchte an noch etwas erinnern: Es gibt eine ganze Reihe von Anreizen für die Landwirtschaft, sich aus der Zwangsjacke fossiler Energieträger zu
befreien (Bundesrätin Schumann: Ah!), namentlich mit dem Programm Energie­autarke Bauernhöfe – es passt damit hinein; 50 Millionen Euro – und
zum Beispiel auch mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Landwirte haben auf ihren Gebäuden oft besonders große Flächen, die sie für PV-Stromerzeu­gung nutzen, womit sie ihren eigenen Strom sehr günstig bereitstellen können – es rechnet sich übrigens auch. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Wir stehen ganz klar hinter einer Entlastung der bäuerlichen Betriebe (Bundesrä­tin Schumann: Mhm, genau! Mit dem Agrardiesel!), und das sind insgesamt
gute Anreize, sich damit gleichzeitig von den fossilen Energieträgern zu befreien. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Gross – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz
in Richtung Bundesrätin Schumann –: ... entschuldigen! – Bundesrätin Schumann: Na geh! Aber was du zu uns sagst, also geh bitte! – Bundesrat Gross: So viel muss
man aushalten! – Bundesrätin Schumann: Na geh! ... nicht begriffen!)

13.59


Präsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


13.59.23

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Kollege Adi Gross,
leider muss ich da noch ein bisschen auf Ihre gerade gesagten Worte replizieren. Es ist schon wirklich unfassbar: Auf der einen Seite hat man jetzt ein großes
Herz für die Bauern, auf der anderen Seite kein Herz für alle Pendlerin­nen und Pendler, die in den letzten Jahren derart abgestraft wurden. Der Zynis­mus, wie Sie hier stehen und das noch zelebrieren, wie Sie stolz darauf
sind, dass unsere Pendlerinnen und Pendler so viel zahlen müssen – ein Skandal sondergleichen, ein Skandal sondergleichen! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Die Grünen haben ohnehin jede Qualifikation für diese Regierung verloren, das muss man ganz offen sagen. Sie haben vor wenigen Jahren Menschen,


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die 47 Jahre lang gearbeitet haben, die Pensionen weggeraubt, sage ich – 300, 400 Euro netto Verlust im Monat. Sie stellen sich heute her und tun so,
als ob Sie aufseiten der Bürger wären – für mich wirklich ein Skandal ersten Ranges.

Wie hat Ihr, Herr Adi Gross, Kollege Harald Walser, vor wenigen Tagen
in Puls 24 gesagt? – Er hat gesagt, man müsste den Bundesrat abschaffen. Das hat er gesagt, und ich denke schön langsam, vielleicht hat er Sie
gemeint, als Person. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Ha-Ruf bei
der FPÖ.)

14.00


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Mie­senberger, und ich erteile ihr dieses. (Bundesrat Gross: Ich möchte zur Ge­schäftsordnung was sagen!)

Bitte, zur Geschäftsordnung.

*****


14.01.06

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin, ich ersuche Sie, einen Ordnungsruf zu erteilen, weil:
Menschen abschaffen!, und nichts anderes hat Kollege Kovacs mir gegenüber gesagt – ich meine, wo sind wir bitte? Das ist wirklich absolut untragbar.
(Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Du schaffst dich selber ab!)

14.01

*****


Präsidentin Margit Göll: Herr Bundesrat Günter Kovacs, nehmen Sie dieses Wort zurück? (Bundesrat Kovacs: Ich habe natürlich nicht gemeint
„Menschen abschaffen“, sondern der Herr Walser hat gesagt, Bundesrat abschaffen, und ich habe gemeint ...! – Bundesrat Schreuder: Nein! Das ist unfassbar! Adi
Gross abschaffen, hast du gesagt! – Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 180

Ich würde appellieren, wieder zur Sachlichkeit zurückzukehren, sodass wir in der Tagesordnung weitergehen können. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.01.58

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Erstmals darf ich mich bei dir, liebe Frau Präsidentin Margit
Göll, ganz herzlich für deine umsichtige und wertschätzende Vorsitzführung bedanken, auch wenn es in diesem Haus bei einigen Redebeiträgen
nicht immer leicht ist, auch wirklich wertschätzend und sachlich zu bleiben. Herzlichen Dank dafür und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ja, und auch dir, Frau Kollegin Grossmann, alles Gute für deine künftigen Auf­gaben im EU-Parlament! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der
Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Worum geht es bei der Änderung des Mineralölsteuergesetzes? – All das brau­che ich eigentlich nicht mehr so genau zu erläutern, nur einige wichtige
Punkte, die mir persönlich wichtig sind und die auch Frau Kollegin Wolff vorhin schon erwähnt hat, möchte ich vielleicht noch wiederholen: Wir erstatten
also in drei Vergütungszeiträumen von Juli 2023 bis Dezember 2025 7 Cent pro Liter Treibstoffverbrauch, der auf Basis der bewirtschafteten Flä­chen – also nur an aktive Landwirte – des landwirtschaftlichen Betriebes anfällt.

Ganz wichtig dabei ist, dass dieser Beitrag, dieses Geld auch beim Bauern ankommt. Eine einfache Antragstellung und eine Auszahlung sind mit diesem Be­schluss gesichert.

Wichtig ist mir auch noch, zu sagen, dass wir in diesem Zuge gleich ein größeres Paket für die landwirtschaftlichen Betriebe geschnürt haben, nämlich
den sogenannten Bodenbewirtschaftungsbeitrag von zusätzlich 17 Cent on top. Wenn man die CO2-Rückerstattung von 2024 hinzurechnet, ist es dann


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in diesem Jahr 2024 ein Gesamtbetrag von 37,5 Cent pro Liter Treibstoffver­brauch, den wir unbürokratisch und zu Recht an die Betriebe auszahlen
können.

Was haben wir noch in ein Gesamtpaket geschnürt? – Wir geben noch zusätzli­che Sondermittel, nämlich 50 Millionen Euro in das Gesamtbudget der Investitionsförderung. Das sind Sondermittel für Investitionen in mehr Tierwohl bei Stallneubauten, und das ist auch dringend notwendig. Warum? –
Weil es im Bereich der Schweinehaltung so ist, dass gerade in den letzten Jahren in diesem Bereich gleich null investiert wurde, im Besonderen deshalb,
weil da große Unsicherheit herrscht. Sie kennen die Diskussion über die Aufhe­bung der Übergangsfristen betreffend Vollspaltenböden.

Wir haben also unsichere gesetzliche Rahmenbedingungen für die
Betriebe, aber auch die Preise und die Märkte für die Betriebe sind nicht gerade motivierend, um zu investieren. Daher haben wir die Obergrenze für die förderbaren Kosten um 40 Prozent angehoben und hoffen, dass wir auch künftig das österreichische Schnitzel auf unserem Teller genießen und konsumieren können. (Beifall bei der ÖVP.) Das Bekenntnis dazu gibt es ja hier in diesem Saal, gerade auch von der SPÖ, auch wenn man den Bauern dabei auch im
wahrsten Sinne des Wortes kein Einkommen zugestehen möchte. (Bundesrätin Schumann: Was hat Agrardiesel mit ...?)

Warum ist jetzt diese Unterstützung so wichtig, Frau Kollegin Schumann? – Ja, zu Beginn des Krieges in der Ukraine sind gerade die landwirtschaftlichen Produktionspreise zwar stark angestiegen und im Zuge dessen auch die Kosten von Betriebsmitteln, sprich Treibstoff, Dünger oder andere Produktions­mittel, aber (Bundesrätin Schumann: Aber bei den Pendlern ist auch alles teurer ge­worden! Die Pendler sind auch mit Teuerungen belegt! – Zwischenruf des Bundesrates Kovacs) – hören Sie zu, Frau Kollegin Schumann! – 2023 sind die landwirtschaftlichen Rohstoffpreise in den Keller gefallen, und parallel


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sind aber die Betriebskosten hoch geblieben (Bundesrätin Schumann: Die Lebens­mittelpreise sind um 44 Prozent gestiegen, genau!), und das hat den Betrie­ben einen Einkommensverlust von 20 Prozent beschert – 20 Prozent! (Rufe bei der SPÖ: Und den Pendlern nicht?) Ich weiß nicht, ob ein Arbeitnehmer
bei einem Lohnverlust von 20 Prozent (Rufe bei der SPÖ: Mehr, mehr haben wir!) überhaupt noch in die Arbeit fahren würde.

Das macht es gerade den Bauern wieder schwerer, bei den Produktionsbe­dingungen, der kleinen Struktur, die wir in Österreich haben, dass sie
auch wirklich zu Weltmarktpreisen produzieren und wettbewerbsfähig bleiben können.

Es ist aus meiner Sicht nicht nur betriebswirtschaftlich enorm wichtig, die Bäuerinnen und Bauern in dieser Phase zu unterstützen. Ich glaube, wir können es auch als gesellschaftlichen Beitrag sehen, als Anerkennung und Wert­schätzung für die Arbeit der bäuerlichen Familienbetriebe und vor allem auch für die Leistung, die sie für die Gesellschaft erbringen, nämlich für die Versor­gungssicherheit mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, weil wir ja alle heimische Lebensmittel, beste Lebensmittel und natürlich auch nachhaltig produzier­te Energie wollen.

Dazu nur ein paar Daten und Fakten, damit Sie alle wissen, was die Landwirtschaft noch alles leistet und dass jeder Euro, der dort investiert wird, auch einen Wert hat: In den letzten zwei Jahren haben die Biodiversitäts­flächen von 150 000 auf 230 000 Hektar zugenommen. Wir in unserem Sektor haben die Treibhausgase seit 1990 um 16 Prozent reduziert. Und weil
schon mehrere Sektoren angesprochen worden sind: Der Verkehr hat seine Treibhausgase seit 1990 um 51 Prozent erhöht, und dennoch ernährt
ein Bauer in Österreich 117 Österreicherinnen und Österreicher und sichert dabei auch die Versorgung.


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Vielleicht falle ich jetzt nicht mehr so darunter, aber wir sind jung und dynamisch (Bundesrat Tiefnig: Ja, schon noch! – Bundesrat Himmer: Aber ja!) – dyna­misch ja, aber vielleicht nicht mehr jung; hören Sie zu! –: 23 Prozent der Betriebs­führerinnen und Betriebsführer in Österreich sind unter 40 Jahre, und
im EU-Schnitt sind es nur 12 Prozent. Also auch da sehen wir eine gute Ent­wicklung und auch eine Zukunftshoffnung für die Landwirtschaft.

Wir sind weiblich – da zähle ich mich wieder dazu –, ein Drittel der Betriebsfüh­rerinnen und Betriebsführer sind Frauen. (Bundesrätin Schumann: Bravo!
Sehr gut!)

Ganz wichtig ist vor allem: In Österreich arbeitet die Landwirtschaft ressourcen­schonend. Auch wenn wir es nicht glauben, aber der Nachhaltigkeitsindex
sagt uns, dass wir in Österreich im Spitzenfeld liegen. Das muss uns allen etwas wert sein, und das nicht nur in Krisenzeiten, wenn dann die Angst und die
Sorge um leere Regale auch wieder größer wird.

Dann möchte ich trotzdem etwas zum Kollegen Sascha Obrecht, der von seinen Kinderbetreuungspflichten wieder befreit ist, replizieren, und zwar: Sie
nehmen hier quasi die 75 Millionen Euro von den Bäuerinnen und Bauern, die nicht gegenfinanziert sind, in den Mund. – Sie fordern doch ständig und
machen Vorschläge und bringen Entschließungsanträge ein, die Milliarden kos­ten würden, und machen auch keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung. (Bundesrat Obrecht: Doch, mache ich schon!)

Dann behaupten Sie, dass Sie so sehr für die Bäuerinnen und Bauern sind, und im nächsten Atemzug fordern Sie Vermögensteuern. (Zwischenruf der
Bundesrätin Hahn.)
Sie wissen ganz genau, dass die Bäuerinnen und Bauern nicht vom Vermögen leben, sondern vom Ertrag. Und das haben wir schon
gehört: letztes Jahr minus 20 Prozent vom Einkommen. (Bundesrätin Schumann: Sind die betroffen? Wären die von der Millionärssteuer betroffen? Schau an,
sind die so reich?)


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Ich finde es trotzdem irgendwie ein bisschen schäbig, dass die Diskussion hier jetzt so abläuft. Es geht um 1, 2 Prozent der Bevölkerung und um
75 Millionen Euro, und jetzt auf diese Berufsgruppe hinzuhauen, um vielleicht selbst besser dazustehen und um von den eigenen Problemen in der
SPÖ abzulenken, ist meiner Meinung nach wirklich schäbig. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das ist schäbig! – Bundesrätin Hahn: Das ist Wahl­kampfgeplänkel! – Zwischenruf des Bundesrats Kovacs.)

(Bundesrätin Schartel betritt den Saal.) – Das passt jetzt sehr gut, ich habe mir nämlich betreffend Frau Kollegin Schartel etwas aufgeschrieben. Sie hat
einen Zwischenruf gemacht, bei dem es um die Vertrauenswürdigkeit des AMA-Gütesiegels gegangen ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Das finde
ich schon sehr interessant: Gerade die FPÖ stellt sich immer als die Vertreterin der Bauern dar. Sie wissen ganz genau, dass das AMA-Gütesiegel eines
der bekanntesten Gütesiegel im Lebensmittelbereich ist. Über 90 Prozent ken­nen das AMA-Gütesiegel und vertrauen darauf. Auf Basis dessen werden
wir landwirtschaftlichen Betriebe und unsere Produkte kontrolliert,
dreifach kontrolliert. Damit können wir uns am Weltmarkt mit einem Mehrpreis abheben. Wenn Sie das behaupten, ist das wieder einmal ganz bewusst
gegen die Bauern. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf
der Bundesrätin Schartel.)

Eines noch zum Kollegen Bernard, was ich auch ganz interessant finde. Ich glau­be, Kollege Bernard hat sich auf den Treibstoffpreis auf der Autobahn in Kroatien in Höhe von 1,38 Euro bezogen. (Bundesrat Spanring: Nein! Schachner! – Bundesrat Bernard: Nein, das war ich nicht!) – Oh, Entschuldigung! Kollege Schachner, darauf will ich noch replizieren: Der Klimabonus, das möchte ich in Erinnerung rufen, deckt genau diese Differenz zum Dieselpreis, den wir
in Österreich haben, ab, das wird dann wieder rückerstattet. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen
der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Das geht sich nie aus! Das geht sich nicht aus!)

14.11



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 185

Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Sascha Obrecht.


14.11.50

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Da ich mehrfach namentlich genannt worden bin, will ich noch kurz antworten. Ich muss das zurückweisen, ich habe sogar in meiner Rede von einer Gegenfinanzierung gere­det: Vermögensteuer und Erbschaftssteuer sorgen für die Gegenfinan­zierung. (Ruf bei der ÖVP: Ja, aber es zerstört die Bauern!) Ich habe in meiner Rede nicht gesagt, dass das die Bauern trifft. (Bundesrätin Miesenberger: Es ist
aber auch so, ihr bevorzugt ...!)
Ich habe nicht gesagt, dass das die Bauern trifft, das haben Sie konstruiert. Ich weiß aber auch nicht, warum, vielleicht
war es absichtlich. Ich kann es mir nicht anders erklären.

Sie sagen immer, Sie wollen etwas für die Bauern machen. Das glaube ich Ihnen sogar. Was ich sage, ist, dass dieser Weg der falsche ist, weil das eine klimaschädliche Subvention ist. (Bundesrätin Miesenberger: Regionale Lebensmittel sind klimaschädlich?! Seit wann?) Wenn wir sagen, dass wir die Bauern unterstützen wollen, worüber sollten wir dann reden? Reden wir über eine ordentliche Wettbewerbskontrolle, eine ordentliche Kontrolle der
großen Lebensmittelkonzerne! Reden wir darüber! (Beifall bei der SPÖ. – Neuer­licher Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Die Antwort der ÖVP auf diese Frage war, die Spitze der Bundeswettbewerbs­behörde zwei Jahre lang unbesetzt zu lassen, und diese Behörde, die so
etwas gewährleisten könnte, handlungsunfähig zu machen. Da hätten wir den Bauern helfen können. (Bundesrätin Schumann: Genau, absolut!) Das hätte
uns nicht 75 Millionen Euro gekostet – in einem Moment, in dem es von Ihnen keine Gegenfinanzierung gibt. Das wäre einer der Punkte, die wir umset­zen könnten.

Wir könnten natürlich – und da steche ich total ins schwarze Herz hinein, das weiß ich – über die Raiffeisen-Lebensmittelindustrie und wie sie Bauern


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unter Druck setzt reden. Wollen wir darüber reden? – Darüber könnten wir auch reden! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen einen aktiven Beitrag dafür leisten, dass das Kleinbauernsterben zurückgedrängt wird. (Bundesrätin Miesenberger: Ihr tut aber nix!) 1995 gab es in Österreich 192 000 Kleinbauern, heute sind es 110 000. Das ist fast die
Hälfte weniger, das ist erschreckend. Wenn man Berichte und Reportagen über Kleinbäuer:innen liest, weiß man, die stehen unter massivem Druck –
und Sie machen nichts gegen diesen Druck! Sie machen eine Agrardieselförde­rung, das machen Sie. (Bundesrat Buchmann: Deswegen seid ihr dagegen?)

Wir könnten den Druck rausnehmen, das Problem beheben. Wir könnten mit der Bundeswettbewerbsbehörde tatsächlich einen Hebel haben, mit dem man
da ansetzen kann. Eines ist nämlich klar: Der Lebensmittelhandel ist ein Oligopol, da gibt es so wenige Anbieter, da könnte man tatsächlich kontrollieren.
Wir wissen nämlich auch, dass sich die Kunden und Kundinnen ausgebrannt ha­ben, sie haben geblecht noch und nöcher, die Bauern und Bäuerinnen
haben davon aber nichts abbekommen. Darüber sollten wir reden! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Miesenberger: Das ist wieder eine Geschichte ...!)

Darüber reden wir aber nicht. Stattdessen machen wir 75 Millionen Euro, die wir nicht haben, locker, und reden dann davon – das sagt Adi Gross –, dass ich Wahlkampfreden halte. 75 Millionen Euro schenke ich nicht einfach her! Es gäbe andere Mittel, die den Bauern und Bäuerinnen wesentlich effektiver helfen könnten. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

14.14


Präsidentin Margit Göll: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Bitte,
Herr Bundesrat Spanring.


14.14.31

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Staatssekretär! Kollegen! Lieber Sascha Obrecht von der SPÖ, ich widerspreche dir nur ungern. Ich gebe dir zuerst in einem Punkt recht: Es gibt viele


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 187

Möglichkeiten, wie wir unsere Landwirte unterstützen können. Ich bin auch
nicht der Meinung, dass das, was derzeit passiert, der richtige Weg ist,
aber – jetzt kommen wir zum großen Aber – wenn du sagst, dass die Unterstüt­zung in Form des Agrardiesels klimaschädlich ist, dann frage ich dich allen Ernstes: Glaubst du, dass ein Bauer mit seinem Traktor, in den er 400 Liter um 800 Euro hineintankt und der in der Stunde zwischen 21 und 30 Liter verbraucht, zum Spaß nur 1 Meter mehr fährt, als er muss? – Nein, das ist ein Arbeitsgerät, das er braucht, damit muss er seine Arbeit am Feld verrich­ten, damit wir alle etwas zu essen haben. Das ist der springende Punkt! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Förderung von Agrardiesel ist mit Sicherheit keine klimaschädliche Maßnahme, sondern sie ist ganz wichtig, damit die Bauern weiterhin produzieren können.

Jetzt sind wir aber bei der Kritik von dir (in Richtung Bundesrat Obrecht), die richtig ist: Was macht man mit so einer Förderung? – Das ist halt wieder typisch ÖVP: Man schafft Abhängigkeiten. Man lässt den Bauern nicht genug,
dass sie von ihrer Arbeit leben können, wenn man aber Förderungen und Sub­ventionen bekommt – für die man der ÖVP vorher schön brav Bitte und
danach Danke sagt –, dann kann man überleben. Das ist das, was wir auch an der Herangehensweise der ÖVP kritisieren, da treffen wir uns.

Die verfehlte Politik dieser Regierung – mit CO2-Steuer, Mineralölsteuer
und allem anderen (Ruf bei der FPÖ: Die Roten haben immer mitgestimmt!) – ist leider der Grund dafür, warum wir diese Agrardieselförderung im
Moment brauchen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.16


14.16.23

Präsidentin Margit Göll: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 188

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Horst Schachner, Kolleginnen und
Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Pendler:innen entlasten statt belasten!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschlie­ßungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminder­heit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist
somit abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Autofahrer:
Belohnen statt Bestrafen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Ent­schließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmen­minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung
ist somit abgelehnt.

14.17.539. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2021 geändert wird
(4066/A und 2583 d.B. sowie 11510/BR d.B.)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Bernadette Geieregger. – Ich
bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 189

Bericht.


14.18.15

Berichterstatterin Bernadette Geieregger, BA: Dieses Mal mache ich die Be­richterstattung selber. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie
und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2021
geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Bernhard Ruf. Ich erteile ihm dieses.


14.19.05

Bundesrat Mag. Bernhard Ruf (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Frau Präsidentin, ein ganz, ganz herzliches Dankeschön für deine Vorsitzführung! Du hast das exzellent gemacht, muss ich sagen.
Mir fehlen zwar die Vergleichswerte, aber du wirst immer meine Toppräsidentin bleiben. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Das ist das Problem!
Das ist das Problem, das relativiert es!)
Ich danke dir für die vielen unvergesslichen Momente deiner Präsidentschaft. Danke vielmals! (Bundesrat Steiner:
Lass es, außerhalb deines Skriptums zu reden! Lass das bitte, das geht nicht gut aus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Spaßpartei (Bundesrat Steiner: Stimmt,
wir haben einen Spaß!)
und der anderen Parteien! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer via Livestream! Liebe freiwillige und unfreiwillige Zuhörerinnen
und Zuhörer hier im Saal! (Bundesrätin Doppler: Wir sind die unfreiwilli­gen Zuhörer!)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 190

Bei dem vorliegenden Gesetzesvorschlag, das Telekommunikationsgesetz be­treffend, den wir jetzt debattieren, geht es darum, dass wir den Mobil­funkbetreibern die Möglichkeit einräumen, Bestandsanlagen energieeffizienter zu betreiben. Konkret ist vorgesehen, dass von Mitternacht bis 5 Uhr früh einzelne Komponenten rückgefahren oder abgeschaltet werden können, wenn sie nicht benötigt werden. Dementsprechend kann Energie gespart werden,
und zwar nicht wenig. Bei einem einzelnen Mobilfunkanbieter kann man damit Energie im Ausmaß des Jahresbedarfs einer Kleinstadt sparen, was dem
Motto entspricht: Die beste Emission ist die, die nicht entsteht.

Dieses Energiesparen darf aber in keiner Weise die bei uns in sehr gutem Maße und mit großer Qualität vorhandene Versorgung mit Telekommunikation gefährden. Österreich ist bei der mobilen Telekommunikation nämlich an der Spitze Europas. 4G und 5G nähern sich der Flächendeckung und selbst
die oft sehr mühsame Versorgung mit Glasfaser steht schon bei circa 70 Prozent.

Damit diese gute Versorgung durch die potenziellen Einsparungen und das Herunterfahren von Komponenten nicht in Gefahr gerät, müssen die Versorger­unternehmen einen Antrag bei der RTR, also der Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH stellen, die diesen dann prüft und erst genehmigt, wenn ausgeschlossen ist, dass dadurch die notwendige Versorgungssicherheit gefährdet ist. Wir schaffen also Einsparungsmöglichkeiten mit Sicherheitsnetz für die Netzsicherheit.

Abschließend sei gesagt: Energie ist ein hohes Gut, und durch diese Gesetzesvorlage wird der noch effizientere Einsatz dieses Gutes gefördert und gewährleistet, und das finden wir sehr gut. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesrat Ruf –: ... klatschen vergessen, ... das war reißerisch, gut! – Bundesrat Ruf – in Richtung Bundesrat Steiner : Keine Sorge!)

14.22


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 191

14.22.19

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Klar, Energieeffizienzmaßnahmen kann es natürlich auch in der Frequenznutzung im Mobilfunkbereich geben. Das ist auch sehr sinnvoll, insbesondere wenn wir ein Gewerbegebiet haben oder ein
großes Einkaufszentrum, denn dort muss nicht die ganze Nacht die volle Fre­quenz aufgedreht sein. Da kann über Nacht ausgelastet und eingespart werden.

Wir haben aber immer wieder gesagt – wir stimmen auch unter dieser
Zusage zu –, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sein muss. Die darf nicht darunter leiden, dass die Funkverbindung durch Unternehmen verrin­gert wird und die Masten abgedreht werden. So geht das nicht. Die Kos­tenvorteile aber, die sich durch diese Energiesparmaßnahmen ergeben, sind richtig, sind gut, besonders dann, wenn der Strompreis weiterhin sehr
hoch ist.

Da die Frau Staatssekretärin hier ist, hätte ich auch eine Frage zu einem art­verwandten Thema, nämlich jenem der künstlichen Intelligenz. Herr Staatssekretär Tursky, Ihr Vorgänger, hat uns ja gesagt, dass die österreichische Bundesregierung Stiftungsprofessuren für künstliche Intelligenz und für
die KI-Grundlagenforschung einrichten will. – Nur einmal für Sie, liebe Kollegen: Österreich hat im Jahr 2021 7 Millionen Euro in die KI investiert. Das ist
das, was Uganda und Mexiko auch getan haben. Schweden hat 500 Millionen Euro und die Niederlande haben 2 Milliarden Euro investiert – nur um
zu sehen, welche Zukunftsbereiche das sind.

Die Frage ist aber, liebe Frau Staatssekretärin: Was ist aus diesen 35 Stiftungs­professuren geworden, die da angekündigt wurden? Wir wissen nichts,
aber vielleicht könnten Sie uns im Anschluss informieren. Diese gibt es – aber kommen Sie bitte nicht nur mit Linz daher, das wäre uns eindeutig zu
wenig! Also ich bin sehr, sehr gespannt, weil die Digitalisierung natürlich das ganz, ganz große Ziel ist, das wir zu verfolgen haben. Wir können uns
da als Land und als Wirtschaft nicht abhängen lassen. Deshalb die besorgte


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 192

Frage, und wir warten da schon lange auf die Antwort: Was wurde
aus den zugesagten 35 Stiftungsprofessuren? – Danke schön. (Beifall bei
der SPÖ.)

14.25


Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


14.25.42

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Es ist schon viel von meinen Vorrednern an­gesprochen worden. Bei dieser Änderung des Telekommunikationsge­setzes 2021 geht es darum, dass den Mobilfunkbetreibern die spezielle Mög­lichkeit eingeräumt wird, dass von Mitternacht bis 5 Uhr früh einzelne Komponenten zurückgefahren und abgeschaltet werden können, wenn sie diese nicht benötigen.

Wir sehen das ebenfalls so wie alle anderen aufgrund der Kostenersparnis
durch die Frequenzabschaltung als durchaus positiv – wobei es bei den Neuaus­schreibungen bereits vorgesehen ist.

Geschätzte Damen und Herren, die Versorgungsleistung darf auf keinen
Fall –das ist schon angesprochen worden – weniger werden, daher müssen die Mobilfunkbetreiber einen Antrag bei den zuständigen Behörden stellen,
und diese entscheiden dann, ob es möglich und sinnvoll ist. Den vorliegenden Antrag werden wir daher auch mittragen und beschließen.

Frau Staatssekretärin, wir müssen wirklich danach trachten, dass gerade
im ländlichen Bereich der Glasfaserausbau auch weiter vorangetrieben wird, denn es braucht ganz einfach ein gutes Internet – im privaten Haushalt wie auch bei den Betrieben. Die Digitalisierung bringt natürlich Vorteile, und wir
müssen sie weiter vorantreiben, etwas, das die Bundesregierung leider etwas zu wenig macht.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 193

Geschätzte Damen und Herren, wir müssen aber auch schauen, dass
wir alle mitnehmen. Es muss immer eine analoge Anwendbarkeit für alle Bürger sichergestellt werden. Das wäre eigentlich nicht so schwer. Es ist eine
Frage des Respektes. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.27


Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mar­co Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


14.27.46

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei
diesem Tagesordnungspunkt herrscht ja Einstimmigkeit, daher kann man dann immer nur sagen: Es ist schon alles gesagt worden, aber noch nicht von
jedem!

Zu einem Punkt wollte ich doch noch etwas sagen, weil er noch nicht erwähnt worden ist. Kollege Pröller hat gesagt, dass ein Mobilfunkunternehmen
das dann bei den zuständigen Behörden beantragen kann. Ich halte es schon für ganz wichtig, festzustellen: Es ist eine zuständige Behörde. Und es ist ja
auch durchaus die Frage: Wer ist diese Behörde, die dafür zuständig ist, den Mobilfunkbetreibern das zu genehmigen, also wann sie wo einsparen
dürfen oder wann auch nicht?

Man stelle sich vor, Österreich spielt zum Beispiel irgendwann einmal in Süd­korea um 4 Uhr morgens ein WM-Finale – wer weiß, so etwas kann ja
einmal passieren –, dann werden wir natürlich nicht einsparen, das ist ja logisch. Da werden die Mobilfunkdaten absolut gebraucht werden, wenn das dann gestreamt wird. Diese Behörde ist die RTR.

Ich halte das schon für wichtig, zu sagen, damit das auch hier festge­halten wurde: dass die Mobilfunkbetreiber das nicht nach freiem Ermessen machen können, um für sich selbst Kosten einzusparen, weil die Energie­kosten gestiegen sind, das wissen wir. Das halte ich für wichtig, zu sagen. Die


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Behörde ist die RTR, und das ist auch wirklich für uns eine gute Nach­richt, weil sie eine sehr gute Behörde und Aufsichtsbehörde – gerade für die Mobilfunkbetreiber, für die Internetbetreiber und für die Provider – ist.

Ich möchte hier schon auch noch einen Aspekt anführen – es ist schon gesagt worden –: Der beste CO2-Ausstoß ist der, der nicht entsteht. Das ist natür­lich in diesem Fall richtig. Es ist auch ein Thema für den Klimaschutz, Energieeffizienz ist ein ganz wesentlicher Aspekt von Klimaschutz. Deswegen tun wir das auch hiermit und deswegen ist das gut. – Vielen Dank. (Beifall
bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

14.29


14.29.57

Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.30.2710. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Ausbildungspflichtgesetz geändert werden (2528 d.B. und 2589 d.B. sowie 11504/BR d.B.)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 195

Bericht.


14.31.00

Berichterstatter Matthias Zauner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses
für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Ausbildungspflichtgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Ich darf die Frau Staatssekretärin sehr herzlich hier im Bundesratssaal begrüßen. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte.


14.31.56

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Zuseher:innen zu Hause via Livestream! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Grundsätzlich – und das möchte ich vorweg festhalten – ist es natürlich sehr wohl zu
begrüßen, dass man mit der vorliegenden Änderung des Gesetzes zumindest einmal versucht, aufgrund des Krieges aus ihrer Heimat vertriebene
Menschen aus der Ukraine schneller und leichter in den Arbeitsmarkt zu integrieren, indem sie nun eben diese Rot-Weiß-Rot-Karte plus erhalten sollen, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen dafür erfüllen.

Wir wissen, eine Entspannung der Lage in der Ukraine und damit ein Ende des Kriegs scheint zum aktuellen Zeitpunkt noch in weiter Ferne. Somit ist


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durchaus zu erwarten, dass nun vermehrt Menschen auch dauerhaft im österrei­chischen Arbeitsmarkt verbleiben wollen oder auch müssen, weil eine
Rückkehr in ihre Heimat nicht möglich ist. Somit sind die Möglichkeiten, die durch die Rot-Weiß-Rot-Karte plus gegeben sind, für beide Seiten
positiv – es gibt nämlich sowohl für die Menschen selbst als auch für die Arbeitgeber eine gewisse Planungssicherheit, die natürlich von
immenser Wichtigkeit ist. Insofern ist wie gesagt durchaus positiv, was vorliegt.

Positiv ist auch, dass jetzt auch Minderjährige zu einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus kommen können. Das schließt aus meiner Sicht auch die Lücke zwischen der Vollendung der Schulpflicht und der Volljährigkeit – insofern auch wieder etwas Positives.

Wie schaut es jetzt aber mit den Voraussetzungen ganz konkret aus?
Welche Voraussetzungen sind von den Betreffenden zu erfüllen? – Die Men­schen müssen zumindest in den letzten 24 Monaten zwölf Monate voll­versichert, also über der Geringfügigkeitsgrenze beschäftigt, gewesen sein. Sie müssen Deutschkenntnisse auf Niveau A2 vorweisen können, also das
Modul eins der Integrationsvereinbarung innerhalb von zwei Jahren erfüllen und nachweisen. Da sind wir so weit einmal d’accord, da können wir auch noch einigermaßen mitgehen. Auf der anderen Seite muss man aber sehen,
dass die Hürden, eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus zu erhalten, nach wie vor ver­gleichsweise hoch sind.

Man muss sich schon anschauen: Wer sind denn eigentlich die Men­schen, die aus der Ukraine zu uns kommen? – Das sind zu einem großen und weit überwiegenden Teil Frauen und ihre Kinder, das zeigen die Zahlen
des Ministeriums ganz deutlich.

Wir wissen, gerade für Frauen kann es mitunter extrem schwierig sein, die nö­tigen Unterhaltsmittel vorweisen zu können. Das entspricht jetzt in die­sem ganz konkreten Fall beispielsweise etwa 1 800 bis 1 900 Euro netto pro Monat für eine Mutter mit zwei Kindern. Vor allem, wenn man bedenkt,


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in welchen Bereichen, in welchen Branchen die Frauen beschäftigt sind und arbeiten – nämlich zu einem großen Teil in der Gastronomie, im Touris­mus, in der Pflege, in der Reinigung –, muss man sagen, es schaut mit dem vo­rausgesetzten Nettoeinkommen in der Realität oftmals ganz, ganz
schlecht aus.

Dann muss man natürlich auch noch dazusagen, dass es oftmals für die Frauen gar nicht möglich ist, eine Vollzeitbeschäftigung anzunehmen, weil sie zum Beispiel auch noch Betreuungstätigkeiten für ihre eigenen Kinder übernehmen müssen – daher auch aus meiner Sicht eine zu hohe Hürde. Gerade jetzt,
wo wir in Österreich gefühlt tagtäglich vom Fachkräftemangel hören, lesen, da­rüber diskutieren und auch in diesem Haus nach Lösungen suchen, scheint
mir das schlicht und einfach viel zu wenig nachhaltig und in Wahrheit gänzlich an der Realität vorbeigedacht.

Eine weitere Voraussetzung soll auch noch der Nachweis eines Rechtsan­spruchs auf eine Wohnung – sprich eines Mietvertrags – sein. Das ist aus unse­rer Sicht aus der Grundversorgung heraus oftmals ganz, ganz schwer
möglich und eine weitere Hürde, die es zu bewältigen gilt. Daher können wir dem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustimmen, vor allen Dingen,
wenn man eines bedenkt: Grundsätzlich ist die potenzielle Zielgruppe, an die er gerichtet ist, die man damit erreichen möchte, von Haus aus schon über­schaubar groß. Das Ministerium spricht von etwa 7 000 Personen, die in den Genuss des Anspruchs kommen könnten.

Mit den nötigen Voraussetzungen können dann aber vermutlich nur verschwindend wenige Menschen in den Anspruch kommen, also von dieser Gesetzesänderung dann auch tatsächlich profitieren. Das kritisieren
allerdings nicht nur wir, sondern auch diverse NGOs, zum Beispiel Caritas und Diakonie, die mit ihrer Meinung auch auf unserer Linie liegen.
(Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem bleibt für uns nach wie vor unklar, welches Aufenthaltsrecht Ukrainerinnen und Ukrainer ab Februar 2025 dann erhalten, wenn sie die Rot-


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 198

Weiß-Rot-Karte nicht bekommen sollten, aus welchen Gründen auch
immer. Das Aufenthaltsrecht gemäß der Vertriebenenrichtlinie läuft ja aus. (Bun­desrätin Hauschildt-Buschberger: Das ist verlängert worden!) Was inner­staatlich betreffend des Vertriebenenstatus angedacht ist, weiß man nicht, da werden wir auch noch weiter im Unklaren gelassen.

Somit in aller Kürze noch einmal zusammengefasst: Ja, die Intention für
diese Gesetzesänderung ist grundsätzlich als positiv zu bewerten, das habe ich somit auch ausgeführt. Aber nichtsdestotrotz: In einigen Bereichen lässt
einfach die Umsetzung zu wünschen übrig und ist aus meiner Sicht viel zu kurz­sichtig und nicht zu Ende gedacht. Daher wird es seitens der Sozialdemo­kratie auch keine Zustimmung dazu geben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.37


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Philipp
Kohl. Ich erteile ihm dieses.


14.37.41

Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen
und Zuseher! Mit der Einführung der Rot-Weiß-Rot-Karte hat Österreich bereits ein flexibles Zuwanderungssystem geschaffen, das qualifizierten Arbeits­kräften aus Drittstaaten eine auf Dauer ausgerichtete Zuwanderung ermöglicht. Diese Karte berechtigt zur Niederlassung, zur Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder zu selbstständigen Tätigkeiten und wird in der Re­gel für 24 Monate ausgestellt.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte plus berechtigt Drittstaatsangehörige zur
befristeten Niederlassung und zum unbeschränkten Arbeitsmarktzugang – sei es in einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit –, ohne
an einen bestimmten Arbeitgeber gebunden zu sein.

Heute geht es darum, dass wir Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern aus der Ukraine eine Zukunftsperspektive bieten können. Mit der geplanten


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 199

Gesetzesänderung erhalten Ukrainerinnen und Ukrainer künftig den Zugang zu dieser Rot-Weiß-Rot-Karte plus. Diese Änderung bedeutet nicht nur eine längerfristige Perspektive für die vom Krieg vertriebenen Menschen, sondern auch eine gewisse Rechtssicherheit für Betriebe in Österreich. Mit dieser Novelle erhalten die Ukrainerinnen und Ukrainer, die bereits in unseren Arbeits­markt integriert sind, die Möglichkeit, in ganz Österreich zu arbeiten,
und sind nicht mehr an einen Arbeitgeber gebunden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ausbildungspflicht für ukrainische Jugendli­che. Die neue Regelung sieht vor, dass die Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr auch für vertriebene ukrainische Jugendliche gilt. Diese Ände­rung ermöglicht eine schnelle und passende Einbindung der Jugendli­chen in unser Bildungs- und Ausbildungssystem, was die Chancen, besser in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, erhöht.

Bei der Erstellung der Perspektiven und Betreuungspläne wird auch berücksichtigt, dass die Jugendlichen am Unterricht ihrer früheren ukrainischen Schulen online teilnehmen können. Dies gewährleistet eine kontinuierliche Bildung und stärkt die Verbindung zu ihrer Heimat.

Meine Damen und meine Herren, diese Maßnahmen sind ein klares Signal unserer Solidarität und Unterstützung für die vom Krieg vertriebenen Menschen. Sie bieten den Betroffenen nicht nur eine Zukunftsperspektive, sondern
stärken auch unser Land durch die Integration qualifizierter Arbeitskräfte. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.40


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr dieses.


14.40.18

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Ich möchte als Erstes auf den Satz von


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 200

Herrn Kohl eingehen, der gesagt hat, diese Rot-Weiß-Rot-Karte plus ist deshalb so wichtig, weil man den Ukrainern eine Perspektive geben muss.

Wissen Sie, was für die Ukrainer eine Perspektive wäre? – Wenn Österreich sich endlich dafür einsetzen würde, dass in dem Land Frieden herrschen könnte.
Das ist eine Perspektive, das ist die richtige Perspektive, aber nicht, dass sie in Österreich arbeiten können. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Kohl schüttelt
den Kopf.)
 – Sie schütteln den Kopf. Sind Sie der Meinung, der Krieg ist gut? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Dann brauchen Sie den Kopf nicht zu
schütteln. Frieden ist wichtig, Frieden auf der ganzen Welt. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Himmer: Was kann er dafür, dass ...? Mit der Polemik ist auch
niemandem etwas geholfen!
)

Zu dem Gesetzentwurf: Wir haben in Österreich ein geltendes Gesetz, dass Menschen, die anerkannte Flüchtlinge sind – und dazu gehören vor
allem auch die Ukrainer, die wirklich anerkannte Flüchtlinge sind –, jederzeit, wenn sie möchten, arbeiten können. Es hat in diesem speziellen Fall
sogar ein EU-weites Abkommen, ein Vertriebenenabkommen, gegeben, das im März 2025 auslaufen wird. Auch das ermöglicht ihnen, dass sie EU-weit
am Arbeitsmarkt, wenn sie möchten, arbeiten können.

Wie ist die jetzige Situation? – Dass von den in etwa 7 000 Vertriebenen, die zurzeit in Österreich leben, nicht einmal ein Drittel arbeitet, aktiv arbei­tet. Das heißt, die Rot-Weiß-Rot-Karte plus ist überhaupt nicht erforderlich, um diese spezielle Gruppe sozusagen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Auch der Rechnungshof hat jetzt schon mehrmals festgestellt, dass dieser enor­me Zugang, die Zuwanderungspolitik, die Arbeitsmarktpolitik, dass wir
den Arbeitsmarkt immer mehr für Nichtösterreicher oder Nicht-EU-Bürger öff­nen, nicht den Fachkräftemangel löst. Ich finde es eigentlich sehr traurig – abgesehen davon, dass ich schon bald nicht mehr weiß, wie er ausschaut –, dass Herr Arbeitsminister Kocher eigentlich, seitdem er Wirtschaftsminister ist,
für die arbeitenden Menschen so gut wie gar nichts übrig hat.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 201

Das Einzige, was er immer macht: Wenn es um Ausländerbeschäftigungen geht, kommt ein Gesetz nach dem anderen, statt dass er sich wirklich einmal
darum kümmert – der Arbeitsmarkt ist unter Druck, die Menschen sind unter Druck –, dass man sich endlich einmal überlegt, wie wir es schaffen können, dass jene, die Arbeit suchen, die arbeitslos sind, endlich auch eine Beschäftigung bekommen und die Unternehmen die Mitarbeiter bekommen, die sie so händeringend suchen. Da müsste man auch Geld hineinstecken,
aber nicht extra – weil heute Herr Sascha Obrecht gemeint hat, 75 Millionen Euro an Steuergeldern werden an die Landwirte verschenkt – noch
einmal 75 Millionen Euro in die Hand nehmen, um die Ausländerbeschäftigung in Österreich lukrativer zu machen! Ich finde, das ist eine noch größere Ver­schwendung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, wir werden diesem Gesetzentwurf auch deshalb nicht zustimmen, weil wir davon überzeugt sind, es ist wichtig, Geld in die Hand zu nehmen,
aber dafür, dass endlich die Österreicher wieder eine Vollbeschäftigung haben. (Beifall bei der FPÖ.)

14.43


Präsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin
Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.


14.43.55

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Tatsächlich,
es war der 24.2.2022, da hat Russland seine militärische Aggression gegen die Ukraine gestartet, und Putin hat mit seinem brutalen Angriffskrieg
Menschen die Heimat genommen. Er hat sie zu Vertriebenen gemacht.

Ich gehe kurz auf Kollegin Schartel ein: Ja, die Ukraine braucht Frieden, und da wäre es vielleicht sehr sinnvoll, wenn Sie (in Richtung FPÖ) mit Ihren freundschaftlichen Kontakten zu Herrn Putin ihm einfach sagen, er soll mit dem


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 202

Krieg aufhören. Dann ist Frieden, ganz einfach! (Beifall bei Grünen und ÖVP. Bundesrat Spanring: Die nächste Grüne ...!)

Diese Menschen, die vertrieben worden sind, haben großteils Zuflucht in der EU gefunden. Um ihnen Schutz und einen legalen Aufenthaltstitel zu sichern,
hat die EU erstmals die sogenannte, wir haben es heute schon gehört, Massen­zustromrichtlinie aktiviert, sodass es nicht notwendig wurde, dass jedes
Land einzeln Aufenthaltstitel für diese Menschen bestimmt hat beziehungsweise sie im Einzelfall um Asyl und Schutz hat ansuchen lassen müssen. Es sind
in diesem Fall keine anerkannten Flüchtlinge; als solche bezeichnet
man ja eigentlich nur jene, die um Asyl angesucht haben. Auch da habe ich Frau Kollegin Schartel jetzt etwas präzisiert.

Ja, 170 000 Menschen aus der Ukraine leben derzeit in Österreich. Es
sind großteils Frauen und Kinder. (Bundesrat Spanring: Aber sehen tut man immer nur ...!) Sie sind als Flüchtlinge nach Österreich gekommen und sind
mittlerweile zu Freundinnen, zu Freunden, zu Kolleginnen und zu Kollegen geworden.

Wir haben der Ukraine das Versprechen gegeben, dass wir helfen,
dass wir helfen, so gut wir können. Darum haben wir den Zugang zur Kranken­versicherung, zur Grundversorgung, zu Familienleistungen und einen
effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt beschlossen. Was tun wir jetzt? – Wir geben den Menschen eine langfristige Perspektive. Vertriebene
Ukrainer:innen, die in Österreich Arbeit gefunden haben, können nun auf die Rot-Weiß-Rot-Karte plus umsteigen. Tatsächlich sind wir nach Polen
das zweite Land innerhalb der EU, das eine Bleibeperspektive für arbeitende Flüchtlinge aus der Ukraine schafft.

Wir – die Frau Präsidentin hat schon darüber berichtet – waren kürzlich auf Präsidialreise in Tschechien. Auch Tschechien überlegt jetzt sehr inten­siv, wie man Ukrainer:innen einen längerfristigen Aufenthalt bieten
kann. In Tschechien sind es zum Beispiel 400 000 Menschen aus der Ukraine,


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die dort Zuflucht gefunden haben. In den Gesprächen, die wir dort
hatten, redet man zum Beispiel – weil Kollegin Hahn angesprochen hat, es sind hohe Hürden – von durchgängig zwei Jahren, die jemand aus der Ukraine gearbeitet haben muss, um zu einem Aufenthaltsrecht zu kommen.

Dann möchte ich vielleicht auch noch sagen – das ist natürlich jetzt sehr kurz­fristig, aber ich halte es für wichtig, das zu betonen –, es wurde vorges­tern, am 25.6., auf EU-Ebene eine Einigung getroffen, nämlich darüber, dass diese Massenzustromrichtlinie bis 4. März 2026 verlängert wird. Es ist
also nicht so, wie Frau Kollegin Schartel das gesagt hat, dass wir nicht wissen, wie es dann weitergeht. Man weiß mittlerweile schon, es wird bis 2026
sein.

Nichtsdestotrotz sichern wir schon heute in Österreich eine nach­haltige Perspektive für jene Ukrainer:innen, die bereits in Österreich arbeiten – wertvolle Arbeitskräfte, Fachkräfte, die für unsere Wirtschaft eine hohe Bedeutung haben. Mit Stichtag 16.6.2024 arbeiten in Österreich
rund 7 000 Ukrainer und Ukrainerinnen in Vollversicherung, also über der Geringfügigkeit, weitere 1 000 in einem geringfügigen Beschäfti­gungsverhältnis – mit der Absicht, davon können wir ausgehen, längerfristig in Österreich zu bleiben.

Wir setzen auch gezielt, wir haben es vom Kollegen schon gehört, auf jugendliche Ukrainer und Ukrainerinnen, denn ab dem 1. Juli öffnen wir auch den Zugang zum Ausbildungsprogramm, um jungen Menschen eine
Chance zu geben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir werden diese Menschen brauchen, um weiterhin insbesondere in den Bereichen der Pflege, des Tourismus unsere Strukturen und die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.

Allem voran, ich möchte das noch einmal betonen, wollen wir diesen Menschen Planungssicherheit und Perspektiven bieten, deshalb danke für die breite Zustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

14.49


14.49.05


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Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14.49.3811. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird
(2550 d.B. und 2590 d.B. sowie 11505/BR d.B.)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Ich bitte um den Bericht.


14.49.59

Berichterstatter Matthias Zauner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses
für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ar­beitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich
zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank für den Bericht.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


14.50.39

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist halt so: Die
Regierung ist an einer Menge gescheitert, aber woran sie wirklich auch ge­scheitert ist, ist der Zugang zur Digitalisierung. Warum das derartig schlecht für die Gesamtentwicklung in diesem Land ist, darf ich ganz kurz, auch anhand dieses Gesetzes, das jetzt vorliegt, erklären.

Es ist so: Wir sind natürlich in einer großen Bewegung der Digitalisie­rung, der neuen Veränderungen durch künstliche Intelligenz. Da ist es wichtig, dass man niemanden zurücklässt. Das ist der wichtigste Punkt, denn
wenn man Menschen auf welcher Ebene auch immer zurücklässt – sei es zum Beispiel im Bereich der Arbeitslosenversicherung, weil ein Drittel der arbeitslosen Menschen keinen Zugang zur digitalen Welt hat, keine Möglichkeit hat, ein Handy zu haben oder mit dem PC umgehen zu können, sei es
auch in allen anderen Belangen, wo man Zugänge zu bundesstaatlichen Regelun­gen einfach nur in der digitalen Welt erreichen kann –, dann ist das ein
ganz, ganz großer Fehler, weil wir alle mitnehmen müssen, wenn wir den digita­len Wandel gestalten wollen. Jede einzelne Person, die wir nicht mitneh­men, ist eine Person, die sich abgehängt, zurückgesetzt, diskriminiert fühlt. Das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.) Wir müssen beim digitalen Wandel vorangehen.

Es war nicht klug, für den Zugang zu den Leistungen des Bundesschatzes, zum Handwerker:innenbonus und zu welchen Leistungen auch immer, die
da sind, nur die digitale Möglichkeit zu eröffnen. Das war ein riesiger Fehler.

Ich weiß, dass Sie jetzt zurückrudern und versuchen, das irgendwie
anders zu lösen, aber da geht es um das Gefühl: Ich bin nicht dabei! Ich bin ein


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älterer Mensch, ich schaffe das nicht, ich bin nicht dabei! Ich bin ein
arbeitsloser Mensch, ich habe Qualifikationen, aber ich schaffe es nicht digital! Das regeln Sie da jetzt auch so.

Es wurde im Ausschuss natürlich gesagt: Nein, Anträge und Beratungen
können nicht nur digital gemacht werden, sondern, nein, es wird auch in anderer Form möglich sein! Man kann auch live ins AMS kommen! – Das stimmt,
das ist noch immer möglich, aber Sie haben in den Gesetzestext hineingeschrieben: „vorrangig“. Das heißt, wir wissen, wohin der Weg geht und dass sich die Gruppe der arbeitslosen Menschen, die eh in einer wirklich schwierigen Situation sind, aufteilt: in jene, die es schaffen, und jene, die es nicht schaffen.

Das wollen wir nicht, das ist nicht der richtige Zugang. Der Wandel muss
mit sehr viel Verstand und sehr sensibel gestaltet werden und nicht mit Ho-ruck-Aktionen, wie es jetzt auch bei diesem Gesetz wieder der Fall ist.

Wir wollen niemanden zurücklassen. Wir wollen auch jenen, die vielleicht
andere Fähigkeiten – nicht digitale – haben, Chancen auf dem Arbeitsmarkt ge­ben, weil wir sie auf dem Arbeitsmarkt brauchen. So vorzugehen war
wiederum in Ihrer gesamten Strategie beim Umgang mit Digitalisierung absolut nicht klug.

Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen: Lassen wir niemanden zurück! Schauen wir, dass wir in diesem Wandel alle mitnehmen, dass wir nicht das erzeugen, was die äußerste Rechte nährt, nämlich
das Gefühl, zurückgesetzt zu sein, nicht dabei zu sein und ohnmächtig zu sein! Dadurch entstehen Wut und Angst, und das bereitet den Boden für
alle antidemokratischen Kräfte. Ich bin mir sicher, dass wir alle, die wir hier im Saal sind, das nicht wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch eines lassen Sie mich sagen: Es geht um die Frage der Lohnneben­kosten. Das ist eine ganz wichtige Frage. Wir als Gewerkschafterinnen und Ge­werkschafter sagen, es sind die Lohnnebenleistungen. Wir wissen, im


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Dauerregen wird jetzt ganz, ganz viel Geld in die Bewerbung der Senkung der Lohnnebenkosten gepumpt. Unternehmensvertreter und Politiker
der ÖVP überschlagen sich förmlich in der Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten. Begründet wird das – das klingt ja so schön – mit
einem Mehr im Geldbörsel für die Beschäftigten und einem sicheren Standort.

Achtung! Ich sage ganz, ganz deutlich: Achtung! Das ist ein Schmäh.
Das ist nicht die Realität (Beifall bei der SPÖ), sondern bei der Frage der Senkung der Lohnnebenleistungen geht es um die zukünftige Finanzierung Ihrer Pensionen, Ihrer Gesundheitsversorgung, des Arbeitslosengeldes und damit auch der Mittel für Qualifizierung, Ihrer Unfallversicherung, wenn einmal etwas passiert, der Wohnbauförderung, die wir so dringend brauchen, Ihrer Familien­beihilfe, Ihres Kinderbetreuungsgeldes, der Gratisschulbücher, der
Freifahrten und auch um das Geld für Städte und Gemeinden. Das wird daraus finanziert.

Auch das sei klar gesagt: Es wurden in den vergangenen Jahren die Lohnnebenkosten bereits gekürzt. Seit 2015 entgehen dem Staat in Summe 16 Milliarden Euro, die man für den Sozialstaat hätte verwenden können.

Jede Kürzung der Lohnnebenkosten reißt ein Loch in die Finanzierung des So­zialstaats. Was passiert? – Das Bundesbudget muss aushelfen, und wir
wissen alle, in welcher Situation unser Bundesbudget ist.

Da sind wir beim nächsten Punkt, an dem diese Regierung gescheitert ist: Ein derartiges Defizit ist unglaublich. Sie geben der nächsten Regierung
ein Defizit mit, das sie kaum noch handlungsfähig macht und verpflichtet, in Spar­programme zu gehen. Wo werden wir denn dann sparen? Wo wird es
denn sein, wo gespart werden soll? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Es werden dann wieder die Sozialleistungen sein, die Sie angreifen werden.

Also all jene, die sagen: Bitte die Lohnnebenkosten senken!, sollen auch
sagen, was an Leistungen dann nicht mehr für die Menschen zur Verfügung


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steht. (Beifall bei der SPÖ.) Das möchten wir gerne wissen, aber bisher
haben wir von niemandem, so oft dieses Thema der Senkung der Lohnneben­leistungen diskutiert wurde, diese Auskunft bekommen: Ja, aber dann
müssen wir halt bei den Gesundheitsleistungen, bei den Kindern, bei den älteren Leuten sparen! – Das wird nicht gesagt. Es klingt sehr schön, aber es ist
eine wirklich bittere Pille, die Sie jetzt wunderbar mit Schokolade darüber und rosa Mascherl verpacken. Die Wahrheit ist aber, es ist ein Schmäh.

Ich bin erstaunt, weil gerade die Menschen, für die Sie sich so einsetzen,
gerade die Menschen des Mittelstands, die uns als SPÖ auch so wichtig sind, ja dann besonders betroffen sind. Der Sozialstaat ist das Sparbuch für die,
die nicht so viel auf dem Konto und kein eigenes Sparbuch haben, weil sie sicher sein können, dass sie die Leistung kriegen, wenn es ihnen nicht gut geht.
Das ist ja erkämpft worden, jeder einzelne Schritt davon ist mühsam erkämpft worden. Jetzt stehen wir am Scheideweg: Wie wird es weitergehen?
Wird man weiter in die Lohnnebenkosten eingreifen? Werden sie gekürzt werden? Das heißt: Wird es Kürzungen im Sozialstaat geben oder nicht?

Ganz ehrlich, da sieht man die wunderbaren Parallelen bei ÖVP und FPÖ. Auch die FPÖ ist von der Senkung der Lohnnebenkosten begeistert: Unbedingt!
Die müssen gesenkt werden! – Da weiß man, warum das Zusammenwirken der ÖVP mit der FPÖ anscheinend so wunderbar ist: weil sie sich in vielen
Themen einfach enorm annähern.

Dieser Kampf für den kleinen Mann, die kleine Frau ist ja ein oberflächlicher. Wenn es wirklich um die Interessen der Menschen geht, sind ÖVP und FPÖ ganz gleichgeschaltet. Nicht umsonst hat Herr Kurz jetzt wieder von sich
hören lassen, indem er gesagt hat, die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ sei schon das Beste gewesen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Freilich.
(Beifall bei der FPÖ.)

Diese Koalition steht uns wieder ins Haus. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.) Diese Koalition steht uns wieder ins Haus und damit die Senkung der


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Lohnnebenkosten und die Zerstörung des Sozialstaats. Dafür stehen wir als So­zialdemokratie nicht zur Verfügung. (Bundesrat Himmer: Ja, das wäre
 ja dann eh ohne euch!)
 – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

14.59


Präsidentin Margit Göll: Sehr herzlich darf ich Herrn Bundesminister Gerhard Karner hier im Bundesratssaal begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen
sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

14.59.53Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „4.000 fehlende Polizist:innen – handeln Sie endlich im Sinne der Sicherheit, Herr Innenminister!“ (4202/J-BR/2024)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über
die Dringliche Anfrage der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kol­legen an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen
ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dominik Reisinger als erstem Anfragesteller zur Be­gründung der Anfrage das Wort. – Bitte sehr.


15.00.25

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzte
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werter Bundesrat! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich darf jetzt die Dringliche Anfrage der SPÖ-Fraktion einbringen, begründen und die bedauerliche Feststellung,
die ja die Grundlage für unsere Anfrage ist, gleich voranstellen: „4.000 fehlende


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Polizist:innen – handeln Sie endlich im Sinne der Sicherheit, Herr Innenminister!“ (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen damit auf einen Umstand aufmerksam machen, der von
sich aus besorgniserregend ist und dem berechtigten Wunsch der Bevölkerung
nach mehr Sicherheit, nach mehr Ordnung nicht gerade nachkommt.
Es geht uns auch weniger um Kritik als vielmehr darum,
hier endlich gegenzusteuern – und zwar jetzt und vor allem spürbar.

Was finden wir derzeit vor? – Die Bevölkerung wächst, die Polizei schrumpft. Das ist eine Entwicklung, vor der wir nicht die Augen verschließen
dürfen, und als verantwortlicher Minister dürfen Sie die Sicherheit der Men­schen nicht vernachlässigen und bei der Sicherheit auch nicht sparen. (Ruf bei der ÖVP: Passiert auch nicht!) – Ich erkläre es dann gleich.

Wir wollen mehr Polizei auf der Straße, das ist die zentrale Forderung, und bessere Arbeitsbedingungen für unsere Polizistinnen und Polizisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie werden versuchen, das anders darzustellen, aber ich glaube, Sie können das nicht wegreden und wegdiskutie­ren, denn es gibt in diesem Bereich nur eine Verantwortung, und das ist
die Verantwortung der ÖVP, weil Sie seit fast 25 Jahren die Innenministerinnen und Innenminister dieser Republik stellen. Und das doch sehr ernüchtern­de Ergebnis – was ist Ihr Ergebnis, Herr Bundesminister? – ist, dass es derzeit circa 4 000 dienstbare Polizist:innen weniger gibt als noch vor vier
Jahren. Die Zahlen sprechen diesbezüglich eine klare Sprache: 2020 waren es noch rund 28 600 Vollbeschäftigungsäquivalente, 2023 nur mehr rund 24 600 Vollbeschäftigungsäquivalente.

Ich weiß natürlich – und das wissen auch andere, die Medien verfolgen –, dass Sie hier immer mit anderen Zahlen kommen und argumentieren, zuletzt
auch im April, es war nachzulesen. Ich kann Sie aber beruhigen, Herr Innenminis­ter, unsere Zahlen stimmen, und zwar deshalb, weil es Ihre Zahlen sind,


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die Sie uns mit der Post, also schwarz auf weiß, auch mit Ihrer Unterschrift über unsere parlamentarischen Anfragen übermittelt haben.

Bitte wiederholen Sie Ihre Zahlen nicht – auch wenn sie stimmen, es ist
ein anderer Vergleich –, sonst würde es doch aus meiner Sicht peinlich, wenn Sie immer von systemisierten Personalständen reden und wir von dienstbaren Personalständen!

Es ist ganz einfach. Ich frage Sie: Kann eine Planstelle, die nur auf dem Papier existiert, aber nicht von einem Polizisten oder einer Polizistin besetzt ist,
für die Sicherheit der Menschen in diesem Land sorgen? – Ich denke, nicht, und ich weiß, dass Sie das auch so wahrnehmen müssen.

Es gibt viele Polizeikräfte, die karenziert sind, die in Mutterschutz sind, im Langzeitkrankenstand oder auch in Ausbildung und eben nicht aktiv
für die Sicherheit sorgen können. Ein gutes Beispiel dafür bin ich selbst. Ich habe eine Plandienststelle in meiner Heimat, die ich aber nicht aktiv besetze,
weil ich dienstfrei gestellt bin. Genau deshalb kann man diese Kolleginnen und Kollegen nicht zum dienstbaren Personalstand zählen und so tun, als wäre
alles in Ordnung.

Die Personalsituation wird also immer angespannter. Davon ist vor allem auch die Bundeshauptstadt Wien sehr betroffen. Zuletzt gab es dort 2023
mehr Abgänge als Zugänge, als Aufnahmen. Man verzeichnete im Jahr 2023 540 Abgänge, großteils durch Pensionierungen oder Versetzungen,
und 415 Aufnahmen.

Jetzt möchte ich aber zur Abwechslung etwas Positives hervorheben: Ich spreche Ihnen grundsätzlich das Bemühen nicht ab, junge Menschen
für den Polizeiberuf zu gewinnen; nur bin ich der Meinung, dass coole Plakate und Werbespots dafür nicht ausreichen. Es braucht dringend auch
attraktivere und bessere Arbeitsbedingungen, um die Personallücken füllen zu können.


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Deshalb fordern wir als klares Argument eine Dienstrechtsreform, die
den Polizeidienst attraktiver macht und die Rekrutierung von neuem Personal unterstützen soll. Es braucht im Wesentlichen gar nicht so viel: Ein ordent­liches Grundgehalt und weniger Zulagendschungel, und es braucht ein attraktiveres und familienfreundlicheres Dienstzeitmodell, weg von der hohen Mehrbelastung, die es fast unmöglich macht, Familie, Freizeit und Beruf
zu vereinbaren.

Ich kann das auch mit Zahlen belegen: Mit Journaldienst und Überstunden leis­ten die österreichischen Polizist:innen mehr als 10 Millionen Mehrdienst­leistungsstunden pro Jahr. Das sind pro Kopf heruntergerechnet rund 374 Über­stunden pro Jahr, also mehr als zwei Monate mehr Arbeitsleistung. Das
heißt: Wir brauchen weniger Belastung, mehr Attraktivität für diesen Beruf – und für die Sicherheit unserer Menschen wieder mehr Polizist:innen
auf unseren Straßen. (Beifall bei der SPÖ.)

Um das zu erreichen, muss es eine umfassende Rekrutierungsstrategie und zu­sätzlich eine Reform der Regelung für die Teilzeitbeschäftigung geben;
denn wir müssen nicht nur neues Personal aufnehmen, sondern auch erfahrenes Personal halten. Da es diese flexible Teilzeitregelung leider nicht gibt, ver­liert die Polizei gut eingearbeitetes Personal. Ein Beispiel dafür: Mit Stand 1.1.2023 waren in Oberösterreich nur 232 Polizist:innen teilzeitbe­schäftigt, weil es hier ganz einfach zu strenge Regelungen gibt.

Wenn Kolleg:innen aus unterschiedlichen, teils auch aus persönlichen Gründen eine Reduzierung der Dienstzeit beantragen, lehnt die Dienstbehörde
das in den meisten Fällen ab. Das führt dann dazu – ein Beispiel wieder aus der Praxis –: Vor wenigen Wochen musste eine Polizistin aus Oberösterreich,
aus meinem Heimatbezirk, die über 20 Jahre Berufserfahrung hat, ihren Dienst quittieren, weil ihr dieses Ansuchen um Teilzeitbeschäftigung nicht
genehmigt wurde.


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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das kann es im 21. Jahrhundert doch nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.) Da muss ein Paradigmenwechsel kom­men, um die Sicherheitskräfte im Job zu behalten und um interessierte junge Menschen zur Bewerbung zu motivieren.

Im Übrigen sieht das auch die FSG Polizei so wie wir. Deshalb hat sie im
Mai ein Volksbegehren eingereicht. Ich lade alle, die sich für mehr Personal bei der Polizei starkmachen wollen, dazu ein, dieses Volksbegehren mit der Bezeichnung Polizei – Kritischer Personalmangel persönlich entweder bei ihrem Gemeindeamt oder auch online via ID Austria zu unterstützen.

Sehr geehrter Herr Innenminister, wir stellen Ihnen zu dieser wichtigen
Thematik 37 Fragen. Es gibt viel zu tun. Sie stehen in großer Verantwortung, bitte kommen Sie dieser auch nach! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPÖ.)

15.09


Präsidentin Margit Göll: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


15.09.58

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Gestatten Sie mir, dass ich zu dieser Dringlichen Anfrage, zumal ich sehr dankbar dafür bin,
dass wir heute die Möglichkeit und die Gelegenheit haben, einige Punkte sehr grundsätzlich zu besprechen und zu diskutieren, auch sehr grundsätzlich
mit meinem Eingangsstatement beginne, weil das auch unterstreicht, welch großartige Arbeit von vielen geleistet wird. (Vizepräsident Reisinger
übernimmt den Vorsitz.)

Ich beginne mit dem Global Peace Index: Was ist der Global Peace Index? – Der wird jährlich veröffentlicht, vor zwei Wochen ist der neueste Global Peace
Index veröffentlicht worden. Österreich, unserem Land wird da bescheinigt, dass wir das drittfriedlichste, drittsicherste Land der Welt sind. Wir leben in


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einem der sichersten Länder, in einem der friedlichsten Länder dieser Welt. Vie­len Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Um die aktuelle Statistik noch genauer zu skizzieren: Wir haben beim
neuesten Index zwei Plätze gutgemacht, von Platz fünf auf Platz drei, und haben Singapur und Neuseeland überholt. Es gibt ganz bestimmt – und da sind
wir uns sicherlich einig, meine sehr geehrten Damen und Herren –
vielerlei Gründe, warum dem so ist, dass wir zu den sichersten und friedlichsten Ländern dieser Welt gehören: eine starke und wehrhafte Demokratie, ein
sozial ausgewogenes System von den Gemeinden über die Bezirke,
über die Länder bis hin zur Republik und eben auch ein gut ineinandergreifendes Sicherheitssystem.

Was meine ich mit diesem gut ineinandergreifenden Sicherheitssystem?
Darum beneiden uns viele Länder dieser Welt, da sind wir wahrscheinlich sogar Weltmeister; noch nicht im Fußball. (Bundesrätin Schumann: Es ist die Europameisterschaft!) – Jetzt haben wir Europameisterschaft, dann ist die Welt­meisterschaft. Entschuldigung, Sie haben natürlich völlig recht, Frau Bundesrätin. – Wir haben ein gut ausgebildetes System, ein gut entwickeltes System an Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, die dieses Sicherheits­gerüst in diesem Land auch tragen: die freiwilligen Feuerwehren, die Sanitäts­einrichtungen, die Hilfsorganisationen, Bergrettung, Wasserrettung,
viele Ehrenamtliche, die das tragen, gemeinsam mit den Hauptamtlichen, die für diesen Bereich zuständig sind, aus der Berufsfeuerwehr, der Finanz, der
Justiz, dem österreichischen Bundesheer und eben der Polizei.

Über 38 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alleine im Bundesministerium für Inneres, davon rund 32 000 – ich komme später in meiner Anfragebeant­wortung noch auf die genauen Zahlen zu sprechen – Polizistinnen und Polizisten, sogenannte Exekutivdienstkräfte sind das.

Sie erleben das alle, Sie kommen alle aus den Bundesländern, aus unter­schiedlichsten Gemeinden, tragen als Bürgermeisterinnen, als Bürgermeister


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Verantwortung. Sie erleben täglich, in welcher exzellenten Art und Weise dieses Zusammenspiel zwischen Ehrenamtlichen, Hauptamtlichen, unseren Blaulichtorganisationen, unserer Sicherheitsfamilie in diesem Land funktioniert. Ich möchte allen ein großes Danke sagen für das, was sie tagtäglich
tun. Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren – damit komme ich na­türlich auch zu einem Aber –: Wir leben auf keiner Insel der Seligen. Gerade im Bereich der inneren Sicherheit gibt es besondere Herausforderungen,
die in erster Linie von der Exekutive, von der Polizei zu bewältigen, zu tragen sind. Das Thema Cyberkriminalität, Internetkriminalität ist jener Bereich
in der polizeilichen Anzeigenstatistik, der am stärksten im Steigen begriffen ist und der unsere Polizei vor neue, zusätzliche Herausforderungen stellt, Herausforderungen, die es so – und auch das wissen Sie – vor 20, 30 Jahren in keiner Weise gegeben hat. Daher haben wir uns darauf nicht
nur vorzubereiten, sondern darauf einzustellen und damit zu arbeiten.

Es gibt das Thema Extremismus in den unterschiedlichsten Ausprägungen, wo wir gerade – und das wissen Sie auch – im Bereich des islamistischen Extremismus seit dem 7. Oktober besondere Herausforderungen, Bedrohungen haben, die wiederum ins Cyberthema hineinspielen, denn die Radikalisie­rung von jungen islamistischen Tätern, potenziellen Tätern findet eben zuneh­mend auch in den sozialen Netzwerken, im Darknet statt. Islamistischer Extremismus – als Beispiel der großen Herausforderungen.

Oder das Thema illegale Migration, worüber wir auch hier im Bundesrat schon sehr oft diskutiert haben, wo zu Recht Maßnahmen gefordert wurden
und wo auch zu Recht und notwendigerweise Intensivmaßnahmen gesetzt worden sind; ich denke da an das Burgenland, das vor zwei Jahren
massiv – in erster Linie das Burgenland – belastet war.


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Ich wiederhole an dieser Stelle diese Zahl, weil sie auch wieder Ergebnis, nicht des Innenministers ist, sondern dessen, was die Polizei tagtäglich tut. Im
ersten Halbjahr 2022 an der burgenländischen Grenze: 16 400 illegale Grenz­übertritte, im selben Zeitraum dieses Jahres: 290. 16 400 zu 290! Die
Polizei leistet exzellente Arbeit und entlastet damit die Bevölkerung massiv, vor allem im Burgenland. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war nur ein Auszug der
Themen, die uns derzeit beschäftigen. Man könnte noch das Thema Jugendkri­minalität dazu erwähnen, das in den letzten zehn Jahren massiv gestie­gen ist, wo auch Akzente gesetzt wurden und weitere gesetzt werden müssen.

Aber damit unsere Exekutive, unsere Polizei das tun kann, wofür
sie Verantwortung trägt, nämlich für die Sicherheit der Menschen zu sorgen, braucht sie natürlich entsprechende moderne Ausrüstung. Das Sicher­heitsbudget spricht da eine klare Sprache: für das Jahr 2024 über 4 Milliarden Euro im Bereich innere Sicherheit im Innenministerium, die in Personal,
aber vor allem in Ausrüstung investiert werden. Moderne Ausrüstung, moderne Ausstattung, aber natürlich braucht es Menschen aus Fleisch und Blut, Polizistinnen und Polizisten, die tagtäglich für unsere Sicherheit da sind, die gut ausgebildet sind und auch in der entsprechenden Zahl zur Verfügung stehen.

Und ja – es wurde angesprochen, schon mehrmals, auch schon des
Öfteren im Nationalrat, aber auch hier –: Das Thema Personalmangel, Arbeits­kräftemangel hat viele Sektoren, hat viele Bereiche betroffen. Wir ken­nen die Diskussionen im Bildungsbereich, wir kennen die Diskussionen im Ge­sundheitsbereich. Und ja, wir haben auch Diskussionen erlebt und erle­ben sie in Teilbereichen noch immer im Sicherheitsbereich. Im Jahr 2022, auch im Jahr 2023 waren die Personalaufnahmen, die Zahl jener Menschen,
die bereit waren, in die Polizeischule zu gehen, nicht hoch genug, nicht ausrei­chend genug, vor allem in Wien; auch nicht in Vorarlberg, möchte ich
noch dazu erwähnen, zum Teil auch in Tirol.


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Daher haben wir, das Innenministerium, die Landespolizeidirektionen gemeinsam mit den Bundesländern auch eine Personaloffensive gestartet, eine Perso­nalrekrutierung gestartet, damit wir mehr Personal bekommen, zusätzliches Per­sonal bekommen, damit ausreichend Polizei für die Gewährleistung der Sicherheit in diesem Land da ist.

Ich darf einige Punkte erwähnen, weil das dann auch noch Teil der Anfrage ist. Was sind die Maßnahmen, die wir im Bereich der Personaloffensive
gesetzt haben? – Ein wichtiger Punkt: Wir haben in der Polizeigrundausbildung das Grundgehalt erhöht. Wenn man Polizeischülerin, Polizeischüler ist,
bekommt man ein Grundgehalt. Und dieses wurde um 140 Euro netto mehr pro Monat im ersten Jahr, um 200 Euro netto mehr pro Monat im zweiten
Jahr erhöht. Das war eine ordentliche Erhöhung.

Wir haben begonnen, den Polizeischülerinnen und Polizeischülern das Klimaticket zur Verfügung zu stellen. Es gibt jetzt während der Polizeiausbildung die Möglichkeit, auch den Führerschein zu machen. Es gibt eine Werbe­prämie, also eine Polizistin, ein Polizist wirbt einen Jungen oder einen Querein­steiger an, Polizist zu werden.

Eine der Maßnahmen, die in der Öffentlichkeit im Übrigen am intensivs­ten diskutiert wurde, zum Teil mit der Personalvertretung, gebe ich offen und ehrlich zu, war, dass es jetzt auch möglich ist, sichtbare Tattoos, auf
dem Handrücken beispielsweise, zu tragen; natürlich nicht einen Totenkopf. Wenn man das Geburtsdatum der Tochter dort tätowiert hatte, war
das früher ein Hinderungsgrund, Polizist, Polizistin zu werden, jetzt darf man das.

Wir haben auch – das stimmt auch, Herr Kollege –, was den Werbeauf­tritt betrifft, neue Maßnahmen ergriffen: einen sogenannten Recruitingbus. – Sie mögen Marketingmaßnahme dazu sagen, aber es ist eben notwendig,
dass die Polizei bei den großen Berufsinformationsmessen präsent ist. Es ist notwendig, dass wir auch in den Schulen, in den Berufsschulen entspre­chend präsent sind, dass wir auf den Beruf der Polizistin, des
Polizisten hinweisen.


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Es gibt eigene Recruitingteams. Ich bin mir sicher, Sie haben schon viele davon getroffen: junge Kollegen, Kolleginnen im mittleren Alter, die über ihren
Beruf berichten, die zeigen, wie schön dieser Beruf ist.

All diese Maßnahmen wurden gesetzt, und ich sage hier an dieser Stelle: Diese Maßnahmen müssen fortgeführt werden. Wir haben einen Trend, der
derzeit in die richtige Richtung geht.

Einige wenige Zahlen: Es sind derzeit insgesamt 3 400 Menschen österreichweit in der polizeilichen Grundausbildung – Menschen aus Fleisch und Blut;
keine Vollbeschäftigungsäquivalente, sondern 3 400 Menschen aus Fleisch und Blut, die derzeit den Polizeiberuf erlernen. (Bundesrat Schennach: ... keine
Aliens!)

Ich habe angesprochen, dass die Personalsituation in Wien am schwierigsten ist. Das habe ich nie bestritten, das habe ich auch immer gesagt, und daher
bin ich gerade dem Wiener Bürgermeister sehr dankbar, dass wir in dieser Fra­ge – ich sage das so, wie es auch ist – nicht parteipolitisch agieren,
sondern über Parteigrenzen hinweg dafür sorgen, dass wir die Recruitingmaß­nahmen gemeinsam ergreifen.

Ein Recruitingbüro wurde am Praterstern eröffnet, ein Recruitingbüro
wurde in Wien im 1. Bezirk eröffnet, immer der Innenminister gemeinsam mit dem Bürgermeister von Wien. Weg mit der Parteipolitik in dieser Frage –
wir brauchen Polizistinnen und Polizisten für diese Stadt, das muss im Interesse von uns allen sein. Es ist unser Ziel und unsere Aufgabe, die Sicherheit
in dieser Stadt zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP sowie des
Bundesrates Schreuder.)

Auch in diesem Bereich ist einiges gelungen, und wir werden noch weitere Er­folge brauchen, nämlich noch mehr Polizistinnen und Polizisten. Im
ersten Halbjahr 2023 haben in Wien 83 Personen mit der Ausbildung begonnen, im ersten Halbjahr dieses Jahres 383. Es müssen aber noch mehr werden:


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Wir wollen bis Jahresende 1 000 für die Bundeshauptstadt Wien – nur als Bei­spiel sei das hier genannt.

Das heißt, offensichtlich beginnen die Maßnahmen zu greifen, aber der
Auftrag an uns ist, diese Maßnahmen fortzusetzen, damit wir dieses Ziel – 1 000 für Wien – mit Ende des Jahres auch erreichen. Österreichweit ist übrigens
das Ziel, 2 500 aufzunehmen.

Warum brauchen wir das – auch das sei an dieser Stelle gesagt; das ist
auch eine wichtige Botschaft, die ich an Sie habe, und ich bitte Sie, sie weiterzu­tragen –: Das Rückgrat der polizeilichen Arbeit sind unsere Polizeiinspek­tionen vom Neusiedler See bis zum Bodensee – sie sind das Rück­grat. Sie sichern die tägliche Präsenz, den direkten Kontakt mit der Bevölkerung. Natürlich brauchen wir aber auch die Spezialisten im Bundeskriminalamt,
in der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, gerade beim Thema Desin­formation und Spionage. Wir brauchen Fremdenpolizisten, die auch entsprechend ihre Arbeit machen. Es sind unterschiedlichste Aufgabenfelder, die es abzudecken gilt, von der Polizeiinspektion bis zum Generaldirektor
für die öffentliche Sicherheit. Das ist das Aufgabenfeld, das wir letztendlich haben.

Ja, die Laufbahnen unserer Polizistinnen und Polizisten sind unglaub­lich unterschiedlich: Der eine wird Bundesrat, der andere macht Karriere inner­halb der Polizei und möchte sich zur DSN verändern, möchte sich in der Landespolizeidirektion verändern, der andere möchte auf der Polizeiinspektion bleiben. Diese Möglichkeiten wollen und müssen wir unseren Polizistin­nen und Polizisten weiterhin eröffnen. Dazu stehen wir, dazu bekenne ich mich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Zwischenruf der
Bundesrätin Grimling.)

Ich komme jetzt zu den Zahlen, die sehr oft genannt worden sind. Ich ersuche Sie, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. (Bundesrat Schennach: Tun
wir eh nicht!)
Ich unterstelle Ihnen weder Absicht, noch will ich hier irgendwelche


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Excel-Vergleiche anstellen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das ist des ganzen
Themas nicht würdig.

Ich bitte Sie nur, dass man versucht, die Dinge ordentlich nebeneinander hinzu­legen, denn – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen – ich bin als Innenminister dazu verpflichtet, Anfragen selbstverständlich anfragegetreu zu beantworten. (Bundesrätin Schumann: Absolut!) Wenn Anfragen unter­schiedlich gestellt werden, welche Zahlen mit hineingerechnet werden sollen, beispielsweise im Jahr 2000 und im Jahr 2024 – Sie haben den Vergleich
mit diesen 4 000 gebracht –, wenn dahin gehend, welche Zahlen hineingerech­net werden sollen, eine andere Anfrage gestellt wird, dann muss ich
sagen, Sie werden auch in Zukunft – das sage ich hier an dieser Stelle, weil ich gesetzlich dazu verpflichtet bin – von mir unterschiedliche Zahlen
bekommen. Unterschiedliche Anfragen bedeuten auch unterschiedliche Zahlen. Dazu ist mein Haus verpflichtet, dazu bin ich verpflichtet, und dazu
stehe ich. (Bundesrätin Schumann: Wir wissen, was wir fragen!)

Um die Zahlen zu erklären – es wird heute noch sehr viele Zahlen geben –: Wenn man nach den Mitarbeiterzahlen der neun Landespolizei­direktionen fragt – nur als einfacher Vergleich –, dann bedeutet das nicht, dass das alle Polizistinnen und Polizisten in diesem Land sind – nur zur
Erklärung. Wir haben die Grenzpolizisten (Bundesrätin Schumann: Wir wissen schon, was wir fragen!), wir haben über 3 000 Polizeischülerinnen und Polizeischüler, die ab dem zweiten Ausbildungsjahr voll im Exekutivdienst ste­hen, wir haben die DSN, wir haben das Bundeskriminalamt, wir haben
die Cobra – viele, die tagtäglich für unsere Sicherheit da sind.

Warum erkläre ich das so detailliert? (Bundesrätin Schumann: Wir wissen, was wir fragen, Herr Bundesminister!) – Weil ich einfach den Appell, die Bitte habe,
dass man nicht mit höchst unterschiedlichen Zahlen versucht, zu verunsichern, und damit etwas behauptet, was so, wie es in dieser Frage ist, nicht
stimmt. Daher war es mir wichtig, das auch in dieser Deutlichkeit zu erklären.


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Sie werden jetzt wahrscheinlich in meiner Beantwortung wieder unter­schiedliche Zahlen hören, aber – ich wiederhole es, Frau Präsidentin – ich bin vor dem Gesetz verpflichtet, die Dinge wahrheitsgemäß, anfragegetreu zu beantworten. So, wie Sie fragen, wird jetzt auch alles von mir entsprechend beantwortet werden. Das bitte ich Sie einfach in die politische Debatte mitzunehmen, und ich bitte Sie wirklich – so wie das Bürgermeister Ludwig und ich in dieser Frage tun –, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass noch
mehr Menschen zur Polizei gehen. Es ist ein wunderbarer Beruf, es ist ein wun­derschöner Beruf. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP sowie des
Bundesrates Schreuder.)

Damit komme ich jetzt zur Anfragebeantwortung.

Zur Frage 1:

Ich darf auf meine Ausführungen von vorhin verweisen. Ich glaube, ich habe das bereits sehr ausführlich beantwortet.

Zur Frage 2:

Ich habe immer gesagt – das unterstreiche ich, das habe ich auch zuvor gesagt –, wir brauchen mehr Polizistinnen und Polizisten, daher auch die Rekrutierungsoffensive und die Attraktivierungsmaßnahmen, die ich ebenfalls skizziert habe. Der Personalstand der Polizei ist mit mehr als 32 000
auf einem Allzeithoch – auch das ist Faktum.

Ich darf nochmals festhalten, dass die SPÖ in den letzten Jahren unterschiedli­che Anfragen mit unterschiedlichen Anfrageparametern gestellt hat,
und ich wiederhole: Wir, das Innenministerium und ich als Innenminister, sind verpflichtet, die Dinge fragengetreu und auch wahrheitsgetreu zu
beantworten.

Zur Frage 3:

32 635 Polizistinnen und Polizisten.


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Zu den Fragen 4, 7 und 8:

Ich versuche, insofern zu präzisieren, als wir da den Gesamtpersonalstand neh­men – in der Frage ist nicht deutlich erklärt, welcher Personalstand ge­meint ist. (Bundesrätin Schumann: Doch!) 39 522 Personen, 37 874 als Vollbe­schäftigungsäquivalente, versehen ihren Dienst im Innenministerium.
In der Personalsektion des BMI wird nicht zwischen dienstbar
und nicht dienstbar – Vollbeschäftigungsäquivalente – unterschieden.

Zu den Fragen 5, 6, 9 und 10:

Statistische Zeitreihen werden zum Stichtag 1.1. des jeweiligen Jahres geführt. Eine Gegenüberstellung mit 1.6. ist daher nicht möglich. Ich darf daher
jeweils den 1.1. verlesen. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) 2018: 35 906, 34 536 in VBÄ – VBÄ ist Vollbeschäftigungsäquivalent, ich werde jetzt
immer das Kürzel verwenden –; 2019: 36 771 Personen, 35 385 in VBÄ; 2020: 37 680 Personen, 36 203 in VBÄ; 2021: 38 289 Personen,
36 814 in VBÄ; 2022: 38 521 Personen, 36 955 in VBÄ; 2023: 38 416 Personen, 36 768 in VBÄ.

Zu den Fragen 11 bis 15:

Die Einwohnerzahlen zu konkreten Stichtagen müssen von der Statistik Austria angefordert werden. Die Beantwortung wird daher schriftlich nachgereicht.

Zur Frage 16:

Es fanden seit 2018 keine Schließungen von Dienststellen statt. Es wurden aus­schließlich die notwendigen organisatorischen Maßnahmen – beispiels­weise Standortverlegungen und Fusionierungen – durchgeführt. Eine tabellari­sche Auflistung, zum Beispiel Verlegungen in neue, moderne Unterkünf­te, kann nur – ich möchte das an dieser Stelle deutlich sagen – mit unverhält­nismäßig hohem Administrationsaufwand und niemals in wenigen
Stunden durchgeführt werden. (Ruf bei der SPÖ: Was ist eine Fusionierung?)


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Zu den Fragen 17 und 18:

Polizeiarbeit findet im Außendienst bei der Bevölkerung statt. Parteienverkehrs­zeiten werden bedarfsorientiert und auch regional unterschiedlich festge­legt und angepasst. Anzeigen können zu jeder Tages- und Nachtzeit erstattet werden. Weitergehende Statistiken werden nicht geführt.

Zur Frage 19:

Neuaufnahmen 2018: 1 713; 2019: 2 092; 2020: 1 894; 2021: 1 582;
2022: 1 538; 2023: 1 834; Aufnahmen für das erste Halbjahr 2024: 1 311.

Die Aufteilung nach Bundesländern, wie gefordert, wird schriftlich nachgereicht. Darüber hinaus werden keine detaillierten Statistiken geführt.

Zur Frage 20:

2018: 1 074; 2019: 1 357; 2020: 1 391; 2021: 1 929; 2022: 1 720; 2023: 1 295; 2024 – bis Ende Mai –: 631.

Zur Frage 21:

Polizeischulen weisen grundsätzlich keinen systemisierten Stand auf. Zu den jährlichen Neuaufnahmen darf auf Frage 19 verwiesen werden.

Zur Frage 22:

Ich darf auf mein Eingangsstatement und die darin erwähnten Maßnahmen sowie Bewerberzahlen verweisen.

Zur Frage 23:

Alle.

Zu den Fragen 24 und 25:

Die legistische Zuständigkeit liegt beim Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport. Es finden laufend Gespräche der beiden Ministerien statt.


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Zur Frage 26:

Zusätzlich zur Rekrutierungsoffensive, die auf Frauen und Männer auf
gleiche Weise abzielt, werden auch gezielt Veranstaltungen – beispielsweise der Girls’ Day – mit der Zielgruppe Frauen durchgeführt. (Bundesrätin Schumann: Jessas na, der Girls’ Day!)

Von 2015 bis 2024 konnte der Frauenanteil der Exekutivbediensteten um rund 10 Prozent auf 25 Prozent gesteigert werden. Insgesamt liegt der Frauen­anteil im BMI bei 31 Prozent. (Bundesrätin Schumann: Mit dem Ministerium, oder?) Mit 1. April 2024 wurde auch das Referat Frauenkarrieren speziell zur
Erhöhung und Förderung des Frauenanteils bei der Polizei, vor allem bei Frauen in Führungspositionen, geschaffen.

Zur Frage 27:

Vor der Auslieferung der Schutzwesten haben umfangreiche Testungen stattgefunden, auch Modelle für weibliche Bedienstete wurden getestet. Die Ex­pert:innen des BMI haben sich aufgrund dieser Testungen für individuell
und persönlich angepasste Modelle entschieden. Modelle mit anatomischer Brustausformung wurden einstimmig abgelehnt.

Zur Frage 28:

Die Rekrutierungsoffensive spricht bewusst alle Altersgruppen an. Das
zeigt auch die Altersverteilung bei den Bewerbungseingängen: 23,6 Prozent gehören der Altersgruppe 26 bis 35 Jahre sowie 8,4 Prozent der Altersgruppe 36 bis 45 Jahre an. Der Altersgruppe über 45 Jahre sind immer noch rund
3 Prozent der Bewerbungseingänge zuzuordnen.

Ja, Quereinsteiger mit Berufs- und Lebenserfahrung bereichern die Polizei, wes­halb wir in laufenden Verhandlungen mit dem Bundesministerium für
Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport ein attraktives, konkurrenzfähiges Gehaltsschema fordern.


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Zur Frage 29:

Nein.

Zu den Fragen 30 und 32:

Folgende altersbedingte Abgänge von Exekutivbediensteten werden erwartet: im Jahr 2024 958, im Jahr 2025 919, im Jahr 2026 878, im Jahr 2027 842,
im Jahr 2028 845. Die Aufteilung nach Bundesländern wird schriftlich nachgereicht.

Zu den Fragen 31 und 33:

Keine. Es werden, wie in den vergangenen Jahren, alle Abgänge ersetzt.

Zur Frage 34:

Nein.

Zur Frage 35:

Die Anzahl der Exekutivbediensteten mit herabgesetzter Wochendienstzeit bei den Landespolizeidirektionen beträgt 1 857 Personen. Die Aufteilungen
nach Bundesländern und Gründen werden schriftlich nachgereicht.

Zur Frage 36:

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die langfristige Personalbindung an die Organisation
sind Ziele meines, unseres Ressorts. Möglichkeiten zur Herabsetzung der regel­mäßigen Wochendienstzeit bestehen. Es darf diesbezüglich auf die gesetz­lichen Regelungen im BDG verwiesen werden.

Die Personalplanung, und damit der Stellenplan des Bundes, berücksichtigt auch Teilzeitkräfte. Es wird daher auch zwischen Personen und VBÄ, Vollbe­schäftigungsäquivalenten, unterschieden.


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Zur Frage 37:

Die Polizei ist und soll auch ein Querschnitt der Bevölkerung sein. Die Polizei steht in der Mitte unserer Gesellschaft und die Polizei kommt aus der
Mitte unserer Gesellschaft.

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.35


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäfts­ordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten be­grenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile
ihr dieses.


15.36.10

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werter Herr Bun­desminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Herr Bundesminister, man braucht nicht so viel Angst vor Zahlen zu haben. Diese x-malige Betonung, dass das mit den Zahlen doch vielleicht
nicht so - - Nein, es geht uns ganz konkret um Fragen. Jede Frage,
die wir stellen, hat einen Hintergrund.

Ich glaube, was uns alle verbindet, ist das Bekenntnis dazu, dass die Menschen in diesem Land ein Recht auf Sicherheit und auf ein Gefühl der Sicherheit
haben. Das ist uns ganz wichtig. Auf der anderen Seite ist es uns ganz besonders wichtig, dass jene Berufsgruppe, die für uns alle ihre Gesundheit aufs Spiel
setzt, sogar ihr Leben aufs Spiel setzt, die bestmöglichen Arbeitsbedin­gungen hat. Dafür werden wir uns einsetzen und das ist Sinn und Zweck dieser Dringlichen Anfrage. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Polizei ist vielfältig. Es sind Frauen und Männer. Es sind Personen aus
allen Altersgruppen in der Polizei beschäftigt. Es sind unsere Nachbarn, unsere


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Freunde, unsere Bekannten, unsere Verwandten. Sie (in Richtung Bundes­minister Karner) haben es gesagt – und das ist natürlich richtig –, die
Polizei rekrutiert sich aus der Mitte der Gesellschaft.

Die Polizei hat extrem hohe Vertrauenswerte, und zwar – zwischen 2020 und 2023 gleichbleibend – von fast 80 Prozent. Das resultiert daraus, dass
die Polizei eine Vielzahl von Aufgaben hat, die in ihrer Vielfalt nur sehr selten angenehm sind für jene, die in diesen Bereichen beschäftigt sind – sei
es für Strafen im Straßenverkehr, sei es bei Notfällen oder sei es auch bei Ge­walttaten, bei denen sie eingreifen müssen und wie gesagt für uns
ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen. Die Bevölkerung vertraut der Polizei, weil sie sich ihres Wertes bewusst ist, weil die Menschen wissen,
dass Polizeipräsenz ihnen in ihrem Lebensumfeld Sicherheit gibt.

Das ist es, worauf wir abzielen, daher auch die Fragestellung nach dem dienstbaren Beschäftigungsäquivalent, Herr Bundesminister. Es geht darum: Wie viele Menschen, wie viele Beschäftigte in der Polizei spüren die Menschen
auf der Straße, in ihrem Bezirk, in ihrem Land, in ihrer Gemeinde? – Darum geht es. Dieses spürbare Gefühl, dass die Polizei da ist – und wenn ein Notfall
ist, dann sind sie für mich da und unterstützen mich und werden jene bekämpfen, die nicht bereit sind, für Ordnung zu sorgen oder auf Ordnung zu schauen –, das ist so wichtig.

Da sind die Zahlen zurückgegangen und das macht uns – völlig berech­tigt – Sorgen. 4 000 Polizistinnen und Polizisten weniger heißt, wir brauchen einfach 4 000 Polizistinnen und Polizisten mehr. So ist es! (Bundesrat
Zauner:
Es wird nicht wahrer, wenn man es wiederholt!) Wir haben ganz große Abgänge. (Bundesrat Zauner: Es wird nicht wahrer, wenn man etwas Fal­sches wiederholt! – Bundesrätin Hahn: Zuhören, Herr Kollege!) – Na, Sie kommen ja dann zu Wort, Herr Bundesrat Zauner. Jetzt nicht so aufgeregt sein!
(Bundesrat Zauner: Der Herr Minister hat ...! – Bundesrat Buchmann: Ja, aber er hat es ja gerade erklärt!) – Der Herr Minister darf dann auch noch einmal re­den, das ist keine Frage. Jetzt rede einmal ich und führe aus, warum wir die


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Dringliche machen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) So ist das, ganz klar gesagt.
(Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Doppler.)

Also: Wir sagen, es fehlen Polizistinnen und Polizisten. Ganz ehrlich, das ist doch eindeutig, wenn ich die Anzahl der Überstunden sehe. Was sagen Sie, liebe Bundesrät:innen, liebe Zuseherinnen und Zuseher, wenn ich 10 Millio­nen geleistete Überstunden in einem Jahr angeben kann? Was heißt das? Heißt das, wir haben genug Personal? Ist das die logische Folgerung?!

Ich sage Ihnen ehrlich: Für mich als Gewerkschafterin heißt das, das ist
nicht genügend Personal. (Beifall bei der SPÖ.) 10 Millionen Überstunden bedeu­ten 373,78 Stunden pro Jahr mehr zum ganz normalen Dienst. Das heißt,
wir haben ein Personalproblem, ganz eindeutig; und wir haben ein
Problem in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch das hören wir aus der Polizei, wir sprechen ja mit den Beschäftigten. Das ist ja
nicht irgendwo hergeholt, sondern das ist die Lebensrealität von Polizistinnen und Polizisten.

Wir haben also zwei Teile: Wir haben auf der einen Seite das Recht der Bevölkerung auf die spürbare Sicherheit durch die Präsenz der Polizei. – Sie haben Polizeidienststellen geschlossen, Sie haben die Personaldecke
der Polizei ausgedünnt. 10 Millionen Überstunden bedeuten eine unglaubliche Belastung. Polizistinnen und Polizisten arbeiten rund um die Uhr, in der
Nacht, am Sonntag, am Feiertag – die sind einfach da! –, und wir wissen auch, dass das Grundgehalt bei der Polizei, und das ist ein großes Problem,
zu niedrig ist; die Überstunden sind sozusagen das, was sie noch brauchen, um ein ordentliches Gehalt zu erreichen. Das heißt, da wäre dringend etwas
zu tun.

Natürlich unterstützen wir das Volksbegehren seitens der Polizistinnen und Polizisten, die sagen: Hallo, da ist etwas zu tun, es ist einfach zu wenig
Personal da! – Ich freue mich natürlich, Herr Bundesminister – keine Frage –, es ist super, wenn es Rekrutierungsmaßnahmen gibt, und es ist super,


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wenn das gemeinsam mit der Stadt Wien gemacht wird, weil in der Stadt Wien 1 500 Polizistinnen und Polizisten fehlen, ganz eindeutig – aber das ist
zu wenig.

Ganz ehrlich gesagt: Die ÖVP ist seit 22 Jahren in der Funktion des Innenminis­ters vertreten, 22 Jahre! (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Schön, jetzt machen wir
ein Rekrutierungsgschichtl, aber wir alle wissen, wie sich der Personalstand in der Polizei verändern wird. Wir wissen, zu welchen Pensionsabgängen
es kommen wird, und wir wissen, dass da zu wenig getan wurde.

Natürlich gibt es neue Aufgaben, völlig richtig: Wir müssen in der Frage der Cybersicherheit präsent sein, wir müssen viele neue Aufgabenstellun­gen angehen, aber gleichzeitig sagen wir, wir müssen bei den Menschen vor Ort sein, weil das das Sicherheitsgefühl vermittelt, das sie brauchen. Ganz
ehrlich: Ich möchte nicht und wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten möchten nicht, dass bei den Menschen so ein Unsicherheitsgefühl entsteht,
ein Angstgefühl aufkommt: Oje, traue ich mich noch hinaus auf die Straße, kann ich am Abend hinausgehen? Kann ich einfach mein Leben? Muss ich Angst haben?

Angst ist kein guter gesellschaftlicher Motor, sondern ist etwas, das abgeschafft und abgestellt werden muss – und die Präsenz von Polizei nimmt der Be­völkerung auch die Angst. Angst und Wut und Sorge zahlen nicht auf demokrati­sche Strukturen ein, sondern zahlen nur auf jene ein, die Verunsicherung
wollen und die gerne das System sprengen wollen – und das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt: Tun wir etwas für die Polizei! Helfen wir den Menschen, dass
sie sich sicher fühlen, dass sie nicht glauben: Ich muss ja, bis die Polizei kommt, weil Polizeidienststellen geschlossen worden sind (Bundesrat Zauner: Das
stimmt überhaupt nicht ...! – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann),
am Land ei­ne halbe Stunde warten, bis da wer kommt! – Geben wir ihnen das
Gefühl, sie können an allen Orten, überall, gut durch die Stadt gehen! Geben wir


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ihnen das Gefühl! (Bundesrat Zauner: Das ist ja nicht faktenbasiert!) – Herr
Zauner, regen Sie sich nicht so auf, Sie kommen ja eh gleich dran! (Zwischenruf des Bundesrates Zauner.) – Alles in Ordnung! Lassen Sie mich meine Rede
halten! So ist es mit der Demokratie. Nicht so viel aufregen, machen
Sie sich nicht so viele Sorgen! Der Herr Minister hat sich viel weniger Sorgen gemacht, als Sie sich jetzt machen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie, wir sind uns ja alle einig: Wir wollen mehr Sicherheit für die Men­schen und wir wollen bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftig­ten bei der Polizei, für die Polizistinnen und Polizisten, weil sie Tolles leisten.

Ich kann Ihnen Geschichten von Polizistinnen und Polizisten erzählen –
und ich komme aus dem öffentlichen Dienst –: Sie sehen Dinge und erleben Dinge, die wir alle nicht sehen möchten und die wir alle nicht erleben
möchten, ganz eindeutig nicht. (Ruf bei der FPÖ: Darum wählen sie blau!) Da werden Dinge gesehen – da sind wir froh, dass wir die Polizei haben,
die das übernimmt. Sie müssen dann mit den Dingen fertigwerden (Bundesrat Spanring: Die ihr verschuldet habt! Eure Politik!), sie müssen die Dinge
verarbeiten, und dafür können wir nur dankbar sein. (Bundesrat Himmer: So ist es! Da sind wir uns aber alle einig!) Da wollen wir ihnen nicht noch 10 Millionen Überstunden aufs Auge drücken. Das ist nicht der Weg, den wir gehen wollen.

Wir wollen einen guten Personalpolster, damit sie gute Arbeitsbedingun­gen haben. Wir wollen ein gutes Grundgehalt für sie, damit sie nicht Überstun­den machen müssen, weil sie das sozusagen dringend brauchen, und
wir wollen, dass sie Beruf und Familie vereinbaren können, genauso wie andere Berufsgruppen auch.
Es soll möglich sein, Kinder zu haben, und es soll
möglich sein, Beziehungen zu führen, auch neben dem Dienst in der Polizei. Das ist ganz, ganz wichtig, weil alle ein Recht auf ein Privatleben haben und
alle ein Recht darauf haben, ihr Berufsleben so zu führen, dass sie nicht höchste Belastungen haben.


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Noch einmal: Wir unterstützen natürlich das Volksbegehren und wir
stellen einen Entschließungsantrag – der Bundesrat wolle beschließen –; die Bundesrät:innen Korinna Schumann, Dominik Reisinger, Michael Wan­ner, Genossinnen und Genossen stellen folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich fehlen 4.000 Polizist:innen“

Der Bundesrat wolle beschließen – jetzt habe ich mich wiederholt, auch
nicht gescheit, aber so ist es –:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, umgehend auf die prekäre Personalsituation bei der Poli­zei zu reagieren und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ein Maßnahmenpakt zuzuleiten, mit der die Attraktivität des Polizeiberufes nachhaltig gestei­gert werden kann.“

*****

Ganz ehrlich: ein einfacher Antrag, ein fairer Antrag, ein Antrag, bei dem wir alle mitgehen können. Da brauchen wir keine fraktionellen Grenzen, wie der
Herr Bundesminister das ja schon so wunderbar ausgeführt hat. Machen wir das doch gemeinsam! Stellen wir uns gemeinsam hinter die Polizistinnen und Polizisten und geben wir ihnen bessere Bedingungen (Beifall bei der SPÖ), denn die Sicherheit muss uns viel Geld wert sein!

Wir wollen nicht, dass Polizistinnen und Polizisten überlegen: Ob ich in
diesem Berufsfeld bleibe, das weiß ich nicht wirklich! – Ich habe mit vielen ge­sprochen, die gesagt haben: Wenn sich für mich eine andere Chance
ergibt, dann werde ich dieses Berufsfeld verlassen! – Das ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen ein attraktives Berufsfeld Polizei für junge Menschen,


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das ihnen alle Chancen gibt, und wir wollen sie in dieser Beschäftigung halten – auch das ist wichtig –, Männer wie Frauen, das ist unser Ziel.

Bitte unterstützen Sie unseren Antrag! Da geht es nicht um Parteipolitik (Ruf bei der ÖVP: Nein!), da geht es um die Beschäftigten in der Polizei, und da
können wir alle gemeinsam zusammenhalten (Bundesrat Himmer: Es geht auch nicht um Personalvertretungspolitik! Überhaupt nicht!), wie der Herr Bundesminister schon so wunderbar ausgeführt hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47


Vizepräsident Dominik Reisinger: Der von den Bundesräten Korinna
Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag be­treffend „Österreich fehlen 4.000 Polizist:innen“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen in der Debatte weiter. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Philipp Kohl. Ich erteile ihm dieses.


15.48.04

Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrter
Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nichts im Leben ist Zu­fall, so lautet ein altes Sprichwort, das heute aktueller ist denn je. Lassen Sie mich einige Fragen stellen und Fakten präsentieren.

Ist es Zufall, dass die SPÖ Burgenland genau einen Tag vor der Bundes­ratssitzung einen Presseartikel über die Vorwürfe gegen Bundesminister Karner bezüglich Personalmangel bei der Polizei veröffentlicht hat? (Ruf bei der
SPÖ: Ja! – Ruf bei der ÖVP: Nein!)
Ist es Zufall, dass bei der heutigen Landtagssit­zung im Burgenland eine Dringliche Anfrage der SPÖ zu exakt diesem
Thema eingebracht wurde? (Bundesrätin Schumann: Nein, wir sind gscheit! – Ruf bei der SPÖ: Wo ist das Problem? Wo, bitte, liegt das Problem?) Ist es Zufall,


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dass die Bundes-SPÖ nachzieht und heute im Bundesrat ebenfalls eine Dringli­che Anfrage zu genau diesem Thema einbringt? – Meine Damen und
Herren, nichts im Leben ist Zufall! (Beifall bei der ÖVP.)

Woher kommt dann wohl diese Anfrage? (Rufe bei der SPÖ: Sherlock! Messer­scharf ...!) – Wo Reisinger, Schumann und Wanner draufsteht, ist der Landeshauptmann von Burgenland drinnen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Und dass der Bundesparteivorsitzende bei dieser Dringlichen Anfrage
nicht im Saal ist, ist auch ein Zeichen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.)

In diesem Zusammenhang möchte ich einen Ausschnitt aus einem Artikel einer Bezirkszeitung aus dem Burgenland vorlesen und so auf den Ursprung
dieser Dringlichen Anfrage reagieren:

„Landespolizeidirektion antwortet auf Personalmangel-Vorwurf“ steht da drin­nen. Ein Auszug:

„Die Landespolizeidirektion Burgenland antwortet damit, dass es keine Personallücken gibt. Man sei ,überdurchschnittlich gut aufgestellt und zukunfts­fit. Bundesweit erfolgreiches Recruiting spült viele Interessierte in die Polizeischule in Eisenstadt und füllt die Klassenzimmer. So werden nicht nur kurzfristige Personalengpässe, sondern auch Pensionsabgänge bereits
im Vorfeld erfolgreich ausgeglichen‘“. (Bundesrat Kovacs: Danke schön! – Ruf bei der SPÖ: Danke!) – Sie können es dann gerne nachlesen.
(Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Zahlen in der Dringlichen Anfrage: Es gibt eine Erklärung für den Unterschied von den 4 000 Polizisten, die ja jetzt ungefähr 4 000 Mal erwähnt worden sind (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP), und die besagt ganz
klar: Bis zum Jahr 2020 wurde bei der serienmäßigen Abfrage des SPÖ-National­ratsklubs über den aktuellen Personalstand der österreichischen Polizei


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auch immer der aktuelle Stand an Polizeischülerinnen und -schülern und sämt­licher Vertragsbediensteten mit Sondervertrag abgefragt. Seit dem
Jahr 2021 werden die Polizeischüler und Vertragsbediensteten mit Sonderver­trag nicht mehr mit abgefragt. Daher ergibt sich ein Minus von
4 000 Personen. (Bundesrätin Schumann: Was?)

Bei gleicher Abfrage mit den gleichen Parametern wie 2020 ergäbe sich
im angesprochenen Zeitraum im Vergleich zum Jahr 2020 für das Jahr 2024 ein Plus von rund 250 Vollbeschäftigten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat
Kovacs: Der Applaus war länger als die Rede, ich sag’ es nur so nebenbei! – Bundesrat Schennach: Und der Dosko ...!)

15.51


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Gün­ter Pröller zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


15.52.07

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher hier im Saal und vor den Bildschirmen! Herr Kollege Kohl, ob die Dringliche Anfra­ge vom Burgenland abgeschrieben worden ist oder von wem immer, Faktum ist, dass sie notwendig ist! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Sie ist notwendig nicht nur wegen der 4 000 Polizisten, die vielleicht
fehlen, sondern vor allem aufgrund der täglichen Horrormeldungen von Mas­senschlägereien, Messerstechereien, sexuellen Belästigungen und vielem, vielem mehr – und das kann man nicht mehr akzeptieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Innenminister! Handeln Sie endlich im Sinne der Sicherheit und machen Sie nicht immer Showpolitik wie beim Reumannplatz – Stichwort Messerver­bot. Sie haben es gewusst, die Alternative ist (Bundesminister Karner ein Schrift­stück zeigend): Man macht es mit dem Gürtel. – Das bringt also nichts,
wenn man da etwas macht. Diejenigen, die die Messer mithaben, werden sie weiterhin mithaben. (Bundesminister Karner: Das ist nicht lustig!) – Das


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 235

ist nicht lustig, vollkommen richtig. Daher ist es notwendig, dass wir gegen diese Personen, die so mit uns umgehen, etwas machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die illegale Migration in unserem Land geht munter weiter. Es vergeht in unse­rem Land kein Tag ohne Gewalt durch Asylwerber. (Bundesrätin Schu­mann: Geh!) Diese Bundesregierung versagt seit Jahren in der Asyl- und Migra­tionspolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir fordern daher schon seit Jahren mehr Polizisten, vor allem sichtbar
auf den Straßen, und auch bessere Arbeitsbedingungen für unsere Polizisten – es ist schon angesprochen worden –, von einem neuen Dienstrecht
über mehr Gehalt bis hin zu vor allem auch mehr Familienfreundlichkeit. Die An­zahl der Überstunden zeigt uns allen, unter welchen Belastungen die Bediensteten stehen.

Die Sicherheit für Österreich ist uns sehr wichtig, sie ist sogar allen wichtig, bei der Sicherheit dürfen wir nicht sparen. Wir brauchen dringend einen
Asylstopp, die Wiedereinführung von Ausreisezentren sowie ein Übergehen zur Gewährung von reinen Sachleistungen. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Beim Thema Asyl gibt es leider auch auf EU-Ebene nur große Ankündigungen, aber es fehlt die Umsetzung. Das Bundesheer und die Polizei kommen
oft an ihre Leistungsgrenzen und riskieren Verletzungen oder sogar ihr Leben für unsere Sicherheit. Ich bedanke mich daher einmal bei allen, die sich tagtäg­lich für unsere Sicherheit einsetzen, für ihren täglichen Einsatz für unsere Sicher­heit: Recht herzlichen Dank! (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Kovacs.)

Wir haben es schon angesprochen, die Personalsituation bei der Polizei ist sehr beunruhigend. Es wird laut Information des Herrn Ministers sehr viel
getan, um zu rekrutieren. Die wichtige Arbeit der Polizei kann nicht aufgescho­ben werden, sie kann aber auch nicht geleistet werden, wenn ein Mangel


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an Polizisten besteht, denn es leiden ja auch die im Dienst stehenden Kolleg:in­nen an massiven Problemen, wie gesagt an den Überstunden. Der Mangel schlägt sich überall nieder.

Herr Minister! Die aktuellen Verbrechen verunsichern die Österreicher, vor al­lem die Frauen sind immer mehr bedroht. Es ist keine Überraschung,
dass die Österreicher in großer Mehrheit Schwierigkeiten im Zusammenleben mit Migranten sehen, wenn man sich die schrecklichen Einzelfälle allein
nur in den letzten vier, fünf Tagen anschaut – jedem ist bekannt, was da war –: „Massenschlägerei vor Lokal: Fünf Verletzte“, „Blutige Attacken mit
Fäusten und Messern“, „Wieder Messerstecherei in Favoriten – Opfer notope­riert“, „Bande zückt im Freibad Waffe – jüngster Angreifer erst 10!“ und
vieles, vieles mehr.

Herr Minister! Das Zusammenleben ist wie gesagt schon sehr schwierig. Ich fra­ge mich immer wieder: Wie würde es Ihnen persönlich gehen, wenn es
direkt in Ihrer Familie solche Schicksale gäbe? Ob Sie auch dann noch so reagie­ren würden? Ich glaube nicht. Wie bereits erwähnt werden die Gewalt­verbrecher auch immer jünger – ich verweise auf die steigende Anzahl von unter 14-jährigen Straftätern. Auch da besteht dringender Handlungsbedarf.

Die Menschen wünschen sich Sicherheit und vor allem, dass die Migranten unse­re Werte anerkennen und danach leben. Es sei deutlich gesagt: Wer unse­re Regeln, unsere Werte nicht anerkennen will, Straftaten verübt, der
muss unser Land wieder verlassen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Schumann. – Bundesrätin Schumann: Stimmt!)

Diese Bundesregierung hat auf allen Ebenen versagt und gefährdet die Sicherheit unserer Österreicher. Herr Minister, setzen Sie die notwendigen und grundlegenden Reformen im Interesse der Österreicher um! Derzeit sehe
ich nur bei der FPÖ die politische Kraft und den Mut, wirklich Grundsätzliches im Sicherheitsbereich und an der katastrophalen Asylpolitik ändern zu wollen. (Bundesrätin Schumann: Das glaub’ ich nicht!) Unsere Haltung ist klar: Wir stehen


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auf der Seite der österreichischen Bevölkerung und werden für ihre Sicherheit eintreten.

Am 29. September haben Sie, geschätzte Österreicher und Österreicherinnen, es selbst in der Hand, mit Ihrer Stimme für die FPÖ unter Herbert Kickl für
mehr Sicherheit, Freiheit und auch für mehr Neutralität zu sorgen, damit wieder Frieden in Europa herrscht. (Beifall bei der FPÖ.)

15.57


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Ich darf darüber informieren, dass der Herr Bundesminister jetzt
in den Hauptausschuss muss und den Bundesrat verlassen wird. – Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


15.58.09

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Wien sagt man: Jetzt reden wir in ein Sackerl und stellen es vor die Tür!, aber das passt schon.

Ja, vielen Dank für die Dringliche Anfrage. Auch wir haben sofort gesagt:
Aha, das kommt aus dem Burgenland, von der SPÖ Burgenland, das
war uns auch klar. Aber sei’s drum. Ich finde es ja okay und gut, dass wir über dieses Thema sprechen, denn es ist ja ein wichtiges Thema, und das
kann man auch ganz offen so sagen. Es ist ja auch wichtig, zu sagen, dass jeder junge Mensch, der oder die zur Polizei kommen möchte, willkommen ist,
denn es ist ein schöner Beruf, es ist ein sozialer Beruf, es ist ein Beruf, der für das Zusammenleben unserer Gesellschaft ganz enorm wichtig ist.

Gleichzeitig wissen wir natürlich auch, wie schwierig der Arbeitsmarkt
ist. Man kennt das an allen Ecken und Enden. Davon sind ja nicht nur die Poli­zistinnen und Polizisten betroffen, sondern zum Beispiel auch die Justiz-


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wache. Herr Kollege Spanring kann das sicher auch bestätigen: Das­selbe Problem gibt es auch in der Justizwache, wo es sehr schwer ist, Menschen zu finden, die diesen Job machen wollen. Es ist beim Bundesheer so,
es ist in Gesundheitsberufen so, es ist bei Pädagoginnen und Pädagogen so, es ist in vielen Bereichen so, weil natürlich der Bund auch hier in einem Wettbewerb steht mit dem Arbeitsmarkt, mit der Wirtschaft, mit vielen anderen Bereichen.

Eines hat sich auch verändert, und das darf man, glaube ich, gar nicht unterschätzen: Der Anspruch, den Menschen an einen Job stellen, ist gerade auch seit der Pandemie durchaus ein anderer geworden. Der Wunsch,
einen Teil im Homeoffice zu machen und dergleichen, ist natürlich gerade für solche Berufe, in denen es schwer möglich ist, einen solchen Homeoffice­mix zu machen, wie eben zum Beispiel bei der Exekutive oder bei
der Justizwache oder bei anderen, durchaus schwer zu erfüllen. Umso wichtiger ist es, diesen Job auch für junge Menschen attraktiv zu gestalten, damit
man überhaupt einmal darüber nachdenkt, dass man diesen Job
ergreifen könnte. Deswegen finde ich es ja gut, dass es solche Rekrutierungsbus­se gibt, die zu den Berufsmessen kommen, dass man in die Schulen
geht und dass man auch von den Möglichkeiten erzählt, die dieser Job bietet.

Natürlich lohnt es sich aber schon auch, dort hinzuschauen: Woran
könnte es denn hapern? Was könnte Menschen daran hindern, sich für die Exe­kutive zu bewerben? Da zerbrechen sich im Ministerium viele die Köpfe,
der Herr Minister zerbricht sich den Kopf, wir in den Parteien zerbrechen uns die Köpfe, unsere Referent:innen zerbrechen sich die Köpfe darüber, und
natürlich zerbrechen sich auch sehr viele Menschen innerhalb der Exekutive die Köpfe darüber. Da wäre es natürlich schon auch interessant, darüber nachzudenken: Welche Aufgabe hat die Exekutive und welche Aufgaben über­nimmt derzeit die Exekutive, deren Erfüllung auch woanders denkbar
wäre? Was sind zum Beispiel Aufgaben, welche die Exekutive derzeit über­nimmt, die allerdings durchaus Aufgaben von Sozialarbeitern und


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Sozialarbeiterinnen wären? Was sind die Aufgaben, welche zum Beispiel viel mehr Aufgabe von Gesundheitsberufen wären?

Wir muten den Exekutivbeamten ja sehr viel zu. Sie müssen sehr viele
soziale Aufgaben übernehmen. Wenn wir schon über das Burgenland reden, darf man sich aber auch die Frage stellen, ob Exekutivbeamt:innen zum Bei­spiel bei einer Operation Fox in Ungarn wirklich gut aufgehoben sind. Man darf die Frage stellen, ob es wirklich klug ist, für Ungarn Schlepper zu fangen,
die dann in Ungarn eh sofort wieder freigelassen werden, und ein Asylrecht zu unterstützen, für das Ungarn von der EU Strafen in Millionenhöhe
bekommt, weil es nicht EU-rechtskonform ist.

Zu den Zahlen, die von der SPÖ genannt worden sind, ist schon viel gesagt wor­den. Ich möchte davon jetzt nicht allzu viel wiederholen. Die Probleme
des Arbeitsmarkts habe ich auch schon erwähnt: Die Abgänge der Babyboomer­generation sind in allen Branchen ein riesiges Problem. Gerade deswegen
haben wir ja auch in unserer Regierungszusammenarbeit immer
wieder ganz stark auf solche Ausbildungsplätze geschaut, haben darauf ge­schaut, dass es vor allem auch eine Förderung für Mehrsprachigkeit in der Polizei gibt, dass man Menschen mit migrantischem Background in die Polizei
bekommt, dass man vor allem auch Frauen anspricht, in die Polizei zu kommen.

2023 wurden 1 100 neue Personen im Polizeidienst aufgenommen,
450 schieden aus. Das sind die Zahlen für 2023.

Eine Verzerrung möchte ich schon auch noch kurz erwähnen, weil das in der Dringlichen Anfrage der SPÖ so erwähnt worden ist: Es wird dort
Favoriten, ein Wiener Bezirk, mit Graz und Linz verglichen. – Mir ist kein Be­schluss des Wiener Landtages bekannt, dass man die 23 Bezirke jetzt
in einzelne Städte aufteilen würde, und deswegen finde ich diesen Vergleich auch wirklich ein bisschen schwierig, weil man da natürlich nur die,
die in Favoriten stationiert sind, zählt. Es gibt aber so viele Polizistinnen und Polizisten in Wien, die man nicht einem Bezirk zuordnen kann, wie


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Wega oder Cobra oder Spezialbedienstete in der Verkehrs- oder in der Kri­minalpolizei. Diese kann man nicht einem Bezirk zuordnen, sie sind
aber trotzdem in Wien. Nichtsdestotrotz, das ist ja auch gesagt worden, haben wir natürlich in Wien einen Mangel an Polizeibeamtinnen und -beamten.
Das sagen wir ja alle, das wissen wir auch alle. Wir alle wissen, dass wir etwas dagegen tun müssen.

Ich möchte schon auch noch einmal sagen, dass sich für den Ausbildungsstart für den Polizeidienst im Juni 2023 1 068 Personen beworben hatten, im De­zember 2023 gab es 3 226 Bewerberinnen und Bewerber. Ich finde, das ist eine noch nicht ausreichende, aber eine gute Zahl.

Meine Damen und Herren! Den Dienst bei der Polizei attraktiver zu
machen ist für uns alle eine wichtige Aufgabe. Im Übrigen bin ich aber der Meinung, dass Maßnahmen für die soziale Sicherheit, Perspektiven
für die Jugend, eine sachorientierte Politik und Zukunftsfähigkeit die beste Sicherheitspolitik sind. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

16.04


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm das Wort.


16.04.54

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bundesminister Karner hat ja zumindest noch gesagt, es fehlt etwas, man muss sich bemühen, man muss schauen, dass man
Personal herbekommt. Er hat nicht so wie Kollege Kohl gesagt, dass eh alles in Ordnung ist. – Da ist nicht alles in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich sehe, dass tatsächlich 4 000 Polizisten fehlen, dass wir 10 Millionen Überstunden haben und dass dann solche Schlagzeilen in einer Abend-


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ausgabe der „Kronen Zeitung“ österreichweit zu lesen sind (eine Kopie der Titel­seite einer Ausgabe der „Kronen Zeitung“ mit der Schlagzeile „Polizisten immer
mehr am Limit“ in die Höhe haltend),
dass die Polizisten am Limit sind – und das im März –, dann muss ich sagen, man sollte etwas leiser treten und an der
Lösung des Problems mitarbeiten.

Unsere großartigen Polizisten machen eine tolle Arbeit. Ich weiß eh, da applau­dieren wir dann alle, weil die so klass arbeiten, aber letzten Endes ist es
wirklich kein Zufall, dass wir über die Sicherheit reden. Es ist eine Notwendig­keit, dass wir darüber reden! (Die Titelseite erneut in die Höhe haltend:)
Es ist eine Notwendigkeit, weil die Polizisten am Zahnfleisch daherkriechen (Beifall bei der SPÖ); und das kommt nicht von der SPÖ.

Seien wir froh, dass wir das drittfriedlichste Land sind! Das heißt aber immer noch nicht, dass wir das drittsicherste Land sind.

Jetzt muss ich doch ein bisschen in die Vergangenheit zurückgehen.
Wenn jemand fast ein Vierteljahrhundert das Innenministerium hat – und jetzt nehme ich die FPÖ aus; komisch, dass das von mir kommt: Kickl hat
zumindest geschaut, dass das Personal nachbesetzt wird (Bundesrat Buchmann: Und die Pferde! – Bundesrätin Doppler: Und die Stichwesten ...!); noch
einmal: lobt euch nicht zu viel, freut euch über das, was ich gesagt habe! (Hei­terkeit des Bundesrates Schmid) –, wenn die ÖVP fast ein Vierteljahrhun­dert das Innenministerium hat, ergibt sich: Die ÖVP ist verantwortlich für die Schließungen der Polizeidienststellen unter Strasser. (Beifall bei der SPÖ.)

Daran kann man sich wahrscheinlich gar nicht mehr erinnern: Er hat eine nach der anderen zugesperrt, bis sie ihn dann selber eingesperrt haben. Dann
waren da Sobotka, Nehammer (Bundesrat Steiner: Mikl-Leitner!), da ist jetzt Kar­ner, und eine derjenigen, die am meisten zugesperrt haben, war die, die
jetzt am meisten nach Sicherheit schreit: Mikl-Leitner (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ): neun Dienststellen in Salzburg, 21 Dienststellen in Oberösterreich, elf Dienststellen im Burgenland, 22 Dienststellen in Kärnten,


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21 in Niederösterreich und 23 in der Steiermark – gratuliere! Und jetzt
steht sie da und sagt: Wir brauchen Sicherheit! (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ.)

25 Jahre – ein Vierteljahrhundert – Polizeiverantwortung, Innenministe­rium, und das ist das Ergebnis. Ich bin mir aber eigentlich ziemlich sicher, dass auch das kein Zufall ist. Es hat bei der ÖVP ja System, dass man zuerst
einen Notstand, ein Defizit erzeugt und dann hergeht und sagt: Ich rette euch! – Das hat System.

Ich nenne euch jetzt ein paar Sachen – ich habe es heute Vormittag
schon gesagt –: Der öffentliche Verkehr wurde reduziert, bis er fast zusammen­gebrochen ist. Und jetzt seid ihr da und sagt: Wir brauchen einen öffent­lichen Verkehr! – Es gab keine Postbusse mehr in die Länder hinaus,
die ÖBB sind heruntergefahren worden.

Ganztagesschulen brauchen wir nicht! Herbstferien werden verhindert. Sie wer­den erst dann eingeführt, wenn man selber sagt: Tralala, jetzt brauchen
wir sie!

Energieregulierung: Kostendeckel erst spät  und dann für die, die eure Klientel sind, nämlich die, die das Geld haben. (Ah-Ruf bei der ÖVP.) – Ja, es ist so.
Es ist so, denn der einfache Bürger hat sehr wenig davon.

Ich komme jetzt zu Salzburg und ich sage, in Salzburg ist es vom Personalstand her zumindest noch etwas besser, aber laut Umfragen fehlen auch in
Salzburg 200 Polizistinnen und Polizisten – bei 633 000 Überstunden; das sind 350 Überstunden pro Polizistin oder Polizist. Wurscht, die werden das
schon irgendwie leisten!

Da sind wir jetzt aber noch nicht am Ende. Der Herr Minister hat gesagt, das Rückgrat sind die Dienststellen draußen.

Die komplette Polizeidienstreform geht nur zulasten der Dienststellen,
denn für eine Kriminaldienstreform im Bereich Jugendkriminalität wurde noch


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kein einziger Planposten beschlossen – zur Cyberkriminalität komme ich
dann noch, das ist ja sowieso der Witz des Tages –, keine einzige
Planstelle wurde da bis jetzt beschlossen, aber die Kriminaldienstreform
ist beschlossen.

Das Ganze ist aufgebaut auf einem Stellenplan, der vor 20 Jahren gegolten hat. Man muss sich das vorstellen: Diese Reform ist aufgebaut auf einem
Stellenplan aus dem Jahr 2005. Die Bevölkerung, die Zahl der Menschen ist größer geworden, die wirtschaftliche Entwicklung ist anders, die Aufga­ben sind anders gestellt, die Probleme sind andere als vor 20 Jahren (Bundesrat Steiner: Ein Haufen Asylanten sind gekommen!), aber denselben Stellenplan,
jenen von 2005, haben wir noch – und nichts geändert.

In den Polizeiinspektionen – da müsst ihr nur einmal bei denen, die dort arbeiten, nachfragen – gibt es Kurzzuteilungen von Bediensteten aus den Inspek­tionen ganz woanders hin, weil man sie dort gerade braucht, sie gehen ab. Da gibt es Karenzierungen, die teilweise nicht bei den nicht Anwesenden eingerechnet werden, es gibt Langzeitkrankenstände, und das Ganze schwächt den Regelbetrieb, das Rückgrat, wie es der Herr Minister vorhin gesagt hat.

Bei so manchen Landstrichen frage ich mich – (in Richtung Bundesrat Gfrerer) ich schaue meinen Kollegen aus Großarl an –: Habt ihr noch eine fixe Polizei? – Keine mehr, gell?! Dieses Gebiet wird von Sankt Johann draußen bedient. Bis die Polizei da hineinfährt! Mittlerweile fahren die Polizisten – in Obertauern ist
es ja dasselbe – länger zu ihren Außendienststellen, als sie auf der
Straße im Sicherheitsdienst verbringen. (Ruf bei der SPÖ: Wahnsinn!) Ein bisschen Reiseproviant sollten wir ihnen mitgeben, die sind ja wirklich arm. (Beifall
und Bravorufe bei der SPÖ.)

Ganze Landstriche sind ohne Polizei. Wenn man dort hinkommt,
dann steht draußen: Ich bin im Nachbarort. – Die Burschen und Mädels können aber überhaupt nichts dafür. Das ist die Politik der Vergangenheit. Jetzt


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kommt man her und sagt: Wir müssen jetzt etwas tun. – Verschlafen habt ihr es! 25 Jahre hättet ihr etwas tun können, nichts habt ihr gemacht.

Jugendkriminalität: Dafür gibt es eine eigene Einsatzgruppe. Planstellen
gibt es keine (Heiterkeit des Bundesrates Schmid), aber Cyberkriminalitätscenter. Das ist etwas ganz Neues, das ist ja ganz wichtig (Bundesrat Schennach:
Haben wir erst ... beschlossen!),
aber nein – pst! –, Bekämpfung von Cyberkrimina­lität bauen wir auf – keine Planstellen! –, und wir schaffen es nicht einmal,
dass wir in jeder Polizeidienststelle WLAN haben, mit der Cyberkriminalität aber beschäftigen wir uns. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ sowie Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Fragt einmal eure Leute draußen in den Dienststellen! Nicht einmal WLAN bringt ihr hin. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Schaut nach! Es ist zum Schreien.

In Summe bräuchte man für das Ganze, das jetzt schon beschlossen ist,
circa 700 Planstellen, diese wären notwendig. Ich wünsche dem Herrn Minister viel, viel Erfolg. Er wird ja vielleicht nicht mehr lange da sein, also wird es
nicht mehr sein Problem sein, aber letzten Endes ist es so, dass ihr
jetzt am Abend draufkommt und aufwacht und dann kurz vor der Wahl sagt: Wir sind eh so gut. – Herr Kollege, da ist nichts gut! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wir müssen unsere Polizistinnen und Polizisten besser unterstützen. Wir müssen ihnen helfen. Deswegen auch der Aufruf. Ich gehe davon aus, dass es jeder
hier herinnen mit der Polizei gut meint und auch das Volksbegehren
Polizei – kritischer Personalmangel unterschreiben wird. Das geht ganz einfach mit dem Handy über die ID Austria. Das können wir ja alle, sagt man
zumindest. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Was in Summe einfach nicht schön ist, ist, dass man Zahlen schönfärbt. Jetzt haben wir, glaube ich, schon die fünfte Zahl gehört, die wieder etwas
anderes aussagt. Eigentlich haben wir ja mehr Polizisten, als wir überhaupt


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brauchen (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ), denn 300 haben wir jetzt schon zu viel, oder?! (Ruf bei der SPÖ: Mehr!) – Das ist komisch.

Freunde, so geht es wirklich nicht. Wir sind kein Selbstdarstellungsverein. (Bundesrat Buchmann: Geh! – Rufe bei der ÖVP: Schau dich an! Ja, schon gut!) Wir sind kein Verein, von dem die Menschen veräppelt werden. Es gibt die subjektive und die objektive Sicherheit – für diese sind auch wir hier herinnen zuständig, vor allem aber der Minister und das Innenministerium.

Ich wiederhole es noch einmal: Diese Polizeisache ist ein schwarz-grünes Dilemma. Es geht um die Sicherheit der Menschen, es geht um die Sicherheit der Bevölkerung, auch um die Sicherheit der Wirtschaft, die Sicherung des Wohlstandes. Es geht um Österreich. Helfen wir denen, die schon nicht mehr können! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Schennach.)

16.15


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Matthias Zauner. Ich erteile ihm das Wort.


16.15.17

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Fangen wir einmal mit dem an, was an
dieser Anfrage der Sozialdemokratie positiv ist. Im Vergleich zur letzten Dringli­chen Anfrage an den Innenminister hat die Sozialdemokratie dazugelernt: Erstens weiß der Herr Vizepräsident mittlerweile, wie sein oberster Chef heißt, und zweitens bezieht man sich in der Anfrage nicht auf Anfragebeantwor­tungen, die es so überhaupt nicht gegeben hat.

Was noch nicht ganz funktioniert, ist, dass man sich terminlich anschaut: Ist der Minister überhaupt verfügbar oder anderweitig im Hohen Haus beschäf­tigt? (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Ah, die Besserwisserei! – Weite­re Rufe bei der SPÖ: Oh, eine Besserwisserei!)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 246

Inhaltlich ist diese Anfrage natürlich auch nicht besser als die vor weni­gen Monaten, weil auch bei dieser Anfrage ganz einfach – der Herr Bundesmi­nister hat es ausgeführt – Äpfel mit Birnen verglichen werden (Bundes­rätin Schumann: Das sagen Sie den Polizistinnen und Polizisten, Herr Kollege!), denn wenn ich das eine frage und es mit dem anderen vergleiche, dann wird
es eben nicht funktionieren. (Ruf bei der SPÖ: Die hören Ihnen eh zu! – Bundesrätin Schumann: Die Polizisten hören Ihnen zu!)

Schauen wir uns einfach an, wie die Zahlen der Polizistinnen und Polizis­ten, die ihren Dienst in den LPDs versehen, sprich jener Polizistinnen und Poli­zisten, die vor Ort sind, wirklich sind: Das waren am 1. Jänner 2020
noch 29 784 und sind seit 1. Juni 2024 32 635, also knapp 3 000 mehr.

Die vom Innenminister angesprochenen und von Ihnen belächelten Rekrutie­rungsmaßnahmen zeigen Wirkung. Im ersten Halbjahr 2023 sind bun­desweit 470 neue Polizistinnen und Polizisten in den Dienst gestellt worden, im ersten Halbjahr 2024 waren es schon 1 310, das ist ein Plus von
280 Prozent. Was die Bundeshauptstadt anlangt, waren es im ersten Halb­jahr 2023 83 Aufnahmen und im ersten Halbjahr 2024 382.

Ich habe heute keinen Innenminister erlebt, der die Dinge schöngesprochen hat, schöngeredet hat, sondern einen, der auch klar gesagt hat, dass wir natürlich Herausforderungen haben und dass es darum geht, diese Aufgaben gemeinsam zu meistern.

Bei mir schrillen immer dann die Alarmglocken, wenn sich die Sozial­demokratie herstellt und über Sicherheitsfragen deportieren will (Bundesrätin Schumann: Deportieren? Oje!), denn in der Sicherheits- und Asyllinie
hat diese Partei mit hundertprozentiger Sicherheit eine Schlangenpolitik wie in vielen anderen Bereichen auch. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Das sage jetzt nicht nur ich, das schrieben vergangenes Wochenende
auch die Medien. Der „Kurier“ hat zum Beispiel geschrieben: „Die SPÖ in der


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Asyl-Falle. Wieder einmal hat die SPÖ versucht, ihren Asylkurs zu
schärfen. Wieder einmal ist das Ergebnis eine halbherzige Lösung“. – Die „Kronen Zeitung“ schreibt: SPÖ und Migration, „Papiertiger“ in Rot.
„Es fehlen die Antworten auf drängende Fragen“. (Bundesrat Buchmann:
Hört! Hört!)

Frau Bundesrätin Schumann, das kann man ja alles machen (Bundesrätin Schu­mann: Was kann man alles machen?), das ist ja auch in Ordnung, aber die
Art und Weise, wie Sie sich dann hier herausstellen und behaupten, die Bevölke­rung warte stundenlang oder warte lang – damit ich korrekt bleibe; Sie
haben immer auf die Uhr gezeigt – auf die Polizistinnen und Polizisten (Bundesrä­tin Schumann: Mhm!): Das können Sie meiner Meinung nach so nicht
belegen, und ich halte es ehrlich gesagt für verantwortungslos (Bundesrätin Grimling – erheitert –: Verantwortungslos!), und vor allem tun Sie
das, was Sie anderen vorwerfen, nämlich Ängste in der Bevölkerung schüren. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Ach Gott! Oje, oje!)

Kollege Pröller, über die Regierungszeit von Herrn Kickl haben wir eh schon des Öfteren gesprochen. Ich glaube, wir brauchen es jetzt nicht noch einmal
zu wiederholen. Noch ein Wort zu den Stichwesten: Er hat sie erfolgreich ausge­liefert, bestellt hat sie der Amtsvorgänger – vielen Dank, Wolfgang
Sobotka. (Bundesrätin Doppler: Ist ja nicht wahr! Das stimmt nicht! – Ruf bei der FPÖ: Unsinn! – Bundesrat Spanring: Nein! 4 Millionen Euro waren euch zu
viel Geld! 4 Millionen Euro wolltet ihr nicht ausgeben!)
Die Pferde und den Teppich aber, das habt ihr alles gemacht – danke dafür an Herrn Kickl. (Beifall bei
der ÖVP.)

Zum Schluss noch einmal zur SPÖ: Ganz ehrlich, das, was wir da jetzt erlebt ha­ben, das war nichts. Wenn euch nicht mehr einfällt, dann ist das so. Mir
fällt dazu nichts mehr ein (Bundesrätin Schumann: 10 Millionen Überstunden!), außer zum Abschluss ein herzliches Dankeschön an die Polizistinnen


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und Polizisten in unserer Republik. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.19


Vizepräsident Dominik Reisinger: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. Ich erteile ihm das Wort.


16.20.01

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Liebe Freunde hier und zu Hause! Grüß Gott! Wer über Sicherheit
reden muss, der muss über Zuwanderung reden. Wir waren nämlich immer ein kultiviertes und friedliches Land, aber das hat sich ja in den letzten Jahren geändert.

Ich selbst bin in Horn Gemeinderat, deswegen kenne ich mich dort aus. Wir haben einen See saniert – das ist unser Stadtsee. Das ist auch
wunderbar gelungen, dort gibt es auch Gastronomie dazu. Wir gehen sehr gerne dorthin.

Nur: Jetzt können wir das nicht mehr, weil unsere Frauen und Mädchen andauernd von irgendwelchen Asylanten (Bundesrat Schreuder: Asylwerbern!), Asylwerbern begrapscht werden. Das ist wirklich ekelhaft. Ob es ein
Asylant oder ein Asylwerber ist, ist egal, es geht ums Grapschen. Das ist graus­lich und wir wollen das nicht mehr haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe selber eine hübsche Frau – Gott sei Dank eine hübsche Frau –
und zwei Mädchen, also ich weiß, wovon ich rede. Auch die gehen nicht mehr dorthin. (Bundesrätin Schumann: Oh!) Asylwerber aus bestimmten Ländern
können eben ihre Hände nicht bei sich behalten, und das ist ekelhaft. Eine ganze Stadt muss sich von den paar Asylanten tyrannisieren lassen.

Wir sind immer auch ein sicheres Land gewesen, das stimmt schon, aber
die Polizei hat ja auch kein Problem mit der Festnahme gehabt. Die hat die Bur­schen gleich gehabt, nur sind die nach wenigen Stunden wieder auf


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freiem Fuß gewesen – und das ist das Problem. Die können gar nicht so viele einsperren, wie die anderen wieder herauslassen. Das hat ja alles
miteinander keinen Sinn, nein! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn dann solch ein Grapscher zur Rede gestellt wird, dann agiert der mit ei­nem als Waffe verwendeten Gürtel wie ein Irrer und schlägt auf sein
Gegenüber ein, dass dem ein Teil des Gürtels im Kopf stecken bleibt. Das hat die Schädelplatte durchschlagen – solche Wahnsinnige haben wir im schönen
Horn oben. So können wir nicht zusammenleben, Herr Minister. Ich baue auf Sie – bis zum September zumindest. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Das ist eine Etappe! – Bundesrat Himmer: Das ist eine Etappe! So lange war ... noch nie!)

Wer über Sicherheit redet, der muss über Abschiebung reden. Wir wollen diese Leute nicht mehr bei uns haben. Wir ekeln uns vor ihnen, sie gehören raus! (Beifall bei der FPÖ.)

16.22


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


16.22.52

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Innenminister! (Bundesrat Schennach: Nur für den Herrn Kohl! Weil der Herr Kohl ja so viel Fantasie ...!) Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesrat Kohl
hat ja das Burgenland schon herausgestrichen und hat den Landeshauptmann schon indirekt – nicht direkt, aber indirekt – ein bisschen gelobt für seine Sicherheitspolitik im Burgenland. (Bundesrat Schennach: Danke! – Ruf bei der SPÖ: Super!) Gott sei Dank macht er das im Burgenland.

Die Zahlen haben wir vorhin gehört: Im vorigen Jahr gab es über 16 000 Menschen (Bundesminister Karner: In zwei Jahren!), 16 000 Menschen in zwei Jahren, die die Grenze im Burgenland illegal überwunden haben.
Das sind mehr als die Einwohner der Landeshauptstadt des Burgenlandes, das


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muss man sich einmal vorstellen! Das nur, damit man ungefähr weiß, von welcher Dimension wir sprechen.

Jetzt kann man natürlich sagen, es gab eine Verbesserung – keine Frage, es sind weniger geworden –, aber was war los? Was war damals los? Warum hatten
wir so viele Grenzübertritte? Da muss ja einiges im Argen liegen.

Wenn wir uns erinnern, und da möchte ich jetzt den Kollegen, einen meiner Vor­redner, aus den Reihen der ÖVP ansprechen – ich glaube, du bist sogar Geschäftsführer der ÖVP Niederösterreich, Landesgeschäftsführer (Bundesrat Schennach: Ja, ja, er ist die rechte und die linke Hand!) –, denn man vergisst
ja schnell, und fragen: Wer waren die Innenminister der letzten 20 Jahre, und vor allem auch aus deiner Heimat, wie lauteten ihre Namen? – Innenminister Strasser – wir wissen (Bundesrat Spanring: Verurteilt!); na ja, das wollte ich jetzt nicht sagen, aber okay –, dann Innenminister Sobotka (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), Mikl-Leitner, Prokop und heute Innenminister Karner: alle aus Niederösterreich.

Wir haben heute einen Antrag gestellt mit der Überschrift: „Österreich
fehlen 4.000 Polizist:innen“ – und wir haben das heute auch im Burgenland ge­macht. Der Grund war nicht, weil wir im Burgenland gesagt haben, wir
wollen irgendwen übergehen oder nachfragen. Wir hatten das im Nationalrat natürlich schon eingebracht – seitens der Bundes-SPÖ wurde das vor
einigen Monaten gemacht, und dem Innenminister wurden Fragen gestellt, in denen, das wurde ja heute schon oft thematisiert, auf die Personalnot
bei der Bundespolizei eingegangen wurde. Und damals,
im Nationalrat, wurden seitens des Herrn Ministers Zahlen präsentiert, die fern jeglicher Realität
sind.

Allein in den Jahren 2020 bis 2023 fehlten in der österreichischen Bundespolizei 4 000 – zuhören! – dienstbare Polizisten. Bitte, ich rede hier bewusst von „dienstbaren“ Polizistinnen und Polizisten. Dienstbar heißt hierbei, dass diese ih­re gesamte – gesamte! – Dienstzeit, ihren gesamten Dienst auf ihrer Dienst­stelle verrichten.


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Die Aufgabengebiete der Kolleginnen und Kollegen werden immer umfangreicher (Bundesrat Himmer: Bist du auch ein Polizist?), das wissen wir alle – sei es in Sonderfunktionen oder auch in banalen Dingen, wie einer Merchandising-Aktion wie Coffee with Cops. Wenn eine Polizeidienststelle schon unter dem Mindeststand an Polizistinnen und Polizisten ist und dann auch noch zusätzlich gewisse Sonderverwendungen, aber auch Spezialeinsätze dienstlich abzuwickeln hat, dann muss jedem klar sein, auch hier im Bundesrat, dass dieses System nicht lange am Leben gehalten werden kann.
(Beifall bei der SPÖ.)

Hier wäre es dringend – dringend! – notwendig, diese Stunden, die natürlich – die Zahlen, die ja extrem sind, wurden vorhin genannt – bei der norma­len Dienstverrichtung auf der Polizeiinspektion fehlen, auch bei der Berechnung der dienstbaren Kolleginnen und Kollegen einfließen zu lassen.

Ich möchte Ihnen eine Zahl zukommen lassen – und auch da gab es wieder einen Innenminister von der ÖVP –: Was schätzen Sie, wie viele Polizisten
von 2000 bis 2010 im Burgenland aufgenommen wurden? – Der Innenminister kam von der ÖVP. – Null, nicht einmal einer. Da braucht man sich
heute nicht mehr zu wundern, wenn man dann einen Notstand beim Personal hat.

Betreffend das Personal – und das haben Sie selbst gesagt – ist es ja
auch gut und erwähnenswert, auch dass das gemeinsam mit Bürgermeister Ludwig geschieht, dass man jetzt rekrutiert, aber das wäre vielleicht
mit ein bisschen Weitsicht gar nicht notwendig gewesen, und dann würde man auch ein höheres Sicherheitsempfinden und auch mehr Sicherheit in ganz Österreich haben.

Dass der Beruf des Polizisten, der Polizistin sehr gerne von vielen Politikern als Sicherheitssiegel vorgeschoben wird, hat natürlich auch mit den Aufga­ben der Polizei zu tun, aber hier bitte nicht nur medienwirksam Sicherheitspolitik versprechen, sondern dies auch praxistauglich umsetzen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich möchte, weil es vorhin erwähnt wurde, ein Wort über die Ausrüstung verlie­ren. Ich glaube, Herr Kollege Wanner, du hast das mit dem WLAN gesagt.
Ich kann das leider noch ein bisschen toppen – ich würde es gerne nicht toppen, muss es aber toppen. Wenn es 2024 in Österreich als Errungenschaft gilt
und man stolz darauf ist, dass jeder ein Diensthandy hat – 2024! –, oder wenn zum Schutz des Einzelnen Stichschutzwesten zur Ausrüstung gehören,
dann ist das für mich eher normal als eine große Leistung. (Ruf bei der ÖVP: Keine Polemik!) In den vergangenen Jahren ist das nicht zustande gekommen. (Bundesminister Karner: Die Einzigen in Europa! Die Einzigen in Europa!) – Aber 2024 ein Diensthandy? Ich glaube, Handys gibt es schon länger; das
glaube ich zumindest. (Bundesrat Himmer: Ja! – Bundesminister Karner: Die Einzi­gen in Europa!)

Darüber hinaus wären viele Kolleginnen und Kollegen auch schon froh,
wenn es, wenn normale Uniformsorten bestellt werden, keine monatelangen Lieferzeiten aufgrund von Lieferproblemen ausländischer Firmen geben
würde.

Meine Damen und Herren, ich habe mit dem Burgenland begonnen, ich werde auch mit dem Burgenland schließen. Landeshauptmann Hans Peter
Doskozil hat sich in den letzten Jahren als Landeshauptmann einen Namen gemacht (Bundesrat Himmer: Genau! Genau! Wir wissen!), hat sich aber vor allem – das darf ich in der Länderkammer schon noch sagen, Herr Minister –
damals als Minister und jetzt als Landeshauptmann einen Namen gemacht, was die Sicherheit betrifft.

Er stellt sich immer vor seine Bevölkerung, und ich möchte auch sagen:
Danke, Herr Minister, für das, was Sie auch für das Burgenland gemacht haben, aber ohne den Landeshauptmann und die gesamte Regierung wäre das
sicher nicht so entstanden, denn der Druck wurde in den letzten Jahren sehr, sehr groß. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.29



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Vizepräsident Dominik Reisinger: Weitere Wortmeldungen dazu liegen
nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es gibt eine Wortmeldung.

Herr Bundesrat Spanring, ich erteile Ihnen das Wort.


16.29.24

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Ich weiß, es ist spät – weil Sie auf die
Uhr schauen –, aber es könnte noch ein bisschen dauern.

Grundsätzlich zur Dringlichen Anfrage: Auch ich finde das Thema wichtig, habe mir vieles notiert, was heute besprochen wurde. Herr Minister, danke,
dass Sie nach dem Hauptausschuss wieder hierhergekommen sind. Das gebietet zumindest der Anstand, und das haben Sie gemacht – das kennen wir von manchen auch anders. (Vizepräsident Ebner übernimmt den Vorsitz.)

Wenn die SPÖ heute hier eine Dringliche Anfrage gemacht hat und man feststel­len muss, dass ihr eigener Bundesparteiobmann und wahrscheinlich der Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl schon lange vor der Behandlung der Dringlichen Anfrage weg war und seitdem keine einzige Minute hier war,
dann weiß man, wie wichtig der SPÖ ihre eigene Dringliche Anfrage
an den Herrn Minister ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Herr Kollege Zauner, natürlich muss ich auf das replizieren, was du zu
den Westen gesagt hast. Schau, ich kann dir das erzählen, ich war zehn Jahre beim Bundesheer, zehn Jahre bei der Justizwache, deshalb kann ich mich
noch ganz genau erinnern, wie das war, als die ersten Anträge auf Anschaffung von Stichschutzwesten von der FPÖ gestellt worden sind. Damals gab
es eine rot-schwarze Regierung, das war 2011/2012, glaube ich, Faymann I, und da hat es geheißen: Wir haben kein Geld dafür, weil Stichschutzwesten
für alle Autos 4 Millionen Euro kosten würden. 4 Millionen Euro, das ist zwar viel Geld für einen Einzelnen, aber für Österreich sind 4 Millionen Euro nicht viel.


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Schaut euch bitte den Schuldenindex an: Alle 3 Sekunden haben wir um 1 000 Euro mehr Schulden – alle 3 Sekunden! –, und wir reden da
von 4 Millionen Euro, die aufzubringen damals nicht möglich gewesen ist. In jener Zeit hat Herr Faymann in seiner Funktion als Bundeskanzler, nach­dem er von einer Auslandsreise zurückgekommen ist, gesagt: Er hat das zugesi­chert, er unterstützt die afghanische Polizei im Aufbau mit 18 Millionen
Euro! Damals habe ich mir gedacht, na danke, das ist ja wohl die österreichfeindlichste Politik, die es überhaupt gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Also: Danke an Herbert Kickl, der als Innenminister diese Stichschutzwesten ein­geführt hat. Sie waren bitter notwendig, wie man gemerkt hat, und sie
haben zumindest jetzt einem Polizisten – das haben wir per Video bewiesen – schon das Leben gerettet, Gott sei Dank. Es ist traurig – das muss ich
an dieser Stelle auch sagen –, dass es überhaupt notwendig ist, dass du als Polizist dauernd mit einer Stichschutzweste oder ballistischen Weste unterwegs sein musst, weil die Gefahrenlage in Österreich so hoch ist.

Und wenn der Herr Minister heute ausgeführt hat, der Global Peace Index
ist so gut für Österreich, dann muss man die Frage stellen: Warum
ist das so? – Ist es vielleicht deshalb so, weil es in anderen Ländern noch schlechter ist? Müssen wir uns mit jenen vergleichen? Ich sage jetzt einmal nur Frankreich. Wir kriegen ja fast nichts mit, unsere Medien vermeiden ja
schlechte Nachrichten, wenn sie einer rechten Partei im Wählerverhalten viel­leicht irgendwie Auftrieb geben könnten. Deshalb wird - - (Oh-Rufe bei
der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Na das kann man jetzt nicht sagen!)
 – Ja, schau­en Sie sich einmal an, was tagtäglich in Frankreich los ist, liebe SPÖ! Ihr
wollt das nicht wissen: Dort brennen die Straßen, da brennen Autos, da werden täglich Schaufenster eingeschlagen – so wie wenn die Antifa durch
Wien zieht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Die Banlieues sind es!)

Ich habe ein Beispiel aus einem sozialdemokratisch geführten Land,
und ich meine ausnahmsweise einmal nicht Wien, ich meine Dänemark. Wir waren vor Kurzem mit dem EU-Ausschuss in Amsterdam, Den Haag


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und waren unter anderem auch bei Europol. Wir hatten dort interessante Gespräche, und ein Spitzenbeamter hat uns damals gesagt, warum in Dänemark eine sozialdemokratische Regierung einen restriktiven Ausländerzuwande­rungskurs fährt und man die Leute dort nicht mehr hineinlässt beziehungsweise nach Möglichkeit jene, die nicht dorthin gehören, wieder zurückbringt.
Wisst ihr, warum? Und auch das hat man in den Medien nicht gehört: jeden Tag – und das hat ein Beamter von Europol gesagt! –, jeden Tag min­destens ein Schussattentat und jeden dritten Tag ein Sprengstoffanschlag, ein Anschlag mit Sprengstoff in Dänemark. Also nicht böse sein! Nicht böse
sein! Und in den Medien Stillschweigen darüber. Warum wohl? – Na gut, soll so sein.

Dann hat Herr Minister Karner etwas anderes Interessantes gesagt, er
hat von Herausforderungen gesprochen, die wir vor 20, 30 Jahren nicht hat­ten. – Ja, da haben Sie vollkommen recht, aber hätten Sie auf die Frei­heitlichen gehört, dann hätten wir viele dieser Herausforderungen heute nicht. Das ist der springende Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin froh, dass Sie wieder gekommen sind, weil ich auch eine Frage
zum Global Peace Index, Österreich betreffend, habe: Was für eine Terrorwarn­stufe haben wir derzeit in Österreich, Herr Minister? Sie wissen das, oder? (Bundesminister Karner: Sie auch, oder?) Ja, vier von fünf, also die zweithöchste. In der Beschreibung zu dieser Stufe steht: wenn es konkrete Bedrohungen
gibt – und gleichzeitig liest man in den Medien, es gibt eh keine konkreten Be­drohungen. Jetzt frage ich mich: Warum haben wir dann seit 2023 die zweithöchste Terrorwarnstufe? Also da passt einfach vieles nicht zusammen – und wie gesagt: Hätte man früher auf die FPÖ gehört, hätte man nicht
immer die Nazikarte gespielt, die Rassismuskarte oder Sonstiges, dann hätten wir viele dieser Probleme heute nicht. Das ist ganz einfach die Wahrheit.
(Beifall bei der FPÖ.)


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Etwas, was mich ganz besonders ärgert, weil ich es selbst miterlebt habe: Ich war damals 18 Jahre alt, oder 17 war ich damals noch, und wollte immer Poli­zist werden. Es war in jungen Jahren immer mein Traumberuf. Im
Jahr 1995/1996, als ich 18 war, habe ich das Bundesheer gemacht und konnte danach nicht zur Polizei gehen. Warum? – Weil es damals das erste große Sparpaket von Rot-Schwarz mit einem kompletten Aufnahmestopp bei der Poli­zei gab. Das heißt, man hat lange Zeit keinen einzigen Polizisten aufgenom­men, aber man hat damals schon gewusst, dass es ein Problem geben wird, weil spätestens 20 bis 25 Jahre später die Babyboomergeneration in Pension
gehen wird. Als ich damals beim Bundesheer dabeigeblieben bin, hat das jeder gesagt: Wir werden in 20 Jahren ein Problem haben, weil da die Baby­boomer alle in Pension gehen werden, und dann wird es einen Personalmangel geben. Jeder hat es gewusst – aber nichts wurde gemacht.

Und wenn sich heute die SPÖ hinstellt und die Schuld der ÖVP gibt –
wobei ich sagen muss, natürlich hat die ÖVP einen Gutteil der Schuld, weil sie immer die Minister gestellt hat –, dann frage ich Sie: Wer hat denn die
Kanzler gestellt? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wer hat denn die meiste Zeit die Kanzler gestellt? – Das war die SPÖ. Also nicht hier Kindesweglegung
machen, denn ihr wart mit dabei!

In eurer Dringlichen Anfrage, die ja sehr schön gestaltet ist, schreibt ihr davon (eine Seite der Dringlichen Anfrage in die Höhe haltend), dass es von 2020
bis 2023 ein Minus von 4 000 Polizisten gegeben hat, und darunter den Satz: „22 Jahre ÖVP-Innenminister:innen und 2 Jahre eines FPÖ-Innenmi­nisters haben ihre Spuren hinterlassen.“ Da frage ich euch: Warum habt ihr denn erst mit 2020 begonnen und nicht mit 2017/18/19, den Jahren, in denen Herbert Kickl dabei war? Kann es sein, dass in dieser Zeit die Anzahl gestiegen ist? Kann es sein, dass das einfach nur Manipulation von euch ist?
(Bundesrätin Schumann: Na geh, eine Verschwörungstheorie!) Also schon bei der Wahrheit bleiben! – Ja, es ist leider so. Es ist leider so.
(Beifall bei der FPÖ.)


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Ich weiß, die SPÖ will das nicht hören, aber es war so und es ist heute noch so: Wenn wir Polizeiposten besuchen, sind immer noch sehr viele Polizisten
dabei, die uns sagen: Herbert Kickl war der beste Innenminister!, und sie sind froh, dass er damals Innenminister war. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Und
wisst ihr, warum? Ich kann es euch genau sagen – da könnt ihr schon lachen –: weil er sich in erster Linie einmal hinter die Polizisten gestellt hat. Das
hat er gemacht! Und das fehlt jetzt komplett. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Geld fehlt leider nicht nur bei der Polizei, sondern, so wie es Kollege Schreuder richtig gesagt hat, es fehlt auch bei der Justizwache und
beim Bundesheer. Wir brauchen endlich wieder Minister, die sich hinter ihr Personal stellen.

Eines würde mich auch noch interessieren, weil der Herr Innenminister
heute noch etwas Spannendes gesagt hat: Er hat gesagt, die Polizeiinspektionen sind das Rückgrat der Polizeiarbeit – ich glaube, so haben Sie es formuliert. (Bundesminister Karner nickt.) – Ja, völlig richtig! Und auch da muss ich
jetzt wieder Schwarz und Rot in die Pflicht nehmen, weil: Wer hat denn die Polizeiposten geschlossen? – Ich sage nur, 2014 wurden 122 Posten geschlossen. Wer war damals der Kanzler? – Ein gewisser Herr Faymann. (Bundesrätin Grimling: Der Kanzler war es!) Und was hat es noch gegeben? – Einen ÖVP-Innenminister. Also nicht heute jammern über das, was ihr selber verbrochen habt, denn dass wir heute die Situation haben, wie wir sie haben, ist SPÖ und ÖVP geschuldet. (Beifall bei der FPÖ.)

Herbert Kickl hat in seiner Zeit im Gegensatz dazu keinen einzigen Polizei­posten geschlossen.

Aber – und jetzt kommt wieder ein großes Aber – wenn Sie wissen wollen, wa­rum heute die SPÖ diese Dringliche Anfrage wirklich gemacht hat, kann
ich es Ihnen sagen. Es gibt zwei Gründe: erstens, weil demnächst Personalver­tretungswahlen sind, und zweitens, weil demnächst Nationalratswahlen


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 258

sind. – Schönen Abend! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Ja, genau! Bravo!)

16.39


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Himmer, ich erteile Ihnen das Wort. (Bundesrat Kovacs: Himmer geht immer! – Heiterkeit bei
der SPÖ.)


16.39.58

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben also eine Dringliche Anfrage der Sozialdemokratie abgearbeitet. (Bundesrat Steiner: Ja, aber die wäre schon fertig!) Konkreter war es eher wieder einmal eine Dringliche Anfrage der SPÖ Burgenland. Das erkennt man immer daran, dass der Bundesvorsitzende nicht anwesend ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist ja auch schon erwähnt worden: Wir sind im Wahlkampf. (Bundes­rätin Schumann: ..., toll! Sehr modern, ...!) Wir haben vom Bundesvorsitzenden, der jetzt nicht anwesend ist (Bundesrätin Schumann: Wiederholung! Wieder­holung! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner), ja auch gehört, dass es einen Drei­kampf geben wird. Momentan oder in den letzten Wochen haben wir
mehr den Dreikampf von Babler, Doskozil und Dornauer gesehen, und daher wäre es interessant, wenn die Sozialdemokratie einmal in sich selbst
zu einer Linie findet. Wir wollen diesem SPÖ-Parlamentsklub, der ja einen Klubvorsitzenden hat, welcher der Parteiobmann ist, der nicht anwe­send ist (Heiterkeit des Bundesministers Karner und bei der ÖVP), auch wirklich einmal eine Koordination zwischen Nationalratsklub und Bundesratsklub
der SPÖ empfehlen. Er hätte ja dafür sorgen können, wenn eine
Dringliche Anfrage gemacht wird.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 259

Der Herr Minister ist ja auch schon dafür gelobt worden, dass er wirklich willens ist, überall hinzukommen: Er kommt in den Bundesrat, er geht in den Haupt­ausschuss rüber, er kommt wieder retour. (Zwischenbemerkung von Bundesminis­ter Karner.) Was halt nicht geht, ist, dass er an zwei Orten gleichzeitig ist.
So eine Koordination zwischen Nationalratsklub und Bundesratsklub der SPÖ könnte ja zum Beispiel der Bundesvorsitzende, der nicht anwesend ist,
machen, denn er hätte eigentlich wirklich diese Kompetenz. (Rufe bei der SPÖ: Bitte noch einmal!) – Dass der Bundesvorsitzende nicht anwesend ist? (Bundesrätin Schumann: Jetzt wissen wir’s! Bitte noch einmal wiederholen! – Weitere Rufe bei der SPÖ: Bitte noch einmal!) – Ja, ich kann es schon noch einmal
sagen, aber es ist eigentlich immer so, und ich habe auch vonseiten der Sozial­demokratie immer wieder gehört, welcher ÖVP-Minister selten hier war
und welcher ÖVP-Minister hier so selten das Wort ergriffen hat. Der Bundesvorsitzende, der nicht anwesend ist (Bundesrätin Schumann: Noch einmal! – weiterer Ruf bei der SPÖ: Bitte noch einmal! – Bundesrat Steiner: Dreimal? Viermal!), hat auch ganz selten hier das Wort ergriffen und ist sogar selbst Bundesrat. (Bundesrätin Schumann: Und beim fünften Mal ..., dann hol’ ich einen Kaffee!)

Da es jetzt ja auch von den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen
Parteien so gepflegt worden ist, dass man schaut, was mit den Konkurrenzpar­teien so los ist: Wenn man die Freiheitlichen hört, könnte der Eindruck entstehen, wir hätten eigentlich für jedes Problem, das es in Österreich gibt, einfach nur zum richtigen Zeitpunkt die Freiheitlichen fragen müssen,
denn sie haben eigentlich - - (Lang anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Danke!)

Warum ist es nicht so? Warum werden die Freiheitlichen nicht gefragt? (Bundesrat Spanring: Ah, jetzt ...! – Bundesrat Steiner: Jetzt ist wieder ...!) Warum ist es so, dass die Freiheitlichen den Österreicherinnen und Österreichern
nicht so viel helfen können? Das ist eben die große Frage, die sich die Freiheit­liche Partei einmal stellen sollte. (Bundesrat Steiner: Ja, wir haben halt


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 260

genug Wähler! Das entscheidet der Wähler! Das entscheidet am 29. September der Wähler!) Warum ist es seit vielen Jahrzehnten so, dass nicht die Freiheitli­chen die Themen lösen? (Bundesrat Spanring: Weil es schwarze Netzwerke gibt! Seit Jahrzehnten!) – Was ist in den Jahrzehnten passiert? (Bundesrat
Steiner: Am 29. September entscheidet der Wähler!)
In diesen Jahrzehnten hat es ja auch Wahlen gegeben, das wird dir ja nicht entgangen sein, dass es in den Jahrzehnten immer wieder Wahlen gegeben hat, und da sind auch immer wieder die Freiheitlichen gefragt worden.

Um es aber kurz zu machen, ich wollte eigentlich nur noch auf ein kleines
Detail eingehen, weil jetzt irgendwie so das Gerücht entsteht, man müsste im­mer die Freiheitlichen fragen; so wie das Schweizer Zuckerl, alles, was
gut wäre, hätten die Freiheitlichen erfunden. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.) – Das sind tolle Fähigkeiten: klatschen. (Bundesrat Steiner: Unangenehm,
gell, wenn man so einen Blödsinn redet!) –
Du glaubst ernsthaft, dass das so stark irritiert, oder was?

Auf jeden Fall ein Punkt (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner):
Die Stichschutzweste – das wollte ich nur für die Menschen, die das interessiert, hier noch klarstellen – ist unter Bundesminister Sobotka bestellt worden (Bundesrat Steiner: Aber es waren die falschen! – die Bundesrätinnen Doppler und Schartel: Das stimmt nicht!) und wurde dann ausgeliefert, als Herr Bundes­minister Kickl im Amt war. Insofern wäre es dann auch eine Geschichtsfälschung, zu sagen, dass die Stichschutzwesten auf Herrn Kickl zurückgehen. Herr
Kickl hat die Pferde beschafft – das wissen wir. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Wir klatschen mehr als ...! Ich kann’s nicht glauben!)

16.45


16.45.38

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 261

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kol­legen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Österreich fehlen 4.000 Polizist:innen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. (Bundesrat Schwindsackl setzt dazu an, die Hand zu heben, zieht diese aber wieder zurück. – Bundes­rätin Schumann: Herr Schwindsackl! Schwindsackl! Danke, Herr Schwindsackl! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner:
Hat der jetzt eine Mehrheit gehabt? – Bundesrat Schennach: Videobeweis! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) –
Das ist die Stimmenminderheit. (Bundes­rätin Schartel – auf Bundesrat Schwindsackl weisend –: Nein, er hat aufgezeigt!) Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

16.46.34Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesord­nung wieder auf. Wir setzen die Verhandlungen über Tagesordnungs­punkt 11 betreffend Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 fort. (Bundesrat Steiner: Der Schwindsackl ... aufgezeigt! – Anhaltende Zwischenrufe bei
der FPÖ.)
 – Ich bitte wieder um Ruhe im Saal.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Günther Ruprecht. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Kollege.


16.47.04

Bundesrat Günther Ruprecht (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir sind wieder zurück bei Top 11. Kollegin Schumann – es ist jetzt
schon 2 Stunden her – hat ja zu diesem Thema gesprochen, allerdings nicht ganz inhaltlich, deswegen möchte ich erklären, worum es bei diesem Gesetz überhaupt geht.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 262

Es geht um eine Digitalisierungsoffensive im AMS, darum, dass das
AMS im 21. Jahrhundert ankommt, und das ist gut; dass man einen Arbeitslosen­antrag in Zukunft nicht nur analog, was ja nach wie vor möglich ist, abgeben kann, sondern in Zukunft auch digital.

Ich verstehe ja die Sozialdemokratie, die da oft in dem Analogen und
auch im vergangenen Jahrhundert festhängt, aber die Zeit rennt weiter, die Welt dreht sich und entwickelt sich weiter – so auch bei der Antragstellung
des Arbeitslosengeldes. Und das ist zukünftig eine Erleichterung, liebe Kollegin­nen und Kollegen!

Warum? – Man weiß ja aus der Statistik heraus, dass, wer arbeiten will,
in den Arbeitsprozess möchte, nicht lange zu Hause ist. Dann ist es natürlich eine Erleichterung, dass man das Arbeitslosengeld digital beantragt, das
ist ja ganz klar. Ich darf auch auf den Österreichplan von Karl Nehammer ver­weisen, liebe Kolleginnen und Kollegen – bitte lesen, Herr Kollege
Steiner! (Bundesrat Steiner: ... leider ...! – Bundesrat Spanring: Billige FPÖ-Kopien! Billige Kopien! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Und da ist das degressive Arbeitslosengeld ganz, ganz wesentlich!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer kurzfristig arbeitslos wird – und das kann jedem in Österreich passieren –, soll einen höheren Einstieg haben. Man
weiß eben auch, dass, wer arbeiten will, spätestens nach drei Monaten Arbeit hat. Deswegen ist es eine Erleichterung, wenn man das gleich digital ein­reichen kann, und es gibt mehr Kapazitäten, was die Beratung betrifft, das ist ja ganz klar, denn damit ist das nicht blockiert. Man muss nicht hingehen,
extra einen Termin ausmachen, sondern man kann es digital einreichen, und das ist eine Erleichterung.

Heißt: Mehr Kapazitäten, was das Personal betrifft. (Bundesrätin Doppler:
Das stimmt nicht!) –
Frau Kollegin Doppler, du wirst das dann, wie
bereits im Ausschuss, wieder dementieren, aber es ist einfach so: mehr Kapa­zitäten für das Personal, mehr soziale Kontakte, was ja auch für manche


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 263

wichtig ist – das ist halt einfach so, das ist ja auch nicht so unwesentlich –, und es wird natürlich, egal was Frau Kollegin Doppler sagen wird, keinen Ein­fluss auf das Personal nehmen. Die Kapazitäten sollen ja aufrechter­halten bleiben.

Deswegen: eine Erleichterung, positiv, 21. Jahrhundert, digitale Offensive im AMS.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf aber auch die Gelegenheit
wahrnehmen und jetzt nach Stunden Kollegen Babler (Bundesrätin Doppler: Hey!) bei uns begrüßen. (In Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden
Bundesrates Babler:)
Herzlich willkommen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Span­ring: Dass du ihn überhaupt erkannt hast!) Schön, dass du auch einmal vorbeischaust! Deine Dringliche hast du versäumt, aber du bist wieder einmal da.

Ich darf Danke sagen, denn es gibt ja mehrere Veränderungen: Kollegin Grossmann wurde angesprochen, auch unsere Präsidentin Göll – danke für deine Vorsitzführung. In unserer Fraktion wird es aber auch eine Veränderung
geben, und ich darf hier Andrea für ihre Fraktionsführung Danke sagen; ich freue mich dann schon auf Harry. Liebe Andrea, alles, alles Gute und vielen Dank
für deine Vorsitzführung in der Fraktion! Ein steirisches Glück auf!
(Beifall bei der ÖVP.)

16.50


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. Ich erteile ihr das Wort.


16.50.58

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Gesetz gehen wir wieder einmal einen Schritt weiter in Richtung komplette Digitalisierung, was ja anscheinend
die Zukunft sein soll. Konkret geht es darum, dass man beim AMS in Zukunft


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 264

Anträge vorrangig digital einbringen sollte, und in weiterer Folge sollte auch
die Betreuung und Beratung digital abgewickelt werden.

Für mich ist dieses Gesetz eigentlich unklar – für mich ist es wirklich unklar –, denn es gibt dieses digitale System beim AMS schon – das nennt sich
E-AMS und funktioniert wirklich, wirklich gut. Über dieses System kann man jetzt schon Anträge einbringen, man kann jetzt schon mit den
Beratern des AMS Kontakt aufnehmen, man kann sich jetzt schon beraten lassen.

Ich weiß aber aus eigener Erfahrung – Kollege Ruprecht hat mir da
ja Vorschusslorbeeren entgegengeworfen: vielen Dank, dass da jetzt vielleicht ein Profi am Rednerpult spricht –, dass die Menschen sich bei den
Beratungen eigentlich persönlichen Kontakt wünschen. Das ist ja auch das Salz in der Suppe: Durchs Reden kommen die Leute zusammen, und es ist
auch die Vermittlungsrate eine wesentlich höhere, als wenn ich nur digital und anonym vermittle. (Zwischenruf des Bundesrates Ruprecht.)

Warum also mit diesem EDV-System jetzt das Rad neu erfunden wird,
obwohl wir doch eh schon ein EDV-System haben, ist mir unklar. Das konnte mir auch der Experte im Ausschuss nicht schlüssig erklären. Genauso habe ich
keine Zahlen darüber bekommen, welche Kosten da auf uns zukommen, wenn man das alte System abschafft und plötzlich ein neues digitales System
einführt. Also für mich ist das ein Rätsel, nämlich auch noch vor dem Hinter­grund, dass 30 Prozent der Arbeitslosen ja nicht einmal einen Online­zugang haben. Wir kennen es ja schon aus der Coronazeit, dass 30 Prozent der Kinder für die Lehrer nicht erreichbar waren. Na ja, so ist es da auch:
30 Prozent sind nicht an einen Onlineanschluss angebunden.

Faktum ist, dass auch in Zukunft gewährleistet sein muss, dass jegliche Anträge analog eingebracht werden können. Egal ob man zu Hause einen PC hat
oder nicht, jeder sollte das Recht haben, einen Antrag analog
einbringen zu können.


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Ich habe dieses digitale System vorhin schon erwähnt. Es wird uns auf den Kopf fallen, wenn wir alles digitalisieren, denn die zwischenmenschlichen
Beziehungen sind gerade beim AMS wichtig. Ich habe es bereits erwähnt: Es ist wichtig, dass man persönlich und nicht anonym vermittelt.

Es ist wichtig, dass wir auch die negativen Folgen der Digitalisierung ernst nehmen, Maßnahmen dazu ergreifen und die Arbeitslosen dementsprechend an­gemessen unterstützen, denn auch die Digitalisierung hat ihre Grenzen.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und der Daseinsvorsorge“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundes­minister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorla­ge zuzuleiten, die folgende Inhalte umfasst:

- Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe für die Bürger an
allen Dienstleistungen der Verwaltung, Justiz und der Daseinsvorsorge ohne technische und kommunikative Barrieren

- Analoge und digitale Manuduktionspflicht bei der Inanspruchnahme
und Teilhabe an allen Dienstleistungen der Verwaltung, Justiz und der Daseins­vorsorge ohne technische und kommunikative Barrieren mit Gültigkeit
für Gebietskörperschaften bzw. ausgegliederte Organisationseinheiten und einschlägige Unternehmen

- Analoges und digitales Interventionsrecht für Eingaben, Anträge
sowie Rechtsmittel für die Bürger


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- Annahmepflicht für Bargeld im Geschäftsverkehr mit der Verwaltung, der Justiz und beim Bezug von Waren und Dienstleistungen.

- Bankgebührenbefreiung für den gesamten Zahlungsverkehr mit Verwaltung und Justiz für die Bürger“

*****

Ich ersuche um zahlreiche Zustimmung zu diesem Antrag. (Beifall bei der FPÖ.)

16.55


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Der von den Bundesräten Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und der Daseinsvorsorge“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Maria Huber. Ich erteile ihr das Wort.


16.55.55

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident!
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen
und liebe Zusehende! Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um eine Verein­fachung. Warum? – Arbeitslose Menschen können sich künftig Wege
zum AMS ersparen, und das ist eine Vereinfachung.

Ich komme aus der Weststeiermark, einer sehr schönen Region mit idyllischen kleinen Bergdörfern, und genau da fängt die Vereinfachung an: Für
Menschen, die zum Beispiel bei uns auf der Soboth wohnen, bedeutet das 40 Minuten hin und 40 Minuten wieder zurück, wenn sie zur AMS-Ge­schäftsstelle in Deutschlandsberg müssen; und das alles mitunter nur, um ein Formular abzuholen oder Unterlagen vorbeizubringen. Das sind oft rein


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 267

bürokratische Vorgänge, die nicht zwingend einen persönlichen Kontakt zu einer Beraterin oder einem Berater erfordern. Genau solche Wege können sich Menschen, die das möchten, künftig ersparen und die Anträge bequem von zu Hause aus über das E-AMS-Konto stellen.

Viele Menschen in Österreich – das haben wir auch schon gehört – sind kurzfristig arbeitslos – aus den verschiedensten Gründen, als Übergang von einer Arbeitsstelle zur nächsten –, und auch diese Menschen profitieren von
einer Erleichterung, die die Digitalisierung bietet, weil sie oft auch gar nicht so viel Beratung durch das AMS brauchen.

Aus eigener Erfahrung als Unternehmerin kann ich sagen, dass ich in
den letzten zehn Jahren kaum mehr Bewerbungen per Post erhalten habe. Ich glaube, ich kann die an einer Hand abzählen. Der überwiegende Teil
der Arbeit suchenden Menschen bewirbt sich bei uns per E-Mail, egal ob es sich um eine höherqualifizierte Stelle oder um eine Stelle als Hilfskraft handelt.
Das ist die Realität, und ich wohne nicht in einem Ballungszentrum, sondern am Land.

Aber: Natürlich gibt es Menschen in Österreich, die mehr persönliche Unterstützung und mehr Betreuung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AMS brauchen; Menschen, für die es schwierig ist, sich in der digita­len Welt zurechtzufinden, wo es zeitintensive Beratungen und Hilfestellungen braucht, um diese Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen. Genau
für diese Menschen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AMS künf­tig aber auch mehr Zeit – mehr Zeit für persönliche Beratung und selbst­verständlich für Unterstützung bei der Antragstellung.

Es wird da niemand zurückgelassen, es wird mit dieser Änderung auch niemandem etwas weggenommen. Daher verstehe ich auch ehrlich gesagt die große Aufregung nicht, weil es weiterhin möglich sein wird, analog in
der Geschäftsstelle des AMS einen Antrag zu stellen. Es ist jetzt künftig auch


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 268

möglich, digital über das E-AMS-Konto einen Antrag zu stellen. (Bundesrätin Schartel: Das war vorher schon möglich!)

Darum bitte ich um breite Zustimmung für die Möglichkeit, sich
künftig rein bürokratische Wege zum AMS zu sparen und diese online
erledigen zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

16.59


16.59.08

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Doppler, Kolleginnen und
Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und der Daseinsvorsorge“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 269

17.00.2712. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung der Erzeugung von er­neuerbarem Wasserstoff nicht biogenen Ursprungs sowie ein Bundesgesetz zur Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für
Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie erlassen werden (2555 d.B. und 2575 d.B. sowie 11499/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl genannt. – Ich bitte um den Bericht.


17.01.06

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates
vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung der Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff nicht
biogenen Ursprungs sowie ein Bundesgesetz zur Begründung von Vorbelastun­gen durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie,
Mobilität, Innovation und Technologie erlassen werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich
zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Ich begrüße an dieser Stelle Frau Bundesministerin Leonore Gewessler bei uns im Bundesrat. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 270

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile
ihm das Wort.


17.02.09

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt inhaltlich auf das Wasserstoffförderungsgesetz eingehen und Ihnen sagen, warum wir auch diesen Gesetzentwurf heute ablehnen werden. Wir haben dafür sehr gute Gründe.

Mit dem Wasserstoffförderungsgesetz soll die Erzeugung von erneuer­barem Wasserstoff unterstützt werden. Das ist ja einmal eine gute Sache. Dafür waren zuerst 400 Millionen Euro geplant, jetzt sollen für die Jahre 2024
bis 2026 insgesamt 820 Millionen Euro ausgeschüttet werden. Die Erzeugung von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt wird,
ist derzeit noch sehr, sehr teuer, daher sind diese Förderungen für das Hochfah­ren der Produktion auf dem Gebiet der Republik Österreich vorgesehen.

Die SPÖ, die Sozialdemokratie, steht selbstverständlich für die Energiewende. Wir sind auch der Meinung, dass wir ein Fördergesetz für die Wasser­stoffwirtschaft brauchen. Wir haben erneuerbaren Wasserstoff bitter nötig, um damit Industrieanlagen zu betreiben oder etwa den Schwerverkehr zu
versorgen.

Wir stehen aber natürlich auch für eine seriöse Mittelverwendung und haben bereits im Nationalrat klar gesagt, dass das Gesetz schlecht aufgesetzt ist,
auch wenn es dem Stil dieser Koalition leider, leider eindeutig entspricht. Ich er­innere nur an die Cofag-Gelder – wir wissen es noch –: Die Oppositions­parteien durften jahrelang keine Einschau halten. Transparenz war nicht das Ste­ckenpferd der schwarz-grünen Regierung. Es kommt noch etwas dazu,
auch das wissen wir: Vor wenigen Tagen hat Prof. Badelt gewarnt, dass die nächste Regierung den Sparstift wird ansetzen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 271

Ich möchte nun inhaltlich ausführen, warum wir heute nicht zustim­men werden: Wir haben Vorschläge gemacht, Frau Ministerin, mittels Abän­derungsanträgen im Nationalrat. Leider wurde darauf keine Rück­sicht genommen. Worauf wurde keine Rücksicht genommen? – Auf die lokale Wasserversorgung zum Beispiel; das war für die Koalition eigentlich
unwichtig. Wir haben ein Nutzungskonzept für die anfallende Abwärme einge­bracht – kein Thema für Schwarz-Grün. Soziale und arbeitnehmerschutz­rechtliche Mindeststandards haben wir eingefordert – wurde von Schwarz-Grün abgelehnt. Für die Erhöhung der regionalen Wertschöpfung gilt das
Gleiche – abgelehnt von Schwarz-Grün.

Besonders ärgerlich ist, dass unser Vorschlag, dass das Gesetz evaluiert werden und dem Nationalrat über die Mittelverwendung berichtet werden soll,
von Ihnen leider – wir sind es aus den letzten Jahren gewohnt – abgeschmettert wurde. Es gibt keine Begründung dafür, wieso Sie so viel Geld ausgeben
wollen, aber sich nicht darüber zu berichten trauen. Das ist schon sehr interes­sant. Ich habe auch von den Kollegen im Nationalrat bestätigt und berich­tet bekommen, dass das so ist.

Ich darf daher zusammenfassen: Die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff ist wichtig, aber bei der Verwendung öffentlicher Mittel ist sorgfältig vorzugehen. Da unsere Vorschläge für Klarheit, Transparenz und deutliche Förderkriterien nicht angenommen wurden, stimmen wir heute gegen
diesen Gesetzentwurf. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.05


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. Ich erteile ihr das Wort.


17.05.36

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident!
Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 272

Zuseher! Wir sprechen heute über das Wasserstoffförderungsgesetz und
die European Hydrogen Bank, zwei zentrale Bausteine unserer nationalen und europäischen Wasserstoffstrategie, die ich sehr begrüße. Schade, dass
Sie (in Richtung SPÖ) nicht zustimmen, denn das ist ein wichtiger Schritt in die Zukunft.

Die EU hat sich Ziele gesetzt: Bis 2030 sollen jährlich 10 Millionen
Tonnen erneuerbarer Wasserstoff in der EU produziert werden. In Österreich streben wir mit der österreichischen Wasserstoffstrategie an, bis 2030
eine Elektrolysekapazität von 1 Gigawatt zu erreichen. Dazu braucht es Anreize wie Förderungen. Gefördert werden die Errichtung und der Betrieb von
Anlagen, die Strom in erneuerbaren Wasserstoff umwandeln. Diese Anlagen müssen neu errichtet werden und dürfen nur erneuerbaren Wasserstoff
nicht biogenen Ursprungs – das heißt, aus Wind-, Sonnen- und Wasserkraft – produzieren, der die Anforderungen der Red-III-Richtlinie erfüllt.

Die Förderungen werden im Rahmen wettbewerblicher Auktionen in den Jahren 2024 bis 2026 vergeben und in Form einer fixen Prämie pro erzeugter
Menge erneuerbaren Wasserstoffs für die Laufzeit von zehn Jahren gewährt. Insgesamt stehen 820 Millionen Euro, davon 400 Millionen Euro für
die erste Auktion 2024, zur Verfügung. Die AWS wird mit der Abwicklung der Förderungen betraut, und die Richtlinien werden vom Bundesministe­rium für Klimaschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen und dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft erstellt. Diese
Richtlinien müssen die Bestimmungen des EU-Innovationsfonds berücksichtigen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wasserstoffförderungsgesetz ist
eine Investition in unsere Energiezukunft, ein starkes Signal an die Wirtschaft und an die Gesellschaft und es bietet unseren Unternehmen Pla­nungssicherheit und fördert Innovationen im Bereich erneuerbarer Energien.

Es ist vielleicht interessant, zu hören, dass sich 60 Prozent der Wasser­stofftechnologie in Europa befinden. Das muss so bleiben, dieser Anteil muss


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 273

weiter steigen. Wir haben in Europa viele Patente, wir müssen technolo­gieoffen sein und auch in diesem Bereich immer wieder weiterkommen. Tech­nologie statt Ideologie – das ist unser Credo und dafür stehen wir ein.
Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

17.08


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm das Wort.


17.08.30

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident!
Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Ja, Sie, Frau Minister, werden uns wahr­scheinlich in Ihrer Stellungnahme mitteilen, dieses Gesetz komme wirklich genau zur richtigen Zeit. Klimaneutraler Wasserstoff sei eine Antwort auf wichtige Herausforderungen, vor denen wir in dieser Zeit stehen.

Frau Minister, ich frage mich: Was haben Sie diesbezüglich in den letzten fünf Jahren gemacht? Dieses Konzept wurde schon im Jahr 2018 vom dama­ligen Verkehrsminister Norbert Hofer ins Leben gerufen und meines Wissens 2019 fertiggestellt. Leider haben Sie es aber in einigen Punkten abgeän­dert. Da frage ich mich: Warum haben Sie es so lange in einer Schublade in Ih­rem Ministerium liegen gelassen?

Für mich bezeichnend ist, dass die von Ihnen in den Ausschuss ent­sandten Experten wieder einmal meine Fragen zu diesem Thema nicht beant­worten konnten, aber auch nicht die versprochenen Unterlagen bis zur
heutigen Plenarsitzung zugesendet wurden.

Aber, Frau Minister, ich frage Sie – weil das ja Ihre Experten nicht genau gewusst haben –, was Sie darunter verstehen, unter: erneuerbarem Wasserstoff


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 274

nicht biogenen Ursprungs – Wasserstoff, dessen Energiegehalt aus erneuerba­ren Energiequellen mit Ausnahme von Biomasse stammt –, mit dem Zu­satz: „Zur Erreichung des Ziels dieses Bundesgesetzes werden die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Umwandlung von Strom in erneuerbaren Was­serstoff nicht biogenen Ursprungs in Österreich gefördert.“

Im Klartext lautet dieser Passus: Strom, produziert von Windkraftanlagen, darf in Wasserstoff umgewandelt und Wasserstoff als Speichermedium eingesetzt werden – was ja prinzipiell in Ordnung ist. Jedoch Wasserstoff aus Bio­masse produziert – es ist für mich unverständlich, dass diese Gesetzesregelung so getroffen wurde –, also Wasserstoff in direktem Verfahren aus Bio­gas produziert, darf nicht umgesetzt werden. Das verstehe ich auch nicht. (Ruf bei der SPÖ: Das verstehe ich auch nicht!)

Es werden jetzt 820 Millionen Euro an Fördergeld bis 2026 zur Verfü­gung gestellt. Wir haben jetzt ungefähr 1 Gigawatt – das sind umgerechnet 5 000 Produktionsstunden – und danach haben wir 5 Terawattstunden.
Bei einem Gesamtenergieverbrauch in Österreich von 390 bis 400 Terawatt­stunden ist das, was wir da jetzt machen, ein kleines Kinkerlitzchen,
aber sonst schon gar nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist zwar ein Versuch, ein Anfangsschritt, aber leider kann man durch Ihr verändertes Konzept gegenüber jenem der Freiheitlichen keinen
weiteren großen Schritt erwarten. Wir Freiheitlichen sind der Meinung, für eine Energiepolitik mit Hausverstand ist es nötig, auch andere Wasserstoff­quellen zu nehmen, sich auch auf andere Wasserstoffquellen zu konzentrieren und vor allem auch für eine Durchleitung Netze herzustellen und dem
Import und Export von Wasserstoff den rechtlichen Rahmen zu geben, um eine dementsprechende Versorgungssicherheit für die österreichische
Bevölkerung, für die österreichische Wirtschaft zu gewährleisten. (Beifall bei
der FPÖ.)

17.12



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 275

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.


17.12.19

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Hinter diesem textlich knapp formulierten Gesetz versteckt sich nicht weniger als der zentrale Meilenstein in der Transformation der Wirtschaft hin zu einer CO2-freien Produktion,
die es im Kern ermöglicht, an der neu geschaffenen Europäischen Wasserstoff­bank teilzunehmen – das haben wir kurz gehört.

Dadurch werden zum einen – das ist besonders wichtig – europaweit einheitliche Standards definiert, und Unternehmen in Österreich nehmen an der europaweiten Aktion teil; das soll übrigens heuer noch starten. Ergänzend
sei bemerkt, es können nationale Fördermittel in Anspruch genommen werden, und das sind ja nicht weniger als diese genannten 820 Millionen Euro,
alleine heuer 400 Millionen Euro. Das fällt schon unter das Motto: Klotzen, nicht kleckern.

Das ist gut so, denn keinesfalls sollte unsere Industrie ins Hintertreffen
geraten, vor allem mit Blick auf den internationalen Wettbewerb. Wir stehen ja nicht alleine da, denn auch woanders auf dem Planeten wird die Wasser­stoffwirtschaft hochgezogen, und zwar teils massiv und teils mit günstigeren Be­dingungen, was den dafür erforderlichen Strom betrifft. Es geht um die Errichtung von Elektrolyseanlagen – also Strom mit Wasserstoff –, die natürlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern betrieben werden müssen.

Um nur ein bisschen ein Gefühl zu geben, wie scharf da die Konkurrenz ist, da Wasserstoff bis zu einem gewissen Grad nur am internationalen Markt
ist oder sein wird: In Saudi-Arabien könnte Strom aus Fotovoltaik um 1 Cent erzeugt werden. Da ist es natürlich schon notwendig, dazuzuschauen,
dass unsere Wirtschaft günstigere Bedingungen hat, um nicht den Anschluss zu


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 276

verlieren und – wie wir gehört haben– um auch die europäische Produktion nicht zu verlieren.

Wir haben ein konkretes Ziel: 1 Gigawatt bis 2030. Das findet sich übrigens in der österreichischen Wasserstoffstrategie, die wir vor zwei Jahren unter
breiter Einbindung der Industrie – das möchte ich betonen – fertiggestellt haben (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Das glaube ich! – Bundesministerin
Gewessler: Das stimmt wirklich!);
also nicht Schublade, im Gegenteil.

Übrigens möchte ich dafür eine Leseempfehlung für den Strand aussprechen, sie ist im Download verfügbar. Darin finden sich neben umfangreichen Infos zu Wasserstoff eine Wasserstoffstrategie mit einer Reihe von konkreten Maßnahmenpaketen. 1 Gigawatt – oder anders formuliert: 1 000 Megawatt, man kann sich das so schwer vorstellen –, das ist eigentlich unfassbar viel, das ist eine Patzen Leistung und natürlich eine Herausforderung für die nächsten
sechs Jahre, was aber, glaube ich, gelingen wird. Adressiert ist das ja vor allem an die Großindustrie, an die Grundstoffindustrie, die den Wasserstoff braucht – darauf komme ich noch zu sprechen. Also das ist nicht gedacht für irgendwelche kleine Einheiten.

Diese 1 000 Megawatt heimischer Produktionskapazität brauchen entspre­chend Strom. Da zeigt sich ein weiteres Mal, wie wichtig das Erneuerbaren-Aus­bau-Gesetz ist, das gesicherte Rahmenbedingungen für die Produzenten
schafft. Es geht darum – das ist auch mit ein Grund –, dass wir im Zuge des Aus­baus von PV und Wind vor allem immer mehr Phasen haben, in denen es
mehr Strom gibt, als in dem Moment gebraucht wird – zu Mittag zum Beispiel –, und dass natürlich gerade dieser Strom dann für die Wasserstoffproduktion genutzt und nicht irgendwie abgeriegelt oder nicht mehr erzeugt wird.

Wasserstoff ist, um ein populäres Schlagwort zu bemühen: sektorübergreifend. Das heißt: vom Strom zu anderen Anwendungen, das ist mit sektorüber­greifend gemeint. Elektromobilität ist also sektorübergreifend, eine Wärmepum­pe ist sektorübergreifend: vom Strom zu Wärme. Man hat neue Namen


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für Sachen gefunden, die wir schon lange kennen, zum Beispiel Kraft-Wärme-Koppelung.

Aber auch da hat Österreich unter Federführung des BMK wirklich
innovative Arbeit geleistet und einen nationalen Infrastrukturplan erstellt, der Strom, Methan, Wasserstoff inklusive Speicher gemeinsam betrachtet
und ein gesamtes Infrastrukturkonzept bis 2040 skizziert. – Das ist schon etwas Neues und eine wichtige Grundlage wiederum für Planungs- und Investi­tionssicherheit für diejenigen, die jetzt investieren: Das sind die Netzbetreiber, die Industriebetriebe – und da geht es wirklich um viele Milliarden Euro.
Ich erwähne das ganz bewusst, weil immer wieder Vorwürfe auftauchen, es gäbe kein Gesamtkonzept, was natürlich nicht stimmt, denn es ist durchaus
erlaubt, die Strategien im Zusammenwirken gemeinsam zu sehen.

Ich möchte noch auf eine wirklich wichtige Debatte in diesem Zusammenhang eingehen: Ja, wir brauchen Wasserstoff für die Dekarbonisierung, für
die Klimaneutralität – das ist unbestritten –, deswegen sind wir intensiv dran. Es sind aber – wobei: aber muss man gar nicht sagen –, gleichzeitig – ist
vielleicht besser – Dinge zu beachten und zur Kenntnis zu nehmen, was einigen leider schwerfällt. Wasserstoff ist nämlich ein besonderes Gas – nicht
nur aus chemischer Sicht, sondern es ist auf lange Zeit hinaus knapp und relativ teuer.

Wir werden zum Beispiel in Österreich nicht in der Lage sein, auch nur
den Industriebedarf an Wasserstoff selber zu decken. Wir werden auf Importe angewiesen sein, was übrigens für ganz Europa gilt, und zwar über lange
Zeit hinaus. Da können Sie Profis fragen, Leute, die Wasserstoff
gegenüber überhaupt nicht skeptisch sind.

Ich hatte übrigens vor Kurzem ein Gespräch mit dem Vorstand der Baden-Württemberg Kraftwerk AG, die allein so groß wie ganz Österreich
sind, die wirklich glaubhaft eine intensive Wasserstoffstrategie verfolgen und auch Geld reinstecken, und die sagen ganz offen: Wir bauen jetzt die


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Leitungen, aber wir wissen nicht, woher er kommt, und mit Sicherheit wird das noch zehn, 20 Jahre lang teuer bleiben. Sogar die Gasversorger sagen,
was ich jetzt kurz zitieren möchte: Schaut, was ihr damit macht!

Wasserstoff muss also dort eingesetzt werden, wo wir ihn wirklich brauchen. Und was ist mit wirklich gemeint? – Wirklich bedeutet dort, wo es
keine Alternativen gibt. Das ist vorrangig in spezifisch energieintensiven In­dustriezweigen der Fall – in der chemischen Industrie etwa, Stichwort Ammoniak, respektive Stickstoffdünger. Das ist auch eine Botschaft an unsere Koalitionskollegen in der ÖVP: Es ist wirklich wichtig, dass es Wasser­stoff gibt, um diese Dünger herzustellen. Auch in der Stahlindustrie wird er als Reduktionsmittel gebraucht. Wasserstoff wird auch in der Kraft-Wärme-Kopplung benötigt, Stichwort Fernwärmesysteme, wo man anders dekarbonisie­ren kann, und wir werden Wasserstoff in beschränktem Ausmaß in
ganz speziellen Transportsegmenten brauchen, wie zum Beispiel im Flugverkehr.

Was heißt das im Umkehrschluss? – Im Umkehrschluss heißt das, es gibt
Orte, wo wir ihn definitiv nicht brauchen, wo es sogar fahrlässig wäre, ihn einzu­setzen, nämlich für die Individualmobilität, sprich für Autos, und für die Raumwärme. Alle, die etwas anderes erzählen, das tun leider viele, erzählen Mär­chen, die sich vielleicht schön anhören, aber eben Märchen sind. Um es
noch klarer zu sagen: All jene, die Wasserstoff in diese Segmente abzweigen wollen, gefährden unsere Industrie und gefährden damit die Arbeitsplätze in der Industrie, weil ihnen die Energieversorgung fehlen wird.
(Beifall bei den Grünen.)

Stichwort Nutzen für Autos: Wasserstoff  die Wirkungsgradkette über
den Verbrennungsmotor im Auto sind, das können Sie in den wissenschaftlichen Publikationen nachlesen, 14 Prozent, im E-Auto 70 bis 80 Prozent. Da
brauchen wir nicht einmal zu diskutieren. Das ist schlichtweg ein fahrlässiger Umgang mit einem knappen Gut, das wir ganz dringend brauchen.


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Natürlich wird auch in Österreich Wasserstoff hergestellt und benötigt, nur wird der jetzt aus fossilem Gas gemacht, über ein Reformationsverfahren, und
das ist natürlich überhaupt das Allererste, was man tun wird, das wird das erste Anwendungsgebiet sein: diese Produktion zu substituieren. Das steht
übrigens sinnvollerweise auch in der Wasserstoffstrategie.

Und, vergessen wir das nicht, es ist somit gleichzeitig eine wirklich wichtige Maßnahme, um uns von Importen mit russischem Gas unabhängig
zu machen. Ich habe es heute in einem außenpolitischen Statement schon er­wähnt: Eine der ganz wichtigen Vereinbarungen, die gemeinsam mit Deutschland und Italien abgeschlossen worden sind, ist der Bau dieser Pipeline vom Mittelmeer bis nach Deutschland, um eben auch eine künftige
Versorgung sicherstellen zu können. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Miesenberger.)

17.21


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


17.21.44

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich, dass wir heute auch im Bundesrat gute Neuigkeiten zum Thema grünen Wasserstoff haben. Da Bundesrat Bernard meine Reden im Nationalrat sehr genau verfolgt, werde ich die Einleitung jetzt ein bisschen kürzen
(Bundesrat Bernard: Danke Ihnen!), aber trotzdem – anschließend an das, was Bundesrat Gross gerade gesagt hat – Folgendes sagen: Wasserstoff
ist ein zentraler Teil der Rechnung, wenn wir dreckiges Erdgas mit klima­neutralen Energieträgern ersetzen wollen, und – das ist auch klar; das haben wir in den letzten zwei Jahren gelernt – echte Sicherheit gibt es dann, wenn


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wir möglichst viel unserer Energieversorgung selbst in der Hand haben, und dazu zählt natürlich auch grüner Wasserstoff.

Wir haben – eingehend auf die Frage des Bundesrates Bernard – in den
letzten Jahren auch den Aufbau einer Wasserstoffproduktion und einer Was­serstoffwirtschaft im Ministerium umfassend vorbereitet und vorange­trieben. Die Wasserstoffstrategie ist ein Baustein dazu. Wir haben gemeinsam mit dem BMAW die Hydrogen Partnership Austria ins Leben gerufen,
die uns auch in den Materien, in den fachlichen, in den organisatorischen, in den operativen Fragen sehr gut begleitet.

Wir haben uns mit 125 Millionen Euro an gemeinsamen europäischen
Projekten zum Wasserstoff, den Ipcei-Projekten, beteiligt. Wir haben im Netzin­frastrukturplan das Wasserstoffkernnetz für Österreich entwickelt. Wir
haben mit dem International Hydrogen Trade Forum und mit dem Memorandum of Understanding auch die Importseite diskutiert und abgetaktet, und –
wie gerade auch angesprochen – die trilaterale Partnerschaft mit Deutschland und Italien ist sehr eng, sehr konstruktiv, sehr gut, um Wasserstoff auch tatsächlich umfassend als Thema zu behandeln.

Wir sehen aber, die Herausforderungen sind und bleiben groß. Auch Bundesrat Kovacs hat auf die Preisdifferenz hingewiesen, die bei erneuerbarem Wasserstoff heute im Vergleich zu fossil erzeugtem Wasserstoff einfach noch vorhanden ist. Das ist für Unternehmen ein Problem. Damit wir Wasser­stoff aber in Zukunft in Österreich in ausreichender Menge für die Industrie zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung haben, müssen wir jetzt
vorsorgen, sonst sind wir zu spät dran – deswegen dieses Gesetz mit in Summe 820 Millionen Euro zur Förderung der Erzeugung erneuerbaren Wasser­stoffs in Österreich.

Wie schaut die Unterstützung im Detail aus? – Es ist schon angesprochen wor­den: Einerseits nutzen wir da ein europäisches Instrument im Rahmen


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des EU-Innovationsfonds, um Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff in­nerhalb von Europa zu unterstützen. Im Rahmen dieser Auktionen auf europäischer Ebene gibt es für österreichische Unternehmen die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Wir können österreichisch nationale Mittel für
österreichisch nationale Projekte quasi einfüllen. Die erste Pilotauktion fand 2023 statt, eine weitere ist für das Jahr 2024 geplant, und mit diesem Gesetzesbeschluss stellen wir sicher, dass auch österreichische Unternehmen bereits 2024 teilnehmen können. Das ist gut und das ist wichtig.

Vielleicht noch auf die Frage eingehend – wieder von Bundesrat Bernard –: Woher kommt die Definition, was hier gefördert wird? – Die kommt
direkt aus der europäischen Gesetzgebung. Wir haben europäisch verpflichtende Ziele: Welchen Anteil von Wasserstoff eben nicht biologischen Ursprungs,
aus erneuerbaren Quellen müssen wir bis zum Jahr 2030 nachweisen? – Das ist in der RED III – in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III – genau definiert.
Dort ist die Biomasse ausgenommen. Daher: Das liegt in der EU-Gesetzgebung und in der EU-Definition für diesen erneuerbaren Wasserstoff. Auf die
stellen wir ab, denn auf die stellt auch dann die Auktion auf europäischer Ebene ab. (Bundesrat Steiner: Und wer sitzt im Rat!) – Ich kann Sie beruhigen, wir
haben diese Diskussion intensiv geführt, ich war nicht mit allen Elementen ein­verstanden, aber im Rat entscheidet eine qualifizierte Mehrheit, wie Sie
wissen. Wir haben hart um eine gute Definition gekämpft. (Zwischenrufe der Bun­desräte Spanring und Steiner.)

Vor uns liegt ein echter Kraftakt. Damit uns die Energiewende gelingt,
müssen wir jetzt alle daran arbeiten. Das ist mit Sicherheit kein Spaziergang, das ist mit Sicherheit eine große Aufgabe, das will und muss ich auch ganz
offen sagen, aber es ist richtig, es ist notwendig und es wird uns auch gelingen, wenn wir uns jetzt auf die richtigen Lösungen konzentrieren, smart einge­setzt in den richtigen Sektoren.


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Es geht jetzt einfach darum, das Energiesystem so zu verändern, dass wir unab­hängig sind, dass wir möglichst krisenfest sind, dass wir unsere Energie­versorgung für die Zukunft sicherstellen können und dass wir uns vor allem nicht weiter mit Gaslieferungen aus dem Ausland erpressen lassen müssen,
denn das will, glaube ich, niemand von uns. Deshalb darf ich Sie heute sehr herzlich um Zustimmung zu einem, wie ich meine, wirklich sehr guten Gesetz bit­ten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

17.26


17.26.38

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.27.1113. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Gasdiversifizierungsge­setz 2022 und das Energielenkungsgesetz 2012 geändert
werden (4074/A und 2576 d.B. sowie 11497/BR d.B. und 11500/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 13. Punkt
der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl genannt. – Ich bitte um den


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Bericht.


17.27.36

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Herr Präsident! Ich bringe
den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirt­schaftsgesetz 2011, das Gasdiversifizierungsgesetz 2022 und das Energielen­kungsgesetz 2012 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich
zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2024 den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm das Wort.


17.28.27

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Auch bei diesem Themenbereich
lässt die Ahnungslosigkeit der führenden Personen gepaart mit falscher politischer Ideologie grüßen.

Aber zum Thema dreckiges Gas, Frau Minister: Das ist der Unterschied. Für Sie und diese Bundesregierung ist mehr Bürokratie wichtig, um Versorgungs­posten zu schaffen, anstatt Versorgungssicherheit für die österreichische Bevöl­kerung und die österreichische Wirtschaft zu gewährleisten.
(Beifall bei der FPÖ.)


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Wir Freiheitlichen treten für Wohlstand und Sicherheit ein  für die gesam­te Bevölkerung und nicht wie diese Bundesregierung für einzelne Parteibuchar­beitsplätze.

Natürlich fürchtet diese Bundesregierung wie der Teufel das Weihwasser
wieder einmal das Begutachtungsverfahren. Die Zeitachsen, die von dieser Bun­desregierung teilweise für die 
angeblich Ersatzbereitstellungen im
Bereich Gas geplant sind, sind Wunschdenken und vollkommen unrealistisch. Wie aber bereits bei vielen anderen Themen ist es ja immer wieder das
Gleiche: Zu Fragen im Ausschuss gibt es durch das von Ihnen geführte Ministe­rium entweder keine Antworten oder spärliche Beantwortung, oder Sie entsenden zu Tagesordnungspunkten überhaupt keinen Experten.

Das ist Ihr Verständnis von Parlamentarismus, von Demokratie, es passt aber auch zu Ihrer Vorgangsweise beim Renaturierungsgesetz, das haben wir
ja gesehen.

Die gesamte Energiepolitik birgt aber natürlich auch erhebliche Gefahren, auf die nicht wirklich reagiert wird. Es gibt zwar die Androhung, dass ab 1. Jän­ner 2025 kein Gas mehr durch die Ukraine geleitet wird, aber dazu gibt es kei­nerlei Aktionen oder Aktivitäten der Regierung etwa in Richtung Eva­luierung alternativer Pipelinerouten. Da gibt es gar nichts, keine Vorbereitungen, also droht Gasmangellage – aber man schaut nur zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe Ihre Experten mehrmals nach einem Ausfallsgesamtkonzept gefragt, welches die Versorgungssicherheit, falls dieser Fall eintritt, realistisch
darstellt, und darauf keine Antworten bekommen. Auch auf meine Frage, ob es überhaupt ein Konzept gibt, kamen zwei Mal die gleichen Stehsätze,
aufgrund dessen habe ich – falls es eines geben sollte – die Vorlage eines Kon­zeptes bis zur heutigen Plenarsitzung des Bundesrates verlangt, aber
natürlich ist bis jetzt nichts gekommen. Ich habe aber auch nichts anderes erwartet.


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Ich kann Ihnen ja eines verraten, Frau Minister: Es ist auch das Gasleitungsnetz in Österreich nach wie vor nicht in der Lage, die alternativen Ströme –
die ja dann von Rotterdam kommen oder vorher auch gekommen sind, also von West nach Ost gehen – zu leiten, Stichwort: West-Austria-Gasleitung.
Die West-Austria-Gasleitung ist eine wichtige Erdgasleitung in Österreich, die sich von der slowakischen bis zur deutschen Grenze erstreckt. Das
Projekt beinhaltet den Ausbau der bestehenden Pipeline durch Hinzufügen eines parallelen Leitungsstrangs über 40 Kilometer zwischen Oberkappel
und Bad Leonfelden. Auch wenn jetzt irgendwann einmal das Budget oder die Finanzen stehen, bis das Ganze umgesetzt ist, ist der 1. Jänner 2025
schon lange vorbei.

Das Projekt ist aber zum Beispiel entscheidend für die Versorgungssicherheit Österreichs und seiner Nachbarländer. Der Ausbau soll sicherstellen,
dass bei einem Ausfall der Gaslieferung über die Ukraine mehr Gas aus westli­chen Quellen – wie zum Beispiel aus Norwegen – nach Österreich trans­portiert wird. Zweieinhalb Jahre vollkommene Untätigkeit, Frau Minister, auf der anderen Seite wollen Sie bis 2027 aus dem Gas aussteigen: Das geht sich
alles nicht aus!

Es geht um unsere Wirtschaft. Es geht um unsere österreichische Bevölkerung, und die hat sich eine ausgewogene Energiepolitik verdient, die in diesem
Dreieck von Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und Wirtschaftlichkeit sowie Kompatibilität mit der Wirtschaft agiert und eben nicht die Zerstörung
der Wirtschaft aufgrund der explodierenden Preise beziehungsweise der riesigen Unsicherheit, was die Versorgung mit Energie betrifft, riskiert. Freiheitliche Energiepolitik ist eine ausgewogene im Sinne dieses Zieldreiecks, stärkt unsere Industrie, stärkt unsere Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze.
(Beifall bei der FPÖ.)

Ja, Frau Minister, zum Abschluss meiner Rede eine Frage: Warum wollen Sie, obwohl Sie eh schon in so vielen Bereichen maßlos überfordert sind,
jetzt noch eine eigene Abteilung in Ihrem Ministerium gründen, die sich damit


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beschäftigt, die überprüft, ob Autokennzeichen diskriminierend sind
oder nicht? Haben Sie dafür auch schon ein Konzept? Unter welchen Kriterien wollen Sie das beurteilen? Welche Zahlen oder Buchstaben auf den
Kennzeichen sind diskriminierend?

Wir Freiheitlichen sind der Meinung: Treten Sie zurück und sorgen Sie so für die Wiedererlangung der Versorgungssicherheit für die österreichische Bevölkerung! Falls Sie doch noch im Amt bleiben sollten, fordern wir Sie
auf: Hören Sie in Ihren letzten verbleibenden Monaten damit auf, Versorgungs­posten zu schaffen und Hasspolitik gegen die eigene österreichische Bevölkerung zu betreiben! (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf der
Bundesrätin Schumann.)

17.34


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. Ich erteile ihr das Wort.


17.34.20

Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident!
Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Liebe Zuseher und Zuhörer via Livestream! Es ist ganz klar, für Österreich gilt
natürlich, dass wir seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine den Anteil des russischen Gases verringern möchten.

Die vorliegenden Anpassungen dienen dazu, die österreichische Versor­gungssicherheit auch weiterhin zu gewährleisten: mit Verlängerung der strategi­schen Gasreserve bis April 2027, dem Gasdiversifizierungsgesetz sowie
den gesicherten Gasmengen.

Darüber hinaus werden Versorger dazu verpflichtet, Konzepte zu erstellen, in denen getroffene und geplante Maßnahmen im Hinblick auf einen mög­lichen Ausfall von Gaslieferungen gegenüber Regulierungsbehörden darzulegen


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sind. Des Weiteren haben diese Versorgungssicherheitskonzepte auch
eine Darstellung über Maßnahmen zur Reduzierung von russischem Erdgas zu enthalten. Diese jeweiligen Konzepte sind heuer bis zum 31. Oktober
an die Regulierungsbehörde E-Control zu übermitteln.

Im Gegensatz zur FPÖ, die anscheinend auch weiterhin von russischen Gaslie­ferungen abhängig bleiben möchte, denn sie wird ja heute auch da nicht zustimmen, sichern wir mit diesen Schritten weiterhin die Versorgung. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Speicher sind gut gefüllt, im Moment
mit aktuell circa 80 Prozent. Auch die E-Control hat zuletzt berichtet,
dass wir uns bei unterschiedlichen Szenarien in den nächsten zwei Wintern kei­ne Sorgen um die Versorgungssicherheit in Österreich machen müssen. Trotzdem müssen wir aber weiterhin dranbleiben, und natürlich sind weitere Schritte notwendig, um von Russland und von Putin – der jederzeit die Möglichkeit hat, das Gas wieder abzudrehen und damit auch die Preise wieder in die Höhe zu treiben – unabhängiger beziehungsweise unabhängig zu werden.

Diese Anpassungen sind ein wichtiger Schritt dorthin, und deshalb bitte ich Sie um Zustimmung und Unterstützung bei diesem Punkt. – Danke schön.
(Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

17.36


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bettina Lancaster. Ich erteile ihr dieses.


17.37.11

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Vorab: Die sozialdemokratische


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Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. Wir stellen uns der Ver­antwortung und bringen uns als Opposition konstruktiv ein. (Beifall bei der SPÖ.)

Enttäuschend ist wieder einmal die Vorgangsweise, die bereits erwähnt
wurde: keine Begutachtung und kurzfristige Abänderungen. Es ist nicht gut, auf Experten- und Praktikerwissen in der Begutachtung zu verzichten. Respekt
vor dem Gesetzwerdungsprozess sieht anders aus, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, aber diesen Respekt zollen Sie
sich auch gegenseitig nicht mehr, wie wir jetzt schon beinahe täglich erleben. Das schadet Österreich in Europa, in der Welt und gibt auch innerhalb Österreichs ein katastrophales Bild von der Politik ab. Ich ersuche Sie: Lassen Sie es bleiben! Ihr fördert Politikverdrossenheit und spielt damit den extremen rechten Rändern in die Hände. – Das schadet der Demokratie.

Als Kommunalpolitikerin arbeite ich mit Konsens, Beteiligung und Überzeugung. Politik braucht Mut, da stimme ich Ihnen auch zu, Frau Ministerin, aber Umsetzung mit der Brechstange verursacht Kollateralschäden, die oft schwer einzufangen sind und oft längerfristig die Nachteile überwiegen lässt.

Noch ein paar Worte zu der alten grünen Leier: Ihr hättet doch - -, ihr hättet können!, Warum habt ihr nicht? und so weiter, wenn wir Kritik anbringen
oder unsere Zustimmung aufgrund fachlicher Bedenken verweigern. Jetzt halte ich dazu einmal fest: Das ist unserer Meinung nach ein netter Versuch,
die Unzufriedenheit mit der eigenen Performance zu kaschieren, und nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum Thema: In diesem Gesetz sind mehrere Gesetzesänderungen
enthalten, wie wir bereits gehört haben. Es geht um die Verlängerung der strate­gischen Gasreserve bis 2027 im Gaswirtschaftsgesetz.

Dazu kommt ein Anhang, der Versorgungsunternehmen und Gasimporteure
wie die OMV für den Ausfall von Gashauptlieferanten verpflichtet, Versorgungssicherheitskonzepte zu erstellen. Der verpflichtende Ausstieg fehlt noch.


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Im Gasdiversifizierungsgesetz werden die Ausgleichszahlungen für Mehr­kosten der Unternehmer beim Ausstieg aus russischem Gas bis 2027 verlängert. Somit dürfte auch das Problem um die Finanzierung der mangelhaften Infrastruktur angegangen werden.

Als Oberösterreicherin ist mir wie schon mehrmals gesagt der Ausbau des WAG-Loops von essenzieller Wichtigkeit. Gerade bei der Diversifizierung stellt
sich mir aber immer wieder die Frage: Welche Rolle nimmt dabei die Förderung beziehungsweise Aufschließung von österreichischen Erdgasfeldern ein?
Das interessiert mich deshalb besonders, da es in meinem Heimatbezirk Kirch­dorf in der Gemeinde Molln zu Probebohrungen und Erschließungen von Erdgasfeldern kommen wird. Die vermuteten Erdgasfelder befinden sich in der Nähe des Nationalparks Kalkalpen. Bürgerinitiativen, die sich gegen die Förderung des Erdgaslagers aussprechen, werden, so wurde mir mitgeteilt, vom grünen Landesrat in Oberösterreich unterstützt – eine Position, die der Diversifizierung entgegenstehen und Ihren Bemühungen, Frau Ministerin, wider­sprechen würde. Was soll man davon in der Region halten? – Danke.
(Beifall bei der SPÖ.)

17.41


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.


17.42.02

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident!
Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Vorab muss ich jetzt schon et­was zu Ihren Ausführungen sagen, Frau Kollegin Lancaster, und zwar
zum Ersten zur „Brechstange“: Also mir ist noch keine Brechstange aufgefallen. Die ökologische Steuerreform, zu der wir heute schon die Debatte
hatten und der Sie nicht zustimmen, ist keine Brechstange, sondern eigentlich ist


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das Gegenteil der Fall. Das ist ein planbares Instrument, im Parlament beschlossen.

Auch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist ein planbares Instrument, im Parla­ment beschlossen.

Wir haben reihenweise exzellente Förderungen – ich habe das hier
herinnen schon oft erwähnt – zur Unterstützung insbesondere von Haushalten, aber auch von Wirtschaft, Landwirtschaft, um den ganzen Umbau vollzie­hen zu können. Auch das ist, denke ich, ziemlich das Gegenteil einer Brechstange. Maximal ist es ein Hebel, aber sicher keine Brechstange. (Beifall bei den Grünen.)

Mutig finde ich die Aussage, es würde Frust über die Politik fördern, demokratiepolitischen Schaden zu unterstellen. Ich kann mich noch gut an Rot-Schwarz erinnern. Jahrelang war es fast zum Fremdschämen, da
zuzuschauen.

Etwas möchte ich schon noch anmerken, weil es vor Kurzem dermaßen
heftig zugegangen ist und ein Kollege von Ihnen eine wirklich völlig unfassbare Beleidigung mir gegenüber ausgesprochen hat: Man solle mich abschaf­fen. – Bis jetzt gab es keine Entschuldigung. Wissen Sie, dann spricht er von Skandal, weil ich Ihnen gegenüber Kritik geäußert habe. Das habe ich,
ja. Nur: Der Unterschied ist, ich halte Kritik aus (Bundesrätin Schumann: Nein, das glaube ich nicht! – Ruf bei der SPÖ: Nein, das halten Sie eben nicht aus!), auch
die, die Sie geäußert haben, aber Sie halten die Kritik nicht aus. Ich erwarte mir nach wie vor eine dezidierte Entschuldigung hier heraußen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Auch das zum Demokratieverständnis. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich muss auch einiges aushalten. (Bundesrätin Schumann: Aber wir auch!) – Ja, aber ich bin nicht so eine Mimose. (Bundesrätin Grimling: Nein!)


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Zum Gesetz jetzt: Also ich gebe zu, dass ich mir zuerst nicht gedacht
hätte, dass es gelingt, dieses Gesetz durchzusetzen, und dass endlich ein Teil der Verantwortung für eine sichere Gasversorgung dort definiert wird, wo sie hingehört, wo Geld mit dem Handel verdient wird und wo auch Profite gemacht werden, nämlich bei den Gasversorgern. Schließlich sind es auch die Gasversorger – das ist in den letzten Jahren ein bisschen untergegangen –, die die Verträge mit den Lieferanten abschließen. Das macht ja nicht der
Bund, jedenfalls macht es nicht das BMK, und wenn doch, dann im Auftrag, um die strategische Reserve zu befüllen.

Es ist seitens der Regierung, vor allem seitens des BMK, wirklich viel unter­nommen worden, um die Gasversorgung vor dem Hintergrund der völ­kerrechtswidrigen Aggression Putins gegen die Ukraine zu sichern. Das ist ein furchtbarer Krieg mit gigantischen Zerstörungen, der jetzt schon über
zwei Jahre dauert. (Bundesrat Leinfellner: Nur, weil ihr ihn finanziert!) – Ich komme eh noch auf Sie zurück. Es gibt Auslöschungen ganzer Städte, Zehntau­sende Tote, unfassbareres Leid, Millionen Menschen haben ihr Zuhause verlo­ren, und der Despot im Kreml finanziert seinen Krieg maßgeblich mit
dem Export von Gas und Öl, von Blutgas und Blutöl.

Betreffend gesetzte Maßnahmen erinnere ich nur an die strategische Gasreserve in den Speichern. Die Kollegin hat es erwähnt, ich habe auch noch einmal nachgeschaut: Es sind über 82 Prozent – im Juni wohlgemerkt und nicht im Ok­tober. Wir haben die Use-it-or-lose-it-Regelung eingeführt. Sie wissen,
man kann nicht einfach Speicherkapazität buchen, wie es die russische Gasge­sellschaft gemacht hat. Dann verliert man die, dann ist sie weg. Das darf
nicht leer bleiben.

Es gibt auch ein Gasdiversifizierungsgesetz, und wir haben eine Reihe von För­dermaßnahmen auf den Weg gebracht, um aus Gas auszusteigen. Das
zeigt auch Wirkung, der Gasverbrauch ist nämlich deutlich gesunken. Wir hatten von 2018 bis 2022 im Schnitt 91 Terawattstunden, und jetzt sind wir bei 75 Terawattstunden, das ist ein Minus von 17 Prozent.


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Noch immer – das ist ja klar, und das bestreitet wirklich niemand, wir ganz be­stimmt nicht – ist aber die Abhängigkeit von Russland viel zu groß. Da herauszukommen ist eine gemeinsame Aufgabe – ich möchte das betonen – aller Gebietskörperschaften, auch der Wirtschaft, der Industrie, aber auch von
uns Bürger:innen, indem wir die Heizungen umstellen, aber eben auch der Gas­versorger. Diese werden nun verpflichtet, einen konkreten Maßnahmen­plan vorzulegen, was sie denn zu tun gedenken, wenn der größte Einzellieferant ausfällt. Das ist derzeit oftmals Russland. Dieser Plan ist der Regulierungs­behörde vorzulegen, die sich das dann anschaut.

Das ist eine, denke ich, völlig normale Vorgangsweise. Da geht es ja um so viel. Also selbstverständlich muss das Hand und Fuß haben, es geht um die Versorgungssicherheit.

Nicht nur das: Die Gasversorger müssen darlegen, wie sie ganz generell forcieren werden, aus der Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland zu gelangen.
Also das ist eine Supersache, gegen die man, meinen wir jedenfalls, im Interesse der über eine Million Haushalte und der Wirtschaft vernünftigerweise,
sofern man Hausverstand hat – um dieses Wort auch einmal zu verwenden –, nicht sein kann.

Man kann nicht permanent – und da schaue ich jetzt nach rechts
außen – Abfederungsmaßnahmen fordern und dann ebenso permanent dagegen sein, wenn wirksame Maßnahmen gesetzt werden. Das geht halt nicht zusammen, außer man ist ein Freund Putins und nimmt halt gern Unterstüt­zungsleistungen von derartigen Despoten entgegen und außer man
will keine Versorgungssicherheit. Dann sagen Sie das auch einmal deutlich genug: Ja, wir wollen keine Versorgungssicherheit! (Beifall bei
den Grünen.)

Erzählen Sie auch keine falschen Geschichten, was den WAG-Loop betrifft! Da ist aber schon gar nichts verzögert worden. Ich habe mir die Mühe ge­macht, mit Gas Connect Austria, die das plant und auch umsetzt, ein Gespräch zu


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führen, und die versichern, es ist keine Woche, kein Tag verloren worden.
Die Planungen gehen planmäßig voran. Wie Sie wissen, gibt es seitens der Bun­desregierung eine finanzielle Garantie. Dieser WAG-Loop wird gebaut
und dient vor allem dazu, gesetzt den Fall, dass die russischen Lieferungen aus­bleiben, auch unsere östlichen Nachbarn zu versorgen.

Spannend finde ich ja, dass Herr Bernard das irgendwie bedauert, weil es
ja gerade Sie sind, die weiterhin Gas aus Russland beziehen wollen. Also haben Sie Angst, dass es doch nicht kommen könnte? Das finde ich sehr erstaun­lich. Sie sollten sich irgendwann auf eine Position festlegen.

Richtig ist es natürlich auch, die strategische Gasreserve zu verlängern, in diesem Fall bis 2027. Nach unseren Zielsetzungen sollte bis dahin ohnehin ein kompletter Ausstieg aus russischem Gas vollzogen sein. Die Konzepte hierfür – ich betone das ein weiteres Mal – liegen vor, sogar sehr detailliert und
von Fachorganisationen. Die muss man nur nachlesen.

Ich möchte eines noch einmal sagen: Auch wenn die Preise im Moment sehr niedrig sind – das sind sie; an der Börse ist der Gaspreis bei unter drei­einhalb Cent –, möge sich bitte niemand etwas vormachen und sich verleiten lassen. Die Gasversorgung ist weiterhin nicht sicher.

Also ist Vorsorge eine Pflicht und der Ausstieg aus Gas ein Gebot, wofür
wir, wie erwähnt, wahrlich exzellente Förderungen bereitgestellt haben, eine Reihe von gesetzlichen Rahmenbedingungen, nie dagewesene Budget­mittel, um allen den Umstieg auf Erneuerbare möglich zu machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

17.50


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. Ich erteile ihr das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 294

17.50.26

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Wir haben seit Beginn des russischen Angriffskrieges – und Frau Bundesrätin Lancaster hat Informationen dazu eingefordert – gemeinsam eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt,
damit österreichische Kund:innen und Unternehmen sicher und zuverlässig mit Energie versorgt werden können.

Mit den gesetzlichen Grundlagen, die wir hier im Haus beschlossen haben,
haben wir vieles geschafft. Wir haben Gazprom aus unseren Spei­chern verdrängt, wir haben eine strategische Gasreserve als Sicherheitspolster für die Energieversorgung beschafft, den Versorgungsstandard erhöht
und vieles, vieles, vieles mehr, was wir hier in vielen Novellen, unter anderem des Gaswirtschaftsgesetzes, des Energielenkungsgesetzes und des Gasdiversifizierungsgesetzes beschlossen haben. Was wir da alles gemeinsam an Maßnahmen geschafft haben, das vergisst man dann oft im politischen Alltagsgeschäft schnell.

Auch wenn wir heute – und auch das ist schon vorhin von Kollegin Lassnig er­wähnt worden – darauf zurückschauen oder jetzt sagen können, wir sind
in einer deutlich besseren Situation als noch vor zwei Jahren, so sehen wir aber trotzdem in den letzten Wochen wieder, wie gefährlich die nach wie vor
zu hohe Abhängigkeit von Russland ist.

Auch die OMV hat unlängst im Rahmen einer Remit-Mitteilung – Sie haben es vielleicht mitbekommen – vor einem Ende der Gaslieferung aus Russland gewarnt. Deswegen ist es so wichtig, dass sich alle Gasversorger gezielt darauf vorbereiten, denn – Bundesrat Gross hat es gesagt – es sind eben die Gas­versorger, die Gas einkaufen.

Der vorliegende Initiativantrag ist ein weiterer Schritt, um genau das sicherzu­stellen. Darin werden die österreichischen Gasversorger – und zwar alle,


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also auch alle Importeure, alle, die an Endkunden Gas abgeben – verpflichtet, Versorgungssicherheitskonzepte zu erstellen, in denen die getroffenen
und die geplanten Maßnahmen zur Absicherung der vertraglichen Versorgungs­verpflichtungen an Endkunden und Endkundinnen enthalten sind für
den Fall, dass ihre größte einzelne Gasbezugsquelle ausfällt. Dass das wichtig ist, wissen die Versorger bereits. Wir sind zwei Jahre nach Kriegsbeginn.
Niemand kann sich mehr auf höhere Gewalt ausreden, wenn Russland den Gas­hahn abdreht. Damit haben die Versorger auch ihre Verantwortung den Kundinnen und Kunden gegenüber.

Die Konzepte, die wir jetzt mit dieser Novelle einfordern, sorgen aber für mehr Transparenz und mehr Versorgungssicherheit. Gasversorger müssen ihre Gasbezugsquellen gegenüber der Regulierungsbehörde offenlegen und müssen sich auf den Ausfall von Gaslieferungen aus Russland vorbereiten. Wir
machen das selbstverständlich auch auf nationaler Ebene. Die E-Control wird in den nächsten Tagen die Gesamtszenarien – auch darauf hat Frau Bundes­rätin Lassnig vorhin hingewiesen – veröffentlichen.

Ich darf auch noch mit einem Mythos aufräumen. Wir sind in einer Situation, in der wir genug nicht russisches Gas in Europa haben und in der wir auch
genug Leitungskapazitäten haben, um dieses Gas nach Österreich zu bringen. Wir haben derzeit 160 Terawattstunden technische Leitungskapazität
für das Marktgebiet Ost. Ab Oktober sind wir bei 185 Terawattstunden, also die technische Leitungskapazität nach Österreich übersteigt unseren Bedarf
um das Doppelte. Das heißt, es ist möglich und machbar.

Es ist auch – das sehen wir jetzt, die Preise sind günstig – besser aus der finan­ziellen Sicht, jetzt vorzusorgen. Es müssen sich am Ende des Tages die Gasversorger und die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer auch gegen­über den Eigentümern rechtfertigen, dass sie wirtschaftliches Risiko
für ihr Unternehmen minimieren. Wir geben ihnen jetzt hier ein weiteres Ins­trument dazu an die Hand.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 296

Schließlich sieht der Initiativantrag auch eine Verlängerung der strate­gischen Gasreserve bis 2027 vor sowie die Verlängerung des Gasdiversifizie­rungsgesetzes, mit dem Mehrkosten aus dem Bezug von nicht russi­schem Gas abgedeckt werden, wie auch im Energielenkungsgesetz. Frau Bun­desrätin Lancaster hat kritisiert, dass wir sehr kurzfristig einen Abän­derungsantrag gemacht haben. Das war ein Abänderungsantrag auf Ersuchen der SPÖ-Nationalratsfraktion. Wir haben eine Verordnungsermächti­gung gestrichen, was ihnen sehr wichtig war. Insofern bitte ich um Verständnis auch dafür, dass das dann kurzfristig passiert ist.

Insgesamt jedenfalls haben wir da viele, viele sinnvolle Maßnahmen
und einen weiteren wichtigen nächsten Schritt. Ich darf Sie hier also um Unter­stützung bitten.

Auch um Unterstützung darf ich Sie für eine andere Maßnahme bitten,
die angesprochen wurde. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, es gibt kei­ne neuen Abteilungen im Verkehrsbereich des Ministeriums. Es gibt aber
sehr wohl, im Verkehrsausschuss debattiert, eine neue Regelung, die sicherstellen soll, dass auf österreichischen Straßen keine Autos mit Nazicodes auf den Kennzeichen fahren. Ich war schon im Verkehrsausschuss
des Nationalrates sehr überrascht darüber, dass man so etwas kritisieren kann. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Miesenberger.)

17.55


17.55.37

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder


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und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden
Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

17.57.2914. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und
zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern erlassen wird (4073/A und 2577 d.B.
sowie 11501/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 298

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl genannt. – Ich bitte um den Bericht.


17.57.56

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Herr Präsident! Ich bringe
den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedin­gungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur An­tragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Ju­ni 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vielen Dank.


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile ihm das Wort.


17.58.38

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident!
Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren, die uns via Livestream zusehen! Wettbewerb am Energiemarkt
ist für uns in Österreich von essenzieller Bedeutung: als Privatkunden, aber auch für die Wirtschaft. Dieser Wettbewerb am Energiemarkt hat im Jahr 2022
fast in einer kartellrechtlichen Auseinandersetzung geendet.

Wir haben auf der einen Seite den Krieg in der Ukraine gesehen, wo auch auf einmal Nord Stream 2 in die Luft gesprengt worden ist, und die Angst


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 299

davor, dass die Gasversorgung in Europa nicht mehr sichergestellt werden kann. Auf der anderen Seite gab es die niedrigen Wasserstände, wodurch die Atomkraftwerke in Frankreich nicht mehr gekühlt werden konnten, aber auch die Flüsse teilweise den Strom nicht mehr produzieren konnten. Somit
sind unsere Energieversorger, die in Österreich teilweise sehr konzentriert sind, mit den Preisen extrem nach oben gegangen.

Die Taskforce hat dann festgestellt, dass Maßnahmen notwendig sind.
Die Bundesregierung hatte aber die ersten Maßnahmen getroffen, bevor wir jetzt zum heutigen Gesetzentwurf gekommen sind. Das waren die
Valorisierung der Sozialleistungen, die Stromkostenbremse, die Energiekosten­pauschale, der Klimabonus und vieles mehr, das die Bundesregierung
zum Kostenausgleich gegen die Steigerung der immensen Kosten für die Privat­personen getan hat, aber auch um den Unternehmerinnen und Unterneh­mern unter die Arme zu greifen.

Jetzt, mit dem neuen Gesetzentwurf, gibt es eine Beweislastumkehr:
Somit brauchen nicht die Behörden die Unternehmen zu kontrollieren, sondern die Unternehmen müssen, wie es schon seit 2007 in Deutschland ist,
Beweise darlegen, dass die Stromkosten angemessen sind.

Mit dem heutigen Gesetzentwurf werden wir dem nachkommen, dass in Zukunft die Preisregulierung wieder im freien Markt erfolgt und keine kartellrecht­lichen Bedenken entstehen. Wenn das doch der Fall sein wird, dann haben wir in Österreich auch die Möglichkeit, dementsprechende Strafen auszustellen.

In diesem Sinne stimmen wir gerne diesem Gesetzentwurf zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.00


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Gerdenitsch. Ich erteile es ihr.



BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 300

18.01.06

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Bun­desgesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Markt­bedingungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern soll
der Preismissbrauch verhindert werden – das haben wir ja bereits gehört. (Präsi­dentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Einmal mehr handelt es sich da um einen legistischen Schnellschuss
der Regierung, der ohne jegliche Begutachtung beschlossen werden soll, aber ja: Besser ein bisschen etwas als gar nichts, und deshalb stimmen wir zu.

Diesen vorgelegten Gesetzentwurf kann man wieder als Eingeständnis des Ver­sagens der Bundesregierung werten, was die Teuerungsbekämpfung
betrifft. Sie haben es verabsäumt, rechtzeitig in die Preisbildung einzugreifen, und im Nachhinein will man nun Regelungen treffen, die vermeintlich
das eigentliche Problem lösen sollen. Mit Einmalzahlungen hat die Regierung versucht, über ihre Untätigkeit in der Teuerungsbekämpfung, über die
fehlenden Eingriffe in die Preise hinwegzutäuschen.

Sie haben es sicher gehört oder auch gelesen – ich sage es Ihnen gerne noch einmal –: Wifo-Chef Felbermayr führt die weiterhin hohe Inflation in
Österreich auf Fehler der Regierung zurück. (Beifall bei der SPÖ.) Die Regierung hat sich länger als anderswo bei Markteingriffen zurückgehalten.

Was jetzt auch durchaus problematisch sein kann: Anstatt das Anliegen
einer Beweislastumkehr für die Energieversorger ordentlich, beispielsweise im Kartellgesetz, und in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zu
regeln, praktiziert die Regierung einmal mehr einen Gesetzgebungsaktionismus. Bisher mussten die Wettbewerbshüter den Unternehmen einen Marktmissbrauch nachweisen, künftig soll das eben umgekehrt sein. Genau da könnte es problematisch werden, weil sich die Frage stellt, wie dieser
Nachweis erfolgen kann oder erfolgen soll.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 301

Heute ist schon mehrfach der Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil, genannt worden, sehr gerne tue ich das jetzt an dieser Stelle
auch noch einmal. Im Burgenland wurde bereits im Februar gemeinsam mit der Burgenland-Energie ein Paket für Klarheit und Sicherheit für die burgenländischen Kundinnen und Kunden geschnürt. Die Burgenland-Energie hat es gemeinsam mit unserem Landeshauptmann für die Kundinnen und Kunden geschafft, als kleinster Landesenergieversorger die
günstigsten Energiepreise anzubieten.

Frau Ministerin, Sie werden es vielleicht gehört haben – wie immer lohnt sich der Blick in unser kleines, aber feines Bundesland –: Zukünftig werden
auch die Erträge aus sauberer Energie herangezogen, um die Klinik Gols zu fi­nanzieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.03


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens
Kofler. Ich erteile ihm dieses.


18.03.44

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Der jetzige Gesetzentwurf ist das Eingeständnis
der Regierung, bei der Teuerungsbekämpfung total versagt zu haben. Die öster­reichische Bundesregierung verweigert dringend erforderliche Maßnahmen,
um Preise zu senken, und verteilt lieber nach dem Gießkannenprinzip Einmalzahlungen.

Die von den Regierungsparteien beschlossene Gewinnabschöpfung entlastet jedenfalls niemanden. Sie hat lediglich 95 Millionen Euro gebracht. Im
gleichen Zeitraum hat allein der Verbund 2,3 Milliarden Euro Gewinn gemacht, auch die EVN hat ihren Gewinn laut Auskunft der Wiener Börse verdop­pelt – das alles auf dem Rücken der Konsumenten.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 302

Die von der Regierung beschlossene Strompreisbremse ist lediglich ein Umver­teilungsmechanismus: Die Konsumenten schauen durch die Finger und
die Energieversorger verdienen.

Die einzige sinnvolle Maßnahme ist eine massive Senkung der Verbrauchssteuer auf Energie. Das ist auch sinnvoll, um Österreich weiterhin als Wirtschafts­standort attraktiv zu halten.

Außerdem ist es schon irgendwo eigenartig: Wir stimmen dem Gesetzentwurf ja zu, es sind doch auch ein paar sinnvolle Sachen dabei, aber warum machen
Sie das erst jetzt? Sie haben fünf Jahre Zeit gehabt. Jetzt vor den Wahlen wird es gefährlich, weil der Konsument ja auch Wähler ist. Jetzt reagiert man endlich darauf. Das ist halt zu spät. (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich, ich sehe das schon ein, ihr seid ein bisschen durcheinander, ihr wisst nicht, wer wo unterschreibt: Der grüne Zwerg fährt nach Brüssel und unterschreibt, der schwarze Ochs bleibt daheim und spielt die beleidigte Leber­wurst – so kann man halt nicht regieren.

Um mit etwas Positivem aufzuhören, kann ich nur sagen: Am 29. Septem­ber wird gewählt, und dann heißt unser Kanzler Volkskanzler Kickl. –
Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.05


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.


18.06.11

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin!
Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Ich vermute, wir alle – oder die meisten – haben uns zumindest schon einmal gefragt, wie es sein kann,
dass in Zeiten der Preiskrise, in Zeiten, in denen von der öffentlichen Hand Mil­liarden in die Hand genommen wurden, um vor allem Haushalten und


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 303

auch Betrieben zu helfen, so manche Energieversorger Rekordgewinne einfah­ren. Wie kann es sein, dass die Endkundenpreise bei einem Anstieg der
Preise für Primärenergieträger – also vor allem Gas – sehr schnell angehoben werden, aber erst mit einer großen Zeitverzögerung wieder sinken?
Kann es sein, dass das mit den marktbeherrschenden Stellungen vieler Energie­versorger zusammenhängt?

Es ist eben so, dass vor allem die großen Strom- und Gasversorger, aber
auch Fernwärmeunternehmen als Landesunternehmen eine marktbeherrschende Stellung haben. Das heißt nicht – das möchte ich schon betonen –, dass sie
diese Stellung per se missbrauchen. Niemand kann aus der Ferne ohne Weiteres beurteilen, was wirtschaftlich begründbar ist und was eben nicht.

Auch die Wettbewerbsbehörde konnte das de facto nicht, einfach weil
der Beweis eines Missbrauchs kaum zu erbringen ist, weil dafür einfach die In­formationen und Daten fehlen. Deswegen gibt es nun die Beweislastum­kehr: Besteht der Verdacht des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stel­lung, muss der betreffende Versorger gegenüber der Wettbewerbsbehör­de den Beweis erbringen, dass das nicht der Fall ist. Das ist gut so. Die, die den Nutzen haben, sollen auch den Beweis erbringen. (Beifall bei den Grünen.)

Damit werden all jene unterstützt, die redlich arbeiten und vorrangig im Interes­se der Konsument:innen agieren. Das ist ja überhaupt der Punkt bei der
ganzen Sache: Es geht um den Schutz der Energieverbraucher, denn Energie brauchen wir, da gibt es keine Alternative, und wir sehen, dass die
unteren Einkommensgruppen einen weit höheren Anteil für Energie ausgeben müssen als andere Einkommensgruppen. Es geht in diesem Gesetzentwurf
also ganz grundlegend um Gerechtigkeit. (Beifall bei den Grünen sowie
der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Ich möchte daran erinnern, dass wir eine Abschöpfung von sogenannten Über­gewinnen eingeführt haben, teilweise sogar sehr kräftig, vor allem beim
Strom.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 304

Ich möchte noch einmal daran erinnern, weil es vorhin aus einem Bundesland so kritisiert worden ist: Na ja, die Landesgesellschaften heißen ja nicht um­sonst so. Sie sind Landesgesellschaften, und natürlich liegt es somit auch in den Händen der Eigentümer und Eigentümerinnen, wie mit der Preispolitik umgegangen wird. Wir sehen halt, dass das in Österreich sehr, sehr unterschied­lich erfolgt – zum Beispiel Fernwärme in Linz, wie da agiert wurde und
wie zuerst auch in Wien agiert wurde. Das lässt sich auch nicht ohne Weiteres wegschieben.

Was halt immer wieder kommt – wir sind es eh gewohnt –, ist dieser
Vorwurf, es gäbe nur Einmalzahlungen, was so etwas von falsch ist. Es stimmt einfach nicht. Es gibt eine ganze Reihe von dauerhaften Unterstützungen.
Ich nenne die Strompreisbremse. Bei der Strompreisbremse zu sagen, da würden die Konsument:innen durch die Finger schauen, ist ein bisschen abenteuer­lich. Den Konsument:innen wird leistbarer Strom um 10 Cent garan­tiert,  auch wenn der Strompreis 30 Cent, 40 Cent ist – oder bis zu 50 Cent, das war die oberste Grenze. Es ist schon cool, so etwas zu behaupten.

Ja, ich sage es eh immer wieder: Für uns und für mich ganz persönlich ist
das ein wirklich fundamentales Anliegen. Die Transformation gelingt nur, wenn wir gleichzeitig für Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich sorgen. Klima­schutz braucht eine gerechte und solidarische Welt und darum bemühen wir uns mit Sicherheit auch weiterhin nach Kräften. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrät:innen Mertel und Sumah-Vospernik.)

18.10


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin
Leonore Gewessler. Ich erteile ihr das Wort.


18.10.28

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bun­desrät:innen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Gerade die krisenhaften


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 305

Entwicklungen der letzten Jahre und deren Folgen haben uns anschaulich verdeutlicht, wie wichtig Wettbewerb am Energiemarkt ist, und zwar für jeden und jede von uns.

Dass der heimische Strom- und Gasmarkt in weiten Teilen durch eine hohe Konzentration gekennzeichnet ist, wissen Sie alle, das ist kein Geheimnis. Auch die Bundeswettbewerbsbehörde und die E-Control haben im Zwischen­bericht 2023 ihrer gemeinsamen Taskforce Energie die Schlussfolgerung gezo­gen, dass der Wettbewerb am inländischen Energiemarkt „2022 quasi
zum Erliegen gekommen“ sei, und daraus leitet sich natürlich ein Auftrag an uns, an die Politikerinnen und Politiker ab, einen rechtlichen Rahmen zu schaf­fen, der dazu beiträgt, potenzielle Marktmissbräuche etwa durch die Forderung unangemessen hoher Preise hintanzuhalten. Genau dieses Ziel möchten
wir mit dem vorliegenden Sondergesetz erreichen.

Mit dem vorgeschlagenen Bundesgesetz soll das ohnehin schon im Kartellgesetz bestehende und für sämtliche Märkte geltende Missbrauchsverbot einer marktbeherrschenden Stellung speziell für den Energiesektor konkretisiert und für marktbeherrschende Energieversorgungsunternehmen eben eine wettbewerbsrechtliche Beweislastumkehr eingeführt werden.

Warum ist das so wichtig und warum, denken wir, ist das so wirkungsvoll? – Nach aktueller Rechtslage trifft die Beweislast für den Nachweis des Missbrauchs von Marktmacht durch marktbeherrschende Unternehmen die Kartell- und Wettbewerbsbehörden, insbesondere die ermittelnde
BWB, also die Bundeswettbewerbsbehörde. Der gerichtsfeste Nachweis eines Missbrauchs ist in der Praxis de facto kaum zu erbringen, denn es gibt
eine unglaubliche Informationsasymmetrie zwischen den Beteiligten. Um diesem Umstand gerecht zu werden, gerade am Energiemarkt, wollen wir die
Beweislast umdrehen; die EVUs, also die Energieversorgungsunternehmen, müssen gegenüber allenfalls ermittelnden Behörden beweisen, dass
sie ihre Marktmacht eben nicht missbraucht haben.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 306

Eine vergleichbare Bestimmung gibt es schon in Deutschland – bereits seit mehr als 15 Jahren bewährt, bereits mehrfach verlängert. Die Bestimmung gilt
neben marktbeherrschenden Anbietern von Elektrizität und leitungsgebunde­nem Erdgas auch für die Fernwärme. Weil natürlich gerade inländische Fernwärmenetze regional und lokal begrenzt sind, auch Alternativen nur einge­schränkt oder nicht verfügbar sind, ist es eine gute Sache, dass das auch
für Fernwärme gilt.

Wichtig zu betonen ist auch noch – ich glaube, das hat auch - -, jetzt bin ich mir nicht sicher, ob es Bundesrätin Gerdenitsch oder Bundesrat Tiefnig gesagt
hat –, dass die Bestimmungen des Kartellgesetzes sowie des Wettbewerbsgeset­zes und somit auch sämtliche Ermittlungsbefugnisse und Antragsrechte
der Wettbewerbs- und Kartellbehörden auch auf das Sondergesetz zur Anwen­dung kommen. Es kommen somit alle kartellrechtlichen Folgen in Betracht,
wenn gegen das vorgeschlagene Gesetz verstoßen wird, von Abstellungsmaß­nahmen bis zu Bußgeldern durch das Kartellgericht.

Da sich die Wettbewerbssituation rasch ändern kann, haben wir im Ein­klang mit der deutschen Rechtsprechung vorerst eine Befristung bis 31.12.2027 vorgesehen; analog zur deutschen Rechtslage natürlich, nicht Rechtsprechung.

Mir ist wichtig, noch eines zu betonen: Dieses neue Gesetz soll mögliche schwarze Schafe am Energiemarkt, welche bislang nicht wettbewerbsrechtlich belangt werden konnten und sich potenziell auf dem Rücken der Endkun­den und Endkundinnen unrechtmäßig bereichert haben, verhindern. Es geht also nicht um irgendeine Art von Generalverdacht, sondern darum, dass wir
die, die wirklich schwarze Schafe sind, zukünftig ausfindig machen und dann auch sanktionieren können. Das ist, denke ich, im Interesse aller Endkun­dinnen und Endkunden: einen fairen Wettbewerb am österreichischen Energie­markt sicherzustellen und potenziellem Missbrauch keinen Platz zu geben.

Der Vorschlag ist im Nationalrat einstimmig angenommen worden. Ich darf auch im Bundesrat um Ihre Unterstützung und Zustimmung bitten. – Herzlichen


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 307

Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrät:innen Mertel, Schmid
und Sumah-Vospernik.)

18.14


Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr das Wort.


18.15.06

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Redebeitrag hat auch mit Energie zu tun, mit der Energie einer Powerfrau, nämlich unserer
Präsidentin.

Da ja jetzt Tagesordnungspunkte folgen, die ohne Redebeiträge abgewickelt werden, und nachher noch die Dringlichen, möchte ich dir, liebe Margit,
namens unserer Fraktion ganz, ganz herzlich für die Präsidentschaft danken. Du hast das großartig gemacht, du hast den Bundesrat sehr, sehr gut vertre­ten. Mit deinem Motto „Gemeinsam über Grenzen: Europa verbindet“ hast du gezeigt, dass wir Brücken bauen können, gerade in diesem so wichtigen
Jahr der EU-Wahl. Du hast gezeigt, dass wir stolz darauf sein können, Bundes­ländervertreterinnen und ‑vertreter zu sein, dass wir die Regionen
stärken, uns für unsere Bundesländer und auch für Frauen einsetzen. Dafür möchte ich dir ganz, ganz herzlich danken. (Anhaltender Beifall bei ÖVP,
SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Du hast dich innerhalb sehr kurzer Zeit – du kamst im März 2023 zu uns – in die Position der Vizepräsidentin begeben dürfen und wurdest dann gleich Präsidentin, und du hast das wirklich sehr, sehr hervorragend gemacht – noch einmal: großes Danke. Wir freuen uns, dass du jetzt als normale Bundes­rätin in unseren Reihen bist und uns mit deiner Expertise weiterhin betreuen kannst. – Vielen, vielen Dank, liebe Margit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

18.17


18.17.07


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 308

Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank für die vielen wertschätzenden
Worte. Ich nehme sehr viele Themen, aber auch neue Perspektiven für meine Region und für meine Gemeinde im Zusammenhang mit dem Thema „Gemeinsam über Grenzen: Europa verbindet“ mit. Dieses halbe Jahr, diese Kon­takte mit den vielen Botschaftern und Ministern haben mich sehr berei­chert. – Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist so­mit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit, der Antrag ist - - (Rufe: Einhellig! Einhelligkeit!) – Ich bitte noch einmal um ein
Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

18.18.2415. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (3848/A und 2593 d.B. sowie 11513/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Informationsordnungsgesetz, das Datenschutzgesetz,
das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Verwaltungsgerichtshofge­setz 1985 geändert werden (2594 d.B. sowie 11514/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 309

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 und das Volksanwaltschaftsge­setz 1982 geändert werden (2595 d.B. sowie 11515/BR d.B.)

18. Punkt

Antrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Marco Schreuder, Korinna Schumann, Klemens Kofler, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (419/A-BR/2024 sowie 11516/BR d.B.)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 15 bis 18, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 15 bis 18 ist Herr Bundesrat Markus
Stotter. – Ich bitte um die Berichte.


18.19.38

Berichterstatter Markus Stotter, BA: Ich darf Ihnen den Bericht des Geschäfts­ordnungsausschusses über den Beschluss des Nationalrates
vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen vor.

Der Geschäftsordnungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich Ihnen den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Informationsordnungsgesetz, das Datenschutzgesetz, das Be­amten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Verwaltungsgerichtshofge­setz 1985 geändert werden, zur Kenntnis bringen.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 310

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls vor.

Der Geschäftsordnungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag,

1.       gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben,

2.       dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 30a B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Des Weiteren darf ich Ihnen den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 und das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Geschäftsordnungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zum Abschluss darf ich Ihnen den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Marco Schreuder, Korinna Schumann, Klemens Kofler, MMag. Dr. Karl-Arthur Arla­movsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, 419/A-BR/2024, zur Kenntnis bringen.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls vor.

Der Geschäftsordnungsausschuss stellt nach Beratung mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, der dem Ausschussbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


18.21.30

Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank für die Berichte.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 311

Wir gehen in die Debatte ein.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates
vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag
zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenein­helligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Informa­tionsordnungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Artikels 30a Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mit­glieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit
der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 312

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 30a Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustim­men, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.
Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehrheit fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungs­hofgesetz 1948 und das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag
zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenein­helligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Marco Schreuder, Korinna Schumann, Klemens Kofler,
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates.

Da zu einem Beschluss des Bundesrates über eine Änderung der Geschäftsordnung gemäß § 58 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundes­rates und eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stim­men erforderlich ist, stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforder­liche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 313

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der dem Ausschussbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Beschluss über eine Änderung der Geschäfts­ordnung des Bundesrates ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Be­schlusserfordernisse zustande gekommen.

18.26.0119. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsident:innen, der Schriftführer:innen und der Ordner:innen für das 2. Halbjahr 2024


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Mit 1. Juli 2024 geht der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Oberösterreich über. Gemäß Art. 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ist der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner, zum Vorsitz berufen.

Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu
zu wählen.

Wahl der Vizepräsident:innen


Präsidentin Margit Göll: Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsident:innen durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der
ersten zu wählenden Vizepräsidentin beziehungsweise des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür
der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 314

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Herrn Bundesrat Dominik Reisinger lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich frage Herrn Bundesrat Dominik Reisinger, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Dominik Reisinger bedankt sich für das Vertrauen
und nimmt die Wahl an.)

*****

Wir kommen nunmehr zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin be­ziehungsweise des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Dr. Andrea Eder-Gitschthaler
lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zu­stimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies die Stimmen­einhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Und ich frage Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, ob sie
die Wahl annimmt.

*****


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 315

(Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an.)

*****

Ich darf beiden Vizepräsidenten sehr herzlich zu ihrer Wahl gratulieren.

Wahl der Schriftführer:innen


Präsidentin Margit Göll: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates
Mag. Daniela Gruber-Pruner, Silvester Gfrerer, Marlies Doppler, Daniel Schmid, Sandra Böhmwalder für das 2. Halbjahr 2024 zu Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. (Ein Einwand wird nicht erhoben.)

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag
ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­meneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die Bundesrät:innen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Silvester Gfrerer, Marlies Doppler, Daniel Schmid und Sandra Böhmwalder nehmen die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere allen gewählten Schriftführerinnen und Schriftführern zu ihrer Funktion. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 316

Wahl der Ordner:innen


Präsidentin Margit Göll: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordnerinnen be­ziehungsweise Ordner.

Es liegt mir dazu ein Wahlvorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates
Klara Neurauter, Elisabeth Grimling, Andreas Arthur Spanring und
Claudia Hauschildt-Buschberger für das 2. Halbjahr 2024 zu Ordnerinnen be­ziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter
einem vor. (Ein Einwand wird nicht erhoben.)

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhellig­keit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die Bundesrät:innen Klara Neurauter, Elisabeth Grimling, Andreas Arthur Spanring und Claudia Hauschildt-Buschberger nehmen die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere allen Gewählten zu ihrer Funktion. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.32.03Dringliche Anfragen

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend „Anschlag auf die Existenz unserer Landwirte“ (4203/J-BR/2024)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 317

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend „Anschlag auf die Existenz unserer Landwirte“
(4204/J-BR/2024)


Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung
über die Dringlichen Anfragen der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung sowie
an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Da die Dringlichen Anfragen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen
sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich darf auch noch Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler sehr herzlich hier bei uns im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich erteile Herrn Bundesrat Christoph Steiner als erstem Antragsteller zur Begründung der beiden Anfragen das Wort.


18.33.13

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Wunderbar, beide Ministerinnen sind da. Es war eine schwere Geburt, dass wir es schaffen, dass Sie beide
kommen, aber darauf komme ich noch zu sprechen. Zumindest könnt ihr euch jetzt sicher sein: Die Festung Steiner steht zwischen Ihnen, es kann Ihnen
beiden nichts passieren. (Heiterkeit des Bundesrates Tiefnig sowie Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Gehen wir gleich ein bisschen ins Inhaltliche: Was für ein Schauspiel,
was für eine Schmierenkomödie, wie teilweise lächerlich, wie peinlich sich diese Regierung in den letzten Tagen, Wochen, Monaten, Jahren gegeben hat!
Was für eine Art von Regierenden, was für handelnde Personen: derartig viel In­kompetenz, so viele Personen, die völlig überfordert und oft auch total
fehl am Platz in dieser Regierung sind!


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 318

Es ist unglaublich peinlich, Frau Edtstadler und Frau Gewessler, für unser wunderschönes Heimatland, aber vor allem für unser Volk. Es steht ja jetzt die Urlaubszeit an und jeder Österreicher, der sich nun in seinen wohlverdien­ten Urlaub, egal wo auf diesem Planeten, begibt, wird sich für Ihre Unfähigkeit, Frau Edtstadler, und für Ihre Unfähigkeit, Frau Gewessler, in Grund und
Boden genieren müssen, weil er wahrscheinlich in allen Ländern dieser Welt auf diese versagende Regierung angesprochen wird.

Ihr beiden – Sie als Verfassungsministerin und Sie als Verkehrs- und Klima­ministerin – habt es nun geschafft, nicht nur mit dieser unglaublich lächerlichen Aktion in den letzten Wochen rund um das unsägliche – man muss es so
sagen – Renaturierungsgesetz, sondern auch schon in den letzten vier Jahren Österreich in dieser Welt leider Gottes bis auf die Knochen zu blamieren.
Ich erinnere nur daran: Wir waren eines von zwei oder drei Ländern auf dieser Welt, die eine Impfpflicht eingeführt haben.

Was führt diese Regierung so auf, speziell wieder die beiden Ministerinnen
links und rechts neben mir? – Ich glaube auch, dass Ihnen, Frau Edtstadler, aber vor allem Ihnen, Frau Gewessler, einfach gar nichts mehr zu blöd ist.
Schwarz und Grün – und wir sehen es ja, Gott sei Dank stehe ich dazwischen – können sich weder riechen, noch können sie sich sehen. (Bundesministerin Gewessler: Sie stehen dazwischen, ja!) – Ja, ich stehe dazwischen, jetzt sehen Sie sich Gott sei Dank nicht und haben einmal ein bissl Zeit. (Bundesministerin Gewessler lehnt sich zurück und blickt in Richtung Bundesministerin Edtstadler.) – Schau, Frau Gewessler fordert Sie schon wieder hintenherum heraus! (Bundesministerin Edtstadler schüttelt den Kopf.) – Ja, das Problem ist, Sie haben zugelassen, dass diese Dame (in Richtung Bundesministerin Gewessler
weisend)
sich jetzt immer über Sie lächerlich machen kann (Bundesministerin Gewessler schüttelt den Kopf) – da sind Sie von der ÖVP selber schuld,
selber schuld! Und sie genießt es ja. Sie genießt und kostet es aus, wie sie die ÖVP und speziell Sie in den letzten Wochen lächerlich gemacht hat.
(Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 319

Wenn ich sage, Sie können sich nicht mehr riechen: Es ist dann halt so, dass man den Ministerrat einfach absagt und der Kanzler dann lieber bei den Fuß­ballspielen ist. Er sagt: Ich kann den Ministerrat nicht machen, weil ich lieber beim Fußballspiel bin, als für Österreich zu arbeiten! – Gut, Ministerrat abgesagt – das soll nicht mein Problem sein, das ist eh euer Problem. Weil es aber eh schon wurscht ist, sagt ihr euch dann noch: Wir können weder gemeinsam regieren, noch können wir uns auf persönlicher Ebene irgendwie noch einmal versöhnen! Es ist eh schon wurscht, wir regieren weiter,
ganz nach dem Motto von Kurz: „Koste es, was es wolle“!

Man könnte ja eventuell noch damit leben, dass sich Personen in dieser Regie­rung andauernd in Inkompetenz überschlagen, sich in Österreich blamie­ren, auf internationaler Ebene blamieren – und das ist das Interessante, über das schreiben die Medien ja nie; auf internationaler Ebene blamieren wir uns sowieso oft –, aber dann werden wir noch hintenherum von den anderen Regie­rungen belächelt und mit dieser Regierung in Österreich regelrecht
verarscht. Also das habt alleine ihr zu verantworten!

Im September ist aber Gott sei Dank – darauf komme ich später noch zu spre­chen – dieser türkis/schwarz-grüne Irrsinn dann hoffentlich enderledigt.
Den Schaden haben Sie aber angerichtet. Aufarbeiten müssen den Schaden dann andere in jahrelanger Arbeit. Man muss quasi den angerichteten Scherben­haufen zusammenräumen, bevor man als neue Regierung überhaupt erst zu ar­beiten beginnen kann.

Die Zustimmung, Frau Gewessler, zum EU-Renaturierungsgesetz ist –
und ich sage es genau so, wie es werden wird und wie es kommen wird – ein Bauernvernichtungsgesetz! (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Gesetz vernichtet die Existenz unserer kleinstrukturierten öster­reichischen Landwirtschaft sowie von deren Familien, weil die mit drinnen hän­gen, und somit auch die Versorgungssicherheit des österreichischen Volkes
mit heimischen Lebensmitteln.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 320

Warum sind die Landwirte und somit auch bald das gesamte öster­reichische Volk in dieser prekären Situation? – Einzig und alleine, weil euer Nehammer und diese ÖVP, eine beliebig austauschbare Partei ohne
Gewissen, deren einziger Überlebensdrang Macht und Machterhalt um jeden Preis sind, jetzt auch noch die Bauern verraten und verkauft haben. Mit
der Wirtschaft habt ihr das ja schon längst gemacht.

Das alles dafür – das ist jetzt das Verwerfliche –, um ein paar unfähige – man muss es so sagen – Personen noch schnell in Amt und Würden kommen
zu lassen, um sich auf Steuerzahlerkosten, Frau Edtstadler, noch ein paar fette Jahre zu sichern. Das ist das Grausige an dieser ÖVP, aber darauf komme
ich später noch zu sprechen, und das relativ ausführlich.

Natürlich hätte es Nehammer verhindern können; Nehammer hätte mehrere Möglichkeiten gehabt, Gewesslers Zustimmung zu diesem Bauernver­nichtungsgesetz zu stoppen.

Eine kleine Randnotiz, damit wir wissen, wovon wir bei diesem Renaturierungs­gesetz reden: Das Renaturierungsgesetz sieht vor, 20 Prozent aller ländli­chen Flächen zu renaturieren. Das ist in Österreich eine Fläche so groß wie die Steiermark.

Was bedeutet dieses unsägliche EU-Renaturierungsgesetz noch? – Es
ist ein massiver Eingriff in die Grund- und Freiheits- und vor allen Dingen Ei­gentumsrechte der jeweiligen Besitzer, somit sind wir Enteignungen nahe – ganz im Sinne der grünen Ideologie. Dazu, warum die ÖVP da zuschaut, später
noch mehr.

Ackerböden dürfen nicht länger bewirtschaftet werden. Das bedeutet
einen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion, das bedeutet eine Gefähr­dung der Versorgungssicherheit und das bedeutet eine Vermehrung der Abhängigkeit von internationaler Agrarindustrie.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 321

Was bedeutet es noch? Jetzt haben wir eh schon ein massives Bauernsterben aufgrund der Unfähigkeit dieser ÖVP – ehemals Wirtschaftspartei, ehe­mals Bauernpartei –, aber was bedeutet das EU-Renaturierungsgesetz noch? – Das massive Bauernsterben wird damit noch beschleunigt.

Frau Gewessler, jetzt eine Frage an Sie: Wenn wir renaturieren müssen,
was renaturieren wir denn alles? Renaturieren wir dann auch die Flächen von Wind- und Solarparks? Auch das wird renaturiert? (Ruf bei der ÖVP: Die
sind ausgenommen!)
Frau Minister, wird auch das renaturiert? (Zwischenrufe bei der ÖVP: Die sind ausgenommen! – Zwischenbemerkung von Bundesminis­terin Gewessler.) Ja, gut, anscheinend wird auch bei Wind- und Solarparks rück­gebaut – das ist ja sehr sinnvoll!

Welche Möglichkeiten hätte nun – nach der Randnotiz – dieser Kanzler
gehabt, damit er als Kanzler quasi als Schutzherr für die österreichische Land­wirtschaft, für die österreichische Versorgungssicherheit eintreten
kann? – Eines kann man Frau Gewessler ja nicht vorwerfen: Sie hat am Sonntag, also einen Tag bevor sie zum Ministerrat gefahren ist, offen und ehrlich
mit offenen Karten gespielt und hat gesagt: Liebe ÖVP, liebe Österreicher, ich stimme zu! – Somit hat der Kanzler spätestens 24 Stunden vorher – ein
paar Minuten auf oder ab – gewusst, was die gute Dame im Schilde führt. Sie war ehrlich, sie war offen – das ist einmal etwas Erfrischendes, etwas
Neues in dieser Regierung.

Was hätte dann ein verantwortungsbewusster Kanzler in dieser Situation ma­chen müssen?

Erstens – eine ganz einfache Geschichte –: Er hätte zum Telefonhörer
greifen können – ich gehe einmal davon aus, dass er Ihre Handynummer hat, Frau Gewessler; außer Sie haben ihn blockiert –, hätte Sie anrufen und
zur Vernunft bringen und Sie zurückpfeifen können.

Hätte das nicht funktioniert – zweiter Schritt –: Er hätte – das wissen Sie als Verfassungsministerin hoffentlich – den Hauptausschuss im Parlament


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einberufen können und hätte mit unseren Stimmen einen Antrag auf Stellung­nahme abstimmen lassen können, und damit wäre Gewessler bei dieser Abstimmung an diese gebunden gewesen und hätte beim Ministerrat dagegen­stimmen müssen. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.)
Ist nicht passiert. Ein ganz einfacher - - (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bun­desministerin Edtstadler.) – Bitte was? Sie hätte es nicht getan? (Bundes­ministerin Edtstadler: Das hätte sie so auch müssen!) Jetzt habe ich es nicht ver­standen. (Bundesministerin Edtstadler: Ich will Sie nicht unterbrechen!) –
Okay. Sie hätte es anscheinend nicht getan, aber sei’s drum.

Dann kommen wir zu Schritt drei – das wäre fast noch einfacher gewesen, als den Hauptausschuss im Parlament einzuberufen –: Ich habe jetzt die
Meter vom Bundeskanzleramt bis zum grünen Bundespräsidenten nicht abge­messen, aber er hätte bei seiner Tür im Bundeskanzleramt hinausgehen,
dann über die Straße gehen können, bei der Tür zum grünen Van der Bellen hineingehen können, und dann hätte er sagen können: Lieber Herr Bundespräsident, bitte gar schön, bringen Sie Ihre Parteikollegin zur Räson, schauen Sie, dass sie mit ihrer Zustimmung die Bauern in Österreich
nicht vernichtet! – Auch das wäre eine Möglichkeit gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wäre die vierte Möglichkeit gewesen, die dieser Nehammer gehabt
hätte? – Er hätte, wenn er es mit Österreich ernst meinen würde, diese unsägli­che Koalition in der Sekunde aufkündigen können – in der Sekunde auf­kündigen können! Das wäre kein Problem gewesen. Somit hätte sie keine Kom­petenz mehr gehabt, zuzustimmen.

Wenn das alles nicht in Betracht gezogen wurde – und leider wurde es
nicht in Betracht gezogen –, hätte er – und das wäre die Mindestanforderung an einen Kanzler gewesen, der für Österreich arbeitet und nicht dagegen –
dem Bundespräsidenten die Entlassung dieser Ministerin vorschlagen müssen. Auch das hat er nicht gemacht. (Beifall bei der FPÖ.)


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Im Gegenteil: Er will die Koalition weiterführen. Ich darf Nehammer
jetzt zitieren. Er begründet, warum er die Koalition weiterführen will, mit fol­genden Worten (erheitert): Ich will Österreich nicht ins Chaos stürzen.
(Heiterkeit bei der FPÖ.)

(Erheitert:) Ich weiß nicht, wo er lebt und wo er die letzten vier Jahre gelebt hat, und ich weiß auch nicht, ob er sich noch spürt, aber es stellt sich eine berechtigte Frage – und das ist jetzt ganz, ganz wichtig für die ÖVP, bitte hört gut zu! –: Ihr müsst bitte nicht alles so ernst nehmen, was Nehammer
sagt. Er hat euch ja einmal vorgeschlagen und ans Herz gelegt, wenn wir so weitermachen: Trinkt viel Alkohol und nehmt Psychopharmaka zu
euch! – Jetzt sage ich euch: Bitte lasst den Blödsinn! Hört auf mit dem Alkohol und mit den Psychopharmaka, bitte hört auf damit! (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Bitte, das ist jetzt nicht nur wegen eurer Gesundheit, es geht auch um die Ge­sundheit in dieser Republik, denn in einem ständigen Rauschzustand und
unter Einfluss von Psychopharmaka darf man ja laut Gesetz in Österreich nicht einmal Fahrrad fahren – ihr aber wollt Österreich regieren. Ihr regiert unter ständigem Einfluss von Alkohol und - - (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler. – Bundesrat Buchmann: Hallo!) Also Sie machen es nicht. Sie
sagen: Ich höre nicht auf den Kanzler, ich mache das nicht. – Gut, ich gehe davon aus: Frau Edtstadler ist immer komplett frei von Alkohol und Psychophar­maka – aber dann frage ich mich, warum Sie so handeln, wie Sie handeln. Das wirft eine Frage auf. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage ganz ehrlich: Oft tut echt schon das Zuschauen weh. Wenn es
für die Zukunft von Österreich und unserer Heimat - - (Bundesrätin Jagl: Und das Zuhören!) – Gute Dame von den Grünen, wenn du nicht zuhören willst,
steht es dir frei, diesen Saal zu verlassen. Iss eine Schokolade für die Nerven, komm wieder herein, wenn ich fertig bin, und alles ist gut! (Weitere Zwi­schenrufe der Bundesrätin Jagl.) Bitte, das steht dir völlig frei. Österreich ist Gott sei Dank – bis auf die kurze Zeit während Corona – ein freies Land, also
mach, was du willst! (Beifall bei der FPÖ.)


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Oft ist es wirklich schwer, zuzuschauen, und wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man oft lachen.

Warum aber haben wir jetzt diese Dringliche gemacht und warum war es
uns ein Anliegen, euch beide als zuständige Ministerinnen – einmal für Verfas­sung und einmal für Umwelt – zugleich hier bei uns zu haben? Warum
hat die ÖVP zugeschaut und warum pfeifen die Grünen auf den Rechtsstaat? – Ich erkläre es kurz: Frau Minister, der grüne Bundespräsident hat ja so
schön von der Schönheit der Verfassung (Bundesrat Schreuder: Eleganz!) und der Eleganz gesprochen. Warum treten Sie dann diese Verfassung, die so
elegant ist, mit Füßen? – Sie hätten, wenn Sie die Worte Ihres eigenen Partei­kollegen, Ihres grünen Bundespräsidenten, ernst nehmen würden,
die Zustimmung der Länder einholen müssen, um so zu agieren, wie Sie agiert haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch dazu, Frau Gewessler, verstößt dieses Gesetz ganz klar gegen
die EU-Verträge – ganz klar! Es folgt nämlich nicht dem Subsidiaritätsprinzip und greift direkt in die Kompetenzen der Länder ein. (Bundesministerin Edt­stadler wiegt den Kopf.) Die Frau Verfassungsministerin nickt, ergo gibt sie mir recht, dass dieses Gesetz direkt in die Kompetenzen der Länder eingreift.

Naturschutz ist ja nicht umsonst – ihr werdet es doch wohl wissen, ihr repräsen­tiert unsere Regionen in Österreich –, Naturschutz ist ja nicht umsonst Ländersache. Natürlich ist die Natur in unseren Tiroler Bergen eine ganz andere als im Seengebiet Kärntens, weil ich gerade Kollegin Arpa anschaue.
Natürlich ist die Natur in Kärnten eine ganz andere als in der Tiefebene im Bur­genland. Deshalb ist diese Kompetenz für Naturschutz, Umweltschutz Ländersache. Aber das wirklich Skandalöse am Verhalten dieser Ministerin Ge­wessler ist, dass erst mit ihrer Stimme die Mehrheit im Ministerrat mög­lich war, um dieses Bauernvernichtungsgesetz auf den Weg zu bringen (Beifall bei der FPÖ), obwohl dieses Bauernvernichtungsgesetz auf EU-Ebene
ja längst schon zu Grabe getragen worden ist.


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Das grausig Perverse dabei ist, dass die Grünen bei ihrer Therapiesitzung mit den paar Hanseln am Parteitag diesem Verfassungsbruch auch noch frene­tisch zugejubelt haben. Mir ist das vorgekommen – ich habe mir das nachher noch angeschaut, weil mir jemand gesagt hat, ich soll mir das anschauen –
wie eine Sektenveranstaltung: Jetzt kommt die große Sektenherrscherin. Da hat man noch froh sein müssen, dass sich die nicht vor Gewessler hingekniet
und ihr die Füße geküsst haben. Diese Veranstaltung war irre. Wer sich das als Österreicher angeschaut hat, der wird sich davor hüten, jemals bei den
Grünen anzustreifen.

Aus all diesen Gründen bin ich mir nicht sicher, ob diese Partei nicht endlich – da kommen Sie wieder ins Spiel, Frau Verfassungsministerin – vom Verfassungs­schutz unter Beobachtung gestellt werden sollte.

Ministerin Gewessler sollte schleunigst aus dieser Regierung raus, um nicht noch mehr Schaden anrichten zu dürfen. Warum dürfen, Frau Minister? – Weil
Sie als ÖVP und Sie als Vertreterin der ÖVP, eigentlich als Verfassungshüterin, andauernd zuschauen, wie diese Grünen mit unserem Land verfahren.
Sie schauen ständig zu! Wo sind sie, die ÖVP-Bauernbündler? Einmal die Hand hinauf! Wie viel sind denn da? Einer, den weiß ich. (Bundesrat Tiefnig nickt.)
Einer nur, gut. (Bundesrat Tiefnig – auf seine Sitznachbarin weisend –: Sie auch! – Bundesrätin Miesenberger: Da musst du dich ein bisschen informieren!)
Ah, zwei! Die Kollegin aus Oberösterreich ist auch eine Bauernbündlerin. Wir haben zwei hier sitzen. (Bundesrätin Doppler – auf Bundesrat Gfrerer,
der als Schriftführer am Präsidium sitzt, zeigend –: Drei!) 
Drei. Ah, da hinten sitzt der dritte. Ja, wunderbar, wir haben drei Bauernbündler der ÖVP hier
sitzen. Ich habe mir schon gedacht, ihr habt euch alle schon rausgeschwindelt, damit ihr hier mit dieser Partie von Gewessler ja nicht in Berührung
kommt, aber gut.

Jetzt will ich nur wissen, warum diese Bauernbündler so feige sind und ihre Bauern innerhalb der Partei einfach verraten haben? Warum verra­ten? – Weil ihr – eins, zwei, drei – das ja duldet, was diese Dame aufführt. Und


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dann sitzt ihr heute hier herinnen und klatscht auch noch, wenn diese
eine Wortspende abgibt. Das ist ja – wie sagt man da? – das
Stockholm-Syndrom. Was ist los mit euch? Was ist mit euch los?, frage ich mich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hätte gerne, dass mich einer von euch drei dann im Nationalratswahl­kampf einlädt, dass ich einmal eure Bauern mit besuchen darf. Das wäre interes­sant, was die zu euch drei dann sagen. Das würde mich interessieren,
was die zu euch drei sagen.

Habt ihr euch einmal Gedanken gemacht, was eure Vorfahren, die eure Land­wirtschaften aufgebaut haben, jetzt über euch denken? (Bundesrat Tiefnig: Alle schon gestorben!) – Ah, die sind schon gestorben, sagt er. Das ist wurscht! Die Vorfahren, die es aufgebaut haben, sind schon gestorben.
Das ist die ÖVP, meine Damen und Herren: Das ist uns egal! (Beifall bei der FPÖ.) Deswegen macht ihr das mit dem Land, was ihr macht, weil euch das
scheißegal ist, was die Vorfahren aufgebaut haben. (Bundesrat Tiefnig: Und du machst dich über Tote lustig! Schäm dich!) Einfach hinausschreien: Die
sind schon tot, das ist mir wurscht! (Bundesrat Tiefnig: Ja, die sind schon gestor­ben!), das ist primitiv, Herr Kollege, so über Tote zu reden. (Bundesrat
Tiefnig: Ja, genau! So haben wir es schön beieinander!)
Ja, da seid ihr wohl schön beieinander.

Warum schaut die ÖVP zu und lässt den Grünen alles durchgehen,
lässt sie schalten und walten – das ist ja leider der Fall, Frau Minister Edtstad­ler –, wie es den Grünen gerade passt?

Ich habe mir drei, vier Erklärungen zusammengeschrieben, was dahinter­stecken könnte, warum ihr dieses Bauernvernichtungsgesetz mitgetragen habt. Entweder steckt ein Plan dahinter oder Nehammer hat sich nicht getraut. Entweder sind Sie so unfähig und lassen sich von dem kleinen, wirklich kleinen Beiwagerl am Nasenring durch die Republik ziehen, dass es peinlicher
nicht mehr geht, oder man hat es sehenden Auges – und das wäre ja noch viel


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schlimmer – einfach bewusst zugelassen. Warum bewusst zugelassen?
Könnte es sein, dass sich die ÖVP bis zur Wahl im September mit den Stimmen der Grünen, die sie ja dann braucht, noch ein paar ÖVP-Posten sichern
will: Stichwort EU-Kommissar, Stichwort Nationalbank?

Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen, Frau Gewessler: Wenn das der Plan ist - - – Frau Edtstadler, Entschuldigung! Wenn Sie beide hier sitzen,
ist das etwas schwierig. Bitte um Entschuldigung, es kann noch einmal passieren, dass ich die Namen verwechsle. Ich entschuldige mich gleich schon im Vorhinein. – Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen, Frau Edtstadler, es wird wieder schiefgehen mit den Grünen. Es wird schiefgehen, denn was wird passieren, Frau Edtstadler? Ich kann Ihnen jetzt schon prophezeien: Wenn es einen ÖVP-Kommissar geben sollte, dann werden Ihnen die Grünen
den ihnen ideologisch mehr als nur nahestehenden Othmar Karas aufdrücken.

Warum komme ich auf Othmar Karas? – Dieser Herr war ja in Brüssel Mitbetreiber dieses EU-Renaturierungsgesetzes. (Beifall bei der FPÖ.) Dieser Herr hat die ÖVP monatelang damit unter Druck gesetzt, dass er mit seiner
eigenen Liste kandidiert, nur um jetzt vor Kurzem zu verkünden, dass er nicht mehr mit einer eigenen Liste kandidiert. Na warum wohl, Frau Edtstadler?
Und das ist der Plan der Grünen: lieber einen grünen Schwarzen als gar keinen Grünen als Kommissar. Sie werden euch den Othmar Karas aufdrücken.

Aus reiner Spekulation auf bestimmte Postenbesetzungen die grüne Ministerin im Amt zu lassen, das ist fahrlässig, das sage ich ganz ehrlich, denn Ge­wessler ist, wenn es ganz blöd läuft, noch bis Jänner in Amt und
Würden. Kommt ganz darauf an, wie lange die Regierungsbildung dann ab dem 29. September dauern wird. In dieser Zeit kann diese Dame ja noch so
viel Schaden anrichten, und das haben Sie ganz alleine zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 328

Man sollte ja als Kanzler der Kapitän sein, man sollte Leadership zeigen.
Früher hat man von Führungsgrundsätzen gesprochen, und da habe ich mir ein­mal angeschaut, was man alles für Leadership braucht, dass jemand eine ordentliche Führungskompetenz hat. Man braucht klare und verbindliche Kom­munikation. Jetzt hat Nehammer zwar 104 PR-Berater, klare Kommunika­tion hat aber noch nie funktioniert in seiner Zeit als Kanzler.

Weitere Punkte: Man sollte feedbackfähig sein – ist er nicht, weil man ihn nie im Plenum sieht. Man soll Verantwortung übernehmen – hat er überhaupt
noch nie gemacht. Und man sollte ein Verantwortungsbewusstsein haben – das hat aber leider die ganze ÖVP nicht. Man sollte vertrauenswürdig sein
und positive Energie ausstrahlen, also eine gute Ausstrahlung haben. Man sollte Entscheidungen treffen und zu denen stehen, auch wenn sie wie in diesem
Fall unangenehm sind – macht er auch nicht. Teamfähig sollte man
sein, ein Vorbild sollte man als Führungskraft sein. Jetzt frage ich mich, in wel­cher Beziehung dieser Nehammer ein Vorbild ist.

Man sollte die Einheit ordentlich führen. Man sollte als Kanzler, würde
man meinen, auch einen Informationsvorsprung, eine Informationsüberlegenheit haben – hat er, wie wir wissen, nicht. Und was ganz wichtig ist, und des­wegen vertrauen einem zukünftigen Volkskanzler so viele Leute: Man soll Ver­trauen ausstrahlen und man soll vor allen Dingen geradlinig sein. Und ge­radlinig ist nur einer in dieser Republik und das ist der zukünftige Volkskanzler Kickl. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber Nehammer hat all das nicht. All das, was Führungsgrundsätze
eigentlich sein sollten, besitzt dieser Nehammer nicht. Er hat stattdessen lieber Angst vor dieser Ministerin, lässt sie in Amt und Würden und nimmt
dafür weiteres Bauernsterben in Kauf.

Das hat halt leider null mit Führungsqualität und Leadership zu tun. Das ist we­der klar noch verantwortungsvoll. Das ist weder vorbildhaft noch vorbild­lich. Das ist weder vertrauenswürdig, noch zeugt es von einer Einigkeit, die für


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 329

eine Regierung eigentlich, Frau Gewessler, Grundsatz wäre. Da werden
wir uns einig sein, dass Vertrauen in einer Regierung Grundsatz ist, oder, Frau Minister? (Bundesministerin Gewessler: Ich beantworte später alle Ihre
Fragen!)
 – Nein, aber Vertrauen wird wohl Grundsatz sein. Das habe ich in der Anfrage nicht drinnen stehen, das ist jetzt eine Zwischenfrage. (Bundes­ministerin Gewessler: Pech!) – Ah, Pech, okay. Also Vertrauen ist für die Grünen in einer Regierung kein Grundsatz, Frau Edtstadler! (Zwischenruf der Bundes­rätin Kittl.)

Und als was ist dieses Verhalten des Kanzlers zu bezeichnen? – Das ist Duck­mäusertum, so nennt man das bei uns in Österreich, man stiehlt sich
aus der Verantwortung.

Die traurige Krönung aber, und jetzt komme ich eh schon mehr zu Ihnen, Frau Edtstadler, ist dieses Schauspiel, dieser peinliche Versuch der ÖVP, von
Ihnen, dem Volk wieder Sand in die Augen zu streuen und mit zahnlosen Aktio­nen noch zu versuchen, zu retten, was aus ÖVP-Sicht irgendwie noch zu
retten sein sollte.

Es ist aber nichts mehr zu retten, denn mit dieser Aktion der völligen Schwäche und Inkompetenz habt ihr nicht nur in den letzten Jahren, sondern auch
jetzt noch den letzten tiefschwarzen Bauern verloren – und da meine ich jetzt nicht die drei, die hier mit einem bezahlten Mandat sitzen, sondern die
anderen tiefschwarzen Bauern, die täglich arbeiten müssen.

Eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs, Frau Edtstadler: Was ist das? Was nützt das? Was bringt das? Ändert das diesen Beschluss? – Nein! Gut.
Ändert das etwas an der Bauernvernichtung, dem Bauernsterben? – Nein. Hilft das irgendeiner Familie, deren Lebensgrundlage, die Landwirtschaft, nun entzogen wird? – Nein. Hilft das irgendeinem Bauern, der dann ent­eignet wird? – Nein. Hilft das irgendeinem Dorf, das eine Flussverbauung hat, damit es nicht mehr überschwemmt wird, wenn diese Flussverbau­ung dann renaturiert, zurückgebaut werden muss und es dann immer wieder


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 330

überschwemmt wird, die Menschen um ihr Hab und Gut fürchten
müssen? – Nein. Diese Alibiaktion mit der Anzeige gegen Gewessler hilft niemandem in diesem Land. Das ist eine schwache Ankündigung Ihrerseits und ist wieder einmal unglaubwürdig, und Sie sind als Ministerin, als
Person für mich, aber auch für ganz, ganz viele Österreicher in diesem Land einfach unglaubwürdig.

Für mich sowieso – mich als Ungeimpften wollten Sie ja sowieso aus
diesem Land ausweisen (Bundesrat Spanring: Ja, das wollte sie!), und jetzt be­haupten Sie ja immer wieder, jetzt auch wieder, Sie haben das nie
gesagt. (Bundesrat Spanring: Da gibt’s das Video!) Ich habe es eh nicht für voll genommen, aber es gibt ja Videos davon, Sie haben es in einem Inter­view gesagt. Sie vergessen schnell. Sie haben auch schnell vergessen, dass Sie eine 41-Stunden-Woche gefordert haben, aber sei’s drum.

Auf jeden Fall, wenn Sie so schnell vergessen und wenn Sie so schnell
leugnen, was Sie sagen, sollen wir Ihnen jetzt glauben – Sie haben ja auch ver­kündet, dass Sie und die ÖVP mit den Grünen nicht mehr regieren
wollen. Jener Ministerin, also Ihnen, soll ich jetzt glauben, obwohl Sie ja un­terschrieben haben: Ich werde, wenn dieser Kurz geht, diese Regie­rung verlassen; eine Edtstadler in einer Bundesregierung gibt es nur mit Kurz! – Das haben Sie ja unterschrieben, oder? Oder nicht? (Bundesministerin
Edtstadler: Ist das jetzt ...?)
Haben sie die Unterschrift gefälscht oder waren das Sie selber? Haben Sie selber unterschrieben? (Zwischenruf des Bundes­rates Buchmann.)

Gut, Sie traut sich nicht zu antworten, das sei mir auch recht. Zumindest soll ich jener Ministerin jetzt glauben, die mit ihrer Unterschrift versucht hat,
glaubhaft zu machen, dass sie nur mit einem Kurz in der Regierung bleibt. – Jetzt weiß ich nicht, ist Ihr Versprechen das wert, was Sie dann umsetzen: Sie
bleiben einfach Ministerin? Ist Ihre Unterschrift nichts wert? – So wird es näm­lich sein, denn Sie sitzen ja immer noch da. Es ist auch Ihre Ankündigung,
mit den Grünen nicht mehr regieren zu wollen, nichts wert, denn wenn Sie es


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ernst meinen, wären Sie schon weg. Sie sitzen aber immer noch da.
(Beifall bei der FPÖ.)

Sie bleiben also jetzt auch sitzen? (Bundesministerin Edtstadler: Ja! ...!) Sie bleiben sitzen. Gut, dann weiß jetzt ganz Österreich, was wir von Ihrem Wort halten können. – Diese Dame hat einfach keinen Genierer.

Wenn Sie jetzt da sitzen bleiben – denn wir waren als Fraktion so fair und haben aufgrund der Brisanz, der Wichtigkeit dieses Themas unsere Fragen an
Sie drei Tage vorab an Ihre Partei geschickt, also am Montag übermittelt (Bun­desministerin Edtstadler – erheitert –: Ich glaube, ... Versehen, aber bitte! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Weil Sie es falsch geschickt haben! – Ruf bei der ÖVP: Ha, ha! – Heiterkeit bei der ÖVP) –, dann dürfen wir davon ausge­hen, Frau Edtstadler, nein, sondern wir erwarten uns jetzt zumindest eines: Ich erwarte mir nach meiner Rede ehrliche, ich erwarte mir fachkundige,
ich erwarte mir gut begründete Antworten und Stellungnahmen Ihrerseits.

Wir wollen von Ihnen nun Antworten auf unsere Fragen, die mit Ihren
viel zitierten Gutachten untermauert und hinterlegt sind, und ich fordere jetzt ganz offiziell diese Gutachten von Ihnen auch zur Durchsicht und zur
Vorlage an alle Abgeordneten hier im Hause. (Bundesministerin Edtstadler: Jetzt?) Die Mailadressen sind Ihnen bekannt, ansonsten hilft die Parlaments­direktion sicher aus.

Somit erwarten zumindest wir von der freiheitlichen Fraktion im Hause uns jetzt zur Abwechslung keine Edtstadler-Show, sondern belastbare, ehrliche Ant­worten, denn dieses Thema ist zu wichtig, und Österreich hätte sich im Übrigen, besonders von Ihnen, längst eine Entschuldigung verdient.
(Beifall bei der FPÖ.)

Damit ich nicht eine Genickstarre kriege, weil ich immer zu Ihnen geschaut habe, wende ich mich jetzt dieser grünen Dame links von mir zu. – Ihr Koalitions­partner hätte ja heute bald verhindert, Frau Gewessler, das müssen Sie sich ein­mal vorstellen, dass Sie mit Ihrem Lieblingspendant Frau Edtstadler hier


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bei uns – und das freut mich so schön – zugleich Rede und Antwort stehen kön­nen; denn die ÖVP, Frau Gewessler, wollte mit den parlamentarischen
Usancen einfach brechen und zwei vom Inhalt her idente Anfragen getrennt verhandeln, damit Frau Edtstadler nicht zugleich mit Ihnen hier herin­nen im Bundesrat auf der Ministerbank sitzen muss. – Seid froh, jetzt habt ihr die Festung Steiner zwischen euch, also alles gut. Man sieht aber, was für ein trauriges Zeugnis diese Regierung abgibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Warum aber, Frau Gewessler, glauben Sie, dass die ÖVP ein Aufeinandertreffen von Ministerin Edtstadler und Ministerin Gewessler bei uns im Bundesrat verhindern wollte? Ich weiß schon, Ihnen ist das egal, Sie kommen ja und genie­ßen das, wie Sie die ÖVP brüskieren. Aber warum wollte die ÖVP
diese Situation mit aller Gewalt und allen parlamentarischen Tricks vermeiden?

Ich habe versucht, mir einen Reim darauf zu machen: Entweder ist
die ÖVP wirklich so feige, man tut nur in den Medien so stark und ist in seinen Bauernzeitungen, Parteizeitungen gescheit, traut sich aber dann nicht,
dem Gegenüber in einer solchen Situation wie heute und hier das auch ins Ge­sicht zu sagen, oder die ÖVP ist wirklich so eine hintertriebene und
falsche Partei. Spielt die ÖVP wirklich ein Spiel mit Österreich? Steht für die ÖVP der Postenschacher wirklich über dem Interesse Österreichs?
Stehen für die ÖVP wirklich nur Macht und Machterhalt an erster Stelle? Verrät die ÖVP für ein paar Posten in der Republik wirklich die Bauern? – Wenn
ich nicht schon seit 2018 hier herinnen wäre, würde ich mich jetzt nicht trauen, es zu beantworten; aber ich habe euch erlebt, und all diese Fragen
beantworte ich mit einem klaren Ja! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe euch jahrelang auf Gemeindeebene erlebt und tue es immer noch. Ich kenne euch seit 2018 hier herinnen und es passt die Aussage – ich
zitiere – falscher Fuffziger perfekt zu euch.

Aber auch die Grünen nehmen es mit der Wahrheit nicht sehr genau. Das wissen wir jetzt – spätestens seit Lena Schilling verdeutlicht. Aber auch mit dem


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Anstand, Frau Gewessler, habt ihr ja mittlerweile massivste Probleme bekom­men, sogar die österreichische Verfassung und den österreichischen
Rechtsstaat treten Sie mit Füßen und er ist Ihnen völlig egal.

Es interessiert Sie auch alles nicht mehr. In der letzten Sitzung, ich kann mich noch gut erinnern, hat Kollege Bernard zu Ihnen gesagt – also bevor
Sie da hingefahren sind, da war das noch drei, vier Wochen weit entfernt –, Sie werden gegen den Willen der Bundesländer abstimmen. Wissen Sie,
was im Protokoll als Ihr Zwischenruf steht? Wissen Sie, was Sie zwischengerufen haben? – Das ist eine Unterstellung!

Wer hat jetzt unterstellt? Kollege Bernard, oder haben Sie gelogen? – Die Antwort haben Sie sich selber gegeben.

Ihr Grünen ordnet alles – und das ist das Traurige – eurer verrückten und klima­politischen Ideologie unter, und das mit einer sehr ähnlich und diktatorisch wirkenden Anführerin, die gerade hier links neben mir sitzt. Alles, was sich eurer Klimadiktatur nicht unterordnet, wird einfach niedergebügelt oder als „Gerülpse“ – à la Kogler – abgetan. Aus grüner Sicht kann ich Ihren Bauernver­nichtungsfeldzug völlig nachvollziehen. Seit ihr in der Regierung seid, habt
ihr ja alle Wahlen verloren, egal auf welcher Ebene, und dank Lena Schilling seid ihr auch noch bei der EU-Wahl krachend gescheitert – Gott sei Dank!

Nun aber stellt sich aus grüner Sicht die Frage: Was kann man tun? Wie können wir die Grünen und vor allen Dingen die grüne Basis beruhigen und
irgendwie versuchen, die Abwanderung der grün-kommunistischen Wähler zu den Kommunisten, zur Bierpartei, zur Islampartei, zu den NEOS, der
SPÖ und weiteren unnützen Parteien aufzuhalten? – Da wird sich der Werner in einer lichten Sekunde überlegt haben: Ja genau, wir haben ja unsere Ideolo­gieministerin Gewessler und es kommt ja noch die Abstimmung im Ministerrat zum EU-Renaturierungsgesetz, und da soll sie zustimmen, soll die Bauern vernichten, soll den bäuerlichen Familien die Lebensgrundlage entziehen, soll die Versorgungssicherheit Österreichs aufs Spiel setzen! – Und schau her:


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Die paar Irrläufer am Parteitag der Grünen waren zufrieden und befriedet. Ein paar Wähler wählen nun doch wieder die Grünen. Österreich wird rui­niert. Österreich wird vernichtet, um einer Minderheitenpartei das politische Überleben zu sichern – und diese ÖVP schaut zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Schämt euch! Schämt euch beide, beide Parteien, alle miteinander! Für dieses traurige Schauspiel müsstet ihr euch normalerweise in Grund und Boden schämen!

Kommen wir zu ein paar Schlagzeilen im In- und Ausland. Ich zitiere nur drei, vier: „Für Grüne gilt der Rechtsstaat nicht mehr“, schreibt jetzt nicht
die Parteizeitung der FPÖ, sondern schreibt die „Krone“.

Grüner Angriff auf Topjuristen. Gewessler unterstellt dem Verfassungsdienst, Gesetze im Sinne der ÖVP zu interpretieren. „Grüne halten Verfassungs­dienst für parteilich, ÖVP brüskiert“.

Der „Schwarz-Grüne Trümmerhaufen“. „Die Reste aus beiden Welten regieren, beide Parteien zeigen für den Wahlkampf Kante. Bisher wurden Konflik­te“ – und das ist das Schlimme – „mit viel Geld gekittet.“ Aber die „Rechnung folgt“, schreibt das „Profil“.

„Boykott gegen Grüne – aber Gewessler redet weiter“. – Was für eine
Leistung! Koalitionskrach schlägt Wellen. Gemeinden wollen nicht für Renatu­rierung bezahlen. „ÖVP ortet ‚furchterregende Entwicklung‘ bei Gewess­ler.“ – Ja, das habe ich euch schon beim Koalitionsabkommen sagen können, dass diese Frau furchterregend ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Grüne für Edtstadler „disqualifiziert“ für „weitere Regierungszusam­menarbeit“. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler: ... Regierung!)  Sie sitzen aber noch da und regieren bis September weiter.

„ÖVP bringt Strafanzeige gegen Gewessler ein.“ – Jetzt wird es brisant, liebe Damen und Herren, die ÖVP setzt sich jetzt ein. „Bauernbund bringt


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Anzeige [...] gegen Gewessler ein.“ Renaturierung: „Nehammer verteidigt An­zeige“. „Gewessler hat wohl verfassungswidrig gehandelt.“ „Deutsche Europarechtler: Nehammers Klage gegen EU-Beschluss hat
kaum Erfolgschance“.

Gewessler hat „genauso gehandelt wie ÖVP-Minister in der Vergangenheit“, rechtfertigt sich Gewessler. „Führt Koalitionsstreit zum explosiven Gas-Dilemma?“

Das waren jetzt ein paar Headlines und Überschriften, die das verdeutlichen, wie lächerlich diese Regierung in Österreich ist. Das Schlimme ist jetzt aber –
das schreibt der „Standard“, und das haben wir euch zu verdanken, eurer Regie­rung und euren beiden Parteien und eurer Unfähigkeit –:

„Österreich droht eine Rezession im Wahljahr“. „Die beiden wichtigsten Forschungsinstitute korrigieren ihre Prognose für die Wirtschaft erneut nach unten, das Wifo rechnet mit einem Nullwachstum. Österreich verliert
laut Ökonomen an Wettbewerbsfähigkeit“. Das geht noch über Seiten weiter, wo Ihre Unfähigkeit und Ihr vernichtender Feldzug gegen Österreich gut dokumentiert wird – im „Standard“. Das soll euch zu denken geben, vor allem euch von den grünen Kommunisten!

Jeder, der nur ein bissel Gefühl hätte, ein bissel Gefühl für sich selber,
zumindest ein bissel Anstand hätte, würde sich in Grund und Boden schämen, zurücktreten und in der Versenkung verschwinden. Aber was macht
diese Regierung? – Sie bleibt. Sie bleibt, ohne einen Genierer, ohne Rücksicht auf Österreich, und dies alles wegen ein paar Posten, Mandaten und gut
bezahlten Parteijobs. Nach der Wahl – das ist ja die große Gefahr und davor habt ihr ja so Angst, deswegen klammert ihr euch ja noch bis zum letztmöglichen Tag im September an diese Regierung – werden halt viele Grüne und
Schwarze einfach übrig bleiben.


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Was macht man dann mit diesen Personen? – Ich kann es euch jetzt schon sagen, was mit diesen Personen passiert. Ein Gutteil dieser Personen
wird den Österreichern weiterhin auf der Tasche liegen, aber nicht in Ämtern und Funktionen, weil diese Personen schlicht und ergreifend am Arbeits­markt nicht vermittelbar sind. – Armes Österreich!

Ich habe zum Schluss, zum Ende hin eine Bitte – nein, ich flehe, das ist besser: Herrgott, schau oba auf dieses Land, beschütze uns vor weiteren Versa­gern, die unser Land in den Ruin treiben! Glück auf, Österreich! (Beifall bei der FPÖ. –Heiterkeit des Bundesrates Schreuder. – Bundesrätin Miesenberger: Bitte, lass den aus dem Spiel!)

19.18


Präsidentin Margit Göll: Zur Beantwortung hat sich Frau Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


19.18.28

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin!
Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Wer mich kennt, weiß, dass ich immer klare Worte finde und die Dinge nicht beschönige, dass ich
den klaren Weg, den geraden Weg gehe – und das werde ich auch heute und hier tun.

Der gute Zweck heiligt nicht die schlechten Mittel. Niemand ist gegen
Klima- und Umweltschutz, niemand in dieser Bundesregierung und niemand in der Österreichischen Volkspartei. Klar ist allerdings, dass diese ambitio­nierten Ziele nur gemeinsam erreicht werden können – gemeinsam mit der Be­völkerung, gemeinsam mit der Industrie, mit der Wirtschaft und mit der Landwirtschaft.

Die vorliegende Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz war ein Alleingang von Bundesministerin Leonore Gewessler. Sie hat sich damit über das Bun­desministeriengesetz und über die Verfassung hinweggesetzt. Entlarvend ist für


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mich schon, dass die Klubobfrau der Grünen diesen Alleingang auf
Instagram als Bad Ass Move feiert. Ich sage Ihnen heute und hier, das ist nicht cool, das ist nicht mutig, sondern das ist befremdlich und unverantwortlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind alle als Regierungsmitglieder auf die Verfassung angelobt, und wir haben dem Bundespräsidenten in die Hand versprochen, die Verfassung und alle Gesetze in diesem Land unverbrüchlich zu achten. Deshalb möchte ich
heute auch alle daran erinnern.

Ich möchte auch noch einmal ganz klar festhalten: Es geht nicht darum, dass ir­gendjemand gegen Klimaschutz ist, aber wir werden immer aufstehen,
wenn Verfassungsbruch und Rechtsbruch in diesem Land passieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es sind zwei Dinge ganz deutlich voneinander zu trennen: Das eine ist
der Klimaschutz und das andere ist das Rechtliche. Und Recht, meine Damen und Herren, muss Recht bleiben, Ideologie darf niemals über dem Recht
stehen! Genau das aber haben die Grünen gemacht. Sie haben die Ideologie über das Recht gestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren hier, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, Sie sind anwesend als Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Bundes­länder. Sie wissen genau, dass es eine aufrechte und einheitliche Bundes­länderstellungnahme gegeben hat, die auch weiterexistiert hat, obwohl ein, zwei Bundesländer sich plötzlich nicht mehr daran gebunden fühlen wollten.
Diese Bundesländerstellungnahme ist ignoriert worden, und damit ist der Föde­ralismus aus meiner Sicht mit Füßen getreten worden.

Die Klimaschutzministerin war sich dessen offenbar auch bewusst, denn
anders wäre es nicht zu erklären, dass sie vier Privatgutachten eingeholt hat, um die Rechtsmeinung des allseits anerkannten Verfassungsdienstes zu konter­karieren. Sie selbst hat bei ihrer Pressekonferenz am Sonntag vor bald


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zwei Wochen eingestanden, sich die Entscheidung nicht leicht gemacht zu ha­ben – wohl deshalb, weil sie sich auch dessen bewusst war, dass sie die
geltende Rechtslage in diesem Staat missachtet und bricht.

Die Klimaschutzministerin hat damit die Büchse der Pandora geöffnet. Wir müs­sen uns wohl darauf vorbereiten, dass auch zukünftig Politikerinnen und Politiker mit dieser Gewessler-Methode, nämlich mit Privatgutachten
den Rechtsstaat auszuhebeln, in ihrem Interesse durchsetzen wollen, was ihrer Ideologie entspricht. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist brandgefährlich. Es ist brandgefährlich für unsere Demokratie, es ist brandgefährlich für unseren Rechtsstaat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe die Emotionen auf beiden Seiten. Ich verstehe die Emotionen derer, die nur mehr den Klimaschutz sehen, die nur mehr den Schutz unserer
Umwelt und den Erhalt dieser lebenswerten Umwelt auch für nachfolgende Generationen vor Augen haben und für die die rechtliche Komponente bürokratisch und technisch klingt, denen Gesetze und die Verfassung als lästiges Hindernis im Wege stehen. Ich verstehe aber auch diejenigen, die den
Wunsch verspüren, dass nach diesem Bruch der Gesetze die Umweltschutzmi­nisterin, Klimaschutzministerin aus der Regierung entlassen wird.

Ich sage Ihnen, für mich ist eines ganz klar: Recht und Verfassung haben
in jedem Moment zu gelten, denn Recht und Verfassung, das ist die Grundlage unseres Rechtsstaates, das ist das Wesen unserer Republik. Wenn man
aber all die Möglichkeiten, die es gibt, ausgeschöpft hätte, dann würde man das Land ins Chaos stürzen. Das hätte wohl einen Koalitionsbruch und danach
die Gefahr des freien Spiels der Kräfte bedeutet. Wir wissen, dass es die Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler in der letzten Zeit, seit 2008, sehr teuer ge­kommen ist, dass die Steuerzahler:innen die Leidtragenden waren
und die Rechnung dafür bis heute bezahlt wird. (Zwischenruf des Bundes­rates Spanring.)


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Deshalb steht die Österreichische Volkspartei, steht Bundeskanzler Karl Neham­mer als Kraft der Mitte, als Kraft der Vernunft und als Kraft der Verantwor­tung (Bundesrätin Schumann: Na geh, bei dem Budget!) auch in dieser schwierigen Situation für Österreich klar bereit. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle tragen mit ihm gemeinsam, mit ihm als Bundeskanzler an der
Spitze dieser Regierung, diese Verantwortung weiter. (Bundesrätin Schumann: Für das Budget, für die Wirtschaftszahlen, für die Arbeitslosenzahlen, für all das
tragen Sie die Verantwortung!)
Ich werde als Verfassungs- und Europaministerin die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten, um mit einer Nichtigkeits­klage beim EuGH zu überprüfen, ob diese Verordnung auf europäischer Ebene tatsächlich rechtmäßig zustande gekommen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf zur Beantwortung der
Fragen kommen.

Zu den Fragen 1, 3, 8, 10 und 14:

Das ergibt sich aus der Beurteilung des Verfassungsdienstes über die Hand­lungsingerenz der Klimaschutzministerin. Bundesministerin Leonore
Gewessler hat Verfassungs- und Gesetzesbruch begangen. Den Umstand, dass Bundesministerin Gewessler nicht befugt war, für Österreich mit Ja zu
stimmen, haben Bundeskanzler Karl Nehammer und ich dem Ratsvorsitz vor der Abstimmung schriftlich mitgeteilt. Es gilt daher, auf europäischer Ebene
zu klären, ob die Verordnung überhaupt rechtmäßig zustande gekommen ist.

Österreich wird daher im Auftrag von mir als zuständiger Verfassungs­ministerin Nichtigkeitsklage beim EuGH einlegen. Dies ist binnen zwei Monaten nach Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt der Europäischen
Union möglich.

Die ÖVP ist die Kraft der Mitte, der Vernunft und der Verantwortung, der wir auch in schwierigen Zeiten gerecht werden. Bundeskanzler Karl Neham­mer hat sich aus dieser Verantwortung heraus entschieden, diese Koalition bis


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zum Wahltermin weiterzuführen und damit das freie Spiel der Kräfte
zu verhindern.

Wir wissen, dass seit 2008 durch ähnliche Situationen in der Vergangenheit Mehrkosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in der Höhe
von 30 Milliarden Euro entstanden sind. Wir setzen daher auch in dieser schwierigen Situation ganz stark auf die Professionalität und auch
Staatsräson der Grünen. Unser Land braucht gerade in schwierigen Zeiten Stabilität, Chaos gilt es zu verhindern.

Zur Frage 2:

Es wäre Aufgabe der Klimaschutzministerin gewesen, die Sorgen und
Bedenken der Bundesländer zu berücksichtigen, denen auf europäischer Ebene entgegenzuwirken und letztlich Einvernehmen mit den betroffenen Ressorts, im Speziellen dem Landwirtschaftsministerium, herzustellen.

Zu den Fragen 4 und 5:

Der zuständige Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt wurde befasst und hat klar festgehalten, dass die einheitliche Stellungnahme der Länder weiterhin aufrecht ist. Daran war die Klimaschutzministerin verfassungsrechtlich gebunden.

Zu den Fragen 6 und 9:

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind klar: Sowohl das Bundes-Verfassungs­gesetz als auch das Bundesministeriengesetz gelten für alle Bundesminis­terinnen und Bundesminister. Darauf sind wir angelobt, daran müssen wir uns alle halten. Ich halte es daher nicht für das vorrangige Thema, in dieser
Situation die Dinge zu ändern. Die besten Gesetze und Vereinbarungen helfen nichts, wenn sich manche nicht daran gebunden fühlen.


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Zur Frage 7:

Das sind zwei voneinander zu trennende Fragen. Natürlich ist die Situation nicht einfach. Es geht aber hier nicht darum, parteipolitische Punkte zu machen, sondern um Staatsräson. Zu diesem Weg hat sich Bundeskanzler Karl Nehammer entschieden, und ich unterstütze diesen.

Zu den Fragen 11, 13 und 15:

Jetzt ist es notwendig, Schritt für Schritt zu planen. Die EU-Verordnung
muss zunächst kundgemacht werden, danach können wir die rechtlichen Schritte machen. Abhängig von der Dauer und dem Ausgang des Verfahrens
vor dem EuGH wird es dann notwendig sein, die nächsten Schritte zu planen.

Zur Frage 12:

Eine derartige Einschätzungsfrage ist nicht vom Interpellationsrecht um­fasst. Ich habe aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass die derzeitige Situation angespannt und schwierig ist. Wir und hoffentlich auch die Grünen werden
aber weiterhin aus Verantwortung für Österreich agieren.

Zur Frage 16:

Nein, ich habe keine Anzeige erstattet. Alle Bundesminister haben ihren eigenen Wirkungsbereich laut Verfassung und Bundesministeriengesetz. Diese sind
nicht überlappend oder über- beziehungsweise untergeordnet. Dem­entsprechend kann auch nicht ein Bundesminister eine Anzeigepflicht für die Handlungen eines anderen Bundesministers haben.

Vielen Dank. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

19.29


Präsidentin Margit Göll: Zur Beantwortung hat sich weiters Frau Bundesministe­rin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Frau Leonore Gewessler zu Wort gemeldet, und ich erteile ihr dieses.



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19.29.49

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren, die uns jetzt hier im Saal beziehungsweise eventuell auch zu Hause vor
den Bildschirmen zuhören! Die Natur ist unsere Lebensgrundlage. Ohne intakte Natur gibt es kein gesundes, kein glückliches Leben, kein erfolgreiches Wirtschaften, keine gute Zukunft für kommende Generationen. Die Umwelt schützt uns. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schmid.) Auf
lebendigen Böden versickert Wasser, das sonst in Sturzbächen durch unsere Orte rauscht und schreckliche Schäden anrichtet. Moore speichern CO2, Wälder sorgen für saubere Luft, Insekten bestäuben die Pflanzen, die später zu
unseren Lebensmitteln werden. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)

Die Natur kann sich selbst aber leider nur schwierig schützen. Das ist mittlerweile spür- und sichtbar: Rücksichtsloser Ressourcenverbrauch, Beton und Asphalt zerstören immer öfter und immer rasanter auch unberührte Naturräume. Wo früher Rückzugsräume für eine beeindruckende Artenvielfalt waren, sieht man heute nur mehr die Folgen von unserer Ausbeutung
von Naturräumen. Mehr als 80 Prozent der geschützten – der geschützten! – Lebensräume in der EU sind in einem schlechten Zustand.

Deswegen sind wir jetzt an einem Zeitpunkt angelangt, an dem der
Naturschutz auch für uns selbst zu einer existenziellen Frage wird. Es ist an der Zeit, dass wir wieder beginnen, im Einklang mit der Natur – nicht gegen
sie – zu wirtschaften, und genau diesen Auftrag erfüllt das EU-Renaturierungs­gesetz. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schmid.)

Dieses Naturschutzgesetz ist unser Bekenntnis, unsere Anerkenntnis
auch, dass wir Menschen eine intakte Natur für unser eigenes Leben und Glück brauchen, und genau vor diesem Hintergrund habe ich diesem Gesetz vergangene Woche auch rechtskonform zugestimmt. (Beifall bei den Grünen sowie Bravoruf des Bundesrates Schreuder.) Wer unsere wunderbare


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Heimat erhalten will, der muss auch auf sie aufpassen. Das ist mein Anspruch an meine Arbeit.

Ich möchte aber auch ausführlich auf die Fragen eingehen, die Sie mir
gestellt haben:

Zur Frage 1:

Nein, natürlich handelt es sich nicht um einen mir hier unterstellten möglichen Verfassungsbruch. Wie Sie wissen, habe ich diese Entscheidung nicht
auf die leichte Schulter genommen. Ich habe die rechtliche Möglichkeit einer Zustimmung umfassend sowohl von Expertinnen und Experten meines Ministeriums als auch von externen Experten und Expertinnen prüfen lassen. Deren Einschätzung war klar: Ja, eine Zustimmung zu diesem so
wichtigen EU-Naturschutzgesetz ist zulässig. (Bundesrat Steiner: Irgendeiner lügt! – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Die Experten zeigen dabei viele gute und nachvollziehbare Argumente
auf, warum keine rechtlich bindende Stellungnahme der Länder vorliegt. Ich möchte sie Ihnen auch gerne im Einzelnen noch einmal vorlegen. Aus Sicht eines unserer Gutachter und gewichtiger Stimmen in der Verfassungsrechtslehre
muss eine Stellungnahme der Länder, um rechtlich bindend zu sein,
in der Integrationskonferenz der Länder beschlossen werden. Das ist bei den Länderstellungnahmen vom November 2022 und Mai 2023 nicht pas­siert beziehungsweise wurden diese formalen Erzeugungskriterien für eine rechtsverbindliche, einheitliche Stellungnahme nicht erfüllt. Das ist
ein Grund, warum den Stellungnahmen daher bereits deshalb keine rechtliche Bindungswirkung zukommt.

Darüber hinaus weisen die Länderstellungnahmen vom November 2022
und Mai 2023 keine Bindungswirkung in Bezug auf den zeitlich später verfassten Trilogentwurf zum EU-Renaturierungsgesetz auf, weil sich die sachliche Grundlage wesentlich geändert hat und die Länderstellungnahmen insofern sich


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nicht mehr auf den Entwurf, der zur Abstimmung stand, bezogen haben. Außerdem konnte, wie aus der Erklärung des Bundeslands Wien und allen da­raus folgenden Beschlüssen auch im Bundesland Wien – auf Landtags-
wie auf Regierungsebene – hervorgeht, davon ausgegangen werden, dass eine neu zu bewertende Sachlage vorliegt, bei der man nicht mehr von einer einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer sprechen kann. Interessanter­weise – auch das ist in der Bundeskammer wahrscheinlich eine interes­sante Information (Bundesrat Steiner: Länderkammer!); in der Länderkammer natürlich, danke – hat Prof. Bußjäger im gestrigen Ö1-„Morgenjournal“
auch auf einen Fall hingewiesen, in dem der frühere Bundesminister Mahrer bei einer EU-Abstimmung ebenso von einer Länderstellungnahme abgewi­chen ist. Sie sehen also, es handelt sich hier keineswegs um eine völlig unbe­kannte oder neue Vorgehensweise. (Beifall bei den Grünen sowie der
Bundesrätin Sumah-Vospernik. – Bundesrat Himmer: Das ist bemerkenswert!)

Sie haben mich auch nach der Einschätzung des Verfassungsdiensts
gefragt. Es stimmt: Wenige Tage vor der Abstimmung im Rat am 17. Juni hat uns das Kabinett des Bundeskanzlers eine vierseitige Kurzinformation des Ver­fassungsdiensts zukommen lassen. Die von mir beauftragten Rechts­experten und -expertinnen kamen in ihrem Gutachten zum Ergebnis, dass – ich habe es vorhin ausgeführt – eine Zustimmung im EU-Rat mit guten
Gründen rechtlich zulässig ist. Wie Sie wissen, hat eine Einschätzung des Verfas­sungsdiensts keine bindende Wirkung. Sie bringt eine Rechtsmeinung
zum Ausdruck, wie das auch die von mir beauftragten Expert:innen gemacht haben. Der Verfassungsdienst ist nicht die letzte Instanz in Verfassungs­fragen in Österreich. Wer endgültig über strittige Themen entscheidet, das ist und bleibt der Verfassungsgerichtshof, und das ist in einem Rechtsstaat
auch gut so, denke ich.

Der Vollständigkeit halber möchte ich auch darauf hinweisen, dass es sich bei drei der vier Gutachter um an öffentlichen Universitäten habilitierte


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Expertinnen und Experten des öffentlichen Rechts handelt. Wie ich auch mehr­fach betont habe, arbeiten im Verfassungsdienst viele hochkarätige und hochkompetente Juristen und Juristinnen. Sie sind aber eben in eine Weisungs­kette eingebunden, arbeiten dort nicht vollständig unabhängig. (Bundes­rat Spanring: Ach so? Ach so ist das? Interessant! – Bundesrat Steiner: Was für Vor­würfe!) Deswegen wäre in meinen Augen für die Zukunft eine Debatte
über einen weisungsfreien Rechtsdienst, wie er in anderen EU-Ländern existiert, denke ich, zu begrüßen. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Steiner: Was
für Vorwürfe! – Bundesrat Himmer: Ein paar Grüne im Aufsichtsrat! So richtig unab­hängig ist das nur, wenn die Grünen dabei sind, oder? Dann ist es unabhängig!) –
Ich beantworte gerne Ihre Fragen.

Zur Frage 2:

„Welche verfassungsrechtlichen Prüfungen wurden vor der Zustimmung durch­geführt?“ – Eine verfassungsrechtliche Prüfung ist immer Teil des Verwal­tungshandelns meines Ministeriums (Bundesrat Himmer: Von den Expertinnen und Experten!), sei es bei der Erlassung von Vollzugsakten oder wie hier bei der Abstimmung im EU-Rat. Im vorliegenden Fall haben nicht nur die Rechtsexperten, -expertinnen meines Ministeriums eine diesbezügliche Prüfung vorgenommen, sondern eben auch die externen hochanerkannten Experten
und Expertinnen des öffentlichen Rechts. Sie alle kamen zur Einschätzung, dass eine Zustimmung zur Renaturierungsverordnung im EU-Rat rechtlich
zulässig ist.

Zur Frage 3:

Gemäß den Veröffentlichungspflichten des B-VG wurden alle Gutachten auf der Homepage des BMK veröffentlicht. (Bundesrat Himmer: Die sind sicher
billig gewesen, diese Gutachter!)
Konkret handelt es sich dabei um den emeritier­ten Univ.-Prof. Dr. Karl Weber (Bundesrat Himmer: Der Weber!),
Univ.-Prof. Dr. Daniel Ennöckl, Univ.-Doz. DDr. Alexander Egger und Dr. Florian Stangl.


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Zur Frage 4:

Namhafte Experten und Expertinnen, unter anderem der Doyen der österreichi­schen Verfassungsrechtler:innen Heinz Mayer (Heiterkeit des Bundesrates Himmer), sehen in meinen Vorgängen keinen Rechts-, geschweige denn einen Verfassungsbruch. Außerdem geben die allermeisten Europarechts­expert:innen der Nichtigkeitsklage keine Aussicht auf Erfolg. Auch zur Frage der strafrechtlichen Anzeige habe ich nur Experten und Expertinnen gehört,
die auch diesem Schritt keine Aussicht auf Erfolg attestieren. Insbesondere habe ich aber nicht anders gehandelt als ÖVP-Ministerkollegen vor mir. Ich
denke, wir sollten den Eindruck vermeiden, dass wir hier mit zweierlei Maß mes­sen. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

Zur Frage 5:

„Welche rechtlichen Grundlagen stützen Ihre Entscheidung?“ – Dazu darf ich auf die zuvor erwähnten und auf der Homepage des BMK veröffentlichten Gutachten verweisen beziehungsweise auf die darin getroffenen rechtlichen Ausführungen. Mittlerweile haben sich bereits auch einige andere Pro­fessoren und Professorinnen und Experten, Expertinnen öffentlich zu Wort ge­meldet und meine Standpunkte als mit guten Gründen für vertretbar
eingestuft.

Zur Frage 6:

Zunächst ist festzuhalten, dass in die mehrjährigen Verhandlungen auf EU-Ebene insbesondere alle relevanten Regierungsstellen eingebunden wurden.
Leider haben wir uns entgegen unserer Bemühung zur Erlangung eines Konsen­ses zuletzt auch gegen den vom Europäischen Parlament bereits beschlos­senen Entwurf ausgesprochen.


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Nicht unerwähnt lassen möchte ich – es ist ja auch hier schon ange­sprochen worden –, dass unter anderem Othmar Karas erst vor Kurzem wie­derholt hat, dass das vorliegende Gesetz zustimmungsreif ist. (Bundesrat
Steiner: Oh, der EU-Kommissar! Aufpassen, liebe ÖVP! Aufpassen!)
Es gibt also auch innerhalb unserer Parteien unterschiedliche Stimmen, die für dieses so
wichtige Naturschutzgesetz sind.

Zur Frage 7:

Wie zuvor erwähnt – ich habe es ausgeführt und auch rechtlich argumentiert – lag beziehungsweise liegt keine einheitliche Länderstellungnahme vor,
nicht zuletzt durch die Beschlüsse und das Ausscheren der Bundesländer Wien und Kärnten. Ich möchte hier aber mit aller Deutlichkeit festhalten, dass
die Länderstellungnahme im Zuge der Verhandlung intensiv berücksichtigt und keinesfalls ignoriert wurde. Sie wurde vollinhaltlich an die Ratspräsident­schaft sowie an die EU-Kommission übermittelt. Ihre Inhalte wurden in den Rats­arbeitsgruppen eingebracht und es wurden zahlreiche Punkte im
finalen Text übernommen. Wien und Kärnten haben das in ihren Ausführungen ja auch explizit anerkannt. (Beifall bei den Grünen sowie der
Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Zur Frage 8:

Dass meine Zustimmung rechtlich zulässig war, habe ich bereits ausführlich dar­gestellt. Das bestätigen auch nach und nach immer mehr Experten und Expertinnen in der öffentlichen Debatte. Wir dürfen eines nicht vergessen: Das EU-Renaturierungsgesetz ist ein zentraler Baustein in einer guten und lebenswerten Zukunft, nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa. Ohne entschlossenen Naturschutz schreitet die Zerstörung unserer Lebens­grundlage immer weiter voran. Naturschutz sichert unsere Zukunft, deshalb sind wir es auch zukünftigen Generationen schuldig, dass wir handeln.


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Zur Frage 9:

Wir gehen nicht davon aus, dass es zu Einkommensverlusten kommt, im Gegen­teil, gerade für unsere Kleinbäuerinnen und Kleinbauern kann dieses
Gesetz viele Chancen bieten. Wenn sie auf ihren Flächen Maßnahmen setzen, trägt diese Verordnung dazu bei, Budgets für die ökologischen Leistungen
der Bäuerinnen und Bauern bereitzustellen – zum Beispiel durch die Maßnahmen des Öpul, durch Maßnahmen, die den Waldumbau absichern und auch ausweiten. Die Fördermöglichkeiten sind vielfältig. Der zeitliche
Rahmen erstreckt sich mit Abstufungen bis 2050. (Bundesrat Leinfellner: Das gibt’s ja nicht! – Bundesrat Steiner: Bist du narrisch!)

Ich möchte auch noch einmal einem wirklich entschieden entgegentre­ten: Keine Landwirtin, kein Landwirt wird gezwungen, Renaturierungsmaßnah­men auf seinen Flächen zu setzen. Alle Schritte basieren auf freiwilliger
Basis. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Steiner: Es wird keine Impfpflicht geben! Es wird keine Mauer gebaut! Es wird keinen Lockdown geben!)

In erster Linie gibt das Gesetz den Mitgliedstaaten der EU den Auftrag,
nationale Pläne zum Naturschutz zu erstellen. Die Mitgliedstaaten können dabei flexibel die eigenen Bedürfnisse berücksichtigen. Gleichzeitig stellt die
Union auch umfassende Finanzmittel für die Umsetzung zur Ver­fügung. Verpflichtungen zu Außernutzungstellungen, wie von manchen hier wirklich fälschlich ins Treffen geführt wird, beinhaltet das Gesetz nicht. (Bundesrat Steiner: Ja, genau!)

Auch der Ernährungssicherheit wird große Bedeutung eingeräumt. Viele aktuell kolportierte Fehlinformationen sind wirklich nicht Teil des Gesetzes.
(Beifall bei den Grünen.)

Die Zeitpläne für das Wiederherstellungsgesetz, also für unsere eigenen Pläne, wurden in der überarbeiteten Form adaptiert. Der erste Plan darf nun pri­mär die Ziele und Maßnahmen bis 2030 umfassen. Erst der nächste


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Plan soll auch die 2040er- und 2050er-Ziele erfassen. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich in allen Verhandlungen mit aller Kraft auch weiter
für eine ausreichende Finanzierung einsetzen werde. (Beifall bei den Grünen.)

Zur Frage 10:

Das EU-Renaturierungsgesetz gefährdet die Ernährungssicherheit
nicht, ganz im Gegenteil, und das bestätigen uns auch alle Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen. Die Ernährungssicherheit steht bei
diesem Vorhaben an vorderster Stelle, denn nur eine gesunde Natur ist die Basis einer gesunden und funktionierenden Lebensmittelversorgung. (Beifall bei
den Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Die Ernährungssicherheit wird als zentrales Ziel im Gesetzestext definiert. Ziel ist es, die Lebensmittelproduktion insgesamt zu verbessern, indem frucht­barere Böden, bessere Widerstandsfähigkeit gegen extreme Wetterbedingun­gen, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Produktivität geschaffen
werden. Zusätzlich wurde auch eine Klausel eingebaut: Bei Gefahr für die Ver­sorgung mit Lebensmitteln kann die Kommission die Umsetzung
von Artikel 11 betreffend landwirtschaftliche Ökosysteme aussetzen.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch nochmals appellieren: Arbeiten wir in dieser wichtigen Debatte bitte mit Fakten! (Beifall bei den Grünen. –
Bundesrat Himmer: Das ist eine Verhöhnung! – Bundesrat Steiner – in Richtung ÖVP –: Die watscht euch ab! Patsch, patsch, patsch! Ich bin gespannt,
was der Bauernbund dazu sagt!)

Zur Frage 11:

Die Verordnung enthält keine Verpflichtung, Pflanzenschutzmittel und Dünge­mittel einzuschränken.

Zur Frage 12:

Wie zuvor erwähnt obliegt es den Mitgliedstaaten, Wiederherstellungs­pläne zu erstellen, welche auch mögliche Fehlentwicklungen hintanhalten sollen.


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Auch dafür werden wir, das Ministerium, Sorge tragen, dass wir das in
Österreich im guten Einklang mit der Landwirtschaft tun.

Zur Frage 13:

Wie zuvor erwähnt wird es durch die Umsetzung der anzustrebenden Maßnah­men zu keiner Verknappung der landwirtschaftlichen Produktion kommen.

Zur Frage 14:

Wesentliche Teile des EU-Renaturierungsgesetzes sind bereits über
geltende Regelungen, nämlich die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie, auf euro­päischer Ebene budgetiert. Für die darüber hinaus gehenden Kosten
können zahlreiche Fördertöpfe der Europäischen Union in Anspruch genommen werden.

Mehrere EU-Instrumente unterstützen bereits jetzt die Renaturierung
oder stehen dafür zur Verfügung, darunter der Kohäsionsfonds, Horizon Europe, die Gemeinsame Agrarpolitik, das Life-Programm und Invest-EU.

Zudem haben sich das Parlament, der Rat und die Kommission im Mehr­jährigen Finanzrahmen darauf geeinigt, im Jahr 2024 7,5 Prozent und in den Jah­ren 2026 und 2027 10 Prozent der jährlichen Ausgaben für die Ziele der biologischen Vielfalt zu verwenden, was mehr als 115 Milliarden Euro entspricht. Das entspricht also 16 Milliarden Euro jährlich. (Ruf bei der ÖVP: Super, super!)

Zusätzlich zu den öffentlichen Mitteln werden auch Private Regelungen unter­stützen, darunter die Zertifizierung des Kohlenstoffabbaus, den wir gerade verhandeln, oder andere innovative Finanzierungsinstrumente wie Biodiversi­tätszertifikate und Gutschriften, um neue und zusätzliche Einkommens­möglichkeiten für Landbesitzer und -besitzerinnen und -verwalter und -verwal­terin­nen zu schaffen, die diese nutzen möchten.

Die überarbeitete Richtlinie über das EU-Emissionshandelssystem wird
ebenfalls neue Finanzierungsmöglichkeiten für die Wiederherstellung bieten.


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Außerdem hat auch die Kommission bereits zugesichert, dass sie die Mitgliedstaaten in Finanzierungsfragen intensiv unterstützen wird. Zudem ist sie aufgrund der Verordnung, auch das ist ein wichtiger Verhandlungserfolg, ver­pflichtet, diesbezüglich innerhalb eines Jahres einen Bericht zu erstellen.

Insgesamt gehen alle Einschätzungen der Experten, Expertinnen von eindeutig positiven wirtschaftlichen Effekten aus, besonders was die Kosten der Wiederherstellung von degradierten Ökosystemen betrifft – einer von vielen positiven wirtschaftlichen Effekten –, die um ein Vielfaches kompensiert werden. Das zeigt auch die Wirkungsanalyse der EU-Kommission,
die eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt hat, die eindeutig für die Rena­turierung ausgeht.

Zur Frage 15:

Von steigenden Kosten für Baumaterial und Heizen ist nicht auszugehen.
Im Gegenteil: Nur ein gesunder, klimafitter Wald kann uns weiterhin
und langfristig mit ausreichend Rohstoffen versorgen. Auch das Landwirtschafts­ministerium stellt deshalb bereits seit vielen Jahren Förderungen für den klimafitten Umbau unserer Wälder zur Verfügung.

Zur Frage 16:

Wie bereits erwähnt betrachte ich den Vorwurf strafrechtlich relevanter Hand­lungen als haltlos. Ich habe mich während der gesamten Regierungszeit
nicht nur um einen professionellen, sondern auch um einen kollegialen Umgang bemüht und werde daran selbstverständlich festhalten – schließlich haben
wir noch viel zu tun.

Zur Frage 17:

Dieses Naturschutzgesetz sichert unsere Lebensgrundlage. Es sorgt
für den wirksamen Schutz unserer Natur und sichert damit die Gesundheit der


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Menschen und eine nachhaltige Wirtschaft. Es ist im Rahmen der Umset­zung deshalb mit langfristig und nachhaltig positiven wirtschaftlichen
und sozialen Folgen für die Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete sowie die österreichische Bevölkerung insgesamt zu rechnen. Wir wollen unsere
Heimat erhalten und auch an künftige Generationen so ein lebenswertes und schönes Land wie dieses Österreich, das wir kennen, übergeben. –
Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrät:innen Schennach
und Sumah-Vospernik.)

19.48


Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten
begrenzt ist.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr dieses.


19.48.36

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident!
Frau Minister Edtstadler! Frau Minister Gewessler! Es ist schon eine spannende Geschichte, wenn man diese Dinge so präsent und live erleben darf.

Man muss wirklich sagen, die Fragen wurden in vielen Bereichen sehr detailliert beantwortet. (Bundesrat Steiner: Da ist die ÖVP ganz schwindlig vor lauter
pitsch, patsch!)
Dazu könnte man eigentlich gratulieren. Was ÖVP und Grüne wirklich eindeutig geschafft haben: Sie haben es nicht nur geschafft,
dass der Wirtschaftsstandort Österreich total ruiniert ist und wir, wie wir gehört haben, eine Rezession erwarten dürfen, nein, sie haben es mit ihrer
Vorstellung hier noch dazu geschafft, dass das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat sinkt, wenn nicht sogar ganz schwindet. (Beifall bei der FPÖ.)


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Hier auf der einen Seite sitzt die Verfassungsministerin, die klare Worte findet und sagt: Es ist ein Verfassungsbruch! Auf der anderen Seite sitzt eine
andere Ministerin, die sagt: Na, überhaupt nicht! Wenn ich mir das so überlege, kann das eigentlich nicht so schlimm sein, weil die ÖVP das ja auch
manchmal macht! – Ja, was ist es jetzt?! Ist es ein Verfassungsbruch? Ist es außerhalb des Verfassungsbogens? Ist es an und für sich – so wie Sie es auch im „ZIB 2“-Interview sehr eindeutig wiederholt haben – etwas, das eigentlich
nicht in Ordnung ist? Oder ist es so, wie Frau Gewessler sagt: Na ja,
die ÖVP macht es ja zwischendurch auch, ist ja nicht so tragisch!? – Das ist also schon, muss ich ehrlich sagen, ein Stimmungsbild, wie man miteinander
umgeht.

Ihre letzten Worte, Frau Minister Gewessler, waren: das schöne Österreich, so wie wir es kennen. Der schlimmste Satz beim Antritt der Regierung war
für mich, und da bin ich wirklich zusammengezuckt, als der Herr Vizekanzler her­gegangen ist und gesagt hat: Sie werden Österreich nicht mehr wieder­erkennen! – Das war der schlimmste Satz! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt muss ich Ihnen ehrlich sagen: Dass das nicht wirklich etwas sehr Gutes heißen kann, war mir damals klar, aber das, was die nach fünf Jahren –
und ich sage jetzt bewusst grün-schwarze Regierung, denn die Grünen geben den Ton in dieser Regierung an und die Schwarzen laufen mehr oder
minder nur mit –, was die aus Österreich gemacht haben, das ist eine Katastro­phe, das ist entsetzlich, und das hätte sich niemand in seinem Leben
und in diesem Haus vorstellen können – ein Wahnsinn! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

Wissen Sie, wenn Frau Minister Edtstadler mit ihrem Wissen von Verfas­sungsbruch spricht, denkt man sich: Ja, aber bitte, warum? Warum hält man dann fest und sagt zum Beispiel nicht: Diese Ministerin, die diese schwer­wiegenden Vergehen gemacht hat, muss ihres Amtes enthoben werden!? – Dann kommt die Begründung: Wir wollen Österreich nicht ins Chaos stürzen.


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Wir wollen doch Österreich nicht noch mehr verschulden, wenn dann die Steu­ergeschenke der freien Kräfte kommen.

Ich sage Ihnen, dass all das, was jetzt noch von dieser Seite (in Richtung Bundesministerin Gewessler) beschlossen wird, ein x-Faches an Millionen kostet, mehr als das, was wir vielleicht in sinnvollen Mehrheiten für die Österrei­cher an Geld ausgegeben hätten und wovon diese etwas gehabt hätten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich meine, das ist wirklich eine fadenscheinige Ausrede! Denn, wenn
man ganz ehrlich ist: Diese Regierung und der Nationalrat lösen sich auf, und mit dem Tag der Wahl sind die Regierungsparteien an keine Koalition mehr gebunden – es kann nur sein, dass sie sich für danach noch gewisse Mehrheiten zusichern, aber es wäre kein Koalitionsbruch, wenn die ÖVP mit der
SPÖ zu etwas zustimmen würde, oder die Grünen. – Nur wegen der paar Wo­chen geht man jetzt so entrüstet her und stellt sich hin und sagt: Der
Herr Kanzler rettet jetzt Österreich und schützt die Österreicher vor dem Chaos! – Er hat tatenlos zugesehen, dass Österreich ins Chaos gestürzt wurde! Das muss man ehrlich zugeben. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravorufe des Bundesrates Steiner.)

Natürlich sind wir einiges von dieser Regierung gewohnt, ich brauche nur daran zu denken, wie es in Coronazeiten war, welche Maßnahmen getroffen
wurden, wie sie mit den Menschen in Österreich umgegangen ist. Da müsste man ja eigentlich einiges gewohnt sein. Eigentlich muss man sagen, man
ist ja eh gewohnt, dass, egal welche Entscheidung – sowohl (in Richtung Bundes­ministerin Edtstadler) von dieser Seite als auch (in Richtung Bundesminis­terin Gewessler) von dieser Seite – getroffen wird, diese niemals zum Wohle der Österreicher getroffen wird, sondern immer nur zum eigenen Vorteil, aber wirklich immer, oder weil die eigene Ideologie einen dazu zwingt.

Sie gehen her und sagen: Es kann nicht sein, dass zum Beispiel die Produktion der heimischen Lebensmittel weniger wird. – Bitte, wie soll das funktio­nieren? Man nimmt den Bauern Ackerfläche weg, weil dort die Blumenwiesen,


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die Bienen, die Sumsi und was weiß ich alles sein müssen, darf dort keine Lebensmittel anbauen, aber die Lebensmittelproduktion in Österreich verringert sich dadurch nicht. Machen wir das dann – ich weiß nicht – im Glashaus
oder in der Glasvase oder sonst irgendwo? Das ist eine Rechnung, die nicht auf­gehen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ich auch so falsch bei Ihnen finde: Natürlich, wir wissen alle, es muss
etwas getan werden, wir sind mit den Ressourcen auf diesem Planeten einfach wie selbstverständlich umgegangen, es hat niemand darüber ernsthaft nachgedacht. Wir wissen aber auch alle – und das ist schon seit Jahren, seit Jahrzehnten eigentlich bewiesen –, dass der Hauptverantwortliche
dafür, dass wir solche Wetterextreme haben, nicht das kleine Österreich und der Bauer, der halt sein Ackerfeld oder sonst etwas hat, sind. Nein, das ist
die Rodung des Regenwaldes, und das wissen Sie auch! Da höre ich weder (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) von der Seite noch (in Richtung Bun­desministerin Gewessler) von der Seite noch von einer EU, dass man sich da end­lich bemüht, die Rodung des Regenwaldes einzudämmen, weil das der Hauptverursacher dieser Wetterkatastrophen und Wetterkapriolen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ich auch fadenscheinig finde, ist zum Beispiel, dass wir wie gesagt
den Bauern jetzt wertvolle Anbaufläche für Lebensmittel wegnehmen und Sie gesagt haben: Um Gottes willen, Asphalt und Beton zerstören die Um­welt! – Sie haben aber vergessen, dazuzusagen: Mit der Ausnahme, dass ein Grüner am höchsten Berg ein Windradl hinstellen will, denn dass man
dort dann Wälder roden muss, den ganzen Weg asphaltieren, zubetonieren muss, dass man überhaupt das Windradl dorthin bringen kann, das ist
dann wurscht. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP.) Das ist dann eine Fläche, die ruhig sterben kann.

E-Auto: Auch da ist es den Grünen vollkommen egal. Das E-Auto ist,
wenn man es fährt, durchaus emissionsneutral, was das aber für einen graus­lichen Fußabdruck bei der Herstellung hat, speziell der Batterie, und


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wie viele Kinder da nach wie vor noch mitarbeiten müssen, das ist den Grünen auch wurscht – Hauptsache, E-Autos! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das sind die Dinge, die eben falsch sind, und es ist schon auch so, wie
Frau Minister Edtstadler im „ZIB 2“-Interview gesagt hat: Es ist nicht nur ein neuerliches „Diktat aus Brüssel“ – das waren (in Richtung Bundesminis­terin Edtstadler) Ihre Worte beim Interview –, es ist auch wieder einmal ein Diktat (in Richtung Bundesministerin Gewessler) der Grünen. Das ist es,
und deswegen muss ich sagen (Bundesrat Spanring: Sie lacht ja! Sie lacht! – Bundesrat Himmer: Ja, das ist lustig!), ich finde den Vergleich von Kol­legen Steiner, dass wir da schon mehr auf kommunistischer als auf grüner Seite sind, sehr, sehr, sehr treffend. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch einmal, und das werden Sie den Menschen nicht erklären können:
Sie sagen – und da bin ich auch der Meinung –, Sie haben einen Eid auf die Ver­fassung geschworen, die Verfassung zu achten und zu ehren, und dann
geht eine Ministerin her und sagt: Ist mir eigentlich wurscht, denn die 15 Pro­zent, die mich unter Umständen vielleicht doch noch wählen könnten
(Ruf bei der FPÖ: 10 Prozent!), denen bin ich mehr verpflichtet, und ich mache das, was ich glaube! Dann sagen (in Richtung Bundesministerin Gewessler) Sie,
Ihre Zustimmung sei so wichtig gewesen, und dann gehen Sie heute her und erklären: Was regen wir uns eigentlich auf, es ist eh nicht verpflich­tend? – Ja, warum war es Ihnen dann so wichtig, dass Sie zustimmen? – Denn wenn das alles freiwillig ist, dann rede ich einfach mit den Menschen,
dann gehe ich hin und führe mit ihnen Gespräche oder lasse mir in Österreich etwas einfallen, aber stimme nicht einem weitreichenden „Diktat aus
Brüssel“ – wenn ich diese Aussage jetzt wieder hernehme – zu. Dann gehen Sie her und sagen: Es ist alles nicht so tragisch, es ist ja alles harmlos, es pas­siert ja eigentlich eh nichts.

Wie gesagt: Ich finde diese Vorgehensweise überhaupt nicht in Ordnung. Sie – vor allem die grüne Seite – werfen unserer Partei sehr, sehr oft vor,
dass wir Antidemokraten sind. Ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie ist


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die Mehrheitsentscheidung, und selbst wenn nur fünf oder sechs zu
etwas Ja sagen und Sie als Siebente davon überzeugt sind, dass das nicht so ist, so ist Demokratie Mehrheit.

Und eines muss ich aus vollster Überzeugung sagen: Eine bessere Zukunft
für Österreich gibt es nur mit einem Volkskanzler Herbert Kickl!
(Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

19.58


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Matthias Zauner. Ich erteile ihm dieses.


19.58.39

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizepräsident!
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Edtstadler! Frau Gewessler! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst auch von mir die Vorbemerkung, dass sich die Österreichische Volkspartei natürlich zum Natur­schutz bekennt (Bundesrätin Schumann: Na bravo! weiterer Ruf bei der
SPÖ: Ah geh!),
und ich möchte auch wirklich eine Lanze brechen für unsere Bür­germeisterinnen und Bürgermeister, für unsere Landeshauptleute und für
all die Aktivitäten, die in den Ländern, in den Städten und in den Gemeinden in Abstimmung, im Einklang mit der Bevölkerung für den Naturschutz, für
den Umweltschutz passieren.

Wenn ich jetzt das Bundesland Niederösterreich hernehme, wenn wir jetzt in Bälde Grenzen beschließen, wo nicht mehr verbaut werden darf, wenn
ich an die Energie- und Umweltagentur des Landes Niederösterreich denke, die einen hervorragenden Job macht, dann setzt sich das, was hier passiert,
aus ganz vielen Mosaiksteinen zusammen.

Warum wir aber heute hier diskutieren, ist ja vor allem wegen des rechtlichen Zusammenkommens dieses Beschlusses. Frau Gewessler, da darf ich
gleich am Beginn ganz klar sagen: Recht ist nicht biegsam. Auch nicht vor einem


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grünen Bundeskongress, wenn man Erfolge braucht, um gewählt zu werden. Recht muss Recht bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, was Frau Gewessler getan hat (Zwischen­ruf des Bundesrates Schmid), ist nicht mehr und nicht weniger als ein Rechts­bruch. Gegen eine einheitliche Stellungnahme der Bundesländer – und ich sage das ganz bewusst hier im Bundesrat – und gegen eine Akkordierung mit
dem zuständigen Landwirtschaftsministerium zu stimmen, geht nicht, denn es ist einfach nicht rechtens. Das wussten Sie, denn die Stellungnahme des Verfassungsdienstes war eindeutig. (Neuerlicher Zwischenruf des
Bundesrates Schmid.)

Dann dieser Winkelzug, mit privaten Gutachten diese Erkenntnisse zu über­trippeln, den Juristinnen und Juristen vorzuwerfen, dass sie nicht wei­sungsfrei agieren würden, den Verfassungsdienst der Republik infrage zu stellen und mit Gutachten zu kommen – wobei es überhaupt schwierig war,
Juristinnen und Juristen zu finden, die diese ausstellen –: Das lässt schon ganz tief blicken. Im Vergleich zu Ihnen agiert der Verfassungsdienst nämlich
nicht wie eine NGO, sondern arbeitet im Interesse der Republik, unabhängig von Parteien und Interessenvereinigungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Und das hat für mich noch eine Dimension: Haben Sie eigentlich hinter­fragt, was Sie als auf die Verfassung angelobte Ministerin anrichten? In Wahrheit erschüttern Sie mit dieser Vorgehensweise die Grundfesten unseres
Staates. Berechtigterweise muss man eigentlich fragen: Wer soll sich in der Re­publik eigentlich an Gesetze halten, wenn es auf die Verfassung angelobte Minister:innen nicht mehr tun? (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Himmer: So ist es!)

Deswegen haben wir als Österreichische Volkspartei Frau Gewessler auch wegen Amtsmissbrauch angezeigt. Jetzt gibt es viele, die sagen: Warum haut ihr sie dann nicht raus? (Bundesrätin Schumann: Jetzt sind wir aber schon
ganz tief!)
Ich verstehe das, ich hätte das in der ersten Emotion auch gerne getan. Was aber wäre denn die Konsequenz? – Die Frau Verfassungsministerin


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hat es angesprochen: die Gefahr ungeordneter Verhältnisse und das Chaos des freien Spiels der Kräfte im Parlament, wie wir es 2008 erlebt haben. Wir brauchen in dieser Phase, so kurz vor einer Nationalratswahl, aber nicht wieder ein freies Spiel der Kräfte (Ruf bei der SPÖ: Habt eh schon genug aussi
g’haut!),
wir brauchen Stabilität statt Chaos. Dafür steht der Bundeskanzler und dafür stehen wir als Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.)

Dann gibt es noch einen ganz wesentlichen Grund, warum wir uns nicht
zu diesem Koalitionsbruch verleiten lassen haben, und dieser Grund befindet sich in diesem Haus, nämlich 60 Gesetzesvorlagen, die im Parlament lie­gen und die wir im Interesse Österreichs noch umsetzen wollen. Ich erwähne ganz bewusst eine Gesetzesvorlage im Bundesrat – Bundesrätin Schartel:
ja, die kostet Millionen Euro –, und zwar ist das das Gemeindepaket
für die Städte und Gemeinden, das angekündigt, mit Städtebund und Gemein­debund akkordiert, aber noch nicht beschlossen ist.

Dieser Gesetzentwurf und auch die anderen brauchen diese Regierungs­mehrheit im Parlament, um umgesetzt zu werden. Daher haben wir
uns als Österreichische Volkspartei aus Staatsverantwortung (Bundesrat Schennach: Mhm!) gegen den eigentlich logisch notwendigen Schritt entschieden. Aus Staatsverantwortung setzen wir die Zusammenarbeit bis zur Wahl
fort, aus Staatsverantwortung verhindern wir ungeordnete Verhältnisse, und wir werden Ihnen, Frau Gewessler, heute nicht das Misstrauen aussprechen,
nicht, weil wir Ihnen vertrauen – Sie haben unser Vertrauen mehr als strapa­ziert –, sondern aus Staatsverantwortung für unser Österreich.
(Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, eine Rolle in diesem Schauspiel gehört natürlich auch beleuchtet, und das ist die Rolle der Bundeshauptstadt Wien. (Ruf bei der
SPÖ: Na, jetzt hat es aber lang gebraucht!)
Es war ja erst der EU-wahltaktische Schwenk des Wiener Bürgermeisters – in der Hoffnung, dass ent­täuschte Grünwählerinnen und Grünwähler, die mit der Show von Frau Schilling wenig anfangen konnten, doch noch umgestimmt werden können – der


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Auslöser und der vermeintliche Hebel, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist.

Da stelle ich mir schon ein paar Fragen: Was bedeutet das denn für den Do­naukanal, der Wien jahrzehntelang vor Hochwasser geschützt hat? – Renaturieren wir den jetzt? (Bundesrätin Schumann: Die ÖVP hat gegen die Donauinsel gestimmt!) Was bedeutet das für den Lobautunnel? – Verab­schiedet sich die Stadt Wien von diesem Projekt?

Aus Sicht der Länderkammer stellt sich schon auch die Frage: War es das wert? War es das wert, die Landeshauptleutekonferenz zu torpedieren, war
es der abgeschlagene dritte Platz bei der Europawahl wirklich wert? – Das wird die Sozialdemokratie zu klären haben, nicht nur intern. (Beifall bei
der ÖVP. 
Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eines ist aus Sicht der Länderkammer natürlich ein absoluter Treppenwitz der Geschichte: wenn Frau Gewessler im Alleingang einen Vertrag ab­schließt, der die Länder, Städte und Gemeinden in die Verantwortung und in die Finanzierung zwingt – der Gemeindebund hat das ja auch schon klar
zum Ausdruck gebracht ‑, und als diejenige, die abstimmt, dann in Wahrheit überhaupt kein Risiko, überhaupt keine Verantwortung trägt, sondern
sich zulasten der Städte, Länder und Gemeinden dann auch noch als Heldin feiern lässt. In Wahrheit ist es nicht mehr und nicht weniger als ein
Anschlag auf die föderale Struktur unseres Staates. Sie haben Aktionismus über Recht gestellt, um ein gutes Ergebnis beim Bundeskongress zu erreichen. Unrühmlicher geht es nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Eines finde ich aus grüner Sicht dann überhaupt speziell – in Wahrheit ist das, was Sie gemacht haben, Politik Marke Kickl –: Dinge versprechen und ankündigen, die gegen das Recht verstoßen, frei nach dem Motto: Das Recht muss der Politik folgen und nicht die Politik dem Recht. Das Dramatische
dabei ist, Herr Kickl hat es bis jetzt nur angekündigt, Sie haben es getan, und das ist unfassbar. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir hätten diese Legislaturperiode natürlich auch ganz anders beenden
können, indem wir das in den Mittelpunkt stellen, was diese Bundesregierung – Grüne und Volkspartei gemeinsam – erreicht hat. (Ruf bei der FPÖ: Gar
nichts!)
Das war in den vergangenen fünf Jahren immens viel. In krisenhaften Zeiten haben wir es geschafft, diese Republik durch diese Unsicherheit
zu führen. Wir hätten diese Regierungsperiode auch so beenden können (Bun­desrätin Schumann: Mit einem Budgetdefizit, dass die Tür nicht zugeht ...!),
leider haben Sie sich für einen anderen Weg entschieden.

Daher steht für uns klar fest: Österreich braucht in diesen herausfordernden Zeiten eine Bundesregierung, die Recht lebt, die Stabilität hochhält
und die Sicherheit gibt. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Dafür werden wir als Österreichische Volkspartei in den kommenden Wochen und Monaten
werben, und wir werden gemeinsam mit den Österreicherinnen und Österrei­chern dafür sorgen, dass nach dem 29. September der Bundeskanzler
wieder Karl Nehammer heißt (Beifall bei der ÖVP), denn er ist der Garant dafür, dass eine Politik der Vernunft, der Mitte und des Hausverstandes umge­setzt wird.

Eine Schlussbemerkung erlauben Sie mir noch: Ich finde es ehrlich gesagt eine scheinheilige Provokation, dass Sie, während die Verfassungsministerin
hier sehr sachlich und sehr sorgenvoll die Entwicklungen betrachtet (Heiterkeit des Bundesrates Gross), schmunzelnd danebensitzen. Auch das ist ein Bild,
das Bände spricht. (Beifall bei der ÖVP.)

20.09


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr.


20.09.35

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Ich bedanke mich für den Bundesrat, dass Sie beide
hier sind; das ist eine doch etwas außergewöhnliche Situation, vor der
wir stehen.


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Eines möchte ich gleich am Anfang feststellen: Der Titel der Dringlichen ist falsch. Das Renaturierungsgesetz gefährdet nämlich in keiner Weise
die Landwirtschaft und es gefährdet in keiner Weise die Ernährung unseres Landes. Das ist Humbug. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

Wer die Ernährung unseres Landes gefährdet, sind die Städte, die Gemeinden und die Länder, indem sie einen unglaublichen Flächenfraß vornehmen.
(Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Eine jener Regierungen, die ganz besonders scharf dagegen aufgetreten ist, ist die Tiroler Regierung. Die soll eines einmal erklären: In diesen Tagen
stimmte die Tiroler Landesregierung zu, eine landwirtschaftliche Vorsorgefläche von 7,5 Hektar in Gewerbegebiet umzuwidmen. – So schaut’s nämlich
aus. Das ist das, was in Wirklichkeit die Ernährungssicherheit gefährdet, und nicht ein Gesetz. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Schauen wir uns einmal das Land an: Liebe ÖVP, schaut in den Spiegel! Österreich verliert täglich 18 Fußballfelder an wertvollen Böden. Der Bodenver­brauch ist in den letzten 36 Jahren um 50 Prozent gestiegen.
Wir brauchen gar nicht die EM abzuwarten, wir sind nämlich Europa­meister im Flächenverbrauch. (Beifall bei der SPÖ sowie der
Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Seit 1987 gingen in Österreich Ernährungsflächen in der gesamten Größe des Burgenlandes verloren. Es sind Alarmglocken, die da eigentlich zu läuten
haben. Ich verstehe eine solche Debatte nicht.

Jetzt muss man schon sagen: Liebe ÖVP, hört auf! Hört auf, so viele Lügen
über dieses Renaturierungsgesetz zu verbreiten! (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Der Bauernbund betreibt eine Desinformationskampagne der Sonderklasse. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ), und die FPÖ greift das auch noch auf und führt es weiter. All das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 363

Vielleicht wollt ihr nicht immer alles von mir nehmen. Dann können wir
auch gerne zum Beispiel „Die Zeit“ hernehmen. Die anerkannte „Zeit“ schreibt über dieses Gesetz, es sei die „Auferstehung per Gesetz“, also Auferste­hung im religiösen Sinne. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, dieses Gesetz sei eine „große Chance“ für die Landwirte und Landwirtinnen.

Die „Kleine Zeitung“ hat auch über einen interessanten Aspekt geschrieben. Da geht es ja immer darum: Ist das ein Bruch des Rechts? – Die „Kleine
Zeitung“ erinnert daran, dass in diesem Land eigentlich nur Dollfuß die Verfas­sung gebrochen und den Rechtsstaat unterwandert hat, dass dies aber
nicht bei dieser Frage der Fall war.

Vorhin hat Kollege Zauner von der Rolle Wiens gesprochen. Es ist nicht nur die Rolle Wiens, sondern auch die Rolle von Kärnten. Beide Bundesländer
haben sich entschieden, die gemeinsame Länderstellungnahme zu verlassen. Wonach? – Nachdem alle Verhandler des EU-Parlaments sich auf die­ses Gesetz geeinigt hatten. (Bundesrätin Miesenberger: Es wurde im Umweltaus­schuss dagegengestimmt!) – Bitte? (Bundesrätin Miesenberger: Es wurde
im Umweltausschuss dagegengestimmt!)
 – Ja, aber in den Trilogverhandlungen haben sich die Verhandler des EU-Parlaments geeinigt. Das ist das
Wichtige. Bei der wichtigen Abstimmung haben sich dann 15 Mitgliedstaaten, die mehr als 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, dafür
entschieden.

Ich habe ja bei der Dringlichen Anfrage einen Hinweis auf Düngemittel
und Pflanzenschutzmittel gefunden. Ich weiß nicht: Hat irgendjemand das gele­sen? – Davon steht da überhaupt nichts drin, nicht eine einzige Zeile.
Es ist ein Fahrplan, nämlich bis 2030 20 Prozent der geschädigten Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen, bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme wiederherzustellen. Da steht überhaupt nichts davon drin (Bundes­rätin Miesenberger: Das ist ja das Problem!), aber der Bauernbund hört nicht mit der Desinformation auf. 


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Die künftige Regierung wird dann Maßnahmen setzen müssen, weil es
für die EU-Staaten bindend ist. Dieses Gesetz gibt einen Zeitrahmen vor. (Bun­desrat Himmer: Frag den Dornauer!) Man kann es auch anders sagen:
Das Renaturierungsgesetz ist ein Meilenstein (Beifall bei SPÖ und Grünen), der nicht mit einem anderen Gesetz oder Plan zu vergleichen ist.

Es geht einerseits darum, die Erhitzung des Klimas bei 1,5 Grad zu belas­sen, der Natur und der Menschheit nicht weniger als das künftige Überleben zu sichern. Es geht andererseits auch darum, dass es 81 Prozent aller Habitate bereits extrem schlecht geht. Wir müssen das zu Kenntnis nehmen.

Deswegen ist ja das Renaturierungsgesetz so wichtig: um Arten wieder anzu­siedeln, Lebensräume zu renaturieren, für die Rückkehr der Bestäuber­insekten – die übrigens für die Landwirtschaft extrem wichtig ist – totes Holz im Wald zu belassen, um CO2 in den Mooren zu speichern und die Wälder miteinander zu verbinden. – All das ist der Kern und der Zweck und das Ziel.

Dieses Gesetz trifft auf zwei ganz wichtige Dinge: Das eine ist, die Klima­krise zu bekämpfen, und das andere ist die Biodiversität. Was nämlich einmal verschwindet, kommt nie wieder. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Über 80 Prozent der Gene sind verschwunden. Wir benehmen uns wie beim letzten Tanz auf der Titanic – das geht einfach nicht.

Wenn man jetzt zu der interessanten Diskussion kommt: Die Aussage
des Kanzlers war: „Das Votum [...] entspricht nicht dem innerstaat­lichen Willen“. – Na, so geht das nicht. Es entspricht vielleicht nicht dem Willen der ÖVP (Zwischenruf des Bundesrates Himmer), aber über 80 Prozent
der Österreicherinnen und Österreicher sind für das Renaturierungsabkommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik. –
Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, aber es gibt ... rechtliche Grundlage! – Bundesrat Himmer: Ja, die Mehrheit wird überschätzt!)


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Hier an diesem Rednerpult habe ich schon einmal – jetzt schaue ich in
Richtung Salzburg – über diese Form des Money Launderings gesprochen, das man Chaletbauten nennt. Beim Pass Thurn gibt es dieses berühmte
Wasenmoos. Als der Schutz dieses Mooses mit dem Jahrzehnt des Schutzes der Moore vorbei war, hatte die Regierung keine dümmere Idee, um das ein­mal so zu sagen, als genau dort ein Chalet für Superreiche hineinzubauen, damit sie schnell hintenherum - - (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Die Landes­regierung hat das nicht gemacht!) – Ja, aber es ist trotzdem gebaut worden. Es ist ja nicht so, dass dort nichts gebaut wurde. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler:
Die Gemeinde Mittersill hat das gewidmet!)
Ihr hättet das gesamte Moor zerstört, wenn wir nicht eingegriffen hätten. So ist es.

Das ist nichts anderes als das, was in Sankt Johann mit der landwirtschaft­lichen Vorsorgefläche passiert. Wenn es irgendwo eine Möglichkeit gibt, dann geht man in die Zerstörung.

Nun kommen wir zurück: Ich komme gerade aus Straßburg. Ich war in
den letzten Tagen in Straßburg und bin die ganze Zeit auf diesen seltsamen Brief von Frau Ministerin Edtstadler und Herrn Bundeskanzler Nehammer ange­sprochen worden. Ich muss ehrlich sagen, sogar egal, von welcher Fraktion sie waren, haben sie dort gefragt: Wieso gebt ihr euch so einem Reputations­verlust hin? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) – Lieber Freund, ich habe gute Kontakte in alle - - (Bundesrat Himmer: Ja, ja! Ich
habe auch ...!)
 – Frag deine Nachbarin, sie weiß das besser!

Jetzt kommen wir über diese enorme staatspolitische - - (Bundesrat Himmer: Jetzt bin ich ...!) – Du wirst Fraktionsvorsitzender. Heute bist du ein
bisschen leiser, denn noch bist du es nicht. (Heiterkeit und Beifall bei Bundes­rät:innen der SPÖ.)

Kommen wir noch einmal kurz auf diese Frage der Nichtigkeitsklage
zurück. Schaut euch doch einmal an: Es gibt aus Europa unterschiedliche Gut-


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achten, zum Beispiel aus Deutschland. Da gibt aber keiner dieser Nichtig­keitsklage, die da von Österreich eingereicht wurde, irgendeine Chance, und das ist auch gut so: Wo kämen wir denn hin, wenn Minister und Ministerinnen
in den Gremien der Räte, in denen sie Österreich vertreten, nicht ab­stimmen könnten, wie sie den Auftrag haben, es zu tun? (Beifall bei Bundesrät:in­nen der Grünen. – Bundesrat Gfrerer: Den Auftrag!) – Nein, es gibt keine einheitliche Stellungnahme, nachdem zwei Bundesländer gesagt haben: Wir ziehen unsere Zustimmung zurück! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist
etwas anderes.

Kommen wir aber noch ein bisschen zum Thema. Frau Schartel hat vorhin über möglichst weit weg - - (Bundesrat Gfrerer: Was ist mit dem Auftrag?) Ich
wundere mich, dass sich die FPÖ bei diesem Plädoyer der Kollegin beim Liefer­kettengesetz ein Nein herausgewürgt hat, wo sie hier gerade von den
armen Kinder, die Kobalt abbauen müssen, ein Bild gemalt hat. Warum ist die ÖVP, warum ist die FPÖ so gegen das Lieferkettengesetz, gegen diesen wirklichen Meilenstein?

Frau Bundesministerin Edtstadler, Sie haben von der „Gewessler-Methode“ ge­sprochen, was ich jetzt nicht gerade sehr charmant finde, denn die
„Gewessler-Methode“ ist eigentlich eine ÖVP-Methode. (Heiterkeit bei Bundes­rät:innen der SPÖ.) Die ÖVP-Methode ist, dass Sie nämlich, als es einen sozialdemokratischen Bundeskanzler gegeben hat und wir in einer Koalition waren, sehr wohl ein Privatgutachten gegen den Verfassungsdienst –
von Herrn Mazal – in Auftrag gegeben haben. Das heißt, Frau Gewessler hat nichts anderes gemacht als das, was Sie schon vorgemacht und vorge­zeigt haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Gross
und Sumah-Vospernik.)

Dann haben wir noch einen amtierenden Minister aus (das S wie ein Sch ausspre­chend) Osttirol, Herrn Totschnig, dem es schnuppe war, was die Klima­schutzministerin denkt, und einem Landwirtschaftspaket einfach zugestimmt hat


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(Bundesrätin Miesenberger: Das war umgekehrt ...!), wo er auch eine Harmo­nie mit der Ministerin hätte herstellen müssen. Das wissen Sie.
(Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Gross
und Sumah-Vospernik.)

Ich weiß nicht, warum der Bauernbund da dermaßen nervös ist. Seid froh, dass das Renaturierungsgesetz kommt, denn es hilft euch und der Landwirt­schaft, zu überleben. (Bundesrätin Miesenberger: Ja, genau! ... Bergbauern!) Und es hilft uns und der Menschheit, zu überleben. Vor allem: Es wird am
Ende des Tages eine riesige Hilfe für die Landwirtschaft werden. (Bundesrätin Miesenberger: Ja, genau!)

Wir sind jetzt ein bisschen beim Hornberger Schießen, dass viele dieser
Angriffe ins Leere gehen. Jetzt frage ich mich – wenn der Bauernbund erlaubt, dann stelle ich mir auch Fragen (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ
und ÖVP) 
–: Warum wird diese Koalition, die offensichtlich emotional und in­haltlich am Ende ist, weitergeführt? (Bundesrätin Miesenberger: Der
Kollege Zauner hat das schon erklärt!) 
– Ja. Was er gesagt hat, ist ja Schönfärberei. Die wird erstens weitergeführt, damit es hier keine Gesetze gegen die
ÖVP gibt, denn die sind sehr wohl möglich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

Zweitens: Sie wird weitergeführt, weil es noch einen ganzen Haufen von
Posten zu vergeben gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vosper­nik. – Bundesrätin Miesenberger: Ah, geh!) Da wird es einen EU-Kommissar
geben, da wird es eine FMA-Aufsicht geben. Da muss man noch einen Minister in die Nationalbank entsorgen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitsch­thaler.All diese Dinge sind noch zu tun.

Ich befürchte, die Grünen wird das noch teuer zu stehen kommen, nämlich die Grünen kommt es teuer zu stehen. (Bundesrat Schreuder: Mach dir keine
Sorgen um uns!)
Nicht die Republik, aber die Grünen kommt es teuer zu stehen,


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denn da müssen sie noch einer ganzen Reihe von Personalentscheidungen zustimmen, denen sie vielleicht so nicht zugestimmt hätten.

In diesem Sinne: Meine Fraktion, die Stadt Wien, das Land Kärnten, wir freuen uns, dass es dieses Renaturierungsgesetz gibt (Bundesrat Gfrerer: Doskozil!),
das für die, die sich in Wien auskennen, etwas bringt. Bürgermeister Ludwig hat gesagt, wir werden die Liesing wieder zu einem mäandrierenden Fluss
machen – das ist im 23. Bezirk, wer sich nicht auskennt. (Bundesrätin Eder-Gitsch­thaler: Und die Donauinsel gibt es dann nimmer! ... Bauern renaturieren!) –
Komm! – Wir werden die Liesing dort herausholen, wo sie derzeit in Rohren ge­führt wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Hört einmal!

Ich verstehe es nicht: Sie wollen Landwirtschaft auf Böden betreiben,
die meterweise unter Wasser stehen, weil der Boden nicht mehr in der Lage ist, das Wasser aufzusaugen?! Da wollt ihr Landwirtschaft machen? Aber
komm! (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen sowie der Bundesrä­tin Sumah-Vospernik.)

Das ist nämlich Sand in die Augen zu streuen. Ihr könnt mir glauben: Die Öster­reicher und Österreicherinnen wissen, was Flächenverbrauch heißt, und
wissen, wer dafür zuständig ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Ihr habt beim Flächenfraß in Österreich überhaupt keinen Widerstand
geleistet, sondern ihr schaut, dass ihr eure Schäfchen ins Trockene bringt – aber so wird das nicht gehen. (Bundesrat Tiefnig: Es wird bald keine Schäfchen
mehr geben!)

In diesem Sinne kann ich seitens der SPÖ nur sagen: Wir sind froh, dass es zu diesem Beschluss zur Renaturierung gekommen ist, dass es die entspre­chende Mehrheit, die dafür auf EU-Ebene notwendig war, gegeben hat. Allen juristischen Spielchen werden wir mit größter Gelassenheit entgegen­sehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen
Gross und Sumah-Vospernik.)

20.26



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Vizepräsident Dominik Reisinger: Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl ist als nächste Rednerin gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


20.27.07

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident!
Sehr geehrte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:in­nen vor den Bildschirmen! Ich finde es schon spannend, dass die FPÖ eine Dringliche einbringt, jetzt aber an der Debatte kaum interessiert ist. (Widerspruch bei der FPÖ.) Ich finde es aber auch toll, dass Herr Kollege Schennach im
Herzen noch ein Grüner ist (Heiterkeit bei den Grünen), und ich hoffe, die SPÖ Wien wird sich mit uns für den weiteren Stopp der Lobauautobahn
einsetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber noch vorweg – auch an die FPÖ gerichtet –: Klimaschutz basiert nicht
auf Ideologie, sondern Klimaschutz basiert auf Fakten. Ideologie reißt
keine Häuser nieder, trocknet keine Felder aus (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), überschwemmt keine Orte oder vernichtet keine Waldge­biete, sondern das sind die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise. Die Natur zu schützen, zu erhalten oder wiederherzustellen hat mit Ideolo­gie gar nichts zu tun. Es ist schlichtweg eine Notwendigkeit, denn wir brauchen eine intakte Natur zum Leben. Und wir sind schlichtweg nichts und
niemand ohne Natur. (Beifall bei den Grünen. – Anhaltende Zwischenrufe der Bundesrätin Schartel.)

Das Schöne bei der EU-Renaturierungsverordnung ist, dass es um ganz Europa geht. Es geht um Wälder, Moore, Flüsse, Wiesen, Meere und die Lebens­räume von Tieren und Pflanzen von der Ostsee über die Alpen bis zum Mittel­meer. Es geht darum, dass die Luft, die wir atmen, und die Wolken voller
Hagel und Starkregen keine Grenzen kennen, und es geht darum, das für uns unerlässliche und existenzielle Kapital der Natur in der gesamten Union
zu schützen, zu bewahren und zu verbessern. (Zwischenruf der
Bundesrätin Schartel.)


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Ich schließe an Kollegen Schennach an. Ich habe es auch letztes Mal schon gesagt: Jedes Jahr betonieren wir eine Fläche zu, die so groß ist –
ich nehme jetzt Kärnten her – wie der Wörthersee. Jedes Jahr wird ein Wörthersee mehr zubetoniert. Rechnet man den gesamten Bodenverbrauch pro Jahr, sind es sogar zwei Wörtherseen pro Jahr. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Wer glaubt, dass das keine Auswirkungen hat, auch auf die Versorgung, ist realitätsfremd. (Beifall bei den Grünen.)

Daher haben sich die EU-Abgeordneten dafür ausgesprochen, das Ökosys­tem zu bewahren und wieder auszubauen, damit es nicht nur Klimakatastrophen verhindern kann, sondern auch weiterhin die existenziellen Dienstleistungen bereitstellen kann, um unser Leben zu erhalten.

Dabei geht es um das Bestäuben unserer Obstanlagen, um die Säube­rung der Luft durch die Wälder, um das Filtern von Wasser und die Aufnahme von CO2 durch Feuchtgebiete, um die Stabilisierung des Klimas durch
Abkühlung und um die Gesundheit der Böden durch Pflanzen und Tiere. Es geht auch darum, Krankheitsrisiken zu verringern und uns vor Pandemien, Naturgefahren und Naturkatastrophen zu schützen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Das sind alles Ereignisse, die nicht nur viel zu viele Menschen­leben kosten, sondern auch Unmengen an Geldern verschlingen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Kosten des Erhalts und der Wiederherstellung der Natur sind weit
geringer und werden noch dazu, wie wir gehört haben, größtenteils von der EU getragen. Sie sind weit geringer als die Folgekosten, die durch die Zerstö­rung der Natur auf uns zukommen. Das sind harte Fakten, die uns richtiggehend anschreien, endlich ins Handeln zu kommen. Das Renaturierungsgesetz
ist ein guter Antrieb dafür. (Beifall bei den Grünen.)

Immer wieder, auch heute, wird von Inszenierung gesprochen. Zu den heutigen zwei Dringlichen Anfragen passt dieser Begriff Inszenierung genau. Die Inszenierung liegt aber jedenfalls dort, wo vor dem Tod der Landwirtschaft und


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der Gefährdung der Versorgungssicherheit gewarnt wird oder gar vorver­urteilt oder gerichtet wird.

Lesen Sie bitte die Verordnung durch! Herr Kollege Schennach hat Sie auch schon dazu aufgerufen. Sie sagt nämlich dezidiert, dass bei der Wiederherstel­lung landwirtschaftlicher Ökosysteme die nachhaltige landwirtschaftliche Erzeu­gung sicherzustellen ist und Maßnahmen auszusetzen sind, falls sie wirk­lich gefährdet ist. Sie sagt auch, dass die Wiedervernässung von Mooren auf landwirtschaftlichen Flächen freiwillig sein muss. Meine Kollegin von
der ÖVP, meine Nachbarin, Kollegin Hutter, ist selbst Bäuerin und sagt, genau das betrifft das Waldviertel sehr stark.

Verzichten wir hier also auf Inszenierung und lassen wir sie dort, wo sie hingehört, nämlich im Theater! Schauen wir lieber dorthin, wo tatsächlich land­wirtschaftliche Flächen und lokale Versorgung zerstört wurden und auch
noch werden (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), nämlich durch den Flächen­verbrauch, durch die Versiegelung, wenn Straßen durch Naturschutz-
und Waldgebiete gezogen werden oder Parkplätze, Einkaufszentren und Lu­xusimmobilien auf Wiesen und Äckern gebaut werden. Schon
520 Fachmarkt- und Shoppingcenter stehen in ganz Österreich, und sie stehen fast alle auf Feldern, die ursprünglich von lokalen Bäuerinnen und
Bauern bewirtschaftet wurden. Die zerstören nicht nur die Natur, sondern auch die lokale Versorgung. (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich noch ein paar kurze Sätze zu den Länderstellungnahmen
sagen. Wir sind hier in der Länderkammer und wir wissen: Betreffen EU-Gesetze die Kompetenz der Länder, braucht es die Zu- und Mitbestimmung der
Länder. Sie haben, wie Frau Ministerin Gewessler ausgeführt hat, mitbestimmt, und diese Mitbestimmung wurde auch mitgenommen.

Eine solche Zustimmung sollte aber auch demokratiepolitisch erzeugt
werden. Sie wird aber stattdessen in den Büros der Landeshauptleute gefasst, abseits der Landtage. (Bundesrat Ruf: Die sind demokratisch gewählt! Die


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haben ein Mandat!) Da herrscht, würde ich sagen, sicherlich demokratiepoliti­scher Reformbedarf. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Himmer: Zu
wenig Basisdemokratie? Deswegen ...!)

Nun liegt es an den Mitgliedstaaten, die Wiederherstellungsmaßnahmen zu planen und umzusetzen. Sie entscheiden, was wo renaturiert oder
erhalten werden soll. Erstellen wir also Konzepte im Kleinen, aber auch im Großen, wie wir Bodenversiegelung und Artenverlust endlich stoppen
und Renaturierung vorantreiben können! Wir bekommen dafür ja sogar Geld von der EU.

Viele bereits umgesetzte Projekte zeigen, dass wir es können: die Rena­turierung der Ybbs, der Traisen und des Liesingbachs, genauso wie die Belebung und Begrünung von Ort- und Stadtzentren in ganz Österreich oder die Wiedervernässung von Mooren auch in ganz Österreich. Machen wir weiter so! Erstellen wir nationale Wiederherstellungspläne, die die Bedürfnisse
der Natur und der Landwirte im Blick haben! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

20.34


Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächste Rednerin ist Frau Bun­desrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


20.34.30

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Inhalt der heutigen Dringlichen Anfrage zeigt den derzeitigen Zustand der österreichischen Innenpolitik, insbesondere der österreichischen Regierung, auf. Wir müssen uns hier mit Fra­gen beschäftigen wie: Frau Bundesministerin Edtstadler, haben „Sie eine
Anzeige gegen Frau Bundesministerin [...] Gewessler eingebracht“?, oder: Frau


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Bundesministerin Gewessler, sehen „Sie durch Ihre Zustimmung zum
EU-Renaturierungsgesetz einen möglichen Verfassungsbruch?“

Die ÖVP zeiht den grünen Koalitionspartner in Brüssel öffentlich des Koalitions­bruchs, macht aber innenpolitisch weiter business as usual – Regierungs­zusammenarbeit at its best, könnte man satirisch zusammenfassen. Die Öster­reicherinnen und Österreicher sind aber seit Ibiza und der Ära Kurz ja
schon viel gewohnt. (Bundesrat Himmer: Ist das jetzt eine eigene Rede oder ein Zitat?)

Ich selbst durfte während meines Studiums ein Praktikum in Brüssel
absolvieren und hier in Wien ein Jahr lang für das Europäische Parlament ar­beiten. Die Prozesse in der Europäischen Union sind hochkomplex,
aber die Beamtinnen und Beamten dort sind die besten Köpfe des Kontinents. Der Concours, also das Auswahlverfahren für die jeweiligen Posten, ist
sehr streng. Welchen Eindruck unser Land in der Europäischen Union derzeit abgibt, will ich mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen. Der belgische
EU-Ratsvorsitzende Alain Maron lässt nach Erhalt des – unter Anführungszei­chen – „Beschwerdebriefes“ der ÖVP ausrichten, dass im Rat die Minis­ter abstimmen und alles andere innerösterreichische Kontroverse sei, die ihn nichts angehe. – So ist es; so weit, so klar und so beschämend für unser
Land.

Worum geht es aber inhaltlich? – Das EU-Renaturierungsgesetz sichert unsere Lebensgrundlage, Klimaschutz ist Menschheitsschutz. Die Wiener Landes­regierung hat in ihrer Sitzung am 11. Juni daher folgerichtig ihr Ja zum Vorschlag der Europäischen Kommission für die Verordnung über die Wiederher­stellung der Natur bekräftigt. Das Land Wien hat weiters eine neue einheitliche Stellungnahme der Länder an die Bundesländer übermittelt und damit
auf allen Ebenen klargemacht, dass es sich für das EU-Renaturierungsgesetz ein­setzt, allen voran auch wir NEOS.


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Wir sind uns unserer Sache inhaltlich sicher, aber wir wissen auch die österreichische Bevölkerung hinter uns: 82 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wollen dieses Renaturierungsgesetz. Die qualifizierte Mehr­heit – nicht nur die knappe Mehrheit, sondern zwei Drittel der europäischen Be­völkerung – will dieses Renaturierungsgesetz zur Wiederherstellung der
Natur. Die FPÖ (Bundesrätin Schartel: Ja?), die ihre Wählerschaft ja putzigerweise immer als das Volk und sich selbst als Vertreter aller Österreicherinnen
und Österreicher bezeichnet (Bundesrätin Schartel: Ja, gut erkannt!), matcht sich mit der ÖVP mit Zähnen und Klauen um die Wählergunst des Bauern­bundes. (Bundesrat Steiner: Die Bauern haben es schon verstanden! – Bundesrat Leinfellner: Aber euch sind sie anscheinend schon völlig wurscht!)

Was uns das für die Zeit nach der nächsten Wahl sagt, ist ganz klar:
Sobald es für Blau und Türkis eine Mehrheit gibt – egal wer von beiden auf dem ersten Platz landen wird –, ist die nächste Regierung wieder schwarz-blau.
Das wissen wir wohl alle hier in diesem Raum. (Beifall bei der SPÖ. –
Bundesrat Steiner: Wenn, dann blau-schwarz und nicht schwarz-blau! Wenn, dann blau zuerst! Blau-schwarz!)
 – Ja, oder türkis, man weiß es nicht.

Wir NEOS liegen in der Zweitwählerumfrage seit Jahren konstant auf
dem ersten Platz, bei 42 Prozent. (Bundesrat Kofler: Noch einmal, bitte!) Das heißt, 42 Prozent aller Wählerinnen und Wähler in Österreich finden uns NEOS
super (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ – Zwischenrufe bei der FPÖ), wählen uns dann aber oft doch nicht, weil sie der Meinung sind, wir sind zu klein, wir
können nichts und sie müssen eine andere Partei wählen, um eine dritte Partei zu verhindern. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn aber jede und jeder, der die NEOS gut findet, bei der nächsten
Wahl auch die NEOS wählt, dann bekommt Österreich eine Bundeskanzlerin Beate Meinl-Reisinger. (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf
des Bundesrates Leinfellner.)


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Ich darf daher hier eine Werbung schalten und sagen, wer unser Land positiv verändern möchte, wer saubere Politik möchte, Klimaschutz ohne Streit,
gleiche Chancen für alle Österreicher:innen: Österreich verdient eine Bundes­kanzlerin Beate Meinl-Reisinger. – Danke. (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.)

20.38


Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


20.38.59

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Herr Min- - Herr Minister, sage ich schon – Herr Präsident! (Beifall der Bundesrätin Schumann.) Frau Minis­ter Gewessler! Frau Minister Edtstadler! Ich wollte jetzt eigentlich mit dem Re­naturierungsgesetz anfangen, aber was die neue NEOS-Kollegin Sumah
hier von sich gegeben hat, von wegen 42 Prozent Wähleranteil: Ich glaube, Sie haben sich um eine Kommastelle vertan (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP) – 4,2 Prozent vielleicht, und das ist schon hoch gerechnet, Frau Sumah! (Beifall bei der FPÖ.) Bei so viel Schwachsinn und Blödsinn, den Ihre Partei macht,
wird sich da nicht viel mehr ausgehen.

Die Repliken auf meine Vorredner mache ich während der Rede
oder am Schluss, ich möchte jetzt mit Frau Gewessler anfangen: Ihre Zustim­mung, Frau Gewessler, zur Renaturierungsverordnung ist eine echte
Schande. (Beifall bei der FPÖ.) Sie ist eine Schande: eine Schande für die Öster­reicher, für die Bauern. Ich muss aber auch sagen: Es ist eine Schande,
dass die ÖVP und auch Sie – da kann ich Sie nicht aus dem Kraut lassen, Frau Minister Edtstadler – diesem ganzen grünen ideologiegetriebenen
Wahnsinn zugeschaut haben und nicht rechtzeitig eingeschritten sind.

Frau Gewessler hat ja oft genug angekündigt – auch schon in der letzten Plenar­woche im Bundesrat –, dass sie dieser Bauernvernichtungsverordnung zustimmen wird. Es war ja hinlänglich bekannt, was da auf Österreich zukommen


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wird. Da frage ich schon: Wie glaubwürdig ist man da als Minister? Wie glaubwürdig ist die ÖVP, wenn sie als Regierungspartner keine Konsequenzen zieht, wenn die Grünen so viel Blödsinn machen? Keine Konsequenzen,
keine Handlungen, die nachhaltig waren, außer – sagen wir – vollmundige Medieninterviews! Da kann ich nur sagen: gut gebrüllt, Löwe!
(Bundesrat Himmer: Das ist euch ja komplett fremd ...!)

Sie setzen da aber allen Ernstes Scheinhandlungen, wenn die Grünen, Ihr Regie­rungspartner, Verfassungsbruch begehen, und das ist schon fast amtlich.
(Beifall bei der FPÖ.) Da gibt es dann zum Schein eine Nichtigkeitsklage beim EuGH, obwohl Sie als wirklich brillante Juristin ja wissen, dass es Jahre
dauert, bis von diesem Moloch einmal irgendetwas zurückkommt und ein Urteil gemacht wird. Ich meine, es ist ja schade um die Zeit – schade um die
Zeit! Es ist vielleicht medientechnisch ganz gut – wer sich damit nicht ganz so sehr auskennt –, aber schade um die Zeit.

Als Sahnehäubchen wird der Koalitionspartner dann noch wegen Amts­missbrauchs angezeigt – aber die Koalition agiert munter weiter. Sie koalieren nach wie vor mit einem Partner, der Verfassungsbruch begeht, der wirk­lich öffentlich offensichtlich Verfassungsbruch begeht, und Sie lassen diese Per­son im Amt. Ich habe es von Ihnen und von Kollegen Zauner schon gehört,
dass Sie das aus Staatsverantwortung machen und um das Land nicht ins Chaos zu stürzen. – Ja allen Ernstes: Mit den Grünen in der Regierung, wie viel
mehr Chaos kann denn da noch kommen?! Viel mehr kann nicht mehr kommen! (Beifall bei der FPÖ.) Also viel mehr Chaos, als diese Grünen angerichtet
haben und verbockt haben, kann nicht mehr kommen! Ihr wärt alleine besser aufgehoben, glaubt mir das! Glaubt mir das und dass ihr Mehrheiten
suchen sollt! (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Also ich hätte den Mut dazu gehabt. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Jeder von uns weiß, dass diese Zustimmung von Frau Gewessler weitrei­chende Konsequenzen nach sich ziehen wird. Das wird nicht nur die Existenz unserer Bauern gefährden, sondern bedeutet in weiterer Folge, dass


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die Bauern durch die Rückwidmung quasi enteignet werden. Da greift man zutiefst in das Eigentumsrecht ein – und Frau Gewessler schüttelt den Kopf. Das ist das Gleiche wie in der letzten Sitzung, als sie Kollegen Bernard gesagt
hat, es ist mehr oder weniger eine Unterstellung, dass sie dem zustimmen wird. – Ja, was haben Sie denn in Luxemburg getan? (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Was haben Sie denn dort gemacht? Das ist eine Farce,
es ist eine Farce! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, Frau Gewessler, sagen: Die Renaturierung ist für die Bauern freiwillig! – Ja, für wie dumm halten Sie uns alle zusammen und die Bauern denn? Das ist
ja eine Beleidigung, was Sie da machen, für wie dumm Sie uns verkaufen wollen. Das glauben Sie ja wohl selber nicht, dass das freiwillig ist! Darum haben
Sie so dafür gekämpft, gell, weil das alles freiwillig ist! Das ist doch nur Placebo, was Sie da von sich geben, und Sie meinen es nicht ernst. Das ist ideolo­giegetriebene Politik auf dem Rücken der Bauern, auf dem Rücken der Österrei­cher und auf Kosten unserer Nerven, denn das, was Sie da verzapfen,
das tut ja wirklich schon weh. Wir kriegen, glaube ich, kein Politikergehalt mehr, wir müssten, wenn wir uns das anhören, Schmerzensgeld kriegen.
(Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schmid.)

Wieder zurück zur ÖVP – ich kann euch nicht ganz aus dem Kraut lassen –: Also diese Posse, die da momentan gespielt wird, hat uns wirklich in der
ganzen EU der Lächerlichkeit preisgegeben.

Ja, die Versorgungssicherheit: Kollege Schennach dürfte da anscheinend wieder einmal geschlafen haben (Bundesrätin Huber: Das ist so letztklassig!); er ist
gerade wieder nicht im Plenum herinnen. Es ist immer so: Er redet kurz, dann geht er wieder. Er dürfte da etwas verschlafen haben, denn dieses Rena­turierungsgesetz beeinträchtigt und gefährdet tatsächlich unsere Versorgungssi­cherheit. Es werden die Kosten für Lebensmittel steigen – nämlich drama­tisch steigen –, und ich veranschauliche euch das ein bisschen.
(Bundesrat Schmid: Hast du es gelesen?)


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Mit dieser Renaturierungsverordnung wird es einen Rückgang bei den Nutztier­zahlen geben: bei den Rindern minus 45 Prozent, bei den Milchkühen
minus 13,3 Prozent; und es wird einen signifikanten Rückgang bei der landwirt­schaftlichen Produktion geben: minus 21,4 Prozent bei Getreide, minus 20 Prozent bei Ölsaaten, minus 20 Prozent bei Rindfleisch. Das bedeutet dem­entsprechende Preissteigerungen für den Konsumenten: plus 58 Prozent
bei Rindfleisch, plus 48 Prozent bei Schweinefleisch. Die Preissteigerung zieht sich durch: Rohmilch, Obst, Gemüse, Ölsaaten, Getreide.

Die Österreicher können sich, wir wissen es ja, aufgrund der Kosten­explosion, die wir gehabt haben, aufgrund der hohen Inflation, jetzt schon das Leben kaum mehr leisten. Wie soll denn das funktionieren? Und dieses
Dilemma habt ihr beide verantwortet: Grün-Schwarz, diese Koalition. – Lasst sie gehen, die Grünen, ich glaube, es geht uns dann allen besser!
(Beifall bei der FPÖ.)

Was ich wirklich nicht verstehe: Als Salzburger kennt man sich, und ich
weiß ja, dass Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) mit Ihrer Meinung nicht hinterm Berg halten – Sie haben das am Anfang, heute zu Beginn der
Sitzung gesagt –, und uns gegenüber sind Sie ja auch nicht so zimperlich. Ich erinnere mich da an Corona, da haben Sie uns nämlich wirklich gesagt,
dass wir Ungeimpfte, wenn die Impfpflicht eingeführt wird – beschlossen ist sie ja geworden –, dann illegal im Land sind (Zwischenbemerkung von Bundes­ministerin Edtstadler), dass es rechtswidrig ist, rechtswidriges Handeln, die Stra­fen dürfen nicht zu niedrig sein. Da verstehe ich es nicht, Frau Minister,
warum Sie Frau Gewessler nur mit Glacéhandschuhen anfassen. (Bundesrat Himmer – erheitert –: Weißt du, was Glacéhandschuhe sind? – Heiterkeit
der Bundesräte Buchmann und Tiefnig.)
Sie greifen Frau Gewessler nur mit Gla­céhandschuhen an. Sie greifen sie nur mit Glacéhandschuhen an, also
wirklich ganz lieb und nett und zart. Ich meine, die gehört doch
schon lang entlassen.


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Ideologiegetrieben hat die gute Frau Gewessler gegen die Interessen und die Einwände aller österreichischen Bundesländer dieser Verordnung
zugestimmt. (Bundesministerin Gewessler schüttelt den Kopf.) – Nein, nicht den Kopf schütteln! Ja! (Beifall bei der FPÖ.) Nicht den Kopf schütteln!
(Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, weil zwei Bundesländer nachträglich umgefallen sind; ja, ja, das mag schon sein. Die Einwände der Bundesländer sind
einfach ignoriert worden. – Frau Gewessler, ich glaube, Sie wissen nicht, was Föderalismus heißt. Das ist Ihnen vielleicht nicht ganz klar. Ich meine,
Sie sitzen da jetzt im Bundesrat; das ist zum Beispiel ein Zeichen von Föderalis­mus. Das kann Ihnen die Verfassungsrechtlerin, glaube ich, bestätigen,
oder? Das, was ich sage, ist kein Blödsinn.

Das, was Sie da gemacht haben – über die Interessen der Länder, über die Ein­wände der Länder einfach drüberzufahren –, ist ein ernsthaftes Problem.
Das ist tatsächlich ein ernsthaftes Problem, weil ja die föderale Struktur bei uns ein Grundprinzip ist. Solche Entscheidungen, weitreichende Entscheidun­gen wie diese komische Renaturierungsverordnung, müssen in enger Abstim­mung mit den Ländern getroffen werden. Sie sind einfach drübergefah­ren. Ist das Ihre Art von Politik, über die Menschen und ihre Sorgen drüberzufah­ren? – Na, Prost Mahlzeit! Ich hoffe, dass das genügend Menschen mitbekom­men und ihr am 29. September die entsprechende Rechnung präsentiert bekommt.

Ja, dieser ideologiegetriebene Verfassungsbruch von Frau Gewessler ist tat­sächlich ein Verrat an den Bauern, ist ein Verrat an Österreich, aber – jetzt muss ich wieder Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) und die ÖVP an­schauen – mitunterstützt habt es ja ihr. Das war eine Tat durch Unterlassung. Ich glaube, ich bin damit jetzt auch bei einem juristischen Begriff, es gibt ja
auch Täterschaft durch Unterlassung. – Ihr habt nichts getan, ihr lasst sie ja noch immer weiterwerkeln. Glaubt mir, es passiert nur Blödsinn!
(Beifall bei der FPÖ.)


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Aufgrund dieses Untätigseins, dieser Unterlassung, dass ihr da nicht
sofort eingeschritten seid, mache ich euch mitverantwortlich. Frau Gewessler hätte – und ich sage es jetzt salopp; ich bin ja sonst eine Ruhige, aber
ich sage es jetzt ganz salopp – eigentlich sofort in die Wüste geschickt gehört. Sie hätte sofort in die Wüste geschickt gehört: Es hätte sofort der
Bundeskanzler zum Bundespräsidenten gehen müssen und die Entlassung von Frau Minister Gewessler vorschlagen müssen. Das wäre der korrekte
Weg gewesen, da wäre uns viel erspart geblieben, aber das hat die ÖVP leider verabsäumt. Ihr habt das nicht gemacht, ihr habt da den Grünen die
Mauer gemacht, seid den Grünen da irgendwie ausgeliefert und lasst euch – wir haben es heute schon einmal gehört – am Nasenring durch die Manege
ziehen.
Traurig ist dabei, dass die ÖVP durch diese Vorgangsweise die Bauern eigentlich indirekt oder direkt mitverraten hat.

Dann habe ich vorhin schon gehört, eben auch von - - Wer hat denn
das gesagt betreffend die Bauern? – Ist ja egal. Die Bauern brauchen wir auf alle Fälle nicht mehr zu überzeugen. Die wissen schon, was sie tun und wer
das Herz am rechten Fleck hat.

Weil Frau Kollegin Kittl sich vorhin so echauffiert hat und behauptet hat, dass uns das nicht interessiert: Wir würden keine Dringliche machen, wenn
uns dieses Thema nicht wirklich unter den Nägeln brennen und uns nicht inter­essieren würde. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)

Und zu Ihrer Panikmache, dass Flächen in der Größenordnung des
Wörthersees verbaut werden: Sie können sich ja noch daran erinnern, dass Sie im Burgenland waren, um sich die Windräder anzuschauen? Sie können
sich noch daran erinnern. – Die gehören übrigens nicht mit elektrischem Strom angetrieben (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl), das ist ein Blödsinn, aber
Sie müssen eines wissen, wenn Sie schon von Bodenversiegelung sprechen und sich ja so sehr für die Windräder starkmachen – auch Kollege Schennach
macht sich sehr für Windräder stark und hat vorhin sehr besorgt
über die Bodenversiegelung gesprochen –: Ein einziges Windrad verbraucht


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1 000 Kubikmeter Beton, 500 bis 800 Tonnen Stahl und erfordert
eine Bodenversiegelung in einem Ausmaß zwischen 2 000 und 4 000 Quadrat­metern – ein einziges Windrad haben Sie da –, das sind 0,2 bis 0,4 Hek­tar. Bitte zuerst selber an der Nase oder an den Ohren nehmen, bevor Sie da irgendetwas von sich geben, was ja wieder nur ein Placebo ist!
(Beifall bei der FPÖ.)

Baut ein bisschen weniger Windräder – überall kann man sie eh nicht aufbauen, aber denkt bitte an die Bodenversiegelung, die für ein einziges Windrad stattfindet! Es gibt genug andere Möglichkeiten für die Herstellung von alterna­tivem Strom, wie etwa Wasserkraft.

Nichtsdestotrotz: Frau Gewessler, ich glaube, Sie sind schon lange überreif dafür, dass Sie diese Regierung verlassen sollten. Das, was Sie da jetzt aufgeführt haben, hat wirklich das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich stelle daher
folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlas­sung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Interesse Österreichs, dem Bundespräsidenten vorzuschlagen, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Leonore Gewessler, BA,
zu entlassen und durch eine geeignete Persönlichkeit zu ersetzen.“

*****


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Dieses ganze Schauspiel muss endlich ein Ende haben. Ich hoffe, dass spätestens am 29. September die Menschen die FPÖ wählen und wir dann einen Volkskanzler Kickl haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.52


Vizepräsident Dominik Reisinger: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Entlassung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie“ ist genügend unterstützt und steht demnach
mit in Verhandlung.

Wir fahren in der Debatte fort.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrat Steiner: Jetzt kommt der Bauernbund! Hängts
euch ein, Grüne! Jetzt kommt der Bauernbund!)


20.53.11

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Frau Gewessler! Es ist schon schön, wenn mir solch ein Ruf vorauseilt. Deswegen habe ich mich auch
zu Wort gemeldet: weil ich es schon sehr interessant finde, dass nicht nur bei der Debatte zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes, sondern auch
jetzt, da es um die Renaturierungsverordnung geht, wieder einmal hier herinnen von allen Seiten nur über die Bauern, aber nicht mit den Bauern geredet
wird. (Bundesrat Steiner: Tu dich nicht täuschen!) – Doch, ich glaube schon. (Bun­desrat Steiner: 100 Prozent der Tiroler Gemüsebauern sind vom Bauernbund ausgetreten und bei uns eingetreten!) Warten Sie einmal ganz kurz, Herr Kollege Steiner. (Bundesrat Himmer: Schauen wir einmal bei der Kammerwahl, Land­wirtschaftskammer Tirol!)

Als ÖVP möchte ich zu Beginn in Erinnerung rufen: Auch wir stehen für Natur­schutz, wir stehen für Umweltschutz, wir stehen für Ökologie und wir
stehen für Ökonomie. Ich darf Sie daran erinnern: Vor circa 30 Jahren hat unser


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Joschi Riegler schon die ökosoziale Marktwirtschaft ausgerufen und zu
unseren Werten und Grundwerten in der Politik genommen, weil wir davon überzeugt sind, dass beides, im Einklang stehend, wichtig ist.
(Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich ist es auch für uns Bäuerinnen und Bauern eine große Verantwortung der Natur gegenüber, aber auch unseren Höfen, unseren Betrieben
gegenüber, die schon seit Generationen bewirtschaftet werden, Ökonomie und Ökologie zusammenzuführen – sonst gäbe es die österreichische Landwirt­schaft schon lange nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn die FPÖ hier auf Stimmenfang ist – Herr Kollege Steiner, schade, dass Sie den Saal verlassen (Bundesrat Steiner – hinter den Bankreihen der ÖVP-Fraktion stehend –: Wieso? Ich bin eh da! Ich wollt’ mich nur dem Bauernbund nä­hern! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ) –, wenn Sie jetzt auf Stim­menfang bei den Bauern sind (Bundesrat Steiner: Sie müssen sich mit mir abfinden jetzt! – Bundesrat Buchmann: Zwischenrufe vom Platz, aber nicht von irgend­wo!), weil ihr plötzlich behauptet, die Interessen der Bauern zu vertreten oder auch nur zu kennen, so darf ich Sie erinnern (Bundesrat Steiner: 100 Pro­zent der Tiroler Gemüsebauern sind vom Bauernbund ausgetreten!), dass Sie unter anderem zum Beispiel gegen ÖVP-Initiativen für Maßnahmen gegen Stalleinbrüche gestimmt haben. Da haben Sie dagegengestimmt! (Bundesrat Steiner: 100 Prozent der Tiroler Gemüsebauern sind vom Bauernbund
ausgetreten! – Bundesrat Buchmann: Herr Präsident, das ist ja unmöglich! Der kann nicht von da Zwischenrufe machen!)

Oder auch: Übergangslösungen für Vollspaltenböden, Planungssicherheit
für die Landwirte, irrsinnig wichtig – Sie haben sich dagegen ausgesprochen und auch gegen viele, viele andere Maßnahmen. Das muss man auch den Land­wirten sagen! Das ist Ihnen aber anscheinend nicht so viel wert.

Liebe Frau Gewessler, als Mitglied einer föderalen Kammer, die die Bundeslän­derinteressen vertritt und die Bundesländerinteressen in die parlamenta­rische Diskussion miteinbringt, erlaube ich mir schon eine Frage an


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Sie: Wie können Sie als Regierungsmitglied mit Ihrem Gewissen – nicht mit Ihrem Gewissen als Aktivistin, dieses scheint noch sehr ausgeprägt zu
sein – vereinbaren, dass Sie sich mit Ihrem Abstimmungsverhalten über die Verfassung stellen? Naturschutz, wissen wir, ist in Österreich Länder­sache. Die Länder haben Ihnen klar einen Auftrag erteilt, den Sie – und das ist jetzt nicht meine Definition, sondern die Definition von vielen Men­schen, mit denen auch ich gesprochen habe – eiskalt ignoriert haben. Sie treten damit als Regierungsmitglied, das auf die österreichische Verfassung
angelobt ist, die Demokratie mit Füßen.

Das ist die eine Seite der Medaille, aber auf der anderen Seite frage ich mich, ob Ihnen die ökologischen und die sozioökonomischen Auswirkungen die­ser Renaturierungsverordnung auf Österreichs Wirtschaft, Österreichs Landwirt­schaft und auf die Menschen insgesamt, die davon in erster und zweiter
Linie betroffen sind, überhaupt wirklich bekannt und bewusst sind. Denn: Wäre es so, dann könnten Sie Ihre Zustimmung dazu meiner Meinung nach
mit dem Gewissen eines politischen Verantwortungsträgers in diesem Land nicht vereinbaren. (Beifall bei der ÖVP.)

Was mich persönlich, ich möchte fast sagen, ärgert – aber viele andere
auch, nicht nur im bäuerlichen Bereich –, ist, dass Sie oder dass man in dieser Sache nicht ganz ehrlich mit den Menschen ist, nämlich was die Auswir­kungen betrifft. Viele Punkte in dieser Verordnung sind bedenklich, sind nicht ganz klar im Sinne einer Freiwilligkeit so quasi definiert, sondern sehr
wohl mit Zielen, mit klaren Zielen definiert und haben enorme Auswirkungen, nämlich auch im negativen Sinne. Ich möchte da auf ein paar Punkte
eingehen.

Es wurde schon einige Male die Finanzierung angesprochen. Nicht geklärt ist in dieser Verordnung nämlich die Frage der Finanzierung. Ausgehend von
der Erhebung des Status quo der einzelnen Mitgliedstaaten über die notwendige Kartierung bis hin zur Umsetzung und zur Abgeltung der Maßnahmen,


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von der Sie auch gesprochen haben, sind laut groben Schätzungen über 150 Mil­liarden Euro notwendig. Meine Frage daher: Zahlen das die Mitgliedstaaten? Zahlt das die EU selbst? – Es ist auf keiner Ebene eine Budgetierung vorgesehen. (Bundesrat Schennach: Lesen Sie einmal ...! – Bundesrätin Schumann: Wirklich!
Lesen Sie das Gesetz ein Mal! Ein Mal lesen! Ein Mal lesen das Gesetz! Ein Mal lesen!)

Vor allem ist inhaltlich festgehalten – das steht drinnen –, dass eine
nationale Umschichtung von Geldern, die die Landwirte, die Bäuerinnen und Bauern für bereits umgesetzte Umweltleistungen bekommen, nicht ver­boten ist. Das heißt, wir nehmen Gelder, schichten sie von den Bäuerinnen und Bauern für Leistungen, die sie jetzt schon erbringen, um zu Leistungen,
die sie noch zusätzlich erbringen sollen. Damit ziehen Sie den Bäuerinnen und Bauern den Boden unter den Füßen weg.

Mir ist es zwar als aktive Landwirtin aus der Betroffenheit heraus sehr
wichtig, aber dennoch ist es mir auch wichtig, auf die Betroffenheit der Bürger in diesem Land hinzuweisen – und daher danke ich auch Kollegen Zauner,
der die Allgemeinheit da gut mit hereingenommen hat –, die von diesen Maß­nahmen sicher noch einiges spüren werden. (Bundesrätin Schumann: Die Allgemeinheit? Wer ist die Allgemeinheit? Ich? Nein!)

Ein paar konkrete Beispiele, und da möchte ich doch einiges von Ihnen wissen: Was wird das künftig dann für Sportanlagen heißen? (Bundesrätin Schu­mann: Das ist die erste Frage des Bauernbunds: Was ist mit den Sportanlagen?) Wir sind mitten in der EM. Eine Sportanlage, eine Fußballsportanlage ist trockengelegt, die ist drainiert, damit dort überhaupt Sport betrieben werden kann. Freizeitanlagen, Skipisten, Langlaufloipen (Bundesrat Gfrerer:
Golfplätze!)
 – Golfplätze, genau, stimmt –: Was bedeutet das in Zukunft? Sind diese rückzubauen? Da muss man aber ehrlich zu den Menschen sein
und ihnen sagen, dass diese Freizeitanlagen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. (Bundesrätin Schumann: Was können Bauern auf Golfplätzen
machen?)
Oder ist da das öffentliche Interesse wieder einmal ganz oben ange­siedelt? Was bedeutet das für den Hochwasserschutz (Zwischenruf der


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Bundesrätin Huber), für Lawinenverbauung (Bundesrat Schreuder: Wo steht, dass ...?), für Bauten, die Unmengen an Steuergeld gekostet haben,
die auch gut sind und für die Sicherheit der Bevölkerung finanziert worden sind? (Bundesrat Schennach: ... und die Kartoffeln!) Was heißt das dort?

Was bedeutet das möglicherweise auch an Auswirkungen auf den Tourismus oder auf Infrastrukturprojekte für die Wirtschaft, für die Arbeit, damit
unsere Pendlerinnen und Pendler zur Arbeit kommen, die auch Wohlstand bedeuten, die umgesetzt worden sind und hoffentlich auch noch
umgesetzt werden sollen? Was bedeutet das für diese Projekte, vielleicht auch für zusätzliche Bahnprojekte? (Bundesrätin Grimling: Ach so ...!) Auch dort
ist ein Eingriff in die Natur notwendig. Was bedeutet das dafür?

Am Beispiel der Umsetzung von Straßenprojekten: Wir kennen das in unserem Bezirk sehr gut, da haben wir die S 10 umgesetzt. Es sind über 300 Hek­tar an ökologischen Ausgleichsflächen geschaffen worden. Wir haben dann die Initiative ergriffen und werden da künftig nachhaltig Energie produzie­ren. (Bundesrätin Schumann: Am Golfplatz?) Das ist aber auf unsere Anregung als Grundbesitzer passiert. Wir sind also jetzt schon sehr gut unterwegs.

Ich denke, da wird nicht ehrlich mit den Menschen umgegangen. (Bundesrätin: Grimling: Ja, das glaube ich auch!) Oder wie ich eben schon gesagt habe: Argumentiert man künftig wieder mit dem öffentlichen Interesse (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) und hängt dann den schwarzen Peter, die Umsetzung, wieder der Landwirtschaft um? (Bundesrätin Schumann: Am Golf­platz! Am Sportplatz!) Das finde ich nicht ehrlich und nicht richtig.

Sollen die bäuerlichen Familien den Preis dafür zahlen, 20 Prozent der
Flächen in Österreich stilllegen? Wir haben es schon gehört: eine Fläche so groß wie die Steiermark. 20 Prozent Außernutzungsstellung bedeutet weniger heimische Lebensmittel im Regal, dafür mehr Produkte, die aus Ländern zu uns importiert werden, die billig, ohne irgendwelche ökologische oder soziale Standards produzieren. Ist das genau das, was Sie wollen? (Bundesrat Schreuder:


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Das stimmt nicht! – Bundesrat Schennach: Woher kommt das Märchen? Von der Bauernbundseite!)

Ein weiterer Kritikpunkt ist - - (Bundesrat Steiner: Jetzt hat sie der Schennach aus dem Konzept gebracht! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Aber nur, weil er munter geworden ist! – Bundesrat Steiner: Weil er munter geworden ist!) – Herr Kollege Steiner, aufpassen! (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass zuerst die Natura-2000-Gebiete
betroffen sein werden. (In Richtung Bundesrat Steiner:) Haben Sie in Tirol auch Natura-2000-Gebiete? (Bundesrat Steiner: Ja, richtig, in Osttirol!) – Ja,
okay. Dann wissen Sie sicher, dass landwirtschaftliche Produktionsflächen be­reits einem Verschlechterungsverbot unterworfen sind. Das heißt, dort
sind Naturschutz und Produktion im Einklang, aber Lebensmittelproduktion ist dort wirklich sehr erschwert möglich. Und da soll noch einmal eins drauf­gelegt werden, als Erstes in Natura-2000-Gebieten, die ausgewiesen
sind. (Vizepräsident Ebner übernimmt den Vorsitz.)

Da gibt es Gebiete wie die Wachau. Dazu muss ich die Vorsitzende des Umwelt­ausschusses in der EU, Sarah Wiener – den Grünen hier, glaube ich, sehr bekannt –, zitieren, die in einem Ö3-Interview sehr bald erkannt hat: Was würde das für die Wachau als Natura-2000-Gebiet bedeuten? – Kein Pflanzen­schutz, kein Düngemittel, Renaturierung, Weinberge renaturieren. (Bundesrätin Schumann: Ja, um Gottes Willen, ..., dass es dort kein Stauwerk gibt!) Es gäbe
keine Wachauer Marille mehr, es gäbe keinen Wachauer Wein mehr. (Bundesrat Schreuder: Das ist doch nicht wahr!) Also wir müssten auch zukünftig - - (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) – Na ja, das wären die Umsetzungen. (Bundes­rätin Schumann: Unpackbar!) – Also viel Unverständnis, viele Unsinnig­keiten. (Zwischenruf der Bundesrätin Huber. – Bundesrat Schreuder: Das ist einfach nicht wahr! Das ist ein Blödsinn!) – Nein, es gibt keine Paragrafen. Das ist
in der Verordnung drinnen, 260 Seiten. (Bundesrätin Schumann: Auf welcher Sei­te? – Bundesrat Schreuder: Es ist wirklich nicht wahr! – Bundesrätin
Schumann: Auf welcher Seite bitte, Frau Bundesrätin? Wo steht denn das?)


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Unverständnis und Unsinnigkeiten gibt es auch, was die Bewirtschaftung der Wälder anbelangt. Es steht drinnen: Drei Milliarden zusätzliche Bäume
sollten bis 2030 gepflanzt werden. Jetzt mache ich ein kleines Rechenbeispiel mit Ihnen hier. Man könnte jetzt zwar hoffen, dass möglicherweise nicht
nur fruchtbares Grünland und Ackerland in Wald umgewandelt
werden soll, sondern auch Städte und verbautes Gebiet begrünt werden sollen (Bundesrätin Schumann: Ja, dann mache ich dort einen Riesenpark!), das
finde ich durchaus positiv und auch sehr gut.

Gehen wir jetzt aber zur Waldfläche zurück: drei Milliarden Bäume. In Österreich hat die Waldfläche in den letzten zehn Jahren – und ich bin mir sicher,
das haben Sie nicht gewusst – täglich um 6 Hektar zugenommen. (Bundesrat Schreuder: Ja, ist eh super!) Gehen wir davon aus, dass dieser Zuwachs
an Wald bis 2030 so bleibt – da ist das Ziel nämlich definiert: plus drei Milliarden Bäume –, dann sind das umgerechnet 40 Millionen Bäume auf 13 000 Hek­tar Wald. Das ist der normale Zuwachs, den wir in Österreich haben – das nennt man Verwaldung –: plus 40 Millionen Bäume bis 2030, 13 000 Hektar Wald zusätzlich.

Österreich hat 2 Prozent der EU-Fläche, und 2 Prozent von drei Mil­liarden Bäumen bedeuten zusätzlich 60 Millionen gepflanzte Bäume in Öster­reich. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das würde jetzt eine 50-prozentige Steige­rung – ich weiß, ich habe zu schnell gerechnet – bei der Verwaldung in Öster­reich, die ohnehin schon passiert, bedeuten. (Anhaltende Heiterkeit der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Tiefnig: Rechnen ist nicht die Spezialität ...!) – Sie lachen jetzt darüber, Frau Kollegin Schumann, das finde ich eigentlich
sehr bedenklich (Bundesrätin Schumann: Ich habe nicht gelacht! Ich warte darauf, dass Sie ..., wo es steht im Gesetz! Wo steht es denn in dem Gesetz?), man
sieht nämlich wirklich, Sie setzen sich immer für die Interessen der Bäuerinnen und Bauern ein – und wir sehen einfach, dass unsere Produktionsgrund­fläche zunehmend schwindet. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Beim Golfplatz! – Bundesrätin Grimling: Und im Urwald!)


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Und warum? – Das ist auch ein Kritikpunkt, der Ihnen, Frau Gewessler,
vielleicht nicht ganz bewusst ist. – Wir leisten in Österreich bereits auf vielen Ebenen sehr viel für unsere Umwelt und für die Natur. Wir haben im
EU-Vergleich schon sehr strenge Forstgesetze. Das war jetzt ein Teil davon, was ich versucht habe, zu erklären: Es ist irrsinnig schwierig, in Österreich Bäu­me zu fällen, einen Wald in Grünland umzuwandeln ist schlicht­weg unmöglich.

Wir haben in Österreich im EU-Vergleich strenge Naturschutzgesetze,
aber auch höhere Produktionsstandards als im EU-Durchschnitt. (Bundesrätin Schumann: Am Golfplatz! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Daher
ist es notwendig, auch da – und ich glaube, dessen ist man sich auch nicht be­wusst – zu sehen, was wir im Status quo eines Mitgliedstaates in Umwelt­programmen als Landwirte leisten.

Ich habe es in meiner vorhergehenden Rede schon angesprochen:
Wir haben fast eine Verdoppelung der Biodiversitätsflächen. Das muss berück­sichtigt werden.

Abschließend: Für mich ist diese Renaturierungsverordnung nicht allein
ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch ein weiterer Schritt zu mehr Büro­kratie und vor allem zu Zentralismus.

Jetzt zu der Dringlichen Anfrage der FPÖ: Ja, uns als ÖVP ist es, und
das hat unser Herr Bundeskanzler Karl Nehammer auch klar gesagt, wichtig, dass wir in dieser Situation eben kein Chaos verursachen – kein freies Spiel der
Kräfte im Parlament. (Bundesrätin Schumann: Genau, aber ein Budget­defizit, an dem wir noch jahrelang knabbern werden!) Das hat, wie Sie wissen, in der Vergangenheit die Österreicherinnen und Österreicher oft mehr gekostet
als sinnvoll war. (Bundesrat Steiner: Die letzten drei Monate ...!) Wir sind für das Ar­beiten bis zum Wahltag und darüber hinaus. (Bundesrätin Schumann:
Wirtschaft unten, Budget hin! Bravo! Arbeitslosigkeit ...!)
Das ist die ÖVP-Hand­schrift (Bundesrat Steiner: Na, gratuliere zu der Handschrift! Zu der


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Handschrift kann man nur gratulieren!), und wir lassen es nicht zu, dass das Land im Chaos versinkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, wir wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, Sie haben
nur mehr den 29. September im Kopf (Bundesrätin Schumann: Aber Sie nicht? – Bundesrat Steiner: Dann hat das Leiden ein Ende!), wir haben das in allen
Reden hier gehört. Wir von der ÖVP haben aber bis zum 29. September noch mehr im Sinn (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann – Bundesrat Steiner:
Bitte nicht!),
und das wollen wir auch umsetzen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Eine Jahrhundertrede! – Bundesrat Steiner: Das ist eine Drohung!) – Okay, also ich habe jetzt nicht gewusst, dass Herr Kollege Steiner so zartbesaitet ist. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Sie können ja nicht
der ganzen Republik drohen!)

Wir haben den Eindruck, dass Sie ganz bewusst versuchen, die Stim­mung und auch das Miteinander hier zu vergiften. Sie scheuen nicht davor zurück, auch Verantwortungsträger zu diffamieren (Bundesrat Steiner: Das hast du in der Coronazeit gemacht!), das haben wir in der Rede gehört.

Wir in der ÖVP stehen für das Arbeiten, auf uns können sich die Menschen verlassen, und das sind wir ihnen auch schuldig. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wollen destabilisieren, Sie wollen polarisieren – wir wollen bis zum 29. Sep­tember verantwortungsvoll politisch handeln. (Bundesrat Steiner: Das ist
jetzt ...!)

Sie von der FPÖ wollen auch die Menschen verunsichern und ihnen Angst ma­chen – wir von der ÖVP wollen über den 29. September hinaus (Bundes­rat Steiner: Nein, bitte nicht!) in diesem Land für Leistung, für Sicherheit, vor allem für den Frieden, für die Familie, für die Menschen und für vieles mehr
arbeiten. (Bundesrat Steiner: Das ist ein ...!) Davon werden wir die Menschen über­zeugen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.10



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Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr das Wort.


21.10.50

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident!
(Bundesrat Steiner: Jetzt gibt es wieder Pitschi-Patschi!) Sehr geehrte Frau Bun­desministerin Edtstadler! Frau Bundesministerin Gewessler! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Kollegin Miesenberger, wenn man sich Ihre Ausfüh­rungen anhört, dann bekommt man es ja fast mit der Angst zu tun, dass
wir wirklich Gefahr laufen (Bundesrätin Miesenberger: Reden Sie einmal mit den Bauern!), demnächst bald einmal im Dschungel zu leben.

Ich finde es auch interessant, wie viel in den letzten Wochen über die Renaturierungsverordnung geschrieben und gesagt wurde und wie vieles da verdreht oder falsch verstanden wurde, so wie es auch Herr Kollege
Steiner bei seinen langatmigen ersten Ausführungen getan hat, als er von einem „Bauernvernichtungsgesetz“ gesprochen hat. Das Gegenteil ist der Fall,
Herr Kollege Steiner! (Bundesrat Spanring: Die Bauern werden mehr! – Bundesrat Steiner: Die Bauern werden mehr, bravo!)

Die Natur zu schützen sichert die Existenzgrundlage der Landwirtinnen
und Landwirte. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Genau.

Spannend finde ich auch, wie euch plötzlich solche Dinge wie Ernäh­rungssicherheit so wichtig sind (Bundesrat Spanring: Na, schau mich an! Mir ist das Essen schon wichtig! – Bundesrat Steiner: Mir ist es auch wichtig!), jene Ernährungssicherheit, die seit Langem – Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag – durch den hemmungslosen Bodenverbrauch aufs Spiel gesetzt wird.
Nein, Kolleginnen von der FPÖ Schartel und Doppler, daran sind nicht die Wind­räder schuld, es geht um die Ernährungssicherheit, die unter anderem
vom FPÖ-Landeshauptfraustellvertreter in Niederösterreich aufs Spiel gesetzt


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wird, wenn er zum Beispiel 20 Prozent mehr Budget für den Straßenbau vor­sieht. (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.)

Das ist das, was unsere Ernährungssicherheit gefährdet: wenn nämlich wertvol­ler Boden unbedacht zubetoniert wird. (Bundesrat Spanring: Stimmt!
Gehen wir alle zu Fuß, Frau Kollegin! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)

Das ist das, was sie gefährdet – genau.

Das sehen auch viele auch ÖVP-geführte Gemeinden so. (Bundesrat
Spanring: Fahren wir über den Feldweg!)
Ich möchte da gerne aus einem Blogbei­trag eines Bürgermeisters einer meiner Nachbargemeinden zitieren.
Er schreibt da nämlich unter anderem (Bundesrat Steiner: Na, zitieren ...!):

„Ich hätte nicht erkannt, warum die Wiederherstellung gestörter biodiverser Le­bensräume schädlich wäre. Für mich wäre schädlich, nichts zu tun oder
weiter zu tun, wie oftmals bislang. Ich hätte nicht erkannt, warum nicht versucht werden sollte, die zurückgegangene Insekten-, Schmetterlings- und Vögel­population wieder deutlich zu erhöhen. Ich hätte nicht erkannt, was
daran schlecht wäre, wenn Gemeinden angehalten sind, städtische Grünflächen zu vermehren.

Ich bilde mir ein, die entsprechenden Kapitel auch so verstanden zu haben,
dass die Ernährungssicherheit, die einige mit diesem Gesetz für gefährdet erach­ten, immer gegeben sein muss und dass, wenn dies nicht der Fall sein sollte,
die Renaturierungsverordnung ausgesetzt werden kann bzw. sogar“ soll. – Wie gesagt: ein ÖVP-Bürgermeister.

All das untermauert auch der unlängst veröffentlichte WWF-Bodenreport. Darin wird einmal mehr verdeutlicht, was die negativen Folgen des hohen Boden­verbrauchs sind. Er bedeutet nämlich eben Verlust der Artenvielfalt – und das ist das, was unsere Ernährungssicherheit gefährdet –, aber nicht nur das,
er befeuert die Klimakrise und deren Auswirkungen: Gesunder Boden dient als


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CO2-Senke, er speichert CO2 langfristig. Je mehr gesunder Boden ver­braucht wird, desto stärker werden wir alle die Folgen der Klimakrise wie Hitze­wellen, Trockenperioden oder Extremwetterereignisse spüren.

Exzessiver Bodenverbrauch gefährdet auch unsere Gesundheit. Nur
offener, gesunder Boden trägt zur Abkühlung bei, und ohne diesen entstehen
in Städten Hitzeinseln, die sogar tödliche Folgen haben können.

Bodenverbrauch ist ein ganz wichtiger Faktor in Bezug auf Katastrophen­schutz. Versiegelte Flächen nehmen kein Wasser mehr auf; bei den immer häufi­ger werdenden starken Regenfällen kommt es dadurch immer häufiger
und eher zu Hochwasser.

Unser EU-Abgeordneter Thomas Waitz hat am Beispiel der belgischen Stadt Löwen aufgezeigt, wie wichtig intakte Natur für den Katastrophenschutz
ist. Anfang der 1990er-Jahre wurde ein ehemals landwirtschaftlich genutztes Gebiet, Doode Bemde, renaturiert und der dortige Fluss Dijle wurde
quasi sich wieder selbst überlassen.

2021 war West- und Mitteleuropa, darunter waren auch große Gebiete Belgiens, von verheerenden Überschwemmungen betroffen – wir alle können uns
an die Bilder von zerstörten Häusern erinnern, von verzweifelten Menschen, die ihr Hab und Gut verloren haben und auch viel zu oft ihre Angehörigen
verloren haben. Die Stadt Löwen blieb dabei tatsächlich verschont. Das renatu­rierte Gebiet konnte als natürlicher Hochwasserschutz wirken: Die
immensen Niederschlagsmengen konnten sich in dem Gebiet natürlich verteilen.

Ich hoffe, dass es uns allen ein Anliegen ist, unseren Kindern und
Enkelkindern einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Dazu ist die Renatu­rierungsverordnung ein wesentlicher und absolut notwendiger Baustein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.16


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.


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Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.


21.17.01

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender!
Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Bei manchen Redebeiträgen habe ich schon den Eindruck, dass der eine
oder andere ziemlich neben seinen Schuhen steht, aber darauf will ich jetzt gar nicht näher eingehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich hier herausstellt und behauptet, dass mit diesem Renaturie­rungsgesetz die Ernährungssicherheit verbessert wird, dann muss
man den Satz aber auch zu Ende sprechen. Wir reden nämlich nicht mehr von einer österreichischen Ernährungssouveränität, wir reden von einer
europäischen Ernährungssouveränität, so wie Sie das meinen. Ich glaube aber, die Produkte, die außerhalb Österreichs produziert werden, sind bei Weitem
nicht so hochwertig wie jene bei uns in Österreich – Gentechnik und so weiter. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wissen das aber! Sie wissen das, und dann stellen Sie sich hier heraus
und wollen die Österreicher für dumm verkaufen. – Aber da komme ich mit mei­nen 20 Minuten Redezeit ja gar nicht aus.

Frau Bundesminister, Frau Bundesminister Gewessler, Sie haben sich hier­hergestellt und haben ganz viel über Rechtsexperten schwadroniert. Ich sage Ih­nen eines: Diese rechtliche Seite ist jetzt einmal zweitrangig für mich,
aber was ich viel, viel schlimmer finde, ist Folgendes: Ich meine, dass es Sie nicht interessiert, was ich hier jetzt erzähle, ist mir noch mehr oder weniger
wurscht, aber dass es Sie nicht interessiert, was unsere Österreicher wollen, das finde ich schlimm. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass es Sie nicht interessiert, was unsere Bundesländer wollen, das
finde ich erschreckend. Dass es Sie nicht interessiert, was unsere Bauern wollen,


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das ist eine Niederlage für ein Regierungsmitglied und auch eine Nieder­lage für Österreich. Sie sind da, um Österreich zu vertreten, um unsere Österrei­cher zu vertreten und nicht Ihre eigene Klimahysterie voranzutreiben. Es interessiert Sie in Wahrheit auch nicht, dass Sie mit der Zustimmung zu diesem Renaturierungsgesetz unsere kleinbäuerliche Landwirtschaft schlicht und ergreifend vernichten. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben mit der Zustimmung zu diesem Renaturierungsgesetz wieder eine Ent­eignung in Österreich möglich gemacht. Das erinnert mich an dunkle Zeiten,
und das wollen wir nicht haben, Frau Bundesminister.

Aber da zeigen Sie Ihr wahres Gesicht, nämlich wen Sie vertreten: Sie
vertreten sich selbst und sonst niemanden. Na ja, niemanden möchte ich nicht sagen, vielleicht noch irgendwelche Klimaterroristen, die unsere fleißigen Österreicher jeden Tag terrorisieren oder Einsatzfahrzeuge behindern, weil sie auf der Straße herumpicken. Vielleicht vertreten Sie die noch, aber einen vertreten Sie nicht, nämlich unsere Österreicher, unsere normalen Österreicher und unsere Bauern. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber es ist ja Gott sei Dank bald so weit: Am 29. September wird das
grüne Schmierentheater endlich ein Ende finden.

Ich bin aber auch nicht hier herausgekommen, um die ÖVP zu loben oder in Schutz zu nehmen, denn eines muss man auch sagen: Die ÖVP macht
genau dieser Klimahysterikerin auch noch die Mauer. Auf das werde ich noch genauer eingehen, nämlich auf die Unehrlichkeit dieser ÖVP.

Draußen stellt ihr euch hin und erklärt, was der Koalitionspartner nicht alles angerichtet hätte und welche rechtlichen Schritte ihr nicht alle einleiten
werdet. Wenn das alles ehrlich gemeint wäre, dann wäre eine Person heute ganz sicher nicht mehr in diesem Saal: Frau Bundesminister Gewessler. Dann
hätten Sie alles gegen sie unternommen, dann wäre der Bundeskanzler definitiv zum Bundespräsidenten gegangen und hätte die Frau Bundesminister


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nach dieser ideologiegetriebenen Geisterfahrt zur Entlassung vorgeschlagen, aber all das ist nicht passiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau diesen Kniefall vor dieser Klimahysterie kann ich euch auch anhand eines konkreten Beispiels beschreiben: Gestern im EU-Ausschuss des Bundesrates
hat die ÖVP einen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt, den sie dann
selbst wieder vertagt hat. Sie haben selbst einen Vertagungsantrag gestellt, nur damit Sie unseren Antrag nicht ablehnen oder ihm zustimmen müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist erbärmlich, das ist eine Miss­achtung des Parlaments, wie ich sie davor noch nicht gesehen habe.

Deswegen spreche ich auch davon, was ihr den Österreichern draußen vor­gaukelt und was ihr in Wirklichkeit im Parlament macht.

Frau Bundesminister, nicht das Erzählte reicht, das Erreichte zählt,
und davon haben wir gestern wieder genug gesehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jedes Mal, wenn die ÖVP Farbe bekennen müsste, zieht sie sich wieder feig aus der Verantwortung und fällt vor allem den Bauern, wo sie doch immer
vorgibt, die Bauern zu vertreten, sprichwörtlich in den Rücken. Bevor es zu einer Abstimmung hat kommen können, ist Kollegin Neurauter aufgestanden –
nein, sie ist nicht aufgestanden, sie ist eh sitzen geblieben – und hat einen An­trag auf Vertagung für den eigenen Tagesordnungspunkt gestellt. Also
so etwas hat ja wirklich noch kein Mensch in diesem Haus gesehen. Das ist un­glaublich. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Du vielleicht nicht,
aber andere schon!)

Aber ja, alles für den Postenschacher, wir haben es ja heute in der Begründung schon gehört. Der EU-Kommissar sollte ja auch noch entsandt werden
und vielleicht braucht man diesen Koalitionspartner noch. Da ist die Klimahyste­rie dann völlig wurscht. Da ist es auch wurscht, wenn wir die Bauern
verraten. Da macht man dann wieder diesen Kniefall.


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Bei dem, was wir gestern in diesem EU-Ausschuss erlebt haben, war ja niemand von den Leuten draußen dabei, und deswegen sage ich: Neue Chance,
neues Glück, wir bringen den Antrag als Entschließungsantrag heute noch einmal ein, den könnt ihr nicht vertagen – und dann schauen wir uns einmal an,
wie ihr heute hier herinnen abstimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte ein bisschen näher auf den Antrag eingehen und euch in Erinnerung rufen, was in der Vergangenheit passiert ist: Frau Bundesminister Edtstad­ler hat von einem „Verfassungs- und Gesetzesbruch“ gesprochen. Bundeskanzler Nehammer hat von einem „Rechtsbruch“ gesprochen, und der Landwirt­schaftsminister, der sich im Bereich der Landwirtschaft auskennen sollte, hat selbst erkannt, dass dieses EU-Renaturierungsgesetz der Landwirtschaft schadet.

20 Prozent der Landflächen in der EU sollen renaturiert werden, Acker­flächen dürfen nicht mehr bewirtschaftet werden, die Produktion von Lebens­mitteln wird gefährdet. Wir haben inzwischen ein Bauernsterben, ich
glaube, da wird mir der Bauernbund auch recht geben: Drei land- und forstwirt­schaftliche Betriebe sperren pro Tag für immer ihre Türen zu. Jetzt
dürfen sie 20 Prozent nicht mehr bewirtschaften. Glaubt ihr, dass es dadurch besser wird? Glaubt ihr, dass das besser wird, wenn wir unsere Bauern enteignen, wenn man Flächen rückwidmet? Glaubt ihr, dass es das besser macht, wenn allein die Verwaltungskosten in der EU für diesen Schwachsinn 14 Milliarden Euro betragen und die Umsetzung der Renaturierungsmaßnahmen rund 154 Milliarden Euro kosten wird?

Genau deswegen probieren wir es heute noch einmal und darf ich folgen­den Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücknahme des EU-Renaturierungsgesetzes“

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene
für die Sicherstellung der heimischen Ernährungssouveränität und somit für eine Rückabwicklung des EU-Renaturierungsgesetzes einzusetzen.“

*****

Heute habt ihr noch einmal die Chance, probieren wir es.

Wir haben ja in der Vergangenheit gesehen, was diese ÖVP draußen er­zählt und wie sie im Endeffekt wirklich tickt. Euch ist diese österreichische Er­nährungssouveränität völlig egal. Es geht um die EU-Ernährungssouverä­nität, und bei einer Lebensmittelknappheit werden wir von diesem Gesetz nicht mehr wegkommen. Dann haben wir das Glumpert aus dem Ausland da,
keine gentechnikfreien Nahrungsmittel mehr, wie wir es gewohnt sind. Unsere heimischen, österreichischen Produkte wird es dann nicht mehr geben –
nicht in dieser Menge, wie wir sie heute haben. Das könnt ihr euch auf eure Kappe heften, dafür seid schlicht und ergreifend ihr verantwortlich.
(Beifall bei der FPÖ.)

Auch wenn sich viele von der ÖVP heute hier herausstellen und versprechen, dass die Umsetzung zugunsten der Land- und Forstwirtschaft ausfallen
wird: Ich glaube, jeder hat sich in den letzten Wochen ein Bild von der Durchset­zungskraft dieser ÖVP machen können. Das war erbärmlich. Es geht um Machterhalt, es geht um Postenschacher, aber es geht nicht mehr um unsere Österreicher.

Eines kann ich euch noch sagen, und damit komme ich schon zum
Schluss: Wir haben genug von diesem schwarz-grünen Schmierentheater. Die Österreicher haben genug von diesem schwarz-grünen Schmieren­theater. Genug ist genug! (Beifall bei der FPÖ.)

21.27



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Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Rücknahme des EU-Renaturierungsgesetzes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile ihm das Wort.


21.27.43

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Ministe­rinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren, die Sie heute noch zuschauen! Für die ORF-Gebühren: Wenn es nicht so traurig
wäre, wäre es ein interessantes Theater, was sich hier zurzeit abspielt. (Bundesrat Schennach: Was kann der ORF dafür?)

Leider müssen wir heute in der Debatte um diese Renaturierungsverord­nung feststellen: Es muss alles so bleiben, wie es immer war. Ich glaube, es kann nicht alles so bleiben, wie es immer war. Österreich hatte 7,3 Millionen Einwohner im Jahr 1970 und hat jetzt zehn Millionen Menschen. Diese Men­schen wollen ernährt werden, diese Menschen brauchen Wohnraum.
In diesem Renaturierungsgesetz geht es nicht allein um die Landwirtschaft, es geht um Wohnraumschaffung, um Betriebsbaugebiete. Vieles wird sich
da entsprechend verteuern und mit verschiedenen Maßnahmen auch unmöglich gemacht werden.

Ich glaube, eine Maßnahme ist wichtig für die Zukunft, nämlich dass
zumindest bei Handelsketten der Flächenfraß endlich ein Ende nimmt. Das wird auch eine Aufgabe der Länder sein und sich auch in der Raumordnung entsprechend wiederfinden müssen. In Oberösterreich haben wir diesbezüglich schon Maßnahmen mit unserem Koalitionspartner getroffen.

Wasserschutz, Wasserkraftwerke – wir wollen in Zukunft mehr erneuer­bare Energie gewinnen. Wie wir gestern im EU-Ausschuss gehört haben, wird halt dann vielleicht die neue Atomenergie kommen. Ich sehe schon so


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manches auf uns zukommen, wenn ich die deutschen Grünen höre. Herr Auf­reiter hat ja in der Cosac-Sitzung in Prag gesagt (Bundesrat Schennach:
Hofreiter! Panzer-Toni!):
Um die Lebensmittelversorgung braucht sich Europa keine Sorgen zu machen, das wird in Zukunft die Ukraine übernehmen.
Vielleicht brauchen wir uns auch um die Energieversorgung keine Sorgen zu machen, weil wir das dann mit Atomstrom machen. Es ist also schon interessant, was hier eigentlich alles auf dem Tisch ist.

Ich bin kein Jurist, aber unsere Verfassungsministerin ist Juristin und
die wird sich wahrscheinlich in dem Gesetzesbereich schon besser auskennen als so manche, die hier die Verfassungsministerin kritisieren und sagen, sie
macht Falschaussagen.

Ich bin überzeugt, liebe Frau Minister, Sie sind auf dem richtigen Weg, und wir vertrauen auf Ihre Aussagen. Danke schön! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Landwirtschaft in Österreich: 80 Prozent der Bäuerinnen und Bau­ern machen bei dem Umweltprogramm mit. Dieses Umweltprogramm wurde schon verschärft, weil europäische Maßnahmen getroffen worden sind,
die sich im österreichischen Umweltprogramm nicht mehr widerspiegeln. Somit ist es nicht mehr möglich, dass die Bauern finanzielle Mittel abschöpfen
können. Jetzt ist das Renaturierungsgesetz noch freiwillig. Ich bin
schon seit 2003 dabei und ich bin seit dem EU-Beitritt Landwirt und ich habe gesehen: Was freiwillig war, ist irgendwann verpflichtend geworden.
(Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Natura 2000, ein Thema, das wir alle erlebt haben: ein Weißbuch im Bezirk Braunau, das dann Gott sei Dank noch einmal vom Obmann kontrolliert worden ist. Wir haben zwei verschiedene Unterlagen gehabt – die Bezirksbauern­kammer und die Betroffenen (Zwischenruf bei der SPÖ); und da sieht man, wie man mit Naturschutz, wie man mit den Menschen in Wirklichkeit
umgegangen ist, um Naturschutz voranzutreiben. Wer macht denn Naturschutz, warum haben wir so eine Natur? (Bundesrat Schennach: ... Natura 2000 ...!) –


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Weil eine flächendeckende Bewirtschaftung stattfindet. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Seid ihr schon Koalition
jetzt, oder wie? Die klatschen da miteinander! – Bundesrat Leinfellner: Ja, aber der redet gar nicht so einen Blödsinn wie du!)

Der Lawinenschutz: ein Beispiel, schauen Sie nach Griechenland! Ich
bin 1987 das erste Mal in Griechenland gelandet. Damals waren die Schafe noch am Flugplatz, da konnten wir wegen der Schafe nicht landen. Heute gibt
es kaum noch Schafe in Griechenland, aber es gibt Verbuschung, Verwaldung. Und warum gibt es die Verwaldung? – Weil die Tiere nicht mehr vor Ort
sind. Und die Verwaldung führt dazu: Wenn jemand eine Zigarette wegwirft, haben wir Riesenwaldbrände in diesen Gebieten, und diese wollen wir
nicht haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein weiterer Punkt: Wir sehen in den Gebirgsgebieten Osttirols, Kärntens: Der Borkenkäfer hat uns massiv eingeholt. Was aber jetzt noch kommt, sind
die Neophyten, und die Neophyten sind die Nächsten, die dann verhindern, dass Aufforstung möglich ist. Ich lade alle, die auf den Straßen kleben, ein, dass
sie bei der Aufforstung dabei sind, um den Naturschutz voranzutreiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Wir wissen, wie Landwirtschaft funktionieren sollte. Wir von der Orts­bauernschaft in unserer Gemeinde machen immer eine Aktion: Saatgut für Blühflächen. Wo nicht mitgemacht wird, ist in den Hausgärten. Dort
fährt der Rasenroboter, dort sitzt man dann mit dem Glasl Wein, dort darf keine Biene mehr fliegen, denn die Biene könnte uns ja stechen und stört uns
in unserer Freizeit. (Bundesrat Steiner: Ja, und Steine!) Aber der Swimmingpool muss Anfang Mai gefüllt sein. Das sind die Themen (Bundesrat Steiner:
Überall Steine!),
und die Landwirtschaft in Österreich wird von allen so geliebt.

Es sind viele Punkte, die mich da stören, und besonders die SPÖ.
Im EU-Ausschuss haben wir diesen Antrag leider nicht umsetzen können, den wir ja von der SPÖ und von den Freiheitlichen gehabt haben, bezüglich


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Bindung der Ministerin, weil es nicht gewünscht gewesen ist. Die SPÖ hat diesen Antrag mit eingebracht, und heute applaudieren Sie der Ministerin auf
einmal, dass das alles so toll ist. Und vorhin wurde die ÖVP kritisiert, weil wir bei Ihrem Antrag, gegen das Renaturierungsgesetz zu stimmen, nicht mitmachen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Reisinger.)

Die Entwaldungsverordnung ist der nächste Punkt auf europäischer Ebene, und dann kommt das EU-Bodengesetz. Ich habe mich letztes Jahr noch ge­freut, als Sie uns den Preis überreicht haben: das beste Projekt von Leader be­züglich gesunder Böden. Aber die EU sagt, der Großteil der Böden ist
schlecht. Wenn ich in meine Bezirke schaue – in einigen Gemeinden gibt es zwölf verschiedene Bodenarten –, dann kann ich nicht sagen, der Boden
ist schlecht, sondern es sind verschiedene Bodenarten; und diese Bodenarten müssen auch entsprechend unterschiedlich bewirtschaftet werden,
und das, glaube ich, hat einzig und allein die Landwirtschaft sichergestellt.

Das größte Problem, das ich sehe: Wir sind zurzeit in Österreich mit
der Lebensmittelversorgung nicht mehr hundertprozentig in der Eigenversor­gung. Schauen wir es uns an: In der Fleisch- und Milchproduktion haben
wir eine Überproduktion, aber in der Produktion von Gemüse und Obst haben wir eine Unterversorgung von 300 000 Tonnen. In der Fleischproduktion
haben wir eine Überversorgung von 100 000 Tonnen, also ist das jetzt schon eine Differenz von 200 000 Tonnen Unterversorgung an Lebensmitteln,
die wir deshalb nach Österreich importieren müssen. Wir haben bei den Lebens­mitteln nur deshalb eine positive Handelsbilanz, weil unsere verarbeiten­den Betriebe Produkte mit sehr hoher Wertschöpfung erzeugen und diese im Export entsprechende Preise erzielen, aber die Lebensmittelversorgung
wäre jetzt schon nicht mehr gesichert, wenn wir nicht Importe mancher Produk­te hätten. Das ist das Faktum, das wir haben.

Ja, wir haben ein Chaos, das jetzt gelöst werden sollte, gelöst werden
wird. Ich bin überzeugt, unser Bundeskanzler und auch unser Landwirtschaftsmi­nister sowie unsere Verfassungsministerin werden sich bezüglich dieser


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langwierigen Situation, was sich im rechtlichen Bereich ja immer widerspiegelt, bemühen. Das haben wir auch bei den Untersuchungsausschüssen
gesehen. Wir haben im Untersuchungsausschuss Verurteilungen gehabt, in der Rechtsprechung gab es dann Freisprüche.

Wir können aus dieser Regierung aber jetzt nicht austreten – Kollege
Matthias Zauner hat es schon gesagt –: Es gibt viele Gesetze, die uns noch be­schäftigen. Wenn ich da allein an den Bereich der Landwirtschaft denke:
etwa das Thema Vollspaltenverbot im Schweinebereich. Ich glaube, wir werden keine Mehrheit zusammenbringen, weder mit der FPÖ, denn die war 2006
schon gegen eine entsprechende Regelung betreffend Vollspalten­böden im Schweinebereich, noch mit der SPÖ noch mit den Grünen. Ich bin neugierig, was da im Endeffekt herauskommt. Wir haben viele Gesetze,
die die Gemeinden betreffen, wir haben ein Pflegepaket, wir haben noch ein Behindertengesetz auf Schiene, und es sind viele Punkte, die es wert
sind, in der Koalition zu bleiben und sie nicht aufzukündigen. Das ist unsere Aufgabe als verantwortungsbewusste Politiker der ÖVP.

In diesem Sinne danke ich unserem Bundeskanzler für die Verantwortung, die er für unser Land übernimmt, und ich wünsche mir, dass er auch nach dem 26. September unser Bundeskanzler bleibt. – Danke schön. (Rufe: 29.!) – Ah, 29. September: dass er nach dem 29. September unser Bundeskanzler
bleibt! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Allgemeine Heiterkeit.)

21.36


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es gibt eine weitere Wortmeldung, von Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm das Wort.



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21.36.35

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Die Frauen Ministerinnen! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat, sehr geehrte Damen und Herren Zuschauer! Ja, wir haben jetzt schon
viel über das EU-Renaturierungsgesetz gehört, und ich möchte ein paar Punkte noch einmal nach vorne bringen, weil es wichtig ist, dass man versteht,
warum es uns und vor allem die Österreicher besonders aufregt, dass das alles so gelaufen ist, wie es gelaufen ist.

Da geht es in erster Linie einmal darum, dass dieses Gesetz in Wahrheit
in der Europäischen Union schon vom Tisch war. Und warum war es vom Tisch? Weil es so gut war? – Nein; weil es dermaßen viel Widerstand gegeben
hat, dass Gott sei Dank viele Länder intelligent genug waren und gesagt haben, dass sie dieses Gesetz, das wirklich bauernfeindlich, im Endeffekt aber
auch wirtschaftsfeindlich ist, nicht unterstützen können. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Fall war Österreich dann tatsächlich das Zünglein an der
Waage, das den Ausschlag geben konnte, dass es dann eben nicht kommt oder schon kommt. Und die Verständigung im österreichischen Parlament war
schon so, dass wir dem Ganzen Gott sei Dank nicht zustimmen.

Dann kam Frau Gewessler, hat das, ja, rotzfrech angekündigt und dann auch um­gesetzt und hat uns jetzt nachhaltig in eine Krise gestürzt, denn die Aus­wirkungen werden wir alle erst in den nächsten Jahren erfahren, nicht nur, was die Ernährungssicherheit, sondern auch, was die finanziellen Auswirkun­gen angeht.

Stellen Sie sich einmal eines vor: Sie haben einen Garten, haben in dem Garten fünf Hochbeete und haben in den Hochbeeten diverse Pflanzen angesetzt,
die Sie zu Hause halt mögen. Und dann kommt irgendjemand und sagt: Eines von den fünf Hochbeeten machst du jetzt zu, denn das gehört ab jetzt nicht
mehr dir – obwohl du es gezahlt hast, obwohl du es aufgebaut hast, obwohl du


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es bepflanzt hast. – Genau das passiert. Das ist eine kalte Enteignung, und
die Grünen stehen dazu, zu diesen 20 Prozent! (Beifall bei der FPÖ.)

Was mich dabei aber auch ärgert, ist diese Unehrlichkeit der ÖVP, denn eines muss ich schon sagen: Wenn wir uns den Gesetzwerdungsprozess der
letzten Jahre anschauen, kann ich eines mit Sicherheit sagen: Wenn wir in Ös­terreich jetzt nicht Nationalratswahlen hätten, dann hätte die ÖVP das
lange mitgetragen. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Das hat man in Brüssel gesehen, und ich sage Ihnen, warum: weil Herr Karas einer
derjenigen war, der das immer mit unterstützt hat. Und von wem war denn die Renaturierung im Green Deal ein Herzensprojekt und ist es noch immer? –
Von Ursula von der Leyen, über die Herr Kanzler Nehammer vor Kurzem noch gesagt hat: Die unterstützen wir, das ist eine gute Frau! (Bundesrätin Miesenberger: ... Vizepräsidentin ...!) – Also tut nicht so, als ob ihr in Wahrheit nicht eh auch dafür gewesen wärt! (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, aber so ist es. Das ist die ÖVP (Ruf bei der ÖVP: Nein!): Hier herin­nen irgendetwas erzählen, und als Abgeordneter dann hinausfahren und in der Gemeinde erzählen, wie furchtbar das alles ist – in Wahrheit aber hier mitgestimmt haben. Das ist typisch ÖVP. (Bundesrat Steiner: Verlogen, verlogen, verlogen!)

Wenn ich heute gehört habe – und ich habe das mehrmals gehört,
von Frau Minister Edtstadler, aber auch von ÖVP-Bundesräten –, dass Herr Nehammer und die ÖVP die Kraft der Mitte sind, dann glaube ich das.
Ich glaube es, dass sie die Kraft der Mitte sind, weil sie nämlich so sind: Sie sind opportunistisch – einmal links, einmal rechts, einmal links, einmal rechts,
wie es mir gerade passt; so macht sie es halt. Das ist ÖVP: für nichts stehen, au­ßer für Machterhalt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich dann heute höre, dass man die Koalition deshalb nicht auf­kündigen kann, weil ja seit dem Jahr 2008 das Spiel der freien Kräfte die öster­reichischen Steuerzahler 30 Milliarden Euro gekostet hat, möchte ich


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nur auf eines hinweisen: 2019 betrug der Schuldenstand von Österreich 280 Milliarden Euro, viereinhalb Jahre später – unter der Ankündigung des grü­nen Vizekanzlers: Sie werden Österreich nicht wiedererkennen! – haben
wir 383 Milliarden Euro Schulden. Und Sie reden von 30 Milliarden Euro, die das ab 2008 gekostet hat!

Noch etwas dazu: Wer war denn ab 2008 immer dabei? – Die ÖVP. (Beifall
bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Die ÖVP stellt sich wie gesagt hierher und sagt, sie könne das nicht machen, weil sie das Land ins Chaos stürzen würde. Die Wahrheit ist: Sie können die Regierung deshalb nicht aufkündigen, weil sie noch nicht alle Posten fertigge­schachert haben, sowohl die Schwarzen als auch die Grünen. – Das
ist die einzige Wahrheit. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Und wenn wir davon reden, wie viel uns die Finanzierung des Renaturie­rungsgesetzes noch kosten wird, dann, muss ich sagen, bin ich schon gespannt, wie hoch die Strafen sein werden, die wir zahlen müssen, wenn wir das
eine oder andere nicht umsetzen.

Kommen wir zum angeblich kleineren Partner in der Koalition, der aber komischerweise immer den großen schwarzen Stier am Nasenring durch die Arena führt, nämlich zu den Grünen: Frau Gewessler sitzt heute hier,
bei jeder zweiten Wortmeldung, die gegen sie gerichtet ist, lacht sie verschmitzt, weil sie weiß, es ist ihr eh wurscht. Vorhin hat sie sogar Frau Gewe- -,
Frau Edtstadler einmal ausgelacht – jetzt habe ich auch schon das Problem mit dem Verwechseln, aber es liegt nur am Namen.

Man kann aber eines sagen: In der Anfragebeantwortung von Frau
Gewessler hat diese eines klipp und klar gesagt: Sie hat das mit voller Absicht gemacht, das war rein vorsätzlich und das war von langer Hand geplant.
Das war nicht von Sonntag auf Montag, sondern sie hat hinterrücks Leute ange­stellt – wahrscheinlich hat sie eh lange suchen müssen, bis sie einen


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Juristen gefunden hat, der ihr das so begutachtet hat, dass das herausgekommen ist, was sie wollte. Das hat sie gemacht, und zwar am Koalitionspartner, der großen, starken ÖVP, vorbei. – Es kann sich jeder selbst ein Bild daraus machen.

Noch eines ist ganz klar: Diese Frau Gewessler – das hat sich heute auch
ganz klar gezeigt – pfeift auf den Föderalismus. Der Umweltschutz ist nach wie vor Ländersache, und das ist aus vielen, vielen Gründen gut so. Jedes
einzelne Land weiß besser, wie es mit seiner Umwelt und seiner Natur umgehen muss.

Und dann gibt es hier ÖVP-Bundesräte – Entschuldigung, weil Sie von
der ÖVP mich so böse anschauen (Bundesrat Tiefnig – erheitert –: Tatsächliche Berichtigung!): grüne Bundesräte habe ich gemeint –, grüne Bundesräte,
die sich hierherstellen und das hier allen Ernstes verteidigen und sagen: Ja, sie hat recht gehabt! – Ihr seid in der Länderkammer, liebe Grüne, schämt
euch! Schämt euch, kann man da nur sagen, es ist wirklich zum Schämen. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Kovacs hat heute einmal gesagt – er hat es anders gemeint,
aber im Grunde genommen hat er es schon richtig gesagt –, dass es gut wäre, wenn die Grünen aus dem Bundesrat verschwinden würden; aber nicht
nur aus dem Bundesrat, sondern in erster Linie einmal aus der Regierung. Denn: Ihr seid nicht nur Verfassungsbrecher, ihr seid nachhaltig ein Schaden
für die ganze Republik, furchtbar! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.) – Liebe Kollegen, klatscht nicht immer so lange, es ist schon spät. (Bundes­rätin Miesenberger: Bist leicht schon müde?)

Eines war ja sehr enttarnend: Eine Ministerin dieser Regierung geht her und sagt hier allen Ernstes zu Frau Minister Edtstadler, dass der Verfassungsdienst
nicht unabhängig sei. Was bedeutet das? Denken wir einmal kurz darüber nach: Der Verfassungsdienst ist nicht unabhängig. – Das sagt nicht irgendje­mand, das behauptet nicht irgendein Journalist, das behauptet nicht irgendein


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Bundesrat, sondern Frau Minister Gewessler behauptet, dass der Verfas­sungsdienst nicht unabhängig ist. Und was ist, wenn er nicht unabhängig ist? – Er ist weisungsgebunden.

Denken wir einmal alle darüber nach, was das bedeutet! Ist es so? Wenn
ja, dann haben wir alle ein veritables Problem in dieser Republik.
Ich weiß es nicht, aber es ist euer Regierungspartner. Aber was bedeutet das? Frau Minister Edtstadler, vielleicht können Sie uns helfen. Ist es so,
ist der Verfassungsdienst wirklich nicht unabhängig? (Bundesministerin Edt­stadler: Er ist unabhängig!) – Er ist unabhängig, gut. Wenn Sie das
sagen, warum sagt dann Frau Gewessler, dass es nicht so ist? – Also nicht böse sein, meine Damen und Herren, das ist eine veritable Regierungskrise.
Wir brauchen uns nicht zu wundern, warum alle auf Österreich schauen und mit dem Zeigefinger auf uns zeigen und uns auslachen. Das ist eure schwarz-grüne Politik. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin davon überzeugt, dass das, was Frau Minister Gewessler gemacht hat, natürlich ein lupenreiner Verfassungsbruch ist. Und wie rechtfertigt
sie das? – Sie sagt, die ÖVPler haben das auch schon gemacht. – Ich weiß jetzt nicht, welche ÖVPler. Vielleicht war es so, ich kenne jetzt keine Beispiele. Vielleicht wollen Sie (in Richtung Bundesministerin Gewessler) sich noch einmal zu Wort melden – Sie haben noch die Möglichkeit – und uns erklären, welche ÖVPler auch schon die Verfassung gebrochen haben. Ich glaube sofort, dass es so war, aber dann bringen Sie auch Beispiele!

Fakt ist: Diese Regierung ist schon lange am Ende, und sie halten nur
noch zusammen, weil sie sich halt gegenseitig noch ein paar Posten zuschanzen müssen, weil sie Angst haben, dass es nach dieser Legislaturperiode für
immer vorbei sein kann. Bei den Grünen wird es wirklich so sein, und darauf freue ich persönlich mich ehrlich gesagt sehr.

Etwas, was da auch immer angesprochen wird: Es wird immer vom
Klimaschutz gesprochen, und Klimaschutz wird dann mit Umweltschutz


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gleichgesetzt. Nein, meine Damen und Herren, Klimaschutz und Umweltschutz sind zwei Paar Schuhe. Klimaschutz ist ein Schwachsinn, womit man
einfach nur viel Geld verdient, womit sich Leute bereichern und andere pflan­zen – um das böse Wort verarschen nicht zu sagen (Bundesrätin Huber:
So ein Blödsinn!)
 –, und Naturschutz ist etwas, das uns allen, die wir hier sind, ein Anliegen ist. Vergessen Sie den Klimaschutz, in zehn Jahren werden alle
darüber lachen, werden sagen: Wie blöd waren wir damals, da haben sich einige an uns allen bereichert und sich eine goldene Nase verdient! (Beifall bei
der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Es ist die Uhrzeit!)

Am Ende meiner Rede kann ich die ÖVP aber trotzdem nicht ganz wieder aus der Verantwortung nehmen, weil ich da noch etwas gefunden habe.
Ich war vorige Woche wieder einmal im Gemeinderat unterwegs – das muss man ja auch sein –, und wir kriegen ein tolles Hefterl, das „Kommunal“ heißt.
Das ist die Bürgermeisterzeitung, das kriegen alle geschäftsführenden Gemein­deräte und Bürgermeister und Stadträte. Ich blättere es durch, und auf
der letzten Seite sehe ich ein Inserat und denke mir: Aha, Frau
Minister Gewessler inseriert da: „Mehr Natur für unsere Gewässer“, „Gut für uns alle!“, „Holen Sie sich bis zu 98 % Förderung für Ihr Renaturierungsprojekt!“.

Dann schaue ich oben: „Bundesministerium für Land- und Forstwirt­schaft, Regionen und Wasserwirtschaft“. – Moment, das ist ja die ÖVP! Na was jetzt, seid ihr jetzt doch für die Renaturierung? Ist euch da etwas reinge­rutscht? Das ist nämlich ganz aktuell, das ist die letzte Ausgabe der Zeitung. Ich habe auf kommunalnet.at nachgeschaut, habe mir gedacht, ich schaue
noch einmal nach, ob ich das da finde, und komischerweise ist das Ganze auf kommunalnet.at noch schön ausformuliert, aber das Wort Renaturie­rung ist aus all dem herausgenommen.

Also, liebe ÖVP (Bundesrat Gfrerer: Wir betreiben lange schon Naturschutz!
Wir betreiben 20 Jahre schon Naturschutz! Wir machen das ohne EU!),
das Problem ist: Euch kann man nicht trauen. Ihr seid die Partei der Mitte, denn ihr
stellt euch einmal nach links, einmal nach rechts, so wie ihr gerade die meisten


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Stimmen bekommt. Das hat nichts mit Idealismus oder sonst irgendetwas
zu tun, sondern ihr wollt einfach nur um jeden Preis an der Macht bleiben. Das ist schlecht für Österreich. Und weil wir es heute schon einmal gehört
haben: Am 29. September werdet ihr die Rechnung dafür kriegen.

Jetzt muss ich noch etwas Kurzes zum Abschluss erzählen: Ich war vor zwei oder drei Tagen unterwegs, habe einen Deutschen beim Radfahren getroffen,
und der sagt zu mir: Braucht ihr in Österreich einen unfähigen Kanzler? – Ich ha­be gesagt: Ne, hamma! (Beifall bei der FPÖ.)

21.49


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen vor.

Zu Wort gemeldet ist Kollege Michael Bernard. Ich erteile ihm das Wort.


21.49.58

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter
Herr Präsident! Frau Minister! Ganz kurz zusammenfassend zum Thema Reduktion der landwirtschaftlich genutzten Flächen um 20 Prozent: Aktuell werden 2,72 Millionen Hektar landwirtschaftliche Flächen bewirt­schaftet, künftig werden es 2,17 Millionen Hektar sein. Somit verringert sich die produzierte Lebensmittelmenge um 2,72 Millionen Tonnen. Das entspricht
der Menge des Gesamtjahresbedarfs von 2,72 Millionen Menschen. 8,9 Millionen Menschen leben derzeit in Österreich. Das heißt, ohne SPÖ-Excel-Programm, dass 30,56 Prozent der österreichischen Bevölkerung nach
diesem Gesetz nichts mehr zu essen haben.

Zum Abschluss noch zu einem zweiten Punkt, zum Thema Corona (Bundesrat Schennach: Das hat nichts mit dem Renaturierungsgesetz zu tun!): Die
globalen NOx-Emissionen sanken um 15 Prozent. Dieser Rückgang führte zu einer Verringerung des bodennahen Ozons um 2 Prozent. Gleichzeitig
haben die Chemiekonzerne Milliardengewinne erzielt. Nun meine abschließende


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Frage: Wurde die österreichische Bevölkerung aus Ideologiegründen einge­sperrt? – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.51


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile das Wort. (Rufe bei der SPÖ: Na, bitte! Jetzt war eh schon der ganze Bauernbund draußen! Kommt jetzt der Wolf? – Bundesrat Steiner: Der nächste Bau­ernbündler! Jawohl!)


21.51.47

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Werte
Frau Bundesminister! Liebe Frau Gewessler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrätin Doppler: „Liebe Frau Gewessler!“) Es ist ein bissl ein harter
Kautabak, den wir heute auf den Tisch kriegen. Ich möchte aber eingangs sagen: Ich bewirtschafte mit meiner Familie seit 1992 einen Bergbauernbetrieb
im Großarltal. Ich habe vor zwei Jahren den Betrieb übergeben. Wir sind seit 40 Jahren ein Biobetrieb, wir bewirtschaften biologisch. (Bundesrat
Schennach: Sehr gut!)
Seit der EU-Bio-Verordnung ist uns das aber leider nicht mehr möglich. So geht es einem mit Richtlinien und Verordnungen,
so geht es einem, wenn aus der Europäischen Union etwas kommt: dass es in der Praxis nicht mehr umsetzbar ist. Dadurch können wir nicht mehr
so bewirtschaften. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.)

Das Renaturierungsgesetz ist ein Naturschutzgesetz und ein Umwelt­schutzgesetz, es ist aber kein Klimaschutzgesetz, und ich bin mir sicher, der Klimawandel wird deswegen gleich weiterverlaufen und die Erderwärmung wird gleich weiterverlaufen. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher. Wir müssten natürlich auch über die Flieger reden, über die Industrie reden und über viele an­dere Dinge, wenn wir den Klimawandel stoppen wollen. (Bundesrat Leinfell­ner: Übern Flieger darfst mit der Gewessler nicht reden!)


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Ich möchte einen Menschen zitieren, den wir alle kennen, es ist ein sehr berühm­ter Mann, es ist unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er hat,
als die Oppositionsparteien mit der damaligen Regierungspartei, der FPÖ, der Bundesregierung das Misstrauen ausgesprochen haben, gesagt: Wir
sollten besonnen sein, wir sollten Ruhe bewahren. Wir haben eine elegante Verfassung, die es uns möglich macht, diese Krise zu bewältigen. Und
er hat auch gesagt: „So sind wir nicht!“ Ja, er hat gesagt, so sind wir Österrei­cherinnen und Österreicher nicht!

Ich frage mich: Wo ist jetzt, in dieser Krise – und das ist eine Krise! –,
die Stellungnahme von unserem Herrn Bundespräsidenten zu der Situation, die wir jetzt haben, oder wo ist die Rechtsmeinung von der Justizministerin?
Ich gehe davon aus, dass beide die Verfassung ganz genau kennen, aber beide äußern sich nicht. Das ist schon etwas eigenartig. (Beifall bei der ÖVP
sowie des Bundesrates Leinfellner. – Bundesrat Spanring: Wer hat ihn unterstützt, den Herrn Van der Bellen?)

Da hätten Sie sich, Frau Gewessler, die privaten Gutachten sicherlich
sparen können. Ich behaupte, die Zustimmung von Frau Gewessler zum EU-Re­naturierungsgesetz ist eine rein parteipolitische Aktion, die mit allen Führungskräften ihrer Partei inklusive Bundespräsident und auch mit dem Bür­germeister und Landeshauptmann von Wien abgesprochen wurde.

Was die Bundesländer betrifft, ist im Bereich Naturschutz, Umweltschutz, Biodiversität, Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Erhalt der Artenvielfalt, was Pflanzen und Tierwelt betrifft, noch nie so viel umgesetzt worden wie in den letzten
zehn bis 20 Jahren.

Wir stehen zum Naturschutz, vor allem die Jugend ist sensibilisiert,
wir machen tagtäglich Naturschutz. Hier die Verantwortlichen in den Bundes­ländern und speziell die Landeshauptleute als zukunftsvergessen zu
bezeichnen ist ein Affront und eine Brüskierung der Bundesländer und des


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gesamten ländlichen Raums – das ist vermessen und das ist auf das Schärfste zurückzuweisen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es scheint so, als sei der Herr Bürgermeister von Wien Bürgermeister von ganz Österreich. Er hat den Auftrag gegeben, dem Renaturierungsgesetz zuzu­stimmen. Ich wüsste gerne, wo die offiziell abgeänderte Stellungnahme ist. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Wenn Sie eine einheitliche Stellungnahme aller Landeshauptleute, die
Sie, Frau Gewessler, aufgrund unserer Verfassung verpflichtet hätte, dem Rena­turierungsgesetz nicht zuzustimmen, missachtet und ignoriert haben, dann
muss ich Sie als Klimaaktivistin mit den Menschen, die sich auf die Straße kleben, gleichstellen, nicht – als Ministerin der österreichischen Bundesregierung –
mit einem auf die Verfassung angelobten Regierungsmitglied. Sie haben die de­mokratischen Spielregeln und die Verfassung missachtet!

Wie geht es uns in Salzburg, welche Voraussetzungen haben wir, vor
allem, was ist schon umgesetzt worden, und zwar ohne Renaturierungsgesetz? – In Salzburg sind rund 80 Prozent unserer Landesfläche nicht besiedelbar, aufgrund vieler Berge, Ödland und auch vieler bestehender Gefahrenzonen. Nur ein Fünftel der gut 7 000 Quadratkilometer Fläche unseres Bundeslan­des Salzburg steht als Dauersiedlungsraum zur Verfügung. Das heißt, um diese Fläche konkurrieren Landwirtschaft, Bevölkerung, die Wirtschaft und
der Verkehr. Und einem stimme ich voll zu: Was den Flächenverbrauch betrifft, sollten wir unbedingt besser werden und weniger verbrauchen.

Insgesamt steht ein Drittel der Landesfläche unter Naturschutz. Unter Naturschutz verstehe ich Landschaftsschutzgebiete, Naturschutzgebiete, Euro­paschutzgebiete sowie geschützte Landschaftsteile, den Nationalpark
Hohe Tauern, Naturdenkmäler, Naturparks und vieles, vieles mehr.

45 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaften biologisch, 90 Prozent nehmen freiwillig am österreichischen Umweltprogramm teil. Mit circa


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der Hälfte der Landesfläche ist der Wald ein ganz bestimmender Faktor der Salz­burger Kultur- und Naturlandschaft. Neben der wirtschaftlichen Bedeu­tung erfüllt der Wald auch eine ganz wichtige Schutzfunktion vor Lawinen, vor Muren, vor Erosion und Steinschlag, er ist Wasserspeicher bei Gewittern
und Starkregen und hat natürlich Wohlfahrtsfunktion für die Men­schen in unserem Land.

Diese wichtigen Funktionen, was Klimaschutz, Biodiversität und CO2-Speicher betrifft, kann nur ein bewirtschafteter gesunder Wald erfüllen. Und in
Salzburg – so wie in ganz Österreich – ist nicht die Entwaldung die Herausfor­derung, sondern die Verwaldung. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Wald liefert auch regionalen Baustoff, erneuerbare Wärme, ist Energielieferant und macht uns unabhängiger. Ein wesentlicher Teil des Waldes ist als Schutz- und Bannwald deklariert. Wird dieser unter Schutz gestellt
und nicht bewirtschaftet und werden durch Sturm oder Unwetterereignisse Bäume umgeworfen, muss in große bauliche, teure Schutzmaßnahmen
wie Fangnetze, um Verkehrswege freizuhalten, oder Wildbachsperren investiert werden; mit Tausenden Kubikmetern Beton und Eisen müssen die Wild­bäche verbaut werden. – Schutz durch gesunden Wald wo möglich, Verbauung dort, wo unbedingt notwendig!

Was macht Salzburg so einzigartig und wertvoll? – Das sind unsere 1 800 bewirtschafteten Almen. Ein Viertel der Landesfläche sind Almen. Es werden 60 000 Rinder, 8 500 Milchkühe, 25 000 Schafe, 3 000 Pferde
von 4 700 Betrieben auf Salzburgs Almen aufgetrieben. Das ist extensive, na­türliche und nachhaltige Landwirtschaft, die über Generationen so
geführt wird. Das ist der beste Naturschutz, der beste Klimaschutz und die beste Bewirtschaftung für den Klima- und Artenschutz. Das kann niemand besser
und günstiger als die Bauern. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sieht auch der österreichische Umweltdachverband so – mit die­sem arbeiten wir als Almwirtschaftsverein zusammen. Darüber hinaus freuen


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sich Einheimische und Gäste, wenn sie die Almen erwandern, sich er­holen können und dabei auch noch mit regionalen Lebensmitteln von der Alm verköstigt werden.

Von der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Salzburg werden 90 Prozent – das sind die Alm- und Weidegebiete, die Hutweiden, die Streu­obstwiesen, die Bergmähder, die ein- und zweimähdigen Wiesen – sehr extensiv und nachhaltig bewirtschaftet.

Wir sehen, in Salzburg, aber sicher auch in allen anderen Bundesländern,
kann man sagen: Die Verantwortlichen in den Gemeinden und Behörden, die Gebietskörperschaften, die Landwirtschaft sind seit Langem schon sensi­bilisiert. Wir alle tragen im ureigenen Interesse viel dazu bei, dass es der Natur gut geht, dass wir gesunde Böden haben, dass alle unsere Flüsse und
Seen Trinkwasserqualität haben und dass wir der Jugend Perspektiven geben, damit sie die landwirtschaftlichen Betriebe gerne übernimmt und
weiterführt.

Ich habe jetzt noch ein paar Renaturierungsbeispiele mit dabei, um zu zeigen, was in Salzburg in den letzten zehn Jahren so alles passiert ist (Bundes­rat Schennach: Zufällig! – Heiterkeit bei SPÖ und Grünen):

Streuwiesenrenaturierung Adneter Moor: 2 Hektar Wiederherstellung, Rena­turierung; Salzacher und Antheringer Au: Renaturierung von 520 Hektar
Salzach und zugehörigem Auwaldökosystem; Renaturierung des Hochmoors im Naturschutzgebiet Blinklingmoos in Strobl: 20 Hektar; Naturschutzge­biet Egelseen, Mattsee, Schleedorf: 1,5 Hektar; die Enns bei Mandling, Fluss mit Auwaldstreifen: ein halber Hektar; Erstpflege ökologisch hochwertiger
Flächen seit über zehn Jahren, Flachgau und Tennengau: 20 Hektar Wiederher­stellung von brachgefallenen Mager- und Feuchtwiesen; Naturschutz­gebiet Fuschlseemoor, Thalgau und in Hof: 1 Hektar Rückführung von Fichten­forst in Streuwiese; Neuanlage artenreicher Wiesen und Blühflächen
mit gebietseigenem Saatgut, eine landesweite Aktion (Bundesrat Schennach: Sehr


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gut!), landesweit 35 Projekte: 245 Hektar (Bundesrat Schennach: Wo ist
das Saatgut? – Bundesrätin Schumann: Das Letzte habe ich jetzt nicht mitgekriegt! – Ruf bei der SPÖ: Ich auch nicht! – Heiterkeit bei der SPÖ);
Renaturierung
von Niedermoorwiesen und Fließgewässern in der Haider Senke; Renaturierung Mandlinger Moor: 19 Hektar Hochmoor, Übergangsmoor; Renaturierung
von Feuchtwiesen im Oichtental: 3 Hektar; weiche Ufer Salzach, Sankt George­ner Au: 4,2 Hektar, Flusskilometer mit Auwald; Renaturierung eines Feuchtwiesenkomplexes in Sankt Martin: 2 Hektar; Wiederherstellung eines degradierten Feuchtgebietskomplexes zur Förderung einer bedrohten Schmetterlingsart (Unruhe im Saal – Vizepräsident Ebner gibt das Glockenzeichen); Initiative Streuobst: 125 Hektar; Renaturierung Naturschutzgebiet Ur­sprung der Mur: 16 Hektar; Renaturierung Hochmoor Weidmoos: 3 Hektar; Life-Projekt Salzachauen: 127 Hektar; Renaturierung der Weitwörther Au:
37 Hektar, und so weiter und so fort (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie Bra­voruf des Bundesrates Schreuder), insgesamt 1 200 Hektar, zum Teil in
Arbeit, zum Teil fertiggestellt und zum Teil in Planung.

Ich möchte dies deshalb so hervorheben, weil man sieht: Es geht ohne Wien, es geht ohne Brüssel, weil es, wenn man es im Land selber in die Hand
nimmt, trotzdem funktioniert. Ich möchte damit beweisen, dass uns der Na­turschutz, der Umweltschutz sehr viel wert ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt noch ein paar Fakten zum Renaturierungsgesetz, das in Luxem­burg beschlossen worden ist (allgemeine Heiterkeit – Zwischenruf der Bundesrätin Doppler – Vizepräsident Ebner gibt neuerlich das Glockenzeichen):
Das ist ein Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte. Die jungen Leute, die die Betriebe übernehmen, haben Pläne, die wollen den Betrieb führen.
Denen nimmt man den Gestaltungsspielraum, den sie gerne hätten. Die sind alle sensibilisiert, dass sie ihre Betriebe artgerecht und nachhaltig bewirtschaften.

Das Nächste ist der Eingriff ins Eigentum. (Unruhe im Saal.)



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Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Liebe Damen und Herren! Ich weiß, es ist schon spät, aber ich bitte um etwas Ruhe im Saal. Lassen wir
auch Bundesrat Gfrerer die ihm gebührende Aufmerksamkeit zukommen!


Bundesrat Silvester Gfrerer (fortsetzend): Das ist eine Maßnahme,
die uns zurückführt in eine Knechtschaft, in der wir abhängig sind von Richtlinien, von Bürokratie, von Rahmenbedingungen und Gesetzen, die in der Praxis zum großen Teil höchstwahrscheinlich nicht umsetzbar sind.
Und wenn wir etwas umsetzen, bekommen wir eine Entschädigung? – Wahr­scheinlich je nach Maßnahme pro Hektar so viel, dass es zum Leben
zu wenig ist und zum Sterben zu viel. (Bundesrat Schennach: Bei den bäuerlichen Förderungen ...!)

Es gibt in Österreich einen Plan, das ist der Österreichplan, das ist der Nehammer-Plan. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Wir stehen für Leis­tung, wir sorgen für Familien und Sicherheit (Bundesrat Schennach:
Bitte, der Nehammer-Plan! Jetzt kommt noch der Nehammer-Plan!)
, und alle diese drei Begriffe finden sich auch in der Natur, in der Heimat, im ländlichen
Raum, in der Stadt wieder.

Eines muss ich noch erwähnen, worüber ich wirklich verärgert bin: Es wird die Landwirtschaft für etwas verantwortlich gemacht. Es heißt, wir seien die Verursacher. Es wird eine Glaskugel drübergestülpt und alles soll unter Schutz und außer Nutzung gestellt werden. (Bundesrat Schennach: ... ist der
Nehammer-Plan!)
Das ist nicht unser Zugang!

Was die Lebensmittelversorgung betrifft, gibt es Berechnungen, dass Rindfleisch um 25 Prozent teurer wird, wenn wir uns nicht mehr selbst versorgen
können, und Milchprodukte um 20 Prozent. Und ich schaue mir an, was Frau Schumann, die sich ja immer wieder hierherstellt und sagt: Die Lebens­mittel sind viel zu teuer!, dann sagt. (Bundesrätin Schumann: Endlich werde ich geehrt! Danke, danke!) Ich bin mir auch sicher: Wenn die Lebensmittel


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teurer werden, dann kommt das Geld nicht bei den Bauern an, sondern diese höheren Geldsummen kassiert irgendjemand anderer.

Noch einmal: Den Plan für Österreich werden wir verfolgen, und wir
werden schauen, dass wir am 29. September die Wahl gewinnen, dass wir als Erste durchs Ziel gehen, damit wir weiterhin Österreich sicher
führen können und gut gestalten können! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.08


22.08.23

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Steiner: Ich möchte mich nur für die spontane Rede bedanken!) – Es gibt also keine Wortmeldungen mehr. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Entlassung der Bundesminis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit,
der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen
und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rücknahme des
EU-Renaturierungsgesetzes“ vor. Ich lasse über diesen Entschlie­ßungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsan­trag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmen­minderheit. (Oje-Rufe bei der FPÖ.) Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 419

22.09.56Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Es liegt mir ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 5 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtli­chen Protokolls:

„Tagesordnungspunkt 5

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird an­genommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses
Teils des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 5 ge­mäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss
dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf und Zuweisung


Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 13 Anfragen,
4196/J-BR/2024 bis 4208/J-BR/2024, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 421/A(E)-BR/2024 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung
eines Kündigungsschutzes für schwer kranke Arbeitnehmerinnen und eines Entgeltfortzahlungsfonds zur Absicherung der Betriebe“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird.

*****


BundesratStenographisches Protokoll968. Sitzung, 968. Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni 2024 / Seite 420

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermine werden Mittwoch,
der 10. Juli 2024, 13 Uhr, und Donnerstag, der 11. Juli 2024, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnungen dieser Sitzungen kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungs­recht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 9. Juli 2024,
12 Uhr, vorgesehen.

Vielen Dank.

Die Sitzung ist geschlossen.

22.12.15Schluss der Sitzung: 22.12 Uhr

 

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