Stenographisches Protokoll

117. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 20. September 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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117. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Freitag, 20. September 2002

Dauer der Sitzung

Freitag, 20. September 2002: 9.05 – 16.08 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 751/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Mag. Karl Schweitzer, Dr. Andreas Khol, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtsstellung von Einrichtungen der OSZE in Österreich geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 754/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Behinderteneinstellungsgesetz sowie das Versicherungssteuergesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ-G) sowie ein Bundesgesetz, mit dem durch die Republik Österreich Garantien gegenüber dem Internationalen Olympischen Comitee (IOC) für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2010 übernommen werden, errichtet werden

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Inhalt

Nationalrat

Beschluss auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2002/2003 der XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Ende der 117. Sitzung des Nationalrates 108

Schlussansprache des Präsidenten Dr. Heinz Fischer 109

Personalien

Verhinderung 7

Ordnungsruf 38


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Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschussberichte 1287, 1290 und 1289 d. B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung 7

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 7

Antrag der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen, den Rechnungshofausschuss und den Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses gemäß § 46 Abs. 4 der Geschäftsordnung zu beauftragen, ihre Arbeiten während der tagungsfreien Zeit fortzusetzen – Ablehnung 108, 108

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidenten Dr. Heinz Fischer 108

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls 109

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 751/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Mag. Karl Schweitzer, Dr. Andreas Khol, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1287 d. B.) 8

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 8

Mag. Karl Schweitzer 13

Dr. Andreas Khol 18

Dr. Eva Glawischnig 22

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 28

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 31

Dr. Josef Cap 33

Hermann Böhacker 36

Mag. Helmut Kukacka 38

Karl Öllinger 41

Dr. Caspar Einem 43

Dr. Reinhard Eugen Bösch 45

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 47

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 49

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 51

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 54

Mag. Andrea Kuntzl 57

Dr. Alois Pumberger 58

Werner Amon, MBA 59

Mag. Ulrike Lunacek 60

Rudolf Nürnberger 61

Robert Wenitsch 63

Dr. Gerhart Bruckmann 65

Dr. Kurt Grünewald 66

Mag. Christine Lapp 67

Mag. Karin Hakl 69

Kurt Eder 70

Nikolaus Prinz 71

Georg Oberhaidinger 71


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Emmerich Schwemlein 72

Mag. Johann Maier 73

Mag. Christine Muttonen 74

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 75

Günter Kiermaier 78

Dr. Johannes Jarolim 79

Dr. Gabriela Moser 80

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) 83

Dr. Harald Ofner 84

Manfred Lackner 84

Annahme 85

2. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1219 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtsstellung von Einrichtungen der OSZE in Österreich geändert wird (1290 d. B.) 86

Annahme 86

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 754/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Behinderteneinstellungsgesetz sowie das Versicherungssteuergesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ-G) sowie ein Bundesgesetz, mit dem durch die Republik Österreich Garantien gegenüber dem Internationalen Olympischen Comitee (IOC) für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2010 übernommen werden, errichtet werden (1289 d. B.) 86

Redner:

Heidrun Silhavy 86

Hermann Böhacker 92

Karl Öllinger 93

Dr. Reinhold Mitterlehner 95

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 97

Franz Riepl 99

Dr. Reinhold Mitterlehner (tatsächliche Berichtigung) 100

Mag. Dr. Udo Grollitsch 101

Marianne Hagenhofer 101

Mag. Walter Tancsits 102

Dr. Martin Graf 103

Robert Egghart 104

Dr. Gerhard Kurzmann 105

Annahme 105

Eingebracht wurden

Anfragen der Abgeordneten

Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Klärung unterschiedlicher Rechtsmeinungen zur Vergebührung von Kredit


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verträgen im Zusammenhang mit Reinhalteverbänden nach dem Wasserrechtsgesetz (4388/J)

Harald Trettenbrein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend geplante Verlegung der VAASt Wolfsberg (4389/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend eine 4-jährige Pferdewirtschaftsschule mit Matura in Lambach (4390/J)

Wolfgang Jung, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Hochwassereinsatz in Schwertberg (4391/J)


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Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Endstation Sozialhilfe?" (4392/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Ungereimtheiten beim Gendarmerieneubau in Vöcklabruck" (4393/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Ungereimtheiten beim Gendarmerieneubau in Vöcklabruck" (4394/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "VP-Personalvertreter, der parlamentarische Aktivitäten lächerlich macht, und Einstellung zu Auskunftsansuchen von Bürgern" (4395/J)

Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend den Jahresbericht 2001 der Bundesheerbeschwerdekommission (III-163 d. B.) (4396/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform I" (4397/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4398/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4399/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4400/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4401/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4402/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4403/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4404/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4405/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4406/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4407/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4408/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Personalabbau durch die blau-schwarze Bundesregierung/Verwaltungsreform II" (4409/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tod des Binali I. beim Polizeieinsatz am 30.8.2002 (4410/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Gefährdung des Pfenningbaches und Sierningbaches sowie der Fischzuchtanlage Stixenstein durch die Firma Rigips Puchberg/Schneeberg (4411/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Klassenzusammenlegungen im Waldviertel (4412/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend österreichischen Beitrag zu IGAD (4413/J)

Wolfgang Jung, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Hochwassereinsatz des Bundesheeres (4414/J)

Dr. Robert Rada, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Nominierung des österreichischen Vertreters für pädagogische Angelegenheiten in Europa-Inspektor an europäischen Schulen im Rahmen der EU (4415/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umsetzung der Temelín-Beschlüsse (4416/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Umsetzung der Temelín-Beschlüsse (4417/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Stellenwert des KonsumentInnenschutzes (4418/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Grundwassersanierung OÖ (4419/J)


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Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Kundenorientierung der ÖBB (4420/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Konsequenzen aus dem Mordfall Hochgatter (4421/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend unverständliche Diskriminierung homosexueller NS-Opfer und mangelnde Stellungnahme des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen (4422/J)

 


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Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie einladen, die Plätze einzunehmen, und eröffne die 117. Sitzung des Nationalrates. Ich eröffne auch eine neue Verstärkeranlage. Ich hoffe, sie wird gute Dienste leisten.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung ist Herr Abgeordneter Sodian.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Tagesordnung der heutigen Sitzung wurde, wie angekündigt, über die Klubs zugestellt, sie umfasst drei Punkte. Um diese Punkte in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 der Geschäftsordnung notwendig, von der 24-stündigen Aufliegefrist für Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Bei diesen Punkten handelt es sich um

den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Mag. Schweitzer, Dr. Khol, Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird,

den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsstellung von Einrichtungen der OSZE in Österreich und

den Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 754/A der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und weitere Rechtsvorschriften geändert werden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, dass wir von der 24-stündigen Aufliegefrist Abstand nehmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig beschlossen . Damit können wir wie geplant die Tagesordnung in Angriff nehmen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Ich gebe bekannt, dass wir in der Präsidialsitzung für den heutigen Sitzungstag über eine Tagesblockzeit von insgesamt 7 "Wiener Stunden" Einvernehmen erzielt haben, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 137 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 102 Minuten, Grüne 81 Minuten.

Für die Zeit bis 13 Uhr wurde darüber hinaus folgende ergänzende Redezeitvereinbarung getroffen: zunächst eine Rednerrunde mit je 20 Minuten, danach zwei Wortmeldungen von der Regierungsbank mit je 15 Minuten, dann eine Rednerrunde mit je 10 Minuten, danach eine Rednerrunde mit je 8 Minuten, zwei weitere Wortmeldungen von der Regierungsbank, und die restliche Redezeit bis 13 Uhr wird der den Vorsitz führende Präsident anteilsmäßig, und zwar zu gleichen Teilen, aufteilen.

Tatsächliche Berichtigungen sind nicht vorgesehen.


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Das Hohe Haus hat darüber zu befinden – dann sind die Redezeiten verbindlich.

Ich stelle die Frage: Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall, dann haben wir das so festgelegt.

1. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 751/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Mag. Karl Schweitzer, Dr. Andreas Khol, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1287 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Der Herr Berichterstatter verzichtet auf eine mündliche Berichterstattung. – Ich nehme an und hoffe, Herr Kollege Zweytick verzichtet auf das Handy.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.09

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder ... (Das Rednermikrophon beginnt laut zu rauschen.) Ist das die neue Anlage, Herr Präsident? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Lieber Kollege Gusenbauer! Ich entschuldige mich in aller Form. Ich habe mich heute früh vergewissert, ob auch der letzte Teil der Reparatur durchgeführt wurde, aber es funktioniert offenbar nicht. (Abg. Dr. Khol: Kaum redet der Gusenbauer, funktioniert nichts mehr!)

Ich würde den Techniker bitten, selbst zum Mikrophon zu gehen und die Anlage auszuprobieren. (Abg. Dr. Martin Graf: Der Techniker soll die Rede halten! – Abg. Dr. Khol: Das ist ein schlechtes Vorzeichen! – Weitere Zwischenrufe. – Es wird eine Sprechprobe durchgeführt, während der kein lautes Rauschen zu vernehmen ist. – Ironische Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Eieieieiei! – Abg. Edlinger: Der Lautsprecher links geht nicht! – Anhaltende Zwischenrufe.)

Ich entschuldige mich in aller Form, ich fühle mich für das Funktionieren verantwortlich, und ich würde das Nicht-Funktionieren nicht irgendwelchen Abgeordneten zumessen.

Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer, bitte benutzen Sie das Berichterstattermikrophon. (Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Ing. Westenthaler: Wieso? Es geht ja! – Abg. Mag. Schweitzer: Es funktioniert schon! Er kann nur nicht!) – Herr Kollege Schweitzer, das finde ich unfair! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kommt manchmal auch auf den Ton an, und ich denke, bei der Geräuschkulisse ist es vernünftiger, wenn wir wieder zur technischen Behelfslösung greifen. Es wird vor allem den Abgeordneten der Regierungsparteien auf Grund der Politik der letzten zweieinhalb Jahre nichts Unbekanntes sein, dass man manchmal zu Behelfslösungen greifen muss. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende einer Legislaturperiode ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Ich finde es außerordentlich amüsant, dass die Abgeordneten der Regierungsparteien außer unverständlichem Geschrei schon am Morgen relativ wenig zu bieten haben. Melden Sie sich zu Wort und sagen Sie, was Sie zu sagen haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Was steht im Zentrum einer Bewertung einer Legislaturperiode an deren Ende, zumindest dann, wenn Politik den Sinn haben soll, die Chancen der Menschen zu mehren und nicht zu mindern? – Am Ende einer Legislaturperiode, Herr Abgeordneter Kiss, muss man die Frage stellen: Geht es den Österreicherinnen und Österreichern heute besser oder schlechter als vor zweieinhalb Jahren? (Rufe bei der ÖVP: Besser!) – Das glaube ich, dass es denjenigen von Ihnen, die am Postenschacher beteiligt waren, besser geht. Den Österreicherinnen und Österreichern geht es nicht besser. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Fragen Sie einen Unfallrentner, der sein gesamtes Leben hindurch trotz eines Arbeitsunfalles hart gearbeitet hat, ob es ihm heute besser geht, nachdem die blau-schwarze Bundesregierung die Besteuerung der Unfallrenten eingeführt und vielen Menschen, die in Österreich ihr Leben lang hart gearbeitet haben, bis zu einem Drittel ihres Einkommens weggenommen hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fragen Sie diese Menschen, ob es ihnen wirklich besser geht als vor zweieinhalb Jahren. Sie werden eine klare Antwort bekommen, und die sieht anders aus als Ihre. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Fragen Sie die Menschen in Österreich, die hart gearbeitet, in den letzten Jahren jedoch Pensionserhöhungen bekommen haben, welche unterhalb der Inflations- oder Teuerungsrate lagen. Gleichzeitig sind die Gebühren und Steuern in Österreich gestiegen! (Abg. Böhacker: In Wien vor allem! – Ruf bei der ÖVP: Wer hat denn die Schulden gemacht?!) Fragen Sie die 2 Millionen Pensionisten in Österreich, ob es ihnen heute besser geht als vor zweieinhalb Jahren; sie werden Ihnen auch eine deutliche Antwort geben. Die Pensionen sind gekürzt worden, und sie können sich heute bedeutend weniger leisten als noch vor zweieinhalb Jahren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fragen Sie die Studenten, die auf Grund der Tatsache, dass das Studium mit Kosten verbunden ist, in einem immer stärkeren Ausmaß neben ihrem Studium arbeiten müssen. Fragen Sie sie, ob es ihnen nun besser geht, nachdem sie pro Jahr 10 000 S oder 720 € Studiengebühr zahlen müssen (Abg. Murauer: Und wer bekommt die Beihilfe?), oder ob nicht ihr Leben durch Ihre Politik härter und schwieriger geworden ist. Auch da, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird die Antwort eine ganz klare sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Fragen Sie die österreichischen Arbeitnehmer, die jeden Tag ihrer Arbeit nachgehen, die nach allen Statistiken zu den Fleißigsten und Produktivsten von ganz Europa gehören (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl ) und dazu beitragen, dass Österreich nach wie vor gute Exporterfolge hat. Fragen Sie diese mehr als 3 Millionen Arbeitnehmer, deren Nettolöhne nicht mehr steigen, ob es ihnen besser geht als vor zweieinhalb Jahren. Auch da, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird die Antwort eine deutliche sein: Die Arbeit ist mehr geworden, die Arbeit ist härter geworden, aber mehr Geld gibt es dafür nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Fragen Sie die 30 000 Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, die heute weder einen Lehr- noch einen Arbeitsplatz haben und für die entscheidend ist, welche Chancen sie in ihrem künftigen Leben haben. Fragen Sie sie, ob ihre Erwartungshaltung in Richtung eines guten Landes, einer guten Regierung dadurch erfüllt wurde, dass diese schwarz-blaue Regierung das Problem Jugendarbeitslosigkeit über ein Jahr lang negiert und nichts dagegen unternommen hat. Auch sie werden Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine deutliche Antwort geben! (Beifall bei der SPÖ.)

Fragen Sie letztendlich die zusätzlichen Arbeitslosen in Österreich – in Summe sind es inzwischen 200 000, bedauerlicherweise im Winter unter Umständen 300 000 –, ob es ihnen nach diesen zweieinhalb Jahren schwarz-blauer Regierungspolitik wirklich besser geht (Zwischenruf bei der ÖVP) oder ob sie eher den Eindruck haben, dass sie in ihrem Schicksal allein gelassen wurden und heute bedeutend weniger Chancen haben als vor zweieinhalb Jahren, da wesentliche Mittel der Arbeitsmarktverwaltung fehlen, welche die Bundesregierung "ausgeräumt" hat, um das Budget ausgleichen zu können. Auch diese 200 000 Arbeitslosen werden Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine deutliche Antwort geben: Es ist leider schlechter und nicht besser geworden! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic. )


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Man kann eine unterschiedliche Sichtweise der Realität haben. Ich verstehe, dass die Regierung das anders sieht als manche Betroffene. Man kann auch bei unterschiedlichen Problemen zu unterschiedlichen Problemlösungen kommen – auch das ist legitim. Wenn wir aber in Österreich über die steigende Arbeitslosigkeit, die soziale Kälte und die Verminderung von Chancen reden und dem Herrn Bundeskanzler in einem "FORMAT"-Interview dazu nichts Besseres einfällt, als zu sagen, diese Mickymaus-Themen würden ihn nicht interessieren, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das ein Ausdruck von machtpolitischer Arroganz und nicht von Menschennähe. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Überhaupt haben Sie sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehr damit beschäftigt, Posten zu verteilen, als sich um die Probleme der Menschen in unserem Land zu kümmern. Erinnern Sie sich nur an Folgendes: Die gesamte Regierungspolitik war Wochen und Monate hindurch dadurch blockiert, dass es das Hauptanliegen der schwarz-blauen Regierung war, dem Ex-Abgeordneten Gaugg einen Posten in der Pensionsversicherung zu verschaffen.

Sie haben sich nicht darum gekümmert, was man für die Pensionisten machen kann, sondern Sie haben sich nur darum gekümmert, wie Sie Herrn Gaugg versorgen können. Und das war charakteristisch für Ihre Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Da wir schon bei den Pensionen sind: Was ist die Bilanz Ihrer Pensionspolitik? (Ruf bei den Freiheitlichen: Meinen Sie die vom Vranitzky oder ...? – Abg. Wenitsch: Die vom Klima! 2 Millionen €!) Ich meine Ihre Pensionspolitik, Herr Abgeordneter. Sie haben – teilweise gegen deren Willen – höhere Beamte im öffentlichen Dienst mit 55 Jahren nach Hause geschickt, und gleichzeitig haben Sie zu den Arbeitern und Angestellten gesagt, sie müssen bis zum Alter von 61,5 Jahren arbeiten – egal, ob das ein Bauarbeiter, ein Metallarbeiter oder ein Angestellter in einem Betrieb ist.

Wissen Sie, was die Konsequenz Ihrer Politik ist? – Im Jahre 2002 wechselt nur mehr jeder zweite Arbeitnehmer direkt von seinem Arbeitsplatz in die Pension. Die andere Hälfte wechselt direkt von der Arbeitslosigkeit, von der Notstandshilfe oder von der Sozialhilfe in die Pension. (Ruf: 30 Jahre Zeit gehabt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So kann ein gutes Land für die Österreicherinnen und Österreicher nicht aussehen, dass am Ende eines harten Berufslebens bereits 50 Prozent derjenigen, die in Pension gehen, entweder arbeitslos sind, Notstandshilfe oder Sozialhilfe beziehen! Das ist nicht menschenwürdig, das ist eine ungerechte Pensionspolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat gestern in seiner Rede gesagt, die Wirtschaftsforscher hätten im vergangenen Jahr die Wirtschaftsaussichten "zu positiv" eingeschätzt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnern Sie sich, was vor einem Jahr war? – Nicht nur die Opposition im Parlament, nicht nur internationale Studien, sondern auch die Wirtschaftsforscher haben uns mitgeteilt, dass die Wirtschaftslage schlechter wird. – Aber die Reaktion des Bundeskanzlers darauf war nicht, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, damit Schaden vom österreichischen Arbeitsmarkt abgewendet werden kann, nein, er hat das Gegenteil gemacht: Der Bundeskanzler hat all jene Wirtschaftsforscher, die vor einer Verschlechterung der Lage gewarnt haben, in aller Öffentlichkeit verunglimpft, hat ihnen die Glaubwürdigkeit abgesprochen und gesagt, diese würden das Land nur schlecht machen.

Ich sage Ihnen heute: Es wäre bedeutend besser gewesen, auf den Rat der Experten zu hören und etwas gegen die Wirtschaftskrise zu unternehmen, als in arroganter Weise die Experten zu beschimpfen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gute Politik zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass Warnsignale ernst genommen werden und rechtzeitig etwas unternommen wird, um Schaden von Österreich und von der österreichischen Bevölkerung abzuwenden. (Abg. Jung: Warum haben Sie dann nicht rechtzeitig gespart, Herr


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Kollege, statt uns einen Schuldenberg zu hinterlassen?) Wenn Sie erst ein Jahr danach nun mit einem Notprogramm reagieren, weil Sie sehen, dass es ein Problem auf dem Arbeitsmarkt gibt, dann ist völlig klar: Das Nichtstun der schwarz-blauen Regierung gegen die Wirtschaftskrise und gegen die Arbeitslosigkeit führt dazu, dass 20 000 zusätzliche Arbeitslose in Österreich die Zeche dafür zahlen. Und das ist nicht verantwortungsvolle, sondern verantwortungslose Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das glauben Sie aber selber nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Jung, weil Sie so gerne Zwischenrufe machen und sich immer als der Sicherheitsexperte darstellen (Abg. Jung: Sie haben ja keinen mehr!): Haben Sie schon einmal mit den Österreicherinnen und Österreichern darüber geredet, wie sie dazu stehen, dass die Gendarmerieposten im Land reihenweise geschlossen werden, was sie darüber denken, dass es weniger Polizisten und Gendarmen gibt, die für unsere Sicherheit sorgen, was sie dazu sagen, dass Sie, Herr Jung, sich nur um die vermeintliche Sicherheit in der Luft kümmern, aber nicht um die Sicherheit der Menschen auf dem Boden? – Das ist ein grobes Versäumnis von ÖVP und FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... Kassandra!) Es stellt sich immer die Frage (das rote Lämpchen leuchtet – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Gibt es eine bessere und eine schlechtere Politik? – Also wenn Frau Partik-Pablé von "Kassandra" spricht, dann muss ich sagen: Ich habe so ein Eingeständnis von Ihnen eigentlich gar nicht erwartet, gnädige Frau. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gründe für die wirtschaftliche Flaute liegen auf der Hand:

Die österreichische Regierung hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren ungefähr nur die Hälfte von dem pro Kopf investiert, was in Europa üblich gewesen ist.

Die österreichische Bundesregierung hat als einzige in Europa massiv die Steuern erhöht, und somit können sich die Leute in Österreich weniger kaufen.

Die österreichische Bundesregierung hat als einzige in Europa die Wirtschaft massiv belastet. Nicht umsonst schreibt das "WirtschaftsBlatt": Die Wirtschaft zahlt die Zeche, und damit ist der Spielraum für Investitionen genommen worden.

Diese Bundesregierung hat eine Politik gemacht, bei der sie uns zweieinhalb Jahre lang erzählen wollte, man müsse alles einem einzigen Ziel, nämlich dem Nulldefizit, unterordnen, koste es, was es wolle.

Und was ist das Ergebnis? – Die Zeche haben alle gezahlt, aber das Nulldefizit haben Sie nicht erreicht! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Weil Sie uns einen Schuldenberg hinterlassen haben!) Sie gehen mit mehr Schulden aus Ihrer Regierungsperiode heraus, als Sie hineingegangen sind! – Das war daher der falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wir werden ja am 24. November Neuwahlen haben, und das gibt der österreichischen Bevölkerung eine gute Gelegenheit, eine Neuorientierung der Politik vorzunehmen, eine Neuorientierung der Politik, die in den Vordergrund faire Chancen für alle stellt – und nicht jene Art von Postenschacher und Machtpolitik, wie Sie von ÖVP und FPÖ sie nun zweieinhalb Jahre betrieben haben. Es müssen nach dem 24. November wieder die Menschen in den Mittelpunkt der Politik gestellt werden und nicht Ihre Machtpfründe, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Daher ist die dringendste Aufgabe, dass wir, wenn wir faire Chancen für alle schaffen wollen, Verständnis dafür erzeugen müssen – und da, glaube ich, muss Politik auch Lernprozesse zugestehen –, dass wir uns nicht alles leisten können (Abg. Jung: Oh!) und dass daher auf die Finanzstabilität Rücksicht zu nehmen ist, dass wir unsere Wirtschaft wieder ankurbeln, damit


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die Unternehmen investieren und wieder Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist die Kernaufgabe einer künftigen Bundesregierung, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht Ihre Machtpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Und die Wirtschaft kann angekurbelt werden! Sie kann angekurbelt werden, indem man die Steuerlast für Investitionen reduziert, damit die Unternehmen investieren. Die Wirtschaft kann angekurbelt werden, wenn die öffentliche Hand endlich ihre Aufgabe wahrnimmt, in die Infrastruktur, sprich in die Straße und Schiene, zu investieren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jung. )

Da Sie, Herr Jung, wieder zwischenrufen, möchte ich nur auf Folgendes verweisen: Diese Regierung hat viel von den Menschen verbraucht, aber sie hat auch drei Infrastrukturminister verbraucht, bei denen kaum einer der drei über die Probezeit hinausgekommen ist. Den Endeffekt dieser Politik der so genannten Profis sieht man, wenn man sich den Zustand unserer Autobahnen und Schienen anschaut: Zweieinhalb verlorene Jahre, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Daher sind die Investitionen in Straße und Schiene ganz entscheidend, vor allem auch dann, wenn wir das große Projekt, das vor uns liegt, die Erweiterung der Europäischen Union, ernst nehmen. Und ich bin schon gespannt auf die Rede des Herrn Abgeordneten Khol (Abg. Steibl: Wird sicher gut werden!), der uns sicherlich erklären wird, in welchem Ausmaß die österreichische Bundesregierung den Entschließungsantrag des Parlaments umgesetzt hat, in dem nämlich taxativ aufgezählt wird, was wir gemeinsam in Vorbereitung der EU-Erweiterung zu tun haben. Er kann uns dann berichten, welche Straßen und Schienen Richtung Ost- und Nordost- und Südosteuropa gebaut wurden, damit die Erweiterung vorbereitet wird.

Herr Abgeordneter Khol wird uns vielleicht auch darüber informieren, wieso nichts gegen die illegale Beschäftigung in Österreich in Vorbereitung der Erweiterung unternommen wurde. Und er wird uns vielleicht dann auch erzählen, wieso – zum Unterschied von der Politik der Bundesregierung – im Burgenland die Zustimmung zur Erweiterung am größten ist. Ich sage es Ihnen: Weil es dort einen sozialdemokratischen Landeshauptmann gibt, der die Erweiterung vorbereitet und nicht nur darüber redet, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Das ist ja lächerlich, was Sie da sagen!)

Da wird Herr Kiss immer besonders nervös, denn Erfolge im Burgenland hält er am allerwenigsten aus. Das ist uns schon aufgefallen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kiss: Das ist ja lächerlich, was Sie da sagen!)

Meine Damen und Herren! Es geht einfach um einen Kurswechsel in der Politik, um einen Kurswechsel, der dazu führen wird, dass die Chancen gemehrt werden und dass die Österreicherinnen und Österreicher mehr Chancen auf Arbeitsplätze haben, dass die Wirtschaft entlastet wird und wieder investieren kann. Und es geht darum, dass das, was im Kern jedes modernen Staates steht, nämlich die Bildung, die Gesundheitspolitik und die Pensionspolitik, auf eine Ebene geführt wird, dass die Chancen in Österreich nicht eingeschränkt, sondern vermehrt werden. (Abg. Dr. Pumberger: Ich schenke Ihnen meine Redezeit!)

Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, haben die Chancen verringert, wir werden sie nach dem 24. November wieder vermehren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Zeugnisse, die Ihnen von den Koalitionsparteien allerorts ausgestellt werden – auch von Leuten, die einmal diese schwarz-blaue Regierung unterstützt haben –, sind ja eindeutig. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) So zum Beispiel sagte ein wichtiger Manager – ich zitiere –:

Ich habe große Hoffnungen in diese Regierung gesetzt, aber sie ist total stecken geblieben. Vor allem vom Unternehmer Martin Bartenstein hätte ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!


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Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer
(fortsetzend): Vor allem vom Unternehmer Martin Bartenstein, sagte dieser Manager, hätte ich mehr erwartet, aber der hat sich mit Schüssel duelliert, wer weniger sagt! – Zitatende. (Abg. Kiss: Herr Präsident! Ich schenke ihm meine Redezeit!)

Meine Damen und Herren! Österreich hat sich etwas Besseres verdient als Schwarz-Blau – und am 24. November gibt es die Chance dazu! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Zugabe! Zugabe!)

9.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte. (Weitere Rufe bei der ÖVP: Zugabe!)

9.32

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses rhythmische Klatschen bei den Genossen erinnert mich an die letzten KPdSU-Parteitage (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), und ich hoffe, dass solche Parteitage endgültig der Vergangenheit angehören und solche Parteien – wir wissen ohnehin, wohin die Politik dieser Parteien geführt hat – nie mehr ans Ruder gelassen werden! Der Wähler möge abhüten!

Wenn ich dem Kollegen Gusenbauer zuhöre – und das versuche ich schon sehr lange hier in diesem Hause –, dann habe ich oft ein Problem damit, das, was er hier sagt, tatsächlich auf Österreich gemünzt zu sehen. Gusenbauer sprach in seiner Rede hier von einem Land, das unmöglich Österreich sein kann.

Österreich, Herr Kollege Gusenbauer, liegt im internationalen Vergleich, liegt im EU-Vergleich bei allen Daten weitaus besser, als das vor dieser ÖVP/FPÖ-Bundesregierung der Fall gewesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Um nur einiges aufzuzählen, wo Österreich besser liegt: bei der Lebensqualität, bei den Beschäftigtenzahlen beispielsweise, überall konnten wir zwei, drei, vier beziehungsweise sogar fünf Plätze gut machen. Herr Kollege Gusenbauer, das sind Fakten, die Sie nicht vom Tisch wischen können! Österreich ist durch diese Bundesregierung besser gemacht worden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreicherinnen und Österreicher! Ich bedauere zutiefst, dass diese so erfolgreiche Bundesregierung ihre Tätigkeit heute beenden wird (Zwischenrufe bei der SPÖ), und ich bedauere das deshalb besonders, weil es ein Richtungsstreit in meiner Partei war, der unserem Regierungspartner den Anlass für diesen Schritt geliefert hat, ein Richtungsstreit, der nie und niemals so eskalieren hätte dürfen, dass am Ende die zwei beliebtesten Minister dieser Bundesregierung zurücktreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für dieses zum Teil unwürdige Schauspiel, das wir in den letzten Wochen geboten haben, möchte ich mich bei der österreichischen Bevölkerung in aller Form entschuldigen! Gerade diese beiden Minister haben gezeigt, dass die FPÖ niemals eine One-Man-Show gewesen ist. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Die FPÖ hat immer über ein breites Spektrum an hervorragenden Persönlichkeiten verfügt, und die freiheitlichen Mitglieder dieser Bundesregierung haben das in den letzten zweieinhalb Jahren auf eindrucksvolle Art und Weise zum Ausdruck gebracht. Die Erfolgsbilanzen sprechen eine klare Sprache. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So weh es mir persönlich getan hat, dass unsere Vizekanzlerin, unser Finanzminister und Peter Westenthaler persönliche Konsequenzen gezogen haben, so unverständlich war und ist es für mich aber auch, dass diese erfolgreiche Zusammenarbeit beendet wurde. Ich glaube, dass die heftige Auseinandersetzung innerhalb meiner Partei zum Thema Steuerreform nicht der Anlass sein muss, diese Regierungsarbeit zu beenden.


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Diese Regierungsarbeit – das muss klar und deutlich gesagt werden – war zu keinem Zeitpunkt, bis zum heutigen Tag nicht, in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Die FPÖ hat bis zum heutigen Tage auf eindrucksvolle Art und Weise bewiesen, dass sie pakttreu ist, dass sie Handschlagqualität hat. (Abg. Dr. Pilz: Faustschlagqualität! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Die FPÖ hat sich nicht davor gescheut, ein schweres Erbe anzutreten, sprich einen sozialistischen Trümmerhaufen aufzuarbeiten, und die FPÖ hat auch nicht davor zurückgescheut, unpopuläre Maßnahmen zu setzen, wenn solche zur Absicherung der Zukunft notwendig gewesen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese FPÖ – das ist international anerkannt; Sie können das in allen Kommentaren nachlesen, Herr Kollege Gusenbauer, und Sie lesen ja sehr viel – hat die für Österreich so notwendige Wende erst möglich gemacht. Diese FPÖ hat es ermöglicht, dass Meilensteine, wie zum Beispiel die Abfertigung für alle, umgesetzt werden konnten.

Herr Kollege Verzetnitsch, ich habe Ihnen gestern eine Frage gestellt, die Sie jedoch nicht beantwortet haben (Abg. Verzetnitsch: Die ist schon beantwortet worden! Sie müssen nur zuhören!), aber Sie können heute die Möglichkeit dazu nutzen: Warum haben Sie, Herr Kollege Verzetnitsch, als Präsident der Gewerkschaft damals, als Sie mit Ihrer Fraktion in einer Bundesregierung waren, nicht all das an sozialen Maßnahmen umgesetzt, was von dieser Bundesregierung umgesetzt wurde, wie zum Beispiel die "Abfertigung neu" für Ihre Mitglieder, die Sie hier zu vertreten haben?! Warum haben Sie das nicht mit der SPÖ, mit Gusenbauer, mit Cap, mit Fischer und wie sie alle heißen gemacht?! Was hat Sie daran gehindert, Herr Kollege Verzetnitsch? (Abg. Verzetnitsch: Die ÖVP, wenn Sie es wissen wollen!)

Im Ankündigen sind Sie von der SPÖ einmal gut gewesen – aber heute sind Sie nicht einmal mehr das, was Kollege Gusenbauer ja bewiesen hat; darauf werde ich noch zurückkommen. Jetzt sind Sie schon im Ankündigen schwach, aber im Umsetzen waren Sie nie gut! – Das war diese Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kommen doch Sie von der SPÖ hier heraus und sagen Sie, warum Sie zugelassen haben, dass Frauen während Ihrer Regierungszeit diskriminiert wurden, dass Frauen, je nachdem welchen Beruf sie ausgeübt haben, und dass vor allem Frauen, die Hausfrauen oder Studentinnen waren, die also über kein eigenes Einkommen verfügt haben, diskriminiert wurden, als es um die Auszahlung von Kindergeld gegangen ist! Warum haben Sie das zugelassen?! Kommen Sie von der SPÖ hier heraus und erklären Sie das den Frauen, die eben jetzt, dank dieser Bundesregierung, Kindergeld bekommen! Kindergeld für alle! Kommen also Sie von der SPÖ hier heraus und erklären, warum Sie das nicht gemacht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Und vorher den Unfallrentnern weggenommen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warum musste die ÖVP/FPÖ-Bundesregierung – meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, Herr Kollege Gusenbauer, es wäre Ihnen gut angestanden, das auch zu sagen – die Familienbeihilfe erhöhen, die Behinderten-Milliarde einführen? (Abg. Verzetnitsch: Und wer hat es bezahlt?)

Warum, Herr Kollege Verzetnitsch, musste diese Bundesregierung die "Aktion Fairness" in die Tat umsetzen? Die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten sollte doch eigentlich ein hehres Ziel der Sozialdemokratie sein. – Die FPÖ aber hat das möglich gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie von der SPÖ haben 30 Jahre lang nichts in diese Richtung getan! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie von der SPÖ haben die Pensionsreformen vor sich hergeschoben! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Zehn Reförmchen, die nichts gebracht haben – außer ein Weniger an Pension! Ich erinnere Sie von der SPÖ in diesem Zusammenhang auch an Ihren Genossen Vranitzky mit


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seiner Pensionslüge! Das mit seiner Pensionslüge ist doch geschichtlich bewiesen! – Das also ist übrig geblieben von einer sozialdemokratischen Pensionspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Verzetnitsch: Sie haben die Arbeitslosigkeit erhöht ...!)

Weiters: Diese "großen Historiker" der Sozialdemokratie, die immer gewusst haben, dass es in Österreich notwendig ist, die Vergangenheit aufzuarbeiten, diese "großen Historiker", die hier sitzen und lange Zeit politische Verantwortung getragen haben, haben sich nicht an die Aufarbeitung der österreichischen Geschichte herangewagt. Sie haben zwar immer wieder gesprochen vom Beseitigen der braunen Flecken in der eigenen Partei, aber: Weder das eine noch das andere haben Sie getan, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Einmal mehr: Es hat eine FPÖ in der österreichischen Regierung gebraucht, damit diese Notwendigkeit realisiert werden konnte. Diese Bundesregierung von ÖVP und FPÖ hat die Vergangenheit aufgearbeitet, und zwar vorbildlich, was auch international anerkannt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Der Herr Stadler zum Beispiel! Den Herrn Stadler haben Sie gemeint? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Lenken Sie nicht ab, Herr Gusenbauer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es geschafft, und wir haben eine lange Liste mit Erfolgen, die zeigt, dass die notwendige Wende gelungen ist.

Wir werden diesen Wahlkampf dazu nützen, unsere Erfolge zu verkaufen. (Abg. Parnigoni: Das ist eine gefährliche Drohung!) Die Bürger wissen, dass es die FPÖ war, die diese Erfolgsliste möglich gemacht hat. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen Österreichs großes Interesse daran haben, dass Österreich auch weiterhin so erfolgreich regiert wird, wie das in den letzten zwei Jahren der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die FPÖ hat seinerzeit bewiesen, dass sie auch in ihrer Oppositionsrolle Wesentliches zur Verbesserung Österreichs beitragen kann. Vieles von dem, was wir gefordert haben, mussten Sie von der SPÖ, die Sie damals in der Regierung waren, auf unseren Druck hin umsetzen. Aber die FPÖ hat noch viel mehr bewiesen, dass sie auch hervorragend regieren kann. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) – Sie von der SPÖ hingegen haben 30 Jahre lang bewiesen, dass Sie nicht regieren können, und Sie haben zweieinhalb Jahre lang bewiesen, dass Sie auch in der Opposition schwach und unfähig sind! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: In 2,5 Jahren sieben Minister verschlissen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin stolz auf diese FPÖ! Sie hat die Wende möglich gemacht. Sie konnte den Staatshaushalt konsolidieren; sie hat den Reformstau beendet. (Abg. Parnigoni: 8 Milliarden € mehr Schulden!) Und, Herr Kollege Gusenbauer: Was die FPÖ versprochen hat, hat sie auch eingehalten und umgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch wenn es schwierig war, auch wenn Maßnahmen zum Teil unpopulär waren: In solchen Phasen – und das möchte ich auch unserem Regierungspartner sagen – hat die Freiheitliche Partei Einigkeit gezeigt, Herr Kollege Khol, hat die Freiheitliche Partei durchgetragen, was notwendig war, dass es eben durchgetragen wird. So haben eben auch die Ambulanzgebühr, auch die Solidaritätsregelung bei den Gebietskrankenkassen diese unsere Fraktion, diese unsere Funktionäre durchgetragen. Das muss auch einmal gesagt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Die FPÖ-Mandatare – und dafür möchte ich mich bedanken, und ich bin stolz darauf, Klubobmann dieser Fraktion zu sein –, dieser Klub, haben die Regierungsarbeit immer zu 100 Prozent unterstützt. Diese Bemerkung ist mir sehr, sehr wichtig.

Unsere Funktionäre haben die Regierungslinie immer voll mitgetragen. Und das zeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren – das alles sind Fakten –: Die FPÖ war, ist und bleibt auch


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weiterhin ein verlässlicher Partner für die Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe des Abg. Parnigoni. )

Ich glaube, mit niemand anderem könnte das besser zum Ausdruck gebracht werden als eben mit unserem Minister Reichhold, unserem designierten Parteiobmann. Ing. Reichhold hat als Minister bewiesen, dass er Probleme löst, die ein Einem, ein Scholten – erinnern Sie sich noch?, das waren auch Verkehrsminister, aber an diese kann man sich nur mehr sehr dunkel erinnern – jahrelang vor sich hergeschoben haben. Und wer war denn da noch? (Rufe bei der SPÖ: Forstinger!) Man vergisst sie so schnell, sie haben keine Spuren hinterlassen! (Neuerliche "Forstinger!"-Rufe bei der SPÖ.)

Kollege Gusenbauer, Sie von der SPÖ haben 30 Jahre lang keine Schiene gelegt – jetzt aber kommen Sie hier heraus und beschweren sich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) 30 Jahre lang haben Sie von der SPÖ keine Schiene gelegt! Das ist das Ergebnis Ihrer Verkehrspolitik. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mathias Reichhold hat gezeigt: Er sieht die Probleme, er packt sie an und löst sie! Er ist ein Macher! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich wende mich jetzt nicht an die Opposition, denn sie ist lernunfähig, sondern an die Menschen auf der Galerie, an die Menschen in Österreich: Mathias Reichhold hat innerhalb kürzester Zeit gezeigt (neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), dass er die Partei konsolidiert, dass er die Partei eint und dass er bereit ist, weiter Verantwortung zu tragen. (Rufe bei der SPÖ. Redezeit!) Mathias Reichhold wäre auch gerne bereit, eine Fortsetzung der bisherigen Regierungstätigkeit in Angriff zu nehmen, aber wir von den Freiheitlichen haben auch vor einer anderen Konstellation keine Angst.

Die österreichische Bevölkerung hingegen muss Angst bekommen, wenn es eine andere Koalitionskombination gibt. Ein rot-schwarzer Stillstand ist nicht gefragt und ein rot-grünes Experiment schon gar nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die FPÖ hat – das sollten alle wissen – trotz innerparteilicher Probleme dafür gesorgt, dass dieses unser Land ordnungsgemäß weiterregiert wird. Klar muss aber auch sein: Wir Freiheitlichen haben keine Angst vor dieser Wahl!, das möchte ich hier klar und deutlich feststellen.

Wir werden gemeinsam weiterarbeiten: mit einem Mathias Reichhold, einem Herbert Haupt, einem Dieter Böhmdorfer, einem Herbert Scheibner, einer Mares Rossmann, einem Reinhart Waneck, aber auch – es ist für mich wichtig, das zu sagen – mit einem Karl-Heinz Grasser, der gesagt hat, dass auch er zur Verfügung stehen wird, wenn es darum geht, einen freiheitlichen Erfolg sicherzustellen. Und auch Peter Westenthaler hat mir zugesagt, dass er in Simmering alles tun wird, damit die FPÖ weiterhin erfolgreich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Auch Susanne Riess-Passer, die bei den Nationalratswahlen in Tirol antreten wird, wird uns weiterhelfen. Wir werden mit all diesen hervorragenden Personen in den Wahlkampf ziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, um eben zu beweisen und den Leuten klarzumachen, wie wichtig die FPÖ für dieses Land ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schauen wir uns doch einmal die "Alternative" an: Der Spitzenkandidat der SPÖ bei diesen Nationalratswahlen hat sich ja gerade vorgestellt, ein Spitzenkandidat namens Alfred Gusenbauer. (Demonstrativer Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ.)

Alfred Gusenbauer ist also Ihr Spitzenkandidat, und er war es, der damals alles getan hat, um Österreich im Ausland zu vernadern! Das muss schon noch einmal in Erinnerung gerufen werden.


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Gusenbauer zu den EU-Sanktionen: Er stimme mit Barón Crespo überein, dass SPÖ und SPE voll und ganz hinter den Sanktionen der Vierzehn stehen; so Gusenbauer am 9. März 2000. (Buh-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer, der in Österreich gewählt werden will, vernadert Österreich im Ausland und trachtet danach, dass es diesem Land so schwer wie möglich gemacht wird, dass dieser Bundesregierung im Ausland Schwierigkeiten gemacht werden. (Abg. Dr. Stummvoll: Schande! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Ein Gusenbauer, der unser Land im Ausland schlecht gemacht hat, sollte dorthin zurückgehen, woher er gekommen ist, nämlich nach Krems – aber nicht als Spitzenkandidat bei dieser Wahl antreten!

Gusenbauer hat ja beispielsweise auch gesagt, dass diese Regierung dem Ansehen Österreichs in der Welt schadet (Rufe bei der SPÖ: Stimmt!) und deshalb weg muss. (Rufe bei der SPÖ: Stimmt!) Das sagte Gusenbauer am 11. März 2000. Ein Gusenbauer, der monatelang durch Europa gezogen ist, um unser Land schlecht zu machen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Spitzenkandidat der SPÖ, ein Spitzenkandidat, von dem seine Freunde sagen, dass er ein "wandelnder Kühlschrank" und "ohne Charisma" ist, jemand, für den "Freundschaft nichts zählt", jemand, der "gerade mal zum Parteisekretär taugt" und "nächstes Mal nur im Team antreten" und übernächstes Mal gar nicht mehr kandidieren darf! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das alles, meine sehr geehrten Damen und Herren, sagten Gusenbauers Freunde: Toni Leikam, Altbürgermeister Zilk, Peter Keppelmüller, Frau Burgstaller, die Zukunftshoffung der SPÖ, sowie noch einmal Altbürgermeister Zilk. "Wandelnder Kühlschrank", "nur im Team antreten", "übernächstes Mal gar nicht mehr kandidieren", "gerade mal Parteisekretär", aber nicht mehr Spitzenkandidat! – So Gusenbauer nach Einschätzung seiner Parteifreunde! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber nicht nur seine Freunde denken so über ihn: Christoph Kotanko schrieb im "Kurier" über die Aussicht der Gusenbauer-SPÖ: "Konkurrent ohne Konzept". Und Gusenbauer hat nachweislich kein Konzept. Gusenbauers Markenzeichen ist die programmatische Ziellosigkeit. Eine kleine Auswahl: Die solidarische Hochleistungsgesellschaft war sein Ziel. – Kritik aus der Partei. – Rückzieher!

Zuerst vehemente Ablehnung des Nulldefizits, dann: in der Verfassung verankern, dann Kritik aus der Partei. – Rückzieher!

Zuerst Kritik an Einführung des Pflegegeldes. – Kritik aus der Partei. – Rückzieher! Zuerst Kritik an der Einführung des Pflegegeldes, dann (Rufe bei den Freiheitlichen: Rückzieher!), genau: Rückzieher! Zuerst bekämpft er das Kindergeld, dann (Rufe bei den Freiheitlichen: Rückzieher!), genau: Rückzieher! Aber auch als Fußballer, Kollege Gusenbauer, würdest du keine gute Figur machen, das habe ich schon gesehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weitere Gusenbauer-Flops: Abschaffung der Koedukation und Einführung des Mehrheitswahlrechtes. – Das war nur eine kurze Auflistung der Wirrnisse des Alfred Gusenbauer aus den jüngsten Wochen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch kurz zu den Grünen, meine sehr geehrten Damen und Herren ... (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme schon zum Schlusssatz, Herr Präsident.

Kurz zu den Grünen, damit die Österrreicherinnen und Österreicher wissen, was dann kommt: Konsumräume für Heroinsüchtige sofort einrichten, kontrolliertes Modell für Heroinkonsum, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das klingt nicht nach dem Schlusssatz, Herr Abgeordneter!


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Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer
(fortsetzend): ... Liberalisierung von Cannabis und so weiter. Die Grünen wollen Österreich zum Hort für illegale Ausländer und Drogensüchtige machen. Rot-Grün? – Nein, danke! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Gleiche Redezeit. – Bitte. (Abg. Parnigoni  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Khol –: Etwas mehr Niveau, Herr Kollege!)

9.54

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Sie haben es alle gemerkt: Der Wahlkampf hat begonnen! Die Österreicherinnen und Österreicher werden in der nächsten Zeit eine Richtungsentscheidung zu treffen haben, und zwar die, ob sie Alfred Gusenbauer oder aber Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler haben wollen. (Rufe bei der ÖVP: Wolfgang Schüssel!)

Meine Damen und Herren, Sie alle haben gestern unseren Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Chef eines erfolgreichen Teams gehört (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), und Sie alle haben gestern beziehungsweise auch heute Alfred Gusenbauer gehört. Gusenbauer, ein Mann, der bis jetzt keine Erfolge aufzuweisen hat und dessen Team, das so genannte Schattenkabinett, auch nicht zu einem "Kabinett des Lichts" wurde, sondern ein unbekanntes ist.

Meine Damen und Herren! Wenn man heute Alfred Gusenbauer zugehört hat, dann glaubt man, in einem anderen Land zu leben. Außer Krankjammern und Realitätsverweigerung habe ich von ihm keinen einzigen Satz zur Zukunft unseres Landes gehört! – Und dieses Land hat Zukunft, dieses Land braucht Visionen, und dieses Land braucht Führung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Dieses Land hat sich keinen Khol verdient! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben gestern den ganzen Tag über die Bilanz der Regierungsarbeit beraten. Wir haben gestern, auf Grund der Notwendigkeit, nach diesem Jahrhundert-Hochwasser in Österreich unseren notleidenden und tief getroffenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu helfen, ein Wiederaufbau- und Hochwasserhilfepaket angenommen, das Milliarden Euro bewegt, um allen betroffenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wieder ein Dach über dem Kopf geben zu können und ihnen klarzumachen, dass wir zu ihnen stehen, dass wir ihnen helfen, dass wir wollen, dass es ihnen gut geht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gestern haben wir hier ein Konjunkturbelebungspaket beschlossen, mit dem Lehrlingsstellen, Lehr- und Ausbildungsplätze für 5 000 junge Menschen bereitgestellt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Viel zu spät! Leider! – Abg. Dr. Jarolim: Verhöhnen Sie die Menschen nicht!)

Wir haben ein Investitionspaket beschlossen. Ebenso gibt es Anreize für die Wirtschaft: ein umfangreiches Paket, dem Sie gestern zugestimmt haben. Herr Gusenbauer, so schlimm kann es gestern nicht gewesen sein! Sie von der SPÖ sind alle aufgestanden und haben unserem Konjunkturpaket, unserem Paket zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zugestimmt!

Herr Gusenbauer! Sie haben gestern der Vizekanzlerin dieses Teams Applaus gespendet. – So schlimm kann es nicht gewesen sein, wie Sie es jetzt geschildert haben! Entweder hatten Sie gestern Realitätsverlust, oder Sie haben heute Realitätsverlust. Ich glaube, eher heute. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Heute hat er den!)

Unser Land ist in den letzten zweieinhalb Jahren stärker geworden, ist jetzt gerechter geordnet. Dieses unser Land ist durch unsere Regierungstätigkeit erfolgreicher geworden. Wir hatten noch nie so viele Beschäftigte in unserem Land wie heute. (Rufe bei der SPÖ: Wollen Sie die Leute pflanzen?)


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117. Sitzung / Seite 19

Es gab in unserem Land noch nie so viele Zukunftsperspektiven für unsere jungen Menschen, wie das eben heute der Fall ist. Österreich ist in den letzten zweieinhalb Jahren im internationalen Rangvergleich um fünf Plätze vorgerückt. Österreich ist das Spitzenland in Bezug auf Lebensqualität, das Spitzenland in Bezug auf Produktivität. Österreich ist ein Land, das allen seinen Menschen eine gerechte und schöne Heimat bietet. Und das wollen Sie krankjammern, Herr Gusenbauer?! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ich werde mich noch mit Ihnen beschäftigen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Es war wohltuend, die Rede von Karl Schweitzer zu hören. (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das glaube ich schon, dass Sie da lachen, denn Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, sind zu keiner Selbstkritik fähig, und Sie sind auch zu keiner realistischen Beurteilung der Dinge fähig. Ich habe großen Respekt vor Karl Schweitzer, der hier erklärt hat, warum wir die erfolgreiche Arbeit eines erfolgreichen Regierungsteams vorzeitig beenden müssen, warum wir das machen mussten. Respekt, Karl Schweitzer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist nämlich nicht leicht, Entwicklungen in der eigenen Partei von diesem Rednerpult aus qualifizieren zu müssen. Dazu gehören Abstand und Niveau.

Meine Damen und Herren! Natürlich hätten wir von der Österreichischen Volkspartei die Arbeit mit diesem erfolgreichen Team der Freiheitlichen Partei gerne fortgesetzt, aber wir konnten das nicht tun, und so wie Karl Schweitzer haben uns das auch die Frau Vizekanzlerin und drei ihrer Kollegen, die wichtigsten Pfeiler der Regierung, mitgeteilt: die Frau Vizekanzlerin eben, der Finanzminister, der Infrastruktur- und Verkehrsminister und der Klubobmann. Darauf ruht eine Regierungspartnerschaft.

Sie haben uns mitgeteilt, auf Grund der inneren Entwicklungen in der Freiheitlichen Partei – Delegierten-Konvent in Knittelfeld – können sie nicht mehr für die Durchführung des Regierungsprogramms garantieren. Das ist der Grund! Das ist der Grund dafür, dass wir vor der Zeit aufhören müssen. Wir tun es nicht gerne, wir hätten gerne noch ein Jahr auf der Grundlage dieses Programms gemeinsam mit Susanne Riess-Passer und dem Team der Freiheitlichen Partei regiert. Aber wenn das Regierungsprogramm nicht eingehalten werden kann und es um zwei zentrale Punkte dieses Regierungsprogramms geht, dann muss es Konsequenzen geben.

Erstens geht es um die Wiedervereinigung Europas, ein Jahrhundertwerk. – Jawohl, Herr Gusenbauer, wir stehen zu diesem Jahrhundertwerk. Wir haben gemeinsam hier – alle Parteien, mit Ausnahme der Grünen – eine entsprechende Resolution angenommen, und wir treffen die Vorbereitungen im Verkehrsbereich. Ich nehme ein kleines Kapitel, die Schwarzarbeit, heraus, weil Sie gemeint haben, wir hätten da nichts getan: Wir haben eine neue Schwarzarbeitsbekämpfung aufgestellt, haben die 45 Einsatzteams verdoppelt, haben Zollwache, Gendarmerie auf diesem Gebiet zusammengelegt und somit eine wirksame Schwarzarbeitsbekämpfung eingerichtet. – Sie haben Realitätsverlust, Herr Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eine erfolgreiche Regierungsarbeit führt zur Vorbereitung der Wiedervereinigung Europas – für uns ein Herzstück unserer Regierungsarbeit und für uns eine Perspektive des Friedens, des Fortschritts, der Freundschaft über die Grenzen hinweg. Das war in Frage gestellt. Wenn ein Wiener Landesparteiobmann, und zwar Kabas, vor den Delegierten unter jubelndem Beifall sagt: Mit uns wird es keine EU-Erweiterung geben! (Abg. Jung: Ohne Wenn und Aber! Das ist nicht wahr! – weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen)  – berichtet wurde es so –, so ist das für uns ein Grund zur Überprüfung.

Wenn es eine Festlegung gibt, dass man vom Herzstück der Regierungsarbeit, einer Finanz- und Schuldenpolitik ohne Neuverschuldung, abgeht, so ist auch das für uns ein Grund, die Dinge zu überprüfen.

Wenn das Personalkonzept nicht stimmt, wenn wichtigste Träger dieser Arbeit sagen, sie stellen ihr Amt zur Verfügung, dann müssen wir ganz einfach das Land fragen: Wie soll es


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weitergehen? Wie soll diese Richtungsentscheidung ausschauen? – Das ist der Grund dafür, dass wir wählen, das ist der Grund dafür, dass es vorgezogene Neuwahlen gibt. (Ruf bei der SPÖ: Bleiben Sie in der Wüste!)

Meine Damen und Herren! Wir von der Volkspartei haben klare Zielsetzungen für die folgenden Auseinandersetzungen, wenn es darum geht, wohin dieses Land geht. Das wird eine Richtungsentscheidung sein; und mit uns wird es einen Salto rückwärts, eine Wende rückwärts nicht geben. Wir werden diesen Reformkurs, der Österreich international und staatlich so gefestigt hat, fortsetzen, und zwar mit jenen Partnern, die wir dafür finden. Welche Partner das sein werden, das wird die Wahl entscheiden.

Wir wollen den Wiederaufbau unserer Heimat, damit jeder wieder ein Dach über dem Kopf hat, vollenden. Das ist unsere erste und wichtigste Zielsetzung. Unsere zweite Zielsetzung, meine Damen und Herren, ist Beschäftigung für die Jugend, Beschäftigung für die Menschen in unserem Lande durch den Ausbau des Wirtschaftsstandorts, durch das Schaffen von gerechten Arbeitsbedingungen. Wir wollen den Höchststand der Beschäftigung halten und auch unseren Spitzenplatz bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit halten. Das ist unsere zweite wichtige Zielsetzung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Unsere dritte Zielsetzung, meine Damen und Herren, ist die Wiedervereinigung Europas, das Herzstück auch dieser Regierungsarbeit. Die Grenzen sollen verschwinden, wir wollen mehr Sicherheit. Wir wollen den Außenschutz der EU von unseren Grenzen weit in den Osten hinein verschieben und werden dadurch sicherere Grenzen haben. Wir wollen einen Wirtschaftsraum öffnen, und wir wollen dabei unsere Landwirtschaft sichern. Das heißt, wir wollen unter den richtigen Bedingungen die Wiedervereinigung Europas mit Vorsicht, aber Zuversicht vorbereiten und durchführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der vierte Schwerpunkt, meine Damen und Herren, ist die Fortführung einer Finanzpolitik, die Österreich von der Last des Schuldenrückzahlens, der dafür zu zahlenden Zinsen mittelfristig befreit. Wir wollen die Trendumkehr, die diese Regierung bewirkt hat, nämlich dadurch, dass wir eisern gespart haben, dass wir eine Verwaltungsreform durchgeführt haben, dass wir überall Kosten-Nutzen-Rechnungen angestellt haben, dass wir neue Wege gegangen sind, beibehalten, wir wollen diese neue Finanzpolitik weiter machen, nach Möglichkeit nach den gleichen Grundsätzen, unter denen sie diese Regierung jetzt gestaltet hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der fünfte Punkt ist die Gesundheitsvorsorge. Wir stehen bei der Reform des Gesundheitssystems erst am Anfang. Wenige Menschen wissen, dass wir für den gesamten Bereich der sozialen Sicherheit noch einmal fast zwei Drittel von dem ausgeben, was wir im gesamten Staatshaushalt ausgeben. Das sind sehr, sehr große Summen Geldes. Hier zu rationalisieren und gleichzeitig unser hervorragendes Gesundheitssystem in Zusammenarbeit von Gemeinden, Ländern, Bund und Krankenanstaltenträgern so zu gestalten, dass jeder in diesem Land ein Spitalsbett hat, wenn er eines braucht, eine Operation bekommt, wenn er sie braucht, das ist unser Ziel. Solche Zustände wie in England, wo die Sozialisten regieren, wo man monatelang, ja jahrelang auf Operationen warten muss, wollen wir sicherlich nicht. (Abg. Dr. Gusenbauer: Eine Chuzpe ist das! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Engländer kaufen sich im Augenblick Operationsplätze in Österreich und in Deutschland, weil sie selbst ein Gesundheitssystem haben, das unfähig ist, den Bedürfnissen der Bevölkerung zu entsprechen. Sozialistische Zustände wollen wir nicht, sondern wir wollen ein leistungsfähiges Gesundheitssystem! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat gestern gesagt, dass wir zum Glück unsere Finanzen so geordnet haben, dass wir den vielen Senioren im Land, den Pensionistinnen und Pensionisten, eine gerechte Erhöhung ihrer Pension, die Inflationsabgeltung in diesem Jahr sichern können. (Ruf bei der SPÖ: Wahlzuckerl!) Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir der älteren Generation, die dieses Land aufgebaut hat, die dieses Land trägt, nach Jahren sozialistischer Misswirtschaft auf diesem Gebiet Gerechtigkeit zukommen lassen. (Beifall bei der


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ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edler: Und was habt ihr ihnen weggenommen? – Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Meine Damen und Herren! Es geht uns auch um die innere und äußere Sicherheit. Wir wollen die rot-weiß-rote Sicherheitspolitik von Ernst Strasser fortsetzen: mehr Sicherheit, weniger Kriminalität. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wir wollen auch die Initiative Justizpolitik, die Minister Böhmdorfer vorgelegt hat, weiter verfolgen. Er ist der erste wirklich gestaltende Justizminister seit Christian Broda – alle anderen waren Beamte. Er hat gestaltet. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Es war umstritten, was er gemacht hat, und vieles von seinen Vorhaben ist noch unvollendet, aber wir wollen die Justizreform weiterführen, denn sie ist für die Sicherheit unseres Landes wichtig. Die Richterinnen und Richter sind für unser Land ebenso wichtig wie die Gendarmerie, die Polizei, die Sicherheitsexekutive. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir stehen, meine Damen und Herren, auch zur Landesverteidigung. (Abg. Edler: Wir auch!) Auch das muss gesagt sein. Auch in diesem Bereich wollen wir nach den Entscheidungen, die getroffen wurden, in der nächsten Legislaturperiode viele Dinge, die jetzt auf Eis gelegt wurden, neu überprüfen, neue Konzepte entwickeln, denn mit der Sicherheit unseres Landes wollen wir nicht spielen; wir tragen Verantwortung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das sind die Wegmarken, an denen sich unser Kurs orientiert, und wir werden sehen, wie sich nach der Wahl die Situation darstellt. Man fragt uns immer: Mit wem werdet ihr diese Politik verwirklichen?, man stellt uns immer die berühmte Koalitionsfrage. Heute gehen wir Koalitionen nur mit den Wählerinnen und Wählern ein! Das ist die Koalition! Das ist unsere Antwort auf diese Frage.

Jetzt wird gewählt, dann wird gezählt, und dann werden wir Partner suchen, die diesen Reformkurs mit uns mittragen. Eine Wende rückwärts, einen Salto mortale nach rückwärts à la Gusenbauer kann ich mir nicht vorstellen, aber es gibt Vernünftige in Ihren Reihen. (Abg. Wochesländer: Aber wenige, ganz wenige!)

Meine Damen und Herren! Die Richtungsentscheidung ist klar, es geht um den Kurs, und es geht um den Steuermann. Wenn wir uns, was den Kurs betrifft, an dem orientieren wollen, was der Kanzlerkandidat Gusenbauer anbietet, so muss ich sagen – Karl Schweitzer hat mir eigentlich die Pointe schon weggenommen, meine Analyse ist völlig gleich –: Das ist ein Zickzack! Gusenbauer hat kein Team. Er ist Alleinunterhalter seiner Fraktion. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Noch dazu ein schlechter! – Abg. Neudeck: Er ist mehr allein als Unterhalter!) Wer neben ihm steht, das wissen wir nicht.

Sein erster Antrag hier in diesem Hohen Hause war der Antrag auf Steuererhöhung. Er hat ihn dann verbessert; Karl Schweitzer würde sagen, zurückgezogen.

Das Nächste war das Nulldefizit. Dann war es die solidarische Hochleistungsgesellschaft. – Er wurde sofort korrigiert.

Dann wollte er das Mehrheitswahlrecht einführen. (Abg. Dr. Pumberger: Rückzieher!) Das war für seinen zukünftigen Koalitionspartner natürlich nicht sehr ermutigend, daher hat Van der Bellen die Stirn gerunzelt. Herr Gusenbauer braucht ihn, daher hat er dieses Ansinnen wieder zurückgezogen, ist ja klar.

Dann verlangte er die Abschaffung der Bezirksverwaltungsbehörden (Abg. Dr. Pumberger: Rückzieher!)  – gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bezirksverwaltungsbehörde der Ankerpunkt für die Hochwasserhilfe war, zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Betroffenen zur Bezirkshauptmannschaft gegangen sind und dort Hilfe und Unterstützung gefunden haben. (Abg. Mag. Schweitzer: Das war der Höhepunkt der Dumpfbackenpolitik!) Er will sie abschaffen, weil es dort zu wenig Sozialdemokraten gibt. Das ist ja der alte Grund dafür.


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Nächster Punkt: Nulldefizit. – Zuerst war er dagegen. Dann hat er gesehen, in den Zeitungen kommt das ganz gut an, auf einmal war er dafür, und zwar wollte er das Nulldefizit in der Bundesverfassung verankert haben. – Dann wieder zurückgepfiffen.

Herr Gusenbauer! Heute habe ich gewartet und gewartet. Ich hätte Ihnen gerne eine um eine halbe Stunde längere Redezeit gegeben, wenn Sie mir versprochen hätten, dass Sie uns sagen, wie Ihr Kurs ist, wohin die Reise geht. Von Ihnen wissen wir es nicht. Aber von Ihrem Partner, von Herrn Van der Bellen, kennen wir den Kurs und kennen wir auch die Mannschaft. Vom Herrn Van der Bellen wissen wir es, er hat von diesem Rednerpult aus gesagt: Ja, ich bin für die Freigabe der weichen Drogen, Haschisch. – Nicht mit uns, Herr Van der Bellen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Er hat von diesem Rednerpult aus gesagt: Für jeden PKW-Kilometer, den ein Pendler zurücklegt – er hat es nicht so spezifiziert –, einen Mautzuschlag zwischen 3 und 6 Cent. Das bedeutet also für jeden Pendler eine Verdreifachung seiner Reisekosten. – Nicht mit uns! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das stimmt nicht! – Abg. Dr. Glawischnig: Falsch zitiert!)

Sein Sozialexperte, der immer sehr hart und radikal im Sinne von "an die Wurzel gehend" formulierende Karl Öllinger, hat in einem Zeitungsartikel in der Zeitung "Die Presse" die Abschaffung der Witwenpension verkündet. Meine Damen und Herren vor den Fernsehern, fürchten Sie sich nicht! Zu dieser rot-grünen Koalition, durch die dann die Witwenpensionen gefährdet sind, wird es nicht kommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Von Van der Bellen kennen wir den Kurs. Wir kennen auch den Innenminister: Peter Pilz. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ja, nicht lachen, das ist ernst! Es hat auch niemand geglaubt, dass ein Joschka Fischer Außenminister werden wird. Das heißt also, meine Damen und Herren, auf der einen Seite ist das Team nicht vorhanden, auf der anderen Seite gibt es einen Kurs, den wir nicht wollen. Bei uns ist das anders!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (fortsetzend): Bei uns ist das anders, Herr Präsident: Wir kennen den Kurs. Wir kennen das Schiff. Wir haben die Mannschaft. Wolfgang Schüssel wird Bundeskanzler bleiben! (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Die Uhr ist auf 20 Minuten eingestellt. – Bitte.

10.15

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Klubobmann Khol, ich finde es bemerkenswert, dass Sie immer von der "Mannschaft" (Abg. Dr. Khol: Wenn Sie die Liesl Gehrer sehen, wissen Sie, dass wir auch eine "Frauenschaft" haben!) des Herrn Klubobmannes Van der Bellen sprechen. Es gibt auch eine "Frauschaft" bei den Grünen. Aber es ist natürlich das, was die ÖVP immer vergisst: die Frauen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kiss: Haha, unglaublich originell!)

Zurück zum Thema des heutigen Tages. Wir haben heute und gestern schon sehr ausführlich die Bilanz dieser verblichenen Bundesregierung behandelt. Wir haben einzelne Themen sehr ausführlich diskutiert, einzelne Problembereiche diskutiert. Ich möchte heute diese Bilanz mit einem generellen Rückblick abschließen, was von dieser verblichenen Bundesregierung blieb, und dann in einem zweiten Teil darauf eingehen, was wir denken, was ich denke, was jetzt für Österreich notwendig ist, welche Prioritäten gesetzt gehören und worauf es ankommt, um Österreich auf einen neuen Kurs zu steuern.


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Im Gegensatz zum Herrn Khol glaube ich nicht, dass die Wende rückwärts bevorsteht, ich glaube, dass diese gerade stattgefunden hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unser Bild von Österreich sollte eines sein, das weltoffen ist, das gesellschaftsliberal ist, das Nachhaltigkeits-, Bildungs- und Umweltfragen in den Vordergrund stellt, das sich nicht mit seinen Nachbarn zerstreitet, das eine europäische Politik macht, die einen auch stolz machen kann, und das steht alles in einem fundamentalen Gegensatz zu den letzten zweieinhalb Jahren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Haschisch auf Krankenschein!)

Die Dinge, die unter dem Strich für mich und auch für viele Menschen in Österreich übrig geblieben sind, sind auf der einen Seite der Schweigekanzler, der zu vielen Angriffen, der zu autoritären, demokratiefeindlichen Tendenzen immer geschwiegen hat, und auf der anderen Seite das Nulldefizit, das zu einem Fetisch erhoben worden ist, wofür viele Menschen in Österreich – unter Anführungszeichen – "bluten" mussten und wodurch letztendlich auch ausgedrückt worden ist: Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Es ist das die Auflösung eines solidarischen Prinzips. Die Zielsetzung im Nachhaltigkeitsplan dieser Bundesregierung, die Steuer- und Abgabenquote zum Beispiel auf 40 Prozent zu senken, ist genau diese Aufkündigung einer solidarischen Gesellschaft, einer Weiterentwicklung des Bildungssystems, des Sozialsystems, des Gesundheitssystems, der wir eine deutliche Absage erteilen wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: In Ihrer Partei hat man gerade das Wahlrecht der Basis abgeschafft! Da wird nicht mehr gewählt, da wird eingesetzt!)

Das Nulldefizit ist jetzt vielleicht für ein Jahr zustande gekommen, im Grunde sind die großen Reformen völlig ausgeblieben; das Stichwort "Aufgabenreform" ist gefallen. Ich habe nichts gesehen von einer Bundesstaatsreform, ich habe nichts gesehen von einer offensiven Verwaltungsreform. Aufgabenkritik ist da angebracht, denn wesentliche Fragen sind in diesem Bereich völlig unerledigt geblieben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte eine Forderung, die auch immer wieder in den letzten zweieinhalb Jahren in Richtung der alten Bundesregierung erhoben worden ist, nämlich einen Kassasturz zu machen, jetzt auch an den Finanzminister Grasser richten: Wo ist eigentlich Ihr Kassasturz? Sie waren ja im Sommer, glaube ich, nicht auf Urlaub. Was ist eigentlich in all dieser Zeit geschehen? Warum gibt es kein Budgetprovisorium? Warum gibt es nicht einmal eine aktuelle Information über den gegenwärtigen finanziellen Stand dieser Republik? (Abg. Dr. Martin Graf: Ein Budgetprovisorium gibt es immer! Das steht in der Verfassung!) Ich fordere diesen Bundesminister auf, einen Kassasturz vorzulegen. Ansonsten bleibt nur ein einziger Eindruck übrig, nämlich dass es hier einen Finanzminister gegeben hat, der, anstatt mit Wirtschaftsforschungsinstituten und auch mit der Opposition zusammengearbeitet zu haben, nur Werbung und PR gemacht hat und sonst nichts. (Beifall bei den Grünen.)

Das zweite große Erinnerungsstück dieser verblichenen blau-schwarzen Regierung: der Schweigekanzler. Machtgierig, machthungrig: Diese Eigenschaften schreibt ihm die Bevölkerung sehr stark zu. Das Einzige, was jetzt von der ÖVP gekommen ist: Schüssel muss Kanzler bleiben! Ich glaube, darauf kommt es nicht an, es geht um einen Politikwechsel. (Beifall bei den Grünen.)

Das Schweigen zu den autoritären, antidemokratischen Tendenzen, die es gegeben hat, wird, so denke ich, in ganz Europa von diesem Kanzler stark in Erinnerung bleiben. (Abg. Dr. Martin Graf: Bei der grünen Partei! Da wird nicht mehr gewählt, da wird eingesetzt!)

Ich möchte nun auf etwas eingehen, was mir sehr wichtig ist: Es war heute bei den ersten Politikreden hier wieder etwas sichtbar, was, wie ich meine, viele Leute in Österreich nicht mehr ertragen können und wollen, und das ist der Stil. Ich denke, nicht nur der Inhalt ist wichtig, sondern auch der Stil. Wir wollen einen Politikwechsel nicht nur von den Inhalten her, sondern auch vom Stil her, Herr Kollege Schweitzer. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Böhacker: Sagen Sie das Ihrem Kollegen Pilz!)


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Ihre Rede, Herr Klubobmann Schweitzer, war ein Beispiel dafür, wie man miteinander nicht umgehen soll. Viele Menschen verstehen überhaupt nicht, warum Politiker – und damit sind vor allem Vertreter der FPÖ-Fraktion gemeint – mit anderen Menschen in einer Weise umgehen, in welcher sie in einem normalen Umgang nie miteinander sprechen würden. Ich finde, dass das eine Verrohung der politischen Kultur ist. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben diesen politischen Streit beziehungsweise diese politische Streitkultur auf die Spitze getrieben, und zwar letztendlich dann auch in Ihrer eigenen Partei. Wir wollen, dass es da einen Wechsel gibt und dass das grundsätzliche Prinzip sowohl gegenüber den Bürgerinnen als auch hier in diesem Hohen Haus ein Prinzip des Respekts und des seriösen Umgangs miteinander ist. Wir wollen einen Politikwechsel nicht nur vom Inhalt her, sondern auch vom Stil her. (Abg. Dr. Pumberger: Wer Grün wählt, der wählt Gusenbauer!)

Das Zweite, was mir sehr wichtig ist, ist Folgendes: Ich glaube, dass vor allem junge Menschen darunter leiden, dass unverständlich ist, was wirklich die politischen Leitlinien sind, und dass stattdessen sehr viel Aggressivität in der Politik vorhanden ist. Das führt mittelfristig zur Politikverdrossenheit und zu einer Schwächung der Demokratie. Ich glaube aber, dass wir gerade jetzt auch den jungen Leuten schuldig sind, da einen anderen Weg einzuschlagen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und Gegenrufe bei den Grünen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Vielleicht kann man für ein bisschen Ruhe sorgen! (Abg. Großruck: Scheinheiligkeit!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Großruck, bitte, bitte, bitte! (Abg. Großruck: Scheinheiligkeit! Das ist scheinheilig!) So reden wir nicht miteinander! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Abgeordnete, setzen Sie bitte fort!

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen mehr Unabhängigkeit in der Politik. Gerade die ÖVP muss sich fragen, die jetzt über Jahrzehnte hinweg extrem viele Machtpositionen in dieser Republik besetzt hat, ob sie noch eine unabhängige Partei ist. Ich spreche jetzt nicht nur von Positionen, die von Parteien besetzt werden, wie zum Beispiel Positionen von Landeshauptleuten, die in manchen Länder schon über hundert Jahre von derselben Partei besetzt werden, zum Beispiel in Vorarlberg (Abg. Mag. Kukacka: Stellen Sie die Demokratie in Frage! Das ist doch absurd! Das ist total absurd!), sondern ich meine vor allem all die parteinahen und staatlichen Institutionen, die Sie über Jahre hinweg mit Vertretern Ihrer Fraktion besetzt haben. Ich möchte, dass das in Österreich ein Ende nimmt. Sie sollten sehr stark überdenken, ob diese Proporzpolitik in Zukunft noch fortgesetzt werden soll oder nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Wir Grünen wollen mehr Unabhängigkeit und mehr Kompetenz in Sachfragen. Wir haben in Österreich jetzt sieben Ministerwechsel hinter uns gebracht. In Wirklichkeit waren es neun, denn zwei sind vom Bundespräsidenten erst gar nicht angelobt worden. (Abg. Dr. Pumberger: Wie viele waren es in Deutschland?) Viele waren restlos überfordert. Es ist bei manchen Inkompetenz zutage getreten, und das ist im Grunde genommen ein Nicht-ernst-Nehmen der politischen Verantwortung, die mit so etwas einhergeht. (Abg. Kiss: Die Arroganz der Jugend spricht aus Ihnen!) Kompetenz in Sachfragen und Seriosität bei der Problemlösung sind etwas, was wir in Zukunft dringend brauchen. (Beifall bei den Grünen.)

Das Dritte, was mir wichtig ist, ist Menschenorientierung statt Lobby-Orientierung. Wenn man sich die Belastungswelle dieser Regierung ansieht, dann kann man ein sehr deutliches Ungleichgewicht erkennen. Beispiele: Studiengebühren, Unfallrentenbesteuerung, Ambulanzgebühren. Im Wesentlichen haben wir uns in den letzten zweieinhalb Jahren bei der Steuerreform schon in Richtung einer Flat tax entwickelt, die der Herr Kollege Prinzhorn immer wieder eingefordert hat. Es ist von der Seite der Umverteilung her seither völlig in die falsche Richtung gegangen. Den großen Teil der Steuererhöhungen haben die Bezieher der kleinen und untersten Einkommen gezahlt, was für diese überproportional belastend war, nämlich die gesamte Anhebung der Massensteuern.


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Auf der anderen Seite sind Steuerprivilegien erweitert worden, wie zum Beispiel die Stiftungsprivilegien. Da fragt sich doch jeder in Österreich: Warum muss ich als Bezieher eines geringen Einkommens so viel mehr zahlen als ein sehr reicher Mensch oder eine Stiftung in Österreich?

Dazu kommt noch die Abfangjägerbeschaffung. Das passt alles nicht zusammen und bringt Folgendes zum Ausdruck: Eine Umverteilung, eine Solidarität war dieser Regierung nicht wichtig. Uns hingegen ist es wichtig! (Beifall bei den Grünen.)

Zu der fehlenden Menschenorientierung dieser Bundesregierung kam noch der anhaltende Widerstand – und der kam vor allem von Seiten der ÖVP –, zu verhindern, dass Menschen auf Grund ihrer geschlechtlichen Orientierung benachteiligt werden. Dass Menschen auf Grund ihrer geschlechtlichen Orientierung und auf Grund von Liebesbeziehungen ins Gefängnis müssen, das ist wirklich ein sehr trauriges Kapitel. In ganz Europa wurden wir dafür kritisiert und verurteilt, aber immer noch haben solche Menschen nicht die Möglichkeit, in den Bereichen Mietrecht und Wohnungseigentum ganz normal zu leben, so zu leben wie andere Menschen auch. (Abg. Dr. Fekter: Haben Sie das alles auch wirklich verstanden?) Es soll sich vor allem die ÖVP fragen, warum sich so wenig Menschenorientierung auch für Menschen, die etwas anders sind, gezeigt hat. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hornek: Das ist unrichtig!)

Nächster Punkt: Gemeinnützigen Organisationen, den NGOs in Österreich, Umweltorganisationen, karitativen Organisationen, Helferinnen und Helfern, denen haben Sie mit Ihren Paketen in den letzten zweieinhalb Jahren das Leben schwer gemacht. Im Einzelnen brauche ich die Dinge jetzt nicht aufzuzählen, aber es sind solche Dinge darunter wie zum Beispiel, dass man den Postversand für ihre Spendenwerbungen extrem verteuert hat, dass man sie de facto in brave und in böse NGOs unterteilt hat. Ich denke, gemeinwirtschaftlich wirtschaftende Organisationen, die sich für Werte einsetzen, die sich für Umweltschutz einsetzen, die sich für Frauenberatungsstellen einsetzen, verdienen einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Ich habe es daher nie verstanden, dass eine Partei, die die Bürgergesellschaft predigt, gerade gegenüber diesen Organisationen solch einen harten Kurs gefahren ist. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Prammer. )

Unsere Leitlinien sind folgende – ich möchte sie in drei großen Grundzügen beschreiben –: Das Wichtigste für eine grüne Partei ist natürlich die Nachhaltigkeit, das heißt, ein verantwortungsbewusstes Leben und Wirtschaften mit unseren natürlichen Ressourcen, mit der Natur, und da gehört viel dazu. Da gehört ein völliger Paradigmenwechsel in wesentlichen wirtschaftspolitisch relevanten Bereichen dazu, zum Beispiel in der Verkehrspolitik. Dazu gehören innovative Wirtschaftspolitik, auch betreffend Infrastrukturfragen, aber dazu gehört auch die Investition in Bildung. All das gehört zu diesem großen Begriff "nachhaltige Gesellschaft" jedenfalls dazu.

Sie haben zwar in den letzten zweieinhalb Jahren keine Gelegenheit ausgelassen, zu betonen, wie wichtig Ihnen Bildungsinvestitionen sind, aber die großen Ziele, die wir uns gesetzt haben, zum Beispiel die Anhebung der Forschung- und Entwicklungsquote in Österreich, wurden nicht erreicht. (Abg. Großruck: Falsch! Das ist die Unwahrheit!) Viele Studierende können Ihnen ein Leidlied davon singen, was die Studiengebühren für sie bedeuten. Viele VolksschullehrerInnen und viele HauptschullehrerInnen können Ihnen ein Lied davon singen, was die Kürzungen bedeutet haben. Das muss ein Ende haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nächster Punkt: Nachhaltigkeit für künftige Generationen. Das zweite große Leitprinzip, das wir einbringen wollen, ist das Bekenntnis zu einem starken Sozialstaat, das Bekenntnis zur sozialen Sicherheit, aber ohne Bevormundung. Es müssen individuelle Lebensentwürfe sehr viel stärker möglich werden, und auch das Bekenntnis zu einem starken Sozialstaat muss Wirklichkeit werden. Geld, das in den Erhalt und in den Ausbau von Sozialsystemen, Bildungssystemen und Gesundheitssystemen investiert wird, ist gut investiert. Es ist der Staat nicht immer nur schlecht, so wie Sie das die letzten zweieinhalb Jahre mit sehr viel Brutalität immer wieder formuliert haben, nämlich, der Staat per se sei schlecht. Das ist nicht so! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Edlinger. )


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Meine Damen und Herren! Öffentlich Bedienstete sind keine Schmarotzer, sondern sie leisten einen wertvollen Beitrag und eine wertvolle Arbeit für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und der ÖVP. – Abg. Mag. Kukacka: Das kommt spät, aber doch! Wahlkampf ist!)

Ein weiteres großes Prinzip für mich und für uns Grüne ist Weltoffenheit, ist die Orientierung an Werten wie Liberalität, ist die Orientierung an unseren Nachbarstaaten und die grundsätzliche Bereitschaft, Vielfalt in einer Gesellschaft nicht zu bekämpfen, sondern als Stärke anzusehen. Vielfalt ist die Stärke einer modernen, einer offenen Gesellschaft. Das steht diametral zu Ihrer Politik der Ausgrenzung, zu den autoritären Tendenzen, die wir in den letzten zweieinhalb Jahren erlebt haben, zum Beipsiel im BürgerInnen-Bereich, im Bürgerrechten-Bereich. Auch die Minderheitenrechte müssen ausgebaut werden, denn das sind auch Stärken einer Gesellschaft, die nicht bekämpft werden dürfen. Aber auch die Institutionen, die diese Rechte verteidigen, wie zum Beispiel der Verfassungsgerichtshof, müssen gestärkt und unterstützt und dürfen nicht angegriffen werden. Das ist unser Vorschlag für eine liberale und weltoffene Gesellschaft, die Vielfalt betont und fördert und nicht verhindern will. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Gusenbauer. )

Es hat die Wende in Europa in Österreich begonnen. Österreich war eines der ersten Länder, in welchen eine rechtspopulistische Partei in die Regierung gegangen ist, Dänemark ist dann gefolgt, danach Italien. Vor kurzem hat es Wahlen in Schweden gegeben, und dort ist zum Ausdruck gekommen, dass es eine Unterstützung, ein starkes Interesse für Werte wie Solidarität, Umweltorientierung, eine offene und liberale und europäisch orientierte Gesellschaft gibt. Ich wünsche mir – und ich glaube, auch viele Menschen in Österreich wünschen sich das –, dass diese Wahlen am 24. November oder wann sie auch immer sein werden der Ausgangspunkt für genau diese Wende in diese Richtung sein werden und nicht, wie Herr Kollege Khol es will, eine Fortsetzung des blau-schwarzen Experiments. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte jetzt nicht bei diesen "Überschriften" verbleiben, sondern möchte noch ein paar Punkte vorstellen beziehungsweise beschreiben, bei welchen ich hoffe, dass es im gesamten Haus in der nächsten Legislaturperiode Übereinstimmung geben wird, nämlich Projekte, Ideen, von denen ich und wir glauben, dass sie für die Zukunft von Österreich prioritär sind. Es sind mehrere Vorhaben, und ich möchte mit dem Bereich Bildung beginnen. Ich sehe Bildung als die wichtigste Investition im 21. Jahrhundert an. Ich sehe Zweisprachigkeit schon für die ganz kleinen Kinder als extrem wichtig an. Sabbaticals, die Möglichkeiten für ein lebenslanges Lernen bieten, sind zu erleichtern. Natürlich sollten die Studiengebühren abgeschafft werden. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein neues Universitätsgesetz ist zu schaffen, ein Dienstrecht, das nicht unseren wissenschaftlichen Nachwuchs behindert und ihm Sorgen bereitet, sondern ihn bei seinem Weiterkommen und bei der wissenschaftlichen Arbeit unterstützt.

Nächster Punkt: Integrationspolitik. – Ich glaube, man muss die Stimmung in Österreich völlig verändern, was Migration bedeutet. Migration ist etwas, was zum Wohlstand dieser Gesellschaft wesentlich beiträgt. Es war in der Vergangenheit fahrlässig, das ausschließlich zu verteufeln. Migration lässt sich auch nicht verhindern, sondern man muss sie positiv steuern. Es ist der Beitrag zu unserem Wohlstand und zu einem Weiterkommen in den nächsten 20 bis 30 Jahren. Daher ist es unsere Aufgabe, hier ein positives Klima dafür zu schaffen, anstatt diese Frage zu einem populistischen Thema zu missbrauchen. Ich glaube, Migration bedeutet im Wesentlichen auch ein anderes Miteinander, und einer der Grundsätze, die verwirklicht werden sollten, ist der: Wer hier legal lebt, der sollte hier auch legal arbeiten dürfen! (Beifall bei den Grünen.)

Eines der größten Probleme auf dem Arbeitsmarkt ist Lohndumping nach unten. Die Probleme entstehen erst dann, wenn man diese Menschen zwar legal in Österreich leben lässt, ihnen aber daneben keine Möglichkeit gibt, legal einem Erwerb nachzugehen. Das ist für jeden Menschen verständlich: Wer hier legal lebt, der sollte hier auch legal arbeiten können! Das ist eines unserer wichtigsten Projekte.


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Nächster Punkt: alles, was mit der großen Umweltwende zusammenhängt. Wir haben immer eine ökosoziale Steuerreform vorgeschlagen, die nicht so wie die Regierung in der Vergangenheit sehr wohl Energiesteuern erhöht hat, sehr wohl den privaten Verkehr sehr verteuert hat, aber auf der Entlastungsseite überhaupt nichts zu bieten hatte, und zwar bis zum heutigen Tag. Wir sind dafür, dass es einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Kohle gibt, hin zu einer kompletten Energiewende. Es war mir immer zu wenig, wenn diese Bundesregierung gesagt hat: Ja ja, wir sind gegen die Atomenergie! Dazu muss ich sagen: Wer gegen die Atomenergie ist, der muss auch offensiv für erneuerbare Energie, für Ökostrom eintreten und darf nicht nur verbal per Lippenbekenntnis dafür eintreten, sondern muss ganz konkret mit Förderungen, mit Investitionen – da gibt es wirtschaftliche Märkte, die wir besetzen müssen – vorgehen. (Abg. Kopf: Das Ökostromgesetz ist beschlossen worden!) Das "halbherzige" Ökostromgesetz, Herr Kollege Kopf, ist wirklich zu wenig. Nur weil sich die Industrie aufregt, heißt das noch lange nicht, dass das für die Umwelt super ist.

Weitere wichtige Punkte sind: ökosoziale Steuerreform, Klimaschutz. – Klimaschutz ist nicht nur eine Investition, um künftige Umweltkatastrophen zu vermeiden, sondern Klimaschutz ist eine Frischzellenkur für die österreichische Wirtschaft. Es erhöht auch die Lebensqualität, wenn man statt in Neubauten vermehrt in die Althaussanierung investiert. Wir brauchen einen massiven Schwerpunkt im Bereich dieser Technologien. (Abg. Hornek: Das haben Sie auch verschlafen!) Andere Länder zeigen uns das vor. Japan ist, was die Photovoltaik betrifft, auf dem Weltmarkt mittlerweile führend. Wir haben eine sehr gute Basis, aber das darf nicht nur ein Anhängsel sein, das bisschen an Förderung, sondern das muss ein großer wirtschaftspolitischer Schwerpunkt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Projekt "gesunde Ernährung": Wir haben sehr viele Lebensmittelskandale hinter uns, wie zum Beispiel die BSE-Krise, Pestizide im Gemüse, den so genannten Schweineskandal, massive Verunsicherung, was die KonsumentInnen betrifft. In den letzten zweieinhalb Jahren hat es für die Massentierhaltung nur Erleichterungen gegeben. Die UVP-Schwellen wurden aufgehoben beziehungsweise massiv nach oben gesetzt. (Ruf bei der ÖVP: Unsinn!) Gegen eine gentechnikfreie Landwirtschaft hat sich der Landwirtschaftsminister bis zum heutigen Tag massiv gewehrt. Eines unserer Projekte wäre, Österreich als gentechnikfreie Zone sofort zu etablieren und von der Massentierhaltung sofort zurückzugehen. Die Massentierhaltung gehört abgeschafft! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hornek: Erklären Sie das Ihren Freunden in Deutschland!)

Bei der Frauenpolitik – ich habe schon gestern ausführlich darüber gesprochen – geht es eigentlich nur um das Selbstverständliche, um das selbstverständliche Umsetzen, dass Frauen die Chance haben, in Führungspositionen zu kommen, dass Frauen für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn wie Männer erhalten und geschlechtsmäßig nicht diskriminiert werden (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Schlusssatz! Bei mir haben Sie ihn scharf eingefordert! In der ersten Sekunde!), dass Frauen auch die Möglichkeit haben, Karriere und Kind zu vereinbaren, nicht nur Beruf, sondern auch Karriere und Beruf.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, bitte um den Schlusssatz! (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): Das hilft vor allem der Wende von der Wende. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.) – Mein Schlusssatz (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident! Was ist denn? Das ist wirklich unglaublich!): Ich glaube, es ist klar geworden, wofür wir Grüne stehen: Weltoffenheit, ein gesellschaftsliberales Klima, Nachhaltigkeit, Vielfalt als Stärke einer modernen Gesellschaft. Aber was heute auch klar geworden ist, das ist, dass die ÖVP weiterhin mit der FPÖ in eine Koalition gehen möchte. Aber so nicht! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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10.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zu Wortmeldungen von der Regierungsbank. Zunächst spricht Herr Bundesminister Haupt. Die heute vom Nationalrat in seinem Beschluss festgesetzte Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte, Herr Minister.

10.36

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Heute wird durch einen Vier-Parteien-Antrag diese Legislaturperiode beendet und damit der Weg für Neuwahlen am 24. November freigemacht. Ich sage in aller Klarheit: Aus der Sicht der freiheitlichen Regierungsmitglieder, die derzeit im Amt sind, hat es dazu keinen Anlass gegeben. Wir haben in dieser Legislaturperiode mit unseren Abgeordneten im österreichischen Parlament in allen schwierigen Fragen immer für die Mehrheit gesorgt. Die Österreichische Volkspartei ist dreimal durch Einzelstimmenverweigerung und einmal durch eine Abstimmungsverweigerung aller Abgeordneten eines Bundeslandes diesen Weg nicht gegangen. Ich sage auch in aller Klarheit, dass Kollege Scheibner als amtierender Bundesminister für Landesverteidigung und stellvertretender Obmann meiner Gesinnungsgemeinschaft klargemacht hat, dass wir die noch ausstehenden 15 Prozent des Regierungsprogramms erfüllen wollten und erfüllen werden.

Damit ist ein Teil der Bemühungen der Freiheitlichen Partei für die Zukunft klar: so früh als möglich eine Steuerreform zur Entlastung der Kleinst- und Mittelbetriebe und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das sieht die Bundesregierung vor, und das wird von uns Freiheitlichen mit aller Vehemenz betrieben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bedauere es besonders, sehr geehrte Damen und Herren, dass bedingt durch die Sommerdebatte sehr viele Wechselentscheidungen des Kollegen Gusenbauer in der Öffentlichkeit nicht so bekannt geworden sind, wie es eigentlich wünschenswert gewesen wäre. (Abg. Parnigoni: Beschäftigen Sie sich mit Ihrem eigenen Desaster!) Ich darf daran erinnern, dass Kollege Gusenbauer zum Beispiel verlangt hat, die österreichische Goldhaube auszubauen und statt Flugzeuge Raketen anzuschaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im heurigen Jahr haben unsere Abfangjäger 54 Interventionen im Luftraum durchgeführt, um Luftsicherheit für die zivile Luftfahrt herzustellen und damit Tausenden Passagieren in der Luft Sicherheit zu gewähren. Ich glaube nicht, dass der Vorschlag des Kollegen Gusenbauer, dann 54 Mal die entsprechenden Flugzeuge abzuschießen, in der österreichischen Öffentlichkeit mehrheitsfähig wäre, und zwar nicht einmal für die Sozialdemokratie.

Das sind die unausgegorenen Vorschläge, mit denen Sie, Herr Gusenbauer, heuer im Sommer die österreichische Öffentlichkeit belästigt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Erklären Sie, warum Sie, wenn Sie wieder eine Koalition machen wollen, jetzt den Nationalrat auflösen! Warum tun Sie das?)

Sie haben uns soziale Kälte vorgeworfen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Schauen Sie sich einmal an, wie im Sozialbereich die Zahlen tatsächlich aussehen! Österreich hat in der sozialen Dimension dieses Staates die Sozialaufgaben bestens erfüllt. Wir haben im Sozialbudget keinen Schwund, sondern haben eine laufende Zunahme auf 30,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gehabt. (Abg. Parnigoni: Die Österreicher wollen wissen, warum Sie jetzt den Nationalrat auflösen wollen! Warum tun Sie das?)

Sehr geehrte Frau Kollegin Glawischnig, Sie haben gestern und auch heute wieder die Situation der Frauen angesprochen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass unter der sozialdemokratischen Regierung, unter der Frau Bundesministerin Prammer 1999 in Österreich 1 351 963 Frauen in Beschäftigung waren, während im August 2001 in Österreich 1 449 980 Frauen in Beschäftigung waren. Das heißt, dass in Österreich trotz der Zunahme der Arbeitslosigkeit die Frauenbeschäftigung gestiegen ist. (Abg. Mag. Prammer: Das sind geringfügig Beschäftigte und Teilzeitbeschäftigte!) Ich glaube, dass ich kein so schlechter Frauenminister war, wie Sie es immer darstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Für jene Frauen, die nicht ausschließlich ihre Selbstbestätigung im Beruf, sondern auch in der Familie sehen, hat diese Bundesregierung mit der Verabschiedung des Kinderbetreuungsgeldes tatsächliche Wahlfreiheit geschaffen.


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Ich glaube, dass auch den Senioren klar gesagt werden muss, dass sich nach dieser Wahl nicht das wiederholen darf, was 1995 gemacht wurde. 1995 hat der berühmte Vranitzky-Brief den Pensionisten höhere Pensionen versprochen und einen gerechteren Anteil am Staatswesen zugesichert, doch nach der Regierungsbildung hat es eine Nullrunde für die Pensionisten gegeben.

Ich bringe Ihnen ein aktuelles Beispiel, denn im Vordergrund meiner Politik standen nicht so sehr die Durchschnittspensionisten und die Durchschnittssozialzahlen, sondern das Schicksal der Menschen im Einzelnen. Ich habe hier die Kontoauszüge eines Pensionisten aus dem Jahre 1995. Seine damalige Pension hat 12 954,30 S betragen, am Ende Ihrer Regierungsbeteiligung 1999 12 950,50 S, also um 4 S weniger. Seine Pension beträgt heute, um Ihnen das auch noch bekannt zu geben, 13 457,40 S. Darauf sollte man auch einmal hinweisen. (Abg. Dr. Niederwieser: Wenn es stimmen würde!)

Selbstverständlich haben wir die Unfallrenten besteuert – das ist nicht zu leugnen –, um Steuergerechtigkeit herzustellen. Aber wir haben für jene, die besonders betroffen sind, nämlich für Invalide mit über 70 Prozent Invalidität, die Zuschüsse von 20 auf 50 Prozent erhöht und damit erreicht, dass diese Gruppe trotz Besteuerung heute bis zu 2 000 € mehr erhält. (Abg. Haidlmayr: Das stimmt nicht, Herr Minister!) Wir haben für die sozial Schwachen eine generelle Refundierung ihrer Steuerleistungen nicht nur beschlossen, sondern diese auch bei vielen Tausenden Österreicherinnen und Österreichern zur Auszahlung gebracht.

Eine zielgerichtete Sozialpolitik und nicht eine Sozialpolitik mit der Gießkanne für jene, die es nicht brauchen, war die Handschrift dieser Bundesregierung. Dafür stehe ich auch! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage es auch in aller Klarheit: Wenn ich die jetzige Sozialbilanz anschaue, dann meine ich, dass ich mich in meinen zwei Jahren durchaus in die Tradition der Sozialminister und Sozialministerinnen Österreichs in der Zweiten Republik einreihen kann und mich nicht zu verstecken brauche.

Verantwortung trage ich während der letzten beiden Jahre für folgende Maßnahmen: das Kinderbetreuungsgeld, die "Abfertigung neu", die Behindertenmilliarde, die Familienhospizkarenz, die Soforthilfe für die Hochwasseropfer, die gänzliche Bewältigung der BSE-Krise einschließlich der Mittelrefundierung aus der Europäischen Union, einen Anteil an der "Gewerbeordnung neu", das Integrationspaket und eine Pensionsanpassung, die für die Bezieher von niedrigsten Einkommen laut ASVG, die immerhin 56 Prozent der Pensionisten ausmachen, auch in wirtschaftlich und budgetär schwierigen Zeiten die volle Inflationsabgeltung gebracht hat.

Ich habe erreicht, dass der Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinverdienende in diesem Lande erstmalig über der Armutsgrenze laut Armutsbericht 1997/98 liegt und nicht darunter wie in der sozialistischen Zeit. – Das möchte ich in aller Klarheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, hier sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Klima und Vranitzky haben in ihren Pensionsversprechungen an die Pensionisten gesagt, der wichtigste Punkt sei, Arbeitsplätze zu schaffen. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit sind in Österreich derzeit mehr Menschen in Beschäftigung als am Ende Ihrer Mitregierung 1999. Wir haben in Österreich derzeit eine Beschäftigung, die Gott sei Dank im Zunehmen ist, auch wenn eine Arbeitslosigkeit im Ausmaß von nahezu 200 000 für jeden Sozialminister eine Aufforderung zum Handeln ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe in meinem Bereich sehr viele Punkte der Regierungserklärung zu hundert Prozent gemeinsam mit den Abgeordneten der Regierungsparteien, aber in sehr vielen Punkten auch gemeinsam mit den Sozialpartnern und den Abgeordneten der Oppositionsparteien verabschieden können. Das war mir aber nur deshalb möglich, weil im Gegensatz zu dem, was immer in der Öffentlichkeit verbreitet wird, der überwiegende Teil meiner Beamtinnen und Beamten, egal, aus welchem politischen Lager in dieser Republik sie kommen, die Verantwortung für den Staat in ihrer Eigenschaft als Staatsdiener als wichtiger


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erachtet haben als das Anhängen an irgendwelchen von außen hereingetragenen Farbenlehren, die manchen ans Herz gelegt worden sind. Daher möchte ich auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in dieser Stunde für ihre gute Arbeit ausdrücklich danken. (Abg. Silhavy: "Fabelhaft" ist das! – Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weil Kollege Gusenbauer die Bestellung in der Pensionsversicherungsanstalt angesprochen hat, muss ich sagen, dass ich meine, dass der gestrige Tag auch für die Pensionsversicherungsanstalt und die Sozialversicherungsanstalten in Österreich ein einmaliger Tag war. Das erste Mal – das erste Mal! – hat ein unabhängiger Kandidat mit wissenschaftlicher Qualifikation ohne parteipolitische Punzierung einstimmig die Möglichkeit bekommen, die Pensionsversicherungsanstalt in den nächsten fünf Jahren mit zu gestalten und mitzulenken. Es handelt sich in dem dortigen Parteienproporz und -filz um einen Paradigmenwechsel, der meiner Meinung nach besonders herausgestrichen werden muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben mit 30 Sozialversicherungsanstalten begonnen und halten heute bei einer Zahl von 25 Sozialversicherungsanstalten. Jene, die wir aufgelöst haben, haben wir immer so aufgelöst, dass das Interesse der dort Versicherten besser gewahrt war, als es das ursprünglich von Ihnen von der Sozialdemokratie übernommene Gesetz vorgesehen hätte.

Ich darf etwa an die Auflösung und die Überführung der Sozialversicherungsanstalt Pengg in der Steiermark erinnern, die wir nicht der Steirischen Gebietskrankenkasse, sondern der Krankenkasse des österreichischen Bergbaus zugeschlagen haben, weil es dort den Versicherten besser ging. Das geschah nicht während einer schwarz-roten Politik, sondern während einer schwarz-blauen Politik, die wir zu vertreten gehabt haben. Es war unser Ziel, auch in schwierigen Situationen auf der Seite der Versicherten zu stehen und nicht auf der Seite jener, die glauben, dass die Apparate ihnen gehören. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben gemeinsam die Gesundheitspolitik reformiert. Das erste Mal wurden im Interesse der Patienten für den ärztlichen Beruf neben dem ius practicandi auch Qualitätskriterien formuliert, die es in Zukunft auch notwendig machen werden, im Interesse der Patientinnen und Patienten das Gesundheitssystem in Österreich so weiterzuentwickeln, dass jeder Arzt seine Patienten gemäß dem medizinischen Fortschritt behandelt.

Wir haben in diesem Bereich Kriterien für Gesundheitsberufe verabschieden können, die jahrzehntelang strittig waren: die Rettungssanitäter, die Hebammen, die Heilmasseure. Ich hätte gerne weitergemacht, um endlich auch das zu finalisieren, was wir heute im Strukturprogramm angesprochen haben, nämlich die Umschulung und die Weiterbildung im Bereiche der Altenpfleger, der Heimpfleger, der Behindertenpfleger, der Seniorenpfleger und -betreuer, ja der Krankenberufe insgesamt.

Nach jahrzehntelanger Diskussion ist es, aufbauend auf der von Kollegin Hostasch ins Leben gerufenen Pfeil-Studie, endlich gelungen, die Vertreter der Bundesländer an den Verhandlungstisch zu bringen, um für die Pflegeberufe in Österreich ein gemeinsames gleiches Ausbildungscurriculum zu schaffen und somit auch den Pflegenden in Österreich endlich einen Berufsschutz zu geben und so auch ihre sozialen Verhältnisse zu verbessern. Aber dafür wird die Zeit auf Grund der Auflösung des Nationalrates und der Neuwahlen leider nicht reichen. Das ist für mich ein Programm für die nächste Legislaturperiode.

Sehr geehrte Damen und Herren! Weil Sie die Sicherheitspolitik angesprochen haben, sage ich in aller Klarheit: Gendarmerieposten mit zwei und vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben eine trügerische Sicherheit dokumentiert. Posten mit sechs, acht und neun Personen haben endlich rund um die Uhr die Möglichkeit, dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung vor Ort ordnungsgemäß zu entsprechen.

Ich sage dies auch in aller Klarheit, weil ich aus einem Bezirk komme, in welchem schon seit Jahrzehnten die Bezirksgerichte zusammengeführt sind: Im Bezirk Spittal an der Drau hatten


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wir ein Bezirksgericht in Greifenburg, Oberdrauburg, Winklern, Obervellach, Gmünd, Millstatt und Spittal an der Drau. Heute haben wir eines. Damit sind die Verfahren verkürzt worden. Die dort für die Streitparteien erzielten Ergebnisse sind besser geworden. Die Zahl der Aufhebungen von Urteilen in zweiter Instanz ist geringer geworden. Die Spartenrichter leisten dort hervorragende Arbeit. Es hat sich bewährt, dass in diesem System auch die entsprechenden Reformschritte gesetzt worden sind. Das wird auch in Zukunft so sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei wird sich darum bemühen, entsprechendes Wählervertrauen zu bekommen, damit wir in der nächsten Bundesregierung vertreten sein können, denn wir wollen weder Schwarz-Rot und schon gar nicht Rot-Grün. – Danke schön. (Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort hat nun die Frau Bundesministerin Gehrer. Ebenfalls 15 Minuten. – Bitte, Frau Minister.

10.50

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Die österreichische Bundesregierung der XXI. Legislaturperiode hat erfolgreich gearbeitet. Ich freue mich, dass ich in dieser Bundesregierung mitarbeiten durfte, dass wir Österreich positiv verändern konnten, dass wir im Bildungsbereich neue Akzente setzen konnten und dass der Reformstau aufgelöst wurde.

Ich frage mich wirklich: Was liegt einer Opposition daran, so vieles so negativ darzustellen, die Entwicklungen im Bildungsbereich so negativ darzustellen? Was liegt einer Opposition daran, dieses schöne Land Österreich mit seinen tüchtigen Menschen krankzujammern? Schauen Sie sich doch um! Wir leben in einem schönen Land mit tüchtigen Menschen, aber es gibt Herausforderungen, die wir mit positivem Denken bewältigen müssen. Eine dieser großen Herausforderungen findet sich im Ausbildungsbereich, im Bildungsbereich.

Wir haben in Österreich arbeitslose junge Menschen, wir haben junge Menschen, die Lehrstellen suchen, aber wir tun etwas für sie. Wir haben ein Konjunkturprogramm vorgelegt, mit welchem für die jungen Menschen Bildung und Weiterbildung angeboten werden, mit welchem für die Lehrlinge Kurse angeboten werden, die Bildung vermitteln, mit welchem wir den jungen Menschen helfen, in einen Beruf einzusteigen. Ich sage Ihnen: Mir als Bildungsministerin, als Ministerin, die für die Jugend, für die Zukunft der Jugend verantwortlich ist, ist jeder junge Mensch, der nicht die richtige Bildung hat oder der keinen Arbeitsplatz hat, einer zu viel, der dieses Angebot nicht erhalten hat.

Wir haben ein Konjunkturprogramm vorgelegt. Doch Sie frage ich: Was haben Sie in der früheren Regierung gemacht, als noch sehr viele Lehrlinge Lehrstellen gesucht haben? – Man hat um viel Geld mit einer dubiosen Firma eine Telefonleitung eingerichtet. Herr Bundeskanzler Klima hat damals gesagt: Jeder Lehrstellensuchende wird eine Lehrstelle bekommen! – Das hat doch alles nicht funktioniert. Echte Bildungsangebote, das ist es, was man braucht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Dr. Gusenbauer hat gemeint, man müsse verantwortungsvolle Politik betreiben. Ich möchte dem entgegenhalten: Verantwortungsvolle Politik ist langfristige Politik, ist Politik mit langfristigen Zielen, ist Politik, die nicht ständig Zickzackkurse macht. Mir wird angst und bange, wenn ich höre, dass das Universitätsgesetz wieder verändert werden soll, dass die ehemalige Drittelparität, die zu einer Erstarrung geführt hat, wieder eingeführt werden soll. Mir wird auch angst und bange, wenn ich höre, dass die Gesamtschule noch immer das große Idealbild der SPÖ ist, dass Leistung noch immer nicht besonders gern gesehen wird. (Abg. Silhavy: Das ist unwahrscheinlich!) Ich fände es auch nicht richtig, ja ich hielte es für grundfalsch, wenn der geringe Eigenbeitrag von 363 € für Studierende wieder zurückgenommen werden würde.


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Meine Damen und Herren! Das ist das alte Denken, jeder müsse alles vom Steuerzahler unentgeltlich erhalten. (Abg. Verzetnitsch: Was ist denn der Steuerzahler?) Wir wollen, dass diejenigen, die es sich leisten können, einen kleinen Beitrag leisten und dass diejenigen, die es brauchen, großzügige Stipendien bekommen. Genau das haben wir in die Tat umgesetzt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gerade im Bildungsbereich ist es wichtig, dass wir Kontinuität an den Tag legen. Im Bildungsbereich ist es wichtig, dass die jungen Menschen sich auf die Angebote verlassen können. Im Bildungsbereich ist es auch wichtig, immer wieder herauszustellen, welch hervorragende Arbeit von den Lehrenden, von den Lehrerinnen und Lehrern, von den Professoren und Professorinnen geleistet wird.

Ich verstehe es wirklich nicht, wenn, wie Herr SPÖ-Klubobmann Dr. Gusenbauer gestern in seiner Rede bemerkt hat, gesagt wird, wir hätten zwar in der Europäischen Union die dritthöchsten Ausgaben für Bildung, würden in Europa aber nur auf dem zehnten Platz liegen. Erstens stimmt das nicht, denn wir liegen innerhalb der OECD, unter allen Industriestaaten der Welt, auf dem hervorragenden zehnten Platz (Abg. Öllinger: Das stimmt auch nicht!), und zweitens liegen wir innerhalb der Europäischen Union im hervorragenden Spitzenfeld.

Meine Damen und Herren! Ich meine, diese Leistungen unseres Bildungssystems sollten auch von der Politik richtig gewürdigt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es werden an den Universitäten, in den Forschungseinrichtungen und an den Schulen hervorragende Leistungen vollbracht. Deshalb müssen wir auch diesen Weg weiter fortsetzen, die Universitätsreform 2002 zielorientiert umsetzen, den jungen Menschen neue Chancen bieten, neue Möglichkeiten geben und das gute berufsbildende Schulwesen gemäß den neuen Herausforderungen mit den neuen Technologien, mit den neuen Berufsfeldern ausbauen. Wir müssen den Lehrenden die besten Qualifikationen geben, und wir müssen auch das Gehaltssystem für unsere Lehrer und Lehrerinnen umbauen. Ich werde dafür arbeiten, dass wir eine Neuverteilung des aktiven Lebensgehaltes für Lehrer und Lehrerinnen erreichen, dass die jungen Menschen, die jungen Lehrer und Lehrerinnen mit einem höheren Gehalt einsteigen, denn junge Menschen brauchen das Geld. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme für die Lehrerschaft in Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich halte es auch für wichtig, den Stellenwert der Lehrer und Lehrerinnen immer wieder hervorzuheben. Wir machen jährlich ein Bildungsmonitoring. In diesem Bildungsmonitoring zeigt sich ganz klar, dass 80 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen sagen, unsere Lehrer und Lehrerinnen leisten hervorragende Arbeit, an unseren Schulen wird gut gearbeitet. Danke! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Für ein gutes Bildungsumfeld, für ein gutes Umfeld für die Jugend, für eine Ankurbelung der Konjunktur ist es besonders wichtig, dass wir die großen Ziele, die großen Reformen in Österreich weiterführen, dass wir keine neuen Schulden machen, denn Schulden sind schwere Rucksäcke, die die Jugend in Zukunft tragen muss. Keine neuen Schulden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Richtig! – Abg. Dr. Gusenbauer: Wieso machen Sie denn welche?)

Wir müssen das positive Denken in der Regierungsarbeit weiterführen, die Herausforderungen sehen, dürfen nicht krankjammern, nicht schlechtmachen. Wir müssen die sozialpolitischen Meilensteine weiterführen. Da meine ich, dass gerade Bildungspolitik ein ganz wichtiger Beitrag zur Sozialpolitik ist, zum Wohlergehen der Menschen, zur Chance auf einen Arbeitsplatz, zur Sicherung von Arbeitsplätzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wissenschaftspolitik, Bildungspolitik, Forschungspolitik sind die Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaft. Sie sind die Grundlage für die Persönlichkeitsentwicklung und für eine gute Wirtschaftspolitik. Gute Bildungspolitik ist die Grundlage für die Sicherung der Arbeitsplätze. Gute Bildungspolitik ist die Grundlage für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Ich werde


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alles daransetzen, dass auch in Zukunft eine Bildungsoffensive im Bundesbudget verankert ist, dass auch in Zukunft jeder siebente Euro für Bildung ausgegeben wird, denn Bildung ist die Zukunft eines Landes.

Meine Damen und Herren! Österreich braucht jetzt eine erfahrene Führung, auf die sich die Menschen verlassen können, auf die sich vor allem auch die Jugend verlassen kann. Wir müssen die Politik fortsetzen, die den Menschen und ihren Fähigkeiten vertraut, die kreative Kräfte in diesem Land entfesselt. Wir brauchen keine rot-grüne Politik eines Reformstaus, einer Gängelung und eines Zurückdrehens unserer erfolgreichen Reformen, insbesondere im Bildungsbereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Warum diese Neuwahlen wichtig geworden sind, das haben wir mehrfach gehört. Wir wollen dem Bürger die Möglichkeit geben, darüber zu entscheiden, ob wir unser erfolgreiches Programm weiterführen können. Uns geht es um Österreich, um seine tüchtigen Bürgerinnen und Bürger, und die ÖVP ist bereit, mit Wolfgang Schüssel den Reformkurs für dieses schöne Land weiterzuführen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Die Redezeit dieser Runde beträgt jetzt 10 Minuten. – Bitte.

11.00

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich glaube, wir sollten doch ein wenig das Erscheinungsbild, das sich die Regierung hier zu geben versucht (Abg. Dr. Fekter: Das sie hat!), korrigieren. Wir haben jetzt monatelangen Streit und Hader und Führungslosigkeit erlebt (Abg. Mag. Schweitzer: Träumst du?), und das Ergebnis des Richtungsstreites in der FPÖ, bei dem sich die Mehrheit gegen den Regierungskurs, der heute von vielen freiheitlichen Rednern in der FPÖ so gelobt wird, entschieden hat (Abg. Mag. Schweitzer: Morgen ist Parteitag!), war, dass man Neuwahlen durchführen muss. Die beiden Regierungsparteien sind den Forderungen der Sozialdemokraten entgegengekommen, endlich Neuwahlen durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Bist du im "Kabinett des Lichts"?)

Ich bin auch ein wenig überrascht, dass Klubobmann Khol dieses Wendeprojekt (Abg. Mag. Schweitzer: Bist du im Licht-Kabinett?) nicht mehr mit dem Titel "Marsch durch die Wüste Gobi" beschreibt. Vielleicht haben bei dieser Karawane die falschen Kamele das Kommando übernommen, und sie ist in die falsche Richtung gegangen. (Abg. Dr. Khol: Was verstehst du von Kamelen?)

Vielleicht ist aber auch das Schiffsbeispiel geeigneter, weil es die Situation besser beschreibt: Ununterbrochen ertönte der Ruf: Mann über Bord, Frau über Bord! Wo ist der Kapitän? – Er sitzt in der Offiziersmesse und schweigt. Wieso ist er nicht am Steuer? – Das war Panik auf der Titanic! Mir ist auch bewusst, wie das Schiff heißt; jetzt weiß ich es, mir ist es eingefallen. – Das bieten Sie uns an, das bieten Sie den Österreichern an. Es geht weiter mit dem Schlingerkurs, weiter mit der Unsicherheit, weiter mit der Instabilität, weiter mit der Führungslosigkeit und weiter mit dem Chaos. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Dass es weitergehen wird und dass es diese Absprachen schon gibt, hat der heutige Tag bewiesen: Herr Karl Schweitzer, Klubobmann der FPÖ, aber auch Minister Haupt haben fast unter Tränen in Richtung ÖVP gewimmert (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen): Lasst uns bitte wieder in die Regierung nach dem Wahltag, wenn wir gemeinsam mehr als 50 Prozent haben! – So ein würdeloses Wimmern um eine Regierungsbeteiligung habe ich überhaupt noch nicht erlebt! Sie haben alles Bisherige diesbezüglich heute übertroffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was mich besonders beeindruckt, ist das permanente Setzen auf die Vergesslichkeit der Österreicherinnen und Österreicher. (Abg. Böhacker: Das haben gerade Sie notwendig!) Diese sind nicht vergesslich, sie merken sich das. (Abg. Wochesländer: Das sagen gerade Sie!) Herr Minister Haupt, worum ging es denn in der Sommerdebatte unter anderem? – Dass Sie gemeinsam mit der ÖVP gesetzlich in die Sozial- und Pensionsversicherung eingegriffen und dann wochenlang versucht haben, einen Privilegienposten für FPÖ-Abgeordneten Gaugg zu


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errichten. Das war es! Das war Ihre Art der Vertretung der "kleinen Leute", das war Ihre Beschäftigungspolitik (Abg. Wochesländer: Wer ist Herr Haas?): Privilegienstadl! Und Schwarz hat mitgespielt, denn dort, wo es um Postenbesetzung geht, sind die Schwarzen – historisch gesehen – immer dabei. Das wissen wir ja. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Regierung streitet. In wichtigen Fragen wie EU-Erweiterung, Steuerreform, Kriegsflugzeuge gibt es unterschiedliche Meinungen. Es gibt also Streit, Hader und Blockaden, aber jetzt benimmt sich die Bundesregierung so, als ob jeder vorher einen Kuschel- und Plüschkurs abgeschlossen hätte, als ob jeder beim Eingang zum Plenarsaal noch einen Löffel Honig von den Werbeagenturen bekommen hätte, und tut so, als ob es das beste Team des Jahrhunderts gewesen wäre. (Abg. Dr. Partik-Pablé: War es auch!)

Wissen Sie, was beim Fußball mit einem Teamchef passiert, dessen Team vorzeitig das Spielfeld verlässt und das Match verliert? – Er wird abgesetzt. Aber Wolfgang Schüssel kandidiert noch einmal und sagt: Das war so erfolgreich, das ist ein Modell. Man muss jedes Spielfeld vorher verlassen, man darf kein Spiel zu Ende führen. Ich bin der richtige Teamkapitän! – Sie jubeln im Chor und sagen: Jawohl, wir wollen unter der Führung von Wolfgang Schüssel weiterhin das Spielfeld vorzeitig verlassen! – Das ist Ihre Logik, und dazu kann ich nur sagen (Abg. Mag. Schweitzer: Was macht ihr?): Abwählen! Die Antwort muss sein: abwählen. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie schaut deine Politik aus?) Sie haben hier nichts mehr verloren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Geldvernichtung: 1 700 Milliarden Schulden – ein Desaster. Abrücken vom Nulldefizit: Ihnen nimmt doch niemand mehr ab, wenn Sie von der Vergangenheit reden. Aber Sie sollen von der Vergangenheit reden (Zwischenruf des Abg. Dolinschek ), Sie sollen von der Vergangenheit Ihres gescheiterten blau-schwarzen Wendeprojektes reden! Das wäre viel sinnvoller. (Beifall bei der SPÖ.)

Was sind denn unter anderem die Sünden – da fehlen noch ein paar Punkte, die nicht in Vergessenheit geraten sollen (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz) –:

Das ist einmal das Ignorieren der drei erfolgreichen Volksbegehren Sozialstaat, Temelín und Abfangjäger.

Oppositionspolitiker, die Kritik üben, sollen mit Freiheitsstrafe bedroht werden, so wie es Jörg Haider vorgeschlagen hat. Justizminister Böhmdorfer ist dabeigesessen und hat gesagt, das sei überlegenswert.

Das sind die Attacken auf den Verfassungsgerichtshof, weil die Urteile nicht gepasst haben. Die ÖVP schweigt dazu – oder es kommt ein verspäteter Kommentar.

Journalisten, die aus Prozessakten zitieren, sollen mit Freiheitsstrafe bedroht werden.

Es ist aber auch das Nicht-Erscheinen im Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses erwähnenswert, denn dort geht es darum, Licht ins Dunkel der Privilegien und des Geldverschwendens der einzelnen Ressorts dieser Regierung zu bringen.

Ein Untersuchungsausschuss wird abgelehnt, weil ein solcher Ausschuss Licht ins Dunkel beim Ankauf dieser Abfangjäger bringen könnte.

Es wird Druck auf Journalisten ausgeübt, die regierungskritisch sind.

Die Diffamierung der Demonstrationen, die Diffamierung des Institutes der Urabstimmung, die Entmündigung der Studenten, des Mittelbaues an den Hochschulen, ÖAAB-Besetzungen aller frei werdenden Posten im Bereich der Polizei sind weitere Beispiele. (Beifall bei der SPÖ.)

Innenminister Strasser und Reformpolitik – darüber kann ich nur lachen, denn seine Reformpolitik bedeutet in Wirklichkeit, den Begriff "Reform" vorzuschieben, um Posten zu besetzen, wo es nur geht. Kommissariate werden zusammengelegt, und schon wieder sitzt ein Schwarzer


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dort! Kaum wird irgendwo ein neuer Schreibtisch errichtet, hat Strasser schon wieder einen Schwarzen hingesetzt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Das ist die "Reformpolitik", die auf Kosten der Steuerzahler gemacht wird! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gibt Kampagnen gegen Andersdenkende – wo auch immer. Sie sind verantwortlich für ein Klima der Illiberalität, der Rückständigkeit und des Stockkonservatismus, für den Sie stehen. Um Hunderte Millionen Schilling haben Sie erfolgreiche Manager im wahrsten Sinn des Wortes aus der Wirtschaft hinausgeworfen, damit dort schwarz-blaue Parteigänger Platz nehmen können. Das ist ein Proporz, wie es ihn in Österreich seit 1945 noch nie gegeben hat! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Diese Freunderlwirtschaft haben Sie, die Partei des "kleinen Mannes" und der "kleinen Frau", zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Klubobmann Khol lacht schon wieder so, als ob er sicher wüsste, dass Blau-Schwarz weitergeht. (Abg. Dr. Khol: Ich lache über dich, Josef!) Lassen Sie uns mit Ihrem Lebensmodell der Tiroler Familie des 19. Jahrhunderts in Ruhe! Das wollen die jungen Generationen nicht. So war Ihre Familienpolitik und Ihre Steuerpolitik ausgerichtet, und dazu kann man nur nein sagen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was haben Sie heute gesagt, um sich der Regierung anzubiedern, Herr Klubobmann Schweitzer und Herr Minister Haupt? – Unter Tränen haben Sie gesagt: Wir haben die Interessen der kleinen Leute bis zum Gehtnichtmehr verraten, damit wir in der Regierung bleiben können. Sie haben gesagt: Wir werden weiter die Interessen der kleinen Leute verraten, damit wir weiter in der Regierung bleiben können. (Abg. Mag. Schweitzer: Der Mann fiebert!)  – Das war Ihr Angebot heute (Abg. Mag. Schweitzer: Du fieberst!), und die ÖVP hat zufrieden genickt.

Dass die ÖVP an den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen kein Interesse hat, das wissen wir ohnehin, weil sie dauernd gegen die Steuersenkung aufgetreten ist, und unter anderem deshalb ist ja auch die Regierung zerbrochen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Immer sind Sie falsch orientiert!) Sie wirft lieber 2 Milliarden für die Kriegsflugzeuge hinaus. Die ÖVP wollte schon damals die Regierungsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP daran scheitern lassen, weil sie das unbedingt haben wollte. – Sie haben das umgesetzt. Sie haben auch jetzt gesagt: Wir gehen lieber mit den Kriegsflugzeugen unter, als diese Regierung fortzusetzen! – Das war Ihr Programm. Der Wähler sollte die Antwort darauf geben: nein zu dieser Geldverschwendung, nein zu dieser illiberalen Politik! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Klubobmann Schweitzer! Es wäre besser, Sie hätten das mit den "braunen Flecken" nicht angesprochen. (Abg. Dr. Pumberger: Der blanke Hass spricht aus Ihnen!)  – Nein, überhaupt nicht. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Er hat von braunen Flecken gesprochen, nicht ich!) Wir haben so manches dieser Regierung mitgetragen. Das jetzt beschlossene Konjunkturpaket, das zwar den Namen nicht verdient, weil es halbherzig ist, haben wir mitgetragen. 104 von 174 Gesetzen des letzten Jahres haben wir mitgetragen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Wenn es um Lehrlingsarbeitsplätze gegangen ist, haben wir mitgemacht. Aber wo sind die nachfragewirksamen Maßnahmen, wie etwa eine Pensionsanpassung an die Inflationsrate? Wo ist das? Wo ist die Steuersenkung für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Beruhigen Sie sich doch! Beruhigen Sie sich!) Wo ist das? Wo treten Sie da als Vertreter der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen auf? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Seien Sie nicht so hasserfüllt! Werden Sie wieder sachlich!) – Das ist die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt.

Zurück zu den "braunen Flecken": Ewald Stadler bekommt jetzt zur Aufarbeitung das mit Steuergeld finanzierte Projekt betreffend Rote Armee zwischen 1945 und 1955. (Abg. Dr. Pumberger: "Ich bin der Hass!" Kennen Sie das Lied?)  – Nicht Hass! Er sagt: Die Besatzungszeit ist genauso einzuschätzen wie die Zeit, als die Nationalsozialisten regiert haben. – Da frage ich mich: Wo ist da die Aufarbeitung der "braunen Flecken"?


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Oder: "Unsere Ehre heißt Treue" hat Herr Windholz, der in Niederösterreich noch immer den Ton angibt, gemeint. Oder: Was ist mit Haiders "ordentlicher Beschäftigungspolitik" des "Dritten Reichs"? – Das haben Sie zu verantworten, das haben Sie noch längst nicht aufgearbeitet! (Abg. Dr. Fekter: Das vom Edlinger, was war das?)

Sie machen mit denen eine Koalition, und Sie wollen diese fortführen – mit Stadler, und deswegen gibt es dieses Projekt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was hat Edlinger im Parlament gesagt?) Das schlagen Sie den Österreicherinnen und Österreichern vor (Zwischenruf der Abg. Wochesländer ), und dazu müssen Sie jetzt beim nächsten Wahltag stehen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie mussten sich entschuldigen für das, was Edlinger das letzte Mal im Parlament gesagt hat!)

Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Ich sage nur noch einen letzten Satz bezüglich Ihrer Ausgrenzungs-Argumentation: Ich sage dort ja zur Ausgrenzung, wo es gilt, Dilettantismus, Inkompetenz, Freunderlwirtschaft und "braune Flecken" auszugrenzen. Dazu sage ich ja, und dazu bekennen wir uns auch! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

11.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

11.11

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich bin froh, dass jetzt viele Österreicherinnen und Österreicher die Rede des Kollegen Cap im Fernsehen mitverfolgen konnten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dieser Hass! – Rufe bei der SPÖ: Wir auch! – Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt wissen wir, was Österreich in dieser kommenden Wahlauseinandersetzung erwartet: blanker Hass, Schmutzkübelkampagnen und eine Verunglimpfung der gesamten österreichischen Bevölkerung. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Reheis: Waren Sie überhaupt anwesend?)

Ich frage Sie, Herr Dr. Gusenbauer und Herr Dr. Cap: Mit dem Bild, das Sie von Österreich gezeichnet haben ... (Abg. Dr. Mertel: Ein dummer Mensch!) – Wie meinen Sie, Frau Kollegin Mertel? Sie sind ein dummer Mensch? Oder meinen Sie mich damit? Sagen Sie es laut und deutlich, wenn Sie nicht zu feige sind. Sind Sie dumm, oder bin ich dumm? – Sagen Sie es! Das ist ja unglaublich. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit dem Bild, das Gusenbauer und Cap von Österreich gezeichnet haben ... (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Herr Präsident! Ordnungsruf, Herr Präsident! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Mertel ist wieder einmal entgleist! – Abg. Dr. Khol: Mertel hat schon wieder zugeschlagen! Die Meisterin des beleidigenden Ordnungsrufes! – Abg. Dr. Mertel: Hump dump! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Mertel hat wieder einmal ...!) – "Auch das ist eine Möglichkeit", Frau Dr. Mertel! Ich weiß, Sie haben da keine Beißhemmung, wie es so schön heißt.

Das Bild, das Gusenbauer und Cap von Österreich gezeichnet haben, ist kein Bild der Realität. Es wundert mich, warum Dr. Gusenbauer überhaupt Bundeskanzler in so einem Land, wie er es zeichnet, werden möchte: Die Pensionisten stehen knapp vor dem Verhungern, die Armut breitet sich wie ein Leichentuch über dieses Land aus, und die Zahl der Arbeitsuchenden vermehrt sich massenhaft. Mit einem Wort: Wohlstand und Lebensqualität in Österreich sind nach Gusenbauer maximal auf dem Niveau eines Entwicklungslandes.

Herr Dr. Gusenbauer! Schämen Sie sich für ein derartiges Bild, das Sie von Österreich zeichnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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117. Sitzung / Seite 37

Gestatten Sie mir aber auch, Herr Klubobmann Dr. Khol, einige Worte zu Ihren Ausführungen. Ich stimme weitgehend mit Ihren Ausführungen überein, möchte aber doch mit aller Deutlichkeit festhalten, dass die freiheitliche Regierungsmannschaft und die Abgeordneten des freiheitlichen Klubs das Regierungsprogramm in keiner Weise, nie und nimmer, in Frage gestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben bis zum letzten Tag das Regierungsprogramm – Kollege Haupt hat es bereits erwähnt: im Gegensatz zur Österreichischen Volkspartei – auf Punkt und Beistrich erfüllt. Auch die Knittelfelder Beschlüsse sind im Rahmen des Regierungsprogramms erfolgt. (Abg. Mag. Kukacka: Wieso sind die Minister zurückgetreten?)

Es ist daher nicht so, dass es zwangsläufig  – ich sage: zwangsläufig – zu einer Auflösung dieser Koalition hätte kommen müssen. Ich gehe aber davon aus, dass es nur eine kurze Unterbrechung ist und nicht auf Dauer sein wird.

Herr Kollege Khol! Zur EU-Osterweiterung gibt es ein klares Bekenntnis, aber keinen Salto rückwärts à la Busek. Er sagt: ohne Wenn und Aber, Augen zu, hinein ins Minenfeld! – So kann es nicht gehen! Es wird auch nicht möglich sein, solange es die Menschenunrechts dekrete à la Beneš gibt, einen Beitritt Tschechiens zur EU zu befürworten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber lassen Sie mich zur Bilanz kommen: Als Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, aber auch als Budgetsprecher ist es für mich geradezu selbstverständlich, am Ende eines Wirtschaftszeitraumes, sprich einer Gesetzgebungsperiode, Bilanz zu ziehen, und zwar objektiv, sachlich und nüchtern.

Vorweg kann eines gesagt werden: Die Bilanz dieser blau-schwarzen Wenderegierung ist nicht nur national, sondern auch international durchaus herzeigbar. Angesichts des Erbes, das 30 Jahre Sozialismus hinterlassen haben, und angesichts der schwierigen internationalen Rahmenbedingungen ist sie geradezu hervorragend.

Diese Bundesregierung kann auf ihre Arbeit stolz sein, ohne dabei selbstgefällig zu werden. Wir haben uns aber auch beim Bürger und Steuerzahler dafür zu bedanken, dass er massiv mitgeholfen hat, diese Weiterentwicklung in Österreich, die Entwicklung zum Besseren zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Natürlich war es in zweieinhalb Jahren nicht möglich, den gesamten Reformstau aufzuarbeiten. Natürlich gibt es noch viel zu tun, aber ich möchte jetzt gar nicht die gesamten positiv erledigten Reformschritte aufzählen; dazu reicht die Zeit nicht.

Selbst die Opposition hat eingestehen müssen, dass sie bei vielen Gesetzen, bei vielen Regierungsvorlagen dabei war. Daher kann es in den vergangenen drei Jahren nicht so schlecht, wie Sie, Herr Kollege Cap, heute diese Bundesregierung, die Regierungsarbeit dargestellt haben, gewesen sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben die Steuerreform angesprochen: Wir sollten mit dem Gruselmärchen aufhören, dass die Steuerreform abgesagt wurde. Mitnichten! Das In-Kraft-Treten der Steuerreform wurde maximal um ein halbes Jahr verschoben. (Abg. Schwemlein: Wer glaubt dir das?) Das Ziel, die Steuer- und Abgabenquote bis 2010 auf 40 Prozent zu senken, ist nach wie vor aufrecht und wird auch umgesetzt werden.

Wer in Sachen Steuerreform unglaubwürdig ist, das sind die Sozialdemokraten. Allein anhand von zwei Zahlen kann ich festmachen, dass die sozialistische Finanz- und Budgetpolitik in den Abgrund führt.

Sie fordern eine Steuerreform in einer Größenordnung von 3 Milliarden €. Gestern haben Sie die volle Abgeltung der Hochwasserschäden in der Höhe von 7 Milliarden € gefordert. Das macht zusammen 10 Milliarden € oder 137 Milliarden alte österreichische Schilling aus. – Haben Sie einen einzigen Bedeckungsvorschlag für diese Maßnahmen?


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Mit dieser sozialdemokratischen Steuer- und Budgetpolitik wird die rote Schuldenfalle wieder weit aufgemacht. Wir werden in der bevorstehenden Wahlauseinandersetzung alles daransetzen, den österreichischen Bürger davor zu warnen, in diese rote, verhängnisvolle Schuldenfalle hineinzutappen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Für wie dumm – um das Wort von Frau Kollegin Mertel zu gebrauchen – halten Sie eigentlich die Österreicherinnen und Österreicher? – Mehr als zwei Drittel aller Befragten haben sich klar dafür ausgesprochen, die Steuerreform zugunsten einer umfassenden Hilfe für die betroffenen Hochwasseropfer zu verschieben. Das ist ein Akt der Solidarität, der beispiellos ist in Österreich, ja in der ganzen Welt. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Kollege Schwemlein! Bist du noch im Hohen Haus? Ist das deine letzte Aussage? Sie wollen eine Steuerreform im Jahr 2003 und eine Hochwasserhilfe im Jahr 2002 aus dem Verzicht auf Abfangjäger finanzieren, obwohl die ersten Zahlungen dafür, wenn überhaupt, erst im Jahr 2005 oder 2006 erfolgen werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) – Kollege Schwemlein! Willst du die Hochwasseropfer bis zum Jahr 2005 warten lassen?

Heute plakatiert die SPÖ bereits: "Arbeitsplätze statt Abfangjäger". Was bedeutet das in der Praxis, in Wirklichkeit? – Die Sozialdemokraten wollen für die Arbeitslosen, für die Arbeitsplätze bis zum Jahre 2005 oder 2006 keinen Handstrich tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie wollen warten, bis es zu einer entsprechenden Finanzierung kommen könnte.

Zur Steuer- und Abgabenquote. – Ich habe mir erlaubt, weil die Sozialdemokraten immer meinen, diese Wenderegierung habe dem Bürger so viel weggenommen, Folgendes auszurechnen:

Vom Jahre 1995 bis zum Jahre 1999 – unter sozialistischen Finanzministern – sind die öffentlichen Abgaben von 521 Milliarden Schilling auf 669 Milliarden Schilling angestiegen, das heißt um 148 Milliarden Schilling beziehungsweise 28,4 Prozent. Unter einem freiheitlichen Finanzminister sind die öffentlichen Abgaben für das Jahr 2003 von 669 Milliarden Schilling im Jahr 1999 auf geschätzte 773 Milliarden Schilling gestiegen, also um 104 Milliarden Schilling beziehungsweise 16 Prozent. Unter sozialistischen Finanzministern erfolgte in vier Jahren eine Einnahmenerhöhung, eine Steuererhöhung um 28,4 Prozent (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), unter einem freiheitlichen Finanzminister eine solche um 16 Prozent. – Das macht deutlich, wo die wirklichen "Abcasher" – unter Anführungszeichen – sind. (Abg. Schwemlein: Höchste Steuerquote! Grasser ist gleichbedeutend mit höchster Steuerquote!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schlusssatz. Wir scheuen diese Neuwahlen in keiner Art und Weise. Wir werden den Bürgern die Erfolgsbilanz dieser Wenderegierung unter dem Reformmotor der Freiheitlichen vorlegen, und ich bin mir sicher, dass die Bürger diesem Kurs ihre Zustimmung geben werden und somit die Freiheitlichen auch in der nächsten Legislaturperiode wieder eine bestimmende Rolle in Österreich einnehmen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Mertel! Sie haben Herrn Abgeordnetem Böhacker während seiner Ausführungen zugerufen: "Ein dummer Mensch!" Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Dr. Mertel: Danke!)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

11.23

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich denke, dass sich auch die Fernsehzuseher heute darin einig sind, dass die Reden der Opposition eines bewiesen haben: dass sie ohne jede politische Alternative zu dieser Regierung ist und dass von ihr außer Spott, arroganter Häme und billiger


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Polemik kein konstruktiver Vorschlag, keine zukunftsträchtige Strategie entwickelt wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Kollege Cap, glauben Sie, dass Sie dem Bürger imponieren, wenn Sie sich hier als politisches Rumpelstilzchen aufführen? – Das ist nicht das Format von Politikern, aber auch nicht von klaren Vorstellungen, die unser Land braucht und verdient, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie haben es fertig gebracht – und das ist in 20 Minuten wirklich nicht einfach, Herr Kollege Gusenbauer –, mit keinem einzigen Wort einen Lösungsvorschlag zu machen. Wenn die Situation wirklich so schlimm wäre, wie Sie meinen, dann ist es doch wirklich bemerkenswert, dass Ihnen dazu überhaupt nichts eingefallen ist. Sie haben keine Alternativen vorgelegt!

Ihre Politik, meine Damen und Herren, kennen wir! Ihre Schuldenpolitik auf Kosten der Zukunft war verantwortungslos, sie war fahrlässig, und es war höchst notwendig, dass diese Regierung das Ruder herumgerissen und in den letzten Jahren eine verantwortungsvolle Finanzpolitik gemacht hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Deshalb sind auch die Ankündigungen, die man von Gusenbauer und Van der Bellen schon hört, dass Rot-Grün kommen wird, eine wirklich gefährliche Drohung für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Deutschland hat gezeigt, wohin dieser Weg führt. Die rot-grüne Regierung hat dort mehr Schulden denn je gemacht, hat höhere Arbeitslosenzahlen als sonst wo in Europa zu verzeichnen und hat Deutschland an die letzte Stelle in der Europäischen Union gebracht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Falsch! Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Trotz des heutigen Auflösungsbeschlusses kann niemand widerlegen, dass die Erfolgsbilanz dieser Bundesregierung unbestritten ist. Dazu gehört, dass wir im Unterschied zur Opposition die Arbeiter und Angestellten gleichgestellt haben, dass heute alle Kinder und Eltern sozialrechtlich gleich behandelt werden und dass mit dem Kindergeld zusätzlich 20 000 Eltern neu in den Genuss dieser sozial- und familienpolitischen Großtat gekommen sind.

Zur Erfolgsbilanz dieser Regierung gehört auch, dass wir im Unterschied zu anderen, linken Regierungen in Europa mit Pflegekarenz und Sterbebegleitung bewusst eine Alternative zur Sterbehilfe angeboten haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Erfolgsbilanz gehört auch, dass wir besser dastehen als andere Länder in Europa. Wir haben im Gegensatz zu Deutschland oder Portugal keinen blauen Brief aus Brüssel bekommen, weil wir das Schlusslicht in der Budgetpolitik der EU wären, so wie die rot-grüne Regierung unter Schröder. Wir haben gegengesteuert, und darauf kann diese Regierung stolz sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu Beginn dieser Regierung gab es die Sanktionen und massives Mobbing im Ausland, aber auch im Inland – aber diese Regierung hat sich als krisenfest erwiesen, hat widerstanden, und das war richtig. Das war vor allem richtig für die Selbstachtung dieses Landes und seiner Bürger, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.) Diese Regierung hat diesem Spuk durch Beharrlichkeit, durch Anstand, aber auch durch Härte ein Ende bereitet.

In einer Regierungskrise, wie sie die Opposition immer heraufbeschwört, müsste ja eigentlich die Stunde der Opposition schlagen. Jetzt wären Themen gefragt, wären politische Strategien darzustellen, wie Österreich in Hinkunft regiert werden soll. Jetzt müssten Gegenmodelle zur so genannten Wende entwickelt werden. – Aber wie sieht die Realität aus, meine Damen und Herren? Anstatt Format zu beweisen, anstatt Vertrauen erweckende Alternativen zu entwickeln, reagieren Gusenbauer und Co mit Stehsätzen, mit unbeholfenen Leerformeln aus dem politischen Phrasenrepertoire. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kräuter: Das müssen gerade Sie sagen!)


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Da wäre es doch vernünftiger, sich gleich an den Ratschlag des Meinungsforschers Wolfgang Bachmayer zu halten, der im "Spiegel" gesagt hat: "Position zu beziehen berge ohnehin nur Risken, ... Die Erfolgschancen der österreichischen Linken seien zuletzt am größten gewesen, wenn die SPÖ ,gar nichts tut und Gusenbauer schweigt‘." (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das sagt alles über die politische "Kompetenz" der SPÖ!

Wo sind denn die neuen, über die alten – Umverteilung, Schulden und Gleichmacherei – hinaus gehenden Konzepte von SPÖ und Grünen, um Österreich als Standort wettbewerbsfähig zu machen? – Es gibt sie nicht! Dafür gibt es jede Menge Widersprüche. Heute wollen SPÖ und Gusenbauer nichts mehr hören von weniger Staatsschulden – noch im März wollte Gusenbauer das Nulldefizit in die Verfassung schreiben. Diese Politik ist unglaubwürdig, und diese Politik wird auch eine Absage vom Wähler bekommen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mit der Auflösung des Nationalrates sind Rot und Grün am falschen Fuß erwischt worden. Die SPÖ ist nicht vorbereitet auf diese Wahl; Gusenbauer und Cap beweisen das jeden Tag. Aber auch manche in der Freiheitlichen Partei haben nicht verstanden, dass ihr unkalkulierbares Verhalten zu einer Wahl führen kann.

Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Es waren Ihre (in Richtung Freiheitliche) Regierungsmitglieder, die zurückgetreten sind, weil sie sich nicht mehr in der Lage sahen, weiterzumachen. Es war Ihr Klubobmann, der zurückgetreten ist, weil er sich nicht mehr in der Lage sah, die Mehrheit seiner Fraktion hinter die Regierungspolitik zu bringen. Bleiben wir bitte auch in dieser Frage bei den historischen Tatsachen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist sich einig: Bundeskanzler Schüssel hat richtig gehandelt, das ständige Störfeuer aus Kärnten und auch einiger seiner unbedarften Anhänger nicht länger hinzunehmen, die eine gedeihliche, überblickbare, geradlinige Regierungspolitik nicht mehr zugelassen haben. Jede Regierungsverantwortung, meine Damen und Herren, setzt kalkulierbare Politik und entscheidungsfähige Mehrheiten im Parlament voraus, und das war wegen der unverständlichen Vorgänge innerhalb der Freiheitlichen Partei nicht mehr gesichert. – Das haben nicht wir gesagt, meine Damen und Herren, sondern das haben jene Regierungsmitglieder gesagt, die aus diesen Gründen zurückgetreten sind. (Abg. Dr. Kräuter: Also doch ein Chaos!)

Gleichzeitig regieren und opponieren ist nicht möglich, das muss der gesamten Freiheitlichen Partei auch in Zukunft klar sein, meine Damen und Herren! Deshalb hat Schüssel dem Souverän Wähler den Richtungsentscheid übertragen, und die Bürger halten das für richtig. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Wolfgang Schüssel hat einmal mehr seine politischen Qualitäten bewiesen. Ruhig und gelassen, aber bestimmt hat er die Konsequenzen gezogen. Er ist nicht an seinem Kanzlersessel geklebt, wie ihm immer vorgeworfen wurde. Er hat nicht schmallippig geschwiegen (Abg. Dr. Kräuter: Vollmundig!), wie ihm die Opposition immer hämisch vorgeworfen hat, sondern er hat die richtigen Worte zur richtigen Zeit gefunden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wolfgang Schüssel hat in den vergangenen Tagen und Wochen das gezeigt, was seine gesamte Tätigkeit als Regierungschef geprägt hat. Er ergreift das Gesetz des Handelns, er steht verantwortungsvoll an der Spitze des Landes, er fällt zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Er beweist durch Beharrlichkeit Nervenstärke, Führungskraft und Entscheidungskompetenz, und er braucht, um Leadership zu zeigen, nicht die teuren, aber meist nutzlosen Ratschläge amerikanischer Spin-Doktoren, sondern er verkörpert Leadership und beweist sie jeden Tag, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)


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117. Sitzung / Seite 41

Jetzt hat der Wähler das Wort. Die ÖVP trifft dazu keine vorzeitigen Festlegungen. Die ÖVP legt sich auf keine Koalitionsoption fest. Ich halte aber auch fest: Die politische Wende ist keine Koalitionsform, aber sie ist ein politisches Projekt, denn der Begriff "politische Wende" steht für einen schlanken Staat (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), steht für mehr privat, für weniger Schulden, für Bürokratieabbau, für gerechte Sozialleistungen, für ein saniertes Budget – kurzum für die Zukunftsfähigkeit Österreichs, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (fortsetzend): Diese politische Wende wird auch nach der nächsten Nationalratswahl die Österreichische Volkspartei führend repräsentieren. (Beifall bei der ÖVP.)

11.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

11.34

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Kukacka hat in seiner Rede gemeint, die Opposition biete sich dem Fernsehzuschauer als ein elendes Bild von Phrasendreschern an. – Herr Kollege Kukacka! Das ist nicht meine Sorge. Meine Sorge ist, dass wir durch die gesamte Debatte, die heute geführt wurde – leider nicht erst seit der Debatte heute, sondern schon seit den letzten zwei bis drei Jahren –, ein Bild des Parlamentarismus bieten, wie ich ihn mir nie gewünscht und nie vorgestellt habe.

Parlamentarismus heißt für mich auch und in erster Linie ein lebendiger Austausch von Argumenten und nicht, Personen mit untergriffigen Unterstellungen niederzumachen. Das aber habe ich heute in der Debatte und in den letzten zwei bis drei Jahren des Öfteren erlebt. Man kann Personen wegen ihrer persönlichen oder politischen Ansichten kritisieren (Abg. Jung: Was hat der Pilz gestern getan?), das ist auch manchmal notwendig, aber das Untergriffige, das in der Debatte heute wieder herausgekommen ist, das ist nicht unsere Sache und sollte nicht die Sache des Parlamentarismus insgesamt sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Er kritisiert den abwesenden Pilz! Das ist nicht fair!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mir diese Debatte vergegenwärtige, dann muss ich sagen, ich habe Angst davor, dass wir bei einer Fortsetzung von Schwarz-Blau, aber auch schon vorher, im Wahlkampf, genau dieses Bild präsentieren: dass Schlagworte gegenübergestellt werden, dass reduziert wird auf Personen, auf deren verletzliche Eigenschaften, auf deren Verletzbarkeiten, und dass die Sache, der Austausch von Argumenten, auch das Darstellen von Interessen, auf der Strecke bleibt. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Das ist das, was Sie, meine Damen und Herren, als Regierungsparteien neu und auf besonders ungute Art und Weise in die politische Debatte, auch hier im Parlament, eingeführt haben. Das wünsche ich mir nicht, und das haben die Menschen in diesem Land auch nicht verdient. Diese wollen von uns hören, worin die Unterschiede zwischen den Parteien liegen, wie die Positionen der Parteien sind (Abg. Jung: Dann halten Sie sich an Ihre Vorschläge!), aber sie wollen nicht wissen, ob der Herr Gusenbauer ein Kryptokommunist ist, wie das immer wieder behauptet wird. Sie wollen nicht wissen, Herr Dr. Khol – weil das gerade an die Adresse Ihrer Fraktion geht –, wer wo was wie gemacht hat.

Ich kann Sie nur daran erinnern, Herr Dr. Khol, dass es Ihre Fraktion war – das war für mich ein Lehrstück –, die in der Auseinandersetzung um eine Demonstration im April dieses Jahres nicht davor zurückgeschreckt ist, gemeinsam mit der FPÖ, mit persönlichen Diffamierungen, mit der Unterstellung, dass mit meiner Person ein Gewalttäter hier im Parlament sitzt, zu arbeiten. (Abg. Mag. Kukacka: Nein! Ein Sympathisant, kein Gewalttäter!) Das war die ÖVP, und das war eine neue Qualität, für mich zumindest, die ich bei ÖVP-Abgeordneten wahrgenommen habe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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117. Sitzung / Seite 42

Ich muss dazusagen: Der einzige Abgeordnete von den Regierungsparteien, der sich dem nicht angeschlossen hat – ich habe das selbst erst beim Nachlesen bemerkt –, war ein Abgeordneter von der FPÖ. Abgeordneter Krüger hat versucht, einen fairen Umgangston in der Debatte beizubehalten. Aber Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, haben mich als Gewalttäter attackiert. (Abg. Mag. Kukacka: Nein, das hat niemand! Ein Sympathisant!) Sie waren das, gemeinsam mit Abgeordneten von der FPÖ! Sie wissen das ganz genau, und Sie sind zu feige, sich dafür zu entschuldigen. Das ist der Umgangston, der mich stört. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

In diesem Fall war es meine Person, in einem anderen Fall ist es Gusenbauer oder sonst irgendjemand. Egal, so geht man nicht miteinander um, vor allem nicht wider besseres Wissen. – Das ist der Punkt. (Abg. Mag. Kukacka: Nein, Sie bleiben nicht bei der Wahrheit!)

Meine Damen und Herren! Ich habe die heutige Debatte verfolgt, und ich habe auch die Körpersprache wahrgenommen. Abgeordneter Khol hat gesagt, die Richtungsentscheidung stehe an und die Richtungsentscheidung sei klar. Was hat er dabei gemacht? Er hat den Kopf geschüttelt. – Das ist ein Signal, Herr Dr. Khol. Ihr Lavieren über die Jahre hinweg – zwischen der SPÖ, dann zur FPÖ –, gemeinsam mit den Erklärungen Ihres Parteiobmannes Dr. Schüssel: Als Dritter gehen wir in Opposition!, ist auch kennzeichnend für den Verfall der Glaubwürdigkeit der österreichischen Politik. Das ist ein Problem!

Genauso unklar haben Sie sich heute geäußert; das gilt auch für die Rede des Abgeordneten Schweitzer. Herr Abgeordneter Schweitzer! Wenn Sie hier heraußen erklären, Sie leisten Abbitte, Sie entschuldigen sich, dann kann ich das so hinnehmen. Wenn aber dann von Ihrer Fraktion nur die Hälfte mitklatscht, wenn dann Herr Abgeordneter Böhacker zwar ein Bekenntnis zur EU-Erweiterung ablegt, aber im Nachsatz sagt: Aber wir gehen nicht hinein in die Minenfelder!, und damit nichts anderes macht, als die Erweiterungsstaaten als Minenfelder zu bezeichnen, dann habe ich ernsthafte Bedenken, wohin sich diese FPÖ in den nächsten Monaten orientiert. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich merke – ausgenommen die Entschuldigung, die ich so stehen lassen kann und nicht näher bewerten will – nicht, dass sich an diesem Hin und Her, an dem Lavieren bei Positionierungen bezüglich EU-Erweiterung irgendetwas geändert hätte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es sind viele Fragen angesprochen worden; ich greife nur zwei Themen heraus. Der Abgeordnete und Klubobmann Khol, aber auch andere Redner seiner Fraktion haben das Pensionsproblem angesprochen. Was erleben wir jetzt? – Der Nationalrat löst sich vorzeitig auf, und eine Pensionserhöhung wollen Sie nicht mehr diskutieren und auch nicht beschließen. Ich fordere Sie auf, das nachzuholen, aber nicht mit anonymen Zahlen, etwa indem gesagt wird, die Inflationsanpassung werde durchgeführt, sondern klarzustellen, wie die Pensionserhöhung sein soll.

Es gibt derzeit von Seiten der Regierungsparteien kein Konzept für eine Pensionserhöhung. Es gibt durch die vorzeitige Auflösung des Nationalrates auch keine Möglichkeit, den Beamten und Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst das zu geben, was ihnen vor einem Jahr versprochen wurde, nämlich eine faire Gehaltserhöhung und den Ausgleich für das, was sie durch die letzte Nulllohnrunde verloren haben.

Sie flüchten aus der Verantwortung. – Gut, das ist das eine. Aber was erleben wir noch? – Sie beschließen in einem Ruck-Zuck-Verfahren ohne öffentliche Debatte ein Gesetz, in dem das Pensionssparen an der Börse steuerlich befreit, steuerlich begünstigt und noch dazu mit Prämien versehen wird – und das zu einem Zeitpunkt, wo die Menschen bereits merken, dass ihre Alterversorgung gefährdet ist. Gott sei Dank trifft das noch nicht auf Österreich zu, weil wir hier noch ein anderes Pensionssystem haben, aber in jenen Ländern, wo die Pension oder die Altersversorgung über die Börse gesichert wird, begreifen die Menschen – und das bemerken auch die Menschen in diesem Land! –, dass damit ihre Altersversorgung keineswegs gewährleistet ist. Die Menschen in den USA, in Großbritannien, in allen Ländern müssen, wenn


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117. Sitzung / Seite 43

sie private Altersvorsorge betreiben, erleben, dass die Garantien, die Versprechungen oftmals nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben worden sind.

Was tun Sie jetzt? – Dieses Gesetz, mit dem gerade das Aktien- und Börsen-Alterssparen privilegiert wird, wollen Sie in letzter Sekunde hier im Parlament beschließen, während Sie den österreichischen Pensionisten die Pensionserhöhung verweigern. Diese haben keine Möglichkeit, einen Bonus vom Finanzminister zu erhalten, aber jene, die ihre Altersversorgung an der Börse betreiben wollen, kriegen noch Geld vom Finanzminister drauf!

Das ist doch ein Signal, meine Damen und Herren, das Sie liefern! Verstehen Sie nicht, dass das sehr wohl zu bewerten ist?

Die Pensionisten in den Sozialversicherungssystemen erhalten zunächst von der Regierung nichts, während jene, die an der Börse ihre Altersversorgung betreiben, einen Bonus erhalten. Das ist ein Signal, aber es ist das falsche Signal! Und es ist leider kennzeichnend für die Politik der Bundesregierung in den letzten zweieinhalb Jahren – in manchen Bereichen; ich sage nicht, in allen.

Zweites Thema: Bildung; und nehmen wir Familie dazu, weil Sie ja so oft das Kinderbetreuungsgeld angesprochen haben. (Abg. Böhacker: Redezeit!) Ich würde mir wünschen, dass irgendjemand von den Regierungsparteien auch einmal den Mut hat, zu sagen: Schauen wir uns nach ein, zwei Jahren an, welche Auswirkungen das Kinderbetreuungsgeld hat. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen. – Ruf: Redezeit!)  – War das ein Zeichen für mich, Herr Präsident?

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir sind bei 10 Minuten.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass die Frau Bundesministerin, wenn sie auf die PISA-Studie verweist, auch dazusagt, dass Österreich und Deutschland zu jenen Ländern gehören, in denen die Schule am wenigsten zum Ausgleich familiärer Startbedingungen beiträgt. Das ist eine Erkenntnis der PISA-Studie. Da müssen wir offen darüber reden, da dürfen wir nicht nur lobpreisen und jauchzen. Aber das ist das Problem, das wir mit dieser Bundesregierung auch haben: dass sie die Wahrheit in vielen Bereichen verschweigt und dass sie ungerecht war – gegenüber ganz bestimmten Gruppierungen. (Beifall bei den Grünen.)

11.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

11.45

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Teure Bundesregierung! (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist die Rede von 1999! – Abg. Mag. Kukacka: Unerhört!) Ich habe den Eindruck, dass wir in den letzten Tagen sehr unterschiedliche Wahrnehmungen gemacht haben. Ich habe seit dem 9. September, seit dem Tag, an dem Bundeskanzler Schüssel erklärt hat, dass es zu Neuwahlen kommen soll, ein Aufatmen in diesem Land gespürt. Es haben mich mir vorher völlig unbekannte Menschen auf der Straße, in der Autowerkstatt, in der Straßenbahn angesprochen und mir gesagt, dass sie froh sind, dass dieser Spuk endlich vorbei ist. (Beifall bei der SPÖ.) Ich finde, das ist eine Aussage, an die Sie denken sollten.

Herr Bundeskanzler Schüssel hat eine Partei mit in die Regierung genommen, von der er gewusst hat und von der alle gewusst haben, dass sie absolut unkalkulierbar ist. Herr Abgeordneter Kukacka hat das ja selbst noch einmal betont: dass sie nicht zu Vertrauen berechtigt. Schüssel ist dieses Abenteuer eingegangen, und dieses Abenteuer ist auch genau daran gescheitert, meine Damen und Herren.

Schüssel ist mit diesem Experiment weggegangen von dem österreichischen Weg einer behutsamen Politik, die die Menschen nicht überfordert. (Ruf bei der ÖVP: Schuldenpolitik!)


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117. Sitzung / Seite 44

Ihnen ist es Wurscht gewesen, ob Sie über die Menschen drüberfahren, und so sieht das Projekt heute auch aus.

Es ist erstaunlich, dass eine Partei wie die ÖVP, die seit 15 Jahren in der Regierung ist – sie kann sich zwar nicht mehr daran erinnern –, diese Art von kostspieligen Projekten eingeht und das den Menschen in diesem Land zumutet. Lassen Sie mich das an fünf Beispielen kurz darstellen:

Punkt eins: Forschungspolitik. Meine Damen und Herren! Wir alle sind hier im Hohen Haus dafür eingetreten, dass Österreich ein wesentlicher Standort für fortgeschrittene Forschung sein muss, weil das eine der Grundlagen dafür ist, dass ein Land wie Österreich sich auch wirtschaftlich entsprechend weiterentwickeln kann. Wir haben uns in den vergangenen Jahren, auch schon unter sozialdemokratischer Kanzlerschaft, sehr darum bemüht, beispielsweise die Biotechnologie zu einem der Schwerpunkte der österreichischen Forschungslandschaft zu machen, und wir waren erfolgreich dabei.

Was tun Sie dann, was tut Frau Minister Gehrer, Herr Minister Reichhold? Wenn es um die Abstimmung über das 6. Rahmenprogramm für Forschung in der EU geht, stimmen Sie ausschließlich aus populistischen Gründen gegen die Gentechnikprogramme – und belügen oder verraten in Wirklichkeit beide Seiten! Sie wissen, dass Sie mit dieser Gegenstimme in der EU überstimmt werden und dass es gänzlich egal ist, ob Sie dagegen stimmen, und Sie geben ein klares Signal an jene Unternehmen, die sich allenfalls in Österreich ansiedeln wollen, dass man hier nicht damit rechnen kann, dass Forschung gewollt wird.

Das schadet diesem Land! Wir werden für ein freundliches Forschungsklima eintreten, meine sehr geehrten Damen und Herren, und Verantwortung zeigen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zweites Beispiel: Bahn, Infrastruktur. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist in den letzten zweieinhalb Jahren passiert? Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren drei Verkehrsminister gehabt. Die ersten beiden haben nichts Eiligeres zu tun gehabt, als alle Bahninfrastrukturprojekte überprüfen zu lassen und dafür zu sorgen, dass nicht weitergebaut wird. Das hat zu einem beträchtlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf dem Bausektor geführt – und zur Kritik des Instituts für Höhere Studien in diesen Tagen, wonach es unbedingt notwendig ist, endlich in die Infrastruktur von Bahn und Straße zu investieren, weil sonst Österreich als Standort verliert. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir treten ganz klar und eindeutig für diese Infrastrukturinvestitionen ein. (Abg. Dr. Martin Graf: Das hätten Sie 30 Jahre lang machen können!) Wir treten dafür ein, den Verkehr umwelt- und anrainerfreundlich zu bewältigen und damit Beschäftigung zu schaffen, weil die Menschen in erster Linie Arbeit brauchen. Das ist das Programm, das wir vertreten.

Dritter Punkt: Polizei und Innenministerium. Der Herr Innenminister ist zwar gerade nicht da, aber lassen Sie mich auch in diesem Bereich ein Beispiel herausgreifen. Innenminister Strasser ist, seit er in diesem Ressort tätig ist, unermüdlich dabei, mit Brachialgewalt dafür zu sorgen, dass alle Positionen mit Schwarzen besetzt werden. Das ist sein Konzept, das er verfolgt. (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP sowie Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Strasser als Innenminister angetreten ist, hat er beispielsweise von seinem Vorgänger ein Konzept für die fachhochschulmäßige Ausbildung der Führungskräfte in der Polizei vorgefunden.

Dabei ist es darum gegangen, den Beamten bei Polizei und Gendarmerie und im Sicherheitsdienst eine entsprechende hochschulische Ausbildung zu bieten und ihre Arbeit dadurch zu verbessern. Was hat er getan? – Das war ihm natürlich egal. Dieses Konzept ist in der Schublade verschwunden und nicht realisiert worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Er hat nicht nur das getan, sondern er hat zugleich auch dafür gesorgt, dass es heute weniger Polizei, weniger Gendarmerie gibt und dass die Auf


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klärungsrate bei der Kriminalität dramatisch sinkt. (Abg. Kiss: Das stimmt nicht, Herr ehemaliger Innenminister!)  – Das ist der "Erfolg" dieses Ministers Strasser.

Wir stehen für eine andere Politik. Wir stehen dafür, für den öffentlichen Dienst einzutreten. Wir stehen dafür, für eine entsprechende Qualität der öffentlichen Dienste zu sorgen, und zwar auch durch eine entsprechende Ausbildung. Darauf können sich die Menschen in diesem Lande verlassen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Einen fast noch größeren Schaden hat dieses Experiment aber im Äußeren, in Europa und in der Welt angerichtet. Lassen Sie mich nur ein einziges Beispiel dafür bringen. Es ist viel die Rede von Partnerschaften mit den Nachbarn, mit unseren Nachbarn gewesen. Das, was in dieser Legislaturperiode geschehen ist – und wir haben gestern ein weiteres Element davon im Außenpolitischen Ausschuss erlebt –, ist, dass vernünftige Maßnahmen nicht gesetzt werden, weil die Freiheitlichen unseren Nachbarn als Gegner benützen wollen, um aufzuputschen, um zu emotionalisieren.

Wir haben gestern das Grenzgängerabkommen mit Tschechien wieder nicht ratifiziert, obwohl es uns nützen würde, weil es dem Zweck dient, sicherzustellen, dass es keine Pendlerflut in den Grenzregionen gibt. – Ihnen ist das offenbar egal, obwohl Sie diejenigen sind, die immer behaupten, dass Österreich von einer Überflutung durch Ausländer gefährdet sei. Ich kann nur sagen: Dann tun Sie etwas, wenn Sie diese Gefahr sehen! Beschließen Sie solche Dinge auch dann, wenn es um die Tschechen geht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten stehen für eine gutnachbarliche Politik mit allen unseren Nachbarn, und wir sind absolut gefeit davor, diese Beziehungen populistisch zu missbrauchen, nur damit hier irgendeine Stimmung erzeugt wird. Es geht um Problemlösung. Es geht darum, dafür zu sorgen, dass wir ein gutes Verhältnis mit diesen Nachbarn haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Lassen Sie mich noch ein letztes Beispiel anführen, und zwar die Sicherheitspolitik im Äußeren. Diese Bundesregierung hat eine Sicherheitsdoktrin für Österreich beschlossen, in der steht, dass Sie gerne in die NATO wollen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben angeboten, mit Ihnen über diese Dinge ernsthaft zu reden und ein vernünftiges Sicherheitskonzept zu beschließen, das auf Frieden und auf eine europäische Sicherheitspolitik ausgerichtet ist, die nicht einseitig Gewalt anwendet, dort, wo sie es für wünschenswert hält, nur weil sie stark genug ist, Gewalt anzuwenden.

Wir treten – und das sei mein letzter Punkt – dafür ein, dass die Neutralität erhalten bleibt und dass das Recht den entscheidenden Maßstab abgibt. Wir treten für eine friedensorientierte Politik ein, die die Erfahrungen, die Österreich mit seinen Soldaten im Peace-Keeping gemacht hat, österreichisch und europäisch nützt. Das wäre zu Gunsten dieses Landes. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bösch. – Bitte.

11.54

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Hohe Haus, ich muss es ehrlich sagen, hat schon bessere Beiträge von Seiten der Opposition gehört.

Herr Kollege Einem, gerade hinsichtlich der Sicherheitsdoktrin, die wir beschlossen haben, ist Ihr Beitrag besonders falsch. Sie hätten die Sicherheitsdoktrin, bevor Sie sie hier am Rednerpult in Bausch und Bogen kritisieren, einmal durchlesen sollen, dann hätten Sie gemerkt, dass diese Bundesregierung, dass diese beiden Parteien in der Sicherheitsdoktrin einen zukunftsweisenden und friedensliebenden Weg gehen, ganz im Gegensatz zu dem, was Sie hier behaupten.


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Herr Kollege Öllinger hatte die Stirn, hier am Rednerpult die Qualität der Redebeiträge im Hohen Haus anzusprechen. – Herr Kollege, Sie hätten bei Ihrem Beitrag damit beginnen können, uns zu zeigen, dass sich die Qualität erhöht. Ich habe wirklich nichts davon bemerkt. (Bei
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fall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Einem! Ihnen sage ich noch etwas zu dem Spuk, von dem Sie gesprochen haben. – Der Spuk wurde am 4. Februar 2000 beendet. An diesem Tag hat nämlich die FPÖ Regierungsverantwortung übernommen, mit dem Ziel, entscheidende Weichenstellungen für Österreich durchzusetzen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )

Die Ausgangslage für die Reformen, die damals begonnen haben, war auf Grund Ihrer Tätigkeit, auf Grund von 30 Jahren SPÖ-Alleinregierung und SPÖ-dominierten Regierungen denkbar schlecht. Nach Übernahme unserer Regierungsverantwortung und nach einem Kassasturz musste nämlich eine der Größenordnung nach nicht erwartete Verschuldung des Staatshaushaltes – hören Sie zu, Sie werden die Zahlen im beginnenden Wahlkampf noch öfters hören! – im Ausmaß von 123 Milliarden € festgestellt werden. Wenn man die ausgelagerten Schulden dazurechnet, waren das 167 Milliarden €; das sind insgesamt 2,3 Billionen Schilling Schulden.

Das war mehr, meine Damen und Herren von der SPÖ, als die gesamten Bildungsausgaben, alle Infrastrukturausgaben und das gesamte Sozialbudget des Bundes zusammengenommen. Erschwerend kam hinzu, dass Österreich damals das mit weitem Abstand höchste Budgetdefizit im Rahmen der Europäischen Union aufgewiesen hat.

All das hatte Österreich der SPÖ-dominierten Bundesregierung zu verdanken. Die Österreicher müssen daher jeden Tag mehr als 49 Millionen €, jeden Tag mehr als 680 Millionen Schilling an Zinsen und Tilgung zahlen. – Danke, SPÖ, kann man da nur sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, meine Damen und Herren, weil gerade Herbert Haupt, unser erfahrener und bewährter Sozialminister, auf der Regierungsbank sitzt, möchte ich darauf hinweisen, dass auch im Bereich der Sozialpolitik die Ausgangslage nach Ihrer Regierung ausgesprochen schlecht war. Nachdem die SPÖ-Sozialminister in den letzten Jahren ihrer Amtstätigkeit eine Reihe von Maßnahmen zur Demontage des Sozialsystems – daran erinnern Sie sich nicht gerne – gesetzt hatten, etwa die Kürzung des Karenzgeldes, die Kürzung des Pflegegeldes, die Kürzung der Karenzzeiten und so weiter, hat diese Regierung begonnen, mit klaren Vorschlägen auch im Sozialbereich eine Reform des Systems herbeizuführen.

Vor allem hat Ihre Politik dazu beigetragen – und diese Zahlen sollten Sie sich noch einmal anhören –, dass zu Beginn dieser Legislaturperiode, zu Beginn dieser Koaltionsregierung 1,1 Millionen Menschen in Österreich unter der Armutsgrenze lebten. Das ist die Politik gewesen, die Sie als SPÖ zu verantworten haben!

Seit Beginn der Regierungstätigkeit am 4. Februar 2000, meine Damen und Herren, ist es der freiheitlichen Regierungsmannschaft im Rahmen der Koalition mit der ÖVP gelungen, wesentliche Reformprojekte zu erledigen und eine ganze Reihe von wichtigen Vorhaben auch umzusetzen. Diese Erfolge sind umso bemerkenswerter, als sie in einem äußerst schwierigen wirtschaftlichen Umfeld erzielt werden mussten, da sich die Konjunktur in allen führenden Industrienationen – und diese Situation haben wir auch heute – deutlich abgeschwächt hat.

Ich erwähne nur kurz die Verwaltungsreform, die unter der Federführung unserer Vizekanzlerin durchgeführt wurde, eine Verwaltungsreform, die Kompetenzbereinigungen, Beseitigung von Doppelgeleisigkeiten, die Schaffung einer modernen, bürgernahen und effizienten Verwaltung, Milliardeneinsparungen durch Entbürokratisierung, Deregulierung und Rechtsbereinigungen zum Ziel hat. All das sind Fremdworte für die SPÖ-Verwaltung!

Meine Damen und Herren! Auch in der freiheitlichen Sozialpolitik – und dafür steht unser Herbert Haupt – sind wesentliche Meilensteine gesetzt worden. Mit der Einführung der Abfertigung für alle ist ein Meilenstein in der Sozialpolitik gelungen. Darauf bin ich auch als Freiheitlicher stolz: dass wir in dieser Regierung waren, als wir diesen Schritt setzen konnten! (Beifall bei den Freiheitlichen.) In Hinkunft haben nämlich alle in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehenden Personen einen Abfertigungsanspruch. Auch Beschäftigte in Saisonberufen, rund 120 000 Lehrlinge sowie Frauen und Männer in Karenz sind anspruchsberechtigt.

Das Kinderbetreuungsgeld: Meine Damen und Herren! Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes stellt eine zukunftsweisende Maßnahme dar. Das Kinderbetreuungsgeld hat das bisher nur den berufstätigen Eltern zustehende Karenzgeld abgelöst und steht im Gegensatz dazu allen Eltern – ob Berufstätige, Hausfrauen, Selbständige, Studenten, geringfügig Beschäftigte oder freie Dienstnehmer – zu.

Dazu kommt die Erhöhung der Familienbeihilfe, die Behinderten-Milliarde, die "Aktion Fairness". Gerade Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, hätten das schon längst machen können. Die "Aktion Fairness" hatte zum Ziel, bestehende arbeits- und sozialrechtliche Unterschiede zu beseitigen. Diese Regierung hat das durchgeführt!

Die Familienhospizkarenz: Entsprechend unserem freiheitlichen Grundsatz, dass der Mensch im Mittelpunkt zu stehen hat, war und ist es uns ein besonderes Anliegen, den Menschen zu ermöglichen, ihren letzten Lebensabschnitt in Würde verbringen zu können. Aus diesem Grund haben wir in Österreich die Familienhospizkarenz im Rahmen dieser Bundesregierung verwirklicht.

Die Kriegsgefangenenentschädigung: Meine Damen und Herren, es ist dies ein leidiges Thema, das diese Regierung angepackt hat und damit fünfeinhalb Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges einen Akt der Anerkennung und der Pietät gesetzt hat.

Viele andere Maßnahmen kommen noch dazu. Die von mir angeführten realisierten Maßnahmen zeigen aber, wie wichtig die freiheitliche Regierungsbeteiligung für Österreich auch in diesen zweieinhalb Jahren, die hinter uns liegen, war.

Umso notwendiger ist es auch, dass dieser erfolgreiche Weg im Interesse unseres Landes weitergeführt werden kann, und dafür werden wir Freiheitlichen eintreten. Wir sind der Ansicht, dass das vorzeitige Ende dieser Legislaturperiode – und hier spreche ich ganz offen – unnötig war. Wir Freiheitlichen sind zu dieser Regierung gestanden, wir Abgeordnete hier im Nationalrat haben die Vorhaben dieser Bundesregierung in allen Bereichen mitgetragen, auch wenn es da und dort einmal schwierig war.

Wir haben aber jetzt die Aufgabe, in diesem Wahlkampf, der vor uns liegt, eine neue Position zu finden, und das werden wir auch tun. Ich habe dem Herrn Kollegen Khol zugehört, als er dargelegt hat, welche Vorhaben die ÖVP in den nächsten Jahren plant, und ich muss dazu sagen: Es gibt mindestens zwei Parteien in diesem Parlament, mit denen die ÖVP diese Vorhaben nicht durchführen kann.

Wir werden aber auch dafür sorgen, meine Damen und Herren, dass es kein Zurück zur rot-schwarzen Schuldenmacherei gibt, und wir werden auch dafür sorgen, dass es keine rot-grüne Chaosregierung gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Niederwieser: Herr Präsident! Kann der sich nicht verständlicher ausdrücken? Da weiß man ja nicht, was er meint!)

12.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

12.03

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in den letzten zweieinhalb Jahren einen politischen Kurswechsel eingeleitet. Sie hat grundlegend eine neue Finanz- und Budgetpolitik gemacht, sie hat eine Pensionsreform zur Sicherung der Pensionen begonnen und durchgeführt. Sie hat eine große Bildungsoffensive gestartet – jeder siebente Euro des Budgets fließt in die Bildung. Sie hat eine grundlegende Universitätsreform


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durchgeführt, wichtige Vorhaben im Sozialsystem – ich nenne in diesem Zusammenhang die Abfertigung neu, die Familienhospizkarenz, das Konjunkturpaket, das Kinderbetreuungsgeld –, ebenso wie eine erste Verwaltungsreform, die diesen Namen auch verdient. Sie hat die Angleichung von Arbeitern und Angestellten vorgenommen, sie hat die Liberalisierungen in der Wirtschaft vorangetrieben, die Liberalisierung in der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft, und sie hat eine neue Gewerbeordnung geschaffen. Sie hat eine Neuordnung in der Medienpolitik vorgenommen, und sie hat auch die schon seit langem anstehende Zwangsarbeiterentschädigung durchgeführt.

Die Projekte, die ich aufgezählt habe, sind mir bei einem ersten Nachdenken eingefallen; das ist aber nicht alles. Und das alles wurde in zweieinhalb Jahren zustande gebracht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Das waren Reformprojekte, mit denen es gelungen ist, Stillstand zu überwinden – und nicht so, wie Herr Kollege Einem sagte: langsame Entwicklungen. Es war tatsächlich so, dass es mit der SPÖ in den letzten Jahren einen Stillstand gegeben hat.

Diese Bundesregierung hat gearbeitet, entschieden, und sie hat regiert, und das wissen auch die Wählerinnen und Wähler.

Ich denke, dass diese Bundesregierung auch in demokratiepolitischer Hinsicht wichtig war. Sie hat Österreich nämlich von einer demokratischen Lähmung befreit. 1999 – erinnern Sie sich zurück – war das Programm der SPÖ vor allem Ausgrenzung und Medieninszenierung. Sie hat eine Partei tabuisiert, sie hat Wähler ausgegrenzt. Und warum? – Um von Inhaltsleere und Entscheidungslähmung abzulenken und vor allem, um ihren eigenen Machterhalt zu sichern.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht nicht mehr. Der Wähler hat 1999 diese Politik abgewählt und der Kassandra-Politik eine Abfuhr erteilt. (Zwischenruf der Abg. Binder. )

In den bisherigen Redebeiträgen der Opposition – und das ist das, was mich heute sehr erschreckt – geht genau diese Schwarzmalerei, die Sie damals betrieben haben, weiter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Binder und Huber. ) Das ist nicht die Politik, die dieses Land braucht, und das ist auch keine Politik, die für das Land Fortschritt bringt. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Opposition kann und wird natürlich nicht alles gutheißen, was eine Regierung tut – das ist selbstverständlich –, aber das, was Sie uns heute hier an Realitätsverweigerung dargeboten haben, war schon in gewisser Weise einmalig. Ich habe noch die Worte des Herrn Kollegen Wittmann im Ohr, der gestern ununterbrochen vom Chaos in diesem Land gesprochen hat, oder auch jene von Frau Kollegin Glawischnig, die heute eine unglaublich düstere Schwarzmalerei in Bezug auf dieses Land betrieben hat. (Abg. Steibl: Weil sie viel verschlafen hat und nicht gewusst hat, was ...  erledigt hat!) – Das ist so nicht: Österreich ist ein schönes, weltoffenes und blühendes Land und vom Chaos weit entfernt! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt steht Österreich vor wichtigen Entscheidungen, wohin der Weg weitergeht. Geht Österreich weiter den Weg der Wende? – Die Wende begreife ich als eine Erweiterung des politischen Spielraumes und der politischen Möglichkeiten. Diese inhaltliche Wende ist zwar in Ansätzen, in ihrem Beginn geglückt, sie ist aber noch nicht abgeschlossen. Die Reformen müssen weitergeführt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich braucht jetzt und in Zukunft eine erfahrene Führung, auf die sich die Menschen in diesem Land verlassen können. Und da meine ich, dass unser Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auch wirklich bewiesen hat, dass er das kann: In für dieses Land schwierigen Zeiten – ich erinnere an die Zeit der Sanktionen, die wir vielleicht alle ganz gern vergessen, als die Vertreter der Opposition mit den Sanktionsbefürwortern champagnisiert haben – oder auch in Zeiten der Naturkatastrophen, dieses furchtbaren Jahrhunderthochwassers, war er da, hat entschieden, hat sachlich und ruhig das Notwendige getan – und das ist letztlich das, was dieses Land auch in Zukunft braucht. (Beifall bei der ÖVP.)


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Die ÖVP hat in der Vergangenheit Politik mit Augenmaß betrieben, und sie wird dies auch in Zukunft tun, eine Politik, in die Menschen eingebunden sind und nicht ausgegrenzt werden. Wir wollen die positiven Kräfte in diesem Land fordern und fördern – und nicht überfordern. Wir erteilen aber auch einem Populismus von links ebenso wie von rechts eine Absage. Wir wollen in Zukunft eine berechenbare und vernünftige Politik machen, und wir wollen vor allem alle möglichen Chancen für Österreich nützen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

12.08

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich komme sogleich auf die Ausführungen meiner Vorrednerin zu sprechen: Frau Dr. Baumgartner-Gabitzer, Sie haben gesagt, dieses Land sei weltoffen. – Ja, ist es. Aber ist diese Bundesregierung in ihrer Gesamtheit weltoffen? (Abg. Steibl: Ja, das ist sie! – Abg. Schwarzenberger: Ja, ist sie! Die Grünen haben es verschlafen!) Diese Frage stelle ich Ihnen schon. – Sie sagen, ja. Ich weiß nicht, ob Sie dieses Thema jemals mit den Herren Stadler, Kabas, Windholz, und wie sie noch heißen mögen, diskutiert ... (Ruf bei der ÖVP: Die sind nicht in der Regierung! – Abg. Dr. Khol: ... nicht zur Bundesregierung!)

Herr Dr. Khol bringt durch Gestik zum Ausdruck: Was geht mich das an? – Herr Dr. Khol, Sie haben hier sehr klar gesagt, dass Sie diese Art der Regierung weiterführen wollen. (Abg. Dr. Khol: Nein! Das Programm! Das Programm wollen wir weiterführen!)  – Meine Damen und Herren von der ÖVP! Diese Meinung, diese nicht weltoffene Meinung (Ruf bei der ÖVP: Sie sind auch nicht für den Herrn Gusenbauer verantwortlich!), diese zur Verhetzung tendierende Meinung hat in der Partei Ihres Noch-Koalitionspartners Mehrheiten bei den Parteitagsdelegierten! Und da geht die ÖVP mit? – Das ist alles andere als weltoffen, Herr Dr. Khol! (Beifall bei den Grünen.)

Sie tun jetzt so, als hätte die Regierung sehr viel Gutes geschaffen (Abg. Auer: Hat sie auch!) und als sei ganz am Ende eine Irritation durch einen isolierten Unruhestifter eingetreten. – Meine Damen und Herren, ich sage es Ihnen noch einmal: Es sind Mehrheiten, die so denken und die jetzt auch diesem Interimsparteichef schon gesagt haben: Wenn wir nicht berücksichtigt werden, dann kommt dieses Theater noch einmal! – Und ich denke, dieses Theater hat sich Österreich wahrlich nicht verdient, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Dinge geraten ja so schnell in Vergessenheit, aber diese Rabaukenpolitik, die da vielfach zur Schau gestellt wurde, all das haben Sie einfach so eingesteckt, nur um den Kanzleranspruch zu behalten. Ich erinnere an die Beschimpfungen ausländischer Staatsoberhäupter, die Beschimpfung auch von verdienten Menschen hier in Österreich, von Herrn Präsidenten Adamovich, von Herrn Muzicant. Alles schon vergessen? Und das wollen Sie wieder? – Nein danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie können nicht der Wirtschaft sagen: Wir sind für die EU-Erweiterung!, solange die Herren Stadler, Kabas und Windholz und ihre Anhänger Mehrheiten haben, die Ihnen genau zeigen werden, wie der Karren zu laufen hat, und die jedes Experiment stoppen werden, wenn es ihnen nicht passt.

Auch zu den sachlichen Errungenschaften, die Sie hier in so hellen Tönen dargestellt haben, möchte ich einige Anmerkungen machen. Ich komme hier nur auf zwei Bereiche zu sprechen, auf die Wirtschaftspolitik und auf die Frauen- und Familienpolitik.

Meine Damen und Herren! Zur Wirtschaftspolitik: Sie – oder einige Vertreterinnen und Vertreter von Ihnen – sind doch in denselben Diskussionsrunden, in denen auch ich oft bin, und da tönt es ganz anders. Was haben Sie denn gemacht für die kleinen Gewerbetreibenden? Was haben Sie denn gemacht für den Mittelstand? Die Industriellen in dieser Regierung, die ja hier gut


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vertreten sind, die haben sich durchgesetzt. Die haben gesagt: Wir brauchen die Saisonnier-Regelung für unseren Bereich!, und die Gewerbebetriebe, die das wirklich brauchen, etwa im Bereich des Tourismus, der Gastronomie, der Freizeitwirtschaft, die haben das Nachsehen.

Reden Sie doch einmal mit den Menschen in den Bundesländern, und Sie werden hören, wie es denen heute schon geht und was sich dort für eine Stimmung gegen diese Regierung aufgebaut hat. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben das so wie im Bereich der Postenvergabe gemacht: eine Politik für die da oben; und die, die heute schon um ihre Existenz ringen, die lassen Sie weiter wursteln.

Und es geht auch weiter mit dem Postenschacher – nicht einmal in diesen Tagen ist Ruhe damit! Es passiert jetzt noch, im Bereich der Wirtschaftsförderung, im Bereich des Infrastrukturministeriums: Nach wie vor werden überall in den Schaltstellen vor allem blaue Repräsentanten – auch die einzelnen Persönlichkeiten, die etwa dem Herrn Präsidenten nahe stehen – untergebracht. Und verdiente andere, die nie parteipolitisch agiert haben, müssen jetzt mit Ende dieses Monats gehen. – Eine schöne Saat, die Sie da hinterlassen! Die Wirtschaftstreibenden werden es Ihnen danken. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Mag. Grasser: Ein Beispiel! Ein Beispiel! Eines!)  – Das bekommen Sie!

In Sachen Frauen- und Familienpolitik: Ein Vorredner hat gesagt, es gäbe ein Kinderbetreuungsgeld für alle. – Na wo denn, was denn? Sie haben umgeschichtet! Einige bekommen jetzt etwas, die vorher nichts bekommen haben: die Studentinnen, die Schülerinnen (Ruf bei der ÖVP: Wollen Sie das nicht?), die nicht Berufstätigen, die Selbständigen. – Ist richtig, war wichtig. – Aber dass Sie aus ideologischen Gründen anderen Frauen – und Männern, die das in Anspruch nehmen wollen – etwas wegnehmen (Rufe bei der ÖVP: Wem?), das zeigt doch eine sehr klare Färbung! (Rufe bei der ÖVP: Wem? Zum Beispiel?)

Wem? – Sie haben für die Frauen und die Väter, die das in Anspruch genommen haben, eine Zuverdienstgrenze eingeführt, die es vorher bei der Teilzeitkarenz nicht gab. Die Teilzeitkarenz war das einzige Modell, bei dem der Männeranteil stark steigend war. Das war das Modell der modernen Familien, bei dem Väter und Mütter ihre Betreuungsaufgaben geteilt haben!

Das ist radikal zusammengestrichen worden, weil Sie die Frauen entweder in der Funktion der nicht berufstätigen Ehegatten oder der Dazuverdienenden haben wollen – ein bisschen Taschengeld darf es schon sein, bloß keine Eigenständigkeit. – Das grüne Modell sieht anders aus! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist bemerkenswert, dass hier nur Männer Zwischenrufe tätigen (Abg. Dr. Stummvoll: Dürfen wir das auch nicht mehr?), denn Sie wissen genau, dass es so ist! Und bei Ihnen sind genauso die Fälle von Frauen anhängig, die jetzt statt einer Teilzeitkarenz null bekommen – genau null! –: zum Beispiel Alleinerzieherinnen, die weiter berufstätig sind und über 14 600 € verdienen. Das ist das, was manche Ihrer Herren, die vom Postenschacher begünstigten, in einem einzigen Monat eingestreift haben! – Das nenne ich eine schlechte und eine verfehlte Politik! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme zu einem letzten Punkt, auch weil die Frau Unterrichtsministerin noch auf der Regierungsbank sitzt: Wir hatten in Österreich gerade eben Schulbeginn. Dass es mit der Integrationspolitik in dieser Regierung nicht sehr weit her ist, das wissen alle, weil sich da einmal mehr die ÖVP bestimmten ideologischen Vorstellungen des Koalitionspartners gebeugt hat – weil das dort eben nicht geht, weil das unerwünscht ist oder bestimmten Wahlzusagen widerspricht.

Frau Bundesministerin! Sie wissen so gut wie ich, dass wir in diesem Lande – und ich kann das sogar aus der Schule meiner eigenen Kinder bestätigen – Kinder haben, die eigentlich, nach den Aufenthaltsgesetzen, nicht hier sein dürften, weil sie in eine Quote nicht mehr hineingepasst haben; kleine Kinder, die nicht bei ihren leiblichen Eltern sein dürfen.


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Wir haben etwa 7 000 Kinder in diesem Lande, die zwar Gott sei Dank die Schulen besuchen, aber keine dauerhaften Aufenthaltsdokumente haben. Ich nenne das für einen angeblich weltoffenen Staat, Frau Baumgartner-Gabitzer, eine bittere Schande! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Dinge sind nicht schwarz-weiß, sie sind leider allzu schwarz-blau gewesen. Dieses instabile Experiment, das vor allem für bestimmte Personengruppen – für die Frauen, für die Ausländerlnnen, für die kleinen Wirtschaftstreibenden – überwiegend Nachteile gebracht hat, soll in diesem Land keine Wiederholung finden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Großruck: Sie sollten einmal in eine Gemeinde gehen und dort schauen ...!)

12.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.17

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Regierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Journalist Christian Ortner zitiert im heutigen "FORMAT" die renommierte Schweizer "Weltwoche". Ich möchte dieses Zitat hier vorlesen, weil gerade die Offenheit dieser österreichischen Bundesregierung zur Disposition gestellt worden ist. Hier wird also von einem, der dieser Bundesregierung kritisch gegenübersteht, Bilanz gezogen. Die Schweizer "Weltwoche" wird wie folgt zitiert:

"Die Koalitionsregierung hatte den Sturm ihrer ersten Wochen im Amt, mit EU-Sanktionen und täglichen Demonstrationen, gut überstanden und danach tatsächlich eine Wende eingeleitet ... Demokratie und Medienfreiheit waren nicht mehr gefährdet als unter sozialdemokratischen Regierungen. Die Künstler wanderten doch nicht aus, und selbst die Gegner von Schwarz-Blau waren froh, daß der erdrückende Stillstand der großen Koalition zu Ende war. Das Land erlebte einen Aufbruch ..." (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Fischer: Den Haider habt ihr nicht ausgehalten!)

Meine Damen und Herren! Sie können sich vorstellen, dass ich gerade vor diesem Hintergrund die vorzeitige Auflösung des Nationalrates bedauere, weil diese Bundesregierung nicht nur so getan hat, als ob sie gute Arbeit geleistet hätte, sondern weil wir wirklich gute und wichtige Reformarbeit für Österreich umsetzen konnten und weil diese Regierungsmannschaft – das darf ich Ihnen versichern – jede Menge an Kraft, an Energie, an persönlichem Einsatz auch weiterhin investieren wollte, um diese Reform- und Erneuerungspolitik für Österreich umzusetzen. (Abg. Eder: Warum ... dann zurückgetreten?)

Wenn es aber auf Grund der gesamtpolitischen Situation nicht mehr möglich ist, das zu tun, dann halte ich es einfach für den fairen und korrekten Weg, für den einzigen Weg, der in einer Demokratie richtig ist (Abg. Dr. Gusenbauer: Die FPÖ ist nicht die Gesamtpolitik!), den Wähler und die Bevölkerung vorzeitig zu befragen, damit man möglichst rasch wieder ein neues Parlament, eine neue Regierung im Amt hat, die die notwendigen Reformen, so hoffe ich, auch beschleunigt umsetzen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Regierung, dass diese zwei Koalitionsparteien mit gutem Gewissen in diese Neuwahlen gehen können: mit gutem Gewissen, weil wir darauf verweisen können, dass es zweieinhalb Jahre lang eine sehr erfolgreiche Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik gegeben hat.

Es ist eine Wirtschaftspolitik,  die auch eine Rekord-Beschäftigung mit mehr als 3 200 000 Beschäftigten gebracht hat  –  so viele hatten wir noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik –, die ein ansprechendes Wirtschaftswachstum in schwierigen Zeiten gebracht hat und die heuer ungefähr 30 000 neu gegründete Unternehmen hervorbringt.


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Meine Damen und Herren! Es ist eine Regierung, die hohe Reformbereitschaft und hohe Reformdynamik aufgebracht hat – viele Reformen wären in einer anderen Koalitionsform nicht umsetzbar gewesen –, und eine Regierungsarbeit (Abg. Huber: Ein Chaos!), die hohe internationale Anerkennung genießt, ob es die Kommission der Europäischen Union ist, ob es Regierungen anderer Länder sind, ob es die OECD ist oder ob es der Internationale Währungsfonds ist.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich finde es beruhigend, dass Ihnen dieses Reformtempo offensichtlich zu hoch war (Abg. Huber: Nein, das war nicht zu hoch! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), aber dass das nicht für die Bevölkerung gilt, weil große Teile der Bevölkerung und der Wirtschaft sich immer stärker hinter diese Bundesregierung gestellt haben, weil man erkannt hat, dass diese Reform, diese Erneuerung für das Land wichtig und notwendig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die wir gestaltet haben, basiert auf den Lehren der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, also einem Schumpeter, einem Menger, einem Mises, einem Böhm-Bawerk, einem Hayek, die immer die freie Entscheidung des Individuums und die Freiheit des Individuums betont haben, die mehr Markt und weniger Staat wollten, die den innovativen Unternehmer als den Initiator von Wachstum und Beschäftigung gesehen haben, die Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung als für ein Land besonders wichtigen, Erfolg versprechenden Weg geprägt haben und die schuldenfinanzierte Staatsausgaben – eine Verschuldung des Landes, wobei man über 30 Jahre immer mehr Geld ausgegeben hat, als man eingenommen hat – als Gefährdung der Zukunft unseres Landes und als Bruch des Generationenvertrags betrachtet haben, sodass sie es immer abgelehnt haben, ein solche Schuldenpolitik als Instrument der Wirtschafts- und der Wachstumspolitik eines Landes zu sehen.

Deswegen, meine Damen und Herren, war es auch Zeit für eine andere Finanzpolitik in Österreich, für eine Finanzpolitik mit Hausverstand, ja geradezu eine Revolution des Hausverstandes in Österreich, weil klar war, dass man nicht immer mehr Geld ausgeben kann, als man einnimmt. Das kann kein Unternehmen, das kann kein Haushalt, das hat auch Österreich unter unserer Führung nicht mehr getan, weil wir es erstmals seit mehr als 30 Jahren geschafft haben, diesen ausgeglichenen Haushalt 2001 zustande zu bringen. Das ist wichtig und notwendig für Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist wichtig und notwendig für Österreich, weil es nicht nur um einen ausgeglichenen Haushalt geht und weil es schon gar nicht darum geht – wie Sie es mir immer wieder vorgeworfen haben –, einen ausgeglichenen Haushalt in jedem Jahr und um jeden Preis sicherzustellen. Wir haben immer gesagt, es geht über den Konjunkturzyklus um einen ausgeglichenen Haushalt, auch weil das ein wirtschaftspolitisches Instrument ist und die Grundvoraussetzung dafür bildet, dass wir eine nachhaltige Entlastung in Österreich möglich machen. Es war immer das Ziel dieser Bundesregierung, in mehreren Etappen eine nachhaltige Entlastung für die Bevölkerung, für die Arbeitnehmer und für die Wirtschaft erreichen zu können.

Meine Damen und Herren! Wie sehen die konkreten Erfolge dieser Wirtschafts- und Finanzpolitik aus? – Ich habe es erwähnt, das Nulldefizit wurde bereits im Jahr 2001 erreicht. (Abg. Dr. Gusenbauer: 2002 nicht mehr!) Wir haben immer gesagt, wir investieren in Menschen. Wir haben höhere Investitionen in Ausbildung und in Forschung und Entwicklung gesetzt als jemals zuvor. Es gibt heute mehr steuerliche Anreize für die betriebliche Ausbildung, für die Forschung und Entwicklung als jemals zuvor.

Es wurde vorhin gesagt, man will für ein forschungsfreundliches Klima sorgen. – Meine Damen und Herren, wir haben ein forschungsfreundliches Klima in diesem Land umgesetzt, wir haben es zur Realität gemacht! Niemals zuvor hat es ein forschungsfreundlicheres, bildungsfreundlicheres Klima in Österreich gegeben als unter dieser Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Herr Einem hat auch gesagt, man habe unter dieser Bundesregierung nicht weitergebaut und man werde endlich wieder investieren müssen. Meine Damen und Herren, es gibt unter dieser Bundesregierung höhere Infrastrukturinvestitionen als jemals zuvor! (Abg. Eder: Sagen Sie mir, wo!) Im Vergleich zu unserer Vorgängerregierung haben wir zusätzlich über das Niveau hinaus, das es bisher gegeben hat, 1,5 Milliarden € eingesetzt, weil wir gewusst haben, dass die Infrastruktur gerade vor dem Hintergrund der Osterweiterung ein ganz besonders wichtiges Thema ist. (Abg. Dr. Fischer: 100 Milliarden mehr Schulden gemacht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben – auch wenn Sie es nicht gern hören – eine Verwaltungsreform umgesetzt, die allein heuer Einsparungen in einer Größenordnung von 1 Milliarde € bringt, weil wir gewusst haben, wir müssen hier Kosten herausnehmen, damit wir Entlastung möglich machen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bundesministerin Gehrer – sie sitzt hier neben mir – hat eine Universitätsreform durchgeführt, die wichtig für Anreize für Studierende und für das Lehrpersonal sowie für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Ausbildungssystems in Österreich ist. Wir haben mit der Mitarbeitervorsorge sozialpolitisch einen Wurf, den es über Jahrzehnte nicht gegeben hat, umsetzen können und haben damit auch eine zweite, nämlich eine betriebliche Pensionssäule aufbauen können. Wir haben eine Reform, die Arbeitgebern etwas bringt und die Arbeitnehmern nützt, weil jetzt alle eine Abfertigung bekommen werden, umsetzen können.

Wir fügen jetzt – auch mit der Diskussion heute am Nachmittag – eine dritte, eine individuelle Pensionssäule hinzu, weil uns die Zukunftsvorsorge, die private Altersvorsorge ganz besonders wichtig ist. Wir haben immer gesagt, wir brauchen ein Drei-Säulen-System: staatliche Vorsorge, betriebliche Vorsorge und private Vorsorge, da ja Strukturreformen für dieses Land, für die Altersvorsorge, für uns alle sehr wichtig sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben Liberalisierungen bei Gas und Strom und eine Liberalisierung der Gewerbeordnung durchgesetzt. Wir haben das höchste Privatisierungsvolumen ermöglicht, das es in der Zweiten Republik gibt. Wir haben die ÖIAG saniert und haben von 6 Milliarden an Schulden innerhalb von zweieinhalb Jahren 4 Milliarden abbauen können; 2 Milliarden Schulden bestehen dort noch. Ich möchte dem Aufsichtsrat und dem Vorstand der ÖIAG sehr herzlich danken, weil dies eine wirkungsvolle, aktive Industriepolitik auch im Interesse der Beschäftigten und des Standortes Österreich ist. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben eine Kapitalmarkt-Offensive auf den Weg gebracht, die auch im Zusammenhang mit dieser individuellen Pensionsvorsorge – dieser dritten Säule, die heute beschlossen wird – wichtig ist. Ich möchte mich beim ersten Kapitalmarktbeauftragten, den es in der Geschichte der Republik gegeben hat, nämlich bei Richard Schenz sehr herzlich dafür bedanken, dass er diese Aufgabe angenommen hat, und zwar deswegen, weil uns allen Eigenkapital für Österreich wichtig sein muss. Diese Bundesregierung ist der Freund des Eigenkapitals in unseren Betrieben! Wir haben uns immer dazu bekannt, dass wir die Politik der Diskriminierung von Eigenkapitalfinanzierungen abschaffen müssen und dass wir Eigenkapital in die Unternehmen bringen müssen, weil wir wissen, dass auf der einen Seite Eigenkapitalmangel die Insolvenzursache schlechthin ist und auf der anderen Seite Eigenkapital eine Grundvoraussetzung für das Wachstum der Unternehmen, für ein expansives Wachstum von Unternehmen ist. Daher ist es wichtig, dass man auch diese Kapitalmarkt-Offensive angegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben gemeinsam eine unabhängige Finanzmarktaufsicht zustande bringen und damit einen Trend in Europa umsetzen können. Wir haben eine Neustrukturierung der Förderlandschaft mit der Austria Wirtschaftsservice umgesetzt und damit einen One-Stop-Shop, eine zentrale Wirtschaftsförderung für Österreich, geschaffen.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Bitte zum Ende zu kommen! Die Uhr hat zu spät geblinkt.


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Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser
(fortsetzend): Wir haben dankenswerterweise auch den Opfern des Jahrhunderthochwassers großzügig und unbürokratisch helfen können.

Meine Damen und Herren! Ich denke daher, dass wir Österreich wettbewerbsfähiger machen konnten, dass wir den Standort aufwerten konnten und dass wir für die Beschäftigung in Österreich – für mehr Beschäftigung, für Vollbeschäftigung – wichtige Voraussetzungen schaffen konnten. (Abg. Dr. Fischer: Und mehr Arbeitslose!) Ich freue mich, dass wir, nachdem wir eine Reihe sehr attraktiver Produkte, Reformen und Problemlösungen für die Bevölkerung geschafft haben, hier eine gute Arbeit für unser Land übergeben können. Ich möchte mich bei Ihnen allen sehr herzlich dafür bedanken, dass diese Arbeit von den Koalitionsparteien immer mitgetragen wurde und dass Sie diese Arbeit unterstützt haben, auch wenn es anscheinend nicht immer unbedingt populäre Reformen für unser Land waren.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bitte um den Schlusssatz!

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): Ich möchte mich bei den Oppositionsparteien für den Dialog und für die Auseinandersetzung mit Argumenten bedanken.

Ich möchte abschließend sagen, es war mir eine Ehre und Auszeichnung, für unser Land arbeiten zu können. Ich verspreche, dass ich das Ministerium selbstverständlich professionell und konstruktiv übergeben werde, und bedanke mich bei der Bevölkerung dafür, dass man meine Arbeit immer sehr, sehr stark und in großem Ausmaß unterstützt hat. – Vielen Dank! (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP, die sich von ihren Plätzen erheben.)

12.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Herr Bundesminister, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Fischer  – in Richtung Freiheitliche und ÖVP –: Ist das die KPdSU? Bei Breschnew war der Beifall noch ein bisschen länger!)

12.30

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, dass es gerade auf Grund der letzten Worte Sinn macht, ganz kurz innezuhalten und den Blick darauf zu richten, was passiert ist.

Hier ist es einem der erfolgreichsten Politiker dieses Landes, einem der beliebtesten Minister dieses Landes – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich, seine Arbeit fortzusetzen. Er ist ein Mann, der gemeinsam mit seinen Kollegen dafür gesorgt hat, dass Österreich ein Stück moderner geworden ist. Ich glaube – und das ist mein Appell von dieser Stelle aus, auch mit dem Gedanken daran, dass viele Zehntausende Fernsehzuschauer diesen Worten zuhören –, dass wir junge Leute ermutigen sollten, in die Politik zu gehen, und dass wir gute Leute ermutigen sollten, in der Politik zu bleiben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Vielleicht kandidiert er bei euch!)

Ich stehe nicht an, sehr klar zu sagen, dass der Finanzminister der Republik Österreich Karl-Heinz Grasser weit über die Regierung hinaus zu einem moderneren Österreich beigetragen hat. Er hat zu einem moderneren Bild Österreichs in der Welt beigetragen. Dafür möchte ich ihm persönlich danken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich sage das durchaus in Richtung aller politischen Lager und aller politischen Kräfte: Gerade die Vorgänge der letzten vier bis sechs Wochen sollten uns angesichts dieses Potenzials, das in allen Parteien vorhanden ist, nachdenklich stimmen, uns nachdenklich machen, dass wir Mechanismen wie diese eher zurückdrängen und junge Menschen fördern, damit von guten Leuten auch weiterhin Politik betrieben werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben uns ein ambitioniertes Programm vorgenommen und zum großen Teil umgesetzt: die Modernisierung Österreichs und seiner Strukturen, die Durchforstung der Staatsaufgaben, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Chancen für die Wirtschaft, die Erweiterung Europas und eine massive Investition in Bildung und Forschung.

Herr Abgeordneter Einem! Österreich nimmt selbstverständlich am 6. Forschungsrahmenprogramm teil. Was wir gemacht haben und was wir machen, ist, dass wir unsere Werthaltung klar benennen und dass wir das auch in Europa durchgesetzt haben, nämlich dass wir mit Embryonen keine Stammzellenforschung machen wollen. Das ist es, was Ministerin Gehrer in den letzten Wochen auch in Europa paktfähig und gangbar gemacht hat.

Ein wichtiger Bereich ist die Sicherheit für die Bürger. Daher haben wir den Sicherheitsapparat von Grund auf reformiert, modernisiert und neu gestaltet. Ich streife nur ein paar Punkte, beginnend mit der Auslagerung der Flugrettung, über die grundlegende Zivildienstreform, über die neue Struktur in der Gendarmerie, über die neue Struktur in der Wiener Polizei, die wir gerade in diesen Tagen umsetzen, über das Bundeskriminalamt, das seit 1. Jänner arbeitet, über die Staatspolizei, die wir neu organisiert und geordnet haben, bis hin zu einem neuen Fremdenrecht für Österreich, das ab 1. Jänner 2003 Geltung haben wird, worin bereits – Frau Abgeordnete Glawischnig! – Arbeits- und Aufenthaltsrecht zusammengeführt werden. Sie haben nur nicht mitgestimmt, als wir das gemacht haben (Abg. Dr. Khol: Ja, Frau Glawischnig, das stimmt!), als wir dafür gesorgt haben, dass jemand, der dauernd in Österreich leben will, auch die österreichische Sprache spricht, wodurch wir als erste Regierung nach dem Krieg Integrationspolitik betreiben und auch in unseren Rechten festgelegt haben. Das ist es, was wir mit diesem Fremdenrecht gemacht haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Zentraler Punkt unserer Bemühungen im Sicherheitsbereich war und ist die Stärkung der Schlagkraft der Exekutive, vor allem die Stärkung des Außendienstes. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir noch nie so viele Mitarbeiter im Außendienst bei Gendarmerie, Polizei, im Kriminaldienst, in der Staatspolizei hatten, wie wir sie heute haben! (Abg. Parnigoni: Die glatte Unwahrheit!)

Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir auf Grund einer sehr genauen Planung in den nächsten Monaten über 300 junge PolizistInnen und Gendarmen in unseren Dienst werden aufnehmen können, um den Außendienst weiter zu verstärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das sind 300 Gendarmen für die Gendarmerieposten im Land, das sind bis zu 300 Polizisten in den Wachzimmern in den Städten, und das sind Gendarmen, die dafür sorgen, dass die Sicherheit an den Grenzen weiterhin gewährleistet ist. Diese Mitarbeiter werden zum Teil mit 2. November, spätestens aber mit 1. April 2003 ihren Dienst antreten können. Möglich geworden ist diese Neuaufnahme dadurch, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir durch genaue Planung, durch Verjüngung unseres Korps und durch konsequentes Sparen in der Verwaltung Planstellen für den Außendienst geschaffen haben. Das ist die Politik dieser Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte nicht verschweigen, dass es auch einige Vorhaben gibt, die wir nicht umsetzen konnten. Eines ist die Neuordnung des Asylwesens. Wir haben hier große Probleme und große Sorgen, und es ist nicht notwendig, dass der UNHCR-Vorsitzende kürzlich sehr klar gesagt hat – ich zitiere ihn –: "90 Prozent der Asylwerber in Europa können ihren Asylantrag in keiner Weise rechtfertigen." (Abg. Dr. Khol: 90?) 90 Prozent!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eine furchtbare Situation feststellen müssen angesichts der letzten Drogenrazzia rund um die Mariahilfer Straße, rund um den Westbahnhof; seit dieser Razzia haben wir heute noch 23 mutmaßliche Drogendealer in Haft. Wir müssen festhalten, dass von diesen 23 mutmaßlichen Drogendealern 19 im Asylverfahren sind. Es kann nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass jemand unter dem Stichwort "Asyl" nach Österreich kommt, um dann ganz andere Dinge zu betreiben als das, wofür das Asylrecht gemacht ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es kann auch nicht sein – auch das muss in aller Klarheit gesagt werden –, dass das wichtige, notwendige Asylrecht denjenigen, die es wirklich brauchen, dadurch verwehrt wird, weil sich andere an diesem Recht bedienen, um es für eigene Zwecke zu verwenden. Daher brauchen wir ein neues, funktionierendes Asylrecht. (Beifall bei der ÖVP.) Wir wollen beschleunigen und vereinfachen, natürlich unter Beachtung der Genfer Konvention, und selbstverständlich die europäische Diskussion hier mit einbeziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Zweites haben wir nicht gemacht, und ich sage auch, ich bin sehr stolz darauf, dass Österreich gerade das nicht gemacht hat. Wir haben in Österreich nach dem 11. September 2001 die Bürgerrechte, die Privatsphäre der Bürger und die Freiheitsrechte hoch geachtet und weiter respektiert. Das ist in anderen Staaten, insbesondere in sozialdemokratisch regierten Staaten, wie Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland, nicht so. Österreich hat eine feine und genaue Balance zwischen notwendigen sicherheitspolitischen Vorkehrungen und Befugnissen sowie den Freiheitsrechten der Bürger auch nach der Herausforderung des 11. September geschafft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen unsere Arbeit fortsetzen. Wir wollen Gendarmerie und Polizei enger zusammenführen. (Abg. Schwemlein: Ja, wegrationalisieren!) Wir brauchen die technische Weiterentwicklung mit dem neuen Funksystem "ADONIS". Wir wollen die internationale Vernetzung unserer Kriminalitätsbekämpfer im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Wir wollen eine wesentliche Investition im Kampf gegen Cyber-Crime tätigen. Wir wollen eine Beschleunigung der Asylverfahren. Und wir werden die sichere österreichische Außengrenze, die Schengen-Grenze, die wir haben und die uns vor allen möglichen organisierten kriminellen Elementen schützt, auch nach einem Beitritt unserer heutigen Nachbarn und morgigen Partner weiter aufrechterhalten. Dazu bekennen wir uns! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zum Abschluss meines Statements einen Dank abzustatten, und ich möchte mit einer Bitte enden.

Ich möchte den Mitarbeitern unseres Hauses danken, jedem einzelnen Gendarmen, jeder einzelnen Polizistin, jedem einzelnen Polizisten für ihre Tätigkeit in den letzten zweieinhalb Jahren, für ihren schweren Dienst für die Sicherheit unseres Landes und für die Sicherheit der Institutionen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte den Mitgliedern des Innenausschusses für ihre sachgerechten und engagierten Beiträge zu mehr Sicherheit für Österreich danken. Wir haben gemeinsam gute Ergebnisse erzielt. Ich möchte insbesondere den Vorsitzenden des Innenausschusses, Abgeordnetem Leikam und Abgeordnetem Gaál, aber auch dem Vorsitzenden des Staatspolizeiausschusses, Abgeordnetem Kiss, herzlich für ihre Arbeit danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte meine Ausführungen mit einer Bitte schließen. Es hat mich gestört, dass es uns nicht gelungen ist, in den letzten zweieinhalb Jahren in wichtigen sicherheitspolitischen Fragen hier in diesem Haus das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Ich glaube, dass es eine gute Tradition im Deutschen Bundestag, aber auch im amerikanischen Kongress und in anderen Parlamenten Europas ist, dass es bei Grundsatzfragen der Sicherheit keine tagespolitischen Scharmützel gibt, dass es bei Grundsatzfragen der Sicherheit nicht darum geht, ob man das jetzt in der Regierung oder in der Opposition ist. Meine Bitte und Einladung ist daher, dass wir, egal, wie sich das neue Parlament zusammensetzen wird, egal, wie sich eine neue Regierung zusammensetzen wird, bei Grundsatzfragen für die Sicherheit gemeinsam an einem Strang ziehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Gemäß einer Vereinbarung in der Präsidiale teile ich die restliche Redezeit pro Fraktion bis 13 Uhr – das ist das Ende der Fernsehübertragungszeit – zu gleichen Teilen auf, das sind 4 Minuten pro Fraktion.


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Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl mit 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Das ist zu viel!)

12.43

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung – wir erinnern uns alle noch sehr gut daran – war sehr umstritten, als sie ihre Arbeit aufgenommen hat, aber es hat damals auch viele Menschen gegeben, die große Hoffnungen in diese neue Regierung gesetzt haben, denn sie hat Dinge versprochen, auf die die Leute gesetzt haben: vom neu Regieren über Belastungsstopp, Steuern senken bis hin zur Budgetsanierung und so weiter.

In den letzten Tagen sprechen einen natürlich besonders viele Menschen an, auch viele, die Sie letztes Mal gewählt haben und denen es in den letzten Monaten wie Schuppen von den Augen gefallen ist, dass Sie während dieser zweieinhalb Jahre eine ganz anderen Politik gemacht haben, als Sie vor der Wahl versprochen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nehmen wir uns nur einmal als Beispiel das Märchen vom Nulldefizit her! Wie schaut die Situation wirklich aus? – Sie haben die Schulden um 8 Milliarden € erhöht. Alles andere ist reines Märchen, nettes Lächeln vom Herrn Finanzminister, das uns aber alle sehr teuer kommt. 8 Milliarden € mehr Schulden, das sind 112 Milliarden Schilling. Und noch vor wenigen Tagen hat sich der Herr Finanzminister die höchste Abweichung des Budgets in der Zweiten Republik beschließen lassen, jener Finanzminister, der angeblich ein Nulldefizit bewerkstelligt hat. (Abg. Kiss: Er hat das Chaos vom Edlinger übernommen!)

Als er das Ressort übernommen hat, hat er ein rückläufiges Budget übernommen, denn Finanzminister Edlinger hat einen wesentlich größeren Teil der Schulden abgebaut, als Finanzminister Grasser noch vor sich gehabt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kiss: Sie sollten bei der Wahrheit bleiben! Wir können uns noch an die damaligen Diskussionen erinnern, was ein gewisser Rudolf Edlinger hinterlassen hat!)

Meine Damen und Herren! Wenn wir Ihren Weg weitergehen und in den nächsten Jahren die Politik machen, die Sie jetzt begonnen haben, dann ist der Weg zum blauen Brief die Zukunft Österreichs. Und dort wollen wir nicht hin! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, meine Damen und Herren, dass das Budget kein Fass ohne Boden ist, aber wir wollen nicht Ihre Politik fortsetzen, denn Ihre Politik bedeutet, den Schuldenstand zu erhöhen, Schulden zu machen, aber sich nicht darum zu kümmern, was den Leuten am wichtigsten ist. Sie haben nicht das ganz oben auf Ihrer Liste stehen, was die wichtigsten Themen für die österreichische Bevölkerung sind:

Dazu gehört eine Gesundheitsversorgung, bei der nicht die Brieftasche entscheidet, ob man sich eine Therapie, ein Medikament leisten kann.

Arbeitslosigkeit wird für Sie erst wenige Tage vor der Wahl ein Thema. Für uns ist das tagtäglich ein Thema. Arbeitslosigkeit muss man jeden Tag bekämpfen und ihr aktiv entgegentreten.

Was die Bildung angeht, führen Ihre Überlegungen in Sackgassen. Wir wollen eine Politik machen, bei der es um Zukunftschancen für die jungen Menschen geht, um die besten Ausbildungsplätze. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir wollen nicht Ihre Politik fortsetzen, bei der keine Pensionsanpassungen vorgenommen werden, sondern wir wollen den Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, faire Pensionserhöhungen zukommen lassen, die sie sich auch wirklich verdienen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In diesen Tagen hört man immer wieder, dass sich Österreich wieder eine Bundesregierung verdient, zu der die Menschen Vertrauen haben können, bei der


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die Menschen wissen, das Wort gilt, man kann sich verlassen, eine Bundesregierung, die nicht permanent mit sich selbst, mit internen Streitereien beschäftigt ist, sondern die dafür arbeitet, die Zukunftschancen für die Menschen in unserem Land zu vergrößern. (Beifall bei der SPÖ.)

12.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

12.47

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Mitglieder dieser erfolgreichen Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zu dem, was sich Frau Kuntzl wünscht, dass nun kommen möge, haben Sie 30 Jahre lang Zeit gehabt – und Sie haben es 30 Jahre lang nicht erfüllt! Wie sollten Sie jetzt unter einem Bundeskanzler Gusenbauer das schaffen, was Sie 30 Jahre lang nicht gemacht haben? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Wie soll der heißen?)

Ich benütze diese Gelegenheit, um mich wirklich noch einmal herzlich zu bedanken für die Arbeit unserer Bundesregierung, vor allem bei jenen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – zum Rücktritt gezwungen sahen. (Abg. Reheis: Die Gründe sind bekannt, Herr Pumberger!)

Ich bedanke mich bei Frau Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer. Sie hat die Verwaltungsreform durchgeführt. Diese wird in den nächsten Jahren einen großen Erfolg im Verwaltungsabbau bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bedanke mich ebenfalls bei Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Die Standing Ovations haben es dir schon bewiesen: Du warst einer der besten, wenn nicht überhaupt der beste Finanzminister der Zweiten Republik. Glück auf für deine Zukunft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bedanke mich auch bei Infrastrukturminister Mathias Reichhold. Er war es, der so viel Geld und so viele Mittel in diese Infrastruktur gesteckt hat wie noch nie, Herr Kollege Gusenbauer. Noch nie gab es so viele Baustellen. Es ist Ihnen vielleicht noch nicht aufgefallen, wenn Sie auf den Straßen fahren, was jetzt beim Ausbau der Infrastruktur los ist. Diese Mittel vergisst er alle, das sieht er gar nicht, der Gusenbauer. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Man muss natürlich die Autofahrer schon auch um Entschuldigung bitten, dass es jetzt ein paar Baustellen gibt, aber es ist für die Pendler wichtig, dass sie schnell und ohne große Probleme zu ihren Arbeitsplätzen kommen. – Herr Gusenbauer, schreiben Sie sich das hinter die Ohren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese erfolgreiche Regierung – ich erwähne noch einmal kurz die Erfolgsbilanz in Schlagworten: Kindergeld, Abfertigung neu, Familienhospizkarenz und viele, viele andere positive Errungenschaften – geht jetzt leider aus dem Amt. (Abg. Hagenhofer: Warum denn?) Die Österreicherinnen und Österreicher und auch ich, wir verstehen nicht ganz, warum dieser Schritt getan werden muss. (Abg. Faul  – in Richtung ÖVP weisend –: Dort müssen Sie hindeuten! – Abg. Hagenhofer: Nicht zu uns!) Aber wenn die ÖVP es will, dann machen wir eben die Neuwahlen. Wir fürchten uns nicht davor, und daher werden wir auch dem Neuwahlantrag zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind – und das hat es, glaube ich, auf der ganzen Welt noch nirgends gegeben – die beliebtesten zwei Politiker unserer Republik jetzt, auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn, zurückgetreten, die ganze Regierung auf dem Höhepunkt ihrer Akzeptanz. (Widerspruch bei der SPÖ.) – Jawohl! Das glauben Sie nicht? Fragen Sie sämtliche Meinungsforscher, fragen Sie die Bevölkerung, und fragen Sie Ihre SPÖ-Wähler! Die geben zu, dass die Abfertigung neu eine Errungenschaft ist, die geben zu, dass das Kindergeld eine Jahrhundert-Errungenschaft ist. Das wollen Sie nicht wahrhaben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann nur hoffen, dass die erfolgreiche Reformarbeit dieser zweieinhalb Jahre, die von in- und ausländischen Medien und Experten geschätzt wird, nicht jetzt mit einer Regierung unter einem Bundeskanzler Gusenbauer, mit einem Finanzminister Edlinger, mit einem Innenminister


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Pilz et cetera rückgängig gemacht wird. (Abg. Kiss: Schrecklich! – Abg. Dr. Khol: Ein Nachtmahr!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Bewahren Sie Österreich vor diesem Rückschritt! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Geben Sie dieser Bundesregierung neuerlich Ihr Vertrauen! Ich stehe zu einer bürgerlichen Koalition, ich stehe zu dieser FPÖ neu (Abg. Eder: Zu welcher? Zu welcher FPÖ neu?), und ich rufe die Wählerinnen und Wähler auf: Geben Sie uns noch einmal eine Chance! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

12.52

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Das vorzeitige Ende dieser Legislaturperiode ist nicht Resultat gescheiterter Politik oder falscher Inhalte, hat der Herr Bundeskanzler gestern gesagt. Vor allem, Frau Abgeordnete Kuntzl als Rednerin unmittelbar vor mir (Abg. Reheis: Nicht einmal das stimmt!), ist der Grund des vorzeitigen Endes dieser Legislaturperiode nicht der starke Inhalt der Arbeit der Oppositionsparteien. Das hat der heutige Tag eindrucksvoll unter Beweis gestellt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Huber: Sie hätten die Koalition ja fortsetzen können!)

Die Bilanz der Bundesregierung kann sich durchaus sehen lassen. Ich sage das gerade als Angehöriger der jüngeren Generation, denn vor allem die nachhaltige Budgetpolitik, das Erreichen eines Nulldefizits ist für die junge Generation in diesem Lande mehr als entscheidend. (Abg. Faul: Es gibt ja gar kein Nulldefizit!) Es gilt nicht, den Jungen in diesem Lande Schulden für die Zukunft aufzubürden, sondern es geht vielmehr darum, die Zukunftschancen für die jungen Leute in diesem Land nachhaltig zu sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

Die SPÖ betreibt immer noch Realitätsverweigerung, indem sie das Nulldefizit über den Konjunkturzyklus hinaus sozusagen zu einem Feindbild macht. Ich sage aber, meine Damen und Herren – und das sollte man zur Kenntnis nehmen –, ein Nulldefizit bedeutet ja nur, dass in der Legislaturperiode keine neuen Schulden gemacht werden. Es sind noch immer ausreichend Schulden aus der Vergangenheit da, die es abzuzahlen gilt. Und darum ist es mehr als richtig, eine solche Budgetpolitik zu betreiben. (Abg. Kiss: Die Schulden vom Schulden-Rudi!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte, weil das mein Spezialgebiet ist, einiges zur Bildungspolitik sagen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Cap. ) Wir haben im Rahmen dieser Legislaturperiode eine Reihe von wesentlichen Reformen unter unserer Bundesministerin Elisabeth Gehrer durchsetzen können. Es gilt aber, auch für die Zukunft eine Reihe von Maßnahmen zu setzen, die den Bildungsstandort Österreich sichern.

Wir haben eine hohe Bildungsqualität. Das hat auch die unlängst von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene PISA-Studie eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Herr Klubobmann Gusenbauer hat gestern in seiner Rede kritisiert, wir würden zu viel für Bildung ausgeben, weil wir nämlich – und das ist Gott seit Dank richtig – bei den Schülern vom 6. bis zum 15. Lebensjahr weltweit am meisten für Bildung ausgeben.

Richtig ist, dass wir die gute Qualität absichern müssen. Das geht – und auch das hat die PISA-Studie zum Ausdruck gebracht – vor allem mit einer guten Lehrerausbildung, mit motivierten Lehrern. Darum werden wir auch daran arbeiten, dass die Pädagogischen Akademien zu pädagogischen Hochschulen umgewandelt werden.

Es ist wichtig, dass wir Bildungsstandorte in Klein- und Kleinstgemeinden sicherstellen. Die ÖVP wird dafür eintreten, dass diese Klein- und Kleinstschulen in den Regionen erhalten bleiben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Ofner. )


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Abschließend möchte ich sagen, dass es gelungen ist, im Zuge dieser Legislaturperiode Österreich moderner zu machen, Österreich offener zu machen, das Budget in den Griff zu bekommen. Das ist gerade für Jüngere in diesem Land ein Angebot auch für die Zukunft. Und derjenige, der diese Inhalte mit uns weitertreiben wird, wird für uns ein Koalitionspartner sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

12.56

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Zuerst ein kurzes Wort zu den Ausführungen des Herrn Ministers Strasser.

Herr Minister Strasser, Sie haben gesagt, wie notwendig es ist, eine Neuordnung des Asylwesens zu schaffen, und dass Ihnen das nicht gelungen ist. Dem kann ich zustimmen. Die wäre sehr wohl nötig. Wenn Sie aber davon sprechen, dass es unter Tausenden Asylwerberinnen und Asylwerbern einige gibt, die verdächtig sind, straffällig geworden zu sein (Abg. Kiss: 19 von 23!), muss ich sagen: Das ist genau die Politik, mit der eine Vergiftung des Klimas gegenüber Asylwerberinnen und Asylwerbern geschaffen wird! (Abg. Kiss: So hat er das nicht gesagt! Das stimmt ja nicht! Das war völlig anders! Von 23 sind 19 in einem Asylverfahren!) Sie sprechen nicht von den Tausenden, die ihr Land verlassen müssen, weil sie verfolgt werden, weil sie in Österreich Sicherheit suchen, Sie sprechen von diesen 19. Das wäre genauso, als wenn man sagen würde, auch alle Österreicher sind möglicherweise kriminell, denn da gibt es auch einige tausend, die straffällig werden. Gegen diese Politik haben wir uns gewendet und wenden wir uns auch heute.

Eine Neuordnung des Asylrechtes mit raschen Entscheidungen ist sehr wohl nötig, aber ohne Vergiftung des Klimas gegenüber Asylwerberinnen und Asylwerbern. Beschleunigt soll es werden, und die Asylwerber sollen die Möglichkeit haben, hier auch Geld zu verdienen, um von etwas leben zu können. (Beifall bei den Grünen.)

Doch ein Punkt ist mir heute in dieser Diskussion, in den Diskussionsbeiträgen von ÖVP und FPÖ aufgefallen: Sie färben schön, was hier in den letzten Jahren passiert ist, gerade im Bereich der Außenpolitik und auch der Erweiterung. Hier hat niemand von den ÖVP-Abgeordneten dem widersprochen, was etwa Herr Böhacker gesagt hat, nämlich dass Erweiterung ohne Wenn und Aber ein Hinein ins Minenfeld bedeutet. Niemand hat sich dagegen ausgesprochen! (Abg. Böhacker: Nein, das habe ich nicht so gesagt!) – Sie haben das wörtlich gesagt.

Die ÖVP hat diese rechtspopulistische Partei, die FPÖ, die rechtsextreme Elemente hat, in die Regierung genommen und dadurch eine Politik gemacht, die im Ausland Österreich als ein Land darstellt, das die Erweiterung mit Veto-Drohungen gegen dieses wichtige Friedensprojekt behindert. (Abg. Böhacker: Sprechen Sie davon, was Frau Kollegin Glawischnig eingefordert hat!) Bundeskanzler Schüssel hat gestern ja gesagt, wie wichtig dieses Friedensprojekt Erweiterung ist. (Abg. Böhacker: Das ist ein wirtschaftliches Projekt!) Aber was tun Sie? Sie behindern weiterhin.

Noch gestern Nacht hätte es die Möglichkeit gegeben, endlich ein Abkommen über Grenzgänger mit Tschechien für Praktikanten, für junge Leute, die in Österreich arbeiten wollen, zu ratifizieren. Minister Bartenstein hat das vor über einem Jahr unterschrieben. Nicht einmal gestern Nacht schaffte es die ÖVP, diesem Abkommen die Zustimmung zu erteilen, damit hier endlich etwas geschieht, damit ein positives Klima geschaffen wird, was Tschechien angeht. Sie verhindern weiter eine positive Politik in Bezug auf die Erweiterung! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Sie müssen beide Seiten sehen, Frau Kollegin!)

Herr Bundeskanzler Schüssel! Sie schließen nicht einmal aus, dass Sie weiterhin mit dieser FPÖ arbeiten wollen, die weiterhin solche Töne spuckt: Drohungen, Veto-Drohungen, Erweiterung nicht ohne Wenn und Aber und so weiter. (Abg. Böhacker: Wollen Sie eine Erweiterung


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ohne Wenn und Aber? Dann sagen Sie es!) Sie schließen es nicht aus, mit dieser FPÖ noch einmal eine Regierung zu bilden, Herr Bundeskanzler. Sie lassen sich alles offen. Dagegen sprechen wir Grüne uns aus!

Wir wollen diese Erweiterung der Europäischen Union (Abg. Jung: Ohne Wenn und Aber!), wir wollen dieses Friedensprojekt – aber wir wollen keine Veto-Drohungen. Mit uns wird es das nicht geben! (Abg. Jung: Danke für die Klarstellung!) Schließen Sie das für die Zukunft aus, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen.)

Was wird außenpolitisch von dieser blau-schwarzen Koalition noch in Erinnerung bleiben? – Die Reise des Herrn Landeshauptmannes von Kärnten in den Irak und sein Händeschütteln mit dem Diktator Saddam Hussein, das wird in Erinnerung bleiben!

Meine Damen und Herren! Das würde es mit Grünen in einer Regierung nicht geben. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) So eine Politik, so eine Missachtung internationaler Abkommen, internationaler Vereinbarungen, das würde es nicht geben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Mit den Grünen würde es eine Außenpolitik geben, die tatsächlich Friedenspolitik ist. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Es würde ein Nein zur NATO geben, ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend) : ... ein Ja zur österreichischen Neutralität in einem modernen friedenspolitischen Sinn, wo Österreich wieder den Ruf hat, dass es wirklich etwas zum Frieden und zur Gerechtigkeit in dieser Welt beiträgt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

13.01

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ein Zitat aus einer Zeitung bringen, die weder der Sozialdemokratie oder der Gewerkschaftsbewegung nahe steht, noch linksgerichtet ist, nämlich aus der "Kleinen Zeitung", aus einem Artikel von Erwin Zankel, der schreibt:

"Lahmende Konjunktur, steigende Preise, hohe Arbeitslosigkeit, neue Staatsschulden. Am vorzeitigen Ende ihrer Amtszeit steht die zerbrochene Wende-Regierung mit leeren Händen da: kein Nulldefizit, keine Steuerreform, keine Vollbeschäftigung." – Zitatende. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist die Wahrheit darüber, was diese Regierung für ein Chaos hinterlässt! Doch die Menschen werden Ihnen die Rechnung dafür am 24. November präsentierten. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich aber in aller Kürze mit einem Märchen, das gestern und heute schon sehr oft gebracht wurde, aufräumen, nämlich mit der Angleichung der Rechte der Arbeiter an die der Angestellten, mit der Umsetzung der "Aktion Fairness". Herr Abgeordneter Bösch hat sich erst vor kurzem hier groß gerühmt und gefragt, warum das nicht unter einer Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten geschehen ist. Ich sage Ihnen klar und deutlich: Sie haben gar keine Angleichung der Rechte der Arbeiter an jene der Angestellten durchgeführt, und Sie dürfen nicht glauben, dass Sie die Arbeiter in diesem Lande für so dumm verkaufen können, dass die Ihnen das glauben.

Sie haben eindeutig nur die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlängert. Doch nicht einmal da – da kannst du lachen, so viel du willst, Herr Sozialsprecher Feurstein! – habt ihr eine korrekte Angleichung durchgeführt, sondern sie erfolgt nur einmal im Jahr auf sechs Wochen


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voll und vier Wochen halb, und nicht so, dass man nach sechs Monaten wiederum sofort einen Anspruch gehabt hätte.

Das mussten sich die Arbeiter und Angestellten auch noch selbst bezahlen und noch ein großes "Körberlgeld" für die Arbeitgeber dazulegen. Ich könnte ja wieder die "Jubelbroschüre" des Herrn Abgeordneten Mitterlehner aus der Wirtschaftskammer zitieren, aber ich werde ihm eine Extrabroschüre von Herrn Abgeordnetem Bösch geben, in welcher die Wirtschaftskammer selbst bejubelt, dass sie drei Milliarden Schilling als Erfolg durch Verschlechterungen beim Urlaubsrecht erreichen konnte.

Sehen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren? Das ist der wahre Grund, warum es das bisher nicht gegeben hat. Diese Angleichung hätten wir mit der ÖVP bekommen können, aber wir Sozialdemokraten waren nicht bereit, die arbeitenden Menschen in diesem Lande mit einer Regelung zu verkaufen, durch die sie die Angleichung im Entgeltfortzahlungsfall selbst bezahlen müssen. Daher haben wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf so eine Angleichung verzichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich könnte damit fortsetzen, dass Sie über die Kündigungsfristen elegant hinweggegangen sind, indem Sie gesagt haben: Macht euch das beim Kollektivvertrag aus, beim Entlassungsrecht, beim Austrittsrecht und bei den Freizeitansprüchen!

Ein weiteres Beispiel ist die Nachtarbeit. Ich kann mich noch erinnern, als Frau Abgeordnete Ridi Steibl hier gestanden ist und die Regelungen im Metallarbeiter-Kollektivvertrag groß gelobt und gesagt hat, so wünsche sie sich eine Regelung. Was ist passiert? – Es folgte überhaupt keine Vorsorge, keine Rahmenbedingen, keine Zeitvorschläge – nichts. Der Herr Wirtschaftsminister, auch zuständig für Arbeit, hat gesagt: Regelt euch das im Kollektivvertrag!

Wie stark – das muss ich zugeben – die Regelungskraft im Gewerbe und in den Bereichen Handel und Fremdenverkehr ist, das müssen wir leider zur Kenntnis nehmen. Aber da war die Regierung nicht bereit, Mindestschutznormen für die Betroffenen einzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war jedoch persönlich nicht überrascht. Schon als wir die Ministerieneinteilung beschlossen haben, habe ich gesagt: Na, das schau’ ich mir an, wie die Entscheidung fallen wird, wenn ein Milliardär – damals Milliardär, beim Euro wahrscheinlich nur mehr Millionär – gleichzeitig für die Wirtschaft und für die Arbeit zuständig ist, für wen er sich denn immer entscheiden wird! – Heute wissen wir es: Er hat sich kein einziges Mal für die Arbeitnehmer in diesem Land entschieden, sondern immer nur für die Arbeitgeber. Dafür sprechen alle Gesetze, die er gemacht hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Er hat einen sehr kongenialen Partner in seinem "Zwilling" gefunden, in Sozialminister Haupt. Ich kann ihm das nicht ersparen, auch wenn er jetzt hier sitzt. Immer sind sie beide gleichzeitig aufgetreten, der eine hat auf den anderen aufgepasst, damit ja nichts passiert. Ich habe immer – und ich wiederhole das, Herr Sozialminister – von Ihnen gedacht, als ich Sie kennen gelernt habe, als Sie noch im Sozialausschuss saßen und Abgeordneter waren, dass Sie eine sehr hohe soziale Gesinnung haben, aber die haben Sie in der Garderobe abgelegt, als Sie ins Ministerium eingetreten sind.

Ich habe nämlich kein einziges Mal erlebt, dass Sie dem Wirtschaftsminister widersprochen hätten, dass auch Sie die Interessen der Arbeitnehmer wahrgenommen hätten. – Sonst hätten wir nicht die höchsten Arbeitslosenzahlen im Monat August.

Wissen Sie, was Sie getan haben? – Sie haben nicht die Arbeitslosigkeit bekämpft, sie haben die Arbeitslosen bekämpft, indem Sie die Zumutbarkeitsbestimmungen verschärft und den alleinerziehenden Müttern das Arbeitslosengeld gekürzt haben. (Zwischenruf des Abg. Kopf. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Sozialminister! Ein Zeugnis haben Sie ja von der EU bekommen. Da haben Sie einen "Pinsch" – ein Nichtgenügend – bekommen. Das nächste Nichtgenügend kriegen Sie von den Menschen am 24. November. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich weiß nicht, Herr Sozialminister, sind Sie morgen noch Spitzenkandidat oder nicht, treten Sie im Team auf? Das wird in Oberwart entschieden werden. Ich möchte jedenfalls auch Ihnen die Referenzliste für das Wahlplakat mit auf den Weg geben.

Leistungen Haupt: Einführung der Ambulanzgebühr. – Sie wurden von der Opposition darauf aufmerksam gemacht, dass das ein Chaos sein wird, dass sich das nicht rechnen wird, aber Sie haben sie trotzdem durchgesetzt. Jetzt ziehen Sie abrupt die Notbremse und haben doch noch Korrekturen vorgenommen.

Aber das Unsozialste – das hat sogar Ihre Vizekanzlerin zugegeben – ist die Unfallrentenbesteuerung.

Nächstes Beispiel: die Chipkarte. – Zweieinhalb Jahre haben Sie daran gearbeitet, es herrscht Chaos pur, und die Chipkarte bekommen wir wahrscheinlich in den nächsten ein, zwei Jahren auch nicht. (Abg. Kopf: Wie lang war der Herr Sallmutter ...!)

Herr Sozialminister! Sie haben ja auch eine "Meisterleistung" vollbracht, aber die wurde Ihnen wahrscheinlich mittels Stafette von Ihrem neuen Parteiobmann weitergegeben, denn von dort haben Sie sie ja geerbt: die höchstbezahlte Büroleiterin, die wir je gehabt haben, eine Frau "Magistra" Ute Fabel. (Zwischenruf des Abg. Dolinschek. ) Irgendwann sind Sie jedoch draufgekommen, dass sie keine Frau Magistra ist, und den Magister hat sie bis heute nicht. – Das war Ihre Leistung!

Nächstes Beipiel: Beim Fall Gaugg – er ist heute schon dargestellt worden – haben Sie monatelang gekämpft, die Pensionsversicherungen in ihrer Arbeit gelähmt, nur weil Sie einem Freund einen guten Posten zuschanzen wollten. (Abg. Dolinschek: Kollektivvertrag!)

Die "größte" Leistung, die Sie vollbracht haben – dafür werden Sie auch die Rechnung präsentiert bekommen, davon bin ich überzeugt –, betrifft aber Ihr Ministerium. Sie sind ja auch zuständig für Frauenpolitik. Was war Ihre einzige und bisher wichtigste Leistung in diesem Bereich? – Sie haben eine Abteilung für Männer gegründet. Die Frauen werden Ihnen für diese Politik am 24. November die Rechnung präsentieren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

13.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wenitsch. – Bitte.

13.08

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Nürnberger! Sie haben nahtlos an die Ausführungen der Vorredner Ihrer Partei, des Herrn Cap und des Herrn Gusenbauer angeschlossen (Zwischenruf des Abg. Nürnberger ), die meinten, sie hätten das soziale Gewissen in dieser Bundesregierung vermisst.

Ich sage Ihnen dazu Folgendes, Herr Gewerkschafter Nürnberger: Ich frage mich, wo Sie waren, als auf der einen Seite die Postgewerkschafter ihre Gehälter verdoppelt haben und auf der anderen Seite die kleinen Postler entlassen worden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Da hätte ich mir einen Aufschrei von Ihnen erwartet, da hätte ich mir erwartet, dass Sie Ihre Gewerkschafter an die Zügel nehmen und einmal schauen, dass da Ordnung geschaffen wird!

Herr Kollege Nürnberger! Sie haben es auch verabsäumt, in Ihrer Laufbahn, als die SPÖ mehr oder weniger an der Regierung war, die "Abfertigung neu" für alle Arbeitnehmer durchzusetzen. Nein, es hat einer rot-schwarzen ... Verzeihung, einer blau-schwarzen Regierung bedurft (Abg. Nürnberger: Freudscher Versprecher!), mit einem Sozialminister Herbert Haupt, um dieses wichtige Anliegen für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer endlich umsetzen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Herr Kollege Nürnberger, ich frage Sie: Wo waren Sie von der SPÖ in den vergangenen 30 Jahren, als es darum ging, eine wichtige Frage für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu lösen, nämlich die Gleichstellung der Arbeiter und der Angestellten? (Abg. Nürnberger: Habe ich ja gerade erklärt! Haben Sie mir nicht zugehört?) Das hätte ich mir von einer sozial ausgerichteten Partei erwartet, nämlich dass man erkennt, da muss das soziale Gewissen einmal wachgerüttelt werden. Sie haben das versäumt, doch diese schwarz-blaue Bundesregierung mit einem Sozialminister Herbert Haupt hat dies durchgesetzt – zum Wohl unserer Arbeitnehmerinnen und unserer Arbeitnehmer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mich wundert es jedoch nicht, wenn die SPÖ zu den Arbeiterinnen und den Arbeitern schon längst den Anschluss verloren hat. Ich habe mir etwas ausheben lassen, weil ich mich so über die wirklich von Ahnungslosigkeit durchdrungenen Reden von einem Herrn Dr. Gusenbauer und von einem Herrn Dr. Cap gewundert habe.

Ich sage Ihnen Folgendes – das ist nicht von mir, das entnahm ich einer Meldung der "Parlamentskorrespondenz" –: Wissen Sie, was der Herr Dr. Josef Cap in seinem Leben schon gearbeitet hat? – Noch nichts. Er ist seit seinem Studium, seit seiner Jugend immer nur maximal ein Angestellter der Sozialistischen Partei gewesen. In einem Privatberuf hat er noch nie gearbeitet!

Er kann nicht ermessen, was einen Arbeitnehmer wirklich drückt und was für eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer wichtig ist, denn solche Sorgen hat der Herr Cap noch nie gehabt. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber.  – Abg. Mag. Wurm: So wie der Herr Haider! Reden Sie vom Herrn Haider?) Er hat sein Studium im Schutzkreis der Sozialistischen Partei absolvieren können, und da ist er sehr gut ernährt und erhalten worden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Detto der Herr Dr. Gusenbauer! Wie ist denn der Werdegang eines Herrn Dr. Gusenbauer? Kann so ein Herr Dr. Gusenbauer wirklich mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in dieser Republik mitfühlen? (Abg. Dietachmayr: Auf alle Fälle mehr, als Sie denken können!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Dr. Gusenbauer hat denselben Werdegang wie der Herr Dr. Cap. Er war sein Leben lang nur bei der Sozialistischen Partei beschäftigt und sonst nirgends! Er hat überhaupt keine Ahnung, was einem Maurer oder einem Elektriker oder einem Schreiner oder einem Tischler oder wem auch immer wirklich für Sorgen in diesem Land bereitet werden. (Abg. Mag. Wurm: Westenthaler! Haider! Riess-Passer!)

Meine Damen und Herren! Wir hier, diese neue Wenderegierung, hat für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Republik mehr getan als die sozialistische Führung in den 30 Jahren zuvor. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das ist so ein Unsinn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir noch etwas ausheben lassen, und zwar: Wer war denn das letzte verantwortungsvolle sozialistische Regierungsmitglied? Wissen Sie, wer das war? Das war Herr Dr. Andreas Staribacher, seines Zeichens Finanzminister dieser Republik. (Abg. Dietachmayr hält ein kleines Plakat mit der Aufschrift: "Tiefer geht’s nicht!" in die Höhe.) Wissen Sie, wie lange er Finanzminister war? – Neun Monate, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Eder: Länger als der Krüger! – Abg. Mag. Wurm: Wie lang war der Krüger Minister?) Neun Monate war Dr. Andreas Staribacher Finanzminister, und dann hat er – aber nicht aus persönlichen Gründen – die Regierung verlassen, weil er das Finanzprogramm der Sozialistischen Partei nicht mehr nachvollziehen und keinesfalls mehr mittragen konnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialistischen Finanzminister der letzten 30 Jahre haben diese Republik an den Rand des Ruins geführt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schwemlein und Mag. Wurm. ) 2 300 Milliarden Schilling Schulden! Wir haben in dieser Republik jährlich eine Zinsenlast von 110 Milliarden Schilling. Stellen Sie sich vor, diese


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Regierung wäre von dieser Zinsenlast nicht belastet gewesen! Stellen Sie sich vor, wir hätten 110 Milliarden Schilling jährlich frei im Budget zur Hand gehabt und hätten darüber frei verfügen können! (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Wissen Sie, was wir für die Leute in dieser Republik hätten machen können, wenn wir diese Zinsenlast von Ihnen nicht hätten tragen müssen?!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir hätten wirklich eine Arbeit hinlegen können, die sich gewaschen hätte. Aber auf Grund Ihrer sozialistischen Finanzminister war diese neue Bundesregierung natürlich in ihrem Handeln mehr als eingeengt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier trotz allem Reformen durchgesetzt, die diese Republik benötigt hat. Ich wünsche mir nur eines: einen Weiterbestand so einer Wenderegierung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte. (Abg. Schwemlein  – in Richtung des das Rednerpult verlassenden Abg. Wenitsch –: Das ist ein Rednerpult und keine Bütte! – Rufe bei den Freiheitlichen – in Richtung SPÖ –: Sag das eurem Klubobmann! – Abg. Schwemlein: Der kann das wenigstens!)

13.14

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Wir haben zweieinhalb Jahre außerordentlich erfolgreicher Reformpolitik hinter uns. Aus Ursachen, die außerhalb des Regierungsteams und außerhalb der beiden Parlamentsklubs lagen, ist es zu einer Unterbrechung – und ich betone: Unterbrechung  – dieser außerordentlich erfolgreichen Sanierungspolitik gekommen, denn an der Notwendigkeit, diesen Sanierungskurs fortzusetzen, kann kein Zweifel bestehen.

Meine Damen und Herren! Vielfach darf ich sagen: Liebe Freunde! Erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung. Nach menschlichem Ermessen wird dies das letzte Mal sein, dass ich die Ehre habe, in diesem Hohen Haus zu sprechen. Einem alten Brauch folgend ist es üblich, kurz Rückblick zu halten, und man sollte sich zurückhalten, weise Lehren zu erteilen. Ich hoffe, dass ich das tun werde.

In den ersten acht Jahren meiner parlamentarischen Tätigkeit war ich vornehmlich auf eine Umsetzung der ökosozialen Marktwirtschaft und ihrer Prinzipien ausgerichtet – Prinzipien, die ich nach wie vor für unverändert gültig halte – und habe damals Ohrfeigen von beiden Seiten bezogen: Der Wirtschaft war ich zu grün, und den Grünen war ich zu wirtschaftsorientiert.

Es hat mich dies nicht daran gehindert, nach einer gewissen Unterbrechung wieder in das Hohe Haus zurückzukehren, und in diesen letzten drei Jahren nach meiner Rückkehr war ich als ältester Abgeordneter im Hohen Haus vornehmlich mit Seniorenagenden befasst.

Hohes Haus! Hier schließe ich unmittelbar von der Vergangenheit an die Zukunft an. Es besteht – und das ist Ihnen eigentlich auch allen bewusst – ein krasses Missverhältnis zwischen dem aktiven und dem passiven Wahlrecht der älteren Generation: Ein Drittel der Wähler, alle Über-Sechzigjährigen, sind de facto vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Ich war in dieser Legislaturperiode der einzige Vertreter einer Seniorenorganisation.

In dieser meiner Schlussrede möchte ich alle Fraktionen zu einem edlen Wettbewerb einladen, der älteren Generation jene Möglichkeit zur Mitsprache, Mitverantwortung und Mitentscheidung einzuräumen, zu der diese Generation durchaus noch in der Lage und bereit ist.

Ich komme zum Schluss. Ich möchte ebenfalls, wie dies üblich ist, allen danken – ich fasse es kurz: all jenen, die es betrifft – für ihre mir erwiesene Hilfsbereitschaft, Zusammenarbeit und Freundschaft.


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Ich danke Gott für die Gnade, dass ich am Schluss eines arbeitsreichen Lebens meinem Vaterland Österreich noch elf Jahre lang in dieser Funktion dienen durfte, und ich wünsche diesem meinem Vaterland Österreich eine gedeihliche und glückliche Zukunft in einem immer stärker zusammenwachsenden Europa. Glück auf! (Allgemeiner anhaltender Beifall, der von den Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen stehend dargebracht wird.)

13.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

13.18

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich habe bereits gestern festgestellt – und es ist eine Binsenweisheit, möchte man meinen –, dass nicht jeder von uns in seinem Leben alles richtig macht, aber genauso wahrscheinlich nicht alles falsch machen kann. Ich habe gemeint, das wäre etwas, worüber man mit der Bundesregierung in Verhandlungen eintreten könnte, um gemeinsam mit den Regierungsparteien deren Arbeit differenziert zu betrachten. (Zwischenruf des Abg. Auer. )

Beim Anhören meiner Vorredner habe ich diese Differenzierung schon ganz gewaltig vermisst. Fangen wir einmal bei Klubobmann Schweitzer an, der sozusagen slapstickartig kurz die Verkehrspolitik gestreift hat. Es hat so geklungen, als ob die FPÖ die Eisenbahn erfunden hätte. – Das kann ja nicht wahr sein, auch nicht die auf den Pöstlingberg!

Wenn ich mir vergegenwärtige, wie Khol die Bundesregierung und ihre Arbeit darstellte, dann fällt mir zwar seine Wette ein – mit diesen Eigenschaften der Prophetie darüber, wie lange die Bundesregierung im Amt bleiben wird, würde er keinen Gewerbeschein für ein Wettbüro bekommen –, aber er lobte diese Arbeit der Bundesregierung oder kommentierte sie wie Edi Finger das Ländermatch von Cordoba. Auch da kann etwas nicht ganz stimmen.

Ich denke, wenn man seine Arbeit nicht differenziert darstellt, beschwindelt man nicht nur diejenigen, die hier sitzen und zuhören, sondern auch diejenigen, die draußen sind und als Wählerinnen und Wähler Betroffene sind.

Wenn man Khol dazu noch zu der Bemerkung Schweitzers, er befürchte bei einer neuen rot-schwarzen Koalition Stillstand, energisch nicken sieht, und zwar von oben nach unten im Sinne von Ja, und klatschen hört, dann fragt man sich schon, was ihn zu dem Glauben berechtigt, dass Blau-Schwarz die bessere Alternative wäre. Darüber wird aber nicht diskutiert. Über das Irrationale in dieser Debatte bin ich wirklich enttäuscht.

Ich bin auch enttäuscht, wenn gesagt wird, dass die Regierungsarbeit am Kosten-Nutzen-Effekt zu messen ist, und dazu dann die Bildungs- und auch die Gesundheitspolitik als Beispiel angeführt werden. Welchen Kosten-Nutzen-Effekt haben denn die Ambulanzgebühren? Ich habe darauf gestern ausführlich repliziert, denn deren Kosten-Nutzen-Effekt geht nämlich nahezu gegen null und steht jedenfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Belastung der Patientinnen und Patienten. Auch diese Maßnahme ist irrational, bar jeder Vernunft, bar jeden Lenkungs- und Struktureffekts. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn ich noch dazu höre – und auch das irritiert schmerzhaft –, dass jede Kritik an der Regierung mit Vaterlandsverrat gleichgesetzt wird, dann empfinde ich das als eine unzulässige und auch unanständige Verkürzung. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu kommt noch das von vielen vorgebrachte Argument: Wie kann man uns bloß kritisieren, Österreich ist doch ein so schönes Land?! – Erklären Sie mir das bitte! Ist denn die ÖVP dafür zuständig, dass es bei uns in Österreich den Großglockner, den Neusiedler See und das Marchfeld gibt? Ich habe in der Genesis, im Schöpfungsbericht, nichts von Schüssel und Khol gelesen, auch nichts von Schweitzer und Haider. (Beifall bei den Grünen.)


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Solche Ansprüche sollten Sie nicht erheben, denn sie sind einfach lächerlich. Politiker sollen natürlich mit einem gewissen Durchsetzungsvermögen, mit einem gewissen Selbstbewusstsein ausgestattet sein – ich weiß das schon –, wenn das aber so groteske Ausmaße annimmt, dann stimmt etwas nicht. Da müsste man Haupt fragen oder einen Arzt oder irgendjemanden. Sich selbst falsch einzuschätzen, das ist kein guter Zukunftsweiser für eine erneute Koalition. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Bildung etwas sein soll, was nicht ausschließlich im Kopf beheimatet ist, sondern auch bestimmte Einstellungen wie Empathie und Toleranz hervorruft und darüber hinaus, ohne jetzt britisch werden zu wollen, auch eine Änderung der Herzen bewirken könnte, dann frage ich mich, wie klug und akademisch ein Großplakat sein kann, auf dem zu lesen steht: "Die Unireform bringt’s!". Es ist kein Grund angegeben, kein Beweis, kein Argument, sie bringt’s einfach. Auch die Gesundheitsreform bringt’s einfach. (Abg. Wittauer: Susanne bringt’s!)

Es ist schon interessant, dass Sie Ihre ehemaligen Parteispitzen hier noch einmal ins Gefecht schicken. Sie ist nicht mehr da, diese Susanne, und ihre Rolle kenne ich auch nicht. Aber das zeigt eigentlich nur, dass solche Argumente einer Debatte nicht ganz würdig sind. Es ist einfach zu simpel! Alle Bürgerinnen und Bürger sind mit Hausverstand ausgestattet. Man muss keine akademischen Einbildungen hegen oder einem akademischen Größenwahn verfallen. Die Bürgerinnen und Bürger vertragen Argumentationen und differenzierte Darstellungen, die mir hier allerdings abgehen.

Noch etwas ganz zum Schluss, wenn man schon über Herz redet. Am meisten hat mich irritiert, als einmal einzelne mutige Abgeordnete Bundeskanzler Schüssel gebeten haben, die infame Kampagne gegen Superintendentin Knoll zu beenden. (Abg. Großruck: Was hat der Bundeskanzler damit zu tun?) Er war hier anwesend, ich weiß das noch ganz genau! Es wäre darum gegangen, ein Wort dazu zu sagen, denn zwei FPÖ-Abgeordnete waren maßgeblich an dieser Kampagne beteiligt, die in sexistische Briefe, in Bedrohung der Familie ausgeartet ist. Das war etwas ganz, ganz Mieses, und es ist kein Wort über seine Lippen gekommen, und das verstehe ich nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben gestern über Abfangjäger gesprochen und darüber, dass es im Radarsystem "Goldhaube" so genannte Schweigekegel gibt. Wer sich so ausschweigt, wie Schüssel in diesem Fall geschwiegen hat – ich möchte ihn nicht kränken –, der würde sich als Präsident eines "Goldhaubenvereins" trefflich machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Abschluss: Khol hat gestern und heute einige hier im Raum beschuldigt, einem Realitätsverlust zu erliegen. Ich hoffe, es gibt nicht andere, die auch morgen noch einen Verlust an Realität zu erleiden haben, und daher bin ich sehr dafür, dass man für einen Wechsel offen ist. Wenn Gruppen und Parteien nur mit Macht, unangebrachter Selbstüberschätzung und recht – zum Teil, nicht immer – schnoddriger Arroganz argumentieren und Beweise, Argumente, Denken und Dialog sekundär werden, dann darf das keine Zukunft haben, und darauf setze ich ganz stark. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

13.26

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Mitglieder der Noch-Regierung! Am letzten Parlamentstag vor den Neuwahlen ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen, und ich muss Ihnen sagen, dass sehr viele Wählerinnen und Wähler erleichtert sind. So oft wie in den letzten Tagen wurde ich noch nie mit Äußerungen der Erleichterung konfrontiert. Wählerinnen und Wähler haben mir gesagt: Endlich hat der Spuk ein Ende!

Dieser Spuk hat das Land gelähmt. In diesem Zusammenhang möchte ich mich für 800 000 behinderte Menschen in unserem Land einsetzen, denn ich verstehe mich auch als Sprachrohr dieser Menschen. Sie sind in den letzten zweieinhalb Jahren links liegen gelassen


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worden. (Abg. Rauch-Kallat: Sie irren!) Es wurden ihnen weitere Stolpersteine in den Weg gelegt, es gab keinerlei Meilensteine. Auch bei den behinderten Menschen hat die Arbeitslosigkeit zugenommen. Die Beschäftigungsoffensive der blau-schwarzen Bundesregierung war eine halbherzige. Es wird immer wieder von einer Behinderten-Milliarde gesprochen, in Wirklichkeit war es nur eine halbe oder dreiviertel Milliarde Schilling, und die Arbeitslosenzahl bei den behinderten Menschen ist gestiegen.

Ein wesentlicher Aspekt, an dem man die Kraft eines Landes messen kann, sind Fragen der Bildung. In der Bildung muss es faire Chancen für alle Kinder geben, faire Chancen auch für behinderte Kinder. Integration an Schulen – ein leidiges Thema für Frau Minister Gehrer, die das strikt verwehrt. Sie hat mir beispielsweise in einer Anfragebeantwortung "flockig" mitgeteilt, dass es an den AHS-Unterstufen ohnehin 300 Werteinheiten für Integration gebe. (Abg. Großruck: Das ist falsch und unwahr!) 300 Werteinheiten, das entspricht 15 Lehrerinnen und Lehrern für fast 4 000 Klassen an Österreichs Schulen. (Abg. Rauch-Kallat: Falsch!) Das ist wirklich ein sehr schlechtes Zeugnis, und dieser Spuk muss ein Ende haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Die blau-schwarze Noch-Regierung steht nicht für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Ausgleich. Es wird nicht darauf geschaut, wie wir miteinander umgehen, wie wir lernen können, miteinander in unserer Gesellschaft zu leben. Die Maximen dieser noch blau-schwarzen Bundesregierung sind Handlungsanleitungen für eine Ellbogengesellschaft, in der den Starken zur Seite gestanden wird, in der Kritiker abserviert, verhöhnt und diffamiert werden und in der Menschen mit Behinderungen, die vielleicht anders sind als andere, an den Rand gedrängt werden. (Abg. Großruck: Das ist ebenfalls falsch und unwahr!)

Ambulanzgebühren, Unfallrentenbesteuerung – zwei einschneidende Maßnahmen, die in unserem Land 800 000 Menschen mit ihren Familien getroffen haben. Was haben Sie dem entgegengesetzt? Sie haben das unter dem Deckmantel einer angeblich treffsicheren sozialen Gesinnung durchgeführt. Das ist wiederum ein Beispiel dafür, dass Ihr Spuk zu Ende gehen muss! (Beifall bei der SPÖ.)

Die halbe Behinderten-Milliarde bringt für die behinderten Menschen keine wesentlichen weiteren Fortschritte. Es gibt einige Projekte, die danach trachten, behinderte Menschen dem Arbeitsmarkt zuzuführen. Dennoch kann das nicht allen behinderten Menschen helfen, denn gerade die Schnittstelle zwischen Ausbildung und Beruf ist noch sehr mangelhaft entwickelt.

Sehr viele junge Menschen mit ihren Familien kommen zu mir, um sich zu erkundigen, was sie denn tun könnten, damit ihre Kinder endlich eine Ausbildung, Zugang zu Bildung bekommen und in den Arbeitsmarkt eintreten können. Hiezu gibt es keinerlei Angebote von Seiten dieser Regierung. Es ist wichtig, dass dieser Spuk zu Ende geht! (Abg. Dr. Mitterlehner: Absolut unrichtig!)

Für das kommende Jahr, das internationale Jahr der Behinderten, wurden gestern noch rasch zwei Maßnahmen beschlossen. Sie rechnen mit dem Kurzzeitgedächtnis der Wählerinnen und Wähler, aber Sie werden sich täuschen, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Die Wählerinnen und Wähler wissen sehr wohl, was sie im Geldbörsel haben, wie mit ihnen umgegangen wird! Die Wählerinnen und Wähler merken, wie es mit den Chancen für ihre Kinder ausschaut!

Minister Haupt hat in den vergangenen Jahren immer wieder sein Engagement für behinderte Menschen betont, doch leider ist dahinter nichts verborgen, es waren nur leere Worte. Es gibt kein Gleichstellungsgesetz in Österreich, die Integration in den Schulen gibt es nicht. (Abg. Großruck: So ein Unsinn! Wie kann jemand behaupten, dass es keine Integration in den Schulen gibt?) In Deutschland wurde bereits ein Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen beschlossen. Auch daran können Sie ersehen: Es ist Zeit, dass der Spuk ein Ende nimmt! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Großruck. )


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Für mich war der Versprecher eines Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei, der gestern gesagt hat, er sei von der Österreichischen Stolz partei, ein sehr bezeichnendes Beispiel für die Realitätsferne dieser Partei. Es wird alles darangesetzt, den Machterhalt für einen "kleinen Prinzen" zu sichern, der jetzt geschwind auf leutselig poliert wird. Auch hiebei setzen Sie auf das Kurzzeitgedächtnis der Wählerinnen und Wähler. Das wird Ihnen nicht gelingen, die Leute merken sich das! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Tancsits: Die armen Leute!) In der Freiheitlichen Partei gibt es die Nacht der langen Messer in Permanenz, und der kommende Samstag findet wahrscheinlich auf der Blutwiese statt.

All diese Beispiel zeigen, dass diese Wende am Ende ist. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kämpfen um Österreich, wir kämpfen für die Menschen in unserem Land und bieten ein Programm der fairen Chancen, wo auf die Bedürfnisse der Menschen geachtet wird, und wir haben mit Dr. Alfred Gusenbauer einen hervorragenden Spitzenkandidaten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Wie heißt noch mal Ihr Spitzenkandidat? – Rufe bei der ÖVP: Wie heißt er? – Abg. Mag. Lapp  – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Sind Sie in der "Millionenshow", dann können Sie ... – Ruf bei der ÖVP: Bei der Frage wird aber jeder aussteigen!)

13.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

13.32

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter, lieber Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Jedes Ende ist ein neuer Anfang. (Abg. Parnigoni: In der Opposition!) Die ÖVP freut sich darauf, nach diesem Wahlkampf in einer neuen Regierung wieder neu durchzustarten und die Inhalte der Politik der letzten zweieinhalb Jahre folgerichtig und mit voller Kraft weiter umzusetzen. Wir freuen uns darauf, mit unserem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der Spitze auch für die nächsten Jahre verantwortungsvoll und verantwortungsbewusst in Österreich die Geschicke vor allem auch der jüngeren Generationen so zu lenken, dass deren Chancen tatsächlich gewährleistet sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, es ist bekannt, dass ich sehr, sehr skeptisch in diese Koalition mit der FPÖ gegangen bin, nicht mit fliegenden Fahnen. Ich habe mir gedacht, ob das wohl gut gehen wird. Ich kann jetzt im Brustton der vollen Überzeugung sagen: Es ist gut gegangen, und es war unglaublich wichtig. (Abg. Parnigoni: Darum treten Sie jetzt alle zurück, weil das so gut gegangen ist!) Wir haben in diesen letzten Jahren ganz Entscheidendes für Österreich, für unsere Österreicherinnen und Österreicher verändern können. (Abg. Parnigoni: Darum treten Sie jetzt auch alle zurück!)

Lange bevor ich in die Politik gegangen bin, sind wir während des Studiums und in den Jahren danach an Abenden oft mit Freunden, Freundinnen, Bekannten zusammengesessen und haben die Welt gut geredet – ohne Verantwortung zu tragen, ist das immer relativ einfach – und haben uns überlegt, was denn die dringlichsten Probleme wären, die wir lösen würden, wenn wir es denn könnten.

Das Problem Nummer eins waren immer die Pensionen. Zehn Jahre lang haben wir darauf gewartet, dass es eine Regierung gibt, die dieses Problem offensiv angeht, die dafür sorgt, dass auch jüngere Generationen darauf vertrauen können, im Alter eine Absicherung zu haben. Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir mit mehreren Schritten, und zwar zum einen mit der Pensionsreform und zum anderen mit der "Abfertigung neu", die Altersvorsorge reformiert haben. Jedem Mitarbeiter wird eine eigene, von ihm selbst und vom Unternehmer finanzierte Pensionsvorsorge ermöglicht, wobei auch für alle Selbständigen diese zweite Säule der Pensionsvorsorge geschaffen wurde.

Das war auch deswegen unglaublich wichtig, weil in der Arbeitswelt in den letzten Jahren tiefgreifende Veränderungen vor sich gegangen sind. Beschäftigungsverhältnisse dauern heute nicht mehr ein Leben lang. Die Leute sind ein paar Monate lang irgendwo beschäftigt, dann vielleicht eine Zeit lang als neue Selbständige tätig und anschließend wieder in unselbständiger Beschäftigung. Diese Menschen finden nun zum ersten Mal ein Modell vor, das ihnen eine


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durchgängige eigene Altersvorsorge ermöglicht. Ich danke unserer Bundesregierung, dass das in dieser kurzen zur Verfügung stehenden Zeit so grundlegend gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Ofner. )

Ein ganz grundlegendes Moment unserer Arbeit war sicherlich auch, keine neuen Schulden zu machen. Ich möchte die Aussage meiner Vorrednerin, die gesagt hat, die Menschen hätten ein Kurzzeitgedächtnis, bestätigen. Sie haben aber auch ein Langzeitgedächtnis. Die Österreicherinnen und Österreicher erwarten sich von uns und von einer verantwortungsvollen Politik keine Geldgeschenke vor der Wahl. Das kennen sie schon aus der Zeit der sozialdemokratischen Kanzler. Sie wollen keine Almosen, die sie sich ohnehin wieder selber bezahlen müssen, sondern sie wollen Fundamente, um sich ihre Zukunft selber aufbauen zu können, Rahmenbedingungen, die es den Benachteiligten und den Privilegierten ermöglichen, all ihre Fähigkeiten auszuspielen und einzusetzen, und sie wollen dann, wenn sie Hilfe brauchen, diese Hilfe auch finden. (Abg. Parnigoni: Mit Hilfe des ÖGB!)

Es ist uns in den letzten Jahren gelungen, auch im Sozialsystem gravierende Lücken zu schließen. (Abg. Parnigoni: Sie haben es vernachlässigt!) Wir haben die Pflegekarenz geschaffen, damit die alten Leute so sterben können, wie sie es sich wünschen, nämlich im Kreise und in den Armen ihrer Familie. Wir haben jungen Frauen, für die es immer schwierig ist, Beruf und Familie zu vereinbaren, einen ersten gangbaren Weg aufgezeigt, wie das in Zukunft leichter wird, indem wir jene, die gearbeitet haben, nicht mehr grundsätzlich aus der Arbeit drängen, wie das sehr oft für die Karenzgeldbezieherinnen der Fall gewesen ist. Jede Frau, die wusste, dass sie nicht ganztags von ihren Kindern wegbleiben kann, hat gar keine staatliche Unterstützung bekommen. StudentInnen haben gar keine Unterstützung bekommen. Frauen, die schon zu Hause waren, zum Teil auch wegen mangelnder Unterstützung, wussten, dass sie keine Unterstützung mehr bekommen, sobald sie wieder mehr als nur geringfügig beschäftigt sind. Diese Zeit einer notwendigen Qualifizierung für eine Berufstätigkeit ist ihnen verloren gegangen.

Das sind viele Schritte auf einem Weg, den wir weitergehen wollen, und wir folgen auf diesem Weg unserem Bundeskanzler. Die ÖVP kann sich mit Recht darauf freuen. Ich bin sicher, wir bekommen dafür auch das Vertrauen unserer Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder.

Meine Damen und Herren! Mit Ihrem Einverständnis: Ich habe den Eindruck, dass das Ende der freiwilligen Redezeit durch das Reden hier vom Berichterstatterplatz aus offensichtlich nicht wahrgenommen wird. Daher werde ich ein ganz kurzes, kleines Klingelzeichen geben, sodass der Betreffende weiß, dass seine freiwillige Redezeit zu Ende ist.

Bitte, Herr Abgeordneter Eder.

13.39

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe gestern und heute der Diskussion sehr aufmerksam gefolgt und muss sagen: Alle Redner auf der Regierungsbank und alle Redner von den Regierungsparteien waren über die Arbeit, über die Regierung und über die derzeitige Situation total begeistert. Sogar Kollegin Hakl hat soeben gemeint, es sei gut gegangen. Mir ist das völlig unklar, und ich frage mich, warum wir dann eigentlich in der Situation sind, in der wir sind. Ich verstehe die Welt einfach nicht mehr! (Abg. Mag. Tancsits: Das ist uns schon länger aufgefallen!)

Also entweder ist es gut gegangen, dann müsste es ja auch jetzt noch gut gehen, oder es ist schief gegangen, dann ist es eben schief gegangen. Ich bin eher der Meinung, dass es schief gegangen ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Moser. )

Lassen Sie mich daher etwas von Abraham Lincoln zitieren, der da gemeint hat: Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, und das ganze Volk einen Teil der Zeit, aber


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man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen. – Herr Bundeskanzler, lernen Sie daraus! – Danke schön! (Beifall bei der SPÖ .)

13.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

13.40

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Staatssekretär! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Umstände der letzten Wochen sind die Ursache für die heutige Debatte über die frühzeitige Beendigung der XXI. Gesetzgebungsperiode. (Abg. Parnigoni: Welche Umstände, bitte?) Es wird in den nächsten Wochen vor allem von der Opposition viele Ankündigungen geben, nämlich was alles abgeschafft werden muss oder neu eingeführt werden soll. (Abg. Parnigoni: Welche Umstände? Erklären Sie uns das! Frau Hakl hat gerade gesagt, es gibt keine Umstände!)

Ich glaube, die Bevölkerung hat ein sehr gutes Gespür dafür, was wirklich machbar ist, was wir uns tatsächlich leisten können. Es ist richtig und wichtig, die Steuerreform zugunsten der Hochwasserhilfe zu verschieben. Die Politiker haben das Steuergeld der Bevölkerung verantwortungsbewusst zu verwalten, daher: Keine neuen Schulden mehr! Oder anders gesagt: Mit den Einnahmen auskommen!, wie das für jeden privaten Haushalt gilt.

Der sozialpolitische Meilenstein Kinderbetreuungsgeld bringt soziale Gerechtigkeit für die Familien.

In dieser Gesetzgebungsperiode ist es auch gelungen, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass in Zukunft eine Zweitpension für alle möglich ist.

Erlauben Sie mir auch eine Bemerkung zur Arbeitslosigkeit und zu den Beschäftigungszahlen: Nicht nur, dass es noch nie so viele Beschäftigte gegeben hat, vor vier, fünf, sechs Jahren, in Zeiten eines sozialistischen Bundeskanzlers, wären wir froh gewesen, hätten wir diesen niedrigen Prozentsatz an Arbeitslosen gehabt! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Oberhaidinger und Heinisch-Hosek. )

Die Bilanz dieser Bundesregierung kann sich wirklich sehen lassen. Es geht darum, einen stabilen, verlässlichen und erfolgreichen Weg für Österreich fortzusetzen. Es geht darum, wer in Zukunft Österreich führen soll: Soll es ein Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel sein oder vielleicht ein Herr Gusenbauer? (Abg. Heinisch-Hosek: Ja! – Abg. Parnigoni: Auch ein "Doktor" wie Schüssel, ja, nicht mehr und nicht weniger!)

Meine Damen und Herren! Wenn bei uns in Österreich gejammert wird, müssten wir mit einem Blick über die Grenzen, mit der Fähigkeit zu etwas Selbstkritik und auch Bescheidenheit eigentlich zur folgenden Erkenntnis kommen (Abg. Parnigoni: Bundeskanzler ist er durch einen Schwindel geworden, indem er die Menschen angelogen hat!): Vielen von uns geht es sehr gut, und wenn wir jammern, jammern wir wirklich trotz eines hohen Niveaus!

Meine Damen und Herren! Wir können durchaus stolz sein auf unsere Heimat und auf die Menschen in Österreich. Die Bevölkerung hat am 24. November 2002 darüber zu entscheiden, ob es in unserem Land linke Experimente geben soll oder ob der erfolgreiche Weg, die erfolgreiche Politik für Österreich mit keinen neuen Schulden, für mehr Beschäftigung, für soziale Gerechtigkeit, für einen höheren Stellenwert der Familien und für ein lebens- und liebenswertes Österreich fortgesetzt werden soll. Wir von der ÖVP sind bereit, auch in Zukunft Verantwortung für unsere Heimat zu tragen! (Beifall bei der ÖVP.)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

13.43

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es wurde schon gesagt: In der Kürze liegt die


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Würze! (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich werde also versuchen, diesen gescheiten Spruch zu berücksichtigen. Ich habe das schon öfters erfolgreich praktiziert.

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung ist angetreten, den Reformstau aufzulösen (neuerlicher demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), den, ich darf daran erinnern, die ÖVP in der gemeinsamen rot-schwarzen Regierung mit verursacht oder hauptsächlich verursacht hat, und die Schulden abzubauen, die die ÖVP in unserer gemeinsamen Regierungszeit hauptsächlich verursacht hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Prinz: Wer war Finanzminister?!)

Diese Wenderegierung, meine Damen und Herren, hat mit geradezu atemberaubender Geschwindigkeit eine Unzahl von Gesetzen – weder begutachtet noch im Hause diskutiert! – einfach durchgepeitscht. Das Ergebnis: Belastungspakete, sinnlose Maßnahmen wie Ambulanzgebühren, Besteuerung der Unfallrenten, Studiengebühren. Das ist das Ergebnis einer so genannten Speed-kills-Politik. (Abg. Dr. Mitterlehner: Was?)

Die einsichtigeren Regierungsmitglieder haben erkannt, dass mit den Husch-Pfusch-Gesetzen kein Staat zu machen ist, und haben die Oppositionsparteien zumindest in die Verhandlungen einbezogen, sie rechtzeitig informiert. Wir haben gestern und heute in diesem Hohen Hause schon öfters gehört, dass wir bei über 100 Gesetzen mitverhandelt haben, sie mitbeschlossen haben, und das sind die Ergebnisse, die herzeigbar sind.

Ich darf nur an meinen eigenen Bereich erinnern, denn gerade im Bereich der Energiewirtschaft ist uns gemeinsam einiges gelungen. Auch an der österreichischen Stromlösung waren wir Sozialdemokraten maßgeblich beteiligt.

Im Bereich der Sozial- und Steuerpolitik gab es leider kein gemeinsames Vorgehen, meine Damen und Herren, daher wurden in den letzten zweieinhalb Jahren in Österreich die Reichen reicher, die Zahl der Armen wurde größer, und die Armen wurden ärmer, und der Mittelstand wurde entsprechend ausgedünnt. Auf Grund der Politik der letzten zweieinhalb Jahre sind mehr Menschen ab- als aufgestiegen.

Die blau-schwarze Wenderegierung steht für folgende Punkte: höchste Arbeitslosigkeit, höchste Steuern, sinnlose Belastungen, den Ankauf von Kampfflugzeugen.

Wir Sozialdemokraten werden die Ambulanzgebühr zurücknehmen, die Besteuerung der Unfallrenten zurücknehmen, die Studiengebühren zurücknehmen und entschieden gegen den Ankauf von Kampfflugzeugen eintreten. (Abg. Rauch-Kallat: Zurück in die Vergangenheit!) Aber wir treten ein – eine Maßnahme, die diese angeblich so gute Regierung gesprengt hat – für eine Steuerreform, die vor allem Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen zugute kommen soll.

Zum Schluss kommend: Meine Damen und Herren! Wir sollten die Menschen immer daran erinnern: Wo Schüssel draufsteht, sind auch Abfangjäger und Haider drinnen. Wer Schüssel wählt, der wählt also auch Haider und die Abfangjäger.

Wir stehen für eine Politik der fairen Chancen für alle, bei der der Mensch wieder im Mittelpunkt steht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

13.47

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Hartinger: Eine Dame! Bitte, auch eine Dame ist auf der Regierungsbank! Frau Staatssekretärin Rossmann!) Und Dame, auf die komme ich aber noch ganz persönlich zu sprechen.

Die Freizeit- und Tourismuspolitik hat berechtigterweise in diese blau-schwarze Regierung Hoffnungen gesetzt. Der Herr Bundeskanzler hat einmal davon gesprochen, dass all seine


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Ministerinnen und Minister Tourismusminister seien. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, dann kommt man zu dem Schluss, dass sich – das unterstelle ich jetzt vom Rednerpult aus Frau Staatssekretärin Mares Rossmann, die sich ehrlich bemüht hat (demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Krüger ), alle anderen haben schwerst versagt – die österreichische Freizeit- und Tourismuswirtschaft in einer Situation befindet, die bei Gott nicht rosig ist.

Worunter leiden Hoteliers, Gastronomen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? – Wir haben die höchste Steuerquote, wir haben die niedrigsten Kollektivvertragslöhne, wir haben die schlechtesten Arbeitsbedingungen. Da nützt es nichts, meine Damen und Herren, davon zu sprechen, wie wichtig es sei, einen Imagewechsel herbeizuführen. Für diesen Wirtschaftsbereich heißt Imagewechsel bessere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Unternehmerinnen und Unternehmer, die auch wirtschaftliche Perspektiven haben – auch sie dürfen nicht allein gelassen werden.

Die Sozialdemokratie, meine Damen und Herren, hat in der Vergangenheit Vorschläge vorgelegt, und sie wird auch in der Zukunft Vorschläge unterbreiten, die zeigen, wie der erfolgreiche Weg ausschauen kann, ob das im Verkehrsbereich ist, ob das im Zusammenhang mit der Entzerrung von Ferienregelungen ist oder viele andere Ansätze betrifft, die wir in den letzten zweieinhalb Jahren immer wieder dargelegt haben. Aber wir konnten keinen Erfolgsschritt setzen, und zwar unter anderem deshalb, weil sich das Haus, die blau-schwarze Regierung dagegen ausgesprochen hat, einen eigenen Freizeit- und Tourismusausschuss zu installieren. Ich sage Ihnen: Das war der größte Fehler, den Sie begangen haben, denn Sie haben auf diese Art und Weise diesem Haus und der Wirtschaft die wichtige Lobby entzogen, die sie für Verbesserungen braucht. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein Erfolg ist nur dann gegeben, wenn auch hier im Nationalrat offen verhandelt werden kann und man versucht, für alle betroffenen Seiten bestmögliche Lösungen herbeizuführen.

Gehen wir in Zukunft sorgsam mit Forderungen um, aber gehen wir mit diesen Forderungen so um, dass wir auch tatsächlich jenen helfen, denen geholfen werden muss, nämlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich verspreche von dieser Stelle aus: Die Sozialdemokratie steht auf ihrer Seite und wird Verbesserungen herbeiführen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Er ist nicht im Saal. (Abg. Dr. Mitterlehner: Er ist nicht im Saal, wenn es um die Übernahme von Verantwortung geht!)

Der Nächstgereihte ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

13.51

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den Redebeiträgen von den Regierungsparteien und auch der Regierungsmitglieder hatte ich den Eindruck, als hätte ich in den letzten Jahren in einem anderen Land gelebt, in einem Land, in dem es den Menschen schlechter geht, denn wenn man den Regierungsmitgliedern und Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien glaubt, geht es allen besser.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nehmen Sie zur Kenntnis: Den Österreicherinnen und Österreichern geht es seit dem Regierungsantritt von Blau-Schwarz schlechter, und wir werden jetzt im Wahlkampf dazu antreten, die Situation für die Österreicherinnen und Österreicher zu verbessern! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: ... Abschaffung des Kindergeldes, zum Beispiel!)

Bundesminister Strasser hat davon gesprochen, dass er ein ambitioniertes Programm verfolge. – Ich sage dazu: Dieses Programm hat im Chaos geendet, weil einige nicht mehr mitmachen wollten. Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ambitioniert waren Sie und war Bundesminister Strasser bei Postenschließungen und beim Postenschacher.


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Er wird damit in die Geschichte der XXI. Legislaturperiode eingehen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Abg. Dr. Trinkl: Aber geh!)

Ambitioniert war auch Herr Bundesminister Böhmdorfer, und zwar folgendermaßen: Er hat zwei Anklagen im Spitzelskandal erreicht – vorher wurde gegenüber 70 Personen erhoben. Ich gratuliere Herrn Böhmdorfer dazu!

Er war auch ambitioniert, Anträge der Opposition zu verhindern beziehungsweise diesbezüglich keine Beschlussfassung zuzulassen. Ich denke dabei nur an all die konsumentenrechtlichen Gesetzesanträge, die wir eingebracht haben.

Der Landwirtschaftsminister hat Folgendes sehr ambitioniert betrieben: die Fragen der Lebensmittelsicherheit unter seine Kuratel, unter seine Kontrolle zu bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzten zweieinhalb Jahre lassen sich kurz so beschreiben: Sie haben es ambitioniert verstanden, die österreichische Bevölkerung auszuplündern und neue soziale Belastungen zu erfinden. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Loos: "Nehmen Sie das zur Kenntnis!")

Ambitioniert waren Sie auch in Fragen der Jugendarbeitslosigkeit. Meine Herren auf der Regierungsbank, nehmen Sie eines zur Kenntnis: Sie haben sie verstärkt!

Ich erinnere Sie daran, dass es seit 1997 den Beruf des Verwaltungsassistenten gibt. Damit wird der öffentlichen Hand die Möglichkeit gegeben, junge Menschen im öffentlichen Dienst auszubilden. Wie sieht das Ergebnis, die Bilanz dieser Bundesregierung in dieser Hinsicht aus? – Das Außenministerium hat seit 1998 – damals unter Außenminister Schüssel, der heute Bundeskanzler ist – keinen einzigen Lehrling eingestellt. Der Bundesminister für Inneres hat ab dem Jahr 2000 keinen einzigen Lehrling eingestellt. Das Gleiche gilt für den Sozialminister, den Verkehrsminister und den Finanzminister. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sind in dieser Frage absolut unglaubwürdig!

Wir begrüßen daher den Neuwahlantrag, denn wir Sozialdemokraten wollen gerechte Chancen für alle verwirklichen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

13.55

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Meine Damen und Herren! In der Kürze liegt die Würze, aber einiges muss eben doch gesagt werden. Es muss zum Beispiel gesagt werden, dass die letzten 31 Monate gezeigt haben – völlig anders, als im Regierungsprogramm angekündigt –, dass Kunst- und Kulturpolitik nie ein Schwerpunkt dieser Bundesregierung war, obwohl das in Aussagen immer wieder betont wurde. Kurz gesagt: Kunst- und Kulturpolitik ist kein Schwerpunkt, sondern ein weiterer Schwachpunkt dieser Regierung – wie zahlreiche andere Bereiche auch.

Die konservative Kulturpolitik der letzten 31 Monate hat eine Rückkehr zur Kulturpolitik von vorgestern gebracht. Als förderungswürdig galten vor allem das kulturelle Erbe, die Musealisierung, der Denkmalschutz und die Volkskultur. Für das Zeitgenössische, das Visionäre, das gesellschaftskritische Engagement von Kunst und Kultur und das Unangepasste ist aber wenig Raum geblieben. Eigentlich ist das logisch, denn dazu hätte man Mut zur Diskussion gebraucht. Das wäre ja gegen das Konzept des "Schweigekanzlers" gewesen, der es zugelassen hat, dass Österreich ins Chaos gestürzt wurde, der sogar den Boden dafür bereitet hat und kritische Stimmen daher nicht hören wollte.

Herr Staatssekretär! Sie werden als jener Kunst- und Kulturpolitiker in die Geschichte eingehen, der massive Budgetkürzungen zugelassen hat, der geschwiegen hat, wenn Kunstschaffende


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diffamiert wurden, und der Konflikte nicht ausgetragen, sondern ausgesessen hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die kulturpolitischen Sündenfälle der letzten 31 Monate sind sehr zahlreich. Ich denke, es ist bezeichnend für diese Regierung, dass das Wort "zeitgenössisch" weder im Regierungsprogramm noch in der weiteren Regierungstätigkeit vorgekommen ist.

Denken Sie an den Etikettenschwindel oder die Mogelpackung Künstlersozialversicherung! –Subventionen wurden nach der Rasenmähermethode gekürzt.

Denken Sie an Ihren ureigensten Bereich: mehr privat, weniger Staat! – Sie konnten nicht einmal dort etwas bewegen.

Denken Sie an die so genannten Umstrukturierungen in der Kunstsektion, die eigentlich eine Umfärbeaktion waren! Denken Sie an die Artothek, die ein klassisches Beispiel für Freunderlwirtschaft ist!

Gefährlich war es, ein Schwerpunkt zu sein: Denken Sie an die Kürzungen von rund einem Drittel der Mittel beim Film! Wir haben das in einer Enquete besprochen.

Auch bei der Auslandskultur hat es Probleme gegeben. Es wurde ihr die Eigenständigkeit genommen, was in der Schließung des renommierten Kulturinstituts in Paris gipfelte.

Neben der Schadenbilanz der letzten 31 Monate gibt es Bestrebungen, sozusagen fünf Minuten vor zwölf noch wichtige kunst- und kulturpolitische Entscheidungen durchzupeitschen. So steht der Verkauf des Österreichischen Bundesverlages an. Es ist völlig offen, wie dann zum Beispiel der Kulturauftrag, den dieser Verlag hat, wahrgenommen werden soll. Es ist auch völlig offen, wie die Interessen im Schulbuchbereich gewahrt werden. Gleichzeitig sollen Besetzungen, Neubesetzungen durchgepeitscht werden, und auch Institutionen wie das Österreichische Kulturinstitut sind in Gefahr.

Offensichtlich haben Sie die PISA-Studie noch immer nicht genau gelesen oder nichts daraus gelernt. Wir müssen das kreative Potential in unserem Land fördern, damit wir wirtschaftlich nicht ins Abseits geraten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte abschließend Folgendes sagen: Weitere 48 Monate dieser Kulturpolitik würden der Kunst und Kultur den Rest geben. Das würde das Land nicht vertragen.

Es ist außerdem schlimmer gekommen, als wir gedacht haben. Die Abenteuer und auch die Machtgier Einzelner haben zu einem chaotischen Ende geführt. Wir lösen daher heute die Regierung vermutlich einstimmig auf. (Abg. Dr. Mitterlehner: Das Parlament!) Aber: Neue Chancen warten auf Österreich! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

14.00

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte diesen Tag doch nicht vorbeigehen lassen, ohne noch einige Worte zur Justizpolitik der vergangenen zweieinhalb Jahre gesagt zu haben.

Wir haben einen großen Reformstau vorgefunden und die Justizpolitik aus ihrem Schattendasein der letzten 10 bis 15 Jahre herausgeholt. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie war mehr in der öffentlichen Diskussion, als dies früher der Fall war, und es hat sich dadurch auch die Möglichkeit ergeben, dass wir uns von den Oppositionsparteien abgrenzen, was diese durch ihr Abstimmungsverhalten auch entsprechend dokumentiert haben.


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Ich darf darauf hinweisen, dass wir zu Beginn dieser Legislaturperiode zum Beispiel die Strafen für Schlepper erhöht haben, und zwar auch im gerichtlichen Bereich, nicht zuletzt auch aus dem Grund, weil im Bereich der Schlepperei mittlerweile höhere Umsätze erzielt werden als im Drogenhandel. Es ist bedauerlich, dass die SPÖ und die Grünen bei dieser Maßnahme nicht bereit waren mitzugehen, was sicherlich auch ein Signal für die Bevölkerung ist.

Wir haben die Jugendgerichtsbarkeit auf die Personen bis zum einschließlich 21. Lebensjahr ausgedehnt. Wir haben damit mildere Bestimmungen für die Jugendlichen eingeführt. Es ist bedauerlich, dass die SPÖ und die Grünen bei dieser Maßnahme nicht mitgegangen sind.

Wir haben das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz beschlossen und damit die Möglichkeit geschaffen, dass Eltern, die nicht wegen ihrer Kinder und mit ihren Kindern streiten, wenn sie sich scheiden lassen, eine einvernehmliche Regelung herbeiführen können. Das heißt, dass diese Kinder einvernehmlich in der Frage der Obsorge von beiden Elternteilen betreut werden können. Es ist bedauerlich, dass die SPÖ und die Grünen bei diesem Gesetz, das von 80 Prozent der Bevölkerung akzeptiert wird, nicht mitgegangen sind.

Wir haben die Bedrohung mit lebenslanger Strafe für Drogenbosse eingeführt und wollten damit ein Zeichen dahin gehend setzen, dass uns der Schutz unserer Jugend vor Drogen wichtig ist. Es ist bedauerlich, dass SPÖ und Grüne da nicht mitgegangen sind. Es ist dies umso bedauerlicher, als dies offenkundig ein Konzept ist; ich erinnere nur daran, dass sich Frau Abgeordnete Dr. Pittermann am 13. Dezember 2000 in einem Pressedienst für die Freigabe weicher Drogen ausgesprochen hat. (Abg. Mag. Schender: Ungeheuerlich! Als Ärztin! – Abg. Dr. Pumberger: Als Ärztin!) Gleiches tat Herr Abgeordneter Brosz von den Grünen, und zwar am 20. Juli 2001.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in der Drogenpolitik wirklich unterscheiden (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), wobei ich behaupte, dass unsere Kinder den größeren und intensiveren Schutz von den Regierungsparteien erwarten können.

Wir haben auch im wirtschaftlichen Bereich Akzente gesetzt. Die SPÖ war gegen die Erhöhung der Haftung der Abschlussprüfer, und ich rufe in Erinnerung, was das bedeutet: Die Abschlussprüfer, also diejenigen Gesellschaften, die insbesondere die Banken und großen Industrieunternehmen prüfen, haben bisher nur bis zu einer Schadenssumme von 5 Millionen Schilling gehaftet. Das ist ein lächerlicher Betrag im Vergleich zu jenen Summen, die die Schäden ausmachen, wenn sie mit diesen Prüfungen danebenliegen oder sie schlampig machen. Es ist bedauerlich, dass sich die SPÖ zu diesem Schritt nicht entschließen konnte. Dieser Schritt war wichtig für die Verbesserung der Unternehmenskultur in Österreich und für die Verbesserung der Voraussetzungen Österreichs als Wirtschaftsstandort.

Wir haben für jene Verbrecher, die sich schwerster krimineller Delikte schuldig gemacht haben, die lebenslange Probezeit eingeführt. Wir können diese Verbrecher jetzt ein Leben lang beobachten, und das ist wichtig und richtig. Es ist schade, dass die SPÖ und die Grünen da nicht mitgegangen sind. Noch mehr bedauere ich es, dass Frau Abgeordnete Mag. Stoisits den Standpunkt vertreten hat, dass in Österreich das Höchstmaß der Freiheitsstrafen gesenkt werden sollte, nämlich auf 15 Jahre. So kann man bei Schwerstkriminalität keine generalpräventive Wirkung erzielen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben Lauschangriff und Rasterfahndung in das Dauerrecht übernommen. Warum haben wir das getan? Weil wir diese Maßnahmen benötigen, damit wir den Terror erfolgreicher als bisher bekämpfen können.

Wir glauben auch, dass geheime Akten geheim bleiben sollen, und es ist schade, dass gewisse Abgeordnete immer wieder mit Stolz die Geheimhaltung durchbrechen und glauben, dass sie dafür Anerkennung bekommen, wenn sie mit geheimen Akten Politik machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) In Wirklichkeit ist es so, dass diese Geheimhaltungsverpflichtung wichtig ist, um unsere Beamten, die in diesen Bereichen recherchieren, nicht zu demotivieren


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und in ihrer Tätigkeit nicht lächerlich zu machen. Ich bitte da um mehr Verantwortungsbewusstsein!

Wir haben die Strafen für Vergewaltigung und Kindesmissbrauch mit Todesfolge angehoben und damit ein Missverhältnis beseitigt. Es ist bedauerlich, dass auch da die SPÖ und die Grünen nicht mitgegangen sind. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, wäre folgendes Missverhältnis bestehen geblieben: Raub mit Todesfolge: lebenslange Strafdrohung; Vergewaltigung mit Todesfolge und Kindesmissbrauch mit Todesfolge: 10 oder 15 Jahre Strafdrohung. So kann man es bitte wirklich nicht machen! Es ist schade, dass Sie da nicht mitgegangen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben uns im Wahlkampf und auch danach dem Opferschutz verschrieben und haben Opferschutzmaßnahmen auch in die Tat umgesetzt. Es war nicht schwierig. Sie haben nur immer davon geredet, wir haben es aber getan. In dieser Gesetzgebungsperiode hat es zum ersten Mal einen Fonds für Prozessbegleitung gegeben. Das heißt, wir konnten die Ärmsten der Armen, nämlich die gewalttätig behandelten Frauen und Kinder insbesondere, mit professioneller Hilfe ausstatten, mit Rechtsanwälten, Sozialhelfern und anderen fachkundigen Personen wie Psychiatern und so weiter. Das hätten Sie alles machen können! Dafür war kein Gesetz notwendig, dafür war eine Budgetposition notwendig – bei uns hat das funktioniert.

Ich möchte Ihnen den Spiegel vorhalten, damit Sie sehen, was Sie getan haben. Als ich diese Prozesskostenförderung eingerichtet habe, habe ich darauf bestanden, dass nur die Opfer beziehungsweise ihre Vertreter, ihre Betreuer, ihre Sozialhelfer, ihre Rechtsanwälte, ihre Psychologen das Geld bekommen. Doch worauf bin ich dabei gestoßen? Dass im Sozialministerium – wofür Herr Minister Haupt absolut nichts kann – folgendes System entstanden war, nämlich dass 166 Vereine gefördert werden, ohne jede konkrete Bezugnahme auf Verbrechensopfer, und diese Beträge von Hunderten Millionen bekommen, damit sie sich selbst, ihre eigene Bürokratie oder gar Ideologie fördern.

Ich kann Ihnen die Zahlen jener Opfer von Verbrechen sagen, die sich an uns gewendet haben. Im Jahre 2000 waren es 52, im Jahre 2001 waren es 260. Heuer sind es bisher 178. Das heißt, für weniger als 300 Verbrechensopfer im Jahresdurchschnitt haben Sie 166 Vereine entstehen lassen. Warum haben Sie das getan? Sie taten dies wohl, um die Bürokratie und die Ideologie dieser Vereine zu fördern, aber nicht, um den Verbrechensopfern zu helfen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit anderen Worten: Wir können den Opfern mit weniger Geld viel mehr helfen, als Sie das in den vergangenen Gesetzgebungsperioden getan haben.

Wir haben den Konsumentenschutz belebt. Ich habe das schon öfters gesagt, ich werde das heute nicht in der entsprechenden Breite ausführen, aber eines ist sicher, Frau Abgeordnete Prammer: Sie haben gewusst, in welch übertriebener Höhe die Banken Zinsen vereinnahmen. Sie haben gewusst, dass die Geschäftsbedingungen der Banken und vieler Unternehmen nicht gesetzmäßig sind – aber Sie haben absolut nichts dagegen getan! Es war nicht schwierig, wir haben nur einige Musterprozesse führen müssen, und schon war die Sache erledigt. Sie wollten einfach keinen effektiven Konsumentenschutz, und das ist historisch beweisbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben auch Ihre Meinung geändert. Ich weiß nicht, ob Herr Abgeordneter Jarolim hier ist, ich sehe ihn jedenfalls nicht. Ich sage Ihnen, was der Standpunkt der SPÖ zur Vorverfahrensnovelle war, allerdings im Jahre 1998. Er war folgender:

SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim hofft, dass die Reform des Vorverfahrens noch in dieser Legislaturperiode 1998 beschlossen wird. Damit würde die Stellung der Opfer wesentlich verbessert. Sie sollen mehr Informationen und die Möglichkeit, Beweismittel zu beantragen, bekommen. Verfahrenshilfe will Jarolim wie bei den Beschuldigten nur Bedürftigen gewähren. Massiv nicht einverstanden wäre Jarolim damit, die Staatsanwälte unabhängig zu stellen. – Zitatende.


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117. Sitzung / Seite 78

Wo ist er heute?!

Im Jarolim-Zitat heißt es weiter:

Die Staatsanwaltschaft ist eine Behörde; der Justizminister hat das Weisungsrecht. Per Gesetz ist sichergestellt, dass die Willensbildung transparent erfolgt. Wenn ein Staatsanwalt Bedenken gegen eine Ministerweisung hat, muss er sie nicht befolgen. – Zitatende.

Das war Ihr Standpunkt 1998, und bedenken Sie, welchen Standpunkt Sie jetzt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich komme schon zum Schluss. Wieder wurden die Richter von Ihnen angegriffen. Gott sei Dank hat sich die Präsidentin der Richtervereinigung gegen die SPÖ-Angriffe gewehrt und hat erklärt, dass sie solche Unterstellungen absolut nicht schätzt und zurückweist.

Heute hat Herr Abgeordneter Öllinger gesagt, wir sollten weniger mit Unterstellungen arbeiten. Dann sagen Sie das aber auch Ihrem Abgeordneten Pilz, dass er die Richter nicht ständig mit Unterstellungen angreift! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte.

14.11

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Nur ein paar Gedanken aus der Sicht eines Vertreters der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Ich möchte nicht alles in Grund und Boden kritisieren, sondern möchte versuchen, in den paar Minuten, die ich zur Verfügung habe, einige Sorgen, Wünsche, aber auch Kritikpunkte darzulegen.

Die Abschaffung des Investitionsfreibetrages, des IFB, war aus unserer Sicht ein schwerer Fehler, den Ihnen die Kleinbetriebe sehr krumm genommen haben, wie ich aus vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen erfahren habe. Was Sie mit dem Entgeltfortzahlungsgesetz den Klein- und Kleinstbetrieben angetan haben, das dürfte so manchem von Ihnen nicht ganz klar gewesen sein. Ein Großbetrieb kann personelle Umschichtungen sehr leicht vornehmen, einem Kleinbetrieb fällt diese unsoziale Lösung aber voll auf den Kopf.

Österreich hat mit 47 Prozent die höchste Steuerquote der Zweiten Republik. – Glauben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, allen Ernstes, dass das für die Wirtschaft förderlich ist?

Es ist zu einer starken Reduktion der Investitionen in die Infrastruktur gekommen, und das in Zeiten einer krisengeschüttelten Bauwirtschaft, wodurch gerade auch im Bahnausbau ein unaufholbarer Rückstand eingetreten ist, den wir durch das stark ansteigende Ost-West-Transitaufkommen noch gewaltig spüren werden. Nicht zuletzt sind auch die mangelnden Investitionen in den Gemeinden, die finanziell ausgeplündert sind, die aber als wichtigster Investor gelten, ins Kalkül zu ziehen. Das alles geschah wegen des Nulldefizits, welches wir nie erreicht haben, wodurch aber der Schuldenstand enorm erhöht wurde.

Eine positive Sache, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das Lehrlingspaket. Es ist mir eine Genugtuung, dass das Lehrlingspaket heute beschlossen wird, weil es eine ganz wichtige Entlastung der KMUs bringt, wie aus Untersuchungen des Bundesministeriums für Finanzen und des Rechnungshofes hervorgeht, wissen wir doch, dass die meisten Lehrlinge in den kleinen und mittelständischen Unternehmen ausgebildet werden. Ich stehe zu diesen Maßnahmen, doch meine Frage an die derzeitige Regierung lautet: Warum erst jetzt? Warum fünf Minuten nach zwölf? Wäre diese Maßnahme schon vor einem Jahr getroffen worden, würde es mit der Lehrlingsbeschäftigung ganz anders aussehen.


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Ich werde mich in Zukunft wieder verstärkt für die kleinen und mittelständischen Unternehmen einsetzen können, weil ich dorthin zurückkehre, wo ich meine politische Tätigkeit begonnen habe: zum Wirtschaftsverband Niederösterreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach zwölf Jahren Zugehörigkeit zum Hohen Haus, aus dem ich nun ausscheiden werde, gestatten Sie mir einige persönliche Worte des Dankes. Allen voran möchte ich dem Herrn Präsidenten danken, auch dem Zweiten und Dritten Präsidenten, vor allem aber ganz besonders meinem Klub, aber auch allen Damen und Herren Abgeordneten dieses Hohen Hauses.

Als Kleinunternehmer mit fünf bis acht Beschäftigten habe ich zu meinen Mitarbeitern immer ein sehr familiäres Verhältnis gehabt, weil ich weiß, dass nur eine gute Mannschaft ein gutes Ergebnis bringen kann. Aus dieser Geisteshaltung heraus habe ich in den vergangenen zwölf Jahren viele Damen und Herren aus dem Kreis der Mitarbeiter dieses Hohen Hauses sehr schätzen gelernt, und es ist mir ein echtes Bedürfnis, ihnen ein herzliches Dankeschön zu sagen. (Beifall bei der SPÖ, den Freiheitlichen, der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen und Beifall auf der Regierungsbank.)

Ein Dankeschön allen, von der Parlamentsdirektion bis zum Reinigungspersonal, natürlich auch dem ORF, den Damen und Herren hinter den Kameras hier oder in den Aufnahmekabinen. Wann immer wir mit einer Bitte an die Damen und Herren dieses Hauses herangetreten sind, es hat nie ein Nein gegeben.

So gesehen waren es für mich nicht nur zwölf Jahre einer ehrenvollen und faszinierenden Aufgabe, sondern es waren auch zwölf Jahre vieler angenehmer zwischenmenschlicher Beziehungen, an die ich mich nicht nur gerne erinnern werde, sondern die auch mein eigenes Leben sehr bereichert haben.

Ich danke Ihnen allen hier im Saal und allen Damen und Herren des Hohen Hauses aus ganzem Herzen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall sowie Beifall von Bundeskanzler Dr. Schüssel und von Bundesminister Dr. Bartenstein.  – Abgeordnete aus allen Fraktionen begeben sich zu Abg. Kiermaier und verabschieden sich von ihm.)

14.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Ist das eine Abschiedsrede? – Abg. Dr. Jarolim  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja! – Abg. Dr. Khol: Das ist eine Freude!)

14.16

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Damen und Herren Minister! Herr Bundeskanzler! Nur ganz kurz: Auf Grund der Stellungnahme des Herrn Bundesministers für Justiz ist es nahezu unmöglich, darauf nicht zu erwidern, weil doch eine Menge von tatsachenwidrigen Behauptungen aufgestellt worden sind.

Wenn schon des öfteren darauf hingewiesen wurde, dass der Bundeskanzler dieses Land Österreich und seine Bürger anschweigt, so muss man auch klar und deutlich sagen, dass der Bundesminister für Justiz eigentlich wie kein anderer in der Zweiten Republik einen Trümmerhaufen in der Justizpolitik hinterlässt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann daher die Erklärungen, die ich heute hier von Minister Böhmdorfer gehört habe und die schlicht und einfach unrichtig sind, nicht nachvollziehen; für mich sind sie eigentlich nur mehr durch die Anwendung der Neurolinguistischen Programmierung erklärbar. Nachdem ich vor einer Stunde erfahren habe, dass es einen neuen Akt gibt, den er heute Vormittag gesetzt hat, möchte ich diese Angelegenheit hier nicht unerwähnt lassen, weil sich dieses sein Vorgehen klar gegen das richtet, was ich seitens der ÖVP in der letzten Zeit gehört habe, auch gegen das, was Kollegin Fekter mitgeteilt hat. Ich glaube, es ist für uns alle interessant, zu sehen, wie "glaubwürdig" hier vorgegangen wird und was wir von dem zu halten haben, was wir vor kurzem gehört haben.


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Wenn sich Minister Böhmdorfer allen Ernstes hier herstellt und die Richter verteidigt, sich vor sie stellt und in Richtung des Kollegen Öllinger dann mehr oder weniger den Vorwurf erhebt, er würde die Richterschaft insgesamt angreifen, unsachlich und unrichtig, so sei darauf hingewiesen, dass es die Richter waren – und das hat es in der Zweiten Republik noch nie gegeben –, die 1 200 Unterschriften gegen diesen Justizminister gesammelt haben, um eben zu verhindern, dass er ständig, tagtäglich auf sie Einfluss nimmt, so wie er das bei dem Untersuchungsrichter Erdei gemacht hat, der letztlich auf Grund des Mobbings seine Position in der Spitzelaffäre aufgegeben hat und zum Jugendgerichtshof versetzt worden ist.

Ich glaube daher, dass im Lichte dieser Umstände die Erklärungen Böhmdorfers ungeheuerlich sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Opferschutz, der heute hier angesprochen worden ist. Wir haben Böhmdorfer dreimal aufgefordert, endlich für mehr Opferschutz zu sorgen, haben auch ein eigenes Gesetz vorgelegt und müssen feststellen, dass der europäische Rahmenbeschluss zur Umsetzung von Opferrechten, das Minimum, das es geben soll, bis dato nicht umgesetzt worden ist.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Mit welcher Rechtfertigung stellt sich ein Justizminister hier her und erklärt, er hätte etwas für Opferrechte gemacht, wenn nicht einmal ein diesbezüglicher Rahmenbeschluss umgesetzt worden ist? – Auch das ist bezeichnend!

Wenn er erklärt, er hätte für die Konsumenten in diesem Land etwas getan, und immer versucht, sich im Zusammenhang mit den Verfahren gegen Banken fremde Federn auf seinen Hut zu stecken, so darf ich Ihnen sagen – Kollege Maier hat es schon mehrmals gesagt –: Es hat von der Arbeiterkammer ein entsprechendes Verfahren gegeben, wo das erste Urteil bereits Ende 1998/Anfang 1999 ergangen ist. Das ist eindeutig nicht Böhmdorfer zuzurechnen. Das Einzige, was er wirklich gemacht hat und was aufgefallen ist: dass er versucht hat, den VKI, den Verein für Konsumenteninformation, zu zerschlagen, was auch einzigartig ist – ein klarer Schritt gegen den Konsumentenschutz. Also mit Konsumentenschutz hat Böhmdorfer sicherlich nichts gemein.

Zum Schluss kommend möchte ich auch einige Bemerkungen zum Jugendgerichtshof machen, weil das der zentrale Punkt der letzten Stellungnahmen war. Bundesminister Böhmdorfer hat entgegen dem Ersuchen der Kollegin Fekter, er möge von der Zerschlagung des Jugendgerichtshofes Abstand nehmen, denn sie werde da nicht mitspielen – die ÖVP wird da offenbar von einer Stimme der Vernunft geleitet –, daran festgehalten, er hat sich über dieses ihr Ersuchen hinweggesetzt. Er hat sich auch hinweggesetzt über die Meinung von einer Vielzahl von Experten – es waren ungefähr 95 Prozent der Stellungnahmen –, die gegen die Zerschlagung des international höchste Reputation besitzenden Jugendgerichtshofes aufgetreten sind, und hat heute Vormittag einen Erlass unterschrieben, mit dem formell der Jugendgerichtshof ausgesiedelt und abgesiedelt werden soll.

Meine Damen und Herren von der ÖVP, Sie haben gesagt, es könne nicht sein, dass Böhmdorfer einen der an Reputation reichsten Gerichtshöfe zerschlägt. Minister Böhmdorfer hat als Antwort darauf heute einen Erlass unterschrieben, der genau das durchsetzt, worum Sie eigentlich gebeten haben, dass nicht geschehen soll. Ich "gratuliere" Ihnen zu einem derartigen Koalitionspartner!

Diesem Umtreiben wird die Wahl sicherlich ein Ende machen. Ich darf annehmen, dass das dem Land sehr gut tun wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Das war nicht aufregend!)

14.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

14.21

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Keine Frage, es ist Zeit für eine Bilanz! Herr Bundeskanzler, ich habe mir deshalb


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117. Sitzung / Seite 81

in den letzten Minuten noch einmal Ihr Programm "Regieren neu" durchgeschaut und einige Ihrer Vorhaben herausgeholt und werde jetzt die Bilanz aus Ihrer Arbeit ziehen, für die Sie sich am Anfang Ihrer Regierungszeit die Latte legten. Ich glaube, dass das eine faire Umgangsweise ist. Ich messe Sie mit dem, womit Sie angetreten sind.

Punkt eins: Ich glaube, es gibt ein einziges historisches Verdienst, das bleiben und sich mit dem Namen Schüssel verbinden wird, das ist das Verdienst, dass es Herr Bundeskanzler Schüssel schaffte, ein gewisses "kleines" Parteimitglied endgültig in das politische Out zu bringen. Das ist auch sein einziges Verdienst!

Für mich interessant ist, dass Sie, Herr Bundeskanzler, in der Bilanz, die Sie gelegt haben, dieses große Verdienst nicht erwähnten, dass Sie beständig über diese Bereiche schwiegen, dass Sie sich sozusagen in der Zone der Auseinandersetzung mit ihrem eigentlichen Kontrahenten während der Regierungszeit in Schweigen hüllten.

Es ist Ihnen aber immerhin gelungen, das "kleine" Parteimitglied auszumanövrieren, aber das heften Sie interessanterweise nicht an Ihre Fahnen. Das ist einmal als Punkt eins festzustellen.

Punkt zwei: Die Regierung trat unter dem Aspekt "neu regieren" an. Da gibt es eine schöne große Präambel, und da steht unter dem Titel "starke Demokratie" Folgendes – ich zitiere –:

"Wir bejahen und verteidigen unseren demokratischen Rechtsstaat."

Doch was gab es? – Ihr Schweigen, Herr Bundeskanzler, im Fall der Verfassungsrichter beim Ortstafelkonflikt. Wofür ergriffen Sie Partei?

Zweiter Punkt zu der Ansage "Regieren neu": Wie steht es mit der Verlängerung von Lauschangriff und Rasterfahndung? Wo bleiben da die demokratischen Rechtsstaatsprinzipien? In das Gegenteil haben Sie in Ihrer konkreten Regierungspolitik Ihre Ankündigungen verkehrt.

Dritter Punkt – man blättere weiter in der Präambel –: Sie haben Folgendes festgeschrieben – Zitat –: "Fairness und soziale Gerechtigkeit ermöglichen. Wir stehen für ein leistungsfähiges und gerechtes Sozialsystem, das Benachteiligte und Bedürftige schützt und fördert."

Doch was machten Sie? Was führten Sie ein? – Ambulanzgebühren, die Sie jetzt wieder entschärfen. Sie führten eine Unfallrentenbesteuerung ein, die Sie nicht entschärfen. Sie werden wortbrüchig. "Regieren neu" ist eine Sache, die bald zum Altpapier gehört. (Beifall bei den Grünen.)

Vierter Punkt – das steht auf Seite 25 –: "Die Reform der Sozialversicherungen in Österreich. Wahl von Vertretern der Versicherten zur Stärkung der Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen." – So hieß es in "Regieren neu".

Doch was haben wir diesbezüglich erlebt? – Den Fall Gaugg.

Es hieß "Stärkung der Selbstverwaltung", hinein sollten Versicherte, aber was machten Sie? – "Entsorgung" eines Herrn Gaugg. Ich meine, eklatanter kann der Widerspruch nicht sein zwischen dem, was Sie versprachen, was Sie als "Regieren neu" deklarierten, und dem, was Sie praktizierten. Das ist eindeutig! (Abg. Böhacker: Ist der kein Versicherter?)

Gehen wir zum Fall fünf: "Frauen und Arbeitsmarkt". Sie deklarierten – ich zitiere –: "Wir bekennen uns zum Grundsatz des gleichen Lohns für gleichwertige Arbeit. Entsprechende effiziente Maßnahmen sind gemeinsam mit den Sozialpartnern zu entwickeln und zu setzen."

Doch was geschah? – Es gab eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums, in welcher Herr Professor Emmerich Talos feststellte, dass sich die Situation für die Frauen massiv verschlechterte, weil die Teilzeitbeschäftigung deutlich zunahm. Unter dem Strich würden die Frauen in Zukunft geringere Pensionsleistungen haben, und zwar durchschnittlich – ich zitiere – "457 €".


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117. Sitzung / Seite 82

Den eigentlichen Skandal sehe ich darin, dass diese Studie schubladisiert werden sollte. Das steht ganz entgegen den Ankündigungen, die in "Regieren neu" zu lesen sind.

Nächster Punkt – ich streife hier nur einige Lebensbereiche der Bevölkerung –: der Konsumentenschutz. Herr Minister Böhmdorfer hat das schon als sein Hauptterrain skizziert. Ich halte ihm und ich halte dem Bundeskanzler entgegen, was Sie in Ihrem Papier deklarierten. Ich zitiere:

"Lebensmittelsicherheit/Lebensmittelrecht. Im EU-Gleichklang sind hohe Qualitätsstandards, eine transparente Kennzeichnung hinsichtlich Ursprung und Qualität, strenge Kontrollen der Produkte" und so weiter "sicherzustellen."

Doch was machten Sie? – Sie gründeten eine Agentur für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit. Wem unterstellten Sie diese? Zu halbem Posten dem Landwirtschaftsministerium, dem Produzenten. Von Garantie der Lebensmittelsicherheit ist also jetzt keine Rede mehr.

Vor allem ist auch die Frage der hohen Qualitätsstandards und der Kontrolle über das Lebensmittelgesetz ungelöst. Es gab eine Strafrechts-Enquete über das Lebensmittelrecht, bei welcher die Defizite in der Umsetzung deutlich angeführt worden sind. Aber Sie unternahmen nichts dagegen. Diese Enquete ist mindestens eineinhalb Jahre vorbei und blieb folgenlos. Folgenlos blieb auch die Deklaration, die in diesem Papier "Regieren neu" niedergelegt ist.

Zum nächsten Punkt: Unter dem Titel "Innere Sicherheit und Integration" steht groß gedruckt – ich zitiere –:

"Schwerpunkt der inneren Sicherheit in dieser Gesetzgebungsperiode ist der Kampf gegen die organisierte Kriminalität ..."

Ich habe davon konkret wenig gemerkt, ich habe nur gelesen, dass Sie in der organisierten Umfärbung des Innenministeriums sehr gut waren. Das sind die Realitäten! In "Regieren neu" hieß es anders. In Wirklichkeit geht es um Posten, um schwarzes Umfärben eines Ressorts.

Nun zum nächsten Bereich: Unter dem Titel "Bildung und Sport, Wissenschaft und Forschung" heißt es – ich zitiere –: "... die Weiterentwicklung des Bildungsangebots mit zukunftsweisenden Inhalten."

Doch was war die Realität? – Sie kürzen bei den Lehrern, sodass in den Integrationsklassen Lehrpersonal fehlt, sodass dort die Weiterentwicklung zum Stillstand gekommen ist, ja es ist geradezu zum Rückschritt gekommen.

Herr Bundeskanzler! Das ist die Bilanz, wenn man Ihre eigene Latte anlegt!

Ich gehe noch kurz auf die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich ein. In Ihrem Papier steht, dass Sie die "Lohnnebenkosten absenken" werden.

Doch was geschah? – Es gab keine Senkung der Lohnnebenkosten. Wir hätten ein Modell, wir hätten das Modell der Ökosteuer. Laut diesem wäre das sozusagen ausgabenneutral möglich. (Ruf bei der ÖVP: Nein, danke!) Nein, Sie haben das nicht aufgegriffen, Sie haben es in die ferne Zukunft verschoben. Ihre Schwierigkeiten in der eigenen Partei mit Ihrem Wirtschaftsflügel sind offenkundig. Dieses Versprechen haben Sie nicht eingelöst, und das wird Ihnen sicherlich noch von verschiedenen Seiten vorgeworfen werden.

Noch ein Aspekt: Unter dem Titel "Infrastruktur und Verkehr" steht auf Seite 84 – ich zitiere –: "Rascher und ökologischer Transport von Gütern durch Österreich."

Doch was haben wir in Österreich? – Eine Verfünffachung in der Prognose des Güterverkehrs. Sie haben es nicht geschafft, rechtzeitig das Road-Pricing einzuführen. Sie haben es nicht geschafft, eine leistungsabhängige Kilometerabgabe einzuführen. Sie haben es nicht geschafft, ein Schieneninfrastrukturprogramm zu finanzieren. Es gibt einen Generalverkehrsplan, aller


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dings ist die Finanzierung in keiner Weise gesichert. Nur für die Straßenprojekte gibt es eine Finanzierung. (Abg. Böhacker: Woher nehmen Sie die Milliarden dafür? Sagen Sie es! Sie kritisieren es, haben aber noch keinen einzigen Vorschlag gemacht! Außer der Freigabe von weichen Drogen!)

Ich messe nur mit der Ankündigung in "Regieren neu". In "Regieren neu" ist das versprochen worden, und ich schaue mir an, was Sie als "Regierung neu" leisteten.

Nun zum Kapitel "leistungsfähiger Staat". (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Speziell für Sie, Herr Kollege Böhacker! Unter dem Titel "leistungsfähiger Staat" steht, "die Kosten der Verwaltung zu reduzieren und die öffentlichen Haushalte zu entlasten", das sei Ihre Absicht.

Doch was führten Sie ein? – Die "Aktion 55", mit der Sie reihenweise hochkarätige Sektionschefs zwangsweise in die Frühpension schickten – eine teure und ineffiziente Angelegenheit, eine Angelegenheit, die Ihren Postenschacher förderte.

Das ist das Resultat von dem, was Sie angekündigt haben! Das ist ein weiterer Widerspruch, den ich deutlich hervorheben möchte!

Zum vorletzten Bereich: Umwelt. Auf Seite 95 Ihres Papiers steht – ich zitiere –: "Führungsrolle Österreichs in der EU-Umweltpolitik gemeinsam mit anderen EU-Ländern." – Fettgedruckt, Herr Bundeskanzler: "Führungsrolle ".

Schauen wir uns einmal die Bilanz an! Die Bilanz heißt: Österreich ist bei der Reduktion des klimaschädlichen Gases CO2 Schlusslicht in Europa. Herr Bundeskanzler! So schaut es aus, nicht wie angekündigt in "Regieren neu".

Ich möchte sozusagen der Zeit zuliebe da doch einen Schlussstrich machen, weil mir gerade der Umweltbereich am Herzen liegt und diese Bundesregierung meines Erachtens in diesem Bereich wirklich zweieinhalb versäumte Jahre hinter sich brachte und dieses "Regieren neu" umweltpolitisch für uns einen massiven Rückschlag brachte.

Herr Bundeskanzler! Am Anfang dieser Legislaturperiode stand der Wortbruch: Sie waren Dritter. Sie wollten in Opposition gehen, wurden aber Erster. Auch am Ende dieser Legislaturperiode steht meiner Meinung nach ein Wortbruch: Sie haben Stabilität garantiert und sozusagen ein ruhendes Zentrum. Doch was passiert? Neuwahlen gibt es. Es gibt Instabilität.

Herr Bundeskanzler! Wir begrüßen diese Neuwahlen, nur sollten Sie sie nicht unter dem Titel "Stabilität" führen. Sie werden nicht als Bundeskanzler der Stabilität in die Geschichte eingehen, sondern als Bundeskanzler der Instabilität. Sie haben im Jahre 1995 Neuwahlen vom Zaun gebrochen, und im Endeffekt sind auch diese Neuwahlen auf Ihre Turbulenzen in Ihrer Regierungsmannschaft zurückzuführen, vor allem bei den Mitgliedern jener Partei, die diese Regierungsmannschaft nicht stützte. Danke, Herr Bundeskanzler. "Neu Regieren" war das nicht! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.32

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Liebe Außenministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretärin! Ich möchte eine tatsächliche Berichtigung zu den Ausführungen von Kollegen Jarolim anbringen.

Herr Dr. Jarolim hat behauptet, ich hätte Herrn Bundesminister Böhmdorfer ersucht, den Jugendgerichtshof nicht zu zerschlagen, und er hat weiters behauptet, dass ich gegen die Übersiedlung aufgetreten wäre. – Das ist unrichtig!


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117. Sitzung / Seite 84

Richtig
ist vielmehr, dass wegen der Auflösung des Nationalrates keine Sitzung des Justizausschusses mehr zustande gekommen ist und deshalb das Jugendgerichtsgesetz nicht mehr beschlossen werden konnte. Gegen die Übersiedlung des gesamten Gerichtshofes als Institution in eine bessere Infrastruktur, größere Räumlichkeiten und zeitgemäßere Unterbringung habe weder ich mich noch sonst irgendjemand in der ÖVP ausgesprochen. Der Erlass war somit koalitionär akkordiert, Herr Kollege Jarolim. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

14.34

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich habe mich ad hoc zu Wort gemeldet, weil die Ausführungen meines Vorredners Jarolim einiger Korrekturen bedürfen. Zunächst werden Sie sich darüber wundern, dass ich ihn per Sie anrede. Ich war immer mit ihm per Du, aber eines Tages hat er mir einen Brief geschrieben, und zwar vor gar nicht allzu langer Zeit, in welchem Folgendes stand:

Sehr geehrter Herr Kollege! Ein Medienberater hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es mir politisch schadet, wenn Sie Du zu mir sagen. Ich bitte Sie daher, wieder per Sie mit mir zu sein. – Zitatende. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das ist ja unglaublich! – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist letztklassig!)

Ich mache ihm den Gefallen. Wenn es ihm ein Medienberater geraten hat, na dann wird es wohl einen Grund haben! Ich sage hiermit zu Ihnen, Herr Kollege Jarolim, wieder Sie.

Zweitens: Wenn Sie, Herr Kollege Jarolim, die Behauptung aufstellen, dass Justizminister Böhmdorfer einen "Scherbenhaufen" zurückgelassen habe, so muss ich sagen: Das ist völlig unrichtig! Begeben Sie sich doch einmal zu den Richtern, zu den Staatsanwälten und zu den Anwälten! Sie haben sich mittlerweile mit Minister Böhmdorfer zusammendiskutiert, der ursprünglich tatsächlich ein schwieriges Feld vorgefunden hatte, und sie bedauern unisono, dass er jetzt ausscheidet. Da ich nicht annehme, dass Sie die Unwahrheit sagen, kann ich nur davon ausgehen, dass Ihnen der tägliche Kontakt mit den von mir erwähnten Berufsgruppen fehlt.

Weil ich noch eine Minute habe und Herrn Alfred Gusenbauer hier sitzen sehe und auch den Parlamentsbeamten Koller, möchte ich etwas sagen, was vielleicht in diese "Endzeitstimmung" heute hineinpasst: Vor einigen Jahren hat es eine Reisegruppe in Namibia gegeben, der unter anderen ein gewisser Alfred Gusenbauer, ein gewisser Mag. Koller und ein gewisser Harald Ofner angehört haben. Kollege Gusenbauer hat es eilig gehabt, denn er hat eine Verabredung mit afrikanischen Gewerkschaftern in Windhoek gehabt. Doch siehe da, auf der Sandstraße, auf der wir unterwegs waren, hatte er einen Patschen an seinem Auto. Guter Rat war nicht teuer, aber schwierig, denn die Distanz war noch relativ groß. Im Auto dahinter waren Herr Mag. Koller und ich, wir haben es weniger eilig gehabt, und wir haben einen PKW-Tausch vorgenommen, und du, Alfred Gusenbauer, bist rechtzeitig zu den Gewerkschaftern gekommen, und Mag. Koller und ich sind unter dem Auto gelegen und haben das Rad gewechselt. Das haben wir auch gekonnt, denn wir waren "Afrikaner" und haben das zusammengebracht. So ist es in der Politik auch: Es ist nicht alles tierisch ernst. Es ist kein Spiel. Man muss es ernst nehmen, aber nicht alles ist tierischer Ernst. – Alles Gute! (Lebhafter allgemeiner Beifall.)

14.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

14.37

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Mit dem heutigen Tag, meine Damen und Herren, geht der massive schwarz-blaue Angriff auf das österreichische Gesundheitssystem zu Ende. (Abg. Mag. Schweitzer: Unglaublich! Das gibt es nicht! Sag etwas zu Jarolim!) Wir sind froh, dass der Nationalrat heute einstimmig das Ende der Wende beschließen wird. Als letzter Redner meiner Fraktion in dieser Debatte sage ich in Anlehnung an ein Zitat von Finanzminister Grasser: Ein schöner Tag


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117. Sitzung / Seite 85

beginnt mit dem Ende der Wende, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Was sind nun Ihre Leistungen in der Gesundheitspolitik? – Ihre größte Leistung in der Gesundheitspolitik bestand darin, dass Sie versucht haben, die Funktionäre in den verantwortlichen Sozialversicherungsorganisationen auszutauschen. Es ging Ihnen ausschließlich um Postenschacher. Monatelang haben Sie den Sozialversicherungspräsidenten Hans Sallmutter verfolgt und schlussendlich mit einem schwarz-blauen Gesetz beseitigt – wenn man das so sagen darf. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Ihre zweitgrößte Leistung bestand darin, dass Sie kranke Menschen, sehr geehrter Herr Dr. Pumberger, belastet und bestraft haben.

Ich möchte heute aus Zeitgründen nicht über die Erhöhung des Selbstbehaltes in den Krankenanstalten, nicht über die Erhöhung der Rezeptgebühr und dergleichen mehr reden, sondern über die unsoziale "Krankenstrafsteuer", nämlich die Ambulanzgebühr.

Gerade die Ambulanzgebühr ist typisch für die schwarz-blaue Krankenbestrafungspolitik. Die Ambulanzgebühr ist nämlich sozial- und gesundheitspolitisch eine falsche Maßnahme, und das wissen Sie auch. Diese Ambulanzgebühr ist ein bürokratisches Monster und eine nicht zu rechtfertigende Schikane gegenüber kranken Menschen. Sie doktern nun seit Monaten an dieser Ambulanzgebühr herum, weil es berechtigte Einwände des Verfassungsgerichtshofes gibt und weil diese Gebühr auch in der Praxis nicht funktioniert.

Geschätzte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Wir treten am 24. November vor die Menschen, um diese Ambulanzgebühr abzuschaffen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber auch Ihre Diskussion über weitere Selbstbehalte im Gesundheitswesen ist ein furchtbares Signal an die kranken Menschen. Selbstbehalte in der Gesundheitspolitik, meine Damen und Herren, sind ein völlig unsoziales und untaugliches Mittel. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Weltgesundheitsorganisation hat sich in dieser Woche mit den Auswirkungen von Privatisierungen im Gesundheitswesen, mit den Auswirkungen von Selbstbehalten und von Kostenbeteiligung beschäftigt. Das Ergebnis ist in einem vernichtenden Urteil zusammenzufassen: Die Maßnahmen haben negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Menschen, auf die Gleichheit und die Gerechtigkeit. Diese Maßnahmen haben keine Lenkungswirkungen im Hinblick auf mehr Effizienz im Gesundheitswesen. Zusammengefasst lässt sich sagen: Ihre neoliberalen Thesen sind widerlegt und gescheitert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss kommend möchte ich an den Beginn meiner Rede zurückkommen und die Auswirkungen Ihrer Gesundheitspolitik zusammenfassend bewerten: Schwarz-Blau steht in der Gesundheitspolitik für Kranke bestrafen.

Am 24. November haben die Österreicherinnen und Österreicher die Chance, diesen Kurs abzuwählen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1287 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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117. Sitzung / Seite 86

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

2. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (1219 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtsstellung von Einrichtungen der OSZE in Österreich geändert wird (1290 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen jetzt zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Ich habe keine Meldung auf der Rednerliste vorliegen. Formal ist damit die Debatte geschlossen.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1219 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist neuerlich einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

3. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 754/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Behinderteneinstellungsgesetz sowie das Versicherungssteuergesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ-G) sowie ein Bundesgesetz, mit dem durch die Republik Österreich Garantien gegenüber dem Internationalen Olympischen Comitee (IOC) für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2010 übernommen werden, errichtet werden (1289 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

14.45

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Verehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Es ist natürlich schon ein bisschen seltsam, dass man in die Lage kommt, eine für unsere Bevölkerung doch wichtige Materie eigentlich nach dem Auflösungsbeschluss hier zu debattieren. Ich meine, dass diese Situation schon auch zeigt, dass diese Bundesregierung in der gegenständlichen Vorlage Maßnahmen behandeln will, die zu setzen sie bisher verabsäumt hat. Aber in diesem Paket sind auch Forderungen enthalten, die die SPÖ mehrmals in dieser


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Legislaturperiode erhoben hat und die nun wenigstens ansatzweise hier umgesetzt werden sollen.

Die zwei Punkte, auf die ich besonders eingehen möchte, sind das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und die Heimfahrtbeihilfe für Lehrlinge. Die Änderung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes zeigt deutlich, dass die hartherzige Lösung, mit welcher Sie, Herr Bundesminister Bartenstein, und Ihre Bundesregierung eine hartherzige Haltung gegenüber arbeitslosen Jugendlichen an den Tag gelegt haben, nun wohl aus wahltaktischen Gründen einer halbherzigen Lösung, einer Notlösung zugeführt wird.

Herr Bundesminister! Ich erinnere Sie daran – Sie hätten ja schon mehrmals die Gelegenheit zum Handeln gehabt, denn wir haben ja mehrere Anträge zu diesem Thema hier eingebracht –, dass Sie uns jedes Mal erklärt haben, dass die vorhandenen Möglichkeiten ausreichen würden. Sie haben das letzte Mal, auch in einer Horuck-Aktion, statt 500 Millionen – damals noch Schilling – 100 Millionen beschlossen. Wir alle und sicherlich auch Ihre Experten haben Ihnen damals schon gesagt, dass das nicht reichen wird.

Herr Bundesminister! Die Menschen werden es Ihnen nicht glauben und es Ihnen nicht abnehmen, aber dennoch denke ich mir: Wenn Sie schon jetzt bereit sind – wenn auch aus wahltaktischen Gründen –, diese Materie hier in diesem Haus einer Behandlung zuzuführen, wenn sich die ÖVP und die FPÖ sozusagen endlich dieses Themas, das wir schon vor langer Zeit urgiert haben, annehmen, dann würde ich Sie doch ersuchen, auch entsprechende qualitative Schritte zu setzen.

Wir haben in den Verhandlungen, die gestern im Finanzausschuss gelaufen sind, lange darüber debattiert, dass Jugendliche, die in Lehrgängen sind, wenn sie die Zeit erfüllt haben, auch ein Anrecht auf eine Lehrabschlussprüfung haben sollen. Das ist nach der derzeitigen Regelung nicht möglich – Sie wissen das, Herr Dr. Feurstein –, weil sozusagen die Anrechnung erst mit der Protokollierung des Lehrvertrages möglich ist, und damit sind diese Jugendlichen wieder ausgeschlossen.

Ich habe heute noch einmal versucht, mit Herrn Dr. Stummvoll über dieses Problem zu reden, aber Herr Dr. Khol hat gemeint: Es wird nicht mehr verhandelt! Es geht da nicht darum, mir oder der SPÖ etwas zuliebe zu tun, sondern es geht um die Jugendlichen, die durch diese Ausbildung eine entsprechende Qualifikation und letzten Endes auch Qualität haben sollen.

Ich bringe in diesem Sinn einen Abänderungsantrag zum Bericht des Finanzausschusses 1289 der Beilagen ein, den ich nun in den Kernpunkten erläutern werde. Auf Grund des Umfangs des Antrages ersuche ich darum, dass dieser Antrag schriftlich verteilt wird.

Wie gesagt, ein Forderungspunkt betrifft das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und eben die Ausbildung und die Anrechnungszeiten dieser Ausbildung. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Sicherstellung der Finanzierung, die nach Ihrem Modell nicht sichergestellt ist. Der dritte Punkt bestimmt sozusagen, wie die Mittel bereitzustellen sind.

Was uns ein ganz wichtiges Anliegen ist und wo wir gehofft haben – oder vielleicht dürfen wir noch immer hoffen –, dass es heute in zweiter Lesung noch zu einer Änderung durch die Regierungsfraktionen kommt, ist, dass Stiftungen nicht mehr aufscheinen. Sie wissen, dass gerade Stiftungen den Lehrverhältnissen der dualen Ausbildung am ähnlichsten sind und Stiftungen daher den Lehrlingen oder den jungen Menschen auch tatsächlich eine praxisnahe Ausbildung ermöglichen, die ja angeblich gerade die ÖVP und die Wirtschaft immer einfordern, und es ist mir unerklärlich, warum Sie so gegen Stiftungen sind und die Stiftungen sozusagen ausschließen wollen.

Der zweite Kernpunkt unseres Abänderungsantrages betrifft die Abfertigung, und zwar die Übertrittsregelungen der Abfertigung. Wir haben einen entsprechenden Antrag hier im Hohen Haus schon einmal eingebracht. Dieser Antrag ist sozusagen inhaltlich identisch und soll eine Sicherstellung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bieten.


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Meine Damen und Herren! Auch was die Heimfahrtbeihilfe für Schülerinnen und Schüler betrifft, haben Sie Anfang dieses Jahres noch geantwortet: Da kann man nichts machen, da besteht keine Möglichkeit, das Budget ist zu eng! Nun haben Sie sich doch entschlossen, auch hier endlich etwas zu tun. Das begrüßen wir, möchte ich dazusagen.

Aber dennoch möchte ich Ihnen eines sagen: Sie können noch einmal unter Beweis stellen, indem Sie unserem Abänderungsantrag Ihre Zustimmung geben, dass es Ihnen ernsthaft um die Lage der jungen Menschen in Österreich geht, dass Sie wirklich um Ausbildung, um die Qualität der Ausbildung bemüht sind. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie das nicht tun, dann muss ich Ihnen sagen: Die Wähler und Wählerinnen lassen sich nicht durch Wahlzuckerl täuschen, die noch dazu ganz schlecht verpackt sind. Die Wähler und Wählerinnen beurteilen Sie danach, wie Sie in dieser Zeit regiert haben, und sie werden Ihnen die Antwort am 24. November geben, indem sie Sie tatsächlich abwählen werden! – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der von Frau Abgeordneter Silhavy soeben in den Kernpunkten erläuterte Antrag schriftlich überreicht wurde, dass er ausreichend unterstützt ist und in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie steht. Er wird entsprechend der Geschäftsordnung vervielfältigt und verteilt und steht somit mit zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses 1289 der Beilagen zum Antrag 754/A der Abgeordneten Böhacker, Dkfm. Dr. Stummvoll und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Behinderteneinstellungsgesetz sowie das Versicherungssteuergesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ-G) sowie ein Bundesgesetz, mit dem durch die Republik Österreich Garantien gegenüber dem Internationalen Olympischen Comitee (IOC) für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2010 übernommen werden, errichtet werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

I. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. Z 1 wird wie folgt geändert:

"1. Im § 1 Abs. 1 lautet der dritte Satz:

Für die Schulentlaßjahrgänge 2001 bis 2003 sind beginnend in den Ausbildungsjahren 2001/2002 bis 2003/2004 insbesondere in jenen Bundesländern, in denen auf dem Ausbildungsmarkt ein besonderes Ungleichgewicht herrscht, vom Arbeitsmarktservice unter Mitwirkung und angemessener finanzieller Beteiligung des jeweiligen Bundeslandes Projekte zur Akquisition von Lehrplätzen, Projekte zur Vorbereitung auf den Beginn einer Berufsausbildung, zur Ausbildung in Lehrgängen (§ 3) und in Stiftungen (§ 4) mit verstärkter Ausrichtung auf die neuen Technologien bereitzustellen und zu besetzen. Die jeweils zuständigen Landesdirektorien des AMS haben den Bedarf an Ausbildungsplätzen für das Bundesland festzustellen. Abs 2 und § 2 Abs 1 bis 5 sind auf diese Projekte nicht anzuwenden."


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2. Z 3 lautet:

"3. Im § 3 wird im Abs. 1 der Ausdruck "haben Mitte November des jeweiligen Kalenderjahres zu" durch den Ausdruck "können im Oktober des jeweiligen Kalenderjahres" ersetzt und wird im Abs. 6 folgender Satz ergänzt

"Sind Ausbildungszeiten in einem Lehrgang in einem Lehrberuf zurückgelegt worden, so hat die Lehrlingsstelle den Lehrgangsteilnehmer zur entsprechenden Lehrabschlußprüfung zuzulassen.

3. Z 3a §3 Abs 8 lautet:

"(8) Bei Bedarf ist für Jugendliche, die bereits an einem Lehrgang teilgenommen, jedoch trotz intensiver Vermittlungsversuche keinen Ausbildungsplatz angeboten bekommen haben, jeweils ein auf den zuletzt absolvierten Lehrgang aufbauender Lehrgang einzurichten. Der Bedarf wird vom zuständigen Landesdirektorium des Arbeitsmarktservice festgestellt. Nach Absolvierung des Grundlehrganges und der für die jeweilige Berufsausbildung erforderlichen Aufbaulehrgänge ist der Jugendliche zur Lehrabschlussprüfung zuzulassen. Die in Lehrgängen zurückgelegten Ausbildungszeiten sind Lehrzeiten des jeweiligen Lehrberufes im Sinne des BAG".

4. Nach Z 3a wird eine Z 3b eingefügt:

"3b. § 4 Abs 5 JASG lautet:

(5) Die bescheidmäßige Anerkennung gem § 30 Abs 1 BAG durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat bei Vorliegen eines einvernehmlichen Beschlusses des zuständigen Landesdirektoriums des Arbeitsmarktservice binnen 14 Tagen zu erfolgen."

5. Z 4 lautet:

"4. Dem § 6 werden folgende Abs. 7 bis 9 angefügt:

"(7) Der Aufwand für Förderung für Lehrgänge (§ 3) und Stiftungen (§4) kann nach Erschöpfung der nach den Abs 5 und 6 zur Verfügung stehenden Mittel in dem Ausmaß bestritten werden, in dem der BMfWirtschaft und Arbeit dem Bund übertragene Mittel nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz, BGBl Nr 399/1974, idF BGBl I Nr 142/2000 bereitstellt.

(8) Der Aufwand für Förderungen für Lehrgänge (§3) und Stiftungen (§ 4) ist nach Erschöpfung der nach Abs 7 zur Verfügung stehenden Mittel vom Bund in dem gem Abs (9) festgestellten Ausmaß bereitzustellen.

(9) Das erforderliche Ausmaß ist vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit nach Anhörung des Verwaltungsrates des Arbeitsmarktservice Österreich festzustellen."

II. Artikel 8 wird wie folgt geändert:

1. In § 3 Z 1 wird folgender Satz angefügt:

"Als Altabfertigungsanwartschaft im Sinne dieses Gesetzes werden auch Anwartschaften gewertet, die sich durch Aliquotierung des jeweiligen Anspruchs zwischen zwei Abfertigungssprüngen und zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und der Vollendung des dritten Arbeitsjahres (Erreichung von 2 Monatsentgelten Abfertigungsanwartschaft nach altem Recht) ergeben."

2. In § 14 Abs 2 Z 4 wird folgender Satz angefügt:

"In Fällen des Übertritts vom alten in das neue Recht werden Beschäftigungszeiten nach altem und nach neuem Recht zusammengerechnet."

3. In § 47 Abs 2 wird folgender Satz angefügt:


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"In der Vereinbarung nach Abs 1 kann festgelegt werden, dass bei der Berechnung des Ausmaßes der Abfertigung Beschäftigungszeiten zwischen zwei Abfertigungssprüngen und Beschäftigungszeiten vor Vollendung des dritten Beschäftigungsjahres aliquot berücksichtigt werden können."

4. In § 47 Abs 3 Z 1 wird folgender Satz angefügt:

"In der Vereinbarung nach Abs 1 kann festgelegt werden, dass bei der Ermittlung des Ausmaßes des Übertragungsbetrages Beschäftigungszeiten zwischen zwei Abfertigungssprüngen und Beschäftigungszeiten vor Vollendung des dritten Beschäftigungsjahres aliquot berücksichtigt werden."

5. § 47 Abs 3 Z 3 lautet:

"Die Überweisung des vereinbarten Überweisungsbetrages hat jährlich mit mindestens je einem Fünftel zu erfolgen, wobei die Zahlung jeweils zu Jahresbeginn zu leisten ist. Ab dem 2. Jahr hat die Teilzahlung zuzüglich der Rechnungszinsen von 6 vH pro Jahr zu erfolgen. Vorzeitige Überweisungen sind zulässig."

6. § 47 Abs 3 Z 4 lautet:

"4. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgenommen die in § 14 Abs 2 genannten Fälle hat der Arbeitgeber den aushaftenden Teil des vereinbarten Übertragungsbetrages vorzeitig an die MV-Kasse zu überweisen. Für die in § 14 Abs 2 Z 1 – 3 genannten Fälle kann vereinbart werden, dass der zum Zeitpunkt der Beendigung noch aushaftende Teil des Übertragungsbetrages vom Arbeitgeber nicht mehr entrichtet werden muß."

7. Nach § 47 Abs 3 Z 4 wird folgende Z 5 eingefügt:

"5. Wird in der Einzelvereinbarung nach Ziff 1 ein Übertragungsbetrag festgelegt, der niedriger liegt als die zum Stichtag der Übertragung erworbenen Monatsentgelte, so gilt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgenommen die in § 14 Abs 2 Z 1 – 3 genannten Fälle folgende Sonderregelung: Bei Beendigung im ersten Jahr nach der Übertragung sind 100 % des Differenzbetrages zwischen den zum Zeitpunkt des Übertritts erworbenen Monatsentgelten und dem vereinbarten Übertragungsbetrag vom Arbeitgeber an die MV-Kasse nachzuentrichten. Bei einer Beendigung im zweiten Jahr nach dem Übertragungsstichtag sind 80 %, im dritten Jahr 60 %, im vierten Jahr 40 % und im fünften Jahr 20 % des Differenzbetrages an die Kasse nachzuentrichten. Die Nachentrichtung hat zuzüglich der Rechnungszinsen von 6 vH pro Jahr zu erfolgen."

8. Die bisherige Z 8 entfällt.

Begründung:

Zu Artikel 1 Z 1 und 4 :

Stiftungen sollen eingeführt werden, um den Jugendlichen auch längerfristige Perspektiven zu bieten, wenn keine Lehrstellen vorhanden sind. In § 4 soll sichergestellt werden, dass das BMWA die Anträge auf Bewilligung der Stiftungen jedenfalls erteilen muß, wenn der Bedarf durch das Landesdirektorium festgestellt wird (bisher hatten die Landesprojektgruppen, diese Funktion; zur Vereinfachung der Administration sollen nunmehr die Gremien des AMS den Bedarf an Ausbildungsplätzen feststellen).

Zu Artikel 1 Z 2:

Ausbildungszeiten in Lehrgängen sind Lehrzeiten und es besteht ein Rechtsanspruch auf Ablegung der Lehrabschlußprüfung.

Zu Artikel 1 Z 3:


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Eine objektive Bedarfsfeststellung durch das Arbeitsmarktservice unter Einbindung der Sozialpartner ist aus Gründen der Rechtssicherheit für die Jugendlichen geboten.

Bei Absolvierung der Berufsausbildung im Rahmen der Lehrgänge gem § 3 JASG soll ein Rechtsanspruch auf Zulassung zur Lehrabschlußprüfung bestehen. Überdies sollen die in Lehrgängen zurückgelegten Ausbildungszeiten einer Lehrzeit im Sinne des BAG gleichgestellt sein.

Zu Artikel 1 Z 5:

Die Finanzierung von Maßnahmen gem § 3 und 4 JASG idgF muß über das Jahr 2002 hinaus eindeutig sichergestellt werden. Berufliche Erstausbildung für alle Jugendlichen stellt ein gesamtgesellschaftliches Interesse dar. Aus diesem Grund soll die Finanzierung nicht über die Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung erfolgen.

Die Feststellung der notwendigen Mittel soll in einem objektivierten Erhebungsverfahren unter Einbindung des Arbeitsmarktservice und der Sozialpartner erfolgen.

Zu Artikel 8:

Z 1:

Die Definition der Altabfertigungsanwartschaft ist vor allem für Fälle des Übertritts vom alten in das neue Recht von Bedeutung. Durch die Anfügung dieser Bestimmung wird klargestellt, dass in Übertrittsvereinbarungen nach § 47 auch aliquot erworbene Anwartschaften berücksichtigt werden können.

Z 2:

Klarstellung, dass bei Übertritt vom alten in das neue Recht sämtliche Beschäftigungszeiten in einem Arbeitsverhältnis berücksichtigt werden. Trifft zB ein Arbeitnehmer nach 15 Arbeitsjahren bei einem Arbeitgeber mit diesem eine Übertrittsvereinbarung und wird 1. Jahr später gekündigt, so soll selbstverständlich ein Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung bestehen, obwohl in diesem Fall erst 1 Einzahlungsjahr in die Kasse gegeben ist.

Z 3:

Durch diese Bestimmung wird sichergestellt, dass bei der Ermittlung des Ausmaßes der Altabfertigungsanwartschaft alle Beschäftigungszeiten in adäquater Weise berücksichtigt werden können.

Z 4:

Durch diese Bestimmung wird sichergestellt, dass bei der Festlegung des Übertragungsbetrages als Abgeltung für die Altabfertigungsanwartschaft alle Beschäftigungszeiten in adäquater Weise berücksichtigt werden können.

Z 5:

Es soll sichergestellt sein, dass die Teilzahlungen des Überweisungsbetrages jeweils zu Jahresbeginn zu erfolgen haben.

Z 6:

In Verbindung mit der Anfügung von Z 5 wird die Möglichkeit eröffnet, in der Übertragungsvereinbarung zu fixieren, dass bei einer Beendigung in den in § 14 Abs 2 Z 1 – 3 genannten Fällen für den Arbeitnehmer nur das bereits an die Kasse übertragene Kapital erhalten bleibt.

Z 7:


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Die Regelung dient dazu, Übervorteilungen von Arbeitnehmern bei der Übertragung von Altanwartschaften an die MV-Kasse zu unterbinden. Solche Übervorteilungen sind vor allem in jenen Fällen denkbar, in denen ein Arbeitgeber plant, einen Arbeitnehmer in absehbarer Zeit zu kündigen, mit ihm vorher aber noch eine Übertragung der Altanwartschaft an die MV-Kassevereinbart unter Festlegung eines Übertragungsbetrages, der niedriger liegt, als die erworbenen Monatsentgelte an Altabfertigungsanwartschaft. Die gesetzliche Regelung stellt sicher, dass bei Arbeitgeber-Kündigung innerhalb des ersten Jahres nach Übertritt jedenfalls die volle Altabfertigungsanwartschaft zusteht. In den folgenden 4 Jahren gelten Übergangsregelungen.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordnetem Böhacker. Ich erteile ihm das Wort.

14.5


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1

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Bei dem umfassenden Maßnahmenpaket für Lehrlinge und zur Konjunkturbelebung werde ich mich als Salzburger Abgeordneter – und das wird Sie wahrscheinlich nicht verwundern – insbesondere mit dem Artikel 13, Bundesgesetz, mit dem durch die Republik Österreich Garantien gegenüber dem Internationalen Olympischen Comité für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2010 in Salzburg übernommen werden, beschäftigen.

Wenn man weiß, dass der potenteste Mitbewerber um diese Olympischen Winterspiele 2010 Vancouver bereits derartige Bundesgarantien hat, dann kann man ermessen, wie wichtig es ist, dass heute hier der Nationalrat einstimmig der Bundesregierung diese Ermächtigung erteilt.

Mit diesem Gesetz wird ein riesengroßer Schritt nach vorne gemacht und die Chancengleichheit mit Vancouver wiederhergestellt. Wenn sie einen Schritt voraus waren, dann muss ich sagen: Jetzt haben wir wieder die gleiche Position erreicht. Es ist wieder Wettbewerbsneutralität eingetreten.

Ich möchte aber auch ganz besonders anmerken, dass im Gesetzestext ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass bei den Investitionen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit ausreichend zu berücksichtigen sind, denn es geht nicht darum, in Salzburg protzige Spiele zu machen, sondern darum, Spiele mit der Bevölkerung, für die Bevölkerung, für die Sportler, für den gesamten Standort, für die gesamte Region abzuhalten. Auf Grund dieser olympischen Bewerbungen ist in Salzburg eine Aufbruchstimmung festzustellen (Beifall bei den Freiheitlichen), die gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten entsprechend notwendig war und ist.

Der Nationalrat hat mit der heutigen Beschlussfassung alles dazu beigetragen, was der Bund zu dieser Olympiabewerbung beitragen kann. Ich hoffe, nein, ich gehe sogar davon aus, dass nun auch die anderen Gebietskörperschaften, das Land und die Stadt Salzburg und die Gemeinden, die involviert sind, die notwendigen Garantien rasch und mit den notwendigen Inhalten abgeben werden.

Das erste Bewerbungsdokument wurde bereits eingereicht. Wir sind Kandidatenstadt geworden. Nun gilt es, bis zum 10. Jänner 2003 beim IOC das Bewerbungsdokument 2 einzureichen, das eine ähnlich gute Qualität hat.

Ich danke allen, die sich darum bemüht haben. Ich bedanke mich bei allen Fraktionen, die diesem Gesetz einstimmig die Zustimmung erteilen werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

14.53

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ähnlich wie bei dem Gesetzesbündel von gestern handelt es sich auch heute wieder um Maßnahmen, wovon eine Reihe in der Tendenz durchaus positiv zu bewerten sind, auch wenn einige dieser Maßnahmen, zum Beispiel die im Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz vorgesehenen Verlängerungen der Ausbildungslehrgänge, zu spät kommen.

Wir haben schon im Frühjahr und im Vorjahr darauf hingewiesen, dass es dringend notwendig wäre, für den Arbeitsmarkt Mittel freizumachen, sie zu nutzen, und zwar nicht nur für das, was jetzt von Bundesminister Bartenstein im Rahmen einer Statistikoffensive mit den Joborientierungskursen vorgesehen ist, also wo Personen über mehrere Wochen Kurse besuchen, die einzig und allein der Joborientierung dienen, aber nicht der Qualifikation.

Wir haben auch darauf hingewiesen, dass es notwendig wäre, im Bereich der Jugendausbildung Maßnahmen zu setzen. Ich bedauere es sehr, dass es nicht möglich war, im Bereich der Jugendausbildung einen Schritt vorwärts zu gehen und sich nicht nur die Verlängerung von Maßnahmen, sondern auch den Bereich der Jugendausbildung, vor allem den Bereich der dualen Ausbildung etwas genauer anzusehen.

Herr Bundesminister! Warum soll es nicht erlaubt sein, darüber zu debattieren, dass beispielsweise die Fremdsprachenorientierung in den Berufsschulen deutlich verbessert und deren Qualität deutlich erhöht werden soll, und auch entsprechende Konsequenzen zu ziehen? Warum soll man in Österreich nicht darüber diskutieren, dass neben dem bestehenden und in bestimmten Bereichen durchaus bewährten System der dualen Berufsausbildung auch neue Formen der beruflichen Ausbildung probiert werden, dass man Jugendlichen eine Chance geben könnte, neben der dualen Ausbildung etwa in dem Modell, das wir aus einem anderen Land kennen, nämlich Dänemark, in Produktionsschulen beispielsweise einen Einstieg in den Arbeitsmarkt und in eine Qualifizierung zu finden?

Warum ist es in Österreich nicht möglich, eine ernsthafte Debatte über eine Verlängerung des schulischen Teils der Berufsausbildung zu führen, über einen zweiten Berufsschultag oder über die Bündelung der Berufsschulzeiten, die in etlichen Bundesländern zwar schon weit fortgeschritten, aber nicht in allen Bundesländern durchgängig ist?

Wie lernt man besser als Jugendlicher, als Lehrling? – Das sind Fragen, die ja nicht von der Hand zu weisen sind und jenseits der Situation auf dem Arbeitsmarkt für die Jugendlichen eine wichtige Rolle spielen, und das alles sind Fragen, die schon 1997 bei der großen Lehrlingsoffensive der damaligen Bundesregierung Klima/Schüssel andiskutiert wurden, aber wieder beiseite geschoben wurden beziehungsweise mit teilweise katastrophalen Resultaten, die wir auch an den Maßnahmen, die gestern beschlossen wurden, kritisieren, umgesetzt wurden.

Die Lohnsubventionen beziehungsweise die direkten Unternehmenssubventionen werden nicht den gewünschten Effekt bringen, den Sie sich von einer nachhaltigen Verbesserung im Bereich der dualen Ausbildung erwarten. – Das als sachliche Anmerkung zu diesem Bereich.

Warum es nicht möglich sein sollte, Lehrlingsstiftungen weiterhin zu verankern, das konnte uns gestern auch im Finanzausschuss niemand von der ÖVP beziehungsweise der FPÖ beantworten. So verabschieden wir Maßnahmen im Bereich der Jugendausbildungssicherung, die zwar im Augenblick ein bisschen helfen, die aber beileibe nicht ein Paket von Maßnahmen sind, die die Jugendausbildung nachhaltig sichern würden.

Zweiter Punkt: Artikel 11 betrifft die Änderung des Versicherungssteuergesetzes, wo das Produkt, das Sie gestern neu beschlossen haben, nämlich die Zukunftsvorsorge, auch von der Versicherungssteuer befreit wird. Das gibt mir die Möglichkeit, noch einmal ganz kurz auf dieses Zukunftsvorsorgepaket, im Prinzip Aktiensparen an der Börse, einzugehen. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Mindestens 60 Prozent müssen an der Börse veranlagt werden. 60 Prozent in Aktien, Herr Kollege Böhacker! 60 Prozent müssen in Aktien aus dem EWR-Raum angelegt werden.


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117. Sitzung / Seite 94

Wenn Sie, Herr Kollege Böhacker, mir glaubwürdig erklären wollen, dass es eine gute Investition in die Zukunft ist, wenn ich jetzt an der Börse veranlage oder in Produkte veranlage, von denen 60 Prozent Aktien sein müssen, und zwar bei einem Stand der Entwicklung an den Börsen, wo noch immer nicht das Ende der Blase in Sicht ist – schauen Sie sich die Kurse der letzten Tage und Wochen an und auch die Debatten, die es darüber gibt! –, dann muss ich Ihnen sagen: Sie wissen doch wohl – genauso gut wie alle anderen –, dass das ein eminentes Risiko ist, egal, ob Sie davon ausgehen, dass sich in 30, 40 Jahren, also in long terms, die Sache an der Börse beruhigt haben könnte!

So wie das Produkt orientiert ist, machen Sie eines: Sie befreien es anlageseitig und sozusagen bei der Einzahlung und bei der Auszahlung von jeglicher Steuer und geben noch dazu ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Reden Sie dann, Herr Kollege Böhacker! Wir können das durchaus dialogisch machen, aber ich möchte jetzt meine Redezeit nutzen.

Sie geben eine Prämie durch den Finanzminister frei, die sonst niemand, der eine normale Alterspension erhält, vom Finanzminister bekommen wird. Bei den normalen Alterspensionen wird gekürzt, im Bereich dieses Produkts jedoch, für die Zukunftsvorsorge, gibt es eine Extraprämie und eine doppelte Steuerbefreiung vom Finanzminister. Und das, Herr Kollege Böhacker, ist nicht einzusehen, weil das die Sozialversicherungspension genauso schlechter stellt wie alle anderen Produkte der privaten Pensions- oder Altersvorsorge. – Egal! Das war sozusagen zur Illustration dessen, dass das ein Produkt ist, das nicht geeignet ist, eine Perspektive für die Altersvorsorge zu liefern.

Letzter Punkt: Ein ganz eigentümliches Gesetz findet sich im Artikel 12, nämlich ein Vermächtnis dieser ÖVP-FPÖ-Bundesregierung an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften. Diese bekommen mittels eines eigenen Gesetzes 100 Millionen Schilling, also etwas über 7 Millionen €, geschenkt. Sie dürfen damit machen, was sie wollen, die Zinsen aus diesen 100 Millionen Schilling und natürlich auch das Kapital, also diese 100 Millionen Schilling, für sich nutzen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ohne eine inhaltliche Debatte aufgreifen zu wollen: Welchen Verein, welche gemeinnützige Einrichtung gibt es sonst in Österreich, die von der Republik 100 Millionen Schilling zur Verwaltung erhält und damit machen kann, was sie will? – Nennen Sie mir einen Verein, nennen Sie mir eine Einrichtung; ich kenne keine! (Abg. Dr. Grollitsch: "Euroteam"!) – Die müssen zurückzahlen! Gott sei Dank haben wir, Herr Kollege, damals rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht, was bei "Euroteam" los ist. Die müssen zurückzahlen. Darauf bin ich stolz, und ich bin froh, dass wir erreicht haben, dass es eben in diesem Bereich nicht ohne Kontrolle geht.

Aber die Tatsache, dass 100 Millionen Schilling vergeben werden und niemand kontrolliert, gab es noch nie in dieser Republik.

Jetzt kommen wir auf den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften zu sprechen. Ich habe mir das "Haus der Heimat" angesehen, bin durchgeführt worden, habe festgestellt, da gibt es diese und jene Vereine, und habe auch mit den Leuten diskutiert. Ich bin jederzeit bereit, mit diesen Verbänden und Vereinen über die Aussöhnung und Aufarbeitung der Geschichte zu diskutieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Ja! Aber dort, wo über die Vereine revanchistische Gedanken verbreitet werden (Abg. Dr. Ofner: Sie sind aber für Restitution und Wiedergutmachung!), dort, wo Rechtsextremisten – Sie wissen das, Herr Kollege Ofner, Sie sind selbst bei diesen Vereinen manchmal gern gesehener Referent – als Referenten eingeladen werden, wie beispielsweise ein Herr Claus Nordbruch, der dann im Neuen Klub, der Ihnen nicht unbekannt ist, referiert, wo dann Ideologien verbreitet werden, die in dieser Republik nicht akzeptabel sind, auch nicht unter einer ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, dort hört sich der Gurkenhandel auf. Das ist kein Spaß mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Diesen Vereinen werden jetzt 100 Millionen Schilling überantwortet, damit wir uns dann über diese Vereine und auch über die FPÖ die Debatte über die Beneš-Dekrete in ihrer dumpfesten Form aufzwingen lassen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren (Beifall bei den


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Grünen), nämlich in der dumpfesten Form in der Hinsicht, dass teilweise ein blindwütiger Revanchismus gegenüber einem EU-Beitritt dieser Länder, die in diesem Zusammenhang gemeint sind, also in erster Linie Tschechiens, gepflogen wird. Darum geht es Ihnen ja meistens.

Ich bin bereit – ich wiederhole das nochmals –, eine Diskussion über jede Form der ehrlich gemeinten Aufarbeitung der Geschichte zu führen. Klar ist, dass auch hier nach 1945 Unrecht geschehen ist, aber ich wiederhole: Dieses Unrecht lässt sich mit dem, was in den Zeiten des Nationalsozialismus und vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus und der nationalsozialistischen Vernichtungs- und Vertreibungspolitik geschehen ist, nicht vergleichen. Darum darf da keine Analogie Platz greifen – eine Analogie, die ein Herr Stadler gepflogen hat, und eine Analogie, die teilweise in diesen Vereinen – nicht in allen – auch betrieben wird. Darum sagen wir ein entschiedenes Nein zu einer Bestimmung, die genau diesen Vereinen oder bestimmten Exponenten dieser Vereine ermöglicht, 100 Millionen Schilling als Geschenk der Republik, sozusagen als Anerkennung ihrer Tätigkeit, zu erhalten.

Die Vereine sollten, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, genauso gefördert werden wie andere Vereine – dann müssen sie abrechnen –, aber Geschenke hat die Republik keine zu vergeben. Geschenke hat aber offensichtlich Schwarz-Blau zu vergeben als Dank und Anerkennung für eine bestimmte Politik im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung. Offensichtlich will man diesen Vereinen Dank dafür aussprechen, dass sie im Zusammenhang mit den Beneš-Dekreten eine ziemlich schlimme Debatte heraufbeschworen haben. Dazu kann ich nur sagen: ein entschiedenes Nein zu derartigen Geschenken! (Beifall bei den Grünen.)

15.06

Präsident Dipl-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

15.06

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zuerst drei grob tatsachenwidrige Behauptungen richtig stellen, die insbesondere Herr Dr. Gusenbauer – er ist zwar jetzt nicht anwesend, aber die Aussagen haben heute die ganze Diskussion zur Konjunkturthematik bestimmt –, aber auch andere Redner von der SPÖ in den Raum gestellt haben.

Heute wurde rund um das Thema Konjunktur und Arbeitsmarkt mehrmals dargestellt, dass Österreich eine negative Entwicklung zu verzeichnen hätte, währenddessen im Bereich der EU eine positive Entwicklung am Arbeitsmarkt gegeben wäre. Die EUSTAT-Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache: Auch im Bereich der EU ist die Arbeitslosigkeit mit 7,8 Prozent im Jahr 2002 gegenüber 7,6 Prozent im Jahr 2001 im Ansteigen begriffen. Dem gegenüber befindet sich Österreich auf relativ günstigerem Niveau – der Abstand ist gleich geblieben –: Im Jahre 2001 hatte Österreich eine Arbeitslosenrate von 3,6 Prozent, und im Jahre 2002 sind es 3,9 Prozent. Das heißt also, die konjunkturpolitische Tendenz, die in ganz Europa zu verzeichnen ist, ist bei uns in besserem Ausmaß festzustellen.

Meine Damen und Herren! Deutschland, jenes Land, das die Grünen und die Roten immer als Vorbild hinstellen, hatte im Jahre 2001 eine Arbeitslosenrate von 7,9 Prozent zu verzeichnen und im Jahre 2002 8,3 Prozent. Daran sehen Sie schon die "segensreichen" Auswirkungen von Rot-Grün!

Zweitens – Herr Nürnberger ist leider hinausgegangen, aber das wäre auch für ihn ganz wichtig –: Herr Gusenbauer hat gesagt, die Arbeitnehmer hätten negative Entwicklungen hinsichtlich der Nettoeinkommen zu verzeichnen. Damit qualifizieren Sie eigentlich Herrn Nürnberger insofern ab, als er die Lohnverhandlungen für die Metallbereiche geführt hat. (Abg. Edler: Das ist einfach!) Tatsache ist: Im Jahre 2002 haben wir eine Inflationsrate von 1,7 Prozent, und alle Kollektivvertragsabschlüsse lagen weit darüber. Das heißt, die österreichischen Arbeitnehmer haben eine sehr positive Einkommensentwicklung, nur Sie wollen dies aus taktischen Gründen nicht sehen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Drittens: Herr Gusenbauer – der nur temporär da ist und nicht dann, wenn es um die wichtigen Probleme geht – hat weiters gesagt, dem Wifo sei unsererseits unterstellt worden, man hätte da falsche Behauptungen aufgestellt, aber, ganz im Gegenteil, das Wifo hätte schon vor einem Jahr und auch später immer gewarnt. – Das Gegenteil ist in diesem Zusammenhang der Fall: Ich habe hier einen Wifo-Bericht vom April dieses Jahres, aus dem ich zitieren darf: Prognose für 2002 und 2003: zügige Konjunkturerholung. Es werden für 2002 eine Wachstumsrate von 1,2 Prozent und für 2003 mit 2,8 Prozent ein deutliches Wachstum über dem mittelfristigen Trend erwartet.

Was ist eingetreten, meine Damen und Herren, und warum reden wir heute von Maßnahmen zur Sicherung der Jugendbeschäftigung und zur Konjunkturbelebung? – Weil die Prognosen eben nicht gestimmt haben! Daher stellt sich die Frage: Welche Maßnahmen sind in dieser Situation zu setzen? – Die erste Vorbedingung ist, dass diese Maßnahmen auch finanzierbar sind. Diese Bundesregierung hat eben dadurch, dass man das Budget in der Hochkonjunktur saniert hat, die Voraussetzung dafür geschaffen, dass wir überhaupt heute Maßnahmen setzen und diese vor allem finanzieren können. (Beifall bei der ÖVP.)

Allerdings muss man sagen, dass die Finanzierung zu einem Teil auch aus dem Innenbereich und nicht nur budgetlastig erfolgt. Es handelt sich immerhin um ein Volumen von 600 Millionen € insgesamt, und das ist beachtlich.

Eine weitere Frage, die von Herrn Öllinger in den Raum gestellt wurde, hat gelautet: Wieso erst jetzt, wieso so spät, warum setzte man die Maßnahmen nicht früher – wir haben doch früher schon gewarnt?

Meine Damen und Herren! Das ist ein Ritual, das man bei Ihnen jedes Jahr beobachten kann. Sie warnen jedes Jahr zu Jahresbeginn vor der negativen Entwicklung am Lehrlings- und Ausbildungsmarkt. Tatsache ist, dass in diesem Jahr eine konjunkturell schlechtere Entwicklung stattgefunden hat und dass jetzt, gerade zum richtigen Zeitpunkt, reagiert wird. Warum? – Wenn Sie nämlich Stiftungen einrichten und andere Maßnahmen setzen, dann produzieren Sie Auszubildende am Markt vorbei, die später überhaupt keinen Arbeitsplatz haben. Deswegen sind wir gegen Stiftungen, weil sie nicht marktkonform sind, und deswegen sind wir auch gegen den


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Abänderungsantrag (Zwischenruf der Abg. Silhavy ), was die Abfertigung anlangt, weil es nicht vereinbart war, dass bestimmte Übertragungsprämien festgesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. ) – Das ist halt so, Herr Präsident!

Insgesamt finde ich die Maßnahmen im gesamten Paket ausgesprochen wichtig und auch strukturpolitisch richtig. Wir haben das Problem, dass nicht alle Unternehmen Gewinne machen. Mit den Prämien, insbesondere für die Lehrlingsausbildung – es gibt eine 1 000 €-Prämie für die Zeit, für die jemand in der Berufsschule ist –, werden wesentlich bessere und effizientere Anreize geschaffen als mit dem Freibetrag, weil alle Unternehmen davon profitieren.

Dasselbe gilt auch für die Prämie betreffend Forschung und Entwicklung, die ein ganz positives Signal ist. Warum ist auch die Investitionsprämie für bewegliche Güter besser als der IFB? – Weil diese Maßnahme antizyklisch wirkt. Wenn Sie den IFB heute wieder einführen, könnten Sie ihn überhaupt nicht finanzieren, und Sie hätten genau dann die positiven Anreize, wenn wir sie konjunkturell wahrscheinlich gar nicht mehr brauchen.

Meine Damen und Herren! Diese Maßnahmen sind solide vorbereitet. Wir haben im Frühjahr schon die ersten Maßnahmen in diese Richtung getroffen und jetzt darauf aufgebaut. Daher sind diese Maßnahmen in diesem Zusammenhang nur zu unterstützen. Sie sind die richtigen Anreize, sie werden den Beschäftigungs- und Ausbildungsmarkt entsprechend beleben. Wenn diesbezüglich Kritik vom Wifo und vom IHS dahin gehend kommt, dass diese Maßnahmen vielleicht zu kurzfristig gesetzt und nur mittelfristig wirksam seien, dann kann ich dazu nur sagen: Man kann diese bei Bedarf auch verlängern.

Daher darf ich auch schon schließen und noch in aller Kürze folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Dr. Mitterlehner, Kolleginnen und Kollegen zum Initiativantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Behinderteneinstellungsgesetz sowie das Versicherungssteuergesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ-G) sowie ein Bundesgesetz, mit dem durch die Republik Österreich Garantien gegenüber dem Internationalen Olympischen Comitee (IOC) für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2010 übernommen werden, errichtet werden (754/A), in der Fassung des Ausschussberichtes des Finanzausschusses (1289 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Initiativantrag (754/A) in der Fassung des Ausschussberichtes (1289 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

1. Im Artikel 4 werden die bisherigen Ziffern 1 bis 3 als Ziffer 2 bis 4 bezeichnet; folgende Ziffer 1 wird eingefügt:

"1. Dem § 12 Abs. 1 Ziffer 4 wird folgender Satz angefügt:

,Für Lehrlinge ist kein Zuschlag zum Arbeitgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung zu entrichten.’"

2. Im Artikel 4 Ziffer 2 wird im § 12 Abs. 8 der Ausdruck "(,Lehrausbildungsprämie’)" durch den Ausdruck "(,Lehrlingsausbildungsprämie’)" ersetzt.

3. Im Artikel 4 Ziffer 4 wird im § 17a Abs. 32 der Ausdruck "§ 12 Abs. 8" durch den Ausdruck "§ 12 Abs. 1 Z 4 und Abs. 8" ersetzt.

*****

Ich danke für die Aufmerksamkeit und bin der Auffassung, dass diese Regierung verantwortungsbewusst zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen setzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Dr. Mitterlehner verlesene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.13

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! In der Tat macht uns die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt für junge Menschen, Sorgen. Und wenn es heute um 5 000 Jugendliche in Österreich geht, die bereits mehr als drei Monate lang arbeitslos sind, dann ist das allemal ein Grund, rasch zu agieren und zu reagieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben rasch reagiert, weil sich ein Großteil dieses Problems erst in den letzten Monaten ergeben hat. Im Übrigen haben die Prognosen der


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Wirtschaftsforscher über ein Wiederanspringen der Konjunktur noch im Juni gelautet, dass im Herbst die Konjunktur anziehen würde und wir im nächsten Jahr Wachstumsraten in der Höhe von 2,5 bis 2,8 Prozent erzielen könnten. Diese Prognosen sind im August revidiert worden, und ein Teil dieser konjunkturellen Situation ist natürlich Begründung dafür, dass diese relativ hohe Anzahl von jungen Menschen auf dem Markt ist, aber keinen Arbeitsplatz findet.

Dass wir hiefür die Mittel der Arbeitsmarktrücklage in Anspruch nehmen können, hat natürlich auch damit zu tun, sehr geehrte Frau Abgeordnete Silhavy, dass wir nicht schon bei Ihren ersten Zurufen vor Jahresfrist die Mittel verbraucht haben; sie wären jetzt nicht mehr da. Wir können sie daher jetzt zielgerichtet einsetzen und dafür Sorge tragen, dass mit durchschnittlich 18-monatigen Ausbildungsstrukturen Lehrabschlüsse, Facharbeiterqualifikationen und Ähnliches nachgeholt werden können. Insgesamt wird dieses Programm rund 112 Millionen € kosten.

Davon völlig unabhängig – Abgeordneter Öllinger ist leider nicht mehr im Raum, sonst würde er meine Korrektur hoffentlich zur Kenntnis nehmen – ist die Frage der jungen Menschen, die einen Lehrplatz suchen, aber keinen finden. Es ist aber nicht so, sehr geehrter Herr Abgeordneter Mitterlehner, dass die Arbeitnehmerseite diesbezüglich nur einmal jährlich Horrorszenarien an die Wand gemalt hat, sondern das war gewissermaßen eine durchgängige Panikmache in den letzten Jahren, wobei immer eines gegolten hat und eines umgesetzt wurde: dass jeder junge Mensch, der einen Lehrplatz gesucht hat, aber keinen gefunden hat, zumindest einen Lehrgangsplatz bekommen hat. Das hat unter der alten Regierung gegolten, und das hat unter der Regierung von Bundeskanzler Schüssel ebenso gegolten, und das haben wir auch umgesetzt.

Wenn wir im Hinblick auf die konjunkturelle Entwicklung dieses Lehrgangsnetz auf 3 000 aufstocken und wenn wir gemeinsam mit den Sozialpartnern weitere Verbesserungen und Modernisierungen im Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz verankern, so ist das ganz in meinem Sinne. Ich verstehe Sie, Frau Abgeordnete Silhavy, daher nicht ganz, dass, wenn der Bundeskanzler, wenn die Bundesregierung mit Herrn Präsidenten Verzetnitsch ein Paket schnürt und unter anderem eine Modernisierung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes vereinbart, Ihnen das bestenfalls den Kommentar "halbherzig" wert ist. Ich denke schon, dass Sie – ebenso wie ich – davon ausgehen, dass der Präsident des ÖGB ebenso wie auch ich mit ganzem Herzen für die Beschäftigung von jungen Menschen in diesem Lande kämpfen. (Abg. Silhavy: Beim ÖGB bin ich überzeugt, aber bei Ihnen nicht!) – Sie haben aber die Gesetzesänderung als halbherzig bezeichnet. Sie müssen schon aufpassen, wen Sie kritisieren und ob Sie dabei nicht auch den Präsidenten des ÖGB mit hineinziehen. (Abg. Verzetnitsch: Sicher nicht!)

Insgesamt stellt sich die Situation für junge Menschen zwischen 15 und 18 Jahren relativ besser dar; in diesem Bereich steigt die Arbeitslosigkeit lediglich um 6 Prozent, während es für die 19- bis 24-Jährigen eine tatsächlich besorgniserregende Steigerungsrate von 23 Prozent gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sorgen dafür, dass für 10 000 junge Menschen neue berufliche Chancen entstehen, weil Lehrgangsplätze gesichert sind, die dann auch zu einem Lehrabschluss führen können, weil wir die Hälfte dieser jungen Menschen nachqualifizieren und weil wir Chancen in Betreuungs- und Pflegeberufen schaffen. Ich bedanke mich bei der Sozialpartnerschaft dafür, dass sie diesbezüglich nicht nur mitgeht, sondern dieses Paket auch mit entwickelt hat.

Herr Präsident Verzetnitsch! Ich stelle hier vor diesem Hohen Hause auch klar, dass ich mittels Erlasses klarstellen werde, dass eine allenfalls widerstrebende Bestimmung im Berufsausbildungsgesetz durch diese lex fugitiva, durch die Novelle zum Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz nicht zutrifft und dass der Weg zur Lehrabschlussprüfung frei ist.

Besonders freue ich mich, dass es in diesen Tagen gelungen ist, ein altes politisches Problem beiseite zu schaffen, nämlich die wirklich himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass Kinder in der Stadt ohne Mühe zu Freifahrtausweisen für öffentliche Verkehrsmittel kommen, dass aber Kinder am Land, die in Internate müssen, ganz egal, ob es sich um Lehrlinge oder Internats


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schüler handelt, über Jahre von dieser Unterstützung ausgeschlossen waren. Wir wollen die Gründe hiefür nicht weiter ausführen. Wenn jetzt mit der neuen Heimfahrtbeihilfe diesen jungen Menschen, die in Regionen wohnen, die nicht zu den wohlhabendsten Österreichs gehören, und von Familien stammen, die im Regelfall nicht zu den wohlhabendsten gehören, geholfen werden kann, so ist es in meinem Sinne, und ich gehe davon aus, dass es auch im Sinne des Hohen Hauses ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich mit einer Anmerkung in Richtung des Herrn Abgeordneten Öllinger schließen, der auf Dänemark verwiesen hat. Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass Österreich die zweitniedrigste Jugendarbeitslosenrate Europas hat und dass Dänemark diesbezüglich deutlich höher liegt. Ihr Verweis auf schulische Lehrgänge für junge Menschen dort bringt mich nicht wirklich zum ernsthaften Nachdenken darüber, ob wir unsere bewährte duale Berufsausbildung durch ein dänisches Modell ersetzen sollen. Auf Grund der demographischen Entwicklung wird sich schon in ein oder zwei Jahren zeigen, dass junge Menschen, die einen Lehrplatz anstreben, von den ausbildenden Betrieben gesucht werden. Diese Zeit gilt es zu überbrücken, und dazu dienen die heute unter anderem zu beschließenden Maßnahmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. Ihre Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

15.20

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich möchte eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Mitterlehner machen. Er hat von den Nettolöhnen gesprochen und gesagt, dass die Schuld an dieser Entwicklung irgendwie auch die Gewerkschaften tragen, konkret auch Herr Nürnberger. (Abg. Dr. Mitterlehner: Ich habe gesagt, die Gewerkschaften haben ... verhandelt!) Das haben Sie von diesem Pult aus gesagt, Herr Abgeordneter Mitterlehner. (Abg. Dr. Mitterlehner: Zuerst nachlesen, dann reden!)

Ich habe das so verstanden, dass Sie meinen, die Gewerkschaften verhandeln schlecht. Am 27. September beginnen die Verhandlungen mit der Metallindustrie – das wissen Sie –, und ich muss Ihnen sagen, diese Ihre Bemerkung ist ein guter Treibstoff für die Verhandlungen. Ich danke Ihnen dafür. Wenn der Generalsekretär der Wirtschaftskammer der Gewerkschaft vorwirft, sie verhandle zu schlecht – mehr können wir uns nicht wünschen. Danke schön! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister Bartenstein! Warum haben Sie wirklich so lange gewartet, bis Tausende Jugendliche auf der Straße stehen, und nicht schon früher die notwendigen Maßnahmen gesetzt? Das ist die Frage, die nicht nur mich, sondern viele bewegt.

Warum haben Sie die Warnungen seitens der Sozialdemokraten nicht ernst genommen, die Einschätzungen der Experten nicht beachtet und die Vorschläge, auch meiner Partei, wie man am Lehrstellenmarkt und in der Jugendbeschäftigung Reformen machen soll, ignoriert?

Wir von der SPÖ wollten immer, dass es keinen einzigen 15-Jährigen beziehungsweise keine einzige 15-Jährige in unserem Land gibt, der beziehungsweise die auch nur einen Tag arbeitslos ist. Sie von der Volkspartei, Herr Bundesminister, mit Ihrem Bundeskanzler Schüssel haben eben auf den Markt gesetzt und darauf vertraut – und das selbst dann noch, als schon längst klar war, dass die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft immer mehr zurückgeht.

Sie haben in Kauf genommen, dass Jugendliche in diesem Herbst zumindest einige Monate ohne Beschäftigung und ohne Ausbildungschancen sind, und haben jetzt die Notbremse gezogen. In Wien beispielsweise haben wir bei den Neueinschreibungen in den Berufsschulen einen Rückgang zu verzeichnen, wir haben weniger Lehrstellen von der Wiener Wirtschaft angeboten bekommen, wir haben weniger Lehrlinge. Bei den Mechanikern und bei den Optikern ist die Neueinschreibquote um 23 Prozent zurückgegangen, bei den Elektrotechnikern sogar um


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30 Prozent. – Das alles trotz vieler Erleichterungen, die die Wirtschaft in der Lehrlingsausbildung geboten bekommen hat.

Sehr verehrte Damen und Herren von der Volkspartei, aber auch von den Freiheitlichen! Sie haben durch Abwarten, durch zu spätes Handeln Unsicherheit verursacht, Unsicherheit bei den jugendlichen Schulabgängern, bei den Eltern, bei den Lehrern, beim AMS, wo man nicht wissen konnte: Kommt Geld, kann man etwas tun?, bei den Trägerorganisationen, die sich nicht vorbereiten konnten, und vor allem auch bei den Berufsschulen, denn die Lehrereinteilung, die Schulraumbereitstellung und vieles andere mehr sind ja auch nicht Dinge, die man in wenigen Stunden seriös erledigen kann.

Es hätte – und das ist unsere Kritik – viel professioneller gehen können, aber Professionalität – das haben wir in den letzten zweieinhalb Jahren auch in anderen Bereichen erlebt – ist nicht das Markenzeichen dieser Regierung!

Sehr geehrte Damen und Herren! Jugendarbeitslosigkeit ist, kann man sagen, für die jetzige Regierung erst ein Thema, wenn der Jugendliche bereits auf der Straße steht. Für uns von der Sozialdemokratie erfordert Arbeitslosigkeit Vorausdenken, Voraushandeln, damit es erst gar nicht so weit kommt. Wir haben deshalb auch im Sommer ein Reformpaket, ein Zehn-Punkte-Programm zur Lehrlingsausbildung vorgestellt, dessen einzelne Punkte ich jetzt nicht im Detail referieren möchte; sie sind auf der Homepage der SPÖ nachlesbar. Ich denke, das wäre eine gute Grundlage gewesen, um zeitgerecht und nicht erst im letzten Augenblick Maßnahmen zu setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Klubobmann Khol hat heute hier vom Pult aus gesagt, die ÖVP habe das Schiff, den Kurs und auch die Mannschaft; auch den Kapitän, nehme ich an. (Abg. Dr. Khol: Habe ich gesagt! Den Steuermann!) Haben Sie gesagt, richtig. Was Sie nicht dazugesagt haben, Herr Klubobmann, ist, dass mit großer Wahrscheinlichkeit am 24. November sehr viele Buchungen auf Ihrem Schiff storniert werden. Sehr viele Reisende werden an der Schifffahrt nicht weiter teilnehmen. Sie werden das Schiff wahrscheinlich nicht einmal halb voll bekommen. (Abg. Schwarzenberger: Das ist eine Fehleinschätzung von Ihnen!) Dafür dürfen Sie dann im wahrsten Sinne des Wortes "auslaufen". Ich denke, das sollte man auch erwähnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend: Die Jugendausbildung ist für die Regierungsparteien – das sollte man noch einmal festhalten – das Letzte: der letzte Tagesordnungspunkt, der letzte Gesetzesbeschluss, das letzte Thema im letzten Augenblick. Es ist Zeit, Österreich neu zu regieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Das Letzte ist das Beste!)

15.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner zu Wort gemeldet. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung, und ich bitte Sie, mit der Wiedergabe der Behauptung zu beginnen, die Sie zu berichtigen wünschen. – Bitte.

15.25

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Riepl hat gesagt, ich hätte behauptet, die Gewerkschaften hätten bei den letzten Lohnverhandlungen schlecht verhandelt. – Das habe ich nicht behauptet!

Ich stelle richtig: Ich habe dargestellt, dass die Lohnverhandlungen ein Ergebnis gebracht haben, das über der Inflationsrate gelegen ist. Diese tatsächliche Behauptung, die Sie jetzt inkriminiert haben, ist in Wirklichkeit heute Vormittag von Herrn Kandidaten Gusenbauer aufgestellt worden, der den Gewerkschaften damit unterstellt hat, sie hätten schlecht verhandelt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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15.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

15.26

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Öllinger hat kritisiert, dass Heimatverbände ohne Bedarfsnachweis 100 Millionen Schilling aus Steuermitteln geschenkt bekommen. Dazu darf ich sagen: Wir beschließen heute im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes die Fortsetzung einer Sportförderung, die eine Fortschreibung von 400 Millionen Schilling an die Sportvereine für das nächste Jahr, nachdem das Sportförderungsgesetz mit Jahresende abläuft, garantiert. – Herr Kollege Öllinger! Auch hier gibt es keine Bedarfserhebung, auch hier besteht keine Kontrollmöglichkeit des Finanzministers beispielsweise hinsichtlich der Verwendung der Mittel. Niemand aber wird bezweifeln, dass Österreichs Sportvereine Geld benötigen und es auch zweckgemäß verwenden.

Es ist uns leider, entgegen unseren Vorhaben, nicht möglich gewesen, dieses Sportförderungsgesetz zeitgemäß zu adaptieren und Weichen auch in Richtung Behindertensport zu stellen. Ein Antrag unsererseits, der schon Jahre zurückliegt, sollte erwirken, dass beim Aufteilungsschlüssel, der seit 52 Jahren unverändert ist, auch der Behindertensport berücksichtigt wird und eine konsequente Zuteilung erfolgt. Dieses Reformvorhaben konnte bedauerlicherweise infolge des Beendens der Legislaturperiode nicht umgesetzt werden, aber die Frau Sportministerin hat sozusagen im letzten Moment gemeinsam mit uns erkannt, dass das alte Sportförderungsgesetz mit Jahresende ausläuft und die Vereine somit ab 1. Jänner 2003 mittellos dagestanden wären. Daher erfolgt heute diese Reparatur, aber ich verhehle nicht, dass mir eine Totalreform des Sportförderungsgesetzes lieber gewesen wäre.

Vielleicht noch ein Schlusswort auch in Richtung SPÖ, um deren hanebüchener Argumentation im Wahlkampf vielleicht mit der gleichen Logik zu begegnen. Sie schreiben: Entweder ein Abfangjäger oder 10 000 neue Lehrstellen. – Mit der gleichen hanebüchenen Logik könnte man behaupten, dass die Regierung dadurch, dass sie von 24 auf 18 Abfangjäger reduziert hat, 60 000 neue Lehrstellen geschaffen hat. – Vielleicht können Sie anhand dieses Beispiels den Unsinn Ihrer Forderungen erkennen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Dass kein pekuniärer Zusammenhang besteht, ist heute hinlänglich bewiesen worden, und ich wünsche Ihnen tatsächlich, dass die Österreicher und Österreicherinnen auf diesen Unsinn nicht hereinfallen.

Im Speziellen bin ich davon überzeugt, dass diese Reformregierung tatsächlich ihre Fortsetzung findet und dass darin auch unser freiheitliches Lager wieder seinen konstruktiven Reformbeitrag leisten wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

15.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

15.30

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Als wir am Dienstag in die Finanzausschuss-Sitzung gingen, waren zumindest wir von der Opposition der Meinung, es gehe dabei um das Hochwasseropferentschädigungs-Gesetz. – Ja, es ging auch um das Hochwasseropferentschädigungs-Gesetz. Aber es wurde uns nichts gesagt – wir bekamen es erst dort, quasi als Tischvorlage – von einem Budgetüberschreitungsgesetz, noch dazu in einer Form, wie es das eigentlich noch nie gegeben hat.

Ein Budgetüberschreitungsgesetz, verpackt in ein Hochwasseropferentschädigungs-Gesetz (Abg. Kopf  – die Rednerin auf Abg. Verzetnitsch verweisend –: Worüber hat denn Ihr Präsident mit Präsident Leitl verhandelt?)  – das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist insofern keine ordentliche Sache, als in diesem Konjunkturbelebungspaket Maßnahmen enthalten sind, die durchaus wichtig, anerkennenswert und richtig sind. Aus diesem Grund tragen wir diese 1 700 Millionen € Neuverschuldung auch mit: weil in allerletzter Sekunde – ich betone: in allerletzter Sekunde! – Maßnahmen gesetzt werden, die die österreichische Wirtschaft und vor allen Dingen die Menschen auch brauchen.


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117. Sitzung / Seite 102

Es ist Schluss, und zwar endgültig Schluss mit dem Nulldefizit, das speziell von der Regierung immer wieder propagiert wurde (Zwischenrufe bei der ÖVP), obwohl die "Salzburger Nachrichten" schon lange geschrieben haben: "Außer Spesen, blauschwarzem Postenschacher und Donnerstagsdemonstrationen nichts gewesen."

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, schreibt Andreas Koller von den "Salzburger Nachrichten". Dies auch im Lichte dessen, was Klubobmann Dr. Khol einmal gesagt hat, als es um die Presseförderung ging: Man muss die Böcke von den Schafen trennen. – Das sind Ansätze, die wir von vornherein abgelehnt haben. Aber die "Salzburger Nachrichten" getrauen sich ohnehin und haben der Regierung dieses Zeugnis ausgestellt. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich möchte, wie schon Kollegin Silhavy, darauf verweisen, dass das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz dringendst notwendig war. Ich kann nicht verstehen – zumindest hat Kollegin Silhavy das heute gesagt –, dass laut Klubobmann Dr. Khol nicht mehr verhandelt werden soll. Tatsache ist nämlich, meine Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, dass wir im Finanzausschuss nicht ausdiskutieren konnten, aus welchen Gründen die Stiftungen plötzlich nicht mehr als Ausbildungsmodell aufscheinen.

Nur eine Anmerkung: Die Stiftung – Kollegin Silhavy hat es schon gesagt – ist die Ersatzmaßnahme schlechthin für jene Jugendlichen, die im dualen Ausbildungssystem keinen Lehrabschluss bekommen können. Sie ist auf alle Fälle den Kursmaßnahmen vorzuziehen, weil die Lehrlinge in den Stiftungen die betriebliche Praxis absolvieren können und die Theorie quasi in der Schule oder in Kursform abgewickelt werden kann.

Ich wollte das noch einmal ansprechen, weil wir es für notwendig erachten, derartige Gesetze nicht in Bausch und Bogen abzuhandeln. Derartige Gesetze hätten es sich verdient, in den jeweiligen Fachausschüssen mit Experten diskutiert zu werden.

In diesem Sinne will ich sagen, die SPÖ steht für eine Zukunft ohne Ambulanzgebühren, ohne Unfallrentenbesteuerung und ohne Studiengebühren, aber für eine Zukunft, in der gilt: Arbeit für alle, für Jung und für Alt! – Glück auf! Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Tancsits ist der nächste Redner. – Bitte.

15.35

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nicht im letzten Moment, wie Kollege Riepl gesagt hat, sondern zum richtigen Zeitpunkt, gestern und heute, werden dieses Konjunkturpaket und insbesondere die Maßnahmen zur Hebung der Jugendbeschäftigung beschlossen. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade jene, deren Wirken in den letzten Jahren immer darauf abzielte, die duale Ausbildung madig zu machen und möglichst viele junge Menschen in Schulen, in Lehrgänge et cetera zu schicken, sollten anerkennen und sich in Erinnerung rufen, dass in den neunziger Jahren die Volkspartei mit ihren Initiativen gemeinsam mit den Sozialpartnern die Trendumkehr in der Lehrlingsbeschäftigung herbeigeführt hat.

Wir haben seit 1998 wieder steigende Anteile an Lehrlingen in den einzelnen Jahrgängen. Und wir werden dieses wichtige Ziel, rund 40 Prozent eines Jahrgangs in die duale Ausbildung zu bringen, mit diesem Maßnahmenpaket unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es waren unsere Vorschläge, die zum Lehrlingsfreibetrag geführt haben, die neue Berufsbilder ermöglicht haben, die erreicht haben, dass man nicht mehr Jahre, ja Jahrzehnte darauf warten muss, Ausbildungs-Bilder an die Realität anpassen zu können. Es ist eine logische Fortentwicklung, jetzt auf das Prämiensystem umzusteigen: 1 000 € im Jahr, aber auch eine entsprechende Entlastung bei den Lohnnebenkosten, nämlich im Sinne der Sozialabgaben Unfallversicherungsbeitrag, Krankenversicherungsbeitrag und Arbeitslosenversicherungsbeitrag.


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Es wäre falsch gewesen, jene Maßnahmen schon zu Beginn des Jahres zu setzen. Wir hätten dann im Frühjahr keine neuen Lehrlinge mehr beschäftigen können. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, und ich bin davon überzeugt, dass sich diese Maßnahmen positiv auswirken werden.

Lassen Sie mich abschließend noch auf ein Thema eingehen, das wir mit diesem Paket miterledigen, und meinen Dank und meine Befriedigung darüber zum Ausdruck bringen, dass wir eine Stiftung errichten können, mit der wir einem langjährigen Wunsch der Vertriebenenverbände nach einem eigenen Haus der Geschichte, nach einem eigenen Forschungsfonds nachkommen können.

Insbesondere für Herrn Kollegen Öllinger: Wertfreie, nicht für die Tagespolitik instrumentalisierte Geschichtsforschung, sondern eine echte Aufarbeitung steht jedem Gemeinwesen gut an. Daher ist es gut, dass wir diese Maßnahme heute mitbeschließen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

15.38

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich noch zu einem Punkt, den ich für äußerst wesentlich erachte, äußern: Wir beschließen heute – und ich bin zugegebenermaßen sehr stolz darauf, dass es gelungen ist, einen quasi gesamtösterreichischen Konsens herbeizuführen – die so genannte Vertriebenen-Stiftung im Ausmaß von 100 Millionen Schilling, geteilt zwischen den Bundesländern und dem Bund in der Größenordnung von 45 Millionen zu 55 Millionen Schilling.

Damit wird es erstmals in dieser Zweiten Republik gelingen – davon gehen wir aus –, die Volkstumsarbeit, die musealen Aufgaben, die volkstanzorientierte Arbeit und viele Heimatvertriebenen-Angelegenheiten auf eine gesicherte, finanzielle Basis zu stellen und die Heimatvertriebenen-Verbände auch in Zukunft so zu behandeln, dass sie weg von dem Bittsteller-Image hin zu einem wirklich mit Rechtsansprüchen versehenen finanziellen Status kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich, da ich maßgeblich an der Aushandlung der Materie beteiligt war, insbesondere bei den Landeshauptleuten bedanken, die, wenn auch nach langer Verhandlungsdauer, so doch einstimmig, quer über die politischen Lager hinausgehend, beschlossen haben, ihren Beitrag in Höhe von 45 Millionen Schilling zu leisten.

Das war letztendlich auf eine Initiative des Landeshauptmannes von Kärnten als Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz zurückzuführen, und ich muss auch dazu sagen, dass sämtliche Landeshauptleute, inklusive – das möchte ich auch in diesem Haus betonen – des Landeshauptmannes von Wien, Michael Häupl, nie in Zweifel gestellt haben, dass auch die Bundesländer ihren Beitrag zu dieser doch wertvollen und wichtigen Angelegenheit leisten werden.

Dabei kommt auch der gesamtösterreichische Konsens zum Ausdruck, wie die Bundesländer auf der einen Seite und der Bund auf der anderen Seite ihren Verpflichtungen den Vertriebenenverbänden gegenüber nachkommen. Die Nachbarstaaten sind in den Angelegenheiten der Vertriebenen oft säumig.

Enttäuscht hat mich die Wortmeldung des Kollegen Öllinger, der von Geschenken und revanchistischen Vereinen gesprochen hat und offensichtlich die jüngere Geschichte nicht kennt. Es hinterlässt schon eine tiefe Wunde, wenn hier derartige Reden geschwungen werden. Man muss doch bedenken, dass viele Hunderttausende Vertriebene, die – soferne sie den Genozid überhaupt überlebt haben – nach Österreich gekommen sind und hier ihre neue Heimat gefunden haben, maßgeblich und entscheidend  – ich betone das! – an der Entwicklung und an der Blüte dieses schönen Landes Österreich mitgewirkt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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117. Sitzung / Seite 104

Wenn man dann von einer politischen Gruppierung, die sich offensichtlich außerhalb jeglichen Konsenses stellt, diese Worte vernimmt – verzerrt durch die parteipolitisch ideologisierte Brille –, dann tut mir das persönlich weh, und Sie schaden damit in Wahrheit dem Ansehen Österreichs in dieser Angelegenheit. Das möchte ich Ihnen als Botschaft mitgeben.

Ich wünsche den Vertriebenenverbänden eine gute Hand bei der Veranlagung der Mittel, ich wünsche den Vertriebenenverbänden eine gesicherte Zukunft, und ich wünsche uns allen, dass die Vertriebenen-Arbeit und die Produkte aus dieser Arbeit weiterhin so wie in der Vergangenheit fruchtbringend in Österreich ihren Beitrag leisten, sodass dieses Land weiterhin blüht, wächst und gedeiht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Egghart. – Bitte.

15.43

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich glaube, das Sonderprogramm, das derzeit von der blau-schwarzen Bundesregierung gestartet wird, ist etwas so Notwendiges für unsere Jugendlichen, dass es unbedingt noch einmal sehr deutlich unterstrichen werden sollte.

Österreich weist zwar im internationalen Vergleich der Jugendarbeitslosigkeit eine relativ geringe Quote an Arbeitslosen auf. Trotzdem hat sich die Bundesregierung entschlossen, für die Jugendlichen, vor allem für die Berufseinsteiger, die in ihrem zukünftigen Fortkommen besonders gefährdet sind, die man vorrangig in eine Beschäftigung bringen muss, diese Maßnahme zu treffen. Gerade Jugendliche sind besonders gefährdet von Kriminalität und Ähnlichem, daher ist dieses Jugendprogramm besonders wichtig.

Österreich weist zwar nach den Niederlanden die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit auf, aber damit können wir nicht zufrieden sein. Gerade jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um dieses Programm ins Leben zu rufen, und wir werden auch weiterhin entschieden gegen die Jugendarbeitslosigkeit eintreten.

Die Eckpfeiler dieses Sonderprogrammes sind, dass wir schwerpunktmäßig gerade solche Jugendliche besonders fördern, die minderqualifiziert, unter 25 Jahren alt und bereits länger als drei Monate beim Arbeitsmarktservice vorgemerkt sind. Nach Einschätzung des österreichischen Arbeitsmarktservice können dadurch rund 5 000 Jugendliche unterstützt werden. Das ist ein wesentlicher sozialer Beitrag an der richtigen Stelle.

Als weitere Zielgruppen sollen auch Jugendliche ohne Pflichtschulabschluß unterstützt werden sowie Jugendliche, die nur über einen Pflichtschulabschluss, aber über keine weiterführenden Ausbildungen verfügen.

Hinsichtlich Integration – ein Anliegen, das von dieser Bundesregierung immer besonders hervorgehoben wurde – soll auch die zweite Generation von Jugendlichen aus Drittstaaten unterstützt werden, um in diesem Bereich eine verstärkte Integration einzuleiten. Ferner sollte auch Absolventen und Schulabbrechern höherer Schulen mit diesem Programm die Möglichkeit gegeben werden, leichter einen Arbeitsplatz zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierung hat damit – so wie bei der Hochwasserkatastrophe - neuerlich Kompetenz und Herz bewiesen. Ich kann nur sagen: Diese wichtigen Maßnahmen für Österreich haben sich gelohnt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.


Nationalrat, XXI.GP
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117. Sitzung / Seite 105

15.46

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden in Kürze ein Gesetz beschließen, das auch einen großen symbolischen Gehalt hat. Es geht dabei – mein Vorredner hat bereits darauf hingewiesen – um die so genannte Vertriebenenstiftung.

Meine Damen und Herren! Diese Maßnahme sichert den Vertriebenenverbänden die Fortsetzung ihrer wertvollen humanitären Tätigkeit und unterstützt die vielfältigen Aktivitäten der Landsmannschaften im "Haus der Heimat" in Wien, das zu besuchen sich wirklich lohnt. Dieses Gesetz sichert aber auch die Existenz dieser Verbände in den Bundesländern, denn es haben sich erfreulicherweise auch die Länder bereit erklärt, den Vertriebenenfonds zu dotieren. Dafür ist dem Herrn Sozialminister, dem Finanzminister, aber auch den Landeshauptleuten sehr zu danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich aber eines sehr offen aussprechen. Die Errichtung dieses Vertriebenenfonds ist so wie die Entschädigung für die ehemaligen Kriegsgefangenen auch eine symbolische Geste. Der Dank der Republik gegenüber den Heimatvertriebenen wird dadurch zum Ausdruck gebracht. Es ist der Dank unseres Landes an eine Generation, die nach dem Krieg ganz wesentlich zum Aufbau beigetragen hat, die ihre ursprüngliche Heimat – ich betone, unverschuldet! – verlassen musste und in Österreich eine neue Heimat gefunden hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Für diese Menschen ist unser Staat, ist Österreich eine neue Heimat geworden. Österreich ist aber auch die Schutzmacht dieser Menschen. Unsere Regierung hat ihre Interessen deshalb nachdrücklich zu vertreten. Das war, wie wir wissen, nicht immer ganz leicht. Denken wir nur an die Zeit vor dem Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks! Vor dem Zusammenbruch des so genannten realen Sozialismus, wie der Kommunismus auch beschönigend genannt worden ist, kamen aus Moskau, aus Warschau, aus Belgrad und aus Prag ständig die gleichen Signale. Es gäbe, hat es geheißen, so genannte revanchistische Kräfte, die die Nachkriegsordnung in Frage stellen und gegen die friedliebende Sowjetunion angeblich Krieg vorbereiten wollten.

Als Herr Abgeordneter Öllinger vorhin hier gesprochen hat, habe ich mich gefühlt, als sei ich um ein Jahrzehnt zurückversetzt worden, mitten in die Zeit des Kalten Krieges. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bedauerlich ist – ich möchte das nur streifen –, dass nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und des kommunistischen Zwangssystems in manchen demokratischen Nachbarstaaten, die wir sehr unterstützt haben, chauvinistische Politiker dann eine ähnliche Geisteshaltung zum Ausdruck gebracht haben wie die alten Kommunisten. Ich möchte hier ausdrücklich den früheren tschechischen Premier Zeman erwähnen. Wir erinnern uns alle noch an seine Anregung, die er Israel gegeben hat. Er sagte, Israel solle doch mit seinen Palästinensern ebenso umgehen, wie die Tschechen dies mit den Sudetendeutschen in den Jahren 1945/1946 gemacht hätten.

Meine Damen und Herren! Das war eine glatte Aufforderung zum Völkermord, zur Vertreibung, zur Enteignung, für die die tschechischen Beneš-Dekrete und auch die Tito-kommunistischen AVNOJ-Bestimmungen standen und noch immer stehen. Wir Freiheitlichen, meine Damen und Herren, haben die Interessen der Heimatvertriebenen immer offen und ehrlich unterstützt, und ich hoffe, dass das auch künftige Bundesregierungen so halten werden. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Kiss. )

15.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter verzichtet auf ein Schlusswort.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, und zwar stimmen wir zunächst ab über den Gesetzentwurf in 1289 der Beilagen.


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117. Sitzung / Seite 106

Hiezu haben die Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Öllinger vor.

Ich lasse zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und dann über den Rest abstimmen.

Die Abgeordneten Silhavy und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag zu Artikel 1 eingebracht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über diesen Teil in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Bejahung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest: einstimmige Annahme.

Wir stimmen weiters ab über die restlichen Teile von Artikel 1 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 2 des Entwurfes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Artikel 2 ist einstimmig beschlossen.

Wir stimmen weiters getrennt ab über Artikel 3 der Vorlage in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle einstimmige Annahme fest.

Die Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 4 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, die Beschlussfassung erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die restlichen Teile von Artikel 4 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass dieser Teil des Entwurfes mehrstimmig angenommen wurde.

Wir stimmen nun getrennt ab über Artikel 5 der Vorlage in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte um ein Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Ebenfalls getrennte Abstimmung gibt es über Artikel 6 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (Widerspruch bei den Grünen.) – Nein. Dann stelle ich die Enunziation endgültig wie folgt fest: Die Annahme erfolgt mit Stimmenmehrheit.


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117. Sitzung / Seite 107

Wir kommen weiters zur getrennten Abstimmung über Artikel 7 der Vorlage in der Fassung des Ausschussberichtes.

Auch hiezu darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen ersuchen. – Das ist nun wirklich einstimmig. Frau Kollegin Haidlmayr stimmt auch zu.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag zu Artikel 8 eingebracht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den gleichen Teil des Gesetzes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest, das ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir stimmen weiters ab über die restlichen Teile von Artikel 8 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir stimmen getrennt ab über Artikel 9 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass dies mit Stimmenmehrheit angenommen wurde.

Getrennte Abstimmung gibt es auch über Artikel 10 der Vorlage.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 11.

Wer einverstanden ist, möge dies bitte zum Ausdruck bringen. – Artikel 11 ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Nun erfolgt getrennte Abstimmung über Artikel 12 der Vorlage.

Für den Fall der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest, Artikel 12 ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Es erfolgt getrennte Abstimmung über Artikel 13. – Ich stelle fest, Artikel 13 ist in getrennter Abstimmung einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Titel und Eingang des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung der Vorlage zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass die Vorlage in dritter Lesung einstimmig angenommen wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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117. Sitzung / Seite 108

Beschluss auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2002/2003

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir stimmen jetzt über das Tagungsende ab.

Es liegt mir ein Antrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Dr. Khol vor, welcher folgenden Wortlaut hat:

"Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die ordentliche Tagung 2002 und 2003 der XXI. Gesetzgebungsperiode mit Schluss der 117. Sitzung des Nationalrates für beendet zu erklären."

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Antrag auf Tagungsende mit Stimmenmehrheit angenommen wurde.

Antrag auf Permanenterklärung von Ausschüssen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ferner ein Antrag des Abgeordneten Dr. Kräuter vor, der sich auf § 46 Absatz 4 der Geschäftsordnung stützt und zum Inhalt hat, dass der Rechnungshofausschuss und auch der Ständige Unterausschuss des Rechnungshofes beauftragt werden sollen, ihre Arbeiten während der tagungsfreien Zeit fortzusetzen, also eine so genannte Permanenzerklärung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag auf Fortsetzung der Arbeiten des Rechnungshofausschusses zustimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag findet keine Mehrheit und ist daher abgelehnt.

Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt darüber hinaus ein schriftliches Verlangen von 20 Abgeordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 1 sowie des Beschlusses auf Beendigung der Tagung gleich zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde diesem Verlangen entsprechen und verlese nun folgende Formulierung des Amtlichen Protokolles:

Dieser Teil des Amtlichen Protokolles wird wie folgt vorgeschlagen:

"Hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 3 wird nach § 44 Abs. 2 GOG einstimmig – also mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – beschlossen, von der 24-stündigen Auflagefrist der Ausschussberichte 1287, 1290 und 1289 der Beilagen Abstand zu nehmen."

"Zum Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 751/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Mag. Karl Schweitzer, Dr. Andreas Khol, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1287 der Beilagen)"

"Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1287 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung einstimmig angenommen."

"Auf Antrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Khol, Kolleginnen und Kollegen (Beilage D) fasst der Nationalrat mehrstimmig (dafür F, V) nachstehenden Beschluss:

,Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die ordentliche Tagung 2002/2003 der XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Schluss der 117. Sitzung des Nationalrates für beendet zu erklären.‘"


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117. Sitzung / Seite 109

"Es liegt ein Verlangen gemäß § 51 Abs. 6 GOG von 20 Abgeordneten auf Verlesung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 1 sowie des Beschlusses auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2002/2003 vor (Beilage C)."

Erheben sich gegen diese Fassung des Amtlichen Protokolls irgendwelche Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall.

Damit gilt dieser Teil des Amtlichen Protokolls nach § 51 der Geschäftsordnung mit Sitzungsende als genehmigt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung keine Anträge eingebracht worden sind.

Es sind die Anfragen 4388/J bis 4422/J eingelangt.

Schlussansprache des Präsidenten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende dieser 117. Sitzung des Nationalrates und voraussichtlich auch, falls nicht eine außerordentliche Tagung stattfinden sollte, am Ende der letzten Sitzung dieser Gesetzgebungsperiode angelangt.

Sie wissen, dass wir rund 390 Gesetze beschlossen haben, davon rund 42 Prozent einstimmig und 58 Prozent mehrstimmig.

Es folgt nun, wie immer in einer Demokratie, am Ende der Gesetzgebungsperiode die Wahlwerbung für die Entscheidung über die Zusammensetzung des neuen Nationalrates.

Ich möchte jetzt nicht den Fehler begehen, von dieser Stelle aus irgendwelche gut gemeinten Ermahnungen zu formulieren, nicht zuletzt deshalb, weil ich weiß: Die Demokratie muss auch konfliktfähig sein. – Aber es kann vielleicht nicht schaden, wenn wir, jeder für sich selbst, so etwas wie einen politischen kategorischen Imperativ formulieren, der etwa lauten könnte: Handle in der politischen Auseinandersetzung so, wie du es auch von den anderen erwartest, und tue nichts, was dich empören würde, wenn es andere tun würden! – Vielleicht ist das ein Leitmotiv, das hilfreich sein kann.

Wenn der Nationalrat in ziemlich genau drei Monaten zu seiner konstituierenden Sitzung der XXII. Gesetzgebungsperiode zusammentreten wird, dann wird er eine andere, eine sehr andere Zusammensetzung haben als heute. Ich mache darauf aufmerksam, dass auch der heutige Nationalrat nur mehr 150 jener Abgeordneten umfasst, die im Dezember 1999 angelobt worden sind. 33 sind inzwischen ausgeschieden und durch neue Kolleginnen und Kollegen ersetzt worden. Noch größer ist traditionellerweise der Wechsel am Beginn einer neuen Gesetzgebungsperiode.

Wenn wir auch das Wahlresultat noch nicht kennen können und daher auch nicht wissen, wie der Nationalrat in seiner neuen Zusammensetzung aussehen wird, ist es mir wirklich ein Bedürfnis, den Kolleginnen und Kollegen, die im Nationalrat gearbeitet haben, sich bemüht haben, geplagt haben, und die mit Ende der Legislaturperiode ausscheiden werden, in Ihrer aller Namen ein sehr, sehr herzliches Wort des Dankes zu sagen. Es ist an die Adresse aller Ausscheidenden gerichtet.

In früheren Sitzungen am Ende einer Gesetzgebungsperiode war es manchmal so, dass man einige Kollegen gewissermaßen stellvertretend hervorgehoben hat. Ich erinnere mich, wie wir uns etwa vom Kollegen Neisser und anderen verabschiedet haben.


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117. Sitzung / Seite 110

Ich möchte daher darauf hinweisen, dass einige, die besonders lange im Haus waren oder die wirklich die "Senioren" sind, ausscheiden. Ich richte mich in diesem Zusammenhang an Herrn Dr. Ofner, mit dem ich dreieinhalb Jahre lang in einer Bundesregierung gesessen bin und der, glaube ich, ein Jahrgang ist, zu dem wir alle – fast alle zumindest – aufblicken müssen. Herr Abgeordneter! Stellvertretend für die anderen, die aus der freiheitlichen Fraktion ausscheiden, möchte ich Ihnen alles Gute wünschen und herzlich danken! (Allgemeiner Beifall.)

Ich gehe jetzt nicht nach irgendwelchen Protokollen und Hierarchien vor, aber was den ÖVP-Klub betrifft, so weiß ich, dass ich Herrn Professor Bruckmann seit längerem besonders scharf beobachtet habe, schon im Jahre 1966 und auch im Jahre 1970. Mein persönlicher Eindruck war immer: Wenn er sehr freundlich und optimistisch dreingeschaut hat, dann konnte sich die Partei des Herrn Dr. Taus oder Dr. Mock freuen; wenn er weniger freundlich dreingeschaut hat, hat sich damals meistens Bruno Kreisky schon gefreut, bevor er die ersten Zahlen gekannt hat. – Kollege Bruckmann, Sie sind auch einer der Ältesten hier im Haus: Alles Gute! Herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Bei den Grünen habe ich niemanden gefunden, denn ich glaube, dass alle wieder auf der Kandidatenliste stehen werden oder zumindest stehen wollen. Und es steht mir nicht zu, mich von jemandem zu verabschieden, der sich dann mit Händen und Füßen dagegen wehren würde. (Heiterkeit.) Aber das ist keine Unfreundlichkeit gegenüber dieser Fraktion.

In der SPÖ ist es so, meine Damen und Herren, dass Herr Abgeordneter Heindl runde 30 Jahre dem Nationalrat angehört. Er war ein sehr effizienter Sekretär des Ministers Staribacher und hat dann den Sprung ins Parlament geschafft. Er hat hier drei Jahrzehnte gesetzgeberische, parlamentarische Arbeit geleistet. Lieber Kurt! Alles Gute und herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte mich bei den Kollegen im Präsidium ... (Abg. Dr. Khol: Feurstein!) – Der ÖVP-Klub reklamiert einen Zweiten! (Heiterkeit.)  – Also gut, ohne Präjudiz: Lieber Kollege Feurstein! Herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Ich wollte gerade wie folgt fortfahren: Ich bedanke mich auch wirklich ernsthaft bei den Mitgliedern der Präsidialkonferenz, denn ich glaube – ich habe es nicht ausgezählt –, wir haben 98 oder 99 Prozent aller Entscheidungen letztlich einhellig getroffen, so schwierig sie auch immer waren. Das ist nicht immer leicht, und da müssen alle mitwirken. Ich bedanke mich bei allen Mitgliedern der Präsidialkonferenz – bei Präsident Fasslabend, Präsident Prinzhorn, bei den Klubobmännern Gusenbauer, Cap, Westenthaler, Khol, Van der Bellen – sehr, sehr herzlich.

Ich möchte auch ein Wort direkt an Herrn Kollegen Westenthaler richten. – Die Frau Vizekanzlerin hat gestern in der Art, wie sie sich verabschiedet hat, ein gutes Beispiel gegeben. Das hat uns allen imponiert, und als sie es dann noch zustande gebracht hat, zu sagen, sie bedankt sich auch bei der Opposition, weil die Auseinandersetzung mit der Opposition wichtig ist und weil sie Respekt vor der Opposition hat, war das wirklich sehr bemerkenswert.

Im gleichen Sinn bedanke ich mich jetzt bei dem aus seiner Funktion als Klubobmann ausgeschiedenen Kollegen Westenthaler. Wir waren nicht immer in voller Harmonie zueinander, und ich habe manches harte Wort hören müssen. Aber man lernt daraus, und es war sicher nicht in persönlicher Hinsicht gemeint, sondern resultierte aus dem starken Engagement eines Klubobmannes. Das muss man respektieren. Kollege Westenthaler! Herzlichen Dank für Ihre Arbeit im Parlament! (Allgemeiner Beifall.)

Nicht vergessen möchte ich, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses herzlich zu danken, die uns gute Arbeit leisten – und die sicher auch nichts dafür können, dass dieses verdammte Mikrophon zweimal hintereinander nicht funktioniert hat. Wir werden das Mikrophon jetzt gründlich reparieren.


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117. Sitzung / Seite 111

Ich möchte die Sitzung mit einem sehr starken, in Ihrer aller Namen ausgesprochenen Bekenntnis zur demokratischen Republik Österreich schließen.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Unter anhaltendem allgemeinem Beifall begeben sich die Klubobmänner Dr. Gusenbauer, Dr. Cap, Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Dr. Van der Bellen zum Präsidium, um sich von Präsident Dr. Fischer , dem Zweiten Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn und dem Dritten Präsidenten Dr. Fasslabend mit den besten Wünschen zu verabschieden.)

Schluss der Sitzung: 16.08 Uhr