Stenographisches Protokoll

43. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Montag, 30. Oktober 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

43. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Montag, 30. Oktober 2000

Dauer der Sitzung

Montag, 30. Oktober 2000: 10.02 – 18.03 Uhr

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Harald
Fischl
8

Angelobung der Abgeordneten Ing. Kurt Scheuch und Mag. Gerhard Hetzl 8

Personalien

Verhinderungen 8

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 10

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich, der Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörden, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt Daten an nicht Berechtigte weitergegeben wurden, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 114

Bekanntgabe 14


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43. Sitzung / Seite 2

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 14

Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates und zur Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 114

Bekanntgabe 14

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 14

Gemeinsame Debatte über diese beiden Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen 88, 114

Redner:

Dr. Peter Pilz 115

Dr. Josef Cap 116

Dr. Peter Wittmann 118

Dr. Martin Graf 119

Johann Loos 121

Karl Öllinger 122

Ablehnung der beiden Anträge 124

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Ausführungen der Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 47

Mitteilung des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend Debattenbeiträge zur Tagesordnung 48

Wortmeldung der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic betreffend Abhaltung einer Kurzpräsidiale 77

Wortmeldung des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler betreffend die von Abgeordneter MMag. Dr. Madeleine Petrovic angesprochene Kurzpräsidiale 78

Verlangen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka auf Erteilung eines Ordnungsrufes sowie Abhaltung einer Präsidiale 78

Mitteilung des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend die in der nächsten Präsidialkonferenz zu behandelnden Themen 78

Verlangen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka auf Erteilung eines Ordnungsrufes 78

Mitteilung des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend Praxis bei der Erteilung von Ordnungsrufen 79

Wortmeldungen ebenfalls in diesem Zusammenhang:

Dr. Andreas Khol 79

Dr. Peter Kostelka 79

Mitteilung des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend Rechte und Pflichten des Präsidenten 79

Mitteilung des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend die Ausführungen der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel 86

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 8

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl sowie Ernennung von Herrn Mag. Herbert Haupt zum Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen durch den Bundespräsidenten 9


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43. Sitzung / Seite 3

Verlangen auf Durchführung einer Debatte darüber gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 9

Redner:

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 10

Dr. Alfred Gusenbauer 15, 111

Ing. Peter Westenthaler 18, 109

Dr. Peter Pilz 23, 108

Dr. Gottfried Feurstein 26

Dr. Peter Pilz (tatsächliche Berichtigung) 29

Dr. Gottfried Feurstein (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 30

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 30

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 31

Rudolf Edlinger 34

Reinhart Gaugg 37

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 39

Dr. Andreas Khol 42

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 44

Mag. Barbara Prammer 48

Dr. Harald Ofner 51

Dr. Alexander Van der Bellen 53

Karl Donabauer 56

Friedrich Verzetnitsch 58

Edith Haller 60

Mag. Terezija Stoisits 61

Dr. Reinhold Mitterlehner 64

Mag. Andrea Kuntzl 66

Sigisbert Dolinschek 68

Karl Öllinger 69

Paul Kiss 71

Dr. Caspar Einem 72

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 75, 109

Mag. Rüdiger Schender 80

Theresia Haidlmayr 81

Mag. Walter Tancsits 83

Dr. Ilse Mertel 84

Dr. Alois Pumberger 86

Annemarie Reitsamer 88

Mag. Martina Pecher 90

Dr. Elisabeth Pittermann 92

Norbert Staffaneller 94

Karl Dobnigg 95

Ing. Hermann Schultes 97

Ridi Steibl 98

Mag. Dr. Josef Trinkl 100

Dr. Michael Krüger 101

Jakob Pistotnig 103

Dr. Sylvia Papházy, MBA 104

Dr. Peter Kostelka 105

Paul Kiss (tatsächliche Berichtigung) 112

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung 17, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Aufforderung an den Bundeskanzler, im Sinne des


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43. Sitzung / Seite 4

Artikels 70 Bundes-Verfassungsgesetz dem Bundespräsidenten vorzuschlagen, den Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer von seinem Amt zu entbinden – Ablehnung 54, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Erhöhung der Treffsicherheit des Bundespflegegeldgesetzes – Ablehnung 83, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Annemarie Reitsamer und Genossen betreffend unvertretbare Verschlechterungen im Arbeitslosenversicherungsbereich – Ablehnung 89, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren – Ablehnung 93, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Dobnigg und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich des Pflegegeldes – Ablehnung 97, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend Ermächtigung zur Erteilung von Auskünften über bespitzelte Personen im Zusammenhang mit der illegalen Weitergabe von Polizeidaten – Ablehnung 106, 113

Ausschüsse

Zuweisungen 9

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Fünfter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses 10

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 9

279: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll

315: Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz geändert wird

Bericht 9

Vorlage 17 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 3. Quartal 2000; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsanwaltschaftsgesetz durch Bestimmungen für den Fall der Befangenheit des Bundesministers für Justiz ergänzt wird (314/A)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend die Organisationsreform der Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung in Österreich (z. B. Privatisierung, Ausgliederung) (315/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend die Nichtnovellierung der "Suchtgift-Grenzmengenverordnung" (316/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend eine österreichische Initiative für EU-Projekte zur Sanierung nuklearer Altlasten auf der Halbinsel Kola und in der Barents-See (317/A) (E)


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Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird (318/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend einen millionenschweren Persönlichkeitswerbefeldzug der Bundesministerin Sickl insbesondere durch eine Inseratenschaltung in der "Kronen Zeitung" (1416/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundeskanzler betreffend einen millionenschweren Persönlichkeitswerbefeldzug der Bundesministerin Sickl insbesondere durch eine Inseratenschaltung in der "Kronen Zeitung" (1417/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend einen millionenschweren Persönlichkeitswerbefeldzug der Bundesministerin Sickl insbesondere durch eine Inseratenschaltung in der "Kronen Zeitung" (1418/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Publikation PNO-Nachrichten (1419/J)

Otmar Brix und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend World Vision Kongo-Projekt; katastrophale Beurteilung durch externe Beraterfirma (1420/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Publikation PNO-Nachrichten (1421/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Ausgliederung Insolvenzausfallgeldfonds – Schließung des Standortes Salzburg (1422/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Ausgliederung Insolvenzausfallgeldfonds – Schließung des Standortes Salzburg (1423/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Turbulenzen der ÖVP-Kärnten und Vereinsrecht (1424/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Aktivitäten des österreichischen Botschafters Peter Moser in Washington gegen die immerwährende Neutralität und für einen NATO-Beitritt Österreichs (1425/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aktivitäten des österreichischen Botschafters Peter Moser in Washington gegen die immerwährende Neutralität und für einen NATO-Beitritt Österreichs (1426/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Aktivitäten des österreichischen Botschafters Peter Moser in Washington gegen die immerwährende Neutralität und für einen NATO-Beitritt Österreichs (1427/J)


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Robert Egghart und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Informationsweitergabe im Bereich der BPD Wien (1428/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Einladung verschiedener NGOs (1429/J)

Robert Egghart und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Informationsbeschaffung im Bereich der Exekutive (1430/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Abfragen über Dateien des BMF hinsichtlich Mitglieder der "NEWS"-Chefredaktion (1431/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Abfragen über Dateien des BMJ hinsichtlich Mitglieder der "NEWS"-Chefredaktion (1432/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend EKIS-Abfragen und anderer Dateien des BMI hinsichtlich Mitglieder der "NEWS"-Chefredaktion (1433/J)

Mag. Werner Kogler und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Terminal Graz-Süd (1434/J)

Mag. Werner Kogler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend gerichtliche Amtshandlung gegen Herrn Heribert Wolsch (1435/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Studienabschluss-Stipendien (1436/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Politik gegen den ländlichen Raum durch Schließung von Postämtern (1437/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Mittel für Tiroler Schulbauten (1438/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einrichtung von österreichischen Gastprofessuren (1439/J)

Franz Riepl und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Vorschreiberichtlinien bei der Einhebung der Ambulanzgebühren (1440/J)

Dr. Ilse Mertel und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Inseratenkampagne zu familienpolitischen Leistungen (1441/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Neubau des UKH Linz (1442/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Ausgliederung der Kustodiats- und Klassenvorstandstätigkeit aus den Lehrverpflichtungen (1443/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Bespitzelung" des Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer (1444/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Verkäufe von Flächen der Bundesforste im Kobernaußerwald (1445/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Verkauf des Attersees an die Österreichische Bundesforste AG (1446/J)

Otto Pendl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kostenersatz für Auslandsdienst (1447/J)


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43. Sitzung / Seite 7

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (1165/AB zu 1244/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1166/AB zu 1185/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1167/AB zu 1192/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1168/AB zu 1193/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1169/AB zu 1194/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1170/AB zu 1195/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1171/AB zu 1196/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1172/AB zu 1197/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1173/AB zu 1198/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1174/AB zu 1199/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1175/AB zu 1200/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1176/AB zu 1201/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1177/AB zu 1202/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1178/AB zu 1203/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1179/AB zu 1206/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1180/AB zu 1342/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1181/AB zu 1225/J)

 

 


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43. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 10.02 Uhr

Vorsitzende: Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Sitzung ist eröffnet.

Die Amtlichen Protokolle der 40. Sitzung vom 18. und 19. Oktober sowie der 41. und 42. Sitzung vom 19. Oktober 2000 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind der Präsident des Nationalrates Dr. Heinz Fischer sowie die Abgeordneten Dr. Grünewald, Mag. Lunacek, Dr. Partik-Pablé, Dr. Glawischnig, Gaál, Lackner, Leikam, Nürnberger, Dr. Zernatto, Dr. Spindelegger und Dr. Fekter.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Bundeswahlbehörde sind die Mitteilungen eingelangt, dass die Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Harald Fischl auf ihre Mandate verzichtet haben und an ihrer Stelle Ing. Kurt Scheuch und Mag. Gerhard Hetzl in den Nationalrat berufen wurden.

Da die Wahlscheine bereits vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, werde ich sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch die Schriftführerin werden die neuen Mandatare ihre Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Haller, um die Verlesung der Gelöbnisformel und den Namensaufruf.

Schriftführerin Edith Haller: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Haller leisten die nachstehend angeführten Abgeordneten die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe":

Ing. Kurt Scheuch, Mag. Gerhard Hetzl.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich begrüße die neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer wird durch Bundesminister Dr. Martin Bartenstein vertreten, Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer durch Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner.


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43. Sitzung / Seite 9

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ferner liegt mir ein Schreiben des Bundeskanzlers mit folgendem Wortlaut vor:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 24. Oktober 2000, Zl. 300.000/6-BEV/2000, über meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl vom Amt entbunden hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Mag. Herbert Haupt zum Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen ernannt."

*****

Zur soeben verlesenen Mitteilung liegt mir das Verlangen von fünf Abgeordneten vor, gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine Debatte durchzuführen.

Werden gegen die sofortige Durchführung der Debatte Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1416/J bis 1435/J.

2. Anfragebeantwortungen: 1165/AB bis 1181/AB.

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz geändert wird (315 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 3. Quartal 2000 (Vorlage 17 BA).

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuss:


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43. Sitzung / Seite 10

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (279 der Beilagen).

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ferner gebe ich bekannt, dass der Fünfte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an die Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

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Bevor wir in die Debatte eintreten, begrüße ich eine Delegation des Deutschen Bundestages unter der Führung des Mitgliedes des Bundestages Abgeordneten Brunnhuber sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Redezeitbeschränkung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer und Gestaltung der Debatte wie folgt erzielt: Es wurde eine Tagesblockzeit von 6 "Wiener Stunden" vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 117 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 87 Minuten sowie Grüne 69 Minuten.

Für die ersten drei Stunden wurde folgende Redezeitvereinbarung getroffen: Zunächst erhält der Bundeskanzler mit 15 Minuten Redezeit das Wort, dann folgt je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 15 Minuten, sodann die Wortmeldung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen mit 15 Minuten Redezeit, in weiterer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 10 Minuten Redezeit, anschließend eine Wortmeldung der Vizekanzlerin mit 10 Minuten Redezeit und schließlich wieder je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 8 Minuten Redezeit.

Für die anschließenden drei Stunden wurde keine Redezeitvereinbarung getroffen, sodass diesbezüglich die Regelungen des Geschäftsordnungsgesetzes Anwendung finden.

Wir kommen nun zur Abstimmung darüber.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einvernehmlich angenommen.

Debatte über die Ernennung eines Mitgliedes der Bundesregierung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Debatte über die Mitteilung betreffend die Ernennung eines Mitgliedes der Bundesregierung. (Die weiblichen Abgeordneten der SPÖ erscheinen zu dieser Sitzung durchwegs mit Anzug und Krawatte bekleidet.)

Das Wort erhält zunächst der Herr Bundeskanzler. Ich erteile es ihm.

10.07

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen heute eine Umbildung der Bundesregierung im Sozialressort bekannt geben und begründen.

Die Sozialpolitik ist in den letzten neun Monaten im Zentrum der politischen Reformen gestanden und wird dort auch für den Rest der Gesetzgebungsperiode bleiben. Wir haben mit allen wichtigen Gruppierungen des Landes Reformdialoge eingeleitet. Regierung, Opposition, Sozialpartner und Wissenschafter haben mitgewirkt, und wir haben einen Teil des Reformprogramms auch bereits verwirklicht.


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43. Sitzung / Seite 11

Erstens: Die Pensionsreform 2000 ist ein ganz großer und wichtiger Schritt, um die Pensionen an die demographischen Gegebenheiten neu anzupassen, um sie für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sicherer zu machen und zugleich auch Strukturreformen einzuleiten, die dringlich überfällig waren.

Damit haben wir die Pensionen für die ältere Generation für diese Legislaturperiode gesichert. Wir haben der Jugend nicht untragbare Lasten aufgebürdet und die Chance auf eine eigene Pension erhalten. Und wir haben den ohne die Reform eingetretenen Zuwachs des Bundeszuschusses zur Pensionsversicherung immerhin halbiert. Ein erster wichtiger Schritt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Bundesregierung hat zum ersten Mal – moderat und sozial verträglich, aber immerhin – das Antrittsalter für Frühpensionisten um 18 Monate erhöht. Diese Reform ist sozial gerecht, weil wirklich alle betroffenen Gruppen, ob Beamte, Angestellte, Eisenbahner oder Bauern, voll eingebunden sind. Ich halte es für sehr wichtig, dass auch wirklich alle Berufsgruppen an einer solchen Reform mitwirken.

Neu ist auch das Bekenntnis zur Systempflege. Meine Damen und Herren! Wer der heutigen Generation vorgaukelt, die Pensionen seien in jedem Fall sicher und es bedürfe auch in Zukunft langfristig keiner Anpassung des Systems an geänderte Fragen wie Lebenserwartung, Beschäftigtenzahl oder Finanzierbarkeit, sagt nicht die Wahrheit! Das muss heute so ausgesprochen werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Opposition hat zu dieser Reform, die mit 1. Oktober, also vor wenigen Tagen, in Kraft getreten ist, massive Kritik geäußert; wir wissen das. Es wurde vor allem behauptet, es würde zu massiven Beeinträchtigungen auf dem Arbeitsmarkt kommen. – Das ist nicht der Fall.

Sie alle kennen die Daten: Die Beschäftigung nimmt heuer zu, und sie wird auch im nächsten Jahr um fast 1 Prozent zunehmen. Wir werden eine Rekordbeschäftigung von immerhin 3,1 Millionen unselbständigen Arbeitnehmern haben, und – das ist wichtig – gerade die Arbeitslosigkeit bei älteren Mitarbeitern geht tendenziell noch stärker zurück als die Gesamtarbeitslosigkeit. Ende September waren nur noch 35 000 Arbeitslose, die über 50 Jahre alt sind, gemeldet. Das sind gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres um fast 22 Prozent weniger, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Reform war daher notwendig, sie war richtig und wurde auch wirklich sozial verträglich durchgesetzt.

Zweitens haben wir das gesamte Sozialsystem einer fairen und wissenschaftlich objektiven Überprüfung unterziehen lassen. Eine Expertenkommission unter der Führung von Professor Mazal hat versucht, alle Gruppierungen einzubinden, und bei Gesamtausgaben für die soziale Sicherheit in Österreich in der Höhe von rund 760 Milliarden Schilling immerhin hinsichtlich von 300 Milliarden Schilling genau überprüft, was davon sozial gerecht, weniger gerecht oder gar nicht treffsicher vergeben wird.

Die Bundesregierung hat auf Grund dieser Expertise dann sehr rasch – wir waren ja parallel in den Meinungsbildungsprozess auch eingeschaltet und darüber informiert – ein Gesamtvolumen von etwa 5 Milliarden Schilling als mögliches Einsparungspotential identifiziert; es geht dabei immerhin um ein Volumen von 0,7 Prozent der gesamten Sozialausgaben oder -aufwendungen. Ich halte das für absolut in Ordnung. Ich glaube, dass wir jetzt vor allem auch mit den kommenden Gesprächen auf parlamentarischer Ebene gut liegen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erlauben Sie, dass ich an dieser Stelle der ausgeschiedenen Sozialministerin Elisabeth Sickl meinen herzlichen Dank sage. Sie hat gemeinsam mit den anderen Regierungskollegen sehr schwierige Aufgaben bewältigt, ohne (Zwischenruf bei der SPÖ)  – und dafür ist ihr sehr zu danken, Herr Kollege – dass die Republik gebrannt hätte, wie dies von manchen Leuten behauptet wurde. Ich danke ihr ausdrücklich für diese Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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43. Sitzung / Seite 12

Die hohe Akzeptanz der Maßnahmen ist auch eine Folge der Teamarbeit in der Bundesregierung, in diesem Fall unter der Führung von Elisabeth Sickl, und der sozialen Ausgewogenheit. Ich glaube, dass Elisabeth Sickl in den letzten neun Monaten vieles in Bewegung gebracht hat. Ganz gleich, wie die öffentliche Meinung oder die Opposition dies wertet, ich möchte ihr im Namen der Regierung meinen Dank aussprechen. Das, was sie für unser Land getan hat, war wichtig! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herbert Haupt, ihren Nachfolger, vorzustellen, ist gerade hier im Hohen Hause, wie ich meine, nicht unbedingt notwendig. Er ist langjähriger Abgeordneter, und zwar seit dem Jahre 1986. Sein Zugang zum Thema Soziales ist fundiert, er war Sozialsprecher, Mitglied des Gesundheitsausschusses und Obmannstellvertreter des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Herbert Haupt hat sich eine Reihe von sehr wichtigen Themen vorgenommen. Nehmen Sie einmal die gesamte Frage der Gesundheitspolitik – die Gesundheitspolitik wird in den nächsten Monaten und Jahren ganz besondere Bedeutung haben. Es geht um die Fragen: Wie kann man innerhalb der Gesundheitsverwaltung optimieren? Ist es wirklich klug, dass es unterschiedliche EDV-Systeme gibt? Was kann man tun, um eine Art Gesundheitskarte zu entwickeln, die letztlich für die Patienten, für die Versicherten tatsächlich sehr viel bedeutet? – Ich glaube, dass in diesem Bereich unglaublich viel zur Reform ansteht, und ich traue es Herbert Haupt zu, dass er auch die notwendigen Strukturreformen, die notwendigen Tabus zur Diskussion stellt, nämlich ob man nicht mit einer mutigen Zusammenlegung von Sozialversicherungsanstalten hier weiter geht, als es frühere Sozialminister auch nur gedacht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Immerhin haben wir Arbeiter und Angestellte sozialversicherungsrechtlich gleichgestellt. Welchen Grund gibt es dann heute noch dafür, die Pensionsversicherungssysteme der Arbeiter und Angestellten getrennt zu halten? – Ich glaube, dass Herbert Haupt da ein reiches Betätigungsfeld haben wird.

Es ist auch so, dass die Krankenkassenreform zwar in Ansätzen Gestalt gewinnt, dass aber natürlich auch vom Gesundheits- und Sozialministerium her der notwendige Druck ausgeübt werden muss, damit die Versicherten eben nicht über das notwendige Maß hinaus belastet werden.

Noch ein Thema: Wir haben zum ersten Mal für Behinderte eine wirkliche Offensive vorgestellt. Wir wissen genau, dass im Bereich der Behindertenarbeit viele Themen diskutiert und gelöst werden müssen. Wir wissen, dass es viele tausend Behinderte gibt, die heute keinen Arbeitsplatz haben. Ich traue Herbert Haupt zu, dass er mit dem Offensivprogramm in der Höhe von 1 Milliarde Schilling für die behinderten Menschen in der Sozialpolitik neue Maßstäbe setzen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Letzter Punkt dazu: Herbert Haupt ist natürlich auch für Frauenangelegenheiten zuständig. Ich habe registriert, dass einige weibliche Abgeordnete heute Krawatten tragen, und ich finde es sehr gut, dass man hier nicht mehr ausschließlich nach dem Geschlecht vorgeht: Jeder kann eine Krawatte oder ein Mascherl tragen, und es kann auch jeder Männer- oder Frauenpolitik professionell machen. Mann zu sein, kann doch kein Diskriminierungsgrund sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Bundesregierung wird bis zum Jahr 2006 immerhin 17 Milliarden Schilling für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Verfügung stellen, und davon werden 50 Prozent, also über 8,5 Milliarden Schilling, für Frauen zur Verfügung gestellt. Fast 2 Milliarden Schilling sind für die Förderung von Frauen in nicht traditionellen und zukunftsträchtigen Berufsfeldern vorgesehen. Ich meine, das ist ein Programm, das sich sehen lassen kann. Herbert Haupt wird es gemeinsam mit unserem Minister Bartenstein verwalten. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erlauben Sie mir aber auch, aus gegebenem Anlass – ich glaube, Sie erwarten das ja auch von mir – hier nicht nur zur Ressortumbildung Stellung zu nehmen, sondern auch einige Worte zum gegenwärtigen Datenmissbrauchsfall zu sagen.


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Es sind schwerwiegende Anschuldigungen erhoben worden, die strafrechtliche Konsequenzen haben; ich sage das hier sehr deutlich. Ich bekenne mich daher ausdrücklich dazu, dass diese Vorwürfe von den unabhängigen Gerichten voll und ganz untersucht werden sollen – nicht von einer Politjustiz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ebenso ist klar, meine Damen und Herren, dass die Unschuldsvermutung zu gelten hat, und zwar für jeden, ob er Politiker, Journalist oder Polizist ist. Ich verweise hier auch ausdrücklich auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die im Artikel 6 stipuliert:

"Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über" ihn zu entscheiden hat.

Absatz 2: "Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist."

Meine Damen und Herren! Um wieviel mehr gilt das erst für Menschen, gegen die Vorerhebungen  – keineswegs eine Anklage; Vorerhebungen (Zwischenruf des Abg. Edler )  – in die Wege geleitet worden sind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Untersuchungsausschuss!) Daher: ja zur Untersuchung, nein zu einer Vorverurteilung.

Ich gebe Ihnen Folgendes zu bedenken, meine Damen und Herren: In Österreich sind die Lasserschen Artikel abgeschafft – richtigerweise abgeschafft –, daher ist aber die Frage der journalistischen Sorgfaltspflicht umso stärker in den Vordergrund zu rücken. Ich verweise hier insbesondere auf Professor Ermacora und sein "Handbuch zum Völkerrecht und zur Europäischen Menschenrechtskonvention". (Abg. Öllinger: Das Handbuch für die Bundesregierung!) Geben Sie sich einen Moment der Prüfung hin, ob die Magazine, die heute erschienen sind, in der Art und Weise der Aufmachung genau diese Unschuldsvermutung widerspiegeln! Ich glaube, die Sensibilität im Umgang mit der Sprache, mit Bild und Ton ist für jedermann klar, aber dann sollte dies auch hier gelten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen namens dieser Bundesregierung: Der Umgang mit dem Bürger, der Umgang mit den Daten der Bürger ist höchst sensibel. Wir sind uns dessen bewusst. Das heißt, der Umgang mit Akten, der Umgang mit Polizeidaten aus dem Computer, der Umgang mit vertraulichen Rechnungshofberichten ist sehr wohl ein Thema (Zwischenrufe bei der SPÖ), und ich fordere das Hohe Haus auf, sich die Frage zu stellen: Was soll vertraulich sein? Wie kann man dem berechtigten Anliegen des öffentlichen Interesses und dem individuellen Vertrauensschutz wirklich Rechnung tragen?

Ich habe dieses Thema am Nationalfeiertag in meiner Rede auch offen angesprochen und wiederhole hier: Meine Damen und Herren der Opposition! Ich traue dem unabhängigen Justizminister Dieter Böhmdorfer, der kein Parteimitglied ist (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), zu, dass er unbeeinflusst und ohne Weisung die Justizbehörden untersuchen lässt – weil das selbstverständlich sein muss, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und ich traue dem österreichischen Innenminister, Ernst Strasser, zu, dass er die Polizei- und Sicherheitsbehörden im Auftrag der Justiz unbeeinflusst erheben lässt, aber dann auch die notwendigen Konsequenzen zieht und den gleichen Reformeifer dort einkehren lässt, wie es in allen anderen Bereichen selbstverständlich geworden ist. Ich traue das Ernst Strasser zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein Letztes: Der Oppositionsführer Alfred Gusenbauer hat in einem Interview gegenüber dem "FORMAT" erklärt: Es zeigt, dass der Bundeskanzler völlig von Sinnen ist, wenn er die politische Verantwortung früherer Innenminister releviert. – Meine Damen und Herren! So viel einmal zur Sensibilität und zum Umgang mit der Sprache. Aber das ist Ihr Thema, nicht meines. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wenn es wahr ist, Herr Abgeordneter, dass Beamte Anfragen stellen können, ohne überhaupt den Grund dafür anzugeben, dann gibt es hier Grund genug, zu fragen, wie denn die politische Verantwortung in der Vergangenheit wahrgenommen wurde. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn es möglich ist, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass Polizeigewerkschafter behaupten, dass unter ihrer Dienstnummer Abfragen im EKIS erfolgt sind, dann ist dies ein Thema, das geklärt werden muss, und zwar so rasch wie möglich, Herr Abgeordneter Gusenbauer. Da ist niemand von Sinnen, der dies verlangt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn es wahr ist, dass, obwohl der Nationalrat beschlossen hat, dass die Kartei über Geisteskrankheiten gelöscht werden muss, angeblich, Medienberichten zufolge – ich betone: Medienberichten zufolge; ich identifiziere mich nicht damit –, solche Daten noch immer existieren, dann ist das sehr wohl ein Grund zur Überprüfung. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und, Herr Abgeordneter Gusenbauer, wenn im EKIS-System Vorstrafen, auch solche, die schon getilgt worden sind, noch immer enthalten sind, dann ist auch das, wie ich meine, sehr wohl ein Thema. Und niemand ist von Sinnen, der derartige Fragen stellt, Herr Abgeordneter Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und wenn es wahr ist, dass der frühere Innenminister Schlögl in einem Interview erklärt hat – ich zitiere es; ich kann es ja nicht überprüfen –, ihm sei aus seiner Amtszeit eine größere Anzahl von derartigen Vorfällen, von Beschuldigungen bekannt, wenn diese Gefahr also seit dem Jahre 1997 bekannt war, dann ist zu klären: Was ist geschehen? Welche politischen Konsequenzen sind dann gezogen worden? Wie ist hier vorzugehen? – Dies alles hat zuerst die unabhängige Justiz aufzuklären, wenn es um das Strafrecht geht, und der Innenminister hat zu klären, wenn es um die Konsequenzen geht. – Dazu stehen wir. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.24

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, Herr Abgeordneter Dr. Pilz hat gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung über die Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich und Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörden, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt personenbezogene Daten an dazu nicht Berechtigte weitergegeben wurden, einzusetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Weiters hat Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates und Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten einzusetzen.

Auch hiezu liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.


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Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung und Behandlung der bereits bekannt gegebenen Untersuchungausschuss-Debatte und -Abstimmung statt.

*****

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

10.26

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr haben in Österreich Nationalratswahlen stattgefunden, was einige Kommentatoren dazu veranlasst hat, das letzte Jahr zu bewerten. In einem Kommentar eines Spitzenjournalisten im "Standard" (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP) wird Folgendes festgehalten – ich zitiere –:

Sicher, auch früher wurde in der Politik gemogelt und nicht jedes Versprechen gehalten. Aber mit der Täuschung der Wähler, mit der sich Schüssel im Februar 2000 zum Regierungschef machte, hat er eine Ära des politischen Falschspiels eröffnet, wie sie die Zweite Republik nie zuvor durchschritten hat, mit zarten Anklägen an die Erste. – Zitatende. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was hier beschrieben wird, wird eindrucksvoll bestätigt: nicht nur durch die heutige Rede des Bundeskanzlers, sondern auch durch das politische Klima, das in Österreich geschaffen wurde – ein politisches Klima, in dem der Finanzminister ungestraft behaupten kann (Abg. Haigermoser: "Ungestraft"?), dass zwei Drittel der Bevölkerung von seinen Belastungsbudgets nicht betroffen sind, obwohl er gerade mit über 20 verschiedenen steuerlichen Maßnahmen eben diese zwei Drittel ganz massiv belastet! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Was soll das heißen: "ungestraft"?)

In diesem Klima ist es offensichtlich auch möglich, dass der Kanzler und der Finanzminister noch immer steif und fest behaupten, es werde gespart, obwohl der Staat noch nie so viel Geld ausgegeben hat wie heute, weitere Ausgaben in Milliardenhöhe geplant sind und wir die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte der Zweiten Republik haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Klima getrauen sich einzelne Regierungsvertreter noch immer, das Wort "Gerechtigkeit" in den Mund zu nehmen, obwohl die am stärksten betroffenen Opfer ihrer Politik die sozial Schwachen, die Arbeitslosen und die Unfallrentner sind. Das ist eine Verhöhnung der Betroffenen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist ungeheuerlich! Hören Sie doch auf mit den Schauermärchen!)

Es ist auch blanker Hohn, wenn zum Beispiel Herr Klubobmann Khol sein Verhältnis zur Wahrheit wie folgt definiert: "Wahrheit ist eine Tochter der Zeit." – Das wurde für jene, die dem nicht ganz zustimmen, von einem Spitzenjournalisten im "Kurier" wie folgt übersetzt: "Was interessiert mich morgen, was ich gestern gesagt habe?" – Das kennzeichnet Ihr Verhältnis zur Wahrheit, Herr Abgeordneter Khol! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Veränderungen im Sozialministerium finden nicht deswegen statt, weil die bisherige Ministerin völlig überfordert und unqualifiziert war. Wenn das der Grund dafür gewesen wäre, dann hätte sie bereits vor Monaten zurücktreten müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Was hier stattfindet, ist ganz offensichtlich ein Ablenkungsmanöver von dem, was die FPÖ so schmerzlich hat erfahren müssen, nämlich die Rechnung der Wählerinnen und Wähler dafür, dass sie all ihre Wahrversprechen in den letzten acht Monaten gebrochen hat. Aber der neue Sozialminister ist hier keine Alternative, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Der neue Sozialminister hat sich damit gebrüstet, dass er dieses Paket der asozialen Treffsicherheit mitverhandelt hat, dass er die Sozialpolitik dieser Bundesregierung mitverhandelt hat. Das heißt, dass er, schon bevor er Sozialminister wurde, die Verantwortung für diesen sozialpolitischen Kahlschlag übernommen hat. Es geht nicht um den Austausch von Gesichtern, sondern


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es geht um eine Wende in der Sozialpolitik. Das wäre angesagt, und nicht der Austausch von Gesichtern! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber die FPÖ schafft es offensichtlich nicht, damit zu leben, dass sie vom Wähler bei der letzten steirischen Landtagswahl halbiert wurde, was die Stimmen betrifft. (Abg. Ing. Westenthaler: Und was ist mit euch gewesen? Habt ihr gewonnen?) – Herr Westenthaler, zu Ihnen komme ich später noch, Sie geben genügend Belustigendes her in diesen Tagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Heute bist du nicht gut drauf!) Aber als bisheriger Höhepunkt dieses blau-schwarzen Experimentes ist jetzt noch der FPÖ-Spitzelskandal hinzugekommen, und dieser Skandal hat ganz offensichtlich die Dämmerstunde dieser Bundesregierung eingeläutet. (Ruf bei den Freiheitlichen: Oje!)

Bleiben wir doch bei den Fakten, Herr Bundeskanzler, bei den Fakten, die Sie in Ihrer Rede mit keinem Wort erwähnt haben: Es gibt ganz offensichtlich eine Partei, nämlich die FPÖ, oder einzelne Repräsentanten dieser Partei, die hergehen und Exekutivbeamte bezahlen, damit die Kritiker der FPÖ bespitzelt werden. Das passt so richtig in das Bild der Schamlosigkeit und in ein Politikverständnis, in dem es offensichtlich keine Regeln und keine Verbote mehr gibt, und das zeichnet Ihre Partei aus, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Statt sich dem wirklich politischen Kern dieses Skandals zu widmen, nämlich dass Künstler, Journalisten, Intellektuelle, bis hin zur Caritas, offensichtlich bespitzelt wurden und es absolut kein Unrechtsbewusstsein in dieser Angelegenheit gibt, wird jetzt offensichtlich versucht, eine Verschwörungstheorie zu stricken. Bei den Worten des Herrn Bundeskanzlers sind kein einziges Mal die Worte "FPÖ", "Alt-Parteiobmann Haider", "Kabas", "Kreißl" gefallen, und kein einziges Mal gab es auch nur den Hinweis auf ein vermutetes Unrecht in diesem Zusammenhang. Es gab ausschließlich Attacken gegen die früheren Ressortminister: aufgrund dessen, dass es da ganz offensichtlich zu Machinationen der FPÖ gekommen ist. Und das ist ein demokratiepolitischer Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt kein böses Komplott irgendwelcher Menschen in den Medien oder hier im Parlament. Es gibt keine finstere Macht, die das alles erfunden hat. Es geht schlicht und einfach darum, dass der Staatsanwaltschaft genügend Unterlagen vorliegen, Unterlagen, die dafür ausreichen, dass die Staatsanwaltschaft es gerechtfertigt findet, Vorerhebungen gegen einzelne Spitzenpolitiker der FPÖ einzuleiten. Und das Skandalöse daran ist, dass eine Partei, die in einen solchen Geruch gekommen ist, dieser österreichischen Bundesregierung angehört. Das ist ein Faktum, Herr Bundeskanzler, das Sie bisher verleugnet haben und dem Sie sich nicht gewidmet haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und der so genannte ultimative Gegenangriff, den Herr Klubobmann Westenthaler vergangene Woche angekündigt hat, wird wahrscheinlich als der größte Wochenend-Rohrkrepierer in die Geschichte der österreichischen Medien eingehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das werden wir sehen!)

Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt: Warum sind es nur FPÖ-Funktionäre, die im Zwielicht stehen? Warum ist es der Alt-Parteiobmann der FPÖ, der im Zentrum der Affäre steht? Warum werden immer nur Vertreter der Freiheitlichen Partei beschuldigt? – Ganz offensichtlich: Es ist eine blaue Affäre, ein blauer Skandal und unter Umständen auch einmal ein blaues Kriminal. Das ist die Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das wirklich Ungeheuerliche ist, dass in diesem Zusammenhang ganz offensichtlich auch der amtierende Justizminister, den Sie als ganz besonders unabhängig bezeichnen, der Justizminister, der jahrelang das juristische Schwert der FPÖ und ihres Altparteiobmannes Haider gewesen ist und nun an der Spitze des Justizressorts steht, dass eben dieser Justizminister auch in den Geruch gekommen ist, an diesen Affären beteiligt zu sein, indem er illegal beschaffte Akten in Prozessen verwendet hat.


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Und jetzt soll die Staatsanwaltschaft untersuchen und erheben und dann dem Justizminister offensichtlich auch in eigener Causa die Berichte vorlegen, die dann zu einer weiteren Veranlassung der Justiz führen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt kein eklatanteres Beispiel einer politischen Unvereinbarkeit, als wenn ein Justizminister, der selbst belangt ist, an der Spitze dieses Ressorts sitzt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, dass dieser Justizminister nicht länger das Justizressort führen kann, und wir bringen daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Kostelka, Mag. Andrea Kuntzl und GenossInnen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Dem Bundesminister für Justiz wird durch ausdrückliche Entschließung gemäß Artikel 74 Abs. 1 B-VG das Vertrauen versagt."

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das wäre dringend angebracht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das ist die zweite große Krise dieser Bundesregierung. Bei der ersten haben Sie sich noch auf den Außenfeind ausreden können. Diesmal, Herr Bundeskanzler, können Sie das nicht. Diesmal müssen Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner auseinander setzen. Aber Sie haben sich bisher darauf beschränkt, dass Sie am Nationalfeiertag, der eine große Chance gewesen wäre, sich über das Kleinkarierte zu erheben und das wirklich staatspolitisch Wesentliche zu sagen, eine ausschließlich blau-schwarze Propagandarede gehalten haben, in der Sie mit keinem einzigen Wort die Verstrickung der FPÖ in diese Angelegenheit erwähnt haben, sondern, obwohl Sie darauf Wert legen, dass die Unschuldsvermutung gilt, ausschließlich frühere Innenminister ins Gerede gebracht haben. Mit keinem einzigen Wort haben Sie die vermutlichen Täter erwähnt!

Das ist ein Musterbeispiel dafür, dass es bei Ihnen absolut kein Unrechtsbewusstsein gibt und die politischen Prioritäten völlig falsch gesetzt werden. Und das ist in einem Rechtsstaat keine gute Art, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundeskanzler, Sie sind in dieser Frage nicht der Zuschauer, Sie sind nicht der Frühstücksdirektor, bei all Ihrer Erfahrung mit Frühstücksangelegenheiten (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), Sie sind als Bundeskanzler für die Gesamtheit der Bundesregierung verantwortlich. Und wenn es einen Fall gibt, der die Grundfesten erschüttert, der das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Justiz erschüttert, auch in Teile der Exekutive, dann ist es für einen Bundeskanzler angebracht, über die Koalitionstreue das Staatsbewusstsein und das Grundrechtsbewusstsein zu stellen. Und das haben Sie bis zum heutigen Tag, auch in Ihrer heutigen Rede, unterlassen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Während Ihrer gesamten Rede hat sich jeder gefragt – bei all dem, was Sie aufgeklärt haben wollen: alle politischen Zusammenhänge, die geklärt werden sollen, wer wann wofür verantwortlich war –, warum Sie Ihre Darstellungen dann nicht mit der Bemerkung abgeschlossen haben: Jawohl, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kann Licht ins Dunkel bringen! – Diese


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Schlußfolgerung haben Sie unterlassen. Sie wäre aber die logische Konsequenz Ihrer Fragestellungen gewesen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die eigentliche Doppelbödigkeit der Haltung dieser Regierung besteht darin, dass dauernd so getan wird, als ob man an Aufklärung interessiert wäre. Auch der Herr Altparteiobmann Haider hat gemeint, er empfiehlt seiner Fraktion, dass sie einem Untersuchungsausschuss zustimmt. – 24 Stunden später hat uns Herr Westenthaler aber mitgeteilt, ein Untersuchungsausschuss sei jetzt nicht notwendig, und es sei alles mit Haider abgestimmt.

Drei Tage danach sagt sein Alt-Parteiobmann wieder: Untersuchungsausschuss? Kein Problem! – Und heute stellt sich der Bundeskanzler hierher und listet eine Reihe von Fragen auf, die geklärt werden sollen. Und was ist die Konsequenz? Die beiden Koalitionsparteien werden wieder einen Untersuchungsausschuss niederstimmen, weil sie an der Aufklärung nicht interessiert sind und Einzelne ganz offensichtlich etwas zu verbergen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie dienen mit diesem Verhalten nicht Österreich, Sie dienen nicht einmal Ihren kleinlichen parteipolitischen Machtinteressen, sondern Sie schaden damit dem Grundrechtsbewusstsein, Sie schaden dem Ansehen wesentlicher Staatsorgane, und Sie leisten einen Beitrag dazu, dass sich viele Bürger in diesem Land nicht mehr sicher sind und sich fragen: Werden wir bespitzelt? Von wem? Mit welchem Auftrag? Wo enden die Informationen, und was werden Westenthaler, Haider und Stadler bei Gelegenheit wieder daraus machen?

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, erzeugt ein Klima, das für eine entwickelte westliche Demokratie unangebracht und inakzeptabel ist. Und die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, wären zumindest eine konsequente Aufklärung durch den Innenminister, ein Untersuchungsausschuss des Parlamentes und das Versagen des Vertrauens gegenüber dem Justizminister, der offensichtlich sehr tief drinnen steckt. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Westenthaler. – Bitte.

10.42

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der Herr Gusenbauer hat seine Ausführungen damit begonnen – und das ist in diesem Zusammenhang schon etwas sehr Interessantes, weil es seiner Meinung nach um Kriminalfälle geht –, dass er sich darüber beschwert hat, dass ein Bundesminister der Republik Österreich ungestraft seine Meinung sagen kann.

Herr Kollege Gusenbauer! Welche Strafe hätten Sie denn gerne, wenn ein Minister nicht die Meinung sagt, die Sie gerne hätten? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich sage Ihnen etwas: Oft entlarvt Sie Ihre Sprache, und heute sind Sie wieder entlarvt worden. Wir lehnen einen solchen Jargon ganz entschieden ab, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Reden wir von etwas anderem! Spitzelaffäre!)  – Sie werden hier keinen Minister strafen. Ganz im Gegenteil!

Sie sprechen von Krise, von Staatskrise, Sie sprechen von einer Krise der Parteien, einer Krise des Parlaments. – In Wirklichkeit gibt es nur eine Krise, eine einzige Krise, und diese Krise befindet sich in Ihrem eigenen Haus. Diese Krise befindet sich in Ihrer Partei. Der Pleitegeier kreist um das Haus in der Löwelstraße: 350 Millionen Schilling Schulden haben Sie von der SPÖ in der Parteikassa! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben ein Misstrauen in der eigenen Basis gegen Ihren Vorsitzenden. Sie haben Wahldebakel am laufenden Band, zuletzt in der Steiermark, wo Herr Schachner-Blazizek der Regierung


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die "rote Karte" zeigen wollte, aber der Wähler diese derart zerzaust hat, dass Sie damit in Wirklichkeit nicht einmal mehr tarockieren können, weil der Wähler die Politik, die Sie dort machen, abgelehnt hat! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edlinger: Ja, ja, reden wir von etwas anderem! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da hat Hannes Androsch schon Recht, wenn er sagt – ich zitiere wörtlich –: "Der Zustand der SPÖ ist erbärmlich." – Und Johann Hatzl, SP-Klubchef in Wien, sagt: Wir sind zu einer Verliererpartei geworden! – Ich könnte Ihnen noch vieles hier zitieren. (Abg. Dietachmayr: Peinlich!)

Zum Beispiel wurde in dem von Ihnen so hoch geschätzten "Standard" am 19. August 2000 Folgendes geschrieben – ich zitiere –:

"Zusammengefasst: SP-Chef Gusenbauer ist ein ultralinker Parteiapparatschik, der in der Sprache der 60er-Revolutionäre an der Bevölkerung vorbeiredet!" – Zitatende.

Gratuliere! Heute wieder vorbeigeredet, es hat Sie in Wirklichkeit niemand verstanden, Herr Kollege Gusenbauer. Wieder Thema verfehlt, wieder daneben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Regierung hat in Wahrheit die Wende geschafft: die Wende weg von Ihrem Schuldenberg – 2 200 Milliarden Schilling Schulden haben Sie hinterlassen –, die Wende weg von Ihrer Steuerbelastungspolitik (Abg. Edlinger: Peinlich!), die Wende weg von Ihrer sozialen Umverteilungspolitik von oben nach unten, die Wende weg von der Kürzung des Karenzgeldes, von der Kürzung des Pflegegeldes, von der Streichung des Pflegetaschengeldes. All Ihre unsozialen Maßnahmen hat diese Regierung abgeschafft, das kommt nicht mehr. Das ist die Wende! Das ist die Leistung dieser Regierung: eine sozial gerechte, eine gute Politik, eine, die man ohne Zweifel mitgehen kann. Herr Kollege Gusenbauer, davon können Sie nicht ablenken! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie zitieren, dann zitiere ich Ihnen auch einen Wirtschaftsjournalisten, Roland Barazon, in den "Salzburger Nachrichten" vom 24. September. Darin heißt es: Die bisherige Praxis, möglichst alle in der Sozialpolitik zu beglücken, ist nicht nur unsinnig, sie hat auch höchst unsoziale Folgen. Die Verteilung von Geldern an alle bewirkt, dass die tatsächlich Bedürftigen nicht ausreichend unterstützt werden. – Und er sagt, dieser Regierung gehört in der Sozialpolitik auch Applaus gezollt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin auch dieser Meinung und bin daher froh, dass wir mit dem neuen Sozialminister nun einen ausgewiesenen Sozialexperten haben, der über alle Parteigrenzen hinweg, was sein Fachwissen und seine politischen Expertisen und auch seine politischen Ausführungen in der Sozialpolitik betrifft, unbestritten ist. Er war bisher hier in diesem Haus einer der profiliertesten Sozialpolitiker und auch einer jener, die immer darauf geachtet haben, dass die soziale Gerechtigkeit vor allem für die kleinen Leute Wirkung erzielt. Und deswegen hat er uns auch schon mitgeteilt, dass er sich für eine Sozialversicherungsreform einsetzt, und deswegen hat er auch gesagt, dass er sich dafür einsetzen wird, dass es bei den Saisonarbeitern im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld zu keinen Ungerechtigkeiten kommen wird.

Ich sage, Haupt ist mit der Garant, dass es zu einer modernen, effizienten Verwaltung in der Sozialpolitik kommt (Abg. Edler: Verunsicherung!), zu einer höheren Lebensqualität in Österreich und auch zu einer sozial gerechten Politik. Und dafür, lieber Herbert Haupt, lieber neuer Minister, wünsche ich dir eine glückliche Hand und viel Erfolg bei deiner neuen Tätigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Bures: Jetzt sagen Sie etwas zum Frauenminister!)

Ein Satz auch, weil hier viel gezweifelt wird an der Qualität eines Mannes, was die Frauenpolitik betrifft. Ich habe auch da vollstes Vertrauen zu Herbert Haupt (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Bures: Das glaube ich!), und ich sage Ihnen ganz klar: Es gibt in Österreich eine sehr erfolgreiche Frau Landeshauptmann. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Österreich mit Herbert Haupt einen sehr erfolgreichen Herrn Frauenminister haben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Aber jetzt zu dem Thema, das Sie hier aufgeworfen haben. Sie sprechen von Staatskrise, Sie sprechen von Skandal. – Nein, das ist keine Staatskrise, das ist in Wahrheit ein Skandal. Das muss man sich einmal in der Geschichte anschauen. Das ist keine Staatskrise, sondern das ist ein Skandal, nämlich die Frage des Datenmissbrauches, der im Sumpf der 30-jährigen Herrschaft von sozialistischen Innenministern gewachsen ist. Das muss man einmal der Öffentlichkeit sagen: Das ist Ihr Skandal und sonst niemandes Skandal, den es in Wahrheit gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber schön langsam wird es ja fast amüsant: der Herr Gusenbauer plötzlich in der Opferrolle. (Abg. Edlinger: Peinlich!) Der Herr Gusenbauer ist in der vergangenen Woche von einem dieser dubiosen Magazine ganz groß geoutet worden: Gusenbauer wurde bespitzelt!, wurde im "profil" groß geschrieben. Er wurde abgefragt. Auch Gusenbauer Opfer von illegalen Abfragen!, ist geschrieben worden.

Heute musste allerdings – ganz klein, in einem kleinen Kästchen – kleinlaut zugegeben werden, dass es sich dabei um einen peinlichen Fauxpas gehandelt hat. (Abg. Bures: Sie sind peinlich!) Was ist passiert? – Niemand hat den Herrn Gusenbauer illegal abgefragt. Es gibt eine einzige Abfrage über den Herrn Gusenbauer, und das war ein Schulkollege von ihm, der wissen wollte, ob der Herr Gusenbauer tatsächlich so alt ist, wie er ausschaut. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Er wollte das Geburtsdatum wissen und hat daher einen Polizisten ersucht, diese Abfrage zu machen. Das war das Ergebnis – sonst hat es nichts gegeben.

Ähnlich bei der Frau Stadträtin Ederer aus Wien. Ganz groß wurde in dieser dubiosen Zeitschrift "NEWS", die ja für Richtigkeit noch nie berühmt war, mit einem Foto von ihr geschrieben: Frau Ederer wurde abgefragt! Skandal! Wieder ein Prominenter geoutet. (Abg. Edlinger: Wieso weiß er das eigentlich? Wieso wissen Sie das?)  – Was ist herausgekommen? Es hat eine Abfrage im EKIS-System deshalb gegeben, weil sich die Frau Ederer einen neuen Pass zugelegt hat. Nachzulesen in der heutigen Ausgabe des "FORMAT", und zwar auf Seite 40.

 

"Auch weitere SPÖ-Politiker sind keine Spitzelopfer", schreibt "FORMAT". "Die Verwechslung von legalen und illegalen Abfragen kam deshalb zustande, weil Strassers Beamte bei 500 Prominenten überprüfen ließen, ob auf ihre Daten illegal zugegriffen wurde."

Und weiters – jetzt kommt es! –: "Die endgültigen Ergebnisse liegen aber noch nicht vor." – Zitatende.

Es gibt überhaupt keine Ergebnisse. Es gibt überhaupt keine Beweise für Anschuldigungen. (Abg. Edlinger: Die Staatsanwaltschaft ermittelt!) Das ist Ihr Muster, aber das lehnen wir entschieden ab, wie Sie hier agieren, auch in diesem Hohen Haus. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Was fällt Ihnen zur Staatsanwaltschaft ein?)

Aber es geht weiter. Die Diffamierungsmaschinerie läuft auf Hochtouren. Die Verleumdungs- und Diffamierungsmethoden der Linken sind ja Legion. Sie gliedern sich in drei Bereiche: Man beginnt einmal mit der Falschbehauptung. Zuerst wird einmal die Unwahrheit in die Welt gesetzt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Was fällt Ihnen zur Staatsanwaltschaft ein? Staatsanwaltschaft!) Beispiel: Kollege Kostelka am 18. September. Also fast zwei Monate ist es her, dass Herr Kollege Kostelka dem Justizminister in einer Pressekonferenz vorwarf – das muss man sich einmal vorstellen! –, dass im Justizministerium Telefongespräche, wenn bestimmte Schlüsselwörter fallen, aufgezeichnet würden. Einen derart ungeheuerlichen Vorwurf einer strafbaren Handlung legt Herr Kostelka am 18. September auf den Tisch.

Bis heute gibt es keinen Jota an Beweis, bis heute gibt es keine einzige Beweislage, die stimmt, aber bis heute keine Entschuldigung! Genieren Sie sich, Herr Kollege Kostelka, für diese unfassbare Behauptung, die Sie da auf den Tisch gelegt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Kostelka: Aber auch keine Klage!)

Aber das geht so weiter: Kostelka und Kuntzl gehen hier heraus und behaupten, der Klubobmann der Freiheitlichen sei im Zentrum der Spitzelaffäre, sei der Ingenieur des Spitzelwesens. – Bis heute gibt es dafür nicht einen Jota Beweis, keinen Millimeter – alles ist in sich zu


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sammengebrochen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Staatsanwaltschaft, Herr Westenthaler!) Dann wird behauptet, es gäbe eine ORF-Datenklauaffäre. Jetzt werden schon die Daten vom ORF-Computer von den bösen Politikern abgezogen und werden dort über geheime Kanäle im Computer verbreitet. – Das ist alles nicht wahr! Der Generalintendant hat das dementiert. Das stimmt alles nicht, ist alles unwahr.

Das ist Ihre Methode: Sie stellen Falschbehauptungen auf, können diese nicht belegen – und dann schweigen Sie dazu, ohne sich zu entschuldigen! Das ist schäbig! Das sage ich Ihnen auch einmal ganz offen, Herr Kollege Kostelka und Herr Kollege Gusenbauer. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die zweite Phase dieser Diffamierungsmaschinerie der linken Seite nach der Falschbehauptung ist dann die Kriminalisierung: Wieder ohne jegliche Beweise wird drauflos kriminalisiert. Was wurde Jörg Haider nicht alles vorgeworfen – seit Jahren, mit Unterstützung Ihrer Parteimagazine! Er hätte illegale Flüchtlinge beherbergt. – Falsch, stimmt nicht! Er wäre in eine Kokainaffäre verstrickt. – Das wurde nie nachgewiesen, ist falsch und wurde gerichtlich bereits widerlegt! Er hätte sich mit einem Nazi-Pistolero getroffen. – Alles falsch, alles nicht wahr! Er hätte ein Prater-Penthouse illegal einer Familie weggenommen. – Ihre Vorwürfe, alle in sich zusammengebrochen! Er hätte einen Brief an Terror-Nazis geschrieben. – Alles nicht wahr! Sein Steuerakt wurde achtmal durch die Medien gezogen, es hieß, er hätte steuerwidrige Taten gesetzt. – Alles nicht wahr, ist alles widerlegt worden!

Das ging bis hin zum Vorwurf des Gagenritters, bis hin zu dem Vorwurf – im Zusammenhang mit "Freies Wohnen" –, er hätte eine Privatwohnung illegal erstanden, er wäre am FPÖ-Klubumbau schuld, er hätte eine Gehaltspfändung und so weiter.

Alle diese Vorwürfe haben sich in Luft aufgelöst, und ich garantiere Ihnen – die Wette gilt! –, auch der jetzige Vorwurf wird sich in Luft auflösen, und Sie stehen dann ziemlich belämmert da. Das sage ich Ihnen ganz offen. Das wird das Ergebnis der Verfahren sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In Wahrheit ist das, was sich hier abspielt, nichts anderes als ein journalistischer Rachefeldzug von so manchen Magazinen. Da werden frühere Leibwächter von Jörg Haider von Journalisten angerufen – die Beweise dafür habe ich, und die werde ich heute der Staatsanwaltschaft übergeben –, die ihnen einen Geldbetrag dafür anbieten, dass sie gegen Jörg Haider aussagen, dass sie eine Aussage gegen Jörg Haider machen. Wenn sie das tun, dann bekommen sie von diesem Magazin Geld. Auch das ist ab heute bei der Staatsanwaltschaft anhängig. Wir werden solche Methoden nicht einreißen lassen. Das, was von diesen Magazinen mit Ihrer Unterstützung, unter Ihrer Federführung erzeugt wird, ist doch nichts anderes als pure Hetze gegen erfolgreiche Politiker, die Sie in Wahrheit mit Neid beobachten. Das ist in Wahrheit Ihre Motivation, die dahintersteckt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der dritte Punkt nach der Falschbehauptung und nach der Kriminalisierung ist dann die persönliche Ehrabschneidung. Da werden Politiker einfach hingestellt. Der Herr Einem sagt: Ich mache mir Sorgen um das Gedächtnis des Bundeskanzlers. Der Herr Gusenbauer sagt: Schüssel ist von Sinnen. Jörg Haider wird in einem Magazin dargestellt, als würde er durchdrehen. Das ist dann Ihre Methode: Ganz zum Schluss, wenn Sie überhaupt nichts mehr haben, dann gehen Sie in die Menschenverachtung hinein. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Zuerst werden Falschbehauptungen aufgestellt, die Sie über Ihre Schmierblätter lancieren, dann kriminalisieren Sie, und wenn gar nix mehr geht, dann gehen Sie her und erklären Menschen, Politiker, vom Bundeskanzler abwärts, für geistig minderbemittelt. Das ist eine ganz, ganz miese, schäbige Schmutzkübelpolitik, von der sich die Jugend und die Menschen in diesem Land abwenden werden. Das verrate ich Ihnen. Das ist in Wahrheit das Ergebnis. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kein einziger Beweis liegt auf dem Tisch, kein einziger Beweis! Aber wir haben der Staatsanwaltschaft Wien am Freitag eine Anzeige übermittelt, bei der wir sehr wohl Beweise auf den


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Tisch legen, etwa ein Buch des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit Michael Sika. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ein ordentlicher Rohrkrepierer!)

Ich zitiere wörtlich aus diesem Buch: "Mir wurde", sagt Sika, "zugetragen, die STAPO plane, eine Gefährdungslage um Haider zu konstruieren, um einen Vorwand zu haben, Polizisten als ,Schutz‘ in seine nähere Umgebung zu bringen. Ich erwähnte das vorsichtig in einem Gespräch beim Minister" – in Klammern: Löschnak –, "hörte später jedoch nichts mehr davon. Aktenkundig wurde eine derartige angebliche Gefährdungslage um Haider allerdings Mitte Jänner 1994. Es ging damals um Attentatspläne deutscher Linksextremisten gegen den Politiker. ... Auch in diesem Fall wurde gemunkelt, die Staatspolizei habe den Hinweis ,getürkt‘. Ob zu Recht, bleibt dahingestellt", sagt Sika. "Jedenfalls gelang es zu diesem Zeitpunkt, einen STAPO-Beamten zumindest in die Nähe der Leibwächter zu bringen. Und zwar völlig regulär – unter Hinweis auf die behauptete Gefährdungslage." – Zitatende.

Da wurde ein terroristisches Bedrohungsbild gegen Jörg Haider und seine Familie geschaffen, damit die sozialistische Nomenklatura des Innenministeriums Beamte zur Bespitzelung Jörg Haiders aussenden kann. Das ist der eigentliche Skandal, und der wird – das verspreche ich Ihnen! – Gegenstand von Vorerhebungen und Voruntersuchungen auch der Staatsanwaltschaft sein. Das ist Ihre Causa! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edlinger: Wieso wissen Sie das?)

Meine Damen und Herren! Persönliche Diffamierung, Kriminalisierung, Verächtlichmachung missliebiger Politiker – aber auch diesmal wird nichts überbleiben. Auch diesmal wird es Ihnen nicht gelingen, hier eine Affäre zu konstruieren. Auch von den Anschuldigungen der Magazine, die im Wettbewerb um die persönliche mediale Abschlachtung Jörg Haiders und der FPÖ stehen, wird nichts überbleiben. Wer sind denn diese "Totschreiber" der FPÖ? – Ein Chefredakteur einer Zeitschrift, Herr Rainer, der sich auf Tische, an denen die Frau Vizekanzlerin sitzt, nicht mehr niederlässt, wie er gesagt hat, oder ein Chefredakteur der Zeitschrift "NEWS", Fellner, der in einem Brief der Vizekanzlerin droht, journalistisch den Gegenangriff zu führen und uns in die Enge zu treiben.

Das ist die Motivation, und jeder aufrechte Journalist in diesem Land, der das mitverfolgt und sein Berufsethos auch ernst nimmt, sollte sich eigentlich von dieser widerlichen Hetze, die da betrieben wird, abkehren.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen noch einmal, und ich habe das schon öfters gesagt: Sie haben hier nicht das Recht – noch dazu in dem Stadium, in dem wir uns jetzt befinden, wo Sie selbst Butter am Kopf haben und damit jeden Tag in die Sonne gehen –, Sie haben nicht das Recht, anständige, demokratisch gewählte Politiker, ob im Parlament, in den Landtagen, in den Regierungen, derart mit Schmutzkübeln zu übergießen, wie Sie das immer tun. (Abg. Dr. Gusenbauer: Meine Rechte sind durch das Gesetz definiert – und nicht durch den Herrn Westenthaler! – Abg. Parnigoni: Machen Sie einen Untersuchungsausschuss!)

Sie haben nicht das Recht, Menschen, nur weil sie anderer politischer Überzeugung sind, die Lebensberechtigung, nämlich die politische Lebensberechtigung, abzusprechen. Das gilt für jeden Mandatar hier im Haus vice versa. Das gilt aber auch für jeden Mandatar in den Landtagen. (Abg. Parnigoni: Für Sie im Besonderen gilt das alles, was Sie da sagen!) Das gilt für Regierungsmitglieder, und das gilt auch – merken Sie sich das bei Ihren Formulierungen, mit denen Sie den Menschen die politische Lebensberechtigung absprechen wollen! – für den Bundeskanzler der Republik Österreich und auch für den Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Machen Sie doch endlich einen Untersuchungsausschuss!)

10.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Wie bei dieser hitzigen Debatte nicht anders zu erwarten, ist die Wortwahl einigermaßen schwierig und stößt manchmal an die Grenzen des Zulässigen. Aus gegebenem Anlass bitte ich daher die nachfolgenden Redner, in ihrer Wortwahl besonders vorsichtig zu sein!


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Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich erteile es ihm.

10.58

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde dem Wunsch des Herrn Präsidenten gerne nachkommen und finde, dass das nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Westenthaler ein durchaus sinnvoller und produktiver Hinweis war. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Frauenministerin! Das Frauenministerium ist abgeschafft worden. Das war eine der ersten Taten dieser Bundesregierung, der Sie jetzt angehören. Der nächste Schritt war die Abschaffung der Frauenministerin selbst. Sie ist ersetzt worden durch einen fachlich, nehme ich an, durchaus diskussionswürdigen Kollegen, den ich in vielen Ausschüssen auch persönlich schätzen gelernt habe. Aber ob es das richtige Signal ist, den Herrn Tierarzt aus Spittal an der Drau zum Nachlassverwalter der Frauenpolitik dieser Bundesregierung zu machen, das bezweifle ich zumindest persönlich und im Namen meiner Fraktion. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Mag. Haupt! Sie bleiben den Frauen etliche Antworten schuldig – zumindest gestern in der "Pressestunde" sind Sie etliche Antworten schuldig geblieben: Wie soll es denn nach dem Grasser-Paket weitergehen mit den Unfallrentnerinnen, mit den arbeitslosen Frauen, mit den Saisonarbeiterinnen und mit den Studentinnen, die von dieser Bundesregierung, der Sie jetzt angehören, an den Rand und teilweise über den Rand der Armutsgrenze gedrängt worden sind?

Finden Sie, Herr Mag. Haupt, erste klare Antworten darauf, dass das so genannte Belastungspaket, das zum Teil wirklich ein soziales Strafpaket ist, gerade und in erster Linie Frauen trifft, die in der Ausbildung stehen, die allein für Kinder verantwortlich sind, die von einem Job zum anderen wechseln, weil auf dem Arbeitsmarkt immer weniger Platz für sie ist, die als Unfallopfer in die Rente gegangen sind oder die sich als Pensionistinnen zu Recht Sorgen machen, wie es weitergeht!

Herr Mag. Haupt! Ich erwarte namens meiner Fraktion klare Antworten auf diese Fragen, und zwar klare Antworten, die sich deutlich von denen Ihres Finanzministers unterscheiden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Böhacker: Sie werden uns nicht auseinander dividieren! Spaltpilz!)

Herr Mag. Haupt! Auch in anderer Hinsicht haben Sie ein sensibles Ressort übernommen: Sie sind Chef der Aufsichtsbehörde über einen der sensibelsten Datenbereiche dieser Republik, nämlich die Sozialversicherungsdaten. Ich frage mich wirklich: Was gedenken Sie im Bereich Sozialversicherungsdaten und was gedenkt der Herr Verteidigungsminister im Bereich der gesamten Bundesdaten in Zukunft zu unternehmen? – Der Verteidigungsminister ist auf Grund der beiden neuen Überwachungsstaat-Gesetze befugt, von den Gemeinden über die Kammern, über die Krankenhäuser, über die Sozialversicherungsanstalten, über die Finanzämter ohne jede Begründung über jeden Menschen in dieser Republik alle persönlich sensiblen Daten einholen zu lassen. (Abg. Murauer: "Ohne Begründung" – das stimmt nicht! – Weiterer Widerspruch bei der ÖVP), und das sind zwei Minister – der Sozialminister und der Verteidigungsminister –, die nichts dabei finden, wenn die Freunde ihrer Partei illegale Einbrüche in genau diese Datenbestände organisieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Darum geht es, Herr Sozialminister, und darum geht es, Herr Verteidigungsminister! Wie sichern Sie diese sensibelsten Daten dieser Republik vor Ihren Parteifreunden, denen heute und hier im Plenum des Nationalrates wieder serienweise vom Bundeskanzler unterfertigte Persilscheine ausgestellt werden?

Meine Damen und Herren! Die Menschen, die sich Sorge machen, was mit ihren sensiblen Daten passiert, brauchen keine Persilscheine, sondern brauchen Sicherheit, dass nicht die Angehörigen freiheitlicher Spitzelringe auf eben diese privatesten und persönlichen Daten zugreifen;


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diese Sicherheit haben wir zumindest am heutigen Tag nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir diskutieren eine Regierungsumbildung. Natürlich war eine Regierungsumbildung längst überfällig, es ist nur eine der sonderbarsten, die ich bis jetzt erlebt habe. Herr Bundeskanzler! Sie haben gesagt: Wir hatten eine hervorragende Sozialministerin, sie hat Gewaltiges bewegt, viel mehr als ihre Vorgänger und Vorgängerinnen. Nicht dazugesagt haben Sie allerdings: Weil sie so hervorragend gearbeitet hat für diese Republik und für die Menschen in dieser Republik, haben wir – der Bundeskanzler, die Vizekanzlerin, der Landeshauptmann, der Klubobmann, der Zweite Klubobmann – jeder an einer Seite des Sessels Griff angesetzt und sie gemeinsam hinausgetragen. – Wahrscheinlich stimmt das sogar. Wenn man in dieser Regierung erfolgreich ist, dann geht man ein hohes Risiko ein, und in Bezug auf Aufklärung der Spitzelaffäre kann wahrscheinlich der Innenminister am besten berichten, was es heißt, trotz Einwirkungen von Bundeskanzler und Koalitionspartner zuzulassen, dass sein Ministerium erfolgreich arbeitet.

Aber bei Frau Sickl ist doch noch etwas dazugekommen, und Sie konnten oder wollten es nicht sagen: Die Frau Sozialministerin ist gescheitert, ist politisch und sachlich gescheitert. Sie konnten nicht angeben, was sich jetzt ändern wird. Sie haben eine gefährliche Drohung ausgestoßen: Alles wird so weitergehen wie unter Sickl. – Bitte nehmen Sie das zurück! Bitte versprechen Sie diesem Haus und allen betroffenen Menschen in der Republik Österreich: Nein, es wird ganz anders, nein, wir hören auf mit der Sickl-Politik! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Hohn und Spott ist alles, was Sie zu bieten haben!)

Das ist aber nicht die Regierungsumbildung, die notwendig wäre. Ich zitiere aus dem "Weisen"-Bericht, der dieser Republik Österreich und ihrer Bundesregierung übergeben wurde. Zitat:

"Eines der problematischsten Kennzeichen führender Mitglieder der FPÖ sind Versuche, politische Gegner zum Schweigen zu bringen."

Das sagen die "drei Weisen", deren Bericht Sie, Herr Bundeskanzler, persönlich begrüßt und gewürdigt haben.

Die "drei Weisen" fahren fort und sagen, es gebe einen einzigen Problemminister: nicht die Sozialministerin, nicht den Verteidigungsminister, nicht den Innenminister – einen einzigen: Justizminister Dr. Böhmdorfer. – Das ist der Schluss des "Weisen"-Berichtes.

Sie haben folgende öffentliche Verpflichtung abgegeben: Wir werden auf Punkt und Beistrich den Bericht der "drei Weisen" umsetzen und Europa und der Europäischen Union signalisieren, dass wir diesen Bericht ernst nehmen, auch seine Kritik. – Nach wie vor sitzt der Justizminister auf der Regierungsbank und hat heute vom Bundeskanzler wieder einen Persilschein ausgestellt bekommen.

Ich frage mich: Worauf gründet sich dieser Persilschein? – Wir haben einen illegalen freiheitlichen Spitzelring diskutiert, werden ihn weiter diskutieren, aber in folgender Hinsicht, Herr Bundeskanzler, haben Sie Recht: Was den strafrechtlichen Bereich betrifft, sind die Gerichte und die Polizeibehörden am Zug, und ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie ihre Aufgabe ausgesprochen ernst nehmen. Aber inzwischen kennen wir auch die Nutznießer und Verwerter des freiheitlichen Spitzelringes, und einer der wichtigstes Nutznießer war der damalige freiheitliche Parteianwalt Dr. Böhmdorfer.

Wenn es der Freiheitlichen Partei um Rufmord gegangen ist – und das war ihr Mittel der politischen Auseinandersetzung –, dann war Rechtsanwalt Dr. Böhmdorfer der gerichtliche Exekutor dieser Politik. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Er hat einen Schriftsatz eingebracht, der im "Falter" veröffentlicht worden ist und hat – und das ist nachzuweisen – für diesen Schriftsatz illegale EKIS-Abfragen und mindestens sieben illegal beschaffte staatspolizeiliche Akte verwendet. Doch jetzt sagt Dr. Böhmdorfer: Die Fotos des Klägers, den man fertig machen wollte – Ihre Mandanten (in Richtung des Bundesministers


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Dr. Böhmdorfer) sind nämlich geklagt worden –, die Fotos – das haben Sie im Fernsehen gesagt – wären Passfotos, das hätten Sie geglaubt.

Herr Justizminister Böhmdorfer! Sehen so Passfotos aus? (Der Redner hält Vergrößerungskopien von Fotos in die Höhe, auf denen die Augen der Abgebildeten mit schwarzen Querbalken versehen wurden. – Ironische Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Ich frage Sie: Wie sieht das neue freiheitliche Passwesen unter Dr. Böhmdorfer aus? Schaut das so aus, dass ein Antragsteller für einen neuen Reisepass erst einmal festgenommen wird, dann frontal und von der Seite fotografiert, erkennungsdienstlich behandelt, dann auf freien Fuß gesetzt wird und dann mit der Unterschrift "Dr. Böhmdorfer" oder "Dr. Haider" – wenn es gerade gefällt – einen Reisepass bekommt? Ich bin froh, dass Sie als Justizminister zumindest nicht für das Passwesen zuständig sind. Es ist schon schlimm genug, dass Sie für die Justiz dieser Republik verantwortlich sind! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich frage Sie etwas Weiteres: Der Staatsanwalt ermittelt. Wir wissen nicht, ob Jörg Haider von der Regierungsbank auf die Anklagebank wechseln wird, aber die gerichtlichen Vorerhebungen sind zumindest ein Schritt in diese Richtung. Der Staatsanwalt ermittelt, die Polizeibehörden ermitteln, Hausdurchsuchungen werden durchgeführt – und was ist Ihre Antwort im "Mittagsjournal"? Sie sagen: "Jörg Haider ist über jeden Verdacht erhaben."

"Jörg Haider ist über jeden Verdacht erhaben", das sagt nicht sein Parteianwalt, sondern das sagt der Justizminister der Republik Österreich und signalisiert so dem ermittelnden Staatsanwalt: Lieber Staatsanwalt, ich, als dein weisungsbefugter Justizminister, sage dir, was ich von deinen Vorerhebungen halte, nämlich nichts. Der Mann ist unschuldig, er ist ein Freund von mir, ich lasse dich ruhig ermitteln, aber ich weiß, was herauskommt!

Das, Herr Dr. Böhmdorfer, ist politische Freunderlwirtschaft an der Spitze des Ressorts! Und das ist wohl das Schlechteste, was man über einen Justizminister sagen kann. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein Letztes: Im Versuch, Ihr damaliges Verhalten – nämlich die Verwertung illegal beschaffter Akten – zu rechtfertigen, haben Sie etwas getan, was wenige Rechtsanwälte und spätere Justizminister getan haben: Sie haben Ihre Mandanten belastet und gesagt: Dieses Material habe ich von Haider und von Stadler bekommen. – Sie bezichtigen damit Ihre eigenen Mandanten der illegalen Beschaffung von Polizeimaterial und von Akten. Wissen Sie, was das heißt? – Das heißt, einerseits die eigenen Mandanten zu bezichtigen – und andererseits zu erklären, diese seien völlig unschuldig.

Das ist der Grund, Herr Dr. Böhmdorfer, warum nicht nur wir Grünen und nicht nur Sozialdemokraten, sondern führende Vertreter und Vertreterinnen der unabhängigen Justiz heute sagen, dass es einerseits möglich ist, dass es bereits demnächst Strafverfahren gegen Sie geben wird, aber Sie andererseits zumindest dem zuvorkommen sollten. Herr Dr. Böhmdorfer! Nicht die Justiz steht im Zwielicht, nicht die Staatsanwälte, die Richterinnen und die Richter stehen im Zwielicht, sondern im Zwielicht stehen einzig und allein Sie als Bundesminister für Justiz! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Weil es sinnlos ist, Sie zum Rückzug aufzufordern, weil Sie und Ihre Partei das niemals zulassen würden und weil Sie Ihre persönlichen und parteilichen Interessen längst über die Interessen der Justiz und der Rechtsstaatlichkeit gestellt haben, liegt es bei Herrn Bundeskanzler Dr. Schüssel, diesen notwendigen Schritt zu setzen.

Ich frage mich, Herr Dr. Schüssel: Warum sind Sie zu dieser Regierungsumbildung nicht in der Lage? Warum sind Sie nicht in der Lage, zu sagen: Ja, wir brauchen endlich einen wirklich unabhängigen und unbelasteten und unverdächtigen Justizminister, ja, wir brauchen jemanden an der Spitze der Justiz, der das Vertrauen aller Menschen genießt, ja, wir müssen sicherstellen, dass nicht die gesamte Justiz ins Zwielicht gerät, ja, ich bilde die Regierung um und ermögliche einen Neubeginn an der Spitze des Ressorts!?


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Ich frage mich, warum Sie das nicht tun können, weil ich nicht weiß, ob Sie es wollen. Offensichtlich sind Sie in einem viel stärkeren Maß an die Freiheitliche Partei und deren Alt-Parteiobmann gekettet, als wir das bis jetzt wahrhaben konnten oder wollten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie nicht nur in den schwarzen Porsche eingestiegen sind, sondern es dem Alt-Parteiobmann auch gelungen ist, Sie irgendwo am Lenkrad oder am Sitz zu befestigen. Sie können nicht mehr aussteigen, Herr Bundeskanzler, weil Sie – das ist meine Vermutung – keine andere Option mehr haben. Niemand anderer will mehr mit Ihnen koalieren. Mit der Sozialdemokratie haben Sie so überzeugend persönlich gebrochen, dass es diese Option offenbar nicht mehr gibt. Mit uns geht es sich – auch zu unserem Glück! – rechnerisch ohnehin nicht aus. Es bleibt also nur die FPÖ.

Es gibt aber noch viel mehr als die Spitzelaffäre! Was sagen Sie denn dazu, dass freiheitliche Politiker heute bereits das Regierungsübereinkommen brechen und sagen: Wir machen die Osterweiterung zum Gegenstand einer Volksbefragung oder Volksabstimmung!? Ja gelten Ihre Versprechen gegenüber Europa nicht mehr? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ist Koalitionsbruch, ist Bruch des Regierungübereinkommens plötzlich ein Kavaliersdelikt? Sind Sie bereit, die Osterweiterung aufs Spiel zu setzen, nur damit Sie von Haiders Gnaden weiterhin Bundeskanzler sein können? Sind Sie bereit, das alles zu riskieren und aufs Spiel zu setzen?!

Ich sage Ihnen Folgendes, Herr Dr. Schüssel: Es wäre höchst an der Zeit, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass die Freiheitliche Partei nicht in Schwierigkeiten ist, sondern am Rande eines politischen Konkurses steht (Abg. Haller: Träumer!), und zwar deshalb, weil sie die "kleinen Menschen" – die so genannten kleinen Menschen – mit ihren Angriffen auf die soziale Sicherheit im Stich gelassen hat und damit ihr erstes wichtiges Versprechen gebrochen hat, das da lautete: Wir sind für euch da!

Das zweite Versprechen lautete: Wir kämpfen gegen Machtmissbrauch! – Auch das ist gebrochen!

Herr Dr. Schüssel! Sie werden sich entscheiden müssen, ob Sie der Konkursverwalter der Freiheitlichen Partei werden – oder noch einmal ernsthaft versuchen, als Bundeskanzler der Republik diesen Kurs zu ändern! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte.

11.14

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Dr. Gusenbauer, es geht heute, jetzt, in dieser Debatte, nicht um den Missbrauch von geschützten Daten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Der Bundeskanzler hat damit angefangen!) Wir diskutieren jetzt darüber, was wir in der Wirtschafts- und Sozialpolitik verändern wollen, und ich bin der Meinung – und ich bedauere das –, dass Sie, Herr Dr. Gusenbauer, dazu nichts zu sagen hatten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Ist Ihnen aufgefallen, dass der Herr Bundeskanzler dieses Thema eingebracht hat?)

Sie haben sich in keinem einzigen Punkt mit dem Programm des neuen Sozialministers auseinander gesetzt. Sie haben – ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, Herr Dr. Gusenbauer (Abg. Dr. Gusenbauer: Haben Sie dem Bundeskanzler auch zugehört?) – über die Vergangenheit geredet, aber nicht über die Zukunft. Doch uns, Herr Dr. Gusenbauer, geht es heute um die Zukunft der Sozialpolitik in Österreich. Eine Stellungnahme Ihrerseits dazu hätte ich mir schon erwartet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Sie dazu eben nichts sagen können oder nichts sagen wollen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Haben Sie dem Bundeskanzler zugehört?) Ich komme dann noch zu einem anderen wichtigen Punkt, den Sie erwähnt haben.


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Herr Dr. Pilz! Was Sie hier gesagt haben, ist unglaublich und unerhört! – Weder der Sozialminister noch der Verteidigungsminister haben Zugang zu den Individualdaten der Sozialversicherung. Sie müssen wissen, dass es einen Zugang zu Individualdaten der Sozialversicherung weder für das eine noch für das andere Ministerium gibt, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Petrovic: Das stimmt nicht!) Das ist unwahr, was Sie gesagt haben, Herr Dr. Pilz, und das ist unerhört! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gibt keinen Computer in den Ministerien, der diesen Zugang ermöglichen würde. Wenn ich Ihnen auch nicht unterstelle, dass Sie keine weiße Weste haben, so muss ich doch sagen, dass das, was Sie hier gesagt haben, den Verdacht erhärtet, dass auch Sie eben keine weiße Weste in dieser ganzen Sache haben. Ich möchte Ihnen nicht das wünschen, was Sie anderen Politikern gewünscht haben, aber Sie sollten in sich gehen und nicht Unwahrheiten verbreiten und die Menschen in der Öffentlichkeit verunsichern, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Regierungsarbeit der vergangenen neun Monate, Herr Dr. Gusenbauer, ist von der österreichischen Bevölkerung positiv bewertet worden. Umfragen beweisen dies sehr eindeutig: Die überwiegende Mehrheit ist mit dem Abbau der Verschuldung, den diese österreichische Bundesregierung in Angriff genommen hat, einverstanden, ja sie wünscht das sogar, meine Damen und Herren. Wir stehen dazu, und wir begrüßen es, dass das Budgetdefizit im kommenden Jahr mehr als halbiert wird und dass wir in zwei Jahren ein Nulldefizit – also keine Neuverschuldung! – in Österreich haben werden, sodass die österreichische Jugend, die österreichische Bevölkerung nicht mit neuen Schulden durch den Staat belastet wird. Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Gusenbauer! Sie haben einen wichtigen Satz geprägt, den ich unterstreichen möchte. Sie haben gesagt: Wir brauchen eine Wende in Österreich! – Jawohl, wir brauchten eine Wende, und diese Wende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist im Februar dieses Jahres eingetreten. Sie ist schon eingetreten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Die Wende rückwärts!)

Es ist eine grundsätzliche Wende bei der Sicherung der Pensionen eingetreten. Erinnern Sie sich daran, was bisher im Rahmen von Pensionsreformen gemacht worden ist? Beinahe alle Pensionsreformen haben eine Kürzung der Pensionen für Neuanträge zur Folge gehabt. Sie haben Abschläge für die Pensionen eingeführt. (Abg. Sophie Bauer: Sie waren mit in der Regierung!) – Wir waren mit dabei, aber die Vorschläge bezüglich der Abschläge kamen von Ihnen. (Abg. Dr. Mertel: Feurstein, der Schläfer! 14 Jahre geschlafen!)

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt eine Pensionsreform ohne Abschläge, ohne neue Abschläge bei der Pensionsgewährung. Für denjenigen, der in die Pension eintritt, gelten die bisherigen Abschläge, aber es kommen keine neuen Abschläge hinzu (Abg. Sophie Bauer: 14 Jahre lang sind Sie schon mitverantwortlich!), und das müssen auch Sie von der SPÖ zur Kenntnis nehmen. (Abg. Sophie Bauer: Wir hatten ja keine Alleinregierung, oder?) – Ja, Sie haben lange Zeit eine Alleinregierung geführt, und es kam zur Erhöhung von Pensionsbeiträgen, und Sie waren allein verantwortlich, als verschiedene Verschlechterungen – und Sie wissen das ganz genau – vorgenommen worden sind.

Meine Damen und Herren! Ich zitiere jetzt aus dem Gutachten der Pensionskommission, die vor einer Woche Folgendes festgestellt hat: Für die Jahre bis 2005 wird eine deutliche Abschwächung der Zuwachsrate bei allen Pensionen erwartet. Es wird darin weiter ausgeführt, dass der Anteil, der aus Bundesmitteln zugeschossen wird, sinken wird, und das bedeutet, dass die Pensionsfinanzierung durch die beschlossene Pensionsreform 2000 sicherer geworden ist. Die Pensionsfinanzierung ist sicherer geworden (Abg. Reitsamer: Wir haben nichts mehr, aber das haben wir dafür sicher!), und zwar in einem Ausmaß, wie man sich das ursprünglich hätte gar nicht vorstellen können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Das bedeutet, dass der Lebensstandard für 2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher weiterhin gesichert ist, und das ist entscheidend! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ganz entscheidend verbessert wurde die Beschäftigungssituation. Ich möchte dafür nicht die Regierung loben, denn das Verdienst um die Verbesserung der Arbeitsmarktsituation kommt von jenen, die in unserem Wirtschaftsleben tätig sind: Arbeitgebern, Arbeitnehmern, jenen eben, die arbeiten. Sie haben die Chancen genützt, und das in einem Ausmaß, wie das in früheren Jahren nicht immer der Fall war.

Die Arbeitslosenrate hat einen Tiefstand erreicht; das ist bereits erwähnt worden. Wenn heute ein junger Mensch sagt, er brauche einen Arbeitsplatz, dann können wir ihm zwar keinen "Wunscharbeitsplatz" anbieten, aber wir können ihm sagen: Jawohl, es gibt eine Beschäftigung, du kannst arbeiten! Und das ist entscheidend, meine Damen und Herren: dass man jungen Menschen sagen kann, dass sie nicht arbeitslos bleiben müssen, sondern die Chance haben, zu arbeiten. Die Situation hat sich in dieser Hinsicht deutlich verbessert, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich ist es für eine Sozialministerin nicht angenehm – wie das in den vergangenen Monaten nun einmal der Fall war –, eben auch zur Konsolidierung des Budgetdefizits, zum Abbau der Schulden beitragen zu müssen. Aber bei einem Volumen von 600 Milliarden Schilling, die wir für Pensionen, für Pflegegeld, für Arbeitslosenzahlungen, für Kranken- und Unfallversicherung, für Familienunterstützungen ausgeben, besteht auch die Notwendigkeit, zu überprüfen, wo man im Bereich der Sozialpolitik etwas verändern kann. (Abg. Bures: Bei den Ärmsten!) – Ich komme gleich zu Ihrem Argument, dass es die Ärmsten treffen würde.

Meine Damen und Herren! Die soziale Treffsicherheit ist ein Thema, das wir diskutieren müssen. An diesem Thema kommen wir nicht vorbei, und ich bin froh darüber, dass sich frühere Sozialminister diesem Thema nie verschlossen haben, aber Sie von der SPÖ verschließen sich momentan diesem Thema ganz grundsätzlich. (Abg. Sophie Bauer: Sie waren ja selbst 14 Jahre lang in der Regierung!)

Was geschieht? – Ich nenne Ihnen zwei Beispiele. Erstes Beispiel: Arbeitslosengeld. Das Arbeitslosengeld für Personen, die weniger als 8 300 S Arbeitslosengeld haben – das sind Personen, die in der Erwerbstätigkeit rund 10 000 S und weniger verdient haben – wird erhöht, meine Damen und Herren. Doch Sie sagen, dass man für die Ärmsten nichts tut. Wahr ist: Das Arbeitslosengeld für Bezieher niedriger Einkommen wird angehoben. Das ist unbestritten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich sagen wir, dort, wo sehr hohe Arbeitslosengelder bezahlt werden, 13 000 S, 14 000 S für Alleinstehende etwa, können wir etwas reduzieren. Aber bei den Ärmsten erhöhen wir das Arbeitslosengeld; wir legen es um von den Personen, die ein sehr hohes Arbeitslosengeld haben, die mehr Arbeitslosengeld haben als so manche Frau, die Alleinverdienerin und Alleinerhalterin ist, zu den Ärmsten. Das, meine Damen und Herren, ist eine gerechte Maßnahme. Das ist eine wesentliche Veränderung!

Zweites Beispiel: Wir sind sehr wohl der Meinung, dass wir bei den Saisonarbeitskräften etwas verändern müssen. Schon Minister Hesoun hat dieses Thema zur Sprache gebracht, aber es ist ihm nicht gelungen, eine Veränderung herbeizuführen. – Ich bin überzeugt davon, dass es dem neuen Sozialminister gelingen wird, dieses Thema zu lösen und zu erreichen, dass wir auch eine gerechtere Gestaltung der Arbeitslosenversicherung für Saisonarbeitskräfte bekommen. Dafür werden wir uns auf jeden Fall einsetzen, meine Damen und Herren!

Die scheidende Sozialministerin ist von Ihnen nicht sehr vornehm behandelt worden; das muss einmal gesagt werden. (Abg. Dr. Khol: Das ist richtig! – Abg. Reitsamer: Von ihrer eigenen Partei!) Sie haben sie nicht sehr vornehm behandelt. (Abg. Dr. Wittmann: Sie wurde von der eigenen Partei geopfert!) Sie haben sie am ersten Tag, als sie sich hier vorgestellt hat, mit einer Dringlichen Anfrage konfrontiert. Sie haben sie, wenn ich mich richtig erinnere, mit 70 bis 80 Anfragen bombardiert.


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Sie hat sicherlich nicht alles vollenden können, was sie sich vorgenommen hat, aber ich sage Ihnen trotzdem, meine Damen und Herren: Wir sind der Frau Sozialministerin Dr. Sickl zu Dank verpflichtet, und wir danken ihr dafür, dass sie diese Wende in einem bestimmten Bereich der Sozialpolitik eingeleitet und durchgezogen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass in einigen Monaten das Werk der Frau Sozialministerin anders beurteilt wird, als das in den vergangenen Wochen seitens der Medien geschehen ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann. ) – Ja, wir haben die Wende eingeleitet, Herr Dr. Wittmann, gemeinsam mit der Frau Sozialministerin, und wir sind stolz darauf, dass uns das gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auf den neuen Sozialminister wartet zweifellos eine Reihe wichtiger Aufgaben, wie zum Beispiel im Bereich der Gesundheitspolitik, die bereits genannt worden ist. Wir haben im Bereich der Gesundheitspolitik zweifellos wichtige Entscheidungen zu fällen, die auch eine Wende herbeiführen müssen, eine Wende dahin gehend, dass – ähnlich wie bei den Pensionen – auch das Krank-Sein für niemanden eine Gefahr sein muss, dass wir der Zwei-Klassen-Medizin, wie sie in anderen Ländern bereits praktiziert wird, eindeutig entgegentreten. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Wir treten dafür ein, dass die Krankenversicherungen in allen Bereichen – auch bei Ihnen in Kärnten, Frau Abgeordnete – saniert werden. Ich sage Ihnen auch wie, und ich nenne jetzt zwei Personen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, die man in die Pflicht nehmen muss: den Präsidenten Sallmutter und den Generaldirektor-Stellvertreter Dr. Probst. Diese beiden Herren müssen konstruktiv mit dem Sozialminister zusammenarbeiten, um im Gesundheitswesen und im Bereich der Krankenversicherung jene Sanierung herbeizuführen, die notwendig und dringend erforderlich ist, meine Damen und Herren. Diese beiden Herren können wir nicht aus der Pflicht entlassen. Sie müssen konstruktiv mitarbeiten. Das erwarten wir von ihnen!

Die Anliegen der Behinderten sind ein Thema, dem sich unser Sozialminister in besonderer Weise schon in der Vergangenheit verschrieben hat. Er ist immer wieder für die Behinderten eingetreten. Ich bin überzeugt davon, dass Lösungen gefunden werden und dass diese "Behinderten-Milliarde", die die Bundesregierung für die Behindertenpolitik zur Verfügung stellt, sinnvoll eingesetzt wird, damit behinderte Menschen, die arbeiten wollen, auch die Möglichkeit erhalten, zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der neue Sozialminister ist kein Unbekannter. Er weiß, was er will, und hat dies in den letzten Tagen schon deutlich gesagt. Wir stehen zu den Aussagen, die er gemacht hat. In seinen Reden hier im Nationalrat hat er immer bewiesen – das hat sogar Herr Dr. Pilz zugegeben –, dass er ein waches Gewissen für soziale Belange und für die sozial schwachen Menschen hat. Dieses soziale Gewissen wird er umsetzen, meine Damen und Herren.

So schätzen wir Mag. Herbert Haupt als neuen Sozialminister und wünschen ihm gutes Gelingen bei der Durchführung seiner Vorhaben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter, § 58 GOG zu beachten und mit der Wiedergabe der Behauptung zu beginnen, die Sie zu berichtigen wünschen. – Bitte.

11.29

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Kollege Feurstein hat erklärt, der Bundesminister für Landesverteidigung habe keinen Zugriff auf sensible persönliche Daten, insbesondere im Bereich der Sozialversicherung. (Abg. Böhacker: Das hat er nicht gesagt!)  – Das ist sachlich unrichtig!

Ich zitiere § 22 des von Ihnen Anfang Juli beschlossenen Militärbefugnisgesetzes, Absatz 2: "Militärische Organe und Dienststellen dürfen von den Organen der Gebietskörperschaften und der anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie von den durch diese Körperschaften betriebenen Stiftungen, Anstalten und Fonds jene Auskünfte verlangen, die diese Organe und


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Dienststellen als wesentliche Voraussetzungen zur Erfüllung von Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr benötigen." – Zitatende. (Abg. Dr. Feurstein: Sie haben behauptet: einen direkten Zugriff!)

Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, Auskunft zu erteilen.

Ich habe den Bundesminister für Landesverteidigung in der diesbezüglichen Ausschusssitzung gefragt: Handelt es sich dabei um Gemeinden, um Finanzämter, um die Körperschaften der Sozialversicherung, um Krankenhäuser, um Stiftungen, um alle Ministerien, um Sozialämter, um Jugendämter und um Arbeiterkammern und Bundeswirtschaftskammern? (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) – Der Bundesminister für Landesverteidigung hat erklärt: Ja genau darum handelt es sich. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Debattenbeitrag!)

Herr Kollege Feurstein! Ich vertraue, obwohl ich gegen den Inhalt bin, dem Text des Gesetzes und der Auskunft des Bundesministers für Landesverteidigung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.31


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer Erwiderung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Feurstein zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Schieder: Eine persönliche!)

11.31

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Dr. Pilz! Sie haben mich persönlich angesprochen. (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Nein!) – Sie haben mich persönlich angesprochen. Ich bin persönlich betroffen, weil Sie behauptet haben, ich hätte hier etwas Unrichtiges, etwas Unwahres gesagt. (Abg. Schieder: Das ist keine persönliche Erwiderung!) Das hat mich schwer betroffen gemacht. Ich stelle fest: Es gibt keinen direkten Zugriff! Das habe ich behauptet! Es gibt keinen direkten Zugriff auf Daten der Sozialversicherung von Seiten eines Ministeriums. (Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsbehandlung! – Abg. Schieder: Das ist keine persönliche Erwiderung!)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Sie sind zu einer Erwiderung zu Wort gemeldet! (Abg. Mag. Stoisits: Dazu muss er persönlich betroffen sein, Herr Präsident!)

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (fortsetzend): Das ist richtig, und dabei bleibe ich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier. Ich bitte, § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung einzuhalten.

11.32

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner hat behauptet, das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministerium für Landesverteidigung hätten keinen Zugriff auf Sozialversicherungsdaten. (Rufe bei den Freiheitlichen: Direkten!) – Das ist nicht richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist schlichtweg falsch!

Richtig ist vielmehr, dass in Österreich mehrere tausend Personen Zugriff auf die über 90 Millionen Daten der Sozialversicherung haben. Richtig ist vielmehr, dass auf Grund eines Vertrages des Hauptverbandes mit dem BMI einzelne Beamte im Bereich der organisierten Kriminalität oder wo auch immer einen direkten Zugriff auf Sozialversicherungsdaten haben. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde in der Sitzung des Datenschutzrates bestätigt. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass ich weitere tatsächliche Berichtigungen an den Schluss der Debatte verlegen werde.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

11.33

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Vor nicht ganz einer Woche, nämlich am Dienstag letzter Woche, wurde ich als Bundesminister für Soziales und Generationen vom Herrn Bundespräsidenten angelobt. Ich stelle das deswegen so klar fest, weil in den letzten Tagen und auch in den Ankündigungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heute in der Früh und am Vormittag meine Amtstätigkeit in der Weise verkürzt dargestellt wurde, dass man sagte, ich sei nur Bundesminister für Soziales und Frauenangelegenheiten. Tatsächlich bin ich laut Bundesministeriengesetz Bundesminister für Soziales und Generationen. (Die weiblichen Abgeordneten der SPÖ halten Tafeln mit der Aufschrift "Schwarz-blau = alle Macht den Männern" und "Ein Frauenminister ist ein Frauenminister" in die Höhe.)

Die Frauenangelegenheiten im Bundesministerium für Soziales und Generationen sind für mich genauso wie für meine Vorgängerin und für alle Vorgängerinnen, die im Frauenministerium tätig gewesen sind, selbstverständlich wichtige Anliegen meines Ministeriums.

Sehr geehrte Frauen hier im Hohen Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Nationalrates! Wir sollten den Grundkonsens darüber finden, dass in unserer Republik, in unserem Land die Sozialpolitik und die Sicherheitspolitik die Grundfundamente sind, dass sich die Zukunft der Österreicherinnen und Österreicher aller Generationen gut und positiv entwickelt. Daher ist für mich die Sozialpolitik das wichtigste Fundament meines Ministeriums, weil nur eine gesunde Sozialpolitik, die alle Interessen der Menschen, angefangen vom Kleinkind bis zum Großpapa und von der Schülerin bis zur Oma, berücksichtigt, auf die sozialen Bedürfnisse dieser Menschen Bedacht nimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wer die Vergangenheit unserer Ersten Republik und unserer Zweiten Republik genau studiert hat, wird festgestellt haben, dass dann, wenn der soziale Frieden in Gefahr war, zuerst die Frauen dieses Landes die Notleidenden waren. Daher ist für mich und für diese Bundesregierung das Fundament eine ausgewogene Sozialpolitik. In Zukunft sollen in diesem Lande die Frauen die gleiche Stellung und damit mehr Anspruch auf Beteiligung in unserer Gesellschaft haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin seit mehr als einem Jahrzehnt Angehöriger dieses Nationalrates, und ich weiß daher, welche Symbolkraft die Funktion einer Frauenministerin für die Frauen in Österreich und im Hinblick auf ihre Bemühungen in Richtung Gleichbehandlung und Gleichstellung in unserer Gesellschaft hat. Aber es ist mir auch bewusst, dass die Frauenpolitik der letzten Jahrzehnte eigentlich nur in einer kurzen Phase, nämlich von 1990 bis 1994, tatsächlich etwas erreichen konnte, was für mich immer das Wichtigste war: eine Verbesserung der Einkünfte der Frauen, eine Angleichung der Einkünfte der Frauen an jene der Männer und eine Verbesserung der Situationen der Frauen in der Pension. (Abg. Bures: Bei Ihnen gibt es ein Zurück in die Sechziger!) Das ist die Tatsache.

Wir sollten vielleicht zwei Lehren daraus ziehen: Die Frauen werden in diesem Lande erst dann vollständig in die Gesellschaft integriert sein und ihre beiden Wege, Karriereplanung ohne Partnerschaft oder Karriereplanung innerhalb der Familie, umsetzen können, wenn sie auch über die nötigen finanziellen Ressourcen verfügen. Erst dann werden sie die Lebensplanung für sich und für ihre Angehörigen in vollem Umfang umsetzen und bestimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auch wenn sich in diesen Stunden die Debatte um das Sozialressort und um die Nachfolge von Frau Dr. Elisabeth Sickl durch meine Person auf zwei Punkte zugespitzt hat, nämlich einerseits auf die Frauenpolitik und andererseits auf die Datenschutzpolitik in Österreich, so bin ich mir,


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sehr geehrte Damen und Herren, völlig bewusst, dass gerade das Sozialministerium ein Ministerium ist, das in beiden Belangen gefordert ist.

Die Problematik des Datenschutzes in Österreich, der seit der so genannten Spitzelaffäre nunmehr in der öffentlichen Diskussion steht, ist auch für mich als Sozialminister beunruhigend. Ich bin genauso wie alle Mitglieder dieser Bundesregierung daran interessiert, dass das, was derzeit in der österreichischen Öffentlichkeit diskutiert wird, umfassend, genau und rechtsstaatlich überprüft wird. Die Konsequenzen, die sich aus dieser Überprüfung für alle Ressorts dieser Bundesregierung ergeben, sind innerhalb dieser Bundesregierung unbestritten, und es wird ihnen Rechnung getragen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie alle, die mich in den letzten 14 Jahren im Parlament kennen gelernt haben, haben mir in Ihren Antworten auf meine Bestellung auch durchaus attestiert, dass ich immer für Rechtsstaatlichkeit und Fairness eingetreten bin. Diese meine Haltung wird sich auch in meiner neuen Position nicht ändern. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Daher darf ich als Sozial- und Familienminister eine neue Facette in die derzeit laufende Debatte um die Bemühungen der Republik Österreich und ihrer Bundesorgane um den Datenschutz hier in die Debatte mit einbringen. Es ist auch für mich als Familienminister beunruhigend, in welcher Form die Debatte derzeit läuft.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Minister, Verzeihung! Darf ich die Damen der sozialistischen Fraktion nach nunmehr sechs Minuten bitten, ihre Tafeln zu entfernen. – Der Herr Minister ist am Wort! (Ruf bei der SPÖ: Sozialdemokratisch !)

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, dass Sie mir das Wort erteilt haben. Ich darf daher nun fortsetzen.

Es ist für mich als Familienminister besonders beunruhigend, wie und in welcher Form die Debatten in Österreich derzeit geführt werden. Wir alle, die in der Politik stehen, wissen, dass wir mit dem Eintritt in die Politik einen Weg beschritten haben, der uns und unsere Person öffentlich macht. Ich habe für mich die Konsequenzen daraus gezogen, indem ich die mir seit dem Jahre 1991 bewusste und seit dem Jahre 1997 bekannte HCV-Erkrankung öffentlich gemacht und deren Meldung nie unterdrückt habe.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aber bei der jetzigen Diskussion um den so genannten Datenklau wird offensichtlich sowohl von den Medien als auch von der Politik vergessen, dass alle, die in der Öffentlichkeit stehen, auch Familien haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Es ist für mich als Angehöriger dieser Bundesregierung, der für die Fragen der Familien zuständig ist, auch unerträglich, feststellen zu müssen, dass Menschen aus Übereifer oder aus sonstigen Beweggründen gegenüber Familienangehörigen auch prominenter Politiker, wie etwa des Landeshauptmannes von Kärnten, Pressionen ausüben. (Abg. Dr. Mertel: Eher umgekehrt!)

Herr Dr. Haider hat so wie jeder andere und auch so wie die beiden von Herrn Kollegen Gusenbauer in seiner Rede genannten sozialdemokratischen Innenminister das Recht auf Unschuldsvermutung. (Abg. Dr. Mertel: Wie hat er die Familien angepatzt!) Sehr geehrte Damen und Herren! Solange das Recht der Unschuldsvermutung für Dr. Haider gilt – ich habe keinen Zweifel daran, dass es zu Recht für ihn gilt –, so lange hat auch seine Familie den Schutz der Institutionen dieser Republik zu bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich wäre es beunruhigend gewesen, wenn nach dem Erscheinen der beiden Bücher von Kleindienst und Sika in Österreich keine Voruntersuchungen und Vorerhebungen eingeleitet worden wären. Für mich wäre es beunruhigend gewesen, wenn man nach Erscheinen dieser beiden Bücher zur Tagesordnung übergegangen wäre.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich appelliere an die auf die Verfassung dieses Staates vereidigten Bundesminister und Sie, werte Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat, mit denen ich 14 Jahre lang so manche auch harte Auseinandersetzung bestehen durfte (Abg. Schieder: Sind Sie Innenminister?): Vergessen wir nie, dass die Instrumente der Rechtsstaatlichkeit


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schlussendlich dazu dienen, uns allen in Österreich – der Bevölkerung, aber auch den Bürgern, die sich entschlossen haben, in die Politik einzusteigen – in gleicher Weise den Schutz der Rechtsstaatlichkeit, der Absicherung und damit auch die Gültigkeit der Unschuldsvermutung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pilz. )

Herr Kollege Pilz! Sie wissen genauso gut wie ich – viele andere Abgeordnete, die seinerzeit dem "Noricum"-Untersuchungsausschuss angehört haben, wissen es auch –, dass die Parallelität von Untersuchungsausschüssen und Erhebungen nicht dienlich ist, um wichtige und notwendige Untersuchungen im Interesse dieses Staates – die Datensicherheit in diesem Staate sollte uns allen ein Anliegen sein – zu beschleunigen, im Gegenteil: Sie werden verlängert, verzögert und verbreitert. Ich darf Sie, sehr geehrte Damen und Herren, daran erinnern, dass eine Reihe von Repräsentanten des Staates in politischen Funktionen Jahre lang warten musste, ehe die österreichischen Gerichte ihre Unschuld im Sinne der Unschuldsvermutung wieder hergestellt haben.

In diesem Sinne sollten wir, glaube ich, alle daran interessiert sein, den Datenschutz in dieser Republik zu verbessern. (Abg. Schieder: Jetzt ist Haupt Justizminister !) Es gibt für mich, Herr Kollege Schieder, keinen Zweifel daran, dass diese Bemühungen von allen, vom österreichischen Parlament, aber auch von allen Mitgliedern der Bundesregierung ernst genommen werden. (Abg. Schieder: Zur Landwirtschaft sagen Sie nichts?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf mich nunmehr aber wieder jenen Bereichen zuwenden, die der eigentliche Diskussionsgrund dieser heutigen Sitzung sind. Ich darf mich zunächst bei Frau Bundesministerin Sickl herzlichst dafür bedanken, dass sie in ihrer Amtszeit die Pensionsreform umgesetzt hat. Es war dies ein schwieriges Thema, es war dies für viele in der österreichischen Bevölkerung ein Thema, das für sie schmerzlich war, weil damit in ihre direkte und umfassende Lebensplanung eingegriffen wurde und dort Veränderungen eingetreten sind. Ich glaube aber – die Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers ist da voll zu unterstreichen –, dass diese Bundesregierung damit erreicht hat, dass die notwendigen Reformen der Jahre 1995 und 1997, die damals unterblieben sind, endlich implementiert worden sind und dass damit die Pensionen für diese Legislaturperiode – ich gehe in Kenntnis der Zahlen, die mir als Parlamentarier zugekommen sind, davon aus –, aber auch über diese Legislaturperiode hinaus gesichert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Feurstein hat hier vom Rednerpult aus anklingen lassen, dass es im Bereiche des Arbeitsrechtes und im Bereiche der Arbeitslosenunterstützung für Saisonarbeiter eine deutliche Verbesserung geben soll und muss. Als Sozialminister schließe ich mich dieser Meinung an, Herr Kollege Feurstein! Wir alle wissen, dass wir heute Nachmittag um 17 Uhr die nächste Verhandlungsrunde – unter Einbeziehung der Sozialpartner – haben, und ich bin guten Mutes, dass schlussendlich gemeinsam mit Herrn Kollegen Dr. Bartenstein eine Lösung auf den Tisch kommen wird, die die Interessen der gesamten Bevölkerung in diesem Staat so berücksichtigen wird, dass wir von sozial ausgewogenen Regelungen in diesem Bereiche reden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Im Bereich Familienpolitik bereitet derzeit mein Ressort die Umsetzung des "Kindergeldes für alle" vor. Die Angleichung der Zahlen zwischen dem Finanzministerium und dem Ministerium für Soziales und Generationen sind so weit gediehen, dass wir nunmehr in die Endrunde kommen können. Ich gehe davon aus, dass mit Beginn des Jahres 2001 dieses wichtige gesetzliche Vorhaben dieser Bundesregierung in die Begutachtung gehen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem "Kindergeld für alle" werden auch wichtige Verbesserungen für die Frauen und für die beschäftigten Frauen in dieser Gesellschaft verbunden sein. Ich darf gerade die Frauen hier im Hohen Hause daran erinnern, dass bei der alten Karenzgeldregelung Zuverdienste und Ausbildungen während des Karenzgeldbezuges nicht möglich waren. Daher ist geplant, ein "Kindergeld für alle" mit Zuverdienstmöglichkeiten, mit Möglichkeiten der Berufsvertretung, mit Möglichkeiten des Verbleibens im eigenen Beruf, mit Möglichkeiten der Berufsverbesserung durch Fortbildung zu erreichen. Es werden Instrumente geschaffen, dass für die Frauen, die sich entschlossen haben, wegen der Kinderbetreuung aus dem Berufsleben


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auszusteigen, nach der Berufspause die Berufsfähigkeit, wie es im Technokratendeutsch heißt, im vollen Umfange wiederhergestellt ist.

Ich glaube, dass auch darüber zu diskutieren ist, inwieweit den Frauen in der Zeit des Kindergeldbezuges auch die Fortbildungsmöglichkeiten ihrer Betriebe offen stehen sollen. Es werden da entsprechende Gespräche mit der Wirtschaft zu führen sein, denn ich weiß, dass in einer Zeit, in der wir Gott sei Dank auf Grund der Bemühungen dieser Bundesregierung in vielen Bereichen Österreichs Vollbeschäftigung erreichen, die Betriebe wieder daran interessiert sind, dass berufsfähige Mitarbeiterinnen mit ausgezeichneten Qualitäten, am letzten Stand der beruflichen Entwicklung in ihrem Beruf, wieder in ihre Berufe zurückkehren.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Bundesminister! Wir haben in der Präsidiale eine Redezeit von 15 Minuten vereinbart. Ich bitte Sie, zum Schluss Ihrer Ausführung zu kommen. – Danke sehr. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Taferl hat man auch nicht vereinbart!)

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich werde mich an den Zeithorizont halten, darf aber nur kurz noch für meinen Bereich abschließend sagen, dass mir auch die Angelegenheiten des Konsumentenschutzes und vor allem die Angelegenheiten der Invaliden in diesem Staat ein besonderes Anliegen sind. Ich habe es bereits ausgeführt, ich bin selbst als HCV-Positiver davon betroffen. Ich bin daher glücklich und stolz, gerade in jenem Moment Mitglied der Bundesregierung zu werden, in dem die Bundesregierung mit 1 Milliarde Schilling dem Behindertenbereich so viel Geld wie noch nie in der Vergangenheit zur Verfügung stellen wird, damit die Behinderten einen gerechten Anteil an der Arbeitswelt in diesem Staat und endlich die besten Chancen in diesem Staat erhalten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich biete Ihnen für die Legislaturperiode ein faire, umfassende Information und eine faire und umfassende Zusammenarbeit meines Ressorts an, so wie wir es in der Vergangenheit gewohnt waren. Ich ersuche Sie im Interesse des sozialen Friedens in diesem Staat, dieses faire Angebot zu nutzen, denn – und ich bin überzeugt davon – nur in einem sozial friedlichen Österreich werden wir alle unsere Vorstellungen zur Verbesserung der Welt für morgen und übermorgen umsetzen können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edlinger. Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte. (Alle weiblichen Abgeordneten der SPÖ tragen Hosenanzug und Krawatte. – Abg. Haigermoser: Sind die Krawatten auch aus dem Fundus von Edlinger? – Abg. Ing. Westenthaler: Der Pleitegeier ist auf den Krawatten!)

11.50

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Herr Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich habe den Ausführungen des Herrn Sozial- und Frauen ministers Mag. Haupt sehr aufmerksam zugehört. Ich teile seine Ansicht, dass ein Grundkonsens in der Sozialpolitik erstrebenswert wäre, und ich teile auch seine Ansicht, dass ein Konsens nur dann erzielbar ist, wenn es vorher einen Dialog gibt, und zwar einen Dialog, der von der Fairness getragen ist, dass alle Dialogpartner in gleicher Form gehört werden.

Ich habe allerdings vermisst, dass von Herrn Mag. Haupt bestimmte Positionen, die zu Recht in der öffentlichen Diskussion stehen und die von seiner Amtsvorgängerin vertreten wurden, verändert und hier im Hohen Hause – vielleicht auch auf Grund einiger Ankündigungen in den Medien – präzisiert werden. Darauf habe ich aber vergeblich gewartet.

Ich glaube, dass die Sozialpolitik in der Tat die meisten Menschen interessiert. Ich habe darauf hingewiesen, und zwar erst vorige Woche, dass nicht nur die höchste Steuerquote eine sehr unsoziale Angelegenheit ist (Abg. Gaugg spricht mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Haupt. – Abg. Sophie Bauer: Hören Sie ihm wenigstens ein bisschen zu!), sondern dass auch das Prinzip der sozialen Treffsicherheit von dieser Bundesregierung missverstanden wird, denn es geht aus Sicht der Regierung offensichtlich nicht darum, sozial gerecht


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vorzugehen, sondern es geht in erster Linie darum, die sozial Schwachen zu treffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich vermisse die Antwort auf die Frage, in welcher Weise jene Bürgerinnen und Bürger unseres Landes – und das ist die überwiegende Mehrheit der Menschen in Österreich –, die zirka 30 000 S oder noch weniger verdienen, von dem "Paket der Grausamkeiten" dieser Bundesregierung verschont bleiben. Ich denke da an die steuerliche Frage, aber durchaus auch an viele Fragen betreffend den Bereich der Sozialpolitik.

Sehr geehrter Herr Sozialminister! (Abg. Huber: Der Minister hört nicht einmal zu! Es interessiert ihn nicht! – Abg. Ing. Westenthaler: Piep, piep, piep, piep, piep!) Sie haben gesagt, der Dialog ist wichtig. Im Bereich des Dialoges hat die österreichische Sozialpartnerschaft eine große Tradition. Es wäre nützlich gewesen, von Ihnen zu erfahren, ob auch Sie der Sozialpartnerschaft jenen Stellenwert beimessen, der ihr gebührt.

Herr Sozialminister! Wie halten Sie es mit den Arbeiterkammern, mit den Gewerkschaften und mit den Sozialversicherungen? Ist es in der Tat so, dass Sie deshalb die Beiträge zur Kammer kürzen, weil Sie ohnehin besser wissen, was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen? Heißt das Motto: Weg mit der überbetrieblichen Mitbestimmung, weg mit der Pflichtversicherung!, wenn es nach ÖVP und FPÖ geht? – Die Antworten auf diese Fragen hätten mich, sehr geehrter Herr Sozialminister, sehr interessiert. (Abg. Dietachmayr: Uns auch! – Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage des Pensionssystems: Ich habe mir Ihre Bemerkung notiert, dass das Pensionssystem durch die Maßnahmen, die Sie in dieser Legislaturperiode gesetzt haben – dann haben Sie einen Einschub gemacht, der das hieß: auch möglicherweise darüber hinaus –, gesichert sei. Dazu muss ich sagen: Ich bin sehr neugierig, ob Sie sich zu diesem Vorhaben in den nächsten Jahren tatsächlich bekennen.

Herr Abgeordneter Feurstein! Sie haben behauptet, auch ich hätte mich seinerzeit für Abschläge ausgesprochen. Ich muss sagen: Das ist falsch! Es war schon richtig, dass ich – und damals im Dezember haben sich manche von Ihnen hinter mir versteckt – auch der Meinung war, dass gerade im Bereich des vorzeitigen Pensionsantrittsalters Veränderungen vorgenommen werden müssen. Ich war zwar für eine viel längere Einschleifzeit, sogar bis zu zwei Jahren, jedoch bis zum Jahre 2005, aber für keine Abschläge!

Sehr geehrter Herr Dr. Feurstein! An Abschläge kann überhaupt nur jemand denken, der sich nicht vorstellen kann, wie man mit einer Pension von 12 000 S bis 13 000 S auskommen muss! (Beifall bei der SPÖ.) Diesen Pensionisten wollen Sie 15 Prozent wegnehmen!? Das ist sozial schändlich und wäre von mir sicherlich nicht mitgetragen worden! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wie hoch ist Ihre Pension? Wie hoch ist Ihre Pension? Herr Kollege Edlinger, wie hoch ist Ihre Pension? Haben Sie 12 000 S? – Abg. Mag. Trattner: Wie hoch ist Ihre Pension?)

Herr Sozialminister! Wie halten Sie es mit der Kürzung der Unfallpensionen durch die Einbeziehung in das Steuersystem? – Ich hoffe, dass Sie heute Nachmittag auf das Vorhaben verzichten werden (Abg. Ing. Westenthaler: Wie hoch ist Ihre Pension? 200 000, Herr Edlinger? Haben Sie 200 000 S Pension?), dass ein arbeitslos gewordener Bauarbeiter vier Wochen kein Geld bekommt und dann seinen Kindern sagen muss: Ihr müsst bis am nächsten Ersten warten, bis ich diese oder jene Anschaffung machen kann! (Abg. Mag. Trattner: Kommen Sie aus mit 200 000 S? – Abg. Ing. Westenthaler: 200 000 S Pension!) Ich bin neugierig, ob Sie jenes soziale Gewissen an den Tag legen, das Sie hier zumindest angedeutet haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Petrovic: Wir haben es schon gehört! Sie brauchen es nicht zu wiederholen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Interessant war, dass der Herr Minister seiner Funktion als Frauenministerin einen viel breiteren Raum gewidmet hat. (Abg. Ing. Westenthaler: 200 000 S Pension! 200 000 S kassiert er! Abkassierer!) Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie in diesem Lande Frauenministerin sind, und es ist in der Tat so, dass manche in der überkommenen Form meinen, der Mann sei das Oberhaupt der Familie.


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Ein Mann, nämlich der neue Sozial- und auch Familienminister Haupt, hat nun auch in diesem Bereich das Sagen. Österreich hat es endlich geschafft, wie man Zeitungsberichten entnehmen kann, wieder in der Europäischen Union beachtet zu werden: ein Mann inmitten vieler Frauen. Endlich sind wir wieder da, wo wir 1970 im Bereich der Frauenpolitik waren. Die ÖVP- und FPÖ-Regierung hat es geschafft, die Weichen in der Frauen- und Familienpolitik innerhalb von nur wenigen Monaten wieder in Richtung Steinzeit zu stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mir als Mann kein Urteil anmaßen, das werden die Frauen in unserem Staate zu beurteilen haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Pensionsmillionär!)

Meine Damen und Herren! Es ist interessant, dass auch von Ihnen im Rahmen dieser Debatte ganz besonderes Augenmerk auf die Spitzelaffäre gerichtet worden ist. Es ist auch interessant, dass Herr Westenthaler – ich habe notiert, was er gesagt hat – in militärischer Form in den Medien gemeint hat, er hole zu einem "ultimativen Gegenschlag" aus. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Das war ein Rundumschlag mit unsachlichen und in keiner Weise mit der Sache im Zusammenhang stehenden Argumenten, der dazu diente, von der Hauptsache abzulenken. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das hat euch nicht gefallen! Das war ein Volltreffer! Volltreffer!)

Tagtäglich, meine sehr verehrten Damen und Herren, tauchen neue Hinweise auf, dass die FPÖ innerhalb der österreichischen Polizei ein Spitzelnetz aufgebaut hat, um damit politische Gegner, aber auch unbescholtene Bürger zu überwachen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das sozialistische Innenministerium!) Tag für Tag verdichten sich die Hinweise, dass die FPÖ damit den schwersten politischen Anschlag auf unsere Demokratie, ihr Recht und ihre Grundwerte verübt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

Es verdichten sich tagtäglich die Hinweise, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass das systematische Bespitzeln politischer Gegner und anderer Staatsbürger nicht nur mit dem Wissen, sondern – das ist besonders verwerflich – im Auftrag der Spitze der Freiheitlichen Partei getätigt worden ist. Das muss man der Öffentlichkeit in aller Deutlichkeit sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat Ihnen den Satz aufgeschrieben? – Abkassierer! Pleitegeier! Sozialistischer Pleitegeier! Pleitegeier!)

Nicht gegen sozialdemokratische Innenminister wird vorerhoben, sondern gegen einen Herrn Haider, gegen einen Herrn Kabas, gegen einen Herrn Kreißl. Spitzenfunktionäre Ihrer Partei sind in eine Angelegenheit verwickelt, die in höchstem Maße aufklärungsbedürftig ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Einem! Löschnak! Kessler! Schlögl!)

Der Bundeskanzler weiß dazu nichts anderes zu sagen als die Bemerkung, dass es 30 Jahre lang sozialdemokratische Innenminister gab. Diese Affäre kann nur dann bekannt werden, wenn einer aus dem Netz plaudert (Abg. Ing. Westenthaler: Einem!), und dieser Plauderer heißt Kleindienst. Dieser Herr Kleindienst hat diese Sache ins Rollen gebracht (Abg. Ing. Westenthaler: Den ihr gekauft habt! Den ihr gekauft habt!), weil er offenbar mit dieser Art der Politik, mit dieser Schändlichkeit, mit dieser Bespitzelung, die Ihre Politik auszeichnet und die die Menschen faktisch letztendlich zu Hampelmännern in diesem Lande macht, nicht mittun kann. (Abg. Ing. Westenthaler: Sozialistisch käuflich!)

Daher meine ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass ein Untersuchungsausschuss gerade jenes Mittel wäre, all Ihre Unterstellungen, auch gegen andere politische Parteien, aufklären zu können. (Abg. Mag. Trattner: Das war eine gute Entscheidung, dass Sie nicht mehr Minister sind! Abgedankter Finanzminister!) Aber Sie wissen ganz genau, warum Sie das nicht zulassen – weil Sie hier mit einem sehr, sehr schlechtes Gewissen sitzen. Die Zeit wird die Täter an das Tageslicht befördern, dessen bin ich mir sicher. (Abg. Ing. Westenthaler: Gescheiterter Finanzminister! Sie sind ein gescheiterter Finanzminister!) Die Uhr der Gerechtigkeit geht zwar manchmal langsam, aber sehr präzise. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.01


Nationalrat, XXI.GP
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43. Sitzung / Seite 37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Der gescheiterte Finanzminister!)

12.01

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Ministerbank! Hohes Haus! Ich bedauere außerordentlich, dass die heutige Vorstellung des neuen Bundesministers für Soziales und Frauen vom Datenklau-Missbrauch überschattet wird, der gänzlich in der Ära von sozialistischen Innenministern stattgefunden hat. (Abg. Dr. Gusenbauer: Angefangen hat der Bundeskanzler! – Abg. Gradwohl: Von wem, Herr Gaugg? – Von Ihnen!)

Gerade Sie, meine Damen und Herren der Sozialdemokratie, führen immer wieder Hetzkampagnen gegen freiheitliche Spitzenfunktionäre, an erster Stelle Landeshauptmann Dr. Haider, und vergessen dabei einen Herrn Praschak, Vorstandsmitglied der Kontrollbank in Österreich, der einem gewissen Herrn Exminister Scholten weichen musste und auf Grund Ihres politischen Systems Selbstmord beging. Aber Sie glauben, Sie können weiterhin Hetzkampagnen ohne Rücksicht auf Verluste durchführen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Ein weiteres Beispiel: Es wird ein steirischer Bundesrat der FPÖ entsandt. Er erscheint in der Sitzung in Gendarmerieuniform. Sie sind es, die die Menschen an den Rand der Verzweiflung bringen und das noch in Verbindung damit bringen, dass Bundesobmann Dr. Haider "sein Pferd" in den Bundesrat entsandt hat. Das sind Sie und Ihre Charaktere!

Sie vergessen auch "Lucona", den "Club 45" – all Ihre Spitzen sind dort ein und aus gegangen. Diese Causa hat zu reihenweisen Rücktritten geführt. All das vergessen Sie, aber Sie schicken sogar Ihren Expleitier-Chef Edlinger heraus und schreiben ihm einen Satz auf, wie man mit Spitzel- oder sonstigen Affären umzugehen hätte. Das ist in hohem Maße unglaubwürdig. Sie haben in dieser Frage keine Glaubwürdigkeit, gerade auch Sie, Herr Ex-Staatssekretär Wittmann! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Umgang mit Menschen scheint Ihnen dann egal zu sein, wenn es sich um Freiheitliche handelt, insbesondere um Landeshauptmann Dr. Jörg Haider, weil er Ihnen an meisten wehtut, nämlich in der Form, dass Sie massenhaft Wähler verlieren. Gott sei Dank ist es in dieser Republik zu einer Veränderung gekommen. (Abg. Gradwohl: Wie in der Steiermark! Wie in der Steiermark! – Abg. Haigermoser: Da habt ihr verloren, ja!)

Mit der Vorstellung und Installierung des neuen Bundesministers Herbert Haupt beginnt eine neue Zeitrechnung in der österreichischen Sozialpolitik. Die SPÖ ist gemeinsam mit der ÖVP einer Fehlentwicklung unterlegen – bis zum 4. Februar dieses Jahres; bei immer höheren Schulden, immer weniger Leistungen, bis letztlich der "Konsum" als Mahnmal für die Republik statuiert wurde. Das ist Ihre Form der Beiträge für die Republik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie kann es sein, dass es nach 30 Jahren SPÖ-Bundeskanzlern, 30 Jahren SPÖ-Finanzministern und vielen Jahren Frauenministerinnen dazu kommt, dass Tausende Arbeitnehmerinnen in Österreich ohne Kollektivvertrag dastehen? Wie kann es dazu kommen, dass 1 Million Menschen – überwiegend sind es Frauen – an der Armutsgrenze oder darunter leben? Wie kann es dazu kommen, dass in der Frage der Gleichbehandlung Mann und Frau beim Einkommen weiter getrennt sind denn je?

Es gibt große Einkommensunterschiede in den einzelnen Branchen – ÖGB-Präsident Verzetnitsch weiß es genau. Wie kann es Unterschiede bis zu 35 Prozent beim Einkommen bei gleicher Tätigkeit geben, wenn die gesamte Frauenpolitik der SPÖ bis dato so hervorragend war?

Tatsache ist, dass Sie auch in diesem Bereich gar nichts zusammengebracht haben. Frau Dohnal war noch bemüht. Über das, was danach gekommen ist, hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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43. Sitzung / Seite 38

Sie muten den Menschen zu, dass unfinanzierbare Pensionen ausgezahlt werden, bis es kracht. Sie nehmen der Jugend mit Ihrer Form der Finanzpolitik ihre Chancen. Diesen Spiegel muss ich Ihnen vorhalten. Sie erklären der Bevölkerung, alles sei finanzierbar. Sie haben auch den Mitarbeitern des "Konsum" immer gesagt, es sei alles finanzierbar, es sei alles im rechten Lot. – Es ist dann erst an die Öffentlichkeit gekommen, welche Verträge Sie dem damaligen Generaldirektor geboten haben und zu welchen Schandlöhnen die "Konsum"-Mitarbeiter beschäftigt waren, ohne dass man ihnen Überstunden abgegolten hat. Das muss man Ihnen vorhalten! (Abg. Dr. Mertel: Heute sind Sie schwach!)

Man muss Ihnen ständig den Spiegel vor Augen halten, denn während – das ist für mich staatspolitisch bedenklich – die neue Bundesregierung an der Sanierung des österreichischen Haushaltes arbeitet, sind Sie und Ihre Parteispitzen bei den Donnerstag-Demonstrationen an der Spitze gestanden. Ihnen ist es nicht um die Republik gegangen, sondern ausschließlich um die Besetzung Ihrer Posten. Das ist in sich zusammengebrochen. Es sind die Demonstrationen im Sande verlaufen, und die von Ihnen herbeigesehnten Sanktionen sind auch verpufft. Letztlich bleibt es dabei, dass die SPÖ die Niederlage, aus den Ämtern nicht mehr jenes Kapital schlagen zu können, wie sie es gerne hätte, nicht verkraftet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dass die Sanierung dieses Haushaltes nicht einfach ist, weiß auch Herr Exminister Edlinger, denn jetzt ist er schon so weit, denkt um und sagt, es könnte tatsächlich das Nulldefizit erreicht werden. – Mit Finanzminister Grasser schon! Mit Ihnen bezweifle ich es außerordentlich, denn Sie haben uns auch vorher bei den Budgets nicht die Wahrheit gesagt. (Abg. Edlinger: Habe ich immer!) Sie haben immer gesagt, punktgenau würden Sie es treffen. – Es ist voll daneben gegangen. 100 Milliarden Schilling sind einzusparen. Das ist kein Pappenstiel, Herr Exminister Edlinger! Wären Sie in der Vergangenheit sorgsamer mit den Mitteln und Ressourcen umgegangen, dann hätten wir diese massiven Eingriffe in die Budgets nicht notwendig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Es wird nicht richtiger, wenn Sie es immer wieder sagen! Falsch!)

Es ist nicht einfach, in einer Zeit explodierender Benzinpreise, in einer Zeit mit einem an Schwindsucht leidenden Euro zu leben, den in erster Linie Sie uns eingebrockt haben. Sie waren es, der champagnisierend in Brüssel oder wo immer den Euro eingeführt hat. Damals ist er bei 1,13 gelegen, jetzt sind wir bei 0,8 angelangt, und die größten Sorgen sind, dass er einmal bei 0,7 liegt. Das ist Ihre Finanzpolitik, das sind die Ergebnisse und Auswirkungen! (Abg. Mag. Kogler: Das ist Holler! Das ist Holler!)

Heute haben wir in der Republik eine Inflation in der Höhe von 3 Prozent im Monat. Das sind die Auswirkungen und Ursachen. Hier würde ich mir erwarten, dass Sie Ihre vielleicht noch vorhandenen Einflüsse innerhalb der Europäischen Kommission geltend machen, damit einmal mit der Preistreiberei bei Benzin Schluss ist. Diese Inflation und diese Benzinpreise treffen ja ausschließlich die sozial Schwächeren, nicht Herrn Liebscher von der Oesterreichischen Nationalbank, der uns ständig erklärt, es sei nicht so schlimm.

Herr Duisenberg sagt, am besten wäre, wenn die Politiker überhaupt nichts mehr dazu sagen. Da muss ich schon sagen, meine lieben Freunde, man sollte ihnen schon vor Augen führen, dass auch wir Ressourcen haben, die unter Umständen auch jene, die heute glauben, uns mit Öl erpressen zu können, benötigen. Das ist Wasser. Das sage ich in aller Deutlichkeit, und darum lade ich Sie ein, uns hier mit zu unterstützen. (Abg. Dr. Wittmann: Sind Sie gegen die Währungsunion auch noch? – Sie verkaufen unser Wasser! – Abg. Mag. Kogler: Wollen Sie einen Austritt aus der Währungsunion?)

Was erwarten wir uns vom neuen Sozial- und Frauenminister? – Erstens einmal eine berufliche und finanzielle Besserstellung für Frauen, eine tatsächliche Umsetzung. Er wird den Beweis dafür antreten, und ich habe großes Vertrauen, dass er in der Lage ist, jene Versäumnisse der weiblichen Frauenministerinnen der SPÖ aufzuholen und endlich einmal dafür zu sorgen, dass es tatsächliche Gleichberechtigung gibt.


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Zweitens: die Einführung des Kinderschecks. Warum torpedieren Sie solche Maßnahmen? – Sie sind verantwortlich dafür, dass es zu wenig Kindergartenplätze gibt. Kinder werden Ihnen immer gleichgültiger. Ihnen war in den letzten Jahren immer der Zuzug von Ausländern besonders wichtig. (Abg. Edlinger: Sind das nicht die Bundesländer? – Die Bundesländer sind für die Kindergärten zuständig!) Sie haben es verabsäumt, während einer steigenden Beschäftigung auch dafür zu sorgen, dass die Behinderten eine höhere Beschäftigung bekommen. – Wir schaffen eine Behindertenmilliarde. Ich bin davon überzeugt, dass es zu einer raschen Umsetzung kommen wird, insbesondere im Hinblick auf einen verbesserten Berufseinstieg für Behinderte.

Die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten ist eine Maßnahme, die eine effiziente Verwaltung erkennen lässt. Die Einführung eines Drei-Säulen-Modells wird eigenartigerweise von der SPÖ immer torpediert. Aber in den Arbeiterkammern haben wir schon dieses Drei-Säulen-Modell, dort wurde es mit viel Freude installiert. Also kann ich den Protest nicht ganz verstehen. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Ich erwarte mir, dass wir die Durchrechnungsmodelle für die Saisonbediensteten in unserer Republik bekommen – sodass es zu einer gerechten Einkommensverteilung unter den Beschäftigten und Arbeitnehmern kommt –, eine Verhinderung der Einführung der vierwöchigen Wartefrist und in der Frage der Osterweiterung, der Einwanderungs- und Pendler-Problematik eine besondere Berücksichtigung Österreichs.

Natürlich hat dieser Regierungswechsel Irritationen hervorgerufen, insbesondere unter tatkräftiger Mithilfe der SPÖ. Warum waren Sie eigentlich so massiv dagegen? Warum haben Sie bei diesem Machtverlust so laut geschrien? – Weil er auch – und das ist bedauerlich – mit dem Aufdecken des Missbrauchs von Steuergeldern der österreichischen Bevölkerung einhergeht! Sie haben diese Republik und ihre Bürger für den eigenen Selbstbedienungsladen missbraucht. (Abg. Dr. Mertel: Schwach sind Sie!)

Ein kleines Beispiel – ich nenne nur das Wort "Euroteam": Auf einmal kennt da überhaupt niemand mehr irgendjemanden. Der Herr Klima weiß nicht mehr, dass er einen Sohn hat. Der Pressesprecher David Mock weiß nicht, dass er irgendwo bei einem Verein Mitglied ist. Aber der Herr Stuhlpfarrer, der beste Freund Ihres Vorsitzenden Gusenbauer, der sich den Zugang erschlichen hat, ist derjenige, der 118 Millionen Schilling ungeprüft verludern kann. Ungeprüft – 118 Millionen Schilling an Steuergeldern! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir werden trotz der Widerstände der SPÖ (Abg. Dr. Mertel: Selbstverständlich!) die Effizienz des Arbeitsmarktservice und andere Bereiche im Sozialen verbessern. (Abg. Ing. Westenthaler: "Das wäre auch eine Möglichkeit", Frau Mertel ...!) Davon bin ich überzeugt. Es ist uns schon gelungen, die Aufhebung der Zuverdienstgrenze für Pensionisten zu erreichen (Zwischenruf der Abg. Bures ), die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten – das tut Ihnen weh! (Abg. Dr. Mertel: Nein! Sie sind schwach!) Jahrelang haben Sie davon gesprochen; es tut Ihnen weh, dass Sie keinen Schritt weitergekommen sind. Wir sind in der Lage, das jetzt vorzuzeigen.

Es gibt viel zu tun ... (Abg. Dr. Mertel: Das ist schon der 50. Aufguss Ihrer alten ...! – Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. ) Es gibt viel zu tun, Kollege Kogler. Einmal bitte nicht den Mund, sondern das Hirn verwenden – das würde mir wirklich gefallen! Es gibt viel zu tun und viel zu schaffen in dieser Republik. Ich lade Sie von der SPÖ ein: Geben Sie Ihren Widerstand auf, und arbeiten Sie zum Wohle dieser Republik weiter! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Keine Krawatte?)

12.13

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat diese Debatte unter anderem mit einem sehr denkwürdigen Satz eingeleitet. Herr Bundeskanzler, Sie haben wörtlich gesagt: "Mann zu sein, kann doch kein Diskriminierungsgrund sein." – Dieser Satz allein


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beweist die frauenpolitische Inkompetenz dieser gesamten Bundesregierung deutlich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie wissen, dass Österreich in Sachen Frauenpolitik seitens der EU mindestens genauso oft gerügt wurde wie in Sachen Budgetpolitik. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern in ökonomischer Hinsicht, der so genannte "Gender Gap", ist viel zu groß für einen entwickelten Industriestaat. Und Sie wissen es, das so genannte Beschäftigungswunder geht zu Lasten der Frauen. Die atypischen Beschäftigungsverhältnisse werden mehr, die befristeten, die Leiharbeitsverhältnisse, die nicht existenzsichernde Teilzeit. Das alles wissen Sie, und trotzdem sagen Sie: "Mann sein kann doch kein Diskriminierungsgrund sein." Die österreichischen Frauen werden diese Ansage gebührend zu beantworten wissen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Frauenministerin  – denn das war der einzige weibliche Titel für ein Regierungsmitglied, den wir hatten, und Frau Sickl hat ihn in einer Anfragebeantwortung übernommen –, Sie sprechen wider besseres Wissen! (Ruf bei der ÖVP: Sie aber auch!) Ihnen kann ja das entsprechende Fachwissen in der Sozialpolitik nicht abgesprochen werden. Sie wissen genau, dass das, was Sie hier als Ihren Wunsch ausgedrückt haben, nämlich die Verringerung dieser ökonomischen Lücke, von der Politik der Bundesregierung konterkariert wird.

Die Zahlen im Budget sind andere, und Sie haben nicht widersprochen, Herr Mag. Haupt! Sie wissen, dass die Pensionsreform – heute so gerühmt – sehr einseitig zu Lasten der Frauen wirkt, um mehrere Prozentpunkte stärker auf Grund ihrer Berufsunterbrechungen. Sie wissen, dass das Geld für Kinderbetreuungseinrichtungen auf Bundesebene gestrichen, auf null gesetzt wurde. Sie wissen, dass nur in die häusliche Kinderbetreuung investiert wird und dass das Weiterbildungsgeld nach der Karenzphase, in der es besonders wichtig wäre, gestrichen worden ist. (Abg. Steibl: Stimmt ja nicht!)

Einen besonders beschämenden Umstand haben Sie in der Form nicht angesprochen, nämlich dass in Zukunft für die soziale Sicherheit einer Frau ein ganzes Leben lang das Kriterium, ob sie einmal ein Kind geboren hat oder nicht, maßgeblich sein wird. Das ist ein anachronistisches Kriterium, das unterstreicht aber die Intentionen, die diese Bundesregierung verfolgt. (Beifall bei den Grünen.) Einmal ein Kind gehabt, sind die Chancen für Mitversicherung ohne zusätzliche Kosten gewahrt. Aus welchen Gründen auch immer – ich dachte, das solle doch Privatsache sein – kein Kind gehabt: Pech gehabt, wenn das Haushaltseinkommen nicht stimmt!

Insgesamt hätte ich mir doch auch Wort von Ihnen zur Umverteilung erwartet. Der Zweite Nationalratspräsident hat ja die Privilegien für die Milliardäre, die Stiftungsgründer mit starken Worten verteidigt, indem er gesagt hat: Man kann nicht etwas einführen und dann hopp oder tropp wieder abschaffen. – Daher frage ich Sie: Was ist denn – hopp oder tropp – den Frauen passiert, als Sie zum Beispiel das Weiterbildungsgeld gestrichen haben? Das ist sehr einseitig, und das wird von Ihnen nicht einmal mehr erwähnt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Frauen haben eine eigenständige Stimme in der Regierung schon seit längerer Zeit verloren. Es gab diese Stimme einmal – ich möchte Frau Dohnal auch herzlich begrüßen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ für die auf der Galerie sitzende ehemalige Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Johanna Dohnal. – Abg. Jung: Dass Sie jetzt noch klatschen, ist schon erstaunlich ...!) Nun möchte ich Ihnen einige Stimmen von Frauen zur Kenntnis bringen. (Die Rednerin hält mehrere Schriftstücke in die Höhe.) Das alles sind Originalschreiben, die uns erreicht haben.

"Verein Frauenservice": "Na bravo! Nach der Abschaffung der Frauenministerin und der Eingliederung der Abteilung ins Sozialministerium beschert uns die blau-schwarze Regierung endlich einen Mann, der uns Frauen sagt, wo’s langgeht."

Oder die Zeitschrift "An.schläge" (Abg. Böhacker: Wie heißt die? – Abg. Jung: Verkauft vier bis fünf Stück im Monat!): "Daß nun auch noch ein Mann die im Sozialministerium angesiedelten Frauenagenden vertritt, ist aus der Sicht der FPÖ nur konsequent, weil die FPÖ eine Anti-Frauenpolitik betreibt. – Und wer könnte das besser als ein Mann?"


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Oder Frau Erdemgil-Brandstätter schreibt: Die Bundesregierung ist zum "Gender Mainstreaming" verpflichtet. Wo sind denn die Maßnahmen, die jetzt beschlossen werden, unter diesem Aspekt der Gleichstellung, des "Gender Mainstreaming", überprüft? (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber  – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministers Mag. Haupt, der mit Bundesminister Mag. Grasser spricht –: Herr Bundesminister, hören Sie bitte zu!)  – Sie haben diese Verpflichtung nicht einmal ignoriert.

Es werden die Umsetzung der UN-Frauenkonvention und Förderungsrahmenverträge verlangt. Nichts von alldem! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )  – Ja, er soll nur vor dem Fernsehpublikum zeigen, wie sehr ihn die Frauenpolitik interessiert. Das ist ja ein gutes Beispiel dafür. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Jung: Die Zeitschrift "An.schläge" ist wirklich nicht so wichtig!)

Oder Frau Althaus, die schreibt: "Wer seine Interessen nicht mehr selbst vertreten darf, ist entmündigt. Was kommt als Nächstes? Die Abschaffung des Frauenwahlrechts, weil Männer Fraueninteressen eh viel besser vertreten, als diese selbst es jemals könnten?"

Oder die "Oberösterreichische Vernetzungsgruppe" ... (Abg. Steibl: Das interessiert die Frauen überhaupt nicht!) Wenn Sie meinen, das interessiert die Frauen nicht, dann geben auch Sie ein beredtes Beispiel, wie viel Ihnen die Stimmen aus dem Volk, aus der Bevölkerung, Frauenstimmen, wert sind. Uns sind sie sehr viel wert, und sie sind es wert, in dieses Haus zu kommen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Jung: Besonders, wenn sie in der Zeitschrift "An.schläge" ...!)

Die "Vernetzungsgruppe Oberösterreich": Gemäß Amsterdamer Vertrag "sind alle Regierungen der EU aufgefordert, in alle politischen Konzepte und Entscheidungsprozesse Frauen in gleicher Weise" einzubinden.

Dann noch zwei individuelle Schreiben von Bürgerinnen (Abg. Jung: ... Schimmelbriefe!); die eine schreibt in Sachen Studiengebühren, Steuer für Studierende:

Ich fühle mich betrogen um meine Matura und um meine Studienberechtigung. Was nützt mir denn, dies alles zu haben, wenn das Geld und die Zeit – diese Frau hat auch Kinder – fehlen? Das sind anscheinend die einzigen Kriterien, die als Studienzugang zählen, und nicht Wissen und Können. Österreich wird ein armes Land dadurch. – Zitatende.

Eine weitere beklagt die Streichung des Weiterbildungsgeldes, weil sie damit ihre Tätigkeit als Exportmanagerin, die sie wegen Karenz unterbrochen hat, wahrscheinlich nicht auf gleicher Ebene fortführen kann. – All das sind Beispiele.

Aber auch von mir ein Wort in Sachen Spitzelaffäre: Herr Bundeskanzler! Auch Sie scheinen in dieser Angelegenheit Ihre Meinung geändert zu haben. Sie haben vor nicht allzu langer Zeit in Richtung der Person Mag. Haupt gesagt, seine Distanzierung von den damaligen Haider/Krumpendorf-Äußerungen – SS-Veteranen als "anständige Menschen" – sei halbherzig, das sei nicht genug. Sie haben sich deswegen gegen eine Bestellung Haupts zum Dritten Nationalratspräsidenten ausgesprochen. – Und jetzt wird Ihnen diktiert, dass dieser Mann, den Sie damals nicht für geeignet hielten, in Ihrer Regierung sitzt? Was ist denn seither passiert, das Ihren Befund so anders macht?

Oder: Auch Sie, Herr Mag. Haupt, haben in Ihrer "Pressestunde" gesagt, es gebe keine Schuld bei der FPÖ. – Unschuldsvermutung gut und schön, aber erstens ist politische Verantwortung etwas anderes als strafrechtliche Verantwortung, und zweitens geht es bei Ihnen nicht mehr um Unschuldsvermutung – ebenso nicht wie bei Böhmdorfer –, sondern es geht um eine Unschuldsfestlegung, und die scheint nur bei eigenen Parteifreunden zu gelten. Das ist klassische Parteilichkeit! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein Allerletztes: Sie haben hier Sorgen um die Familie von Herrn Dr. Haider geäußert. (Abg. Jung: Die Redezeit ist abgelaufen!) Wir alle lehnen Sippenhaftung und Ähnliches ab. (Abg. Dr. Ofner: Wie lange ist die Redezeit eigentlich?) Aber was sagen Sie den Familien der Jour


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nalistinnen und Journalisten, die hier oben sitzen, denen Herr Dr. Haider heute ausgerichtet hat, die Spitzelaffäre sei die Erfindung von kranken Gehirnen einiger Journalisten? – Erklären Sie das diesen Familien einmal! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

12.24

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meiner Vorrednerin möchte ich sagen: Wichtig sind nur die Taten und nicht die Worte! (Abg. Dr. Mertel: Ach so! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Wichtig ist, dass eine gute Frauenpolitik gemacht wird; was zählt, ist die Politik. Hier hat die Volkspartei volles Vertrauen zu Herbert Haupt, dass er eine gute Frauenpolitik machen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wichtig sind die Taten. Ich habe mit großem Interesse gesehen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, Sie haben ja auf Ihren Taferln "Alle Macht den Männern!" gefordert und haben das sofort ... (Abg. Bures: Völlig falsch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ah nicht? – Aber Sie haben es dann gleich in die Tat umgesetzt. Sie haben die Frauenministerin außer Dienst Prammer, die zu Wort gemeldet war, gestrichen und durch einen Mann ersetzt. Alle Macht den Männern! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Den Herrn Bundesminister für Finanzen außer Dienst, Edlinger, möchte ich daran erinnern, dass es seine Schuldenpolitik war, die das Budgetloch von mehr als 100 Milliarden Schilling verursacht hat, dass es seine Schuldenpolitik war, ob deren wir jetzt in einem Reformdialog sanieren müssen, und dass es seine Schuldenpolitik war, ob deren wir jetzt in einem Paket der sozialen Treffsicherheit die Dinge wieder ins Lot bringen müssen. Erinnern Sie sich daran! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weil ich Herrn Minister außer Dienst Edlinger hier sprechen und seinen wirklich emphatischen Appell in Bezug auf 15 Prozent Kürzung bei Pensionen gehört habe: Herr Edlinger, erinnern Sie sich doch: Wer hat denn die Abschläge bei Frühpensionen eingeführt, und wann?! – Eingeführt hat das eine Koalitionsregierung, der Minister Hums von den Sozialdemokraten angehört hat. (Abg. Sophie Bauer: Sie waren auch dabei? Na schau!) In dieser Koalitionsregierung wurde die 15-Prozent-Maximalgrenze für Abschläge bei Pensionen aus vorzeitiger Alterspension eingeführt.

Es gilt also immer das: Wenn man mit einem Finger auf jemanden zeigt, zeigen drei Finger auf einen zurück. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Diese drei Finger haben auf Sie gezeigt, Herr Edlinger! Es waren doch Sie, die diese Abschläge eingeführt haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich auch ein Wort zum Datenmissbrauch sagen. Wenn es stimmt, was derzeit in den Medien steht – mir ist nichts anderes zugänglich als das, was in den Medien steht –, und wenn diese Fakten bestätigt werden, dann liegt ein Skandal vor, der unbedingt aufgeklärt werden muss.

Ich möchte aber dazu sagen: Ich bin schon lange genug in diesem Haus, um die Hydra Datenmissbrauch zu kennen. Sie hat sieben Köpfe, und schlägt man ihr einen Kopf ab, so wachsen immer weitere nach. Der Erste, der der Hydra Datenmissbrauch den Kopf abschlagen wollte, war Minister Olah – damals ein Sozialist. Es hat dann weitere gegeben. Es hat Minister Löschnak gegeben – ich erinnere mich genau –, und es war Ihr Parteifreund Bürgermeister Zilk, der in einem hervorragenden Diskussionsbeitrag darauf hingewiesen hat, dass die Frage des Datenmissbrauchs immer wieder unter sozialistischen Innenministern ein wichtiges Problem war, das bis jetzt offensichtlich nicht gelöst werden konnte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber es stellt sich dabei schon eine Frage. Ich habe Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Schlögl im Fernsehen gehört, den man damit konfrontiert hat, dass ja alle diese Datenmiss


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brauchsvorwürfe seine Zeit betreffen und die Zeit vorher. Da hat Schlögl Folgendes gesagt – ich zitiere –:

"Vorerst möchte ich einmal sagen, dass pro Jahr 52 Millionen Abfragen getätigt werden. Das ist eine erklecklich hohe Anzahl von an die 25 000 Polizeibeamtinnen und -beamten, die dazu berechtigt sind. Es hat immer wieder Verdachtshinweise gegeben. Wenn es in meiner Zeit solche Hinweise gegeben hat, ist sofort strengstens untersucht worden. Ich habe auch eine Reihe von Anzeigen an die Staatsanwaltschaft gemacht. Es hat Gerichtsverhandlungen gegeben, es hat Freisprüche gegeben, es hat Verurteilungen gegeben. Es hat eine Vielzahl von Disziplinarverfahren gegeben. Das heißt, in meiner Amtszeit ist immer sofort auf den kleinsten Hinweis reagiert worden, sind entsprechende Maßnahmen gesetzt worden."

ORF-Frage: "In wie vielen Fällen sind denn da Untersuchungen angestellt worden?"

Schlögl: "Die genaue Zahl kann ich Ihnen nicht sagen. Es war sicher eine zweistellige Zahl." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Ein Minister, der eine zweistellige Zahl von Untersuchungen wegen Datenmissbrauchs durchzuführen hat und das System nicht ändert, der hat die politische Verantwortung dafür zu tragen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Ein Träumer! – Abg. Haigermoser: So schaut es aus! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Bis jetzt liegt noch kein gerichtliches Verfahren vor. (Abg. Sophie Bauer: Warum stimmen Sie dann nicht einem Untersuchungsausschuss zu? – Abg. Dr. Wittmann: Stimmen Sie dem Untersuchungsausschuss zu!) Auf den Untersuchungsausschuss komme ich schon noch zu sprechen. Ich kenne Ihre Strategie, Herr Kollege Wittmann: Sie waren ja in der Bundesregierung schon immer so erfolgreich, die falschen Probleme mit falschen Antworten zu bedenken. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bis jetzt gibt es Verdächtigungen, es gibt schwerwiegenden Verdacht. Wir haben jedoch Vertrauen in die Beamten der Exekutive in der Sonderkommission, und wir haben Vertrauen in Bundesminister Ernst Strasser, dass diese Untersuchungen – unbeeinflusst von der Politik, nur dem Gesetz verpflichtet – ordnungsgemäß durchgeführt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben aber auch Vertrauen in die Justiz und Vertrauen in Minister Böhmdorfer, dass er seine gesamte juristische Fähigkeit – und die hat er – dafür einsetzt, dass diese Verfahren sehr rasch durchgezogen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Was soll der Böhmdorfer tun?) In diesem Vertrauen werde ich – wenn ich es nicht ohnehin schon gewusst hätte – bestätigt durch den Leitenden Oberstaatsanwalt Schindler, der heute in einer Presseaussendung gesagt hat – ich zitiere eine APA-Meldung –:

"Schindler betont, dass er in neun Jahren als Leitender Oberstaatsanwalt ,noch nie ins Gerede gekommen‘ sei. ‚Ich bin stolz, weil ich selber bei keiner Partei bin. ... Aber von Böhmdorfer habe ich überhaupt noch nie den Hauch einer Weisung gespürt oder bekommen‘." – Zitatende.

Danke, Herr Bundesminister! Und so soll es auch bleiben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Natürlich – darauf haben der Herr Bundeskanzler und auch Minister Haupt hingewiesen, und ich möchte das noch einmal betonen – gilt für alle die Unschuldsvermutung, für alle. Felix Ermacora, unser langjähriger Kollege hier und eminenter Menschenrechtler, hat in seinem Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention Christian Broda zitiert – für Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, kein Unbekannter; er war der SPÖ-Parteianwalt und dann viele Jahre Justizminister –, und dort hat es geheißen:


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"Ch. Broda, der ehemalige österreichische Justizminister, hat den Ausdruck ‚Medienjustiz‘ geprägt. In der Tat ist die Unschuldsvermutung durch nichts mehr gefährdet als durch andauernde, sich auf bestimmte Personen beziehende Pressekampagnen." – Zitatende.

Das sollten wir uns sehr genau überlegen. Ich glaube, was zu tun ist, ist klar: Die Fakten müssen geklärt werden; allen Vorwürfen muss nachgegangen werden; Hausdurchsuchungen sind durchzuführen – nach richterlicher Anordnung; Konten sind zu öffnen – nach richterlicher Anordnung; strafrechtliche Verantwortung ist von unabhängigen Richtern festzustellen.

Diesbezüglich, meine Damen und Herren, habe ich mehr Vertrauen in die Justiz als in Abgeordnete, die heute schon klar alles gewusst haben. Herr Pilz hat doch genau gewusst: Die Freiheitlichen waren es! Herr Gusenbauer hat von einem blauen, von einem FPÖ-Skandal gesprochen. Ja, was wollen Sie noch untersuchen? Sie wissen ja schon alles! Sie sind Meister der Vorverurteilung ! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Daher bin ich für eine Justiz, wo weisungsungebundene, richterlich denkende Beamte alles untersuchen.

Wenn die Fakten auf dem Tisch sind, dann kommt die Stunde der Politik. Dann kommt die Stunde, in der man die politische Verantwortung zu klären hat, und dann kommt die Stunde, in der man den Augias-Stall, falls es ihn gibt, durch einen Herkules ausmisten lässt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. – Bitte.

12.34

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Regierungskollegen! Hohes Haus! Ich freue mich, eingangs zunächst feststellen zu können, dass über alle Parteigrenzen hinweg und quer durch die Medienlandschaft der neue Sozialminister Herbert Haupt als Experte, als Fachmann anerkannt und respektiert wird. Das ist auch heute im Zuge dieser Debatte hier klar und deutlich zum Ausdruck gekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Einzige, was man ihm offensichtlich vorwirft, ist die Tatsache, dass er ein Mann ist. Besonders bemerkenswert finde ich, dass dieser Vorwurf von zwei Parteien kommt, in denen "alle Macht den Männern" gehört, nämlich zum einen von den Grünen, bei denen eine Frau als Parteichefin und Klubobfrau ratzeputz abgesetzt wurde, um einem Mann Platz zu machen (ironische Heiterkeit und Oh-Rufe bei den Freiheitlichen – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aber peinlich!), und zum Zweiten von einer Partei wie der SPÖ, in der eine Frau erst gar nicht die Chance gehabt hat, sich um den Parteivorsitz zu bewerben, denn ich habe noch sehr gut die Aussage der Wiener Stadträtin Brigitte Ederer im Ohr, die auf die Frage, warum sie sich nicht um den Parteivorsitz in der SPÖ bewerbe, gesagt hat: "Die SPÖ ist noch nicht reif dafür, eine Frau als Vorsitzende zu akzeptieren." – (Neuerliche ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich darf Ihnen sagen: Andere Parteien sind da schon sehr viel weiter als Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Binder  – eine entsprechende Geste mit den Fingern vollführend –: Ja, die haben Marionetten!)

Verantwortungsvolle Frauenpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren, hängt nicht davon ab, wer sie macht, sondern davon, wie sie gemacht wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Frauenpolitik besteht auch nicht aus Sonntagsreden und Symbolen, und die Tatsache, dass die Frau Kollegin Prammer heute Krawatte trägt und der Herr Kollege Cap nicht, macht ihn noch nicht zu einem besonders guten Frauenvertreter; genauso wenig wie den Herrn Kollegen Pilz, der auch noch nie Krawatte getragen hat, der aber auch noch nie etwas für die Frauen getan hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Sehr gut!)

Frauenpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, erschöpft sich nicht in Symbolen, sondern muss konkrete Taten setzen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ja, das merkt man, die konkreten Taten!) Die Bilanz von 30 Jahren sozialistischer Frauenpolitik ist, dass Frauen immer noch um 30 Prozent weniger verdienen als Männer und die Tendenz unter Ihren Regierungen steigend war. 30 Jahre Frauenpolitik unter sozialistischen Ministern haben bedeutet (Abg.


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Dr. Mertel: Schneller! Schneller!), dass die Armutsgefährdung von Frauen, besonders von Alleinerzieherinnen, zugenommen hat und dass Sie dem nichts entgegensetzen konnten außer schönen Worten.

Wir wollen Chancengleichheit für Frauen in Karriere und Beruf. Wir wollen gleiches Entgelt für gleiche Leistung. Wir wollen Kindergärten mit Öffnungszeiten, die kompatibel sind mit Arbeitszeiten für Frauen – ein Faktum, das Sie nie zustande gebracht haben. (Abg. Bures: Durch die Abschaffung der "Kindergarten-Milliarde"?!) Wir wollen mit der Einführung des Kindergeldes sicherstellen, dass Frauen ohne finanziellen Druck die Wahlmöglichkeit haben. (Abg. Huber: Schneller! Schneller!) Und wir wollen sicherstellen, dass es eine eigenständige pensionsrechtliche Absicherung für Frauen gibt und pensionsbegründende Anrechnung von Kindererziehungszeiten, weil Frauenpolitik für diese Bundesregierung und für diesen Sozialminister nicht reden, sondern handeln heißt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte aber aus aktuellem Anlass und auf Grund der Tatsache, dass heute in dieser Debatte, die sich eigentlich um die Sozialpolitik und den neuen Sozialminister hätte drehen sollen, wieder ganz massive Vorwürfe gegen die FPÖ, gegen ihren ehemaligen Parteiobmann und gegen den Justizminister erhoben wurden, auch sagen, dass ich diese Vorwürfe mit allem Nachdruck zurückweise. Ich weise diese Vorwürfe zurück, weil sie falsch sind! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte aus meiner Erfahrung aus den letzten 15 Jahren sagen, dass ich vor wichtigen Wahlen die immer wiederkehrenden Versuche erlebt habe, die FPÖ und ihre führenden Repräsentanten zu diffamieren und zu kriminalisieren. Diese Versuche laufen immer nach ein und demselben Muster ab (Abg. Dobnigg: Bei Ihnen werden die Leute gleich abserviert!): Beschuldigungen und Behauptungen werden ohne die geringsten Beweise in den Raum gestellt, dann wird ein entsprechendes mediales Trommelfeuer entfacht, und die mediale Berichterstattung wiederum wird taxfrei als Schuldbeweis gewertet, so nach dem Motto: Irgendetwas wird schon hängen bleiben! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vordringlichstes Ziel all dieser Attacken in den letzten Jahren war und ist Jörg Haider. Nachdem es Ihnen fast zwei Jahrzehnte lang nicht gelungen ist, ihm politisch an der Wahlurne beizukommen, hat man vor jeder wichtigen Wahl zur Methode der persönlichen Ehrabschneidung gegriffen. (Abg. Bures: Sie sprechen von Ihren eigenen Methoden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist für einen demokratischen Rechtsstaat eigentlich unfassbar, dass es kaum ein kriminelles Delikt gibt, das man Jörg Haider noch nicht unterstellt hat: Er habe sein Haus auf illegale Weise erworben, er habe illegal Ausländer im Bärental beschäftigt, er habe Kokain konsumiert und sei drogensüchtig, er habe einen Erpressungsversuch unternommen, er sei der "Ziehvater des rechtsextremen Terrors", die Blutspur der Briefbomben führe direkt in die FPÖ und damit zu ihm, und so weiter und so fort. – All diese Vorwürfe, all diese Anschuldigungen haben sich samt und sonders als falsch erwiesen, und so wird es auch dieses Mal sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber man ist sogar noch weiter gegangen. Nachdem verschiedene Telefonabhöraktionen und Beobachtungsaktionen durch Privatdetektive nicht das gewünschte Belastungsmaterial gegen Jörg Haider produzieren konnten, ist man nicht davor zurückgeschreckt – der frühere Sicherheitsdirektor Sika hat das in seinem Buch geschrieben –, Bedrohungslagen zu konstruieren (Abg. Dr. Mertel: Wovon sprechen Sie?), um Sicherheitsbeamte in seine Umgebung einzuschleusen mit dem Ziel, Informationen aus erster Hand zu bekommen.

Das, meine Damen und Herren, ist eine Vorgangsweise, die jedem Rechtsstaat Hohn spricht, und es ist vor allem eine Vorgangsweise, die auch von einer einzigartigen menschlichen Niederträchtigkeit zeugt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Hier – das möchte ich auch einmal ganz klar sagen! – geht es nicht nur um den Politiker Jörg Haider (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie verwechseln das Parlament mit einem Bierzelt! – Abg. Dr. Mertel: Oder mit einer FPÖ-Vorstandssitzung!), sondern hier geht es auch um einen Familienvater mit einer Frau und Kindern. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist keine Vorstandssitzung der FPÖ!) Ich weiß nicht, ob


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sich irgendjemand aus der Riege der permanenten Haider-Beschimpfer schon einmal Gedanken darüber gemacht hat, was es für seine Frau, für seine Eltern, für seine Kinder heißt, nicht nur mit ständigen Diffamierungen, sondern auch mit immer wiederkehrenden Drohungen gegen Jörg Haider als Person und gegen seine Familie leben zu müssen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Vizekanzlerin hat durchaus die Fähigkeit, sich durchzusetzen. Ich würde aber trotzdem glauben, dass man nicht mit dauernden Zwischenrufen ihre Rede stören sollte. (Abg. Schieder: Vielleicht könnte sie zur Sache zurückkehren!)

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer (fortsetzend): Ich bin bei der Sache! – Fotos, Herr Kollege Schieder, von Jörg Haider im Fadenkreuz, sozusagen zum Abschuss freigegeben, die Veröffentlichung seiner Wohnadresse und seiner Telefonnummern auf Flugblättern, begleitet von unzweideutigen Aufforderungen – das alles sind keine Einzelfälle! (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist Polemik von der Regierungsbank, ohne zur Sache zu sprechen! Kommen Sie zur Sache!)

Und wo, bitte schön, blieb denn da die Empörung und Entrüstung aller moralischen Wächter dieser Nation? Rechtfertigt Ihr "heiliger Krieg" gegen Jörg Haider wirklich jedes Mittel, meine Damen und Herren von der Sozialistischen Partei? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ist es mit den Prinzipien des Rechtsstaates und der Demokratie zu vereinbaren, einen Mann, der alle seine Funktionen auf demokratische Weise errungen hat, der auf Grund des klaren Wählervotums Landeshauptmann von Kärnten ist, in diesem Land und weit darüber hinaus für vogelfrei zu erklären? (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist die falsche Rede! Sie sind nicht im steirischen Parteivorstand!)

Das Ziel, das hinter diesen neuerlichen Attacken steht, ist klar erkennbar, und es ist durchsichtig. Das Ziel lautet, Jörg Haider und mit ihm die FPÖ zu vernichten und damit diese Koalition zu sprengen. (Abg. Dr. Wittmann: Sie sind nicht bei einer Parteiveranstaltung!) Und ich sage Ihnen hier und heute und in aller Deutlichkeit: Das wird Ihnen nicht gelingen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist Ihnen nicht gelungen mit den von Ihnen bestellten Sanktionen, das ist Ihnen nicht gelungen mit Ihren Gräuelmärchen über die Budgetpolitik dieser Regierung (Abg. Dr. Gusenbauer: Halten Sie Ihre heutige Parlamentsrede vor Ihrem Parteivorstand!), und es wird ihnen schon gar nicht gelingen mit einem Sammelsurium nebuloser Vorwürfe, für die es keinen einzigen Beweis gibt. (Abg. Dr. Hannes Bauer: Das ist unerhört, was Sie uns da alles unterstellen!) Aufklärungsbedürftig ist die politische Verantwortung sozialistischer Innenminister, in deren alleinige Verantwortung diese ganze Causa fällt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie sind nicht im Parteivorstand!) Alle Ablenkungsmanöver, sei es gegen Jörg Haider oder gegen Justizminister Böhmdorfer, werden daran nichts ändern. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Darf ich nochmals darauf hinweisen: Diese Sitzung wird im Fernsehen übertragen. (Abg. Huber: Es ist unerträglich, sich das anhören zu müssen! – Abg. Edler: Wir sind nicht im Bärental! – Weitere lautstarke, empörte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hunderttausende Menschen in Österreich können sich ein Bild über die Verhältnisse hier im Hohen Hause machen. Ich glaube, es dient nicht dem Ansehen und der Würde dieses Hauses, wenn man die Rednerin mit andauernden Zwischenrufen am Reden behindert!

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer (fortsetzend): Es ist mir schon klar, meine Damen und Herren von der Sozialistischen Partei, dass das schlechte Gewissen zur Nervosität auf Ihrer Seite führt (lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ), aber nichtsdestotrotz steht fest, dass die Vorwürfe gegen die FPÖ geradezu absurd sind, wenn man weiß, dass der meistabgefragte Politiker Jörg Haider ist. (Abg. Öllinger: Wegen Schnellfahrens!) Glauben Sie denn wirklich im Ernst, dass die FPÖ sich des Polizeiapparates bedient, um ihren eigenen Obmann zu bespitzeln? (Abg. Schieder: Herr Präsident! Hunderttausende Leute hören, dass sie nicht zur Sache spricht!) Glaubt irgendjemand im Ernst,


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dass es in einem durch und durch roten Innenministerium über Jahre hinweg unentdeckt geblieben wäre, wenn die FPÖ in großem Stil Informationsbeschaffung aus dem Polizeiapparat betrieben hätte?

30 Jahre sozialistische Innenminister – das ist doch der Kern der Sache, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dorthin müssen wir schauen, wenn wir über politische Verantwortung reden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Ach so! – Abg. Edlinger: Jetzt soll der Staatsanwalt gegen die SPÖ ermitteln!)

Es ist auch kein Zufall, dass sich alle wirklichen Skandale der letzten Jahre im Dunstkreis einer einzigen Partei abgespielt haben. (Abg. Schieder: Herr Präsident!) Egal, ob "Lucona", "Noricum", "Euroteam" oder Bank Burgenland – allesamt fallen sie in den Verantwortungsbereich der Sozialistischen Partei! (Abg. Schieder: Herr Präsident!) Und auch wenn Sie jeden Monat wieder routinemäßig einen Misstrauensantrag gegen den Justizminister stellen, werden Sie davon nicht ablenken können. (Abg. Schasching: Das ist pure Polemik!)

Ich finde es geradezu ungeheuerlich, dass sich der SPÖ-Vorsitzende Gusenbauer hier herstellt und unter dem Schutz der Immunität weitere Vorwürfe in den Raum stellt, ohne die geringsten Beweise dafür vorgelegt zu haben. (Abg. Reitsamer: Ja, Ihr Vorgehen ist ungeheuerlich!) In Ihrem Übereifer im Kampf gegen diese Bundesregierung schrecken Sie ja nicht davor zurück, den gesamten Sicherheitsapparat und die Justiz anzupatzen (Abg. Edlinger: Das stimmt überhaupt nicht!), einen Sicherheitsapparat, der 30 Jahre lang in Ihrer politischen Verantwortung gestanden ist, und dies, obwohl alle Fälle, von denen hier die Rede ist, in die Verantwortung sozialistischer Innenminister fallen und kein einziger in die Verantwortung dieser Bundesregierung. (Abg. Schasching: Zur Sache! Zur Sache! – Abg. Dr. Wittmann: Das ist Ihre Wortmeldung zur Sozialpolitik?)

Ihre permanenten Angriffe gegen den Justizminister, dessen Amtsführung absolut untadelig und unangreifbar ist, sind nichts anderes als die Infragestellung der Unabhängigkeit der Justiz. (Abg. Dr. Wittmann: Ist das Ihre Sozialpolitik?) Ihr absurder Vorwurf, der Justizminister würde Ermittlungen und Verfahren beeinflussen, ist nichts anderes als gleichzeitig die Unterstellung, dass die Vertreter der Justiz in diesem Lande nicht unabhängig seien. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht der Meinung, dass es hier darum geht, ob die Opposition oder die Regierung gewinnt, sondern mir geht es darum, dass der Rechtsstaat in diesem Lande siegt. Und zu diesem Rechtsstaat habe ich volles Vertrauen! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.45


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist die, die zurückgereiht worden ist!)

Ich ersuche nochmals, auch wenn man mit der Meinung einer Rednerin nicht einverstanden ist, sie so weit zu Wort kommen zu lassen, dass sie sich ausreichend artikulieren kann! (Abg. Schieder: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung! Das dürfen Sie nicht sagen! – Abg. Ing. Westenthaler: Am Wort ist die Rednerin! Da gibt es keine Geschäftsbehandlung! – Abg. Schieder: Dann kann er nicht enunzieren! Wenn er ihr das Wort erteilt, darf er nicht selber noch etwas sagen!)

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Gusenbauer. – Bitte.

12.46

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es gibt genau zwei Möglichkeiten: Entweder es ist eine Rednerin bereits am Wort, dann kann keine zusätzliche Enunziation mehr stattfinden. Zweite Möglichkeit: Wenn Sie für die Frau Vizekanzlerin die nötige Aufmerksamkeit herstellen wollen, dann wäre es auch angebracht gewesen, darauf hinzuweisen, dass sie zur Sache reden soll. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Huber: So ist es! – Abg. Haigermoser: Hat sie auch! – Abg. Ing. Westenthaler: Wahrheit tut weh!)

12.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Gusenbauer! Ich bin gerne bereit, über die Frage, was zur Sache eines Tagesordnungspunktes gehört, in der nächsten Präsidiale einen Exkurs zu liefern. Ich möchte dazu nur sagen: Methode dieses Hauses war es, diesen Begriff bisher relativ weit zu fassen. (Abg. Reitsamer: Aber nicht so weit!) Ich möchte nicht dann, wenn eine Frau am Wort ist, insbesondere dann, wenn es die Frau Vizekanzlerin ist, plötzlich einen anderen Maßstab anlegen.

Jetzt ist am Wort Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie ist zurückgereiht worden!)

12.47

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Vizekanzlerin! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Was mir bei Ihrer Rede aufgefallen ist: Sie sind die Pressesprecherin des "einfachen Parteimitgliedes" in Kärnten geblieben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich nehme zur Kenntnis, dass es einen guten Brauch, den es früher in diesem Hause gegeben hat, nicht mehr gibt (Abg. Ing. Westenthaler: Warum sind Sie denn zurückgereiht worden? Warum hat man Ihnen Edlinger vorgesetzt?), wie es vieles nicht mehr gibt in diesem Land und in diesem Haus, nämlich dass von der Regierungsbank keine Polemik auszugehen hat, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat Ihnen die Krawatte gebunden? – Abg. Haigermoser: Das ist eine Verlierer-Krawatte!)

Wir haben seit kurzem einen "Frauenministerin", und es ist ja schon darauf hingewiesen worden: Das "in" bei der Funktionsbezeichnung hat es früher einmal ausgemacht. Wir haben nun einen "Herrn Frauenministerin".

Es war schon bezeichnend, dass die Frau Ministerin Sickl das Wort "Frauen" sehr schamvoll benutzt hat. Herr Ministerin Haupt hingegen sagt es im Brustton seiner Überzeugung. Aber Sie haben schon Recht, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei: So weit brauche ich gar nicht zu gehen. Es ist ja nicht mehr vonnöten, über eine fortschrittliche Frauenpolitik in diesem Hause zu diskutieren. (Abg. Haigermoser: Was haben Sie gegen uns? Was haben wir Ihnen getan?)

Der Herr Minister stellt klar, dass es in der heutigen Europäischen Union die Gleichbehandlung so lange zu geben hat, bis die Frauen in den entsprechenden Positionen sind. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es einen Mann gebraucht hat, damit klar wurde, dass Gleichbehandlung zeitlich begrenzt aufzufassen ist. (Abg. Haigermoser: Was haben Sie gegen uns, Frau Kollegin?) Es ist gar nicht notwendig, nachzufragen, was nun die entsprechenden Frauenpositionen sein sollen. Wir freuen uns, endlich erkennen zu dürfen, dass Gleichbehandlung eine Übergangserscheinung ist. Irgendwann, meine Damen, dürfen wir uns also wieder ganz flott ungleich behandeln lassen – wie in den guten alten Zeiten.

Wie werden Sie es denn halten, Herr Minister Haupt, wenn durch ein geplantes Objektivierungsgesetz das Bundesgleichbehandlungsgesetz nahezu außer Kraft gesetzt wird? Hat das mit dem Tatbestand zu tun, dass in diesem Lande schon Gleichberechtigung eingetreten ist und daher die Ungleichbehandlung bereits wieder Platz greifen darf, meine Damen und Herren?

Wie halten Sie es denn, Herr Minister Haupt, mit der Definition des Feminismus, der Emanzipation? Werden Sie es genauso halten wie Ihre Vorgängerin, die ja diese Definition bereits sehr einschlägig geprägt hat?

Herr Minister! Wenn die Vorherrschaft der Männer als radikal eingestuft werden darf – und sie darf, wie ich glaube –, dann darf Feminismus auch ein Stück weit radikal sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Warum ist Gusenbauer keine Frau?)


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Herr Abgeordneter Gaugg hat die Frage gestellt: Wie ist es denn zu all dem, wo wir heute in der Frauenfrage stehen, gekommen? Und auch die Frau Vizekanzlerin hat irgendwie versucht, Bilanz zu ziehen. Ich ziehe auch Bilanz, meine Damen und Herren. (Die Rednerin stellt während ihrer Ausführungen mehrere Taferln, die Teile ihrer Rede enthalten, hintereinander vor sich auf das Rednerpult.)

Vor 1970: zwölf Wochen Mutterschutz. – Jetzt sind es 16 Wochen.

Es gab vor 1970 keine Leistungen für Neugeborene und ihre Mütter. – Heute gibt es einen Mutter-Kind-Pass.

Vor 1970: Es gab eine Karenz nur bei niedrigem Einkommen des Mannes. – Heute: Elternkarenz, Teilzeitkarenz und vieles andere mehr wurden geschaffen.

Vor 1970: Keine Hilfe für Berufstätige, wenn Kinder krank sind. – Jetzt gibt es eine Pflegefreistellung.

Ab dem Jahre 2000, meine Damen und Herren, wird die Frage neu beantwortet, und zwar folgendermaßen: Frauen zurück an den Herd und Kinderbetreuungsgeld. Das ist die neue Antwort, das ist die Wende, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Vor 1970: Haushaltsbesteuerung, Freibeträge im Steuerrecht, die nur den Männern und den Reichen nützen. – Erst durch die Sozialdemokratie kam es zur Individualbesteuerung, zu den Absetzbeträgen im Steuerrecht, die vor allem Frauen nützen.

Was steht jetzt an? – Ein Zurück in die Zeit vor dem Jahr 1970, meine Damen und Herren!

Vor 1970 – ein weiteres Taferl, nur um Ihnen ein bisschen beim Gedächtnis-Auffrischen nachzuhelfen –: Bildungsbarrieren für Mädchen, Aufnahmsprüfung für die Mittelschule, Geschlechtertrennung in den öffentlichen Schulen.

Danach: Schulen und Universitäten stehen den Frauen frei. Offene Mittelschulen sind für Mädchen da und öffnen ihnen den Weg zu einer guten Bildung. Gemeinsamer Unterricht für Mädchen und für Buben.

Das alles wurde geschaffen während der 30 Jahre sozialdemokratischer Regierung. – Jetzt stehen Studiengebühren und Aufnahmsprüfungen an, und das betrifft ganz besonders Mädchen.

Meine Damen und Herren! Wie halten Sie es denn damit: § 144 StGB, allein erziehende Mütter ohne staatliche Hilfe! – Heute Schwangerschaftsabbruch, und die Alleinerziehenden sind rechtlich gleichgestellt. – Ich habe auf meinem Taferl das Fragezeichen ganz dick vermerkt, denn wir müssen damit rechnen, dass da noch einiges kommen wird.

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Taferl. (Abg. Haigermoser: Frau Kollegin! Auf diese Seite auch, ich möchte das auch lesen!) Ich weiß, Herr Haigermoser, bei Ihnen ist Hopfen und Malz verloren. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor 1970: Der Mann ist das Oberhaupt der Familie, keine Hilfe, wenn der Vater nicht zahlt, ausschließliche väterliche Gewalt über die Kinder, ein mittelalterliches Namensrecht. – Ich brauche es nicht extra vorzulesen, wie die Situation jetzt ist.

Aber was kommt jetzt, nach dem Jahre 2000? – Gemeinsame Obsorge nach Scheidung und vieles andere mehr, meine Damen und Herren.

Noch ein Taferl. (Abg. Haigermoser: Wie viele haben Sie denn?) Vor 1970: drei Wochen Mindesturlaub, rechtlose Frauen, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Frauen im öffentlichen Dienst zählen nicht. – Heute gibt es Gleichbehandlungsgesetze, fünf Wochen Mindesturlaub, Frauenförderungsprogramme. Aber ein Objektivierungsgesetz wird alles kippen, und die asoziale Treffsicherheit trifft besonders Frauen. (Abg. Dr. Pumberger: Niemand weiß, was Sie getan haben!)


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Noch ein Taferl. Vor 1970: Die häusliche Gewalt ist ein Kavaliersdelikt. So war der Ton bis 1970! – Heute gibt es ein Gewaltschutzgesetz, Frauenhäuser und Frauennotrufe, aber Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, kürzen flott bei den Einrichtungen für Frauen. (Abg. Steibl: Das ist eine Unwahrheit! Das ist den Frauen gegenüber nicht fair! – Abg. Ing. Westenthaler: Sie müssen das nächste Mal die Taferln größer machen, das kann niemand lesen!)

Der Herr Bundeskanzler spricht vom Bericht der Experten, dem so genannten Mazal-Bericht. (Abg. Haigermoser: Das Taferl ist umgefallen!) Wenn man Ihnen zuhört, Herr Bundeskanzler, gewinnt man den Eindruck, dass Sie diesen Expertenbericht nie gelesen haben! Meine Damen und Herren, welche Wahrheit verbreiten Sie hier in diesem Land?

Noch einmal zurückkommend auf den Herrn Frauenministerin : Wie halten Sie es denn mit dem Umstand, dass es bis heute Burschenschaften gibt? Nicht dass ich der Meinung wäre, dass wir darum kämpfen sollten, dass Frauen dort aufgenommen werden sollen, aber wie wird denn Ihr Engagement diesbezüglich ausschauen? – Ich hörte, Sie seien selber Mitglied einer dieser Vereinigungen. – Dieses Relikt irgendwann einmal zu beseitigen, meine Damen und Herren, das wäre der richtige Weg! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Wie werden Sie es mit der asozialen Treffsicherheit bei den Studiengebühren halten? – Ich habe vorige Woche eine junge Frau getroffen beziehungsweise kennen gelernt, die eine Alleinerzieherin ist. Sie ist gerade geschieden worden und hat drei Kinder. Sie ist mit 30 Stunden beschäftigt, und damit sie und ihre Kinder eine Zukunft haben, will sie nun ihr Studium abschließen, und das macht sie nebenbei. Das ist eine Frau, die die Vielfachbetroffenheit, die Bedeutung dieser asozialen Treffsicherheit am eigenen Leib zu spüren bekommen wird. Sie wird für das Studium zahlen müssen (Abg. Steibl: Sie braucht es nicht zu bezahlen, sie kriegt ein Stipendium!), sie wird sich, was die gemeinsame Obsorge ihrer drei Kinder betrifft, fürchten müssen, und sie hat natürlich keine Chance, auch nur ansatzweise irgendeine Unterstützung von Seiten der Regierungsparteien zu erhalten.

Meine Damen und Herren! Wie schaut es mit dem Arbeitslosengeld aus? Wo sind denn die vielen Milliarden Schilling, die heute schon erwähnt wurden, wenn bei den Alleinerzieherinnen gespart wird, wenn überall dort, wo es notwendig wäre, einzugreifen, gespart wird? Gleichzeitig wird die Weiterbildungskarenz nach der Karenzzeit sofort wieder gestrichen.

Meine Damen und Herren! Zur kostenlosen Krankenmitversicherung habe ich in diesem Haus ohnehin schon zweimal gesprochen.

Das sind vier Diskriminierungstatbestände, meine Damen und Herren! Wir werden alle rechtlichen Schritte unternehmen, die zu unternehmen sind, auch wenn es auf europäischer oder auf internationaler Ebene ist, aber diese vier Diskriminierungstatbestände werden wir so nicht zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Regierung! Sie wollen Stroh zu Gold spinnen, doch das wird Ihnen nicht gelingen. Dieses Märchen greift nicht in diesem Hause – und wird auch bei den Frauen nicht greifen.

Noch ein letztes Wort: Österreich hat schon einmal eine Zeit erlebt, in der die Zerschlagung der Gewerkschaften, die Totalprivatisierung ohne Rücksicht auf soziale Folgen und die Missachtung eines drohenden wirtschaftlichen Desasters Inhalte eines politischen Programms waren. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Kostelka –: Redezeit! 8 Minuten wurden vereinbart! 8 Minuten wurden in der Präsidiale vereinbart, Herr Klubobmann Kostelka!) Es ist eine Irrmeinung, meine Damen und Herren, dass Vermehrung von Kapital um jeden Preis automatisch Reichtum bedeute. Den sozialen Frieden bekommt man nicht umsonst, und schon gar nicht die Gleichstellung der Geschlechter. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Kostelka –: Es hat Vereinbarungen gegeben: 8 Minuten Redezeit! Sie spricht 10 Minuten!)

Die Absurdität eines Herrn Frauenministers und das Nichtvorhandensein einer Frauenpolitik sind die eine Sache (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist unglaublich! Es hat in der Präsidiale Vereinbarungen wegen der Redezeit gegeben!), aber das verblasst nahezu in Anbetracht dessen,


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dass es nach wie vor ein Mitglied in der Bundesregierung gibt, bei welchem dringender Erklärungsbedarf besteht und das nichts unternimmt, diesem nachzukommen, und das die Verantwortung, die es zu tragen hat, nicht trägt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Kostelka –: Es wird in der Präsidiale keine Vereinbarung mehr geben! So viel sind die Vereinbarungen des Herrn Kostelka wert! Ein Brecher der Vereinbarungen! 8 Minuten Redezeit waren vereinbart! Sie halten nicht einmal die Vereinbarungen ein! – Abg. Haigermoser: Vereinbarungsbrecher!)

12.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

12.59

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Dame, meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Nur keine Aufregung, ich weiß schon, dass die Direktübertragung des Fernsehens in einer Minute zu Ende geht, aber das Hohe Haus ist sich auch ohne Fernsehen gut genug, und jede Rede, die anschließend gehalten wird, ist genauso wichtig für die Materie wie jene Debattenbeiträge, die noch ins Fernsehen gekommen sind. Also keine Aufregung, alles geht so weiter wie bisher. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zunächst einmal darf ich mich als aufmerksamer Zeitungsleser damit auseinander setzen, dass ... (Abg. Dr. Povysil ist dem Redner beim Ablegen seiner Krücken behilflich.) Danke, das ist ganz lieb, Frau Primaria. Ich halte mir eine Primaria für das Aufheben der Krücken, das ist auch nicht schlecht. Das ist ganz lieb. (Rufe der Empörung bei der SPÖ. – Abg. Dr. Povysil: Ich habe kein Problem damit! – Zwischenruf der Abg. Huber. )

Frau Kollegin! Ich bin ein bisschen schwerhörig, ich verstehe Sie nicht. Kommen Sie bitte nachher zu mir, und sagen Sie es mir dann! Ein bisschen mehr Respekt vor älteren Menschen, denn ältere Menschen gehen nicht mehr so leicht, ältere Menschen hören auch nicht mehr so gut! Aber Sie können nachher zu mir kommen und können mir das alles erzählen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf mich nun mit zwei, drei Dingen auseinander setzen, die ich aus den Medien erfahren habe und die auch von meinen Vorrednern angesprochen worden sind. Alle tun so, als ob Herbert Haupt, den wir alle kennen und den wir alle schätzen – über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg –, der einzige Mann in ganz Europa wäre, der sich von der politischen Seite her der Frauen-Dinge anzunehmen hat und annimmt.

Ich glaube, gelesen zu haben, dass bei jenem Treffen, an dem er in den vergangenen Tagen teilgenommen hat, auch zwei andere Repräsentanten anwesend waren, die als Männer für Frauen zuständig sind, und zwar ein Spanier und ein Portugiese. Ich habe eigentlich noch keine Proteste aus anderen europäischen Ländern gehört, was denn die Spanier und die Portugiesen sich erfrechen, auf diesem Sektor sich Männer für Frauen einsetzen zu lassen!

Nun auch ein paar Bemerkungen zu einem anderen meiner Vorredner, und zwar zu Alfred Gusenbauer. Alfred, du hast die Problematik mit der steirischen Wahl ins Gespräch gebracht. Das greife ich sehr gerne auf. Wir Freiheitlichen haben in der Steiermark eine empfindlich Wahlschlappe erlitten, aber die strategische Niederlage schlechthin habt ihr davongetragen, denn die beiden Regierungsparteien haben miteinander immerhin 60 Prozent erzielt – 60 Prozent! – und die Opposition nur 40 Prozent.

Was bedeutet das vor folgendem Hintergrund? – Der Hintergrund ist, dass die Freiheitlichen auf der einen Seite und die Volkspartei auf der anderen Seite längst erkannt haben, dass in den vergangenen neun Monaten jede der beiden Parteien mehr von ihrem programmatischen Gut hat durchbringen können, als es der ÖVP mit den Sozialdemokraten in den vergangenen 30 Jahren gelungen ist. Das heißt, dass inhaltlich etwas weitergeht. Das ist der ÖVP klar! Dass inhaltlich etwas umgesetzt werden kann, haben aber auch die Freiheitlichen längst erkannt.


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Sie haben noch etwas in der Steiermark mitbekommen. Sie haben mitbekommen, dass die alte, immer wieder genährte Befürchtung innerhalb der ÖVP, die da heißt: Gehen wir ja nicht mit den Freiheitlichen zusammen, denn wenn wir das tun, dann verlieren wir Stimmen!, nicht stimmt. Sie sind mit den Freiheitlichen zusammengegangen, sie haben viel von ihrem Wollen durchgesetzt, und sie haben gut abgeschnitten. Was heißt gut, sie haben – vielleicht ein steirisches Spezifikum – sogar hervorragend abgeschnitten! (Abg. Dr. Mertel: Was ist mit Ihnen?)

Das heißt: Bleiben wir als Regierungsparteien gemeinsam bei über 50 Prozent – derzeit in der Steiermark bei 60 Prozent –, bleiben wir gemeinsam bei der Erkenntnis, dass wir von unserem Vorhabensgut viel umsetzen können – mehr als die Herrschaften von Schwarz und Rot gemeinsam –, und erkennen wir, dass die ÖVP nicht die Hosen verliert, wie es ihr immer prophezeit worden ist, wenn sie mit den Freiheitlichen zusammengeht, sondern dass sie gut abschneidet!

Das ist die strategische Perspektive des Ausganges der steirischen Landtagswahl. Sie sind diejenigen, die verloren haben (Abg. Dr. Mertel: Sie haben "gewonnen"! Die FPÖ hat "gewonnen"!), und Sie sind diejenigen, die die Zukunftsperspektiven verloren haben, denn Sie haben erkannt, dass wir, Schwarz und Blau, miteinander die Zukunft – und das hat sich in der Steiermark abgezeichnet – vor uns und in Händen haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Wehleidige Europa beschwören, wenn es um einen Justizminister geht, der davor seinem Beruf nachgekommen ist und als Verteidiger und Anwalt seine Klienten vertreten hat, dann muss ich sagen: Es sind diejenigen, die das in besonderer Weise aufgeworfen haben – zum Beispiel Herr Pilz – nicht ganz so heikel, wenn es um ihre eigenen Parteifreunde im Ausland geht.

Da gibt es in Deutschland einen Vizekanzler und Außenminister, über den ich Folgendes unter Anführungszeichen lese – Joschka Fischer heißt er –:

"Ich habe nie bestritten, dass ich fast zehn Jahre lang auch unter Einsatz von Gewalt die verfassungsgemäße Ordnung in der Bundesrepublik umstürzen wollte. Wir haben uns nicht an die Regeln des Strafgesetzbuches gehalten." – Und dann weiter: "Wir Linksradikalen, wir sind die Wahnsinnigen." – Zitatende.

Also das hätte sich sollen irgendjemand, der von den Freiheitlichen jetzt in die Bundesregierung geschickt worden wäre, zu sagen trauen – abgewandelt oder genauso!

Aber das passt genau hinein in eine ganz aktuelle Zeitungsmeldung. In einer Zeitung, die sich bürgerlich gibt, wird Folgendes ohne Aufheulen, ohne Kommentar – aber man hat sich schon an alles gewöhnt – unter der Überschrift: "Widerstandstage gegen Haider" abgedruckt:

"Italiens Kommunisten, die oppositionelle ,Rifondazione Comunista‘ und die mitregierenden ,Italienischen Kommunisten‘ werden vom 26. bis 28. Oktober an den von einer Plattform ,Offenes Kärnten – Koroska‘ ausgerufenen ,Internationalen Widerstandstagen‘ gegen den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider in Klagenfurt teilnehmen." – Zitatende.

So weit sind wir! Kommunisten, alte und neue, kommen nach Österreich aus dem Ausland, aus Triest und Friaul, und nehmen an Widerstandstagen – das Wort "Widerstand" wird ja in einer Weise missbraucht, die die Widerstandsbewegung längst auf die Palme gebracht hat – gegen einen ordnungsgemäß bestellten österreichischen Landeshauptmann teil. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.  – Abg. Haigermoser: Stalinist Öllinger!)

Ich wundere mich nicht darüber, dass die Kommunisten das machen, ich wundere mich nicht darüber, dass Sie das nicht erwähnen, sondern ich wundere mich nur über die Zeitungen, denn wo ist das Aufheulen, wo ist der Protest, wo ist zumindest die Glosse. (Abg. Haigermoser: Stalinist Öllinger!)

Das sind Dinge, die man nicht unerwähnt lassen darf, auch wenn die Zeit, Ausführungen zu tätigen, relativ kurz ist.


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Nun auch noch einige Bemerkungen zum Thema Anwälte, meine Damen und Herren: Ich weiß schon, dass die Art der Betrachtung dessen, was ein Anwalt soll, darf und muss, sehr unterschiedlich ist, je nachdem, auf welcher Seite man gerade steht. Wer selber einmal einen Anwalt gebraucht hat, der vertritt die richtige Ansicht, dass der Anwalt überhaupt nur ein Interesse zu haben hat und überhaupt nur einem Leitfaden zu folgen hat, nämlich: Er hat die Interessen seines Klienten wahrzunehmen und sonst überhaupt nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Wie der Jarolim bei der AUA oder beim Flughafen!)

Das fände Grenzen etwa dann, würde er selbst Beweismittel fälschen. Aber wenn der Mandant mit Beweisunterlagen kommt, diese plausibel erscheinen, und er sich mit den Unterlagen in der Lage sieht, dem Mandanten auftragsgemäß zu helfen, dann ist er keinesfalls verhalten, zu hinterfragen. Ich wünsche keinem von Ihnen, wenn er das nächste Mal einen Anwalt braucht – und wenn ich mir so anschaue, wer aller in den letzten Jahren vor Gericht gestanden ist, dann halte ich es für wahrscheinlich, dass der eine oder andere vielleicht bald wieder einmal dort stehen wird –, dass er dort einen Verteidiger oder einen Vertreter hat – aus dem anderen Lager; die kenne ich auch alle, ich bin mit allen per Du, ich könnte Sie alle aufzählen –, der dann sagt: Was gibst du mir da für ein Papier, ich weiß nicht, ob ich das vorlege, das kommt mir nicht ganz koscher vor, da hast du es wieder! – Na, mein Lieber, das möchte ich nicht erleben!

Der Anwalt ist sozusagen der Fremdenlegionär des Klienten, der Legionär bekommt seinen Auftrag, und er hat ihn zu erfüllen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sind Sie sich dessen klar, was Sie jetzt gesagt haben?)  – Frau Kollegin, so ist das Leben! "Für seine Klienten kann niemand etwas", heißt ein altes Sprichwort. Es stammt von Michael Stern. (Abg. Öllinger: "Unsere Ehre heißt Treue"!) Das ist eine Äußerung, für die andere vor Gericht gestellt worden sind. Herr Kollege, seien Sie vorsichtig! Solche Äußerungen würde ich nicht verwenden! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Aber, Frau Kollegin, Sie wollten etwas sagen. Ihr Nachbar hat Sie unter dem Motto "Alle Macht den Männern" überschrien. Was wollten Sie sagen? – Nichts! Danke.

Die Maßstäbe, die man an einen Verteidiger anzulegen hat, sind so, dass er immer ... (Abg. Dr. Lichtenberger: Ich habe Sie gefragt, ob Sie sich dessen klar sind, was Sie jetzt gesagt haben!) Jetzt ist es Ihnen wieder eingefallen, aber jetzt will ich nicht mehr zuhören. – Das heißt: Legen Sie die Maßstäbe an Ihre Anwälte so an, wie Sie sie an andere anlegen! Und dann werden Sie sehen, wie sehr Sie mit Ihren Vorstellungen daneben sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser, der dem Redner beim Nehmen der Krücken behilflich sein will: Ich bin zwar keine Primaria, aber ich hätte dir auch geholfen!)

13.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

13.08

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Ofner, ich weiß nicht, soll ich das als Drohung verstehen oder ...? (Abg. Dr. Ofner: Wie Sie wollen!) Wie ich will! Danke schön. Das ist sehr großzügig von Ihnen. Jetzt weiß ich wenigstens, was der frühere Justizminister der FPÖ gegen Abgeordnete der Oppositionsparteien noch in petto hat. (Abg. Haigermoser: Was haben Sie mit der Petrovic gemacht? Warum haben Sie Frau Petrovic abgesetzt?) Dass in diesem Haus offene Drohungen gegen Abgeordnete der Oppositionsparteien ausgesprochen werden, ist auch etwas Neues, Herr Kollege Ofner. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Warum haben Sie Frau Petrovic kalt abgesetzt?)

Zur Vizekanzlerin möchte ich nur Folgendes sagen: Frau Vizekanzlerin Riess-Passer, Sie haben hier einige Tränen über den "armen", "armen" Landeshauptmann von Kärnten vergossen. – Ich werde hier an diesem Rednerpult heute keine Haider-Debatte führen. Ich sage nur: Wenn einer in diesem Land, in dieser Republik Österreich, über Jahre hinweg systematisch die Verleumdung als politische Waffe eingesetzt hat, dann war es dieser Politiker: Jörg Haider! (Beifall bei den Grünen. – Der Redner hebt ein Buch mit dem Titel "Haider" in die Höhe.)  – Und wenn Sie


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Einzelheiten darüber nachlesen wollen, meine Damen und Herren, auch jene auf der Galerie, dann kann ich Ihnen sagen, es ist soeben ein vorzügliches Buch von Hans-Henning Scharsach erschienen, es heißt: "Haider – Schatten über Europa". (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist gut dokumentiert. Vielleicht würde auch Herr Kollege Trattner gut daran tun, bei Gelegenheit hin und wieder darin nachzulesen. (Abg. Ing. Westenthaler: Am besten, Sie lesen Gespensterromane, so ähnlich ist das!)

Ein "Gespensterroman", Herr Kollege Westenthaler, ist wahrscheinlich auch die APA-Meldung von heute. Sie ist heute, am 30. Oktober, um 10.56 Uhr über die APA-Schirme gegangen. Darin heißt es, die Spitzelaffäre sei laut Haider – wörtliches Zitat – "in den kranken Gehirnen einiger Journalisten" – Zitatende – entstanden, "in den kranken Hirnen einiger Journalisten". – Das ist nicht Vergangenheit, das steht nicht in dem Buch von Herrn Scharsach, das ist heute   – ich wiederhole: heute   – passiert!

Mit anderen Worten: Jeder, der von einer Spitzelaffäre redet, ist für ihn ein Geisteskranker, und dieser Mensch sitzt im Koalitionsausschuss mit der ÖVP! – Kein Problem für Herrn Bundeskanzler Schüssel, und kein Problem natürlich für die Abgeordneten der FPÖ, mit ihrem Ex-Parteiobmann zurechtzukommen. (Abg. Öllinger: "Über jeden Verdacht erhaben"!)

Ich wiederhole: In seinen Augen ist die Spitzelaffäre in den kranken Gehirnen einiger Journalisten entstanden. – Hier gilt die Unschuldsvermutung nicht, Herr Bundeskanzler. Das hat Haider heute gesagt. Was soll da die Unschuldsvermutung? Die APA wird sich ja wohl nicht irren bei einem wörtlichen Zitat.

Haider wird vielleicht sagen: Das habe ich ja nicht gesagt, oder wenn ich es gesagt habe, dann habe ich es nicht so gemeint, und meinetwegen, dann entschuldige ich mich halt, wenn es jemand falsch verstanden haben sollte. – Auch das kennen wir. (Abg. Haigermoser: Was haben Sie mit Petrovic gemacht, Herr Planwirtschaftsminister?)

Herr Bundeskanzler! "Regierungsumbildung" hatten Sie heute auf die Tagesordnung gesetzt. Die von Anfang an überforderte Sozialministerin Sickl wird ersetzt durch Frauenminister Haupt. (Abg. Haigermoser: Lassen Sie Frau Dr. Sickl in Ruhe! – Abg. Dr. Petrovic  – in Richtung des Abg. Haigermoser –: Lassen Sie uns in Ruhe! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Das ist Frauenfeindlichkeit ...!)  

Was heute nicht auf der Tagesordnung steht, ist die überfällige Regierungsumbildung, Herr Bundeskanzler, für die Sie persönlich die Verantwortung tragen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Freundinnen und Freunde, eingebracht im Zuge der Debatte über die Mitteilung über die Ernennung eines Mitglieds der Bundesregierung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Sinne des Art. 70 B-VG dem Bundespräsidenten vorzuschlagen, den Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer von seinem Amt zu entbinden.

*****

(Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Einen "Teufel" werden wir tun!)

Ich glaube, dass es immer noch ein Unterschied ist, ob ich Bundeskanzler Schüssel anspreche oder Abgeordneten Haigermoser von der FPÖ! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schieder. )


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Herr Bundeskanzler! Was wollen Sie mit Ihrer Unschuldsvermutung? Es ist doch eine Tatsache, dass der Justizminister die strafrechtliche Verfolgung von Abgeordneten zunächst für eine verfolgenswerte Idee hielt und dies erst Wochen später wieder zurückgenommen hat. – Das war der Anlass für den ersten Misstrauensantrag. Auch damals, Herr Bundeskanzler, haben Sie sich auf diese Regierungsbank gesetzt, geschwiegen und durch Ihr Schweigen Ihre Solidarität mit dem Justizminister bekundet.

Der zweite Misstrauensantrag erfolgte nach dem "Weisen"-Bericht. Schüssel schwieg auch dazu. (Abg. Großruck: Er will im Gegensatz zu Ihnen ein Philosoph bleiben!) Später hat sich Schüssel in dem Sinne geäußert: Na ja, der Justizminister lernt noch. – Ja, der Minister lernt vielleicht noch, aber bitte nicht auf unsere Kosten, Herr Bundeskanzler Schüssel!

Und hier das Aktuellste: Der Justizminister hat in seiner Vergangenheit als Parteianwalt der FPÖ nachweislich von den Spitzelaktionen der FPÖ profitiert. Er hat als Abnehmer und Nutznießer dieses sich abzeichnenden illegalen Spitzelrings profitiert – er, der Anwalt Böhmdorfer.

Auf den Vorhalt: "Haben Sie nicht gewusst, was das für Unterlagen sind?" sagte Böhmdorfer erstens "nein" und zweitens: "Das habe ich von meinen Klienten erhalten." – Die Klienten waren Haider, Stadler und wie sie alle heißen, die Spitzenfunktionäre der FPÖ.

Jetzt muss man sich einmal vorstellen, was das für eine Situation in der Justiz herbeiführt, die der Bundeskanzler da zulässt! Das sieht dann etwa so aus: Der berichtspflichtige Staatsanwalt kommt also zu Justizminister Böhmdorfer und sagt: Ich würde gern Rechtsanwalt Böhmdorfer einvernehmen, weil der doch offenbar diese illegal beschafften Unterlagen verwendet hat. – Justizminister Böhmdorfer sagt: Ja, sicher, eine verfolgenswerte Idee. – Der Staatsanwalt fragt Anwalt Böhmdorfer: Na, was haben Sie sich denn damals gedacht? – Rechtsanwalt Böhmdorfer sagt: Dazu sage ich nichts. Ich berufe mich auf meine Verschwiegenheitspflicht. – Der Staatsanwalt kommt zurück und sagt: Herr Justizminister Böhmdorfer, der Rechtsanwalt Böhmdorfer sagt nichts. (Heiterkeit bei den Grünen.)  – Ich meine, das ist herzmanovskysch (Abg. Dr. Kostelka: Das ist real!), aber es ist die voraussehbare Realität!

Daraufhin, so kann ich mir vorstellen, sagt Justizminister Böhmdorfer: Na ja, aber der Anwalt Böhmdorfer hat doch gesagt, das habe er von seinen Klienten. Fragen Sie, Herr Staatsanwalt, doch den Klienten Haider, wo er die Unterlagen her hat. (Abg. Öllinger: Der ist "über jeden Verdacht erhaben"!)  – Der arme Staatsanwalt muss jetzt einerseits den Klienten Haider befragen, andererseits weiß er, dass derselbe Justizminister, der ihm diesen Rat erteilt hat (Abg. Dr. Krüger: Was Sie da machen, ist zutiefst unseriös! Sie wissen genau, dass er weisungsfrei gestellt wurde!), dass der Justizminister soeben erklärt hat, dass der Landeshauptmann von Kärnten über jeden Verdacht erhaben sei. (Abg. Dr. Krüger: Sie wissen ganz genau, dass der Staatsanwalt weisungsfrei gestellt wurde! Das ist unglaublich!)

Wenn etwas zutiefst unseriös ist, Herr Krüger und Ex-Justizminister, dann das, dass der Justizminister, der amtierende Justizminister dieser Republik, über jemanden – und sei es der Haider (Rufe bei den Freiheitlichen: "der" Haider!)  – in einem bevorstehenden Verfahren sagt, er ist über jeden Verdacht erhaben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Lesen Sie dazu die Aussendung des Verfassungsrechtlers Heinz Mayer von heute! (Abg. Dr. Krüger: Ich habe bisher geglaubt, dass Sie seriös sind, Herr Klubobmann!)  – Das habe ich von Ihnen nie angenommen, Herr Ex-Justizminister Krüger. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler Schüssel! Sie sind persönlich verantwortlich für diese Zustände. Sie tragen die Verantwortung für die Zusammensetzung dieser Bundesregierung, und es kann keine Rede davon sein, dass Sie sich auf Unschuldsvermutungen ausreden können. Ja, die Unschuldsvermutung gilt in Bezug auf strafrechtliche Verfahren, sie gilt auch in Bezug auf Haider, sie gilt auch in Bezug auf Stadler. Das ist alles richtig, zumindest derzeit.

Aber beim Justizminister, dessen Unvereinbarkeiten klar auf dem Tisch liegen, reden wir ja nicht von strafrechtlicher Verantwortung dieser Art, jedenfalls noch nicht. Was ein Anwalt darf in diesem Land, und was er nicht darf, das wird ja wohl noch zu klären sein. Aber derzeit reden wir davon nicht, sondern wir reden von politischer Verantwortung und von den politischen Unverein


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barkeiten im Zusammenhang mit diesem Justizminister in dieser Causa. Und der Bundeskanzler und die gesamte ÖVP können sich nicht herausreden, können nicht ihre Hände in Unschuld waschen.

Sie decken diese Zustände! Sie machen der FPÖ und dem Justizminister Böhmdorfer die Mauer! Das ist die ÖVP! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag der Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt, steht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem zur Debatte stehenden Tagesordnungspunkt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordnete Donabauer. – Bitte.

13.19

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren in Regierungsverantwortung! Hohes Haus! Das Parlament ist heute eingeladen, eine Grundsatzdebatte zur Regierungsumbildung vor allem im Bereich für soziale Sicherheit und Generationen zu führen. Das ist ein Bereich, der, wie ich glaube, uns alle berührt, denn Sozialpolitik ist und bleibt etwas Lebendiges, ist etwas, was jeden von uns in irgendeiner Weise trifft und betrifft, und muss deshalb dauernd verändert werden, weil sich auch die Rahmenbedingungen als solche laufend verändern.

Wenn ich der Diskussion folge, dann muss ich feststellen, dass sich die Opposition sehr wenig diesem wichtigen Thema zuwendet. Vielmehr habe ich eine Wehleidigkeit bemerkt, für die kaum jemand Verständnis hat. Wenn Sie von der Opposition heute in Ihren Beiträgen überwiegend die Kompetenz von Herrn Minister Haupt in Fragen der Frauenpolitik thematisiert haben, dann darf ich Ihnen schon eines sagen: Sie können bis zur Stunde keinen Nachweis dafür erbringen, dass Sie in der Frauenpolitik besonders glücklich und gut agiert haben. Auch Herr Minister Haupt kann heute, da er erst eine Woche im Amt ist, noch nicht den Beweis dafür erbringen, dass er all das, was er sich vorgenommen hat, auch tatsächlich umsetzen wird. – Auch so kann man nämlich die Dinge sehen: etwas entemotionalisiert und mehr der Sache zugewendet.

Ein Zweites: Sie von der SPÖ tun so, als ob, seit Sie nicht mehr in der Regierung sind, die Vertreibung aus dem Paradies geschehen wäre! – Ich persönlich glaube, dass das Paradies noch nie stattgefunden hat und auch in Zukunft nicht stattfinden wird. Vielmehr haben wir uns den realen Themen zuzuwenden und sollten aufhören, hier Vorurteile vorzutragen und Vorwürfe gegen die Regierungsarbeit zu erheben, die insgesamt – und das können Sie überall nachlesen – von den Bürgern und auch von vielen Kommentatoren als erfolgreich und positiv gewertet wird! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich frage Sie von der SPÖ: Wo ist Ihre soziale Kompetenz, die Sie immer wieder einfordern? – Ich habe sie heute überhaupt nicht wahrgenommen, schon gar nicht in beeindruckender Weise. (Abg. Dr. Mertel: ... gestörte Wahrnehmung!)

Vielmehr sind, wie ich meine, klare Vorstellungen gefragt und eine klare Vorgabe, eine Entromantisierung dieses wichtigen Bereiches, so wie dies heute der Herr Bundeskanzler getan hat, als er sagte, diese Regierung ist für Reformen angetreten und sie setzt sie bereits um. Sie hat Fachleute und Wissenschafter gerufen, weil sie an einer qualitativen Aufarbeitung interessiert ist. Sie setzt die Pensionsreform, die wir im Jahre 1997 begonnen haben, engagiert fort, weil wir uns den demographischen Entwicklungen anpassen müssen.

Da heute von Herrn Minister außer Dienst Edlinger wehleidig bemerkt wurde, dass die Abschläge im Pensionssystem unerhört und unzumutbar sind, muss ich schon eines sagen: Herr Minister außer Dienst Edlinger! Wo waren Sie bei der Pensionsreform 1997? Damals haben wir das alles im Grundsatz beraten und mit der Zustimmung Ihrer Partei und Ihrer Person auch beschlossen! Das brauchen Sie heute hier nicht zu bedauern! Da sind Sie mit dabei gewesen! (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich halte es auch für richtig, dass der Herr Bundeskanzler heute hier sehr deutlich gesagt hat, dass man nicht nur die Systeme umbaut, die Eigenfinanzierung sichert und die Bundeszuschüsse verringert, sondern dass man mit diesem strukturierten Sozialprogramm auch den Arbeitsmarkt belebt und die Beschäftigung nachhaltig sichert.

Herr Bundesminister Haupt! Sie haben heute die Verantwortung gegenüber dem Parlament übernommen, und das in sehr bewegten Zeiten. Wir alle kennen Sie seit Jahren als engagierten Sozialpolitiker, und ich bin überzeugt davon, dass Sie Ihre Erfahrung als Parlamentarier in geeigneter Weise in Ihre Arbeit einbringen werden. Ich darf Ihnen versichern, dass wir Sie in allen Bereichen, in denen wir überzeugungsfähig und auch überzeugt sind, in Ihrer Tätigkeit unterstützen werden.

Herr Bundesminister! Wir dürfen Ihnen für diese Herausforderung alles erdenklich Gute wünschen, aber wir wollen auch der zurückgetretenen Ministerin Dr. Sickl Anerkennung für ihre Arbeit sagen. Sie, Herr Bundesminister, haben nun den Sozialbereich zu verantworten, jenen Bereich, der sich schon seit einigen Jahren in einem enormen Wandlungsprozess befindet.

Da heute mehrfach gesagt wurde, dass die Sozialpolitik in den letzten Monaten oder Wochen schlechter, leistungsschwächer geworden sei, darf ich Ihnen sagen: Im Jahre 1994 hatte die Sozialquote einen Höchstwert von 29,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dieser Wert hat sich in der Zwischenzeit bis zum Jahre 1998, als wir von ÖVP und SPÖ gemeinsam in der Regierung waren, auf etwa 28,5 Prozent gesenkt. Die Veränderung hat also bereits in Ihrer Zeit, in der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung, stattgefunden. Auch das soll und muss heute bei dieser Grundsatzdiskussion festgestellt werden.

Herr Bundesminister Haupt! Sie haben in der "Pressestunde" davon gesprochen, dass Sie sich im Besonderen der Situation der einkommensschwächeren Schichten zuwenden werden. Ich halte diese Ansage, diese Zielvorgabe für wichtig und mutig, vor allem deshalb, weil es eine Tatsache ist – das hat auch der Bericht des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen, des früheren Sozialministeriums, sehr deutlich und eindrucksvoll bewiesen –, dass es heute, obwohl wir alle so tun, als würde das Land im Reichtum stehen, eine viel zu große Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern gibt, die unter der Armutsgrenze leben. Es sind dies nahezu 18 Prozent, wie dieser Bericht aufzeigt.

Da haben wir soziale Kompetenz zu zeigen, vor allem auch dort, wo es um die Familien geht. Es kann doch nicht so sein, dass eine Familie mit zwei Kindern – das können Sie überall nachlesen; und das war schon so, als Sie in der Regierung waren, liebe Frau Mag. Prammer! – heute bereits an der Armutsgrenze angelangt ist. Diesbezüglich ist eine Veränderung ganz, ganz wichtig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Prammer: Alleinerzieherinnen in erster Linie!)

Herr Bundesminister Haupt! Sie haben auch vom Veränderungsprozess und von Veränderungsvorhaben im Sozialversicherungsbereich gesprochen. Ich meine, dass dieses Vorhaben ein sehr wichtiges ist und endlich einmal umgesetzt werden soll. Wir sprechen seit Jahren davon, und es gibt diesbezüglich eine Verunsicherung, aber nicht deswegen, weil niemand eine Veränderung will, sondern weil man immer nur davon redet, sie aber nicht durchführt!

Es gibt wichtige Vorhaben, die vor uns liegen, zum Beispiel die Chipkarte, die uns eine wesentliche Verbesserung in der Krankenversicherung bringen könnte. Ich glaube aber auch, Herr Minister, dass es Ihre Aufgabe sein muss – und dabei werden Sie uns als Partner haben –, die gesetzliche Versicherungspflicht der Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft zu verankern, denn nur sie garantiert für mich ein Höchstmaß an sozialer Absicherung: die Sicherheit, ohne Ansehen der Person, des Alters und des Gesundheitszustandes der Versicherungsgemeinschaft anzugehören. Das ist etwas ganz, ganz Positives. Ich meine, das sollten wir zwar hinterfragen, das müssen wir offen diskutieren, aber wir müssen uns immer dieses wertvollen Gutes bewusst sein.

Ein Letztes: Die Krankenversicherungen, vor allem im Zusammenhang mit den Spitalsfinanzierungen, liegen im Argen. Herr Minister! Ich denke, es wäre höchst an der Zeit, über die Kompe


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tenzfrage nachzudenken, die Leistungen zu koordinieren und auch eine klare Verantwortung der Betreiber einzufordern. In diesem Zusammenhang müssten, wie ich meine, auch andere Finanzierungsinstrumente bis hin zur Eigenverantwortung und bis hin zum Selbstbehalt etwas sein, worüber man offen und ehrlich diskutieren kann.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Soziale Sicherheit gehört zu den Grundfesten des Staates – das hat einmal ein sehr prominenter Staatspolitiker gesagt. Diese Regierung wird sich diesem Grundsatz und diesem Ziel verschreiben und wird mit aller Kraft und aller Entschlossenheit daran arbeiten, die Sozialpolitik in Österreich auch weiterhin in guter und bürgernaher Form zu betreiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

13.27

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! – Herr Abgeordneter Donabauer! Anscheinend hat es doch nicht jeder mitbekommen, daher möchte ich hier aus einer Presseaussendung zitieren. Darin heißt es:

"Caritas warnt – Sparmaßnahmen der Bundesregierung gefährden 900 000 Menschen." – Zitatende.

Anscheinend haben Sie das noch nicht mitbekommen. Aber Hut ab vor Ihrer Meldung bezüglich der Pflichtversicherung. Das wird sich vor allem in Ihrer eigenen Partei noch durchsetzen müssen, wenn Sie diese Haltung ... (Abg. Dr. Khol: Das ist bei uns kein Problem!)  – Na, da sehen wir die Realitäten ein bisschen anders.

Herr Kollege Khol! Sie haben gesagt, wichtig sind die Taten.  – Da stimme ich Ihnen sogar zu. (Abg. Dr. Khol: So ist es! Sie sind ja beide Gewerkschafter!) Und Herr Bundesminister Haupt hat – soferne die Zeitung das richtig zitiert hat – gesagt, sein Lebensmotto lautet: "Leben und leben lassen!". Wie gesagt, wenn die Zeitung das richtig zitiert hat. Ich wiederhole: Leben und leben lassen! und: Taten sind wichtig!

Herr Bundesminister! Ich bin ja gespannt, wie Sie das Problem der Mitversicherung angehen, wenn zum Beispiel eine Frau, die 30 Jahre lang selbst erwerbstätig war, arbeitslos wird; eine Frau, die einen Mann hat, bei dem sie bisher mitversichert war, und die nun aus der Notstandshilfe herausfällt. – Und da teilt die neue Bundesregierung mit – Herr Bundesminister, an den Taten wird man gemessen! –, dass diese Frau nicht mehr mitversichert ist, sondern eine eigene Versicherungsleistung dafür notwendig ist. Man wird es an den Taten messen, ob da die Devise "Leben und leben lassen" noch gilt.

Das Gleiche gilt bei der Reduzierung des Familienzuschlages bei den Arbeitslosen. Messt sie an ihren Taten! Auf der einen Seite rühmt sich die neue Koalition der Familienleistungen, aber auf der anderen Seite kürzt sie den Familienzuschlag bei den Arbeitslosen. – Die Taten sind entscheidend, Herr Abgeordneter Feurstein, nicht die Worte! Die Taten sind entscheidend, die die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes erleben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass es niemanden hier in diesem Raum gibt, und auch nicht in der Öffentlichkeit, der die Bemühungen, Behinderte in Beschäftigung zu bringen, hintanhalten möchte. Das ist ein ambitioniertes Vorhaben, ein wichtiges Vorhaben. Aber wenn im Gegenzug dazu die Unfallrenten besteuert werden, dann stelle ich wieder die Forderung: Messt sie an ihren Taten, nicht an den Worten! Die Worte haben nämlich gelautet: Keine neuen Steuern! – Tatsächlich wird aber die Besteuerung der Unfallrenten eingeführt.

Ich habe vor wenigen Tagen hier im Hohen Haus einen ganz konkreten Fall angeführt. 15 000 S an Rezeptgebühren hatte eine Person im vergangenen Jahr zu bezahlen, aber die Unfallrente wird besteuert. Ich glaube, das sind die Fälle, auf die man hinweisen muss, und wo es – "Messt


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sie an ihren Taten!" – so deutlich wird, dass Sie in Wirklichkeit eine andere Politik machen als die, die Sie uns hier immer wieder glaubhaft machen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schaut es denn zum Beispiel mit der Wartepflicht beim Arbeitslosengeld aus? Ist das gerecht? Ich kenne Ihre Einstellung. Ich habe über Ihren Auftritt in der "Pressestunde" berichtet bekommen; ich habe sie selbst nicht gesehen. Aber es wird in wenigen Stunden ja der Beweis zu liefern sein.

Ist es gerecht, bei befristeten Dienstverhältnissen eine Wartepflicht einzuführen? Ist es gerecht, bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses eine Wartepflicht einzuführen? – All das sind Dinge, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei denen man Sie sehr wohl an Ihren Taten messen kann!

Ich bin sicher, dass es wert wäre, auch über Ihre Ideen zum Karenzgeld zu diskutieren. Die Zuverdienstgrenze anzuheben löst meiner Meinung nach nicht das Problem. Worum geht es denn in Wirklichkeit? – Es geht darum, dass die Pflichten partnerschaftlich durch Männer und Frauen wahrgenommen werden können, um die Karenzzeit auch tatsächlich in Anspruch nehmen zu können. Die Zuverdienstgrenze löst das nicht. Meiner Meinung nach ist das nur lösbar, wenn es uns gelingt, ein einkommensbezogenes Karenzgeld zu entwerfen und nicht die Möglichkeit der Beschäftigung für Männer und Frauen mit einer höheren Zuverdienstgrenze aufrechtzuerhalten, denn dann sind diese ja wieder nicht beim Kind. Ich glaube, das sollten wir auch gemeinsam ausdiskutieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: Das ist die Wahlmöglichkeit!)

Herr Bundesminister! Sie sind seit wenigen Tagen dazu in der Lage, mit Ihrem Ministerkollegen, dem Finanzminister, über das Budget zu reden. In seiner Budgetrede hat er gesagt: Überall dort, wo "Marktversagen" spürbar ist, muss der Staat mehr unternehmen als bisher, vor allem – wörtlich! – "im Sozialbereich".

Ich bin gespannt, Herr Bundesminister – Sie haben das ja heute in Ihrer Antrittsrede hier im Hohen Haus nicht erwähnt –, inwieweit Sie dafür sorgen werden, dass die notwendigen Mittel für diese soziale Sicherheit auch gewährt – und zwar nicht durch die Einführung von Ambulanzgebühren, nicht durch Behinderungen – und tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Sie können sicher sein: Wenn Sie das tun, dann haben Sie unsere Unterstützung! Aber so, wie die Politik jetzt erkennbar ist, muss ich – nicht Ihnen, sondern der Bundesregierung – unterstellen, dass das in eine andere Richtung läuft.

Auch eine ganz konkrete Bitte an Sie gestellt: Sie haben es selbst in Ihrer heutigen Rede erwähnt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. – Ich erwarte von Ihnen, Herr Bundesminister, dass Sie die Arbeiten, die Frau Bundesminister Hostasch begonnen hat – nicht: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!, denn dieser Grundsatz ist umgesetzt, sondern gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit im Sinne der Studien, die in Ihrem Hause und auch bei Herrn Bundesminister Bartenstein vorliegen – auch dementsprechend verwirklichen.

Das ist keine Frage, bei der die Politik abseits stehen kann und vor allem die Arbeitgeber abseits stehen können, hier sind Sie gefordert, dem auch entsprechend Rechnung zu tragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erwarte mir auch von Ihnen, Herr Bundesminister, dass mit der Politik Schluss gemacht wird, dass die Begutachtungsfristen zwar parlamentarisch akzeptiert sind, aber in Wirklichkeit immer weiter verkürzt werden – auch von Ihrem Haus unter Ihrer Vorgängerin. Drei Tage hat es bei der alten Koalition ... (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Nur drei Tage hat es bei der alten Koalition nicht gegeben, oder den Hinweis: Wir sind ja zusammengesessen, wir brauchen überhaupt keine Begutachtung. – Mindestens 14 Tage oder sogar noch längere Begutachtungszeiten waren die Regel. Erinnern Sie sich daran und sagen Sie hier nicht die Unwahrheit! Eine Begutachtungsfrist von nur drei Tagen hat es in der früheren Koalition nicht gegeben! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute angesprochen worden, und Sie haben gesagt, Sie wollen Härten vermeiden beziehungsweise Härten wegverhandeln. – Man stellt sich doch die Frage: Wer ist denn der Verursacher dieser Härten? (Abg. Böhacker: Edlinger!)  – Die


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ÖVP-FPÖ-Regierung setzt irgendeine Maßnahme, Ihre Bundesregierung setzt irgendeine Maßnahme, und dann kommen die "Faserschmeichler" herbei und sagen: Na, so ernst haben wir es ja gar nicht gemeint, das werden wir jetzt wegverhandeln. (Abg. Böhacker: Schuldenberg!)

Es hindert Sie überhaupt niemand daran, diese Härten erst gar nicht Realität werden zu lassen oder erst gar nicht anzudiskutieren. Aber auch hier gilt der Satz: An Ihren Taten werden Sie gemessen. – Besser wäre es meiner Meinung nach, diese Härten gar nicht erst anzudenken.

Sie können sicher sein, Herr Bundesminister, dass wir Sie an Ihren Taten und nicht an Ihren Reden messen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

13.34

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Ministerbank! Hohes Haus! Der eigentliche Grund für die heutige Sitzung ist zweifelsfrei der Antritt des neuen Sozialministers. Das ist eine immens wichtige Position in diesem Staate, wenn man bedenkt, dass dort eigentlich alle gesellschaftspolitischen Anliegen in einer politischen Position zusammenlaufen.

Es ist ganz klar, dass dem Sozialminister von unserer Seite, auch von Seiten des Koalitionspartners, rote Rosen gestreut werden, aber eines hat mich besonders gefreut, nämlich dass dies auch von Seiten der Medien geschieht. Zum Beispiel bestätigt ihm die Zeitschrift "NEWS", die uns ja wirklich nicht positiv gegenübersteht, dass ihm der Ruf eines kompetenten Detaillisten vorauseilt.

Auch die ganze heutige Debatte hat es bestätigt, dass von der oppositionellen Kritik an seiner Person wirklich nur eines hängen geblieben ist – das hat die Frau Vizekanzlerin ja schon erwähnt –: Der einzige Kritikpunkt ist: Herr Mag. Herbert Haupt ist keine Frau. Und es wird ein Mann sein, der in Zukunft Frauenagenden vertreten wird.

Ich sage Ihnen als freiheitlichen Frau und als Frau, die sehr lange die Frauenpolitik unserer Partei zumindest mitbestimmt hat: Wir freiheitlichen Frauen sehen das anders, weil wir immer andere Ansätze im Bereich der Frauenpolitik gehabt haben – andere, offenere Ansätze. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir freiheitlichen Frauen wollten immer Frauenpolitik gemeinsam mit den Männern machen und nie gegen die Männer. (Abg. Dr. Lichtenberger: Für die Männer!) Und ich glaube, dass das einer der Gründe ist, warum die SPÖ-Frauenpolitik bisher so erfolglos war.

Wenn man der ersten SPÖ-Frauenministerin Johanna Dohnal auch zugestehen muss – sie ist jetzt nicht mehr auf der Zuschauergalerie –, dass sie zumindest noch eine aufrichtige, echte Kämpferin für die Frauen vor allem in den Reihen der eigenen SPÖ-Männer gewesen ist, so sind ihre Nachfolgerinnen (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel ), Frau Kollegin Mertel, sowohl in der Außenwirkung, aber insbesondere natürlich innenpolitisch und innerparteilich wirklich untergegangen. Das muss man einfach laut sagen. Der beste Beweis ist das Frauen-Volksbegehren.

Da nützen Ihnen die heutige komische Verkleidung und die ganzen Taferln auch nichts, es ist nämlich heute auch etwas ganz Spezielles passiert und etwas, was eigentlich die ganze SPÖ-Frauenpolitik ad absurdum führt. Wenn Sie mit Taferln herumlaufen "Alle Macht den Männern", dann frage ich mich: Welche Macht meinen Sie? Meinen Sie die Macht der SPÖ-Frauen, wie zum Beispiel der früheren Frauenministerin Prammer, für die es anscheinend wichtig ist, ganz vorne auf der Rednerliste zu stehen, die dann aber, wenn es darauf ankommt, von einem ehemaligen Herrn Minister – und zwar von Herrn Ex-Finanzminister Edlinger – einfach nach hinten geschoben wird? – Wir haben ja heute ein treffliches Beispiel für die "erfolgreiche" – unter Anführungszeichen – SPÖ-Frauenpolitik in den ihren eigenen Reihen geliefert bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Eines dürfte Ihnen auch nicht entgangen sein. Im Burgenland gibt es einen gewissen Herrn Peter Rezar – ein Landesrat. Er ist Landesrat, der auch die Frauenagenden innehat. SPÖ natürlich! Deswegen sage ich: Das dürfte Ihnen wohl nicht entgangen sein. Dieser Herr sagt jedoch etwas sehr Vernünftiges. Er sehe die Debatte um Haupt gelassen. Es sei nicht entscheidend, wer Frauenpolitik macht, sondern wie sie gemacht wird. – Und da muss ich sagen: Es gibt auch in den Reihen der SPÖ-Männer anscheinend sehr vernünftige Männer.

Die Erkenntnis daraus ist Folgende: Ich glaube, dass Herbert Haupt als Sozialminister die Frauenanliegen in Zukunft genauso gut vertreten wird, wie er es bisher eben als Sozialsprecher getan hat. Davon kann ich Ihnen wirklich aus Erfahrung ein Lied singen. – Ich bin überzeugt davon, dass er das als Minister gut machen wird.

Es ist ja auch bezeichnend, dass, wenn man die Leserbriefe zu dieser Thematik anschaut, zumindest die Hälfte der Leserbriefeschreiber Frauen sind, die Herbert Haupt als "Frauenminister" – unter Anführungszeichen – sehr wohl gute Chancen geben, die sich von ihm erwarten, dass er bessere Taten setzt, als es seine Vorgängerinnen zustande gebracht haben.

Ich bin aber auch überzeugt davon, dass Herbert Haupt die freiheitliche Sozialpolitik weiterführen wird: konsequent, gerecht und sozial verträglich, und zwar für Männer, Frauen und für Kinder, denn er ist ja auch Familienminister. Ich weiß aus jahrelanger Zusammenarbeit mit ihm, dass er einerseits für diese Agenden die notwendige Sensibilität, aber andererseits auch wieder das notwendige Stehvermögen hat, um sich gegen den Wirtschaftsminister und den Finanzminister durchzusetzen. Und es wird einem Herrn Peter Pilz nicht gelingen, in dieser Frage einen Keil in unsere Reihen zu treiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kurz noch zur Spitzelaffäre, die man anscheinend nur zu einer Causa FPÖ und noch lieber zu einem "Kriminalfall Jörg Haider" machen möchte. Das wird von Leuten wie einem Peter Pilz betrieben, der selbst tief in diesem Skandal steckt. Das wird von Leuten der SPÖ betrieben, obwohl diese Vorfälle in einer Zeit passiert sind, als die SPÖ für dieses Ministerium die Verantwortung trug. Wenn Herr Klubobmann Gusenbauer und auch andere meiner Vorredner bestreiten, dass die SPÖ etwas damit zu tun hätte, dann kann ich nur sagen: Ich hoffe, dass die Vorerhebungen gegen die SPÖ auch demnächst beginnen werden (Abg. Ing. Westenthaler: Haben sie schon!), denn es wird Ihnen von der SPÖ nicht gelingen, hier Kindesweglegung zu betreiben.

Deshalb sehe ich als freiheitliche Abgeordnete und Abgeordnete einer Regierungspartei in beiden Dingen der kommenden Entwicklung mit großer Zuversicht und Gelassenheit entgegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

13.42

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan! Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Bundesminister für Justiz! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Soll ich Ihnen ehrlich etwas sagen? – Dass Herr – bis jetzt Abgeordnetenkollege – Haupt Frauenministerin geworden ist, ist nicht mein Hauptproblem. (Abg. Dolinschek: Meines auch nicht!) Ich habe nämlich die Politik dieser Bundesregierung in Sachen Frauenangelegenheiten, Frauenpolitik in den letzten neun Monate beobachtet, und ich sage Ihnen, mein Hauptproblem ist (Abg. Dr. Pumberger: Dass die Prammer ihre Zeit verschlafen hat als Frauenministerin!) das, was die Frauenpolitik dieser Bundesregierung darstellt. (Beifall bei den Grünen.)

Meiner Ansicht nach ist es einfach so, dass die Tatsache, dass ein Mann künftig Frauenanliegen vertreten wird, nichts anderes ist als eine schlüssige, logische, konsequente Fortsetzung dessen, was uns in den vergangenen Monaten von dieser Bundesregierung präsentiert worden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nämlich wirklich geradezu skurril, dass der Herr Frauenministerin  – das hat er ja heute ausgiebig getan, die Frau Vizekanzlerin hat es auch aus


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giebig getan – hier im Nationalrat steht und uns nach den Erfahrungen aus den letzten neun Monaten weismachen will, dass die Politik die Eigenständigkeit von Frauen jetzt besonders beachten wird, dass die Eigenständigkeit von Frauen eines der Hauptziele des neuen Frauenministers sein wird. Das ist geradezu absurd, wenn man sich nur anschaut, was in den letzten Monaten passiert ist. (Abg. Dr. Pumberger: In den letzten Jahren!)

Ist es Förderung der Eigenständigkeit von Frauen, wenn beispielsweise – ich glaube, Frau Kollegin Prammer hat es schon erwähnt – das Schulungsarbeitslosengeld nach der Karenz einfach gestrichen wird? Ist das eine Maßnahme, um die Eigenständigkeit von Frauen zu fördern? Ist das auch eine Maßnahme, um die Eigenständigkeit von Frauen zu fördern, wenn es einen Stopp beim Zurverfügungstellen von Geld für Kinderbetreuungseinrichtungen gibt? Ist das Ihr Verständnis davon, Herr Bundesminister für Frauenangelegenheiten Mag. Haupt?

Sie haben sich heute bei dem, was Sie hier gesagt haben, gänzlich zu den Dingen verschwiegen, die in den letzten Monaten passiert sind. Deshalb ist es für mich nicht das Problem, dass Ihre Person ... Jetzt ist er nicht da, der Herr Frauenministerin. Schade, ich hätte ihn gerne gesehen. (Abg. Dr. Krüger: Bitte keine geschlechtsspezifische Abwertung!) In fast zehn Jahren haben wir uns immer ausschließlich in der Opposition Wortgefechte geliefert oder auch Zustimmung gegeben, jetzt erstmals hätte ich Gelegenheit dazu, ihn in meinem Rücken zu haben, und jetzt ist er leider nicht da. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger in Richtung des Abg. Dr. Krüger.)

Für mich ist die Tatsache, dass er jetzt diese Agenden übernimmt, in Wirklichkeit nichts anderes als das, was in den letzten Monaten deutlich spürbar war: Die Männer sagen den Frauen, wo es langgeht. Und jetzt wird das eben auch aus dem Mund eines Mannes gesagt.

Frau Ministerin a. D. Sickl – ich bin wirklich weit davon entfernt, in den Geruch zu kommen, frauenfeindlich zu sein, weil ich ja selbst schon genug unter Frauenfeindlichkeit und Sexismus gelitten habe – hat in den letzten Monaten meiner Meinung nach ausschließlich den Eindruck erweckt, dass sie das Sprachrohr jener in der Bundesregierung war, die diese Linie bestimmt haben; eine Linie, mit der nichts anderes verfolgt wird, als die Abhängigkeit von Frauen weiter zu verstärken oder diese in Bereichen, wo sie schon abgebaut war, überhaupt wieder neu zu begründen. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Mag. Haupt kehrt auf die Regierungsbank zurück.)

Jetzt ist er wieder da, der Herr Frauenministerin! Ich habe an den Herrn Frauenministerin eine entscheidende Frage. Wenn es tatsächlich so ist, wie er für jene, die ihn nicht so genau kennen wie wir hier, vielleicht durchaus glaubwürdig sagt, nämlich dass ihm die Eigenständigkeit von Frauen ein so großes Anliegen ist, dann hat er – und jetzt knüpfe ich an seine Parteichefin und an den Herrn Bundeskanzler an, die heute wieder mehrmals gesagt haben, an den Worten und nicht an den Taten solle man sie messen; der Herr Bundeskanzler hat das ja zum Credo seiner ganzen Regierungszeit gemacht – eine hervorragende Chance, das zu tun. Es gibt nämlich einen Gesetzentwurf hier im Haus, der genau das vorsieht, und zwar die Abhängigkeit der Frauen von Männern zu verstärken. Das ist die Regierungsvorlage bezüglich der so genannten gemeinsamen Obsorge.

Herr Bundesministerin! Ihre erste Tat wird wohl jetzt sein, dass Sie in Ihrer Verantwortung, die Sie sehen, nämlich die Eigenständigkeit von Frauen zu fördern, versuchen, diese Regierungsvorlage entsprechend abzuändern, sodass die Vorschläge, die die bisherige Bundesregierung gemacht hat, nicht umgesetzt werden. Das, Herr Frauenministerin, wäre eine konsequente Fortsetzung dessen, was Sie gesagt haben, und zwar dass Ihnen die Eigenständigkeit von Frauen ein Anliegen ist. Taten statt Worte! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister für Generationen und auch für Frauenangelegenheiten! Sie haben in Ihren 15minütigen Ausführungen leider wenig Zeit für grundsätzliche Fragen aufgewendet, die sich auf konkrete Dinge beziehen. Worte sind zu wenig – das sagt auch der Herr Bundeskanzler –, die Taten sind wichtig! Tun Sie es doch! Heute haben Sie die Gelegenheit dazu, die Sitzung dauert noch lange genug. Bitte sagen Sie uns Frauen, aber auch Ihnen, verehrte Kollegen hier im


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Hohen Haus, sagen Sie uns allen, wie Sie es wirklich meinen! Eine hervorragende Gelegenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Böhacker:  ...! Das ist ja unglaublich!)

Das ist eine schlüssige Fortsetzung Ihrer Auffassung von Frauenpolitik, wenn jetzt ein Mann Frauenpolitik macht. (Abg. Dr. Pumberger: Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär’!) Das ist es – jetzt inhaltlich –, was wir nicht nur beobachten werden, sondern wobei wir Sie auch ermahnen werden. Man darf nicht vergessen, aus welcher Partei Herr Mag. Haupt kommt. Er kommt nämlich aus jener Riege hier im Haus, in der der Frauenanteil bei den Parlamentariern nur glatt ein Fünftel der Fraktion beträgt.

Sagen Sie es mir ehrlich! Finden Sie es besonders überzeugend, dass jetzt ein männlicher Frauenminister hier ganz viel von der Eigenständigkeit der Frauen redet und überhaupt davon, es sei vollkommen egal, ob Männer oder Frauen Frauenanliegen vertreten, wichtig sei doch, dass man es tue? Finden Sie, dass es eine hohe Glaubwürdigkeit hat, wenn einer der höchsten Funktionäre einer Partei, einer der ältesten und engsten Vertrauten des – erst Kurzzeit- – Ex-Parteiobmannes hier Frauenanliegen vertreten soll?

Wo sind denn die Frauen, die hier das Sagen haben? – Es sind ungefähr zehn von 52 FPÖ-Abgeordneten. Ist das das Verständnis, das Sie haben, wie Sie Frauen präsentieren, wie Sie Frauen Chancen geben werden, wie Sie, wie Sie gestern in der "Pressestunde" gesagt haben, die Vereinbarkeit von Karriere, Beruf, Kindern und Familie, wie Sie all das praktizieren wollen? (Abg. Dolinschek: Das sind die Ziele!)

Wie waren denn Ihre Leistungen in der Vergangenheit in jenen Bereichen, in denen Sie hätten aktiv sein können? – Diese vermisse ich gänzlich. Aus diesem Grund habe ich nicht das Vertrauen, dass es über die Worte hinausgehen und in Taten münden wird. Aber bitte, es kann sich hier noch jede Frau überraschen lassen.

Aber meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weit größeres Anliegen ist es mir, etwas zu den heutigen Äußerungen des Herrn Bundeskanzler zum Thema Spitzelaffäre, zum Thema Krise der Demokratie, die eintreten könnte, zu sagen.

Herr Bundeskanzler! Sie haben mehrmals davon gesprochen, wie wichtig es ist, das aufzuklären, dass Sie alles tun werden und es ganz wesentlich sei, auf diesen sensiblen Feldern der sensiblen Daten Aufklärung zu betreiben, und dass die Justiz nun am Wort sei. – Herr Bundeskanzler, all das stimmt zwar, aber es ist mir neu, dass die Justiz den Auftrag hätte, politische Dimensionen von Kriminalfällen zu untersuchen. Das ist überhaupt nicht die Aufgabe der Justiz, sondern die Justiz hat die Aufgabe, Tatbestandsmerkmale zu beurteilen – und nicht politische Dimensionen zu bewerten.

Darum, Herr Bundeskanzler, habe ich das vermisst, was die logische Folge Ihrer heutigen Äußerungen und auch jener am Nationalfeiertag ist – wenn Sie sie ernst und ehrlich meinen –, nämlich zu sagen: Ja, bitte, tun wir das! Tun wir das in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss! Setzen wir uns mit all diesen Vorwürfen auseinander, untersuchen wir – dieses Wort steckt ja schon im Terminus Untersuchungsausschuss! –, ob etwas an diesen Vorwürfen stimmt, ja oder nein!

Warum tun Sie das nicht, Herr Bundeskanzler?! (Beifall bei den Grünen.) Warum tun Sie das Logische nicht, vor allem, da die ÖVP ja, wie ich glaube, am allerwenigsten dabei zu befürchten hat? Oder ist es vielleicht doch nicht so, dass sie sich am allerwenigsten zu fürchten hat, Herr Bundeskanzler? (Abg. Dr. Krüger: Der Bundeskanzler ist ja nicht Abgeordneter!) Fürchten Sie sich so sehr davor, dass Ihre Perspektiven und Ihre Abhängigkeit von der Freiheitlichen Partei beeinträchtigt werden können, dass das der Grund dafür ist, dass Sie Ihrer Fraktion beziehungsweise Ihren Parteimitgliedern untersagen, diesem Anliegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zuzustimmen?

Ich kann keine anderen Motive erkennen. Und all das, was Sie hier gesagt haben – Aufklärung, Untersuchung, bitte, ja, rasch, um die Krise nicht noch zu vergrößern – hätte in diesem Fall null


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Glaubwürdigkeit, Herr Bundeskanzler! Das ist es, was mich interessieren würde. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Gradwohl. )

Und, Herr Bundeskanzler, Sie haben noch eine Möglichkeit, etwas dafür zu tun, was ich bis jetzt ebenfalls vermisst habe, nämlich eine Initiative zu setzen, dass zumindest jene, die Opfer geworden sind, erfahren, dass sie Opfer geworden sind. Der Herr Bundesminister für Inneres Dr. Strasser hat, wie ich einem Zeitungsartikel entnommen habe, diesbezüglich in aller Öffentlichkeit geradezu den Wunsch, die Bitte, das Ersuchen an das Hohe Haus gerichtet: Bitte, gebt mir die Möglichkeit, die Kompetenz, die Ermächtigung, damit ich das tun kann! – Wo ist Ihre Initiative dafür, Herr Bundeskanzler, dass das möglich ist? Halten Sie es nicht für eine moralische Verantwortung, dem Ersuchen Folge zu leisten, dass Opfer das Recht haben, zumindest zu erfahren, dass sie überhaupt Opfer sind?

Das sind jene Taten, Herr Bundeskanzler, die Sie setzen können, anstatt uns mit Worten zuzureden, ja zuzuschütten mit einem Tempo wie die Frau Vizekanzlerin! Aber deren Verhalten will ich jetzt nicht kommentieren, denn das, was sie heute hier getan hat, war für mich das Negativbild von Frauen in der Politik schlechthin! Diese Art – so empfinde ich es, deshalb ist es keine Bewertung, sondern die Wiedergabe meines Empfindens –, das, was sie heute getan hat, zeigt genau eben jenes Verständnis von Frauenpolitik, das die ÖVP, aber vor allem die FPÖ hat: Es braucht keinen Auftrag, keinen Zwang, damit die Frau Vizekanzlerin das "einfache Parteimitglied" Haider verteidigt – sie tut das vollkommen freiwillig! All das ist ihr schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es vollkommen freiwillig geschieht! (Abg. Dr. Pumberger: Redezeit!)

Das, meine Damen und Herren, das ist es, was uns Frauen, uns Frauen in meiner Fraktion und auch, wie ich annehme, den Frauen in der sozialdemokratischen Fraktion Angst macht, wenn solche Beispiele von weiblichen Politikern Schule machen. Das ist es nicht, was wir meinen mit: Die Macht den Männern wegnehmen und uns jenen Anteil nehmen, der uns zusteht, nämlich die Hälfte – und nicht mehr!

Damit wäre ich schon sehr zufrieden, aber mit dem Bundeskanzler, mit der Frauenministerin, mit dieser Vizekanzlerin sehe ich dafür ziemlich schwarz. Aber Sie wissen, Frauen sind bekanntlich geduldig. Wir werden auch diesen Bundeskanzler, diese Frauenministerin und diesen Justizminister, der zweifelsfrei das kürzeste politische Leben in dieser Bundesregierung hat, überstehen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

13.55

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzler! Meine sehr geehrten Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Debatte von heute Vormittag mitverfolgt, kann aber bei aller Wichtigkeit von Frauenthemen und bei aller Bedeutung, die einer gewissen Symbolik zukommt, nicht erkennen, wo da die Logik ist, wenn man behauptet, dass Frauenthemen nur von Frauen vertreten werden können. Führt man diese Logik weiter, dann könnte Jugendthemen nur ein Jugendlicher vertreten und Seniorenthemen nur ein Senior! Entscheidend, meine Damen und Herren, ist aber die Kompetenz dessen, der umsetzt, sowie sein Wille zur Umsetzung. Daher glaube ich, dass der neue Herr Sozialminister klar eine Chance in diesem Bereich verdient hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Regierung hat am 4. Februar zu arbeiten begonnen, die Opposition hat seither zwei Linien probiert.

Die erste Linie lautet: Wenn diese Regierung Aktivitäten setzt, dann steigt die Arbeitslosigkeit. – Wie Sie wissen, es wurde heute schon erwähnt, ist das Gegenteil der Fall: Der Arbeitsmarkt dreht sich in Richtung Vollbeschäftigung. Wir haben de facto die geringste Arbeitslosenrate seit zirka 15 Jahren! Dies ist, auch das wurde schon erwähnt, zwar vor allem ein Verdienst der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer in diesem Land, es ist aber meiner Ansicht nach auch ein Faktum,


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dass die Wirtschaft dieses Landes Vertrauen in die Arbeit der Regierung hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)  – Durchaus applausfähig!

Mit umso mehr Kraft stürzen Sie sich, wie der heutige Vormittag ebenfalls gezeigt hat, auf die zweite Linie: Die Regierung betreibt mit ihren Aktivitäten Sozialabbau! – Hiezu führen Sie immer Fallbeispiele an, die einmal so und einmal so gerechnet werden – im Prinzip gibt es ja für alles ein Beispiel –, zum Teil muss auch die Sozialquote dafür herhalten, weil sie eben nicht im Steigen begriffen ist, sondern stagniert und daher für Sozialabbau verantwortlich ist.

Meine Damen und Herren! Richtig ist – und man braucht nur im Wifo-Monatsbericht 10 dieses Jahres nachzulesen –, dass die Quote tatsächlich stagniert. Es ist aber auch nachzulesen, warum sie stagniert, nämlich erstens deswegen, weil das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen hat, und zweitens, weil auch in allen anderen europäischen Staaten zu bemerken war, dass Konsolidierungsmaßnahmen dazu führen, dass die Sozialquote gleich bleibt beziehungsweise nicht sehr stark steigt. Daher haben wir diese Konsequenz zu verzeichnen. Wie liegen im internationalen Feld durchaus gut und haben ganz klar zu sehen: Ein Sozialsystem muss nicht nur zukunftssicher sein und natürlich sozial (Abg. Öllinger: Sie haben aber behauptet, wir seien Spitzenreiter!), sondern auch, Herr Öllinger, bezahlbar sein! Und diese Komponente wird von dieser Regierung stärker wahrgenommen als in den 30 Jahren zuvor.

Interessantes zeigt sich aber auch, wenn man sich die Struktur der Sozialquote anschaut: 38,2 Prozent aller Sozialausgaben gehen nämlich in den Bereich Alterspensionen, 10,3 Prozent in den Hinterbliebenenbereich, das ergibt zusammen nahezu 50 Prozent. Was zeigt uns das? – Es zeigt uns, dass die Regierung mit ihren Maßnahmen im Pensionsbereich vollkommen richtig liegt, dass diese aber vermutlich noch nicht ausreichen werden, denn es ist eine weitere Zahl bemerkenswert, nämlich jene 3,3 Prozentpunkte, die wir bei der Alterssicherung über dem europäischen Durchschnitt liegen. Wenn es also nicht gelingt, mehr Leute zur Beschäftigung im Alter zu veranlassen, lautet die Konsequenz daraus, dass wir allein in diesem Bereich eine Sozialquote von 20 Prozent bei der Altersversorgung hätten.

Daher muss dieser Weg fortgesetzt werden! Es muss das klare Ziel sein, dass die zweite Säule des Pensionssystems ausgebaut wird, ebenso die dritte Säule, nämlich was private Vorsorge anbelangt. Man muss danach trachten, dass in unserem Land nicht zehn von 100 Personen über 60 Jahren in Beschäftigung stehen, sondern etwa die Hälfte wie in Schweden oder auch in anderen Ländern, jedenfalls viel mehr!

Im Zusammenhang mit der Sozialquote ist auch interessant, dass für den Arbeitslosenbereich nur 5,6 Prozent ausgegeben werden. Ich sehe daher, Herr Sozialminister, diesbezüglich wenig Spielraum. Wenn es Missbräuche gibt, beispielsweise bei den Saisonniers, sollen diese abgestellt werden, aber nicht so, dass damit auch alle anderen bestraft werden, die ein Versicherungssystem mit Leistung und Gegenleistung erwarten.

Herr Minister, wir erwarten gerade heute Ihre Unterstützung, und wir erwarten sie auch im Bereich der Lohnnebenkosten. Es gibt dazu eine wunderbare Regierungsvereinbarung, auch Umsetzungen für 2001. Ich bitte Sie, dass Sie sich dieser Sache annehmen. Es geht um die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nächster Punkt: Sie haben vor allem im Vorfeld die Zusammenlegung der Sozialversicherungen angesprochen. – Es ist dies grundsätzlich ein sehr vernünftiges Unterfangen, allerdings kann die Zusammenlegung an sich nicht das Ziel sein. Unserer Meinung nach ist es notwendig, zuerst Ziel, Strategie und dann erst die Strukturen festzulegen. Das mag für die Arbeiter und Angestellten ein Weg sein, der Erfolg versprechend ist, wenn es nun auch im Bereich der Entgeltfortzahlung eine Angleichung gibt, aber beispielsweise im Bereich der Bauern und Gewerbetreibenden gibt es, was Beiträge und Leistungen, was die Krankenversicherung anbelangt, doch einige Unterschiede. Und in der Umsetzung soll eines nicht passieren, nämlich dass es eine Überforderung bei der Vollziehung und Qualitätsverluste gibt.


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Daher Schritt für Schritt, in dieser Weise umzusetzen ist, glaube ich, der richtige Weg. Es muss die Effizienz gegeben sein, es müssen Kostensenkungen gegeben sein, es muss aber auch die Qualität stimmen.

Und, Herr Minister, auch die Finanzierungsprobleme der Sozialversicherung werden nicht auf Organisationsebene gelöst werden können. Da gehört eben im Sinne des Gesamten mehr dazu.

Meine Damen und Herren! Die neue Regierung hat die Wende eingeleitet. Wollen wir das Sozialsystem in der bisherigen Qualität sichern, dann müssen wir den notwendigen Umbau vorantreiben und fortsetzen. In diesem Sinne wünsche ich dem neuen Sozialminister alles Gute. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

14.02

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Frauenministerin hat – und wie ich glaube zu Recht – im Zusammenhang mit seiner Nominierung zur Frauenministerin von einer Frage von hoher Symbolkraft gesprochen. Diese Einschätzung teile ich. Er ist jetzt gerade nicht da. (Bundesminister Mag. Haupt spricht hinter dem Präsidium mit Abg. Dr. Bruckmann. – Abg. Dr. Khol: Er ist schon da! – Ruf: Bitte schauen! – Bundesminister Mag. Haupt: Entschuldigung! – Abg. Dr. Einem  – in Richtung des Bundesministers Mag. Haupt –: Sie hat Sie nicht gesehen!) Aber es macht nichts, es geht ja "nur" um sein Ressort.

In früheren Tagen war es in der Politik üblich, dass eine Frau Frauenministerin war, aber nicht nur ihres Geschlechts wegen, sondern weil man diese Position ganz bewusst mit einer Repräsentantin der Frauenbewegung, also aus jener gesellschaftlichen Bewegung, die sich mit viel politischer Energie für die Ausweitung der Frauenrechte, für die Besserstellung der Frau in der Gesellschaft engagiert hat, besetzen wollte.

Wie Sie wissen, gibt es nicht nur die sozialdemokratische Frauenbewegung, sondern es gibt auch die autonome Frauenbewegung und es gibt auch eine bürgerliche Frauenbewegung. (Abg. Dr. Lichtenberger: Hat es gegeben!)  – Hat es offensichtlich gegeben, richtig! (Abg. Rosemarie Bauer: ... wider die Realität!)

Diese unterschiedlichen Teile der Frauenbewegung sind immer in einem sehr fruchtbaren Diskussionsprozess miteinander gestanden, und sie haben, wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen und unterschiedlichen Schritten, in die gleiche Richtung gezogen. Es wäre durchaus möglich gewesen, eine Frau aus der bürgerlichen Frauenbewegung – wenn es sie noch gäbe – zur Frauenministerin in Ihrer Regierung zu machen. Sie haben sich aber, da Sie nicht eine Frauenpolitik der Eigenständigkeit, sondern die Abschaffung der Frauenpolitik vorantreiben, zum richtigen symbolischen Schritt entschieden, nämlich einen Mann zum Vollzugsorgan der Abschaffung der Frauenpolitik zu ernennen. (Abg. Dr. Stummvoll: So ein Unsinn!)

Sie haben sich von diesem Weg der letzten 30 Jahre verabschiedet. Sie gehen den Weg, neue Abhängigkeiten für Frauen zu schaffen. Wenn aus Ihren Reihen der Vorwurf kommt, dass in den letzten 30 Jahren der Fortschritt in der Frauenpolitik zu langsam war, dann sind das, das muss ich schon sagen, scheinheilige Krokodilstränen, die Sie da weinen, da der Weg nicht zuletzt deshalb so zäh war, weil er gegen Ihren erbitterten Widerstand gegangen werden musste! (Beifall bei der SPÖ.)

All die wichtigen Maßnahmen, die trotzdem Schritt für Schritt auf diesem Weg für die Frauen erreicht werden konnten, zählen heute zum "schweren" Erbe, das Sie mit Ihrer Politik rückgängig machen wollen. Sie gehen nicht den richtigen Weg, vielleicht ein wenig zu langsam, vielleicht ein bisschen zu zögerlich – nein, das kann man Ihnen nicht vorwerfen –, Sie gehen den Weg zurück, und zwar in einem rasanten Tempo!


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Wir haben im Parlament erst kürzlich den Bericht über die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen diskutiert, die ja nach wie vor zu groß sind. In diesem Bericht ist auch ganz klar aufgezeigt worden, welche Schritte gesetzt werden müssten, um diese Einkommensunterschiede zu verkleinern. (Abg. Rosemarie Bauer: Den gibt es schon 20 Jahre lang!) Sie aber gehen ganz bewusst, Schritt für Schritt, jenen Weg, der dazu führen wird – und nach Lektüre dieses Berichtes können Sie nicht sagen, Sie wüssten das nicht –, dass die Einkommensunterschiede weiter wachsen und sich die Situation der Frauen in Österreich weiter verschlechtert. (Abg. Steibl: Mit welchem Schritt werden die Einkommensunterschiede vergrößert?)

Sie diskutieren das Kinderbetreuungsgeld, also einen Anreiz für eine längere Berufsunterbrechung – ganz klar ein Schritt, der laut diesem Bericht zu einer Vergrößerung der Einkommensunterschiede führt, das wissen Sie! (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist nicht logisch, was Sie da sagen!)  – Das ist sehr logisch. Vielleicht übersteigt es Ihr Vermögen, das nachzuvollziehen, aber es ist überaus logisch, dass eine längere Berufsunterbrechung zu einem geringeren Einkommen führt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Erklären Sie mir das! Ich kann es nicht verstehen! – Ruf bei der SPÖ: Das ist nachweisbar!)  – Ich erkläre es Ihnen nachher gerne. (Abg. Mag. Schweitzer: Nein! Jetzt! Sie können nicht etwas behaupten, was unlogisch ist!)  – Ich rede über das, was ich mir vorgenommen habe. Die Liste ist nämlich lang, und ich habe nicht so viel Zeit.

Sie führen Studiengebühren ein und verschlechtern damit vor allem in Familien mit geringem Einkommen, die Töchter haben, die Bildungschancen der Frauen. Es wird nämlich in diesen Familien wieder die Diskussion geben, ob die Töchter überhaupt studieren müssen.

Sie wollen die zwangsweise gemeinsame Obsorge nach der Scheidung einführen, eine Maßnahme, die klarerweise neue Abhängigkeiten – eigentlich neue alte Abhängigkeiten, denn es war früher so – wieder einführt.

Sie schaffen die kostenlose Mitversicherung für diejenigen Ehefrauen ab, die keine Kinder in die Welt gesetzt haben, das bedeutet eine klare Bestrafungsaktion für jene Frauen, die so leben, wie es nicht Ihrem Bild entspricht.

In Summe muss ich sagen, dass die Ernennung eines Mannes zur Frauenministerin ein politisch ehrlicher Schritt war: ein Mann als Symbol des Endes einer eigenständigen Frauenpolitik, Minister Haupt als Frauenpolitikabschaffungsminister!

Frau Vizekanzlerin Riess-Passer hat heute eine für dieses Haus bemerkenswert befremdende Bierzeltrede gehalten (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen), in der sie es peinlich genau vermieden hat, zu jenen Vorwürfen Stellung zu nehmen, zu denen wir gerne ihre Stellungnahme gehört hätten, nämlich zu den schweren Vorwürfen, dass Spitzen der FPÖ in diesen Spitzelskandal, über den das ganze Land diskutiert, verwickelt seien. (Ruf bei den Freiheitlichen: Fakten auf den Tisch!) Aber – Fakten auf den Tisch – wir haben in ihrer Rede und auch in der Rede des Herrn Klubobmannes Westenthaler etwas sehr Interessantes gehört, sie haben nämlich aus der Schule der Rufmord-Strategie der FPÖ geplaudert; gemäß den Worten des Herrn Klubobmannes Westenthaler ein Dreischritteprogramm: Falschbehauptungen, Kriminalisieren, Ehrabschneidung – Rufmord würde ich sagen. Diese Strategie haben Sie wirklich seit Jahren betrieben. Es ist Ihre Strategie! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und verwechseln Sie das bitte nicht mit dem, was nun passiert. Jetzt schüttet Sie nicht der politische Gegner mit irgendetwas an, sondern Leute aus Ihren Reihen haben angefangen, zu reden, weil sie nicht mehr bereit waren, dieses System mitzutragen. Das ist der Punkt! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sind sehr wortgewaltig, wenn es darum geht, andere anzuschütten, aber äußerst wehleidig, wenn es darum geht, zu Kritik Stellung zu nehmen und gegen Vorwürfe, die Sie treffen, Position zu beziehen.

Ihr Alt-Parteiobmann hat sich vor wenigen Tagen – er überlegt sich das ja von Tag zu Tag anders! – für einen Untersuchungsausschuss in dieser Causa ausgesprochen. Ich bin zwar nicht ganz auf dem Laufenden darüber, ob das heute noch immer seine Meinung ist, ich weiß auch


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nicht, wie groß sein Einfluss auf seine Fraktion noch ist, diese zu überzeugen, sage Ihnen aber jedenfalls: Wir werden Ihnen heute wieder die Gelegenheit geben, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

14.09

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Vizekanzlerin! Meine beiden Herren Bundesminister! Eine Regierungsumbildung ist an sich nichts Außergewöhnliches, außer man interpretiert sie so wie die Oppositionsparteien in der heutigen Debatte. Man debattiert über einen Ministerwechsel im Frauenministerium – es gibt jedoch keinen Ministerwechsel im Frauenministerium, sondern einen Ministerwechsel im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, und dieses umfasst vom Säugling bis zur Großmutter, vom Kleinkind bis zum Großpapa alle Bevölkerungsschichten Österreichs. Der Bundesminister ist für die Jugend, Familien, Pensionisten und Frauen gleich verantwortlich, und daher verstehe ich diese Forderung und die geführte Debatte überhaupt nicht. Der Nächste könnte einen Jugendlichen als Jugendminister fordern. Wer dann die Familien vertreten sollte, darüber ließe sich streiten – ein Mann, eine Frau, ein Jugendlicher oder ein Pensionist? Einen Seniorenvertreter bräuchten wir auch noch. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) Sollen wir die Zahl der Ministerien ausufern lassen? Von einem Einsparungseffekt könnte man bei so vielen Ministerien sicher nicht sprechen. Diese Debatte geht daher total ins Leere.

Ich bin der Meinung des Herrn Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes – im Gegensatz zu Frau Kuntzl –, nämlich dass es keine Vorurteile geben soll. An den Taten soll gemessen werden – der neue Sozialminister eben an seinen.

In der Vergangenheit war der soziale Bereich eigentlich von Männern dominiert. Nur drei Damen waren bisher Sozialminister: Die Erste war seinerzeit in der ÖVP-Alleinregierung Frau Grete Rehor, später war Kollegin Hostasch, die auch in unserem Haus tätig war, Sozialministerin, und danach Frau Dr. Sickl.

Vor einiger Zeit hat man ein Frauenministerium geschaffen. Die erste Ministerin in diesem Bereich war Frau Dohnal, die eigentlich kein eigenes Portefeuille hatte. Danach kam Frau Konrad – jene Frau mit Halbe-Halbe, als der Staat von oben verordnen sollte, wie viele Teller ein Mann pro Tag abzuwaschen hat, da es anscheinend nicht mehr möglich ist, das in der Familie selbst zu regeln, oder? In einer Familie, die funktioniert, regelt sich das von selbst. (Abg. Öllinger: Super!) Und die letzte Frauenministerin war die unglückliche Ministerin Prammer. (Abg. Dietachmayr: Halbe-Halbe, das hast du dir gemerkt, das war einprägsam!) Ich praktiziere das schon, Herr Kollege.

Tatsache ist, dass die Sozialdemokraten in der gesamten Frauenpolitik in diesen Jahren im Prinzip nichts weitergebracht haben, trotz mehrerer Ministerinnen für Frauenangelegenheiten.

Ich bedanke mich von dieser Stelle aus bei der ehemaligen Frau Bundesminister für Soziales Sickl. Sie hat es sicher nicht leicht gehabt, man hat ihr alle Prügel, die man nur gefunden hat, vor die Füße geworfen. Sie hat sich aber sehr, sehr bemüht und trotz allem viel weitergebracht, wie zum Beispiel die Pensionsreform.

Die Pensionen sind jetzt über diese Legislaturperiode hinaus gesichert. Das hat Frau Bundesminister Sickl eingebracht und auch durchgesetzt, genauso wie eine Reform des Karenzgeldes, hinsichtlich dessen man jetzt gut vorbereitet ist. Das Kinderbetreuungsgeld befindet sich in der Endphase der Ausarbeitung. Der neue Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Herbert Haupt wird das weitertreiben, damit es in Kürze fertig ist.

Es soll während der Karenzzeit für die Mutter kein Beschäftigungsverbot mehr geben, sondern die Möglichkeit, daneben zu arbeiten. Die Zuverdienstgrenze muss erhöht werden, sodass es ein breites Spektrum gibt, um diesen jungen Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Genau das ist nämlich der Kernpunkt.


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Der neue Sozialminister Herbert Haupt als erfahrener Parlamentarier mit Handschlagqualität, der die entsprechenden fachlichen Qualifikationen aufweist, hat auch gesagt: Der Kernpunkt dieser Geschlechter-Problematik, des Frauen-Themas ist das unterschiedliche Einkommen. Es muss zu einer Angleichung der Einkommen kommen. Es muss die Möglichkeit geben, Karriere mit Partner und Familie oder Karriere ohne Partner zu machen. Das muss das Ziel sein.

Es muss auch eine Lösung im Zusammenhang mit den Saisonbeschäftigten geben, eine Saisonverlängerung, einen längeren Durchrechnungszeitraum bei den Saisonbeschäftigten. Eine vierwöchige Wartezeit auf Arbeitslosenunterstützung ohne Wenn und Aber bei einvernehmlicher Lösung des Dienstverhältnisses und bei befristeten Dienstverträgen kann es nicht geben. Ich glaube, der neue Sozialminister ist ein Garant dafür, dass gewisse Härten abgeschliffen werden und es zu einer einvernehmlichen Lösung kommt. Die Sozialpartnergespräche müssen abgewartet werden, um diese nicht mit einer Festlegung hier zu präjudizieren.

Auch der Konsumentenschutz und die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten sind wichtige Themen für unseren neuen Sozialminister. Die Arbeiter und die Angestellten haben heute dasselbe Sozialversicherungsrecht. Wir haben sie dort rechtlich gleichgestellt, warum sollte man daher nicht auch die Versicherungsanstalten zusammenlegen?

Zum Schluss noch Folgendes: Die SPÖ hat heute drei Entschließungsanträge eingebracht, und zwar betreffend unvertretbare Verschlechterung im Arbeitslosenversicherungsbereich, betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren und betreffend Erhöhung der Treffsicherheit bei den Bundespflegegeldgesetzen. Sehr geehrte Damen und Herren der sozialdemokratischen Fraktion! Wir können diesen Anträgen heute in dieser Sitzung deswegen nicht die Zustimmung geben, weil heute Nachmittag der neue Sozialminister mit den Sozialpartnern gerade über diese Punkte verhandeln wird. Er schließt niemanden aus, das Gespräch mit den Sozialpartnern wird gesucht.

Der neue Sozialminister wird an seinen Taten gemessen werden, wie es der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes auch gesagt hat. Und so soll es auch sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

14.16

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Auch aus einer Debatte wie dieser kann man Erkenntnisse mitnehmen. Die erste Erkenntnis ist, dass Redezeitvereinbarungen, die wir hier beschließen, offensichtlich nur so lange gelten, solange das Fernsehen anwesend ist, danach gelten Redezeitvereinbarungen anscheinend nicht mehr. Es macht auch nichts, wenn man sich an die Redezeiten, die man vorher vereinbart hat, nicht hält. Es ist eben dann so.

Die zweite Erkenntnis, die ich aus dieser Debatte mit nach Hause nehme, ist: Vorverurteilungen und Vorfreisprüche sind nur bestimmten Personen gestattet. Herr Bundeskanzler, Sie haben sich mit Entschiedenheit gegen Vorverurteilungen gewandt. Mir hätte ein Wort von Ihnen an die Adresse des Herrn Justizministers genügt, der sich ja auch eine Vorverurteilung besonderer Art geleistet hat, indem er in Richtung Herrn Haider gemeint hat (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Doktor Haider!): Diese Person ist über jeden Verdacht erhaben! – Ist das keine vorurteilsbehaftete Aussage, oder darf das der Herr Justizminister deswegen sagen, weil er Justizminister ist? Kann es so sein, dass Vorverurteilungen nur dann statthaft sind, wenn sie von Seiten eines Justizministers und Parteianwaltes gemacht werden, oder gilt das auch für andere Personen? (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ihnen ist es nicht eingefallen, diese Aussage des Herrn Justizministers als nicht akzeptabel zu qualifizieren, daher müssen jetzt schon die Richter und Staatsanwälte, die sich Sorgen um ihren Berufsstand machen, ausrücken und dies machen. Als "nicht akzeptabel" hat die Präsidentin der Richtervereinigung, Frau Helige, die Aussage von Justizminister Böhmdorfer, dass Jörg Haider über jeden Verdacht erhaben sei, bezeichnet. Herr Bundeskanzler, wen


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nehmen Sie jetzt in Schutz: die Richter, die Staatsanwälte oder den Justizminister? Auf wessen Seite stehen Sie? – Klar ist, dass Sie sich für eine von diesen beiden Aussagen entscheiden müssen. Darf der Herr Justizminister das machen, was der Bevölkerung verwehrt ist, wodurch sie eventuell sogar mit einer Klage durch die Kanzlei Böhmdorfer/Gheneff bedacht wird, wenn nämlich jemand voreilig verurteilt beziehungsweise beurteilt wird?

Dritter Punkt: Ich habe gehört, ein Untersuchungsausschuss sei deswegen nicht angesagt, weil wir uns ja noch im Stadium von gerichtlichen Ermittlungen befinden, und ein Untersuchungsausschuss wäre ja auch schon so etwas wie eine Vorverurteilung. Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Ich möchte Sie schon daran erinnern – ich kann mich noch ganz gut an meine Rede hier zum Thema "Euroteam" erinnern (Abg. Großruck: Du bist der Einzige!)  –: Wir haben die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen, wobei das Thema "Euroteam" als Schlüssel für die Vorverurteilung eines ganzen Ministeriums genommen wurde, nämlich des Sozialministeriums. An Befunden, dass hier tatsächlich irgendetwas politisch Relevantes geschehen ist, Missbrauch getrieben worden ist, ist kein einziger vorhanden, mit Ausnahme der Causa "Euroteam". (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni. )

Sie haben gesagt: Wir wollen untersuchen, denn vielleicht kommen wir drauf, dass im Sozialministerium doch irgendwo etwas problematisch ist! – Da haben Sie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für richtig, wichtig und unbedingt notwendig gehalten, noch bevor es einen entsprechenden gerichtlichen Befund gibt, noch bevor der Rechnungshof seinen abschließenden Bericht verfasst hat. Aber in dieser Causa müssen wir erst die Sprüche des Gerichts abwarten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das soll gleiches Maß sein? Wissen Sie eigentlich, wie Sie nicht nur mit dem Strafrecht, sondern auch mit den politischen Usancen hier in diesem Haus umgehen? – Sie biegen sie so zurecht, wie Sie sie brauchen, nach Ihrem Belieben, nach dem Belieben der Mehrheit, und das, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist für uns nicht akzeptabel.

Ich komme nun zu Ihnen, Herr Frauenministerin, Herr Herrenminister – oder wie auch immer Sie bezeichnet werden wollen. Ich habe schon in der Debatte über die unterschiedlichen Einkommen von Männern und Frauen, die wir vor wenigen Wochen in diesem Haus geführt haben, mit Erstaunen bemerkt, dass ein Argument der freiheitlichen Kollegen für die Frauenpolitik der Freiheitlichen war, dass sie sich um niedrige Strompreise, um niedrige Energiepreise bemühen. Nachdem jetzt ein Mann zur Frauenministerin bestellt wurde, ist mir klar, was damit gemeint ist: Es geht dabei offensichtlich um die Aussage: Was für das Herrl gut ist, wird auch für das Frauerl gut sein! Irgendetwas von diesem großen Kuchen wird schon auch für das Frauerl abfallen, wenn nur die Herrln auch genügend davon kriegen. – Das kann man dem entnehmen.

Eher beunruhigt, meine Damen und Herren, war ich durch die Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers, der gemeint hat: Wir werden die Sozialpolitik nach wie vor im Zentrum behalten! Noch beunruhigter war ich, als damit fortgesetzt wurde, dass das, was im Bericht betreffend die soziale Treffsicherheit von den Experten gesammelt und als Grundlage für die Regierungsbeschlüsse genommen wurde, erst der Anfang ist und dass das fortgesetzt wird. Gestatten Sie, Herr Sozialminister, mir daher schon die Fragen: Wo wollen Sie fortsetzen im Zusammenhang mit diesem Bericht über die soziale Treffsicherheit? Welche ist die nächste Gruppe, der Sie etwas wegnehmen wollen? Wollen Sie wirklich den Arbeitslosen noch etwas wegnehmen?

Eine Frage habe ich noch an Sie, Herr Familien minister Haupt: Ich habe mit Interesse gehört, dass die Familienpolitik der Freiheitlichen so aussieht – das ist ja eine Politik, die offensichtlich die "kleinen Leute" schützen soll –, dass man sich insbesondere um die Familie des Herrn Jörg Haider kümmern will. Ich habe das deswegen mit Interesse verfolgt, weil es genügend Beispiele aus den letzten Jahren gibt, bei denen jener Jörg Haider, der nicht mehr hier im Parlament sitzt, einzelne Personen samt ihren Familien vorgeführt hat.

Ich lese Ihnen abschließend ein Beispiel dafür vor, wie brutal die Familienpolitik der Freiheitlichen ist und wie wenig sich irgendjemand von den Herrschaften von den Freiheitlichen jemals dafür entschuldigt hat, dass er nicht nur Personen auf das Übelste attackiert und fälschlich


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verleumdet hat, sondern gleich auch noch die Familien mit in den Schmutz gezogen hat. (Beifall bei den Grünen.)

Ich lese Ihnen ein Beispiel vor: Kein Auftritt, in dem Dr. N. nicht vorkommt. Vergangenen Dienstag etwa am Wiener Mexikoplatz klang das im Originalton Haider so:

In Salzburg geht ein Direktor der Gebietskrankenkasse mit 46 Jahren nach sechs Wochen Krankenstand locker in die Frühpension und ist so gesund, dass er jede extreme Sportart machen kann, damit er irgendwann einmal Ermüdungserscheinungen hat, weil vorher hat er beim Arbeiten sowieso keine Anstrengung erbringen müssen. – Zitatende Jörg Haider.

Auch Herr Dr. N. war an diesem Tag in Wien. Er ist inzwischen 50 Jahre und seine Leukämieerkrankung erfordert intensive Therapie. Der Schwerstkranke, der von Jörg Haider unter dem Gejohle seines Publikums dreimal pro Tag als "kerngesunder Extremsportler" bezeichnet wird, leidet inzwischen auch an Diabetes, Herzrhythmusstörungen und schweren Depressionen. Am Beginn seiner Krankheit – und so weiter – versuchte sich Dr. N. physisch einigermaßen fit zu halten, indem er mit seiner Frau, sie ist Ärztin, bisweilen Tennis spielte. Seit Februar 1990 ist Herr Dr. N. endgültig pensioniert. Frau Dr. N. versucht, alle Informationen über die Verspottung bei FP-Wahlveranstaltungen vom Kranken fern zu halten.

Das ist Familienpolitik nach freiheitlicher Art! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

14.25

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Ich möchte eingangs eine Erklärung in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des sogenannten Stapo-Ausschusses abgeben, da wir in der "Stapo-Ausschuss"-Sitzung am 24. Oktober den einstimmigen Beschluss gefasst haben, die Vertraulichkeit bezüglich einer Information aufzuheben.

Kollege Pilz hat in der vorletzten Sitzung des Nationalrates im Plenum im Rahmen einer Dringlichen Anfrage fünf Namen genannt, Namen, die – ich darf das ausdrücklich feststellen – nicht in der "Stapo-Ausschuss"-Sitzung gefallen sind.

Ich stehe nicht an, diese Erklärung hier abzugeben und damit zu berichten, dass der "Stapo-Ausschuss" die Vertraulichkeit für diese Information ausdrücklich aufgehoben hat.

Nun zur Sache, Kolleginnen und Kollegen! Die Weitergabe von personenbezogenen Daten ist ein Thema, das wir seit den vergangenen Wochen im Plenum intensiv diskutieren. Wir diskutieren sie aber nicht auf Grund von Fakten, sondern, wie ich feststellen konnte, auf Grund von Vermutungen, Mutmaßungen, Verdächtigungen, Behauptungen, wie auch immer man das ausdrücken möchte.

Ich habe heute hier im Saal aufmerksam zugehört, vor allem als Kollege Gusenbauer das Wort ergriffen hat. Er hat übrigens kein einziges Wort zur Thematik soziale Fragen gesagt, was dem Chef der Sozialdemokratie jedoch gut angestanden wäre, da es doch um die Ernennung des neuen Sozialministers geht. Er hat ausschließlich über die Weitergabe personenbezogener Daten, über die behauptete Datenmissbrauchsaffäre geredet. Gusenbauer war es, der sich hier gleichsam zum Großmeister der Vorverurteilung aufgespielt hat. (Abg. Haigermoser: Wo ist er? – Abg. Platter: Er ist nicht da!) Gusenbauer als Großmeister der Inquisition. Gusenbauer als Großmeister derjenigen, die Verdächtigungen in den Raum stellen und nie von Fakten sprechen. Er ist außerdem einmal mehr nach seiner Wortspende wieder nicht im Plenarsaal anwesend, aber das sind wir ohnehin gewöhnt. Jetzt könnte ich schon wieder sagen: Wahrscheinlich "champagnerisiert" er schon wieder irgendwo. (Abg. Dietachmayr: Dort hinten sitzt er! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich nehme das zurück, er tut es nicht. Er hört in der letzten Bank zu.


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Wir haben von ihm nichts anderes gehört als Verdächtigungen, Behauptungen, Mutmaßungen, und für mich ist kein einziges neues Faktum auf den Tisch gekommen, weder in der Sache, was das Innenministerium betrifft, noch in der Angelegenheit, was den Justizminister und das Justizministerium betrifft. (Zwischenruf des Abg. Grabner. )

Ich stehe nicht an, in meiner Funktion als Vorsitzender des "Stapo-Ausschusses" zu sagen, dass keine wie immer gearteten Informationen aus diesem Ausschuss an die Öffentlichkeit gelangt sind. Darum ist es folgerichtig auch so, dass Gusenbauer nichts sagen konnte. Er hat aber 15 Minuten lang über nichts, nämlich über heiße Luft geredet. – Das ist Gusenbauer! Das ist Marke Sozialdemokratie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Grabner: Der Staatsanwalt wird erheben!)  – Nein, Sie wollen ablenken vom Elend Ihrer politischen Verantwortung in dieser Sache.

Sie wollen Ablenken vom Elend Ihrer politischen Verantwortung – wenn ich allein jene Jahre hernehme, von 1993 bis 1999, in denen die SPÖ-Innenminister Löschnak, Einem und Schlögl geheißen haben. (Abg. Reheis: Warum wehren Sie sich dann gegen den Untersuchungsausschuss? – Abg. Jäger:  ... Untersuchungsausschuss!) Es ist schon so, wie unser Herr Klubobmann Dr. Khol gesagt hat: Mit seiner Zitierung dessen, was Karl Schlögl gegenüber der APA behauptet hat, hat er den Beweis dafür geführt, dass Schlögl in der Sache nichts getan hat, Einem nichts getan hat, Löschnak nichts getan hat, sondern dass es nicht mehr und nicht weniger darum gegangen ist, dass unter der Sozialdemokratie Dinge eingerissen sind, die eines Rechtsstaates unwürdig sind, werte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Untersuchungsausschuss, klarer Fall!)

Es ist Innenminister Strasser gemeinsam mit Justizminister Böhmdorfer zu verdanken, dass in dieser Angelegenheit Licht ins Dunkel kommt. Dr. Strasser hat beim Auftauchen erster Vermutungen sofort eine Sonderkommission eingesetzt. Er hat diese Sonderkommission, sowohl was das Personelle als auch das Technische und das Finanzielle betrifft, absolut bestens ausgestattet und weisungsfrei gestellt. Justizminister Dr. Böhmdorfer hat in dieser Angelegenheit nicht den Hauch einer Weisung erteilt. Auch der Oberstaatsanwalt hat das heute gegenüber der APA so bestätigt.

Aus diesen beiden Tatsachen, nämlich hier der Innenminister, der seit 4. Februar im Amt ist, hier der Justizminister, der ebenfalls seine Tätigkeit in einer Art und Weise ausübt, wie es rechtsstaatlich konform ist, kann ich nur einen Schluss ziehen: Die SPÖ hat viel zu verbergen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Die SPÖ ist es, die mit ihren Innenministern in der Vergangenheit genau das System verursacht hat, das heute hier anzuprangern ist, und wir werden dafür kämpfen, dass dieses System bekämpft werden wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Strasser hat unter anderem mit der Einberufung eines Expertenteams, einer Expertenkommission bereits gehandelt. Sie wird sich unter anderem mit den Fragen beschäftigen: Wie machen wir das mit den EKIS-Abfragen dingfest? Wie schaut es aus mit dem Zugriff auf Daten und mit der Sicherung von Daten? – Wir werden mit dieser Expertenkommission genau das tun, was die Bürger dieses Landes von uns erwarten, von der Bundesregierung, von den beiden Parlamentsparteien, die die Regierung bilden: Sicherheit für den Einzelnen, Schutz vor Missgriffen. Diese Missgriffe sind zweifelsfrei in der Vergangenheit von Sozialisten verübt worden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Caspar Einem. (Abg. Mag. Trattner: Jetzt kommt so ein Innenminister! – Abg. Haigermoser: Ich glaube, ich muss mir doch das Sika-Buch kaufen!)

14.31

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Ich glaube, bei Ihrer Fraktion braucht man keine Bücher zu kaufen, Sie können ohnehin nicht lesen. – Aber ich komme darauf noch zurück. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)


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Herr Präsident! Herr Justizminister! Herr Sozialminister!
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Herr Frauenministerin! Darf ich vielleicht zunächst kurz auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kiss, der, wenn ich richtig sehe, nach seiner Wortspende auch den Saal verlassen hat (Widerspruch bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit haben Sie!)  – ah, da ist er; Herr Abgeordneter, ich bin glücklich, dass ich Sie noch sehen kann –, eingehen.

Ich finde es bemerkenswert, dass gerade Sie sagen, unter den sozialistischen Innenministern seien Dinge eingerissen, die es jetzt zu beheben gelte. Können Sie, Herr Abgeordneter, sich noch erinnern, was Sie mit dem Kurden-Akt gemacht haben, als Sie ihn bekommen haben? (Abg. Kiss: An die Staatsanwaltschaft weitergeleitet!) Können Sie sich noch erinnern, von wem Sie ihn bekommen haben und warum Sie ihn bekommen haben?

Ich kann mich erinnern, warum Sie ihn bekommen haben: Weil er illegal von einem Beamten des Innenministeriums an Sie herausgespielt worden ist, und Sie haben wochenlang davon politisch Gebrauch gemacht. Aber jetzt stellen Sie sich hier als großer Moralist hin. Schämen Sie sich, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Aber es geht heute um eine andere Frage. Es geht um die Angelobung des neuen Sozialministers Haupt, und dem möchte ich zunächst den Hauptteil meiner Ausführungen widmen.

Die Nennung des Namens von Mag. Haupt hat bei mir nicht nur negative Assoziationen ausgelöst. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was er seither gesagt hat, ist geeignet, ernste Zweifel darüber zu nähren, ob Mag. Haupt der Richtige für dieses Ressort (Abg. Haigermoser: Das werden wir aushalten!), der Richtige für diese Aufgabe, der Richtige für die Menschen und insbesondere für die Frauen in diesem Lande ist.

Herr Minister Haupt! Sie kommen vom europäischen Frauenministerrat zurück, und das Einzige, was Ihnen dazu einfällt, ist, dass Sie sagen, das weibliche Element müsse verstärkt werden, das weibliche Element in der Politik müsse verstärkt werden. Was meinen Sie damit, Herr Minister? – Er hört natürlich nicht zu. Lassen Sie mich anhand der Politik Ihrer Partei sagen, was darunter zu verstehen ist!

Eine Frau in Spitzenfunktionen der Politik können Sie sich, kann sich die FPÖ offenbar nur vorstellen, wenn es darum geht, den Platz für Ihren "Führer" frei zu halten oder warm zu halten. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Methode, die an sich schon während des Ersten Weltkriegs praktiziert worden ist. Das war die erste Chance für Frauen, Führungsverantwortung übernehmen zu können, während ihre Männer, wie es damals hieß, im Felde standen. Heute steht Jörg Haider in Kärnten, und eine Frau darf seine Position in Wien warm halten. Das ist die Sicht Ihrer Partei, wie Frauen Spitzenfunktionen einnehmen können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die FPÖ bringt als Sozialministerin Frau Sickl. Der Bundeskanzler behauptet auch heute noch von der Regierungsbank aus, wie erfolgreich sie gewesen sei. – Und dann lassen Sie sie fallen. Dann demontieren Sie sie, schicken sie heim: Demontage der einzigen Frau in der Bundesregierung mit einer großen Sachaufgabe. – Das ist Ihr Verhältnis zur Frauenpolitik, zu Frauen in Spitzenfunktionen der Politik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere von den Freiheitlichen! In der Steiermark demontieren Sie mitten im Wahlkampf die Landesrätin Bleckmann, die nicht nur schwanger ist, sondern auch gerade Witwe geworden ist – und denken sich überhaupt nichts dabei! Das ist Ihr Umgang mit Frauen in der Politik in Spitzenfunktionen! Und hier treten Sie heraus und wollen Vorbild sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und dann schicken Sie auch noch Frau Zierler in die Steiermark, und in Wirklichkeit verheizen Sie auch sie, da es ja offensichtlich ist, dass sie in der steirischen Freiheitlichen Partei keinen besonderen Rückhalt hat. Das ist Politik für Frauen, wie Sie sie verstehen, und das ist nicht die Politik, wie wir sie verstehen. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Frauenministerin! Sie müssen das mittragen, wofür Ihre Partei steht, und Ihre Aussage, das weibliche Element in der Politik müsse verstärkt werden, klingt in diesem Lichte bedrohlich, bedrohlich für Frauen.

Frauen, Herr Ministerin, sind keine Blumen, die die Politik etwas freundlicher aussehen lassen können. Frauen haben einen eigenständigen Anspruch, und sie haben Anspruch darauf, dass sie von den Männern in dieser Hinsicht ernst genommen werden. Und das ist das Mindeste, was ich von Ihnen verlangen möchte. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber nicht nur in der Frauenpolitik haben Sie seit Ihrer Angelobung schon das eine oder andere gesagt, was einen nachdenklich stimmt. Sie haben auch in der Sozialpolitik schon Äußerungen getätigt. Sie haben angekündigt, die Härten im Sozialpaket wegverhandeln zu wollen. Herr Ministerin! Das ist genau die Art von Schmäh, mit der diese Regierung arbeitet, und Sie haben darin ein großes Vorbild.

Es hat diese Bundesregierung zunächst einmal etwa den Zivildienst deutlich verschlechtert, die Zivildiener "auszugrauseln" begonnen. Dann ist der Herr Innenminister angetreten und hat erklärt, er werde jetzt einen Vorstoß unternehmen, die Zivildienstdauer zu verkürzen. – Natürlich Begeisterung auf Seite der Betroffenen. Dann ist Herr Scheibner angetreten und hat gesagt: Das kommt doch überhaupt nicht in Betracht! Darin hat er immer schon die gleiche Position vertreten. Und am Schluss ist gar nichts passiert, es ist so geblieben. Die Zivildiener werden "ausgegrauselt", und Sie haben uns ein Theater vorgeführt, das erbärmlich ist. Und das gleiche Theater wollen Sie jetzt wieder aufführen.

Herr Minister, bitte ersparen Sie uns diesen Schaukampf! Wenn Sie das Problem lösen wollen, das darin besteht, dass Sie Arbeitnehmern mit befristeten Dienstverhältnissen vier Wochen lang kein Geld zahlen wollen, wenn sie arbeitslos sind, dann lösen Sie es und reden Sie nachher darüber. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Diskussion um die von Ihnen gewünschte Zuverdienstgrenze von karenzierten Eltern ist ein Spiel mit den Hoffnungen der Betroffenen. Was nützt es einer Arbeiterfamilie, wenn die Einkommensgrenze für Zuverdienst besonders hoch ist? – Das ist ein Entgegenkommen, das ausschließlich jenen hilft, die über gute Einkommen verfügen. (Rufe bei der SPÖ: Genau!)

Herr Minister! Kümmern Sie sich darum, dass es einen Rechtsanspruch auf Teilzeitkarenz gibt! Davon haben die Frauen etwas, davon haben die Familien etwas. Das wäre ein Ziel, das Sie sich an die Fahnen heften können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Erklärung auch die FPÖ-Spitzelaktion angesprochen. Er hat unter anderem erklärt, er traue dem unabhängigen Justizminister Böhmdorfer eine unabhängige Untersuchung durch die Justiz zu, und zwar mit der Begründung, dass das selbstverständlich sei. (Abg. Mag. Trattner: Sie reden, als wären Sie seit 30 Jahren in der Opposition, nicht in der Regierung gewesen!)

Herr Abgeordneter! Hören Sie zu, es nützt auch Ihnen! Also: Weil das selbstverständlich sei, traut er es dem Justizminister zu.

Herr Bundeskanzler! Wenn das ohnehin selbstverständlich ist, wozu dann Ihre Erklärung? Bloß um deutlich zu machen, dass Sie den Inhalt des Vorwurfs nicht hören wollen, dass es Sie nicht interessiert, sich mit dem Inhalt auseinander zu setzen? Sie sagen, der Justizminister wird das schon unabhängig machen, denn das sei ohnehin selbstverständlich. Herr Bundeskanzler – auch wenn Sie nicht mehr da sind –, machen Sie die Augen auf! Schauen Sie, was da vor Ihren Augen abläuft!

Ich komme zum Schluss. Herr Klubobmann Westenthaler, der auch nicht da ist, hat sich als "ultimativer Gegenschläger" bemüht. Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie sollten sich wirklich wünschen, dass das der letzte Schlag war, denn es war ein voller Schlag ins Wasser. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Wenn er nicht einmal das Buch lesen kann, auf das er sich beruft, um den "ultimativen Gegenschlag" zu machen, dann rufen Sie mir nicht zu, ich sollte etwas lesen. Sie können jedenfalls nicht lesen, sonst könnten Sie wenigstens den "ultimativen Gegenschlag" so bringen, dass er mit dem Buch in Übereinstimmung ist, auf das Sie sich berufen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie sich hier beklagen, wie schlecht angeblich die Opposition, wie schlecht insbesondere die Sozialdemokraten – Sie sagen natürlich gerne "Sozialisten" – mit Ihnen umgehen, vor allem mit Ihrem Parteiobmann Haider, und wenn Sie sagen, wie grauenhaft hier Vorverurteilung und Menschenhatz betrieben wird: Ich habe schon einmal Gelegenheit gehabt, Sie daran zu erinnern, was hier wirklich in den vergangenen Jahren passiert ist.

Abgeordneter Öllinger hat den Gebietskrankenkassen-Angestellten N. heute schon angesprochen. Das war ein Fall, bei dem Sie monatelang auf dem Buckel eines Schwerkranken Politik gemacht – und sich nie dafür entschuldigt haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Und das Gleiche lässt sich in einer ganzen Reihe von anderen Fällen auch behaupten.

Ich war durchaus einer, der immer wieder aus der ersten Reihe von Herrn Stadler oder auch von Herrn Haider mit Vorwürfen konfrontiert worden ist, die zum Teil zwar auch an Lächerlichkeit nicht zu überbieten waren, aber natürlich dazu angetan waren, mir die Ehre abzuschneiden. Die Behauptung, ich sei in Zwettl wegen eines Drogendelikts im Häfen gesessen: War das vielleicht etwas, was Sie mir sozusagen, um meinen Erfahrungsschatz abzurunden, zutrauen wollten, oder war das ein Vorwurf, der mich verächtlich machen sollte in der Öffentlichkeit? – Es war ein "Schmarr’n", genauso ein "Schmarr’n" wie der Vorwurf von Herrn Westenthaler jetzt. Das Gefängnis, in dem ich angeblich gesessen sein soll, ist zugesperrt worden, und zwar endgültig, bevor ich strafmündig geworden bin. (Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Schlechte Recherche wie bei vielen freiheitlichen Vorwürfen – aber haben Sie sich je dafür entschuldigt? (Abg. Öllinger: Aber nein! Über jeden Verdacht erhaben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will dieses Thema nicht weiter auswalzen; mir fiele noch eine ganze Reihe von Beispielen ein. Aber Sie haben keinen Anlass – Sie auf Seiten der Freiheitlichen, und in manchen Punkten auch Sie auf Seiten der ÖVP –, hier besonders moralinsauer zu sprechen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben sich zu entschuldigen für die Dinge, die Sie uns hier vorgeworfen haben, für Vorwürfe, die ohne Grund und ohne Grundlage erfolgt sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

14.42

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege Minister Mag. Haupt! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist zwar der Tag des Herrn Minister Mag. Haupt – und ich gratuliere dir, dass dir, wenn man genau hinhört, so viele Komplimente von allen Parteien gemacht wurden, die dir deine Kompetenz bestätigen –, aber ich möchte doch auf einige Themen eingehen, die auch mich betreffen und in einer Art und Weise dargestellt werden, dass ich ganz eindeutig meine Empörung darüber zum Ausdruck bringen möchte. Ich meine, dass man sich doch mehr mit Fakten beschäftigen sollte, wenn man Vorwürfe oder Verdächtigungen erhebt, und sich nicht mit bloßen Verdächtigungen begnügen sollte, die überhaupt keinen Hintergrund und keine Substanz haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Datenmissbrauch-Affäre ist sicher ein schwieriges und ein heikles Thema. Sie hat einen verfassungsrechtlichen Aspekt, sie hat einen datenschutzrechtlichen Aspekt, sie hat einen strafrechtlichen Aspekt und sie hat andere Aspekte, auch rechtspolitische Aspekte. Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion und von der grünen Fraktion, haben hier eindeutig die Chance verpasst, in einer niveauvollen, konstruktiven Diskussion eine Bestandsanalyse zu machen und Vorschläge zu unterbreiten. Was Sie gemacht haben, war, Vorwürfe zu erheben, die haltlos sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Begonnen hat es mit dem Vorwurf des Herrn Dr. Gusenbauer, der um 10.36 Uhr – da habe ich noch mitgeschrieben; dann war es einfach zu viel, weil die Vorwürfe zwar immer in der Art gleich geblieben sind, aber sich ansonsten nicht unterschieden haben – sagte, dass ich illegale Akten vorgelegt hätte. – Bitte, Herr Dr. Gusenbauer, nennen Sie einen. Ich verlange keine Entschuldigung, weil ich weiß, Sie können das nicht. Sie sind psychisch, mental nicht in der Lage, sich zu entschuldigen, Sie erheben einfach zu viele falsche Vorwürfe. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Das ist ja ungeheuerlich, diese Schulmeisterei!)

Nennen Sie bitte einen illegalen Akt, den ich vorgelegt habe! (Abg. Reheis: Das ist ungeheuerlich, Herr Minister! Schämen Sie sich!) Es ist ungeheuerlich, hier zu sagen, ich habe illegale Akten vorgelegt! – Ich habe das nicht getan! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben um 10.43 Uhr gesagt: Böhmdorfer steckt offensichtlich selbst tief drin. – Bitte nennen Sie einen Grund dafür! Bitte nennen Sie einen Grund dafür!

Und es ist so weitergegangen mit anderen Ausführungen und ähnlichen Beschuldigungen. Sieben illegale Stapo-Akten hat Herr Dr. Pilz erwähnt – keinen einzigen konnte er nennen. Kein einziger wurde natürlich verwendet.

Sie haben hier eine korrekte Berufsausübung, die durch mich vor fünf Jahren erfolgt ist, kriminalisiert. Ein Anwalt hat die Pflicht, alle Beweismittel, die er bekommt, bei Gericht vorzulegen. Das – und nur das! – habe ich getan. (Abg. Edlinger: Ohne sie zu überprüfen?) Nur dann, wenn ich an der Beschaffung von Beweismitteln, die suspekt sind, beteiligt gewesen wäre, könnten Sie mir einen disziplinarrechtlichen Vorwurf machen. – Aber auch das ist mittlerweile klargestellt durch eine Aussendung der Rechtsanwaltskammer, dass mir dieser Vorwurf nicht gemacht werden kann. (Abg. Dr. Petrovic: Wer hat denn die Akten beschafft?) – Frau Dr. Petrovic, gleich komme ich dazu. – Und Sie wissen mittlerweile, dass der Klient in diesem Verfahren erklärt hat, er hat die Beweismittel von einem Journalisten bekommen. Also auch ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Von welchem?)  – Das fragen Sie ihn selbst. (Abg. Dr. Gusenbauer: A ja! Er gibt aber keine Antwort!) Also war ich auch an der Beschaffung selbstverständlich nicht beteiligt.

Sie müssen auch wissen – und Sie haben Rechtsanwälte und Juristen in Ihren Reihen –, dass diese Fotos, die Sie heute so kriminalisierend vorgelegt haben, immer in Akten aufscheinen, die beigeschafft werden, die kopiert werden können, die öffentlich werden können. Es ist für einen Rechtsanwalt überhaupt nichts Ungewöhnliches, dass Fotos – welcher Art auch immer – vorgelegt werden. Und es war deshalb auch nicht richtig, dass Herr Van der Bellen gemeint hat, ich hätte meine Berufspflichten nicht richtig erfüllt.

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich habe meine Berufspflichten richtig erfüllt. Es ist hier nichts zu beanstanden. Es ist nicht einmal theoretisch möglich, dass ich hier einen strafbaren Tatbestand begangen haben könnte. Es gibt nicht die geringsten Behauptungen in diese Richtung. – Das ist einmal das eine.

Was das Weisungsrecht anlangt: Bitte nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass ich in dieser Causa durch Freistellung der Staatsanwälte vom Weisungsrecht klargemacht habe, dass ich nicht eingreifen werde – es sei denn, es würde dies der Beschleunigung dienen. Das muss, glaube ich, auch in Ihrem Interesse liegen.

Und wenn ich hier eine Aussendung des Herrn Dr. Kostelka lese, so wird darin der gesamte Irrtum – ich sage es einmal positiv – offenbar, dem Sie unterliegen. Sie sagen in einer heutigen Aussendung:

"Das Weisungsrecht des Justizministers würde bedeuten, dass er verfügen könne, strafrechtliche Untersuchungen abzuwenden, Hausdurchsuchungen nicht durchzuführen, keine Kontoeröffnungen vorzunehmen, keine Zeugen zu befragen, so Kostelka. Die Berichtspflicht könnte dazu führen, dass Böhmdorfer von einem Verfahren, in dem er selbst involviert sei, über jeden Schritt informiert ist, und dass er bei einer bevorstehenden Hausdurchsuchung ,entsprechend vorbereitet‘ sei." – Zitatende.


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Es ist unglaublich! Sie wissen, Herr Dr. Kostelka, dass das Weisungsrecht im Sinne des § 26 des Staatsanwaltschaftsgesetzes seit 1986 regelt, dass es schriftlich erteilt werden muss. Sie wissen, dass gesetzwidrige Weisungen – und Sie reden hier nur von gesetzwidrigen Weisungen – nicht vollzogen werden würden und müssten, und Sie wissen, dass eine Gewissensprüfung vorgesehen ist, dass auch der Staatsanwalt, der gegen sein Gewissen verstoßen würde, diese Weisung nicht vollziehen müsste. Das aber verschweigen Sie der Öffentlichkeit. Bitte stellen Sie das umgehend klar! Es ist undenkbar, dass Sie hier irrtümlich gehandelt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte auch zu der Behauptung, dass ich in irgendeiner Weise ein Präjudiz geschaffen habe (Abg. Ing. Westenthaler: Nicht Manns genug, das klarzustellen!), Stellung beziehen. Ich zitiere, weil das gestern im ORF in der Sendung "Betrifft" nicht vollständig geschehen ist, die gesamte Interview-Passage.

Der Journalist fragt mich: Sie haben vor wenigen Tagen gesagt, Jörg Haider hat das gar nicht nötig, sich illegal Daten über politische Konkurrenten zu besorgen. Glauben Sie – glauben Sie; er fragt mich nach meiner Meinung –, glauben Sie, dass Jörg Haider über jeden Verdacht erhaben ist?

Ich antworte: Aus meiner Sicht – also, soweit ich das beobachten konnte, das, was ich glaube – ist er über jeden Verdacht erhaben. Das bedeutet aber nicht, dass ich in irgendeiner Form in die Untersuchungen eingreifen werde oder sie beeinflussen möchte. Tatsache ist, dass ich ihn 15 Jahre als Rechtsanwalt vertreten habe und Zeuge des Umstandes war, dass ihm die Bevölkerung wie keinem anderen abgenommen hat, dass er wirklich bereit ist, in diesem Land die Strukturen aufzubrechen, Verbesserungen einzuführen und vieles andere mehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und dies war für viele der Punkt, ihm unaufgefordert Informationen zur Verfügung zu stellen. Ich jedenfalls habe nicht den geringsten Hinweis gehabt, dass er es notwendig gehabt hätte, sich durch irgendwelche aktiven Bemerkungen oder Handlungen Daten zu besorgen. (Abg. Öllinger: Woher wissen Sie das?)  – Das ist der volle Text.

Jetzt sagen Sie mir den Unterschied, wenn der Staatsanwalt weisungsfrei ist, wenn ich etwas anderes gesagt hätte! Sie können von mir nicht verlangen, dass ich jede Zivilcourage über Bord werfe. Ich weiß, dass jedermann hier weiß, dass ich mit Haider befreundet bin. Und ich habe trotzdem erklärt, ich bin erstens mit ihm befreundet, und zweitens soll man gegen ihn ermitteln, wie man will. Da macht es überhaupt keinen Unterschied mehr, ob ich mit ihm befreundet bin oder nicht. Aber ich habe diese Freundschaft nicht einfach über Bord geworfen, nur weil es Vorerhebungen gegen ihn gibt. Das können Sie mir, glaube ich, nicht wirklich vorwerfen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsordnung!)

14.51


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43. Sitzung / Seite 78

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Frau Abgeordnete Dr. Petrovic hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.51

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich rege an, die für 15.30 Uhr ins Auge gefasste Kurzpräsidiale gleich jetzt abzuhalten, denn ich finde es ehrlich gesagt in höchstem Maße empörend, wenn der amtierende Justizminister dem Klubvorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion vorwirft (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), er sei psychisch und mental – auch wenn Sie das sehr lustig finden – nicht in der Lage, bestimmte Handlungen zu setzen, nachdem uns gerade eben aus Kärnten die Ferndiagnose von den "kranken Gehirnen" einiger Journalisten und Journalistinnen erreicht hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Pflichtverteidigerin! Petrovic auf dem Sprung zur SPÖ!)

Bevor diese Praxis, Oppositionsabgeordneten oder JournalistInnen die geistige Gesundheit abzusprechen, jetzt Schule macht, ersuche ich, dass wir das schnell in aller Form besprechen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsordnung!)

14.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Westenthaler. – Bitte.

14.52

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich sehe überhaupt keine Veranlassung, von dem Plan abzurücken, dem auch von den anderen Klubchefs zugestimmt worden ist, nämlich um 15.30 Uhr eine kurze Präsidialsitzung wegen anderer Dinge durchzuführen, schon gar nicht deswegen, weil eine Vertreterin eines Klubs hier auf Hausordnungen und auf Zitate verweist, noch dazu, wenn sie in ihren eigenen Reihen jemanden hat, der dieses Haus vor wenigen Tagen mit dem Miloševic-Regime verglichen hat. (Rufe bei den Grünen: Nicht dieses Haus!)

Daher ist das für mich völlig egal, denn solange Sie das nicht richtig gestellt haben, dass Sie dieses Haus mit Miloševic-Methoden verglichen haben (Abg. Mag. Stoisits: Nein, das ist falsch!), steht es Ihnen überhaupt nicht zu, hier noch weitere Urgenzen durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das ist die Unwahrheit! Eine Unwahrheit nach der anderen!)

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Kostelka. – Bitte.

14.53

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es gibt den Übungen dieses Hauses entsprechend das Verbot der Polemik von der Regierungsbank. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Seit wann gibt es das?) Aber abgesehen davon unterliegt auch ein Minister der Geschäftsordnung und der Möglichkeit eines Ordnungsrufes. Ich verlange in aller formellen Offenheit einen Ordnungsruf für Herrn Dr. Böhmdorfer, der sich in beleidigender Weise dem Klubvorsitzenden der SPÖ gegenüber geäußert hat. Das ist ungeheuerlich. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja unglaublich! Nur weil Sie dauernd die Unwahrheit sagen!)

Ich ersuche darüber hinaus auch, unverzüglich die Präsidiale abzuhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt eine ganze Reihe von Anregungen bekommen. Ich kann nur sagen, in Bezug auf die heutige Sitzung gibt es für mich auch noch einige andere Themen, die durchaus wert sind, in der nächsten Präsidiale, allerdings in der ordentlichen – damit wäre eine Kurzpräsidiale heute sicherlich überfordert –, behandelt zu werden, etwa die Frage des Befolgens von Anordnungen durch den Präsidenten während der Vorsitzführung des Zweiten Präsidenten heute, die Frage des Dauerzwischenrufens, die Frage der richtigen Anwendung des Prinzips "zur Sache" und durchaus auch die Frage der Polemik von der Regierungsbank aus. Ich werde gerne diese vier Themen bei der nächsten Präsidialsitzung als Themenstellung mit einbringen. (Abg. Ing. Westenthaler: Und die Unwahrheiten des sozialistischen Klubobmannes! – Abg. Dr. Kostelka: Herr Präsident! Ich habe einen Antrag zur Geschäftsordnung gestellt! Darüber können Sie nicht hinweggehen! – Abg. Dr. Krüger: Dieser Antrag ist erledigt!)

Ich habe diesen Antrag nicht als Antrag verstanden. Wenn Sie ihn bitte noch einmal formulieren würden, Herr Klubobmann. (Ruf bei den Freiheitlichen: Am besten schriftlich!)

14.55

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr verehrter Herr Präsident! Anscheinend sind manche der freiheitlichen Abgeordneten der Geschäftsordnung nicht so mächtig, um zu wissen, dass Geschäftsordnungsanträge nicht schriftlich überreicht werden müssen. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber Sie müssen formulieren können!) Aber ich wiederhole gerne, was ich gesagt habe.


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Herr Präsident! Der Herr Bundesminister für Justiz hat es am Beginn seiner Ausführungen für notwendig befunden, Dr. Gusenbauer nachhaltig zu beleidigen. Es ist unerträglich, darüber hinwegzugehen, und ich ersuche, das mit einem Ordnungsruf, und zwar unverzüglich, zu ahnden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist kein Geschäftsordnungsantrag! Keine Ahnung, der Kostelka! Das ist die Wahrheit!)

14.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Jetzt ist mir klar, worauf Sie hinauswollten. (Abg. Ing. Westenthaler: Kostelka ist als Klubobmann abgesetzt und kennt sich noch immer nicht aus!) Herr Klubobmann Kostelka! Sie wissen, dass es in den letzten Sitzungen Praxis war, auch bei Angelegenheiten und Äußerungen, die in früheren Tagungen durchaus als ordnungsrufwürdig angesehen worden sind, Ordnungsrufe nicht zu erteilen, und dass wir übereingekommen sind, in der Präsidiale Vorgangsweisen zu besprechen und darauf hinzuwirken, dass derartige Äußerungen nicht passieren. In diesem Sinne fasse ich als Präsident Ihre Anregung beziehungsweise Ihre Aufforderung auf und werde dieses Thema bei der nächsten Präsidiale mit einbringen. (Abg. Dr. Kostelka: Ich bitte um eine Entscheidung, Herr Präsident!)

Ich habe es gesagt: Ich handhabe die Vergabe von Ordnungsrufen nach der Praxis der letzten Sitzungen anders, als wir das in früheren Tagungen vorgenommen haben. Wenn wir zu einem System zurückkehren wollen, in dem ständig Ordnungsrufe erteilt werden, dann, glaube ich, ist das wert, in der nächsten Präsidiale besprochen zu werden, und daher werde ich dieses Thema in derselben einbringen.

Das ist alles, was dazu zu sagen ist. (Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Khol gemeldet, und dann Herr Abgeordneter Kostelka. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt wissen wir, warum ihr den Kostelka abgesetzt habt! Keine Ahnung!)

14.57

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich verweise auf § 103 GOG und die dazu figurierenden Anmerkungen. Verlangen auf Erteilung eines Rufs zur Sache beziehungsweise zur Ordnung sind demnach keine Geschäftsbehandlungsanträge im Sinne des § 59, und die Entscheidung über ein solches Verlangen obliegt ausschließlich dem Präsidenten. Ein Beschluss des Nationalrates darüber ist unzulässig. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Kostelka. – Bitte.

14.57

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass mir gemäß § 103 Abs. 1 der Geschäftsordnung sehr wohl zusteht, einen solchen Ordnungsruf zu verlangen. (Rufe bei der ÖVP: Nein, nein!) Ich habe das auch tatsächlich getan. Und die Frage, die ich Ihnen stellen muss, Herr Präsident, ist Folgende: Wollen Sie tatsächlich nach Beratungen in der Präsidiale die Entscheidung über einen Ordnungsruf so lange hinauszögern, bis er nach der Geschäftsordnung nicht mehr erteilt werden kann? Ist das Ihre Absicht? (Abg. Ing. Westenthaler: Das kann er immer! Jetzt ist er wieder der begossene Pudel!)

14.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Kostelka! Ich gehe davon aus, dass Sie die Geschäftsordnung gut beherrschen, dass daher auch die Rechtslage für Sie nichts Neues ist und dass Sie auch keiner Extraaufklärung durch Herrn Abgeordneten Khol bedurft haben. Daher habe ich auch Ihre Antragstellung oder Ihr Ersuchen (Abg. Dr. Kostelka: Verlangen!) als das aufgefasst, was es ist, als Ihr Recht, eine derartige Anregung vorzunehmen. Ihnen ist genauso bekannt, dass es das Recht oder die Pflicht des Präsidenten ist, für die Ordnung in der Sitzung zu sorgen, und dass wir im Einvernehmen der Präsidenten, insbesondere zwischen dem Präsi


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43. Sitzung / Seite 80

denten Fischer und mir, zurzeit so vorgehen, dass auch dann, wenn ein Fall vorliegt, in dem früher Ordnungsrufe erteilt worden sind, kein Ordnungsruf ausgesprochen wird, sondern dass wir versuchen, eine Übung herauszubilden, die darauf hinausläuft, nicht mit Rügen, Strafen und Ordnungsrufen zu agieren. Und das werde ich auch weiter so handhaben.

Das heißt, ich werde das Thema zur Sprache bringen. Mehr ist im gegenständlichen Fall von meiner Warte aus nicht zu sagen. (Abg. Dr. Kostelka: Das heißt zu einem Zeitpunkt, wo ein Ordnungsruf nicht mehr möglich ist!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich bin dafür, dass Kostelka die Geschäftsordnung dreimal abschreibt! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Er muss sie dann auch aufsagen! – Abg. Dr. Kostelka: Sie können Sie nicht einmal lesen!)

15.00

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kostelka, es war ein sehr bezeichnender peinlicher Auftritt, den Sie hier gerade gegeben haben. Zuerst muss Ihnen Frau Kollegin Petrovic sagen, wann Sie sich als Klubobmann aufzuregen haben. (Abg. Dr. Kostelka: Keine Ahnung! – Abg. Dr. Gusenbauer: Wissen Sie denn überhaupt, was Sie da reden?) In weiterer Folge passiert Ihnen dann als Klubobmann ein peinlicher Fauxpas in Anwendung der Geschäftsordnung. Darüber klärt Sie Gott sei Dank Herr Klubobmann Khol auf. Er wird Ihnen selbstverständlich die Geschäftsordnung auch zum Studium zur Verfügung stellen, damit Sie das nachlesen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Kostelka –: Begossener Pudel!)

Meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion! Im Übrigen ist es wohl das gute Recht des Herrn Ministers Böhmdorfer, der tage- und wochenlang von Ihnen beschimpft und durch den Schmutz gezogen wird, dem hier die Ehre abzuschneiden versucht wird, dass er eine Entschuldigung für unrichtige Behauptungen und Tatsachen verlangt. Und wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, dann können Sie nicht uns einen Vorwurf machen, sondern dann sollten Sie über Ihr Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nachdenken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Ich habe keine Wertschätzung für diesen Justizminister! Und das werde ich doch noch sagen dürfen!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun aber wieder zurück zum eigentlichen Thema der heutigen Debatte kommen. Ich möchte mich als Jugendsprecher zunächst bei Ministerin Dr. Elisabeth Sickl bedanken. Sie hat sehr viele wichtige Reformen ermöglicht, umgesetzt, Reformen vor allem für die Jugend, Reformen vor allem für die Zukunft unseres Landes. Wir werden erstmals eine gesetzliche Jugendvertretung haben, eine gesetzliche Jugendvertretung als Interessenvertretung der Jugend (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), die gleichberechtigt neben den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, der Pensionisten und anderer steht und der Jugend wirklich als Sprachrohr dienen kann.

Sie hat eine Pensionsreform umgesetzt, die längst notwendige Maßnahmen vorsieht, die die Versäumnisse der SPÖ-Minister der letzten Jahrzehnte bereinigt und sicherstellt, dass auch in Zukunft die Pensionen gesichert sind und dass auch in Zukunft für die jungen Menschen eine Aussicht auf eine Altersvorsorge besteht. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Warum ist sie abgesetzt worden?)

Meine Damen und Herren! Diese gute Politik wird Herbert Haupt nun weiterführen. Er ist kompetent, er ist umsichtig, er ist ein Mann mit echtem sozialem Gewissen. Es hat mich gefreut, dass er hier heute zu einem Grundkonsens über die Sozialpolitik aufgerufen hat, denn ich glaube in der Tat, dass Sozialpolitik ein Bereich der Politik sein sollte, den man über Parteigrenzen hinweg führen soll. Er wird das machen, und er wird dafür gerade stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Warum wurde sie ausgetauscht?)

Es ist aber auch bezeichnend, wenn man sich ansieht, welche Vorwürfe Sie hier in dieser Debatte vorbringen. Die einzige Kritik, die Sie in dieser Sozialdebatte anbringen können, ist, dass


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nun ein Mann Frauenminister sein soll, und Ihr einziges "Argument" ist offenbar das Schlagwort "Herr Frauenministerin" . Ja, bitte, Ihre Titulierungen sind doch geradezu skurril! Wenn das Ihr einziges Argument ist, dann werden die Leute sehen, dass Sie in Wahrheit an einer Sachpolitik gar nicht interessiert sind. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Wenn man sich die Situation der Frauen heute anschaut, dann stellt man fest, dass tatsächlich ein Verbesserungsbedarf besteht, und zwar deshalb, weil die Frauenministerinnen der Sozialistischen Partei über Jahre hinweg nicht in der Lage waren, notwendige Reformen in diesem Bereich umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist auch symptomatisch, wer von Ihrer Seite sich hierher zum Rednerpult stellt und diese frauenpolitisch relevanten Punkte argumentiert. Es ist nicht Ihre ehemalige Frauenministerin Prammer, die hier in erster Linie das Wort führt: Es ist der Herr Gusenbauer, es ist der Herr Edlinger, und erst am Schluss darf die Frau Prammer dann noch ein paar Stellungnahmen abgeben.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben kein Interesse an einer sachlichen Politik! Das haben wir wieder einmal zur Kenntnis genommen.

Herr Minister Haupt wird ein guter Minister sein. Er wird ein Generationenminister sein, und zwar für alle Menschen: vom Säugling bis zum Greis, egal, ob Mann oder Frau. Er wird seine Sache gut machen. Ich wünsche ihm viel Glück! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Aber wer ist jetzt besser: Sickl oder Haupt? – Abg. Mag. Schweitzer: Beide hervorragend!)

15.05

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute sollte eigentlich der neue Herr Sozialminister vorgestellt werden. So war es jedenfalls ausgemacht. Es ist mir nicht möglich, meinen Beitrag hier zu leisten, wenn der Herr Minister nicht einmal im Raum ist. Und ich denke, wenn er ab heute schon neuer Sozialminister ist, dann hätte er sich zumindest ... (Abg. Achatz: Er war jetzt die ganze Zeit da!) – Ob er die ganze Zeit da war oder nicht, ist nicht die Frage. Auch ich bin die ganze Zeit hier gewesen und bin nicht Sozialministerin. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es dem Herrn Sozialminister wichtig ist, zu wissen, was andere über ihn denken und was sie von ihm erwarten, dann ist es das mindeste Gebot, dass er hier an dieser Sitzung teilnimmt.

Herr Vorsitzender! Ich stelle den Antrag, dass der Herr Minister wieder in den Saal kommt. (Abg. Ing. Westenthaler: Die halbe grüne Fraktion ist nicht da! – Abg. Schieder: Die ist aber nicht in der Regierung!) Wir Grünen wissen, was wir von unserem Herrn Sozialminister erwarten – und er soll es auch wissen! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ, den Freiheitlichen, der ÖVP und den Grünen.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Der Herr Bundesminister hat nur ganz kurzfristig den Saal verlassen und sitzt bereits wieder auf der Regierungsbank. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie im Kindergarten sind Sie! Es ist wirklich unglaublich!)

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Herr Westenthaler! Über den "Kindergarten" diskutiere ich mit Ihnen nicht. Das mache ich ganz einfach nicht, und ich habe meinen guten Grund dafür. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ihre Reihen!) Seien Sie froh, dass ich es nicht tue, denn diese Blamage möchte ich Ihnen hier ersparen!

Ich komme jetzt zum Wesentlichen. Ich habe gedacht, dass Beleidigungen wie "psychisch", "mental" nicht in der Lage zu sein, entsprechende Handlungen zu setzen, in diesem Haus der Vergangenheit angehören. Aber es zeigt sich immer wieder mehr und mehr, dass uns die Ver


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gangenheit einholt – und dafür sind Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, wesentlich verantwortlich. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Achatz. )

Ich möchte aber jetzt zu unserem Herrn Frauenministerin kommen. Es ist schon bezeichnend: Wenn man sich die Redebeiträge von den Vertretern der Regierungsparteien anhört, dann merkt man, es gibt für Sie eigentlich drei Gruppen von Menschen: die Männer, die Frauen und die Geschlechtslosen. Sie sprechen zum Beispiel nur von Behinderten und nur von Arbeitslosen. Aber dass dahinter Lebenssituationen von Männern und Frauen stehen, das ist für Sie kein Thema mehr. Und das ist schon sehr bezeichnend.

Herr Frauenministerin , wenn Sie im Fernsehen sagen, Sie haben die Kompetenz, die Frauen zu vertreten, und das damit begründen, dass Sie Ihre Wiener Wohnung selber putzen, dann frage ich mich, Herr Minister: Welches Rollenbild von Frauen haben Sie, wenn das Ihre Qualifikation für dieses Amt sein soll?!

Das zeigt auch wieder sehr deutlich, welchen Stellenwert Frauen in dieser Gesellschaft haben. Und das zeigt wiederum sehr deutlich, dass Sie das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und damit auch das Selbstvertretungsrecht von Frauen hier in diesem Haus absolut nicht haben wollen und dass Sie jetzt mit Ihrer Berufung als Herr Frauenministerin wieder abgestellt haben, dass Frauen ihre Rechte selber vertreten und sich nicht durch Männer vertreten lassen.

Ich habe gehofft, das ist Geschichte. Ich habe gedacht, Herr Minister, dass wir darüber in diesem Parlament nicht mehr diskutieren müssen und das bereits überwunden hätten, aber es ist doch etwas anders.

Herr Minister! Ich möchte nunmehr zu einem Bereich kommen, den Sie in Zukunft vertreten werden, nämlich: die Politik für behinderte Menschen in Österreich. Herr Minister, ich bin überrascht, dass Sie sich seit Amtsantritt zu dieser Gruppe von Menschen noch nie artikuliert haben, außer wenn es um die so genannte Behinderten-Milliarde geht. (Abg. Dr. Khol: Heute, Frau Haidlmayr! Heute!)

Ich habe es befürchtet, und Herr Feurstein hat es in der Presse bestätigt – zum ersten Mal haben wir das schwarz auf weiß –, dass Sie mit diesen Geldern genau das machen wollen, was wir behinderte Menschen in Österreich befürchtet haben. Das bewahrheitet sich jetzt, weil Sie dieses Geld in geschützte Werkstätten stecken wollen, obwohl Sie ganz genau wissen, dass die Menschen in diesen Arbeitsverhältnissen weder pensionsversichert noch krankenversichert noch arbeitslosenversichert sind, das heißt, keinen Anspruch auf sozialversicherungsrechtliche Absicherung haben und um ein paar tausend Schilling oder manche sogar nur um ein paar hundert Schilling im Monat arbeiten müssen. (Abg. Dr. Feurstein: Geschützte Arbeitsplätze, Frau Haidlmayr! – Abg. Dr. Puttinger: Geschützte Arbeitsplätze, nicht geschützte Werkstätten! Das ist ein Unterschied!)

Herr Minister! Sie haben sich aber auch immer wieder – und das muss ich Ihnen zugute halten – dafür eingesetzt, dass es eine große Änderung im Bereich Pflegegeld geben muss. Sie, Herr Minister, haben einen Antrag eingebracht – ich habe ihn mitgebracht –, aus dem hervorgeht, dass es immer Ihre Forderung, die Forderung der Freiheitlichen und der Grünen war, dass das Pflegegeld valorisiert werden muss, dass es Pflegegeld ab Feststellung der Behinderung geben muss und dass dieser Taschengeldraub – so wurde er eben auch von Ihrer Fraktion mit Recht benannt – für die Betroffenen wieder rückgängig gemacht werden muss. Das sind Ihre Forderungen, die Sie immer wieder vertreten haben, was Sie auch nachlesen können.

Herr Minister! Ich werde heute einen


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Entschließungsantrag einbringen, und Sie und Ihre Regierungsfraktion können beweisen, ob Sie noch hinter diesen Forderungen stehen oder ob Sie sich von den Forderungen behinderter Menschen jetzt, da Sie Minister sind, verabschiedet haben.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend Erhöhung der Treffsicherheit des Bundespflegegeldgesetzes

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis 31.12.2000 die Regierungsvorlage eines Bundespflegegeldgesetzes folgenden Inhalts vorzulegen:

1. Das Bundespflegegeldgesetz gebührt bei Vorliegen der Voraussetzungen bereits vor dem 3. Lebensjahr.

2. Das Bundespflegegeld wird mit Wirkung 1. Jänner 2001 und in der Folge jährlich valorisiert.

3. Das Taschengeld bei Spital- oder Heimaufenthalt wird wieder auf die ursprüngliche Höhe von 20 vH des Pflegegeldes der Stufe 3 erhöht."

*****

Das, Herr Minister, ist Ihr eigener Antrag, den ich heute einbringe, weil ich ihn auch damals unterstützt habe. Ich ersuche Sie, dass Sie mit Ihrer Partei, mit Ihrer Bundesregierung die Interessen der behinderten Menschen wahren und diese Forderungen weiterhin vertreten. Sie können heute bei dieser Abstimmung unter Beweis stellen, ob Sie noch dazu stehen oder ob Sie sich von der Politik für behinderte Menschen inzwischen auch verabschiedet haben. (Beifall bei den Grünen.)

15.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der von Frau Abgeordneter Haidlmayr vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in einem sachlichen Zusammenhang und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

15.14

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich erwarte mir vom heute dem Nationalrat vorgestellten Sozialminister Herbert Haupt eine Fortsetzung jener Sozialpolitik, die wir im Regierungsübereinkommen, im Koalitionsübereinkommen vom Jänner dieses Jahres formuliert haben (Zwischenruf der Abg. Silhavy ): eine Sozialpolitik, die bedarfsorientiert ist, effizienzorientiert ist und Menschen aus der Abhängigkeit herausführen will, wo immer das möglich ist, und deren eigene Leistungsfähigkeit unterstützen will.

In diesem Sinne waren die ersten Umsetzungen der Pensionsreform sicherlich ein richtiger Schritt, nicht durch stärkere Belastungen der Arbeitenden, sondern durch mehr Arbeit Pensionsleistungen zu sichern. Ich stehe auch nicht an, in diesem Zusammenhang der abgetretenen Sozialministerin, Elisabeth Sickl, meinen Dank auszusprechen, die ja keine leichte Aufgabe übernommen hat und vor allem keine leichte Übernahme hatte. Die Übergabe eines Ministeriums in Form einer Dringlichen Anfrage, die eingebracht wird, bevor jemand als Minister vorgestellt worden ist, ist ja wirklich ein einmaliger Vorgang in der Geschichte dieser Republik gewesen.

Ich erwarte mir von Sozialminister Herbert Haupt auch eine konsequente Fortsetzung der Familienpolitik, und ich habe das Gefühl, dass er jenen Zusammenhang, den Rürup einmal erwähnte – dass nämlich die Pensionen, die Sicherung der Generationen auch durch die Naturalleistungen der Familien erbracht werden –, voll in seinem Blickfeld hat. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass das von uns allen gegebene Versprechen, mit 1. Jänner 2002 die neue Form des Karenzgeldes für alle, das Kinderbetreuungsgeld, einzuführen, auch umgesetzt wird. Ich glaube, neben dem finanziellen Aspekt und neben dem Aspekt, dass es eben für alle zur Verfügung steht, ist es auch eine wichtige Sache und Angelegenheit, in Zukunft die Erziehung und Betreu


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ung von Kleinstkindern nicht als Sonderform der Arbeitslosigkeit zu betrachten, sondern als eine eigenständige Tätigkeit, für die es eine eigenständige Institution gibt, nämlich die des Kindergeldes mit entsprechenden Zuverdienstgrenzen, für jene, die arbeiten, um reif für den Job zu bleiben. Unsere Unterstützung wird der Sozialminister Herbert Haupt und der Familienminister Herbert Haupt dabei haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Als Mitglied des Justizausschusses möchte ich aber auch noch die Gelegenheit ergreifen, ein, zwei Sätze über Justizminister Böhmdorfer zu sagen. Nach meiner Auffassung von Rechtsstaatlichkeit bleibt es mir unverständlich, dass man einem Rechtsanwalt, der seine anwaltliche Vertretung ernst nimmt, dieses dann zum Vorwurf macht und ihn deswegen nicht zum Justizminister qualifizieren will. Ein guter Anwalt zu sein kann in einem zivilisierten Rechtsstaat doch kein Ausschließungsgrund dafür sein, Justizminister zu werden! Nach meiner Auffassung von Rechtsstaat ist das sogar eine hervorragende Voraussetzung dafür. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch einen Satz dazu, meine Damen und Herren, was in der letzten Woche von Seiten der Richterschaft in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Ich für meine Person nehme die Gewaltentrennung so ernst, dass es mir nie einfallen würde – und auch von einem Minister würde ich das nicht erwarten –, als Gesetzgeber Überlegungen zu treffen, wer etwa Vorsitzender der Richterschaft sein soll. (Abg. Silhavy: Ihre Einfälle kennen wir!) Aber Gewaltenteilung und Respekt vor dieser ist keine Einbahnstraße. Ich glaube, dass es Aufgabe dieses Hauses und nur dieses Hauses ist, zu entscheiden, wer sein Vertrauen genießt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

15.20

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Damen und Herren! Der Herr Justizminister – ich sehe ihn zwar nicht mehr, aber er wird schon irgendwo eine Möglichkeit haben, zuzuhören (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger ); selbstverständlich, eine Möglichkeit ist es, per Lautsprecher zuzuhören –, der Justizminister hat gemeint, dass er das Recht hat, von der Regierungsbank aus in polemischer Art und Weise, wie es auch die Frau Vizekanzlerin in einer längeren Parteitagsrede heute getan hat, seiner Empörung Ausdruck zu verleihen. (Abg. Mag. Schweitzer: Zu Recht!)

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen mitteilen, auch wir haben das Recht, unserer Empörung Ausdruck zu verleihen, wenn wir ständig hören, fundiert hören, dass gegen 21 Freiheitliche bereits eine Voruntersuchung (Abg. Ing. Westenthaler: Eine Vorerhebung  – das ist ein Unterschied!), eine Vorerhebung eingeleitet worden ist. Wir haben es also schlichtweg mit einem Justizminister zu tun, gegen den jede Minute Vorerhebungen durch den Staatsanwalt, durch den Untersuchungsrichter eingeleitet werden können. Dem gegenüber steht das Weisungsrecht des Justizministers an die Staatsanwälte, Erhebungen zurückzulegen.

Wir haben es also mit einem Justizminister zu tun, der in aller Öffentlichkeit, um seine Meinung befragt, um die Meinung als Justizminister – das lässt sich nicht trennen: Privatperson und Justizminister –, seine Hand für Jörg Haider ins Feuer legt. Und dies obwohl uns allen, auch dem Herrn Justizminister, die Aussage Jörg Haiders bekannt ist, die auch gestern in der Sendung "Betrifft" wiederholt worden ist, nämlich dass er, Haider, imstande sei, sich jeden Akt über jeden zu besorgen.

Der Herr Justizminister als Rechtsanwalt sah keine Veranlassung, die ihm vorgelegten Beweise zu überprüfen. Er hatte es doch mit einer sehr ehrenwerten Klientel zu tun, die natürlich nur ordentlich und lauter beschaffte Unterlagen und Beweise vorlegt. Und in ebenso guter, ehrenwerter Gesellschaft befindet sich der Herr Justizminister, wenn er nichts anderes zu tun hat, als von der Regierungsbank aus unseren Klubobmann zu beleidigen und ihm zu sagen, dass er "psychisch und mental nicht in der Lage ist", eine bestimmte Handlung zu setzen. Angesichts dieser Aussage muss ich ihn auffordern, dass er selbst diese Handlung setzt.


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Dass das ein spezielles Anliegen der Freiheitlichen Partei ist, die psychische und geistige Lage anderer zu beurteilen, zeigt sich auch heute wieder in der Aussendung von Jörg Haider, der sagt, die Spitzelaffäre sei in den "kranken Gehirnen einiger Journalisten" entstanden. – So viel zur ehrenwerten Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das, was hier unter der Vorsitzführung des Zweiten und Dritten Präsidenten geschieht, wird nicht zur Beruhigung hier im Hohen Hause beitragen. Herr Präsident! Wenn ein Antrag auf Erteilung eines Ordnungsrufes nach § 103 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellt wird, dann ist dieser "am Schluss derselben Sitzung oder am Beginn der nächsten Sitzung nachträglich" auszusprechen. (Abg. Schwarzenberger: Er muss es nicht tun!) Das steht in § 103 Abs. 2 GOG! Unterstellen Sie mir, dass ich nicht lesen kann? Ich lese es Ihnen noch einmal vor, vielleicht brauchen Sie länger, um einen Paragraphen, einen Absatz zu verstehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Aber die Entscheidung bleibt dem Präsidenten vorbehalten!)

Am 16. November wird eine ordentliche Präsidiale stattfinden, und am 16. November will unser den Vorsitz führender Verhandlungsleiter das Problem "Ordnungsruf" besprechen. Dann will er wahrscheinlich am 22. November – eventuell oder auch nicht, aber vielleicht doch – Herrn Minister Böhmdorfer einen Ordnungsruf erteilen. Aber es wird sich erübrigen, Herr Vorsitzführender, am 22. November einen Ordnungsruf zu erteilen, denn bis dahin werden sich die Sachen erledigt haben!

Eine inhaltliche Anmerkung noch: Herr Minister Haupt! Sie haben in Ihren Ausführungen als erstes die Familienpolitik angesprochen. Ich habe mich schon seit einiger Zeit gefragt, ob es überhaupt noch einen Familienminister gibt. Die Familienpolitik war der Sozialpolitik untergeordnet, war ein Teilbereich der Sozialpolitik, gut; davor haben allerdings gerade Ihre Partei, die FPÖ, und auch die ÖVP immer am lautesten gewarnt. 32 Redner hat es gebraucht, bis Herr Tancsits etwas zur Familienpolitik gesagt hat. Ihre Anmerkungen zur Familienpolitik beschränkten sich auf zwei Punkte: Sie haben gesagt, das Kinderbetreuungsgeld für alle werde kommen. (Abg. Mag. Kukacka: Und was haben Sie Konstruktives gesagt?) Und Sie haben Ihre Sorge um Haider und seine Familie geäußert. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.  – Gegenrufe bei der ÖVP.) – Das waren Ihre Beiträge zur Familienpolitik!

Sie haben gesagt, wir sollten bedenken, auch Politiker hätten Familie. Ich frage Sie: Hat Herr Haider jemals bedacht, dass Privatpersonen, die er mit Schmutz bewirft, die er diffamiert, die er verspottet, gegen die er eine Menschenhatz veranstaltet, Familien haben? Denken wir an die Doralt-Lüge! Haider behauptete: Ein Mann – Herr Doralt – im Dunstkreis von Skandalbrüdern und Kriminellen.

Das ist über Jahre hindurch so gegangen. Haider behauptete etwa, dass ein Schuldirektor wegen Trunkenheit im Unterricht seinen Posten verloren hat. – Das ist alles widerlegt worden. Haider behauptete, dass die Arbeit des Künstlers Heller einzig und allein auf seinen Vaterhass aufbaue, weil dieser der Nazikollaboration beschuldigt war. – Alles widerlegt! Er hat auch behauptet, ein 46-jähriger Direktor der Gebietskrankenkasse gehe locker in die Frühpension. Der Betreffende war eindeutig an Leukämie erkrankt.

Hat sich dafür jemals jemand entschuldigt? Hat bei solchen Aussagen über Privatpersonen, die ich fortsetzen könnte, jemals jemand an deren Familien gedacht? – Nein! Sie haben nie an die Familien gedacht! Aber von uns fordern Sie ein, wir sollten Ihre Sorge um die Familie des Herrn Haider teilen.

Herr Sozialminister! Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie soziale Kompetenz haben; Sie sind ja lange genug Sozialsprecher der FPÖ. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Ich weiß nicht, ob Sie Frauenkompetenz haben, ich weiß nicht, ob Sie Gesundheitskompetenz haben, und ich weiß nicht, ob Sie Familienkompetenz haben, denn das, was Sie zum Thema "Familie" gesagt haben, ist zu wenig, um von Familienkompetenz sprechen zu können.

Die "Kleine Zeitung" wird schon Recht haben – vorigen Donnerstag findet sich in ihr der Untertitel: "Herbert Haupt ‚träumt‘ zum Amtsantritt". Es gibt tatsächlich nur zwei Möglichkeiten, Herr


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Minister: Entweder machen Sie der Bevölkerung bei Ihren Eingriffen und Streichungen etwas vor, oder Sie träumen wirklich. Sie sagen, Sie möchten Betriebskindergärten fördern. – Wie denn, wenn gar kein Geld dafür im Budget vorgesehen ist? Ich gebe Ihnen Recht, Herr Minister: Da hilft nur noch "träumen", denn das Förderinstrument "Kindergarten-Millionen" existiert nicht mehr!

Ich frage mich angesichts Ihrer Antrittsträumereien, ob die Vorschläge durchdacht sind oder ob System dahinter steckt. Ich sage Ihnen: Es steckt System dahinter, denn merkwürdigerweise bleiben immer die Interessen der Frauen und einer modernen Familienpolitik auf der Strecke! Da heißt es in einem Spruch: Die eine Hand gibt, und die andere Hand nimmt. Aber bei dieser Bundesregierung gibt die eine Hand nicht, sie winkt nur mit irgendwelchen Versprechungen, nämlich beispielsweise mit dem Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2002 oder noch später. Aber abkassiert wird heute! (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir von diesem Paket zu erwarten haben, können wir an der Entwicklung in Kärnten ablesen. Von einem Kinderscheck über 6 000 S monatlich für jedes Kind ist übrig geblieben: Innerhalb einer Familie wird nur für ein Kind bezahlt. Das sagt Ihr Kollege Reichhold. Möchten Sie die Aussendung haben? Das ist in Kärnten vom Kinderscheck übrig geblieben! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Abschließend möchte ich noch um eines bitten: Spekulieren Sie nicht über die Treffsicherheit, wenn Sie ein guter Sozial- und Familienminister sein wollen. Ihre Bemerkung, über die Treffsicherheit bei PflegegeldbezieherInnen nachdenken zu wollen, hat Tausende von Menschen, kaum dass Sie es gesagt haben, schon zusammenzucken lassen. Um Treffsicherheit zu erlangen, muss man nämlich alle – aber das liegt euch ja – ausforschen, beobachten, durchleuchten, bespitzeln, um zielgenau treffen zu können. Treffsicherheit ist nur eine Vortäuschung von Gerechtigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bevor ich Herrn Abgeordnetem Dr. Alois Pumberger das Wort erteile, möchte ich noch ganz kurz auf die Ausführungen der Abgeordneten Ilse Mertel eingehen, weil sie mich persönlich angesprochen hat.

Frau Abgeordnete! Es ist sicherlich nicht immer ganz einfach und leicht, auf der einen Seite für entsprechende Ordnung in diesem Hause zu sorgen und auf der anderen Seite aber doch auch einer freien Debatte vollen Lauf zu lassen. Und sicherlich ergibt es sich dabei, dass einmal die eine Seite und einmal die andere Seite das Gefühl hat, dass sie vielleicht zu kurz kommt. (Abg. Dr. Mertel: Die eine Seite nie! Es war immer nur die andere Seite!) Das mag heute bei Ihnen der Fall sein. In der letzten Sitzung war es eine Regierungspartei, die, als Frau Abgeordnete Petrovic hier am Rednerpult gestanden ist, heftig einen Ordnungsruf reklamiert hat.

Es soll auch vorkommen, dass Abgeordneten etwas entgeht. Ich denke nur an die letzte Sitzung, als etwa Sie selbst reklamiert haben, weil ich Herrn Abgeordnetem Pilz nicht sofort das Wort zur tatsächlichen Berichtigung erteilt habe, sondern – im Gegensatz zu den anderen – erst am Ende der Debatte. Das hatte einen Grund, den die meisten auch bemerkt hatten, der offensichtlich nur Ihnen entgangen war, und zwar: Abgeordneter Pilz hat sich angemeldet, dann aber den Saal verlassen und war beim Aufruf nicht anwesend, sodass ich seine Wortmeldung dann einfach an den Schluss der Debatte gesetzt habe.

Ich bitte daher, bei der Betrachtung der Vorsitzführung durchaus auch die eigene selektive Aufmerksamkeit, die da oder dort eintreten kann  – sage ich jetzt dazu –, mit zu berücksichtigen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

15.31

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Herren Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Mertel hat sich zumindest bisher als einzige der Sozialdemokraten mit der Sozialpolitik befasst. Sie steht allerdings mit ihrer Kritik am neuen Sozialminister völlig


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allein da, denn sogar die Gewerkschaft kann ihm und seinen Vorhaben Respekt zollen. (Abg. Dr. Mertel: Was habe ich gesagt? Haben Sie mir wieder nicht zugehört? Hat das Ihr Fassungsvermögen überschritten?)

Vorweg aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss ich sagen: Datensicherheit, Datenschutz geht uns alle an, und wenn es diesbezüglich Missbrauch gibt, dann muss das unverzüglich aufgeklärt werden – nicht nur von heute oder morgen, sondern auch zurückgehend auf die letzten 30 Jahre! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Seit 30 Jahren hält die SPÖ alle Schlüsselpositionen, wo es um Datenschutz geht. Sie besetzten das Innenministerium, Innenminister Löschnak, Innenminister Einem und wie sie alle geheißen haben, und Sie haben nichts getan. Seit 30 Jahren gibt es die Gerüchte und auch nachgewiesene Fälle von Datenmissbrauch in Österreich, aber nie wurde gehandelt.

Wie Ihnen Ihr Möchtegern-Koalitionspartner – die Grünen – misstraut, erkennt man an den zwei getrennten Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Wenn Herr Abgeordneter Pilz fordert, dass die Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres betreffend Weitergabe von Daten geprüft werden soll, dann will das die SPÖ nicht, denn der Antrag des Abgeordneten Gusenbauer enthält genau diese Forderung nicht. – Es könnte ja nicht nur der amtierende Innenminister, sondern es könnten ja auch frühere Innenminister betroffen sein. Das wird wohl auch so sein, denn weshalb hätten Sie Ihre begründete Angst, die Sie dazu veranlasst, diesen Antrag der Grünen abzulehnen!?

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ! Von wegen Wortwahl – weil ich höre, dass Sie jetzt so empfindlich sind –, von wegen "mentaler Lage" und so weiter Ihres Klubobmannes: Er selbst lässt dem amtierenden Bundeskanzler über die Medien ausrichten, dieser wäre von Sinnen.

Abgeordneter Pilz – gerade nicht im Saal – stellt überhaupt einen Konnex her und sagt: Der Tierarzt Gaugg wird Frauenminister! (Rufe bei der SPÖ: Haupt! Haupt!) – Entschuldigung! Der Tierarzt Haupt wird Frauenminister. Herr Kollege Pilz! Wissen Sie, welchen Konnex Sie hier herstellen? – Sie nehmen in Kauf, dass Frauen auf eine Ebene mit Tieren gestellt werden. Herr Abgeordneter Pilz! Es ist höchst an der Zeit, dass Sie sich bei den Frauen sowohl in diesem Saal als auch in ganz Österreich entschuldigen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute debattieren wir über die Bestellung des neuen Sozialministers. Wir hätten erwartet, dass alle Abgeordneten der Oppositionsparteien, aber auch der Regierungsparteien sehr erpicht darauf gewesen wären, zu erfahren, was der Herr Sozialminister vorhat, welche Pläne er hat. Der Klubobmann der Sozialdemokraten hat überhaupt keine Frage diesbezüglich gestellt, sondern hat sich in seinen Ausführungen nur auf die Datenaffäre konzentriert.

Es gibt so viele Fragen und so viele positive Ansätze, die der Herr Sozialminister schon kundgetan hat. Er hat den Frauen ein Angebot für eine faire und umfassende Zusammenarbeit gemacht. Von diesem Angebot würde ich an Ihrer Stelle Gebrauch machen, denn die sozialistische Ex-Frauenministerin – sie ist aus Oberösterreich, genau wie ich, und wenn ich heute jemanden frage: Na was wissen Sie von der Prammer?, dann heißt es: Ja, die war Ministerin, aber welche, das weiß ich leider nicht mehr! – hat bei den österreichischen Frauen keine Eindrücke hinterlassen. Sie hat ihr Amt jahrelang verschlafen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das wissen Sie als Mann!)  – Ja, das weiß ich als Mann genauso.

Apropos Mann. Herr Bundesministerin, Herr Bundessozialministerin, Herr Frauenministerin   – derart komische Äußerungen würden mir nie im Schlaf einfallen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das glaube ich!) Ich würde nie "Frau Wittfrau" sagen oder zur Frau Kollegin Pittermann, würde sie Sozialministerin werden, "Herr Pitterfrau". Niemals würde ich so etwas sagen! Ihre komischen Konnexe können Sie bleiben lassen. Wenn Sie keine konstruktiveren Debattenbeiträge vorbringen können, dann ist es besser, wenn Sie schweigen: Si tacuisses, philosophus mansisses! – Ein weiser Spruch!


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Sehr geehrter Herr Sozialminister! Ich glaube, es liegt ein "Mordstrumm" Arbeit vor Ihnen. Es wartet viel Arbeit auf Sie. Aber ich bin überzeugt davon, dass die Mehrheit dieses Hauses so viel soziales Verständnis hat, dass sie Sie bei dieser Arbeit unterstützen wird. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das wäre ja noch schöner, wenn ihn eure Mehrheit nicht unterstützen würde!) Ich glaube, dass die Mehrheit in diesem Saal, die Mehrheit des österreichischen Nationalrates so viel Bewusstsein für eine konstruktive Sozialpolitik für unsere Zukunft, für Frauen, Kinder und Senioren hat und Ihre Vorschläge parlamentarisch umsetzen wird. Ich freue mich schon darauf. Unsere Unterstützung haben Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir nunmehr der Wunsch aller Fraktionen vorliegt, über die beiden eingebrachten Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses unpräjudiziell eine gemeinsame Debatte durchzuführen, wobei zunächst der jeweilige Antragsteller mit einer Redezeit von 10 Minuten und danach ein Redner pro Klub mit einer Redezeit von 5 Minuten zu Wort gelangen sollen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

*****

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

15.37

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Kurz nachdem die Regierungsumbildung bekannt geworden ist, war die erste Meldung des Herrn Bundesministers Haupt, dass er Härten wegverhandeln möchte. Ich habe das natürlich als sehr positiv gesehen. Aber andererseits habe ich mich gefragt, was das jetzt bedeuten soll. Er war ja schließlich bei den Verhandlungen zum FP-VP-Regierungsprogramm dabei, wenn auch – wie er gesagt hat – nur in den Vorbereitungsrunden.

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, wie solche Verhandlungen stattfinden. Herr Kollege Haupt! Wo war denn der Aufschrei bezüglich der bisherigen Pakete? Ich halte Sie für sehr, sehr kompetent, ich kenne Sie schon relativ lange, und wir haben gut im Ausschuss zusammengearbeitet, aber ich muss Sie fragen: Wie wollen Sie diese Gratwanderung meistern: Sie sind einerseits ein Spitzenvertreter der Partei des "kleinen Mannes", der "kleinen Frau", Sie sind zum anderen äußerst loyal Ihrem einfachen Parteimitglied gegenüber, und in der Presse sagen Sie auch noch, Sie wollen jetzt ein soziales Gleichgewicht herausverhandeln!? – Na ja, die unsoziale Treffsicherheit haben wir schon. – Auf der anderen Seite sollen Sie loyal zu dieser Regierung sein, bezeichnen die Koalition als stabil und die Zusammenarbeit als sehr erfreulich. – Herr Kollege Haupt, das müssen Sie mir erklären!

Was wir Sozialdemokraten schon immer kritisiert haben, nämlich dass der Bereich Arbeit im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, das haben Sie ja gestern doch auch mit ziemlicher Betroffenheit in der "Pressestunde" angesprochen. Sie haben gesagt, Stolperstein für Exministerin Dr. Sickl wäre gewesen, dass ihr Bartenstein-Agenden angelastet wurden. Ich weiß nicht, ob die ÖVP als Ihr Regierungspartner das so gerne gehört hat!

Es ist auch immer wieder zur Sprache gekommen, Bartenstein hätte Sickl über den Tisch gezogen. Natürlich sind die Zielsetzungen der Ressorts unterschiedlich, aber gerade jetzt beim Wegverhandeln der vierwöchigen Arbeitslosensperre – und es ist ja nicht so, dass es nur Beschäftigte im Tourismus oder in der Bauwirtschaft trifft, ich denke da vor allem auch an alle Karenzvertretungen – haben Sie einen sehr engen Verhandlungsrahmen. Und uns allen ist sattsam in Erinnerung: Wenn Ihre Vorgängerin Ansätze zu mehr sozialer Gerechtigkeit nur andachte, ist sie sofort zurückgepfiffen worden, hat es sofort geheißen: Das Paket wird nicht aufgeschnürt!


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Ich möchte nunmehr folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Annemarie Reitsamer und GenossInnen betreffend unvertretbare Verschlechterungen im Arbeitslosenversicherungsbereich

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, dem Nationalrat bis zum 22. November 2000 eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die unvertretbaren Verschlechterungen im Arbeitslosenversicherungsbereich zurückgenommen werden."

*****

Das ist nur der Arbeitslosenversicherungsbereich.

Herr Bundesminister Haupt! Es klingt natürlich richtig sozial, wenn Sie ankündigen, die Erfahrungen aus der Armutskonferenz umsetzen zu wollen – aber das als Mitglied einer Regierung, die seit ihrer Angelobung nichts anderes getan hat, als mit allen Maßnahmen nur Umverteilung von unten nach oben zu betreiben, und jenen, die wenig verdienen, oder auch jenen mit mittleren Einkommen geradezu die "Taschen geraubt" hat. Das ist Ihre Interpretation von sozialer Treffsicherheit: "Wir treffen alle sozial Schwachen, aber die dafür sicher!"

Meine Damen und Herren! Der Herr Minister wird an seinen Taten gemessen werden. Die Worte sind viel versprechend, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie er deren Umsetzung schafft. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zur Pensionsreform 2000 haben Sie gesagt, Sie wären zufrieden mit den Maßnahmen. Vielleicht waren Sie auch deshalb zufrieden, weil sie Sie nicht mehr getroffen haben, denn wie ich feststellen konnte, ist auch die Frau des "Herrn Frauenministerin" schon in Pension. Vielleicht treffen diese Maßnahmen Sie deshalb nicht mehr.

Dass Sie in dieser Legislaturperiode diesbezüglich keinen Handlungsbedarf mehr sehen, mag uns vordergründig beruhigen, aber in Richtung Harmonisierung der Pensionssysteme ist ja trotz all der Grauslichkeiten nichts herausgekommen, wenn man sich die Budgetzahlen anschaut. Pensionsanpassung: 0,8 Prozent – so empfohlen –, Wertausgleich: 0,7 Prozent. Ich frage mich: Was sagen Sie den großen Pensionistenorganisationen, wenn diese noch etwas herausverhandeln wollen, denn gefordert ist ja, zumindest die Inflationsrate von 3 Prozent auszugleichen? Da darf man gespannt sein. Spielraum im Budget haben Sie keinen, wie man gesehen hat.

Bei dieser Gelegenheit, Herr Minister, möchte ich Sie auch daran erinnern, dass der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen gemäß § 447g des ASVG eigentlich eine Berichtspflicht bis zum 1. Oktober hat, und zwar über Aufkommen der Ersatzzeiten sowie Auswirkungen der Wanderversicherung im Selbständigenbereich. Schon allein deshalb wäre es sehr wichtig, dass man das erfährt, weil Sie auch der Trennung von Ersatzzeiten und Beitragszeiten im Pensionssystem das Wort geredet haben.

Werden Sie die Härten auch bei den Unfallrentnern und bei der beitragsfreien Mitversicherung kinderloser Partner wegverhandeln? – Herr Bundesminister! Wenn ich da an einen Bezirk in meinem Bundesland, an den Lungau, denke, wo die Männer Wochenpendler sind, die Frauen keine Arbeit haben, höchstens ein paar Zimmer vermieten und erst jetzt über die Versicherung der geringfügig Beschäftigten ins System kommen, dann muss ich sagen, das ist für viele zu spät. Wenn man dann den Beziehern kleiner Renten noch die Mitversicherung abverlangt, dann straft man wieder die Ärmsten der Armen.

Sie sind trotz Ihrer fachlichen Kompetenz, wie ich meine, keine Alternative, denn nimmt man Ihre Ankündigungen ernst, können Sie das Regierungsprogramm nicht umsetzen, das Sie


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mitverhandelt haben, und tun Sie etwas dahin gehend, unsere Erwartungen zu erfüllen, dann kommen Sie in Clinch mit Ihrem einfachen Parteimitglied! Und was das bedeutet, das haben die Wahlen in der Steiermark so ziemlich genau gezeigt.

Noch etwas ist mir aufgefallen, Herr Bundesminister, nämlich was das gesetzliche Pensionsanfallsalter und die unterschiedlichen Zugänge von Männern und Frauen betrifft – das ist ja, wie wir alle wissen, bis 2013 festgeschrieben und soll dann schrittweise angepasst werden –: Sie haben gesagt, diese Bundesregierung verfüge Gott sei Dank nicht über eine Verfassungsmehrheit. Ja trauen Sie Ihrer eigenen Partei nicht, trauen Sie dem Koalitionspartner nicht? Sie haben seinerzeit ja auch gegen diese Maßnahme gestimmt. Wenn Sie heute den Vertrauensschutz und die Lebensplanungsmöglichkeiten für Frauen ansprechen und sehr dafür sind, dann ehrt Sie das, aber wo war der Vertrauensschutz bei der Pensionsreform 2000? – Diese Ihre Äußerung lässt den Schluss zu, dass Sie etwas erleichtert sind darüber, dass Ihnen ein noch größerer Spagat erspart bleibt: vom Experten mit dem sozialen Gewissen zum Vertreter des Regierungskurses.

Herr Bundesminister! Sie werden als allseits kompetent geschildert, und ich weiß, Sie sind es auch. Deshalb wundert es mich auch, was Sie gestern zur Pflichtversicherung gesagt haben. Sie wollen wissenschaftlich erforschen lassen, ob nicht die Versicherungspflicht besser ist. In Salzburg hat ein Symposium stattgefunden, und dabei sind die Beispiele aus der Schweiz und aus Deutschland ganz klar geschildert worden. Das Resümee aus dieser Veranstaltung war ein mehrheitlich großes Bekenntnis zur Pflichtversicherung. Das wusste auch Frau Ministerin Sickl, und sie hat sich darüber sehr positiv geäußert. – Vielleicht war das auch ein Grund für ihre Ablöse!

Sie haben heute gesagt, wir seien mit der Frau Ex-Ministerin böse umgegangen. Es sollte sich einmal Ihre eigene Partei in den Spiegel schauen: zuerst noch eine millionenteure Image-Kampagne, dann die Ablöse – das passt ja auch wunderbar mit dem Sparkurs zusammen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie all die Härten zurückverhandeln möchten, wird Ihnen für neue Aufgaben keine Zeit bleiben, Herr Bundesminister. Und wenn heute Herr Kollege Feurstein gesagt hat, Sie wüssten, was Sie wollen, dann kann ich nur sagen: Das stimmt, es wird Ihnen nur nichts nützen! Anstatt einen sozial kompetenten Menschen zum Bundesminister für Soziales zu machen, wäre es besser, den Weltmeister im Turnen zu nehmen, denn der wird vielleicht diesen Riesenspagat schaffen. Sie können einem nur Leid tun! (Beifall bei der SPÖ.)

15.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Reitsamer, Genossen und Genossinnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Pecher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

15.47

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Minister! Hohes Haus! Das Schlimmste, was ich heute zum Thema "Frauen" gehört habe, kam von einer Grün-Politikerin, einer sehr profilierten Grün-Politikerin, die ich bis jetzt auch für durchaus seriös gehalten habe. Sie hat vor laufenden Fernsehkameras gesagt: ... "kein Kind gehabt – Pech gehabt"! "Hopp oder tropp!"

So etwas ist Polemik vom Rednerpult aus, und so etwas zielt natürlich ausschließlich darauf ab – das Fernsehen hat ja noch übertragen, es war kurz vor 13 Uhr, ich habe genau auf die Uhr geschaut –, dass die Frauen, die bei dieser Sendung zugesehen haben, das Gefühl haben, dass diese Regierung völlig ungerechte Maßnahmen setzt, die die Frauen belasten, völlig zu Unrecht belasten, die unsozial sind oder ich weiß nicht was. Das Gegenteil ist der Fall! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Korrekterweise hätte Frau Petrovic, die leider nicht anwesend ist, dazusagen müssen, dass es dabei, bei Ihrem locker dahin gesprochenen "Pech gehabt!", "Hopp oder tropp!", darum geht, die


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Gratis-Mitversicherung von Frauen, die es seit Jahrzehnten gibt, zu beseitigen und zu ersetzen durch eine Versicherung zu einem begünstigten Satz, durch eine Eigenvorsorge, eine Selbstversicherung mit einem begünstigten Satz.

Sie hat ebenfalls nicht dazugesagt, dass ja die jetzige Regelung im Grunde genommen auch von all jenen Frauen mitgetragen wird, die zu Hause sind und Kinder betreuen und nicht dazuverdienen können oder wollen, weil sie eben Kinder betreuen müssen oder wollen.

Und natürlich hat sie auch nicht dazugesagt, dass im Grunde genommen jene Frauen, die zu Hause sind und keine Kinder betreuen, berufstätig sein könnten und somit natürlich selbst eine Versicherung hätten.

Aber es ist ganz klar: Vor laufenden Fernsehkameras zählen auch für Frau Petrovic sichtlich ganz andere Maßstäbe! – Erstaunlich. Ich habe dazugelernt.

Ich muss auch sagen, ich kann auch ihren Gerechtigkeitssinn nicht erkennen. Wenn sie es gerechter findet, dass Frauen, die zu Hause sind und ihre Kinder betreuen, versichert sind und andere sozusagen selbst einzahlen müssen, dann verstehe ich ihren Sinn für Gerechtigkeit wirklich nicht.

Aber dass wir in den letzten Jahren zahlreiche Marketing-Gags in Bezug auf das Frauen-Thema gehabt haben, war für mich leider auch immer wieder Realität. Wir haben das Thema "halbe/halbe" gehabt, das ein wunderschöner Marketing-Gag war. Man spricht über "halbe/halbe" im Haushalt und hat damit überhaupt nichts bewegt.

Tatsache ist, dass sich die Männer über diesen Marketing-Gag lustig gemacht haben und genau das Gegenteil erreicht worden ist, nämlich dass sie eher weniger im Haushalt mitgeholfen haben. Tatsache ist, dass sich an der Situation der Frauen, die im Haushalt arbeiten, überhaupt nichts geändert hat.

Der zweite Marketing-Gag in der Vergangenheit, der mir einfällt, war für mich das Frauen-Volksbegehren. Wie einfach ist es doch, 600 000 Stimmen zu bekommen, wenn ich "Wünsch dir was!" spiele und Zuckerl verteile. Ich denke an die Forderung nach 15 000 S Mindesteinkommen, ich denke an die Forderung nach längerer Behaltefrist für die Unternehmen, und ich denke an die Forderung nach Rechtsanspruch auf Teilzeit. All das sind Dinge, die die Unternehmen, aber auch das Budget belasten – und das in einer Situation, in der wir 2 200 Milliarden Schilling Schulden haben. Ich finde solch eine Volksbefragung für unseriös. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass selbst die SPÖ die Umsetzung nicht ernst genommen hat. Gleichzeitig, als sie eine Mehrbelastung des Wirtschaftsstandortes auf Grund dieser Volksbefragung gefordert hatte, hat Minister Edlinger gesagt, es gelte, den Wirtschaftsstandort zu entlasten und vor allem die Lohnnebenkosten zu senken. Wie verträgt sich das mit einem solchen Volksbegehren? – Überhaupt nicht, meine Damen und Herren!

Wenn ich mir den Budgetvoranschlag von Frau Ministerin Prammer für 1999 anschaue, dann muss ich sagen, es steht nicht nur nichts von Frauen darin, sondern man muss auch lange suchen, bis man das kleine Budget findet. 37 Millionen Schilling findet man zum Thema "Frauen", mehr war es im Endeffekt nicht. Das Bundeskanzleramt war meiner Meinung nach auch nicht der richtige Ort, um Fraueninteressen zu vertreten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. )

Schlussendlich: Das Tragen von Krawatten ist auch nichts anderes als ein Marketing-Gag. (Abg. Dr. Stummvoll: Ein schlechter!)  – Ein schlechter. Alle waren schlecht. Diese Regierung macht keine Marketing-Gags. Diese Regierung setzt Maßnahmen, die die Zukunft unseres Landes sichern sollen. Viel einfacher wäre es, Marketing-Gags zu setzen! Es ist praktisch, "Wünsch dir was!" zu spielen! Der Bevölkerung macht man sicherlich Freude damit.

Ich bin froh, dass die Fraueninteressen im Ministerium für Soziales angesiedelt sind, das sich auch mit den Belangen der Kinder und Pensionisten auseinander zu setzen hat, denn viele


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Frauenprobleme stehen im Zusammenhang mit Kindern und der Pflege von Älteren. Für die Frauen in diesem Land werden nicht die inszenierten Marketing-Gags zählen, sondern die Maßnahmen, die ihre Situation und die ihrer Kinder verbessern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

15.53

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich verstehe Ihre Aufregung über den Titel "Herr Frauenministerin" nicht, denn seit Jahrhunderten hat man die Frau zwar immer mit "Frau", aber mit der männlichen Form des Titels angesprochen. Als man dann zur weiblichen Form übergegangen ist, hat es geheißen, das sei eine doppelte Verweiblichung. Ich habe immer die Frauen mit der weiblichen und die Männer mit der männlichen Form angesprochen, und das gedenke ich auch beizubehalten. Aber eine Beleidigung sehe ich darin an sich wirklich nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Wir schon!)

Es mag sein, dass Sie Frauen für minderwertige Wesen halten, das traue ich Ihnen schon zu. (Abg. Haigermoser: Wenn ich sagen würde, Frau Pittermann, was würden Sie dann sagen?) Ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang nur einen Artikel aus dem "Standard" zitieren: Die Frauen sind das Natürliche, die Männer sind nur ein Gendefekt, weil das Y-Chromosom weniger genetische Information bringt als das X-Chromosom. – Daher sind wir mit zwei X-Chromosomen den Männern durchaus überlegen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist Sexismus!) – Das ist kein Sexismus. (Abg. Haigermoser: Das ist Sexismus!) – Herrgott noch einmal, Sie haben aber wenig Selbstvertrauen in Ihre Männlichkeit, dass Sie gar so gereizt reagieren. Na so etwas! Sie müssen aber als Mann unsicher sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Was wollen Sie mir noch alles antun? Ich beginne mich zu fürchten!)

Meine Vorrednerin hat von der Mitversicherung gesprochen. Es ging um die beitragsfreie Mitversicherung bei der Krankenversicherung, die seit Jahren eine der größten Familien- und Sozialleistungen der Sozialversicherung war, die aber auch mit hohen Kosten verbunden ist. Davon hat man dann die kinderlosen Frauen ausgeschlossen. Dagegen haben wir uns gewehrt.

Diese 850 Millionen Schilling sind auch nicht für die Sozialversicherung gedacht, sondern für den Finanzminister, und das ist dann überhaupt schon ungerecht, aber wir sind dafür. Entweder gibt es eine beitragsfreie Mitversicherung für nicht arbeitende Angehörige oder nicht.

Kaum neun Monate nach Regierungsantritt findet bereits der zweite Ministerwechsel bei der größeren Regierungspartei, dem Juniorpartner, statt – vielleicht auch bald ein dritter. Die Halbwertszeit verkürzt sich. Hat man Dr. Sickl nur ernannt, um sich von ihr als Sündenbock zu distanzieren? – Die kinderfreundlichste Familienregierung verstieß eine Ministerin mit Kindern. Über eine zweite gibt es Ablösegerüchte. Die Starministerinnen sind kinderlose DINKs – double income, no kids –, deren Kleiderschränke bersten und die teure Auslandsurlaube genießen. Sie müssen eben für keine Kinder sorgen.

Herr Minister! Sie bestehen auf Kinderbetreuungsgeld. Bekommt eine Landesrätin ein Kind, dann wird sie gemobbt. Kinder erfordern Einsatz und sind eine Sparkasse – nicht nur in dem Alter, in dem man mit ihren Nacktplakaten Pädophile auf Touren bringt. (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) Diese Großzügigkeit für Kinder vermisse ich bei Ambulanzgebühren und der stark erhöhten Rezeptgebühr, die besonders AlleinerzieherInnen und Ärmere treffen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Diese Rede haben Sie nicht selbst geschrieben, denn in Wirklichkeit sind Sie nicht so polemisch!)

Der Lehrlingsschutz wurde verschlechtert, Jugendliche müssen bis 23 Uhr arbeiten, Strafbestimmungen werden verschärft, Studiengebühren eingeführt, die soziale Sicherheit abgeschafft (Abg. Haigermoser: Das kann nicht von Ihnen sein!), und Sie versuchen, mit Kinderbetreuungs


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geld und hohem Zuverdienst Frauen zur Mutterschaft zu animieren. Herr Bundesminister! Sind Sie vom Kinderbetreuungsgeld wirklich überzeugt, oder handeln Sie aus Parteiloyalität? – Dieses aus Ideologie verschwendete Geld fehlt. Man hört von Plänen für Schulgebühren für höhere Schulen. (Abg. Haigermoser: Das ist einer Ärztin unwürdig, was Sie da sagen!)

Frau Landesrätin Haubner hat gegen die Ambulanzgebühr protestiert, weil sie deren Grausamkeit und Unsinnigkeit erkennt und Ambulatorien als Eckpfeiler im Gesundheitssystem anerkennt. Halten Sie an dieser Gebühr fest?

Keine freie Arztwahl für die AmbulatoriumspatientInnen – das ist treffsicher gegen Ärmere. Durch die Zerstörung von Sozialversicherungsambulatorien wird diese erpressbar für Ärzteforderungen. Deshalb forderte Präsident Pjeta so vehement diese Gebühr. Gewaltsam soll ein gutes System – Platz 9 im WHO-Ranking – zerstört werden, die Pflichtversicherung wird abgeschafft.

Nach Holland wird in der Schweiz die Sterbehilfe freigegeben, und zwar, wie man lesen konnte, für alte Heimbewohner ohne eigene Wohnung. Das letzte Lebensjahr, das für das Gesundheitswesen teuerste, wird verkürzt. Dort existiert die Versicherungspflicht. Mittels human verbrämter Sterbehilfe werden Finanzierungsprobleme gelöst. In den USA und Großbritannien sterben Menschen ohne rechtzeitigen Zugang zur Therapie. England ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein gut funktionierendes Gesundheitssystem ab dem Regierungsantritt Thatcher zerstört wurde.

Nun zu den Ambulanzgebühren der Spitäler: Bis heute gibt es keine Instruktionen. Das Chaos ist vorprogrammiert. Sind alle AmbulanzpatientInnen dem Hauptverband zu melden oder nur jene, die Gebühr entrichten müssen? Was ist mit jenen, die nicht sicher zuzuordnen sind? Gilt das Bundesgesetzblatt vom 11. oder vom 24. August? Wer erbringt den Nachweis, dass eine gleichwertige Therapie extramural nicht erreichbar wäre? Der Aufwand an Personal und Postverkehr wird gigantisch, die Versicherten werden verunsichert, mögliche Einnahmen sind minimal.

Die PatientInnen des § 26 HG sind nicht identisch mit denen des § 135 ASVG. Müssen Hepatitis-C-Opfer, Lebertransplantierte, StudienpatientInnen für den Ambulanzbesuch bezahlen? Ist Qualitätssicherung ohne Studien möglich? Was ist mit PatientInnen in Nachsorgeambulanzen? Muss eine Alleinerzieherin, die sich um ihr Kind ängstigt, bezahlen, wenn in der Ambulanz ein Notfall ausgeschlossen wird? Was ist mit vom Facharzt überwiesenen PatientInnen?

Wir bringen daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und GenossInnen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, dem Nationalrat bis zum 22. November 2000 eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die unsozialen Ambulanzgebühren abgeschafft werden."

*****

Laut Ärztekammer stehen eine umfangreiche Ärztegesetz- und ASVG-Novelle an. Nützen Sie diese, um die Krankenstrafsteuern zu entfernen! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Verhindern Sie die Besteuerung von Unfallrenten, der Haftpflichtversicherung der Arbeitgeber, den Hepatitis-C-Opfern schmälert dies das kärgliche Einkommen. Die Regierung verabschie


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dete sich von Beitragsparität und führt die Krankenkassen ins Out. Selbstbehalte sind herzlos, unsozial, aufwendig, gesundheitsfeindlich und treffsicher gegen Schwächere.

Arbeitgeberbeiträge wurden gesenkt, Verwaltungsaufgaben gesteigert, unlösbare Einsparungsziele gestellt, und man behauptet, so das Defizit der Sozialversicherung abzubauen. Ändern Sie das!

Herr Bundesminister! Sie wissen, dass teure Medikamente für noch unheilbare Erkrankungen auf den Markt drängen. Schaffen Sie die Voraussetzungen, dass allen Betroffenen Linderung und Heilung zuteil wird, nicht nur den Reichen.

23 Krankenkassen sind Ihnen zu viel, Sie sympathisieren mit der Versicherungspflicht. Die kleinere Schweiz hat über 100 Institute. Das zehnmal größere Deutschland hat über 450. – Objektive Gutachten richten sich immer nach den Wünschen der Auftraggeber, denn man will weitere Gutachten haben.

Wenn Sie die Ambulanzgebühren nicht aufheben, dann verringern Sie wenigstens den Sozialversicherungsbeitrag zur Spitalsfinanzierung; die Leistung wird ja ausgelagert. In Parlamentsdebatten verteidigen Sie die unsoziale Treffsicherheit, die Kälte, die Menschenverachtung und die Entsolidarisierung – aus eigener Überzeugung oder aus Loyalität zur ÖVP? – Die Unterschrift der Frau Landesrätin und Äußerungen Ihres früheren Parteiobmannes bestätigten Letzteres.

Auch wenn wir einander weltanschaulich fern sind, schätze ich Ihr Wissen und Ihr Engagement. Vorurteilsfrei werden wir Sie an Ihren Taten als Minister messen. Sie haben das Fachwissen, einen sozialen Weg zu gehen: treffsicher die Schwächeren zu schützen, die Zerschlagung der Sozialversicherung sowie die Entsolidarisierung und Umverteilung von unten nach oben zu verhindern. Zu Reformen gegen diese Regierungsgrausamkeiten wünsche ich Ihnen viel Erfolg, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

16.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pittermann und GenossInnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Staffaneller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

16.02

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Herren Minister auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Bundesministerin Sickl hatte einen denkbar schlechten Start als Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen. Der Schock in der SPÖ, der derzeitigen Oppositionspartei, saß tief.

Das Sozialministerium war bis auf eine kurze Unterbrechung fix in der Hand der Sozialdemokratischen Partei. Es war praktisch eine Erbpacht gegeben, wobei immer die Fraktion der sozialistischen Gewerkschafter den Sozialminister gestellt hat. Eine freiheitliche Sozialministerin darf es einfach nicht geben, das kann doch nicht sein. Eine 100-prozentige Einflussnahme im Sozialressort abzugeben war unvorstellbar, genauso wie die 100-prozentige Einflussnahme im Frauenressort. (Abg. Reitsamer: Wer hat sie hinausgeschmissen: wir oder Sie?)

Sie haben Frau Ministerin Sickl von Anfang an mit unfairen Mitteln bekämpft. Sie haben ihr nicht einmal die Möglichkeit der Einarbeitung gegeben. Frau Ministerin Sickl hat sich trotzdem sehr gut geschlagen. (Abg. Reitsamer: Wer hat sie hinausgeschossen?) Sie konnte Erfolge aufweisen, wie zum Beispiel die Pensionsreform, die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten im Krankheitsfall und vieles andere mehr; all das ist Ihnen bekannt. Nun versuchen Sie dasselbe Spiel mit Herrn Mag. Haupt, mit dem neuen Minister für soziale Sicherheit und Generationen, und reduzieren das ganze Problem auf die Frauen. Sie wollen sich festnageln. Der einzige Vorwurf, den Sie Herrn Mag. Haupt schon jetzt machen können, ist, dass er keine Frau ist.


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Sie werden Pech haben, denn Herr Minister Haupt ist ein Experte, der es Ihnen zeigen wird und zeigen kann. Er wird sicher in kurzer Zeit wesentlich mehr für die Frauen tun und erledigen, als die letzten Sozialminister während Ihrer Regierungszeit zu Stande gebracht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie versuchen, bei der Bevölkerung Ängste zu schüren. Das wird Ihnen nicht mehr gelingen. Sie selbst haben Angst, dass nun in verschiedene Vorgänge während Ihrer Regierungszeit zu viel Einblick gewonnen wird, insbesondere was die Förderungsvorgänge betrifft. Und da schadet es wirklich nicht, wenn das einmal durchforstet wird und die Dinge so gesehen werden, wie sie sich tatsächlich abgespielt haben.

Zu den Förderungsvorgängen: Sie wissen selbst, in vielen Fällen hat Sozialministerin Hostasch nichts dafür gekonnt, denn sie musste einfach die Vorgaben von Herrn Bundeskanzler Klima durchführen. Das betrifft zum Beispiel die Einstellung der Förderung für Behinderte. Dies wurde nur deshalb gemacht, damit man sagen kann, kein Jugendlicher ist im Wahlkampf ohne Ausbildung, ohne Versorgung geblieben. Die Rechnung ist nicht aufgegangen.

Frau Reitsamer, Sie haben gemeint, eine Umverteilung finde statt. Jawohl, es findet derzeit eine Umverteilung statt. Es wird auch den Behinderten mit der "Behinderten-Milliarde" in Zukunft eine Chance gegeben. Während Ihrer Zeit, während der zehn letzten Jahre ist die Anzahl der behinderten Arbeitslosen um über 100 Prozent auf über 40 000 gestiegen. Sie haben nichts dagegen getan, Sie haben während des Wahlkampfjahres alle Förderungsmöglichkeiten eingestellt. Der Erfolg stellt sich so dar, wie er jetzt ist.

Dass diese "Behinderten-Milliarde" in Zukunft sinnvoll eingesetzt wird, dafür wird Herr Minister Haupt sorgen. Es wird auch eine entsprechende Evaluierung der Maßnahmen geben, und es wird auch ein entsprechendes Controlling geben. – Ich wünsche dem Herrn Minister für seine Amtstätigkeit alles erdenklich Gute. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

16.07

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit der Ernennung von Mag. Herbert Haupt zum Sozialminister zeigt die blau-schwarze Koalition ein hohes Maß an sozialer Einstellung. Wie lässt es sich nämlich sonst erklären, dass ein Politiker, dem ÖVP-Klubobmann Khol im Jänner 1996 die notwendige demokratiepolitische Kompetenz für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten abgesprochen hat, vier Jahre später zum Minister bestellt werden kann? – Heute haben wir von Klubobmann Khol wieder eine Meinungsänderung gehört, so wie das ja in den letzten Wochen und Monaten immer wieder der Fall war.

Doch kommen wir zur Person von Minister Mag. Haupt, und messen wir den neuen Minister nicht an den eher inhaltslosen Phrasen seiner ersten Erklärungen, sondern an den Taten seiner bisherigen politischen Funktionen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Gut nachgelesen! Da warst du noch gar nicht da!) Unbestritten ist, dass Sie, Herr Minister, den gesamten Sozialabbau dieser blau-schwarzen Koalition mitgetragen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie in der gestrigen "Pressestunde" von notwendigen Nachverhandlungen mit Wirtschaftsminister Bartenstein gesprochen haben, der Ihre Vorgängerin Frau Ministerin Sickl auf Grund seiner Regierungserfahrung bei den Verhandlungen in entscheidenden Fragen über den Tisch gezogen hat, dann müssen Sie uns schon erklären, warum Sie, Herr Bundesminister, als Sozialsprecher der FPÖ gegen diese unsozialen Maßnahmen nicht vehementer aufgetreten sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Partei, die vorgab, für den so genannten kleinen Mann Politik zu machen, ist entlarvt. Sie von den Freiheitlichen, aber auch von der Österreichischen Volkspartei betreiben eine Politik nach dem Motto: den Armen nehmen und den Reichen geben. Vielleicht hängt Ihr Verhalten,


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Herr Bundesminister, aber auch damit zusammen, dass die Nervosität innerhalb der FPÖ zunimmt, wenn es um öffentlich geäußerte Kritik zu freiheitlichen Personalentscheidungen geht. Wie meinten Sie doch gestern im Zusammenhang mit dem Fall Fischl? – Intern hätte er seine Kritik zu den chaotischen Zuständen in der steirischen FPÖ äußern können; dies öffentlich zu tun, rechtfertige es aber, ihn sämtlicher Parteiämter zu entheben. – Ich frage Sie, Herr Minister: Steigt Ihnen ob eines solchen Demokratieverständnisses in Ihrer Partei nicht die nackte Angst auf?

Gerade im Zusammenhang mit Ihrer Ernennung waren zwei Aussagen von Jörg Haider bemerkenswert. Sie haben heute gesagt, er sei Ihr intimer politischer Weggefährte, und er meinte, dass er Ihre ministerielle Tätigkeit sehr genau beobachten wird. – Eine Aussage, die natürlich nicht als besonderer Vertrauensbeweis gewertet werden kann.

Dann ist aus Kärnten noch die Aussage gekommen: Mit dem neuen Mann im Sozialministerium werde man in der Sozialpolitik jetzt Nägel mit Köpfen machen. – Ich sehe darin, wenn man die bisherige blau-schwarze Sozialpolitik analysiert, eine mehr als gefährliche Drohung. Wo immer es nur möglich war, hat diese Regierung soziale Errungenschaften, die in den letzten Jahrzehnten mühsam erworben wurden, rücksichtslos zerstört – mit einem Belastungspaket, wie es die österreichische Bevölkerung in der Zweiten Republik noch nie erlebt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Beispiele für all diese Ungeheuerlichkeiten möchte ich nur Folgendes in Erinnerung rufen: Steuererhöhung durch die Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages, höhere Erbschafts- und Schenkungssteuer, Erhöhung der Rezeptgebühr, Kürzung des Krankengeldes für Schwerkranke, Kürzung der Zuschüsse für Heilbehelfe, kostenpflichtige Ambulanzbesuche, Erhöhung des Taggeldes im Spital, Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer und so weiter. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Sie als Regierungskoalition haben die Unverfrorenheit zu erklären, dass diese Maßnahmen die Bezieher kleiner und mittlerer Gehälter nicht treffen. Ihre Erklärungen, in denen Sie monoton herunterleiern, dass zwei Drittel der Bevölkerung von diesem Belastungspaket nicht betroffen seien, können wohl nur als purer Hohn bezeichnet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Wenn Sie am Beginn Ihrer Regierungstätigkeit verkünden, dass die FPÖ wieder stärker ihr Herz für die kleinen Leute zeigen werde, und von der sozialen Treffsicherheit bestimmter Maßnahmen sprechen, dann muss ich sagen, das hat sich bisher auf eine beinahe makabre Weise bewahrheitet: Die einzige Form der sozialen Treffsicherheit unter der blau-schwarzen Regierung war nämlich jene, dass Sie mit dem Belastungspaket die Ärmsten, die Schwächsten, aber auch den Mittelstand in diesem Land getroffen haben.

Wenn Sie eine glaubwürdige Sozialpolitik betreiben wollen, dann müssen Sie das gesamte blau-schwarze Belastungspaket zurücknehmen und sich auch von Plänen verabschieden, die nur die Demontage der Schutzeinrichtungen im Sozialbereich zum Ziel haben.

Dazu gehört beispielsweise die Absicht, die österreichischen Sozialversicherungsträger zusammenzulegen. Ein System, das ausgezeichnet funktioniert, besonders kundenfreundlich ist, soll nur deshalb, weil es einigen Damen und Herren in dieser Bundesregierung ein Dorn im Auge ist, mutwillig zerschlagen werden. Dabei werden wir Sozialdemokraten sicher nicht tatenlos zusehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister Haupt! Sie hat leider das schwere Los getroffen, Sozial- und Frauenministerin in der unsozialsten Bundesregierung, die Österreich je hatte, zu werden. Das Mitleid von uns Sozialdemokraten hält sich aber in Grenzen, denn als Sozialsprecher der FPÖ sind Sie inhaltlich für dieses Belastungspaket mitverantwortlich.

Herr Minister Haupt! Sie werden ab heute nicht mehr an schönen, eingelernten und ja nicht von der Parteilinie abweichenden Reden gemessen, sondern an Ihren Taten. Ohne Ihre Euphorie der ersten Tage bremsen zu wollen, darf ich Ihnen schon jetzt garantieren, dass Sie vermutlich an dieser Aufgabe scheitern werden, ja geradezu scheitern müssen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), denn mit den von den übrigen Mitgliedern der Koalitionsregierung geschaffe


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nen Rahmenbedingungen kann ein Sozialminister gar kein anderes Schicksal erleiden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Für diese Bundesregierung wäre es auf Grund ihrer bisherigen Vorgangsweise überhaupt besser, das Sozialministerium abzuschaffen und das Wort "sozial" aus ihrem Wortschatz zu streichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese FPÖ-ÖVP-Regierung will Österreich in Arm und Reich unterteilen: in wenig Reiche und viele Arme. Sie haben sich für die Reichen entschieden. Herr Minister! Beweisen Sie uns mit Ihrer künftigen Arbeit das Gegenteil.

Ich darf nun folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dobnigg und GenossInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis 22. November 2000 eine Gesetzesvorlage vorzulegen, in der im Bereich des Pflegegeldes Lücken im System, insbesondere die Valorisierung des Pflegegeldes, die seit 1996 unterblieben ist, und den Wegfall der Altersgrenze von drei Jahren im BPGG schließt.

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, mit den Bundesländern in Verhandlungen zu treten:

1. um gleichwertige Regelungen im Bezug auf die Valorisierung des Pflegegeldes und den Wegfall der Altersgrenze von drei Jahren auf landesgesetzlicher Ebene zu schaffen.

2. Die Erhöhung des Sozialhilfe Taschengeldes, bei stationärer Unterbringung auf Landesebene, auf einen Mindestbeitrag, der ein Mindestausmaß an ,persönlichen Bedürfnissen‘, die nicht durch die Pflegeinfrastruktur befriedigt werden, sicherstellt."

*****

Weil der Justizminister gerade anwesend ist, eine Frage an Sie, Herr Justizminister: Sie haben am 16. März 1998 in Leoben den damaligen ÖVP-Vizebürgermeister Mag. Christian Jöllinger verteidigt. Auf Grund ungebührlichen Verhaltens wurde Ihnen das Wort entzogen. Sie hielten sich nicht daran und wurden des Saales verwiesen. Dabei wurde Ihnen auch gleichzeitig die Verteidigung entzogen. Daraufhin – so wurde mir vor kurzem die Mitteilung gemacht – haben Sie die Republik Österreich auf Schadenersatz in Höhe von 1 Million Schilling geklagt. Stimmt das, oder stimmt das nicht? (Beifall bei der SPÖ.)

16.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dobnigg und GenossInnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Schultes. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.16

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme vom Land, und bei


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uns gibt es ein Sozialnetz. Das ist nicht nur das, das der Staat knüpft, sondern auch, was die Menschen einander bieten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist ein Netz aus gegenseitiger Beachtung und Hilfe, es ist gelebte Solidarität und sehr oft auch ein Netz, das davon lebt, dass wir wissen, was Menschenwürde ist. Davon könnten Sie vieles lernen, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir planen auf dem Land in langen Zeiträumen. Wenn man Bauer werden will, entscheidet man sich fürs Leben, und wenn man ein Häusel bauen will, ein Eigenheim errichtet, dann überlegt man, ob man dort nicht sein ganzes Leben bleiben will. – Das heißt, wer sich dafür entscheidet, bringt sich auch in das Dorf, in den Zusammenhalt ein, hilft in den sozialen Diensten, hilft bei der Feuerwehr, hilft auch bei der Pflege der Alten mit. Er bringt sich einfach ein. Es ist gerade für das Leben auf dem Lande ganz wichtig, dass es so etwas gibt, dass sich die jungen Leute bewusst dafür entscheiden.

Eine bewusste Entscheidung für das Leben auf dem Lande, für die Landwirtschaft, verlangt aber auch Rahmenbedingungen, klare, vorhersehbare Zustände – also Bedingungen, auf die man sich gerne einlässt.

Für den ländlichen Raum ist das, was in Europa, in Brüssel, für uns alle entschieden wird, gerade was die Agrarpolitik oder auch die ländliche Entwicklung betrifft, mindestens genauso wichtig wie das, was hier gesprochen wird. Gerade diesbezüglich gibt es im Augenblick Entwicklungen, die Sie alle mit Sorge erfüllen müssten, weil sie die Planbarkeit des Lebens auf dem Land, im Dorf, beim Bauern sehr erschweren.

Ich muss schon wieder darauf zu sprechen kommen; die Zuckermarktordnung ist in Diskussion. Sie ist ein gefährliches Thema, weil sie ein Eckpfeiler des Lebens auf dem Land ist, weil sie ein Eckpfeiler der Agrarmarktordnung ist. (Abg. Edler: Ihr seid für den freien Markt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wer die Zuckermarktordnung andiskutiert, will verhindern, dass die Milchquoten weiter bestehen. Wer das andiskutiert, will die Agrarreform gesamthaft in Frage stellen und letztendlich den Zuckerpreis in die Hände weniger multinationaler Spekulanten legen.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Es ist kein Zufall, dass wir gemeinsam mit den Arbeitnehmern zu Herrn Verzetnitsch pilgern, um auch ihn zu ersuchen, sich für diese wichtige Frage des ländlichen Raumes einzusetzen und mitzuspielen.

Es geht in der Frage des Überlebens der ländlichen Räume nicht nur um Sozialpolitik, sie ist aber wichtig. Wir sind froh, dass wir einen Sozialminister haben, der kompetent ist, aber ich möchte das Hohe Haus darauf aufmerksam machen: Wir brauchen sehr viel mehr, damit wir unsere Funktionen dauerhaft erfüllen, unser Leben kreativ gestalten und unsere Kinder bei uns und wir bei unseren Alten bleiben können, um das soziale System der ländlichen Regionen, das anders ist als in der Stadt, aufrechterhalten zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung: Der heutige Tag neigt sich schon wieder dem Ende zu. Es war ein schöner Tag, zumindest was den Anblick der Damen betroffen hat. Ich habe mich heute in der Früh sehr gefreut über die Krawatten, die zu sehen waren. Einigen Damen ist das sehr gut gestanden, es war wirklich charmant, und es war schön zu sehen, wie zufrieden Herr Kollege Edlinger den ganzen Tag "seine" Damen angeschaut hat. Er hat offensichtlich all seine alten Krawatten angebracht. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Verzetnitsch: Wer hat, der hat! – Abg. Dr. Khol: Tatsächliche Berichtigung! Tatsächliche Berichtigung: Das sind alles neue Krawatten!)

16.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.21

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Sozial- und Generationenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Familienpolitik und Frauenpolitik stehen derzeit in einem unmittel


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baren Zusammenhang mit dem Regierungsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ. Rückblickend gesehen war es die ÖVP, die der SPÖ in der letzten Zeit immer wieder Unterstützungsmaßnahmen für die österreichischen Familien abgerungen hat. Ich verweise zum Beispiel nur auf die Familiensteuerreform. Um gute Familienpolitik und Frauenpolitik zu machen, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Familie lebbar machen und zu einer besseren Lebensqualität für alle, nämlich für Mütter, Väter und auch Kinder, führen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) – Ich stimme auch nicht den Unwahrheiten, die in Graz seitens der SPÖ in Zeitungen verkündet werden, zu.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Als anerkannter Sozialexperte mit langjähriger parlamentarischer Erfahrung wissen Sie, wie dringend notwendig es ist, Ziele zu definieren und in der Folge Taten statt Worte zu setzen. Ich ersuche daher, in einigen Bereichen anstehende Themen rasch umzusetzen, rasch zu handeln. Ich möchte, wie gesagt, einige hervorheben.

Das erste ist, der Familie mehr Wahlfreiheit zu ermöglichen – das heißt die rasche legistische Umsetzung des Kinderbetreuungsgeldes, wie wir es im Regierungsprogramm vereinbart haben.

Zweitens sind Partner-, Elternbildung und in der Folge auch die Mediation wichtig. Es ist wichtig, Partner- und Elternberatung nicht mehr nur finanziell zu unterstützen, sondern auch den ideellen Wert zu beachten, um familiäre Konflikte und Probleme besser lösen zu können. Betreffend die Ausdehnung der Mediation – darauf möchte ich hinweisen – ist es dringend notwendig, Qualitätskriterien einzuführen, insbesondere auch gesetzliche Rahmenbedingungen herbeizuführen, damit kein – unter Anführungszeichen – "Wildwuchs" entsteht.

Drittens: die Vereinbarung von Familie und Beruf. Ich bin dankbar, dass das immer wieder gesagt wird. Ich wünsche mir, dass das, was schon vorhanden ist, auch unterstützt und weiterentwickelt wird. Ich denke in Bezug auf die Aufwertung der familien- und frauenfreundlichsten Initiativen in den Bundesländern – beispielsweise der Wettbewerb frauen- und familienfreundlichster Betrieb auf Landes-, auf Bundesebene – auch daran, dass es auch einmal auf EU-Ebene einen Konsens gibt. Man kann auch etwas positiv forcieren und nicht nur immer von der negativen Seite betrachten.

Zur Forcierung der Flexibilisierung der Arbeitszeit: Diesbezüglich geht die SPÖ jetzt mit. Ich bedanke mich bei Kollegin Silhavy, dass du nunmehr auch siehst, dass neue Berufe auch flexible Arbeitszeiten benötigen.

Ich denke auch daran, die Gleichrangigkeit von Mann und Frau auf allen Ebenen zu unterstützen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) – Irgendetwas muss ich in meiner Rede immer sagen, dass ich dich so nervös mache. Aber wahrscheinlich sind das genau die Punkte, in denen wir erfolgreich sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Zur Umsetzung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit, die bislang nicht gelungen ist: Wir von der ÖVP haben zumindest zu Stande gebracht, dass unter Minister Bartenstein eine Studie entstanden ist. Auch ein Mindeststandard für die Entlohnung wurde mit der Realisierung eines Mindestlohnes bei Vollarbeitszeit eingeführt. Ich bedanke mich, dass der Herr Minister gesagt hat, man muss schauen, ob die Pensionsansprüche getrennt ausbezahlt werden. Die Bäuerinnen sind ein Beispiel für Pensionssplitting. Es hat in der letzten Periode auch schon Anträge dazu gegeben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zusammenfassend noch ein Wunsch von unserer, von meiner Seite. Ich wünsche mir eine gute Zusammenarbeit der zuständigen Bundesministerien, vielleicht sogar die Zusammenstellung einer Expertenkommission insbesondere des Sozial-, Generationen- und Arbeitsministeriums, damit die Umsetzung der Anliegen der Frauen- und Familienpolitik effizient und konsequent erfolgt (Zwischenruf der Abg. Silhavy ), um keine Lücken entstehen zu lassen. Wir distanzieren uns ausdrücklich von einer Politik der Schwarzmalerei und der Panikmache, wie sie seitens der Opposition ständig betrieben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

An die SPÖ gerichtet: Es findet kein Rückschritt in der Frauen- und Familienpolitik statt. Die Regierungsparteien werden die Frauen- und Familienpolitik konsequent weiterführen. Wir werden


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soziale Ungerechtigkeiten beseitigen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Wir werden uns mit Nachdruck für eine Harmonisierung von Beruf und Familie einsetzen, und wir werden Wahlfreiheit ermöglichen und Gleichrangigkeit auf allen Ebenen unterstützen. Wir werden Taten setzen – Worte allein reichen nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.26

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Her Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenig Weihrauch für die Opposition, aber doch einiger für die Regierungsparteien, weil diese Regierung unter dem Motto "Österreich neu regieren" angetreten ist. Das heißt, die Herausforderungen der Zeit zu erkennen und Lösungen für diese Herausforderungen zu suchen.

Dies gilt besonders für den Bereich der Sozialpolitik. Uns geht es im Bereich der Sozialpolitik vor allem darum, die Systeme abzusichern und die Tragfähigkeit der Systeme zu erhalten. Ihnen ist es, wenn Probleme im Raum gestanden sind, immer darum gegangen, die Beiträge zu erhöhen. Uns geht es darum, die Treffsicherheit des Systems zu erhöhen. Das ist der kleine Unterschied! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Frau Silhavy! Keine neuen Schulden mehr! Das ist die Devise dieser Bundesregierung, und die Bevölkerung gibt uns Recht. Ihr Herr Obmann DDr. Schachner-Blazizek hat den Wählern die rote Karte gezeigt. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Er hat am vorvergangenen Sonntag seinen "Lohn" dafür erhalten. Wenn Sie so weitertun, wird Ihnen bei der nächsten Nationalratswahl das Gleiche widerfahren. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Diese Bundesregierung hat im Bereich der Sozialpolitik Dinge umgesetzt, um die sich frühere Bundesregierungen viele Jahre lang bemüht haben: die Angleichung Arbeiter – Angestellte. Wir haben einen Meilenstein im Bereich der Pensionsversicherung gesetzt. Vieles wurde von Frau Bundesministerin Sickl in Angriff genommen. Ich stehe nicht an, mich namens meiner Fraktion für die von ihr geleistete Arbeit auch entsprechend zu bedanken, weil diese Arbeit oft unbedankt geblieben ist.

Sie haben Frau Bundesministerin Sickl keine Schonzeit gegönnt. Ich kann mich noch an die erste Parlamentssitzung erinnern, als Sie die vormalige Frau Bundesministerin Hostasch gedrängt haben, eine Dringliche Anfrage gegen eine Nachfolgerin einzubringen, bis sie Tränen in den Augen hatte, denn sie hat gewusst, dass das unfair war. (Abg. Silhavy: Aber die Entscheidung auszutauschen haben nicht wir getroffen!)

Aber ich gebe zu, Sie haben sich als Opposition auch selbst keine Schonzeit gegönnt. Es wäre vielleicht klüger gewesen; Sie hätten sich wahrscheinlich manche Peinlichkeit erspart. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

So wie das dauernde Anreden mit "Herr Sozialministerin" : Glauben Sie, dass das besonders originell ist? Was wollen Sie denn damit bezwecken? (Abg. Silhavy: Frau Klasnic wird auch mit "Frau Landeshauptmann" angesprochen!) – Darauf komme ich noch zurück. – Glauben Sie, dass das bei den Wählern ankommt? Wenn ja, dann tun Sie bitte auf diesem Weg weiter! (Abg. Dr. Lichtenberger: Bei den Wählern vielleicht schon!) – Bei den "WählerInnen" muss man heute sagen, Frau Dr. Lichtenberger, ich weiß das. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die SPÖ-Frauen geben sich heute besonders männlich. Ich möchte dazu nur sagen, bei unseren Damen im Klub gibt es einen Wettbewerb. Bei jeder Parlamentssitzung wird der Abgeordnete mit der geschmacklosesten Krawatte gekürt. Ich darf nur sagen: Willkommen im Klub, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kiss: 27 Mal war es Edlinger! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich darf noch eines sagen, Frau Kollegin Silhavy: Der Verfassungsgesetzgeber hat sich vielleicht tatsächlich nicht vorstellen können, dass irgendwann einmal eine Frau "Landeshauptmann" eines Bundeslandes sein wird.

Wir in der Steiermark sind mit dieser Lösung sehr zufrieden und sehr, sehr stolz darauf, dass bei uns in der Steiermark eine Frau "Landeshauptmann" ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Herbert Haupt übernimmt ein kompetenter Mann das Sozialressort, und wir freuen uns über diese Wahl. Allein der Auftritt in der "Pressestunde" hat uns einen kleinen Einblick in sein Fachwissen beschert, und ich glaube auch, dass er Ansehen in der Öffentlichkeit genießt.

Wir sind überzeugt davon, dass Herbert Haupt die gute Tradition des Familienministers Martin Bartenstein fortsetzen kann. Ich begrüße seine Bemühungen außerordentlich – vor allem was seine Gesprächsbereitschaft im Zusammenhang mit der Lösung beim Arbeitslosengeld anlangt –, auch einen sozialen Ausgleich zu finden. Ich freue mich auch im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, dass wir noch in dieser Legislaturperiode die Frage der Lohnnebenkosten einer befriedigenden Lösung werden zuführen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herbert Haupt übernimmt ein schwieriges Amt, ein schwieriges Ressort. Ich bin überzeugt davon, dass wir gemeinsam mit ihm – im Interesse der Menschen dieses Landes – jene Ziele, die er sich gesetzt hat, erfolgreich werden umsetzen können. Ich wünsche ihm dazu alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

16.32

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Einige Bemerkungen zur Umbestellung auf der Regierungsbank – ich wende mich dabei insbesondere den Damen der Sozialdemokraten zu –:

Meine Damen! Sie bringen heute offen zum Ausdruck, dass Sie die Ansicht vertreten, ein Mann als Frauenminister sei per se nicht in der Lage, Frauenangelegenheiten wahrzunehmen. Ich glaube, dass Sie sich damit keinen guten Dienst erweisen – für eine Sache, für die Sie zu Recht eintreten. Sie vertreten abstrakt gesehen die Meinung, dass ein Mensch aufgrund seines Geschlechtes für eine bestimmte Funktion in diesem Land nicht geeignet ist. Soweit ich informiert bin, gibt es ein Gleichbehandlungsgesetz, und dieses Gleichbehandlungsgesetz erlaubt selbstverständlich beziehungsweise schreibt sogar vor, dass für jede Position in diesem Land jeder  – egal, welchen Geschlechts! – in Frage kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Genau diese Vorwürfe, die Sie mit Recht erheben, lassen Sie für sich nicht gelten. Das zeigt, dass Sie an einer sehr eigenartigen, selektiven Wahrnehmung leiden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun zum Misstrauensantrag, der gegen den Justizminister eingebracht wurde. Ich darf vorweg einmal sagen – und ich glaube, jeder, auch von der grünen und von der sozialdemokratischen Fraktion, wird mir Recht geben –, dass es sich dabei um einen "Rohrkrepierer" der ganz besonderen Art handelt. An der Art, wie lieblos Kollege Van der Bellen diesen Misstrauensantrag vorgelesen hat, konnte man zwischen den Zeilen direkt heraushören, dass er selber nicht recht daran glaubt, was er hier verliest.

Ich habe mich während der Ausführungen des Klubobmanns Van der Bellen zu einer emotionalen Äußerung hinreißen lassen, nämlich zu jener, dass ich bis zum heutigen Tage geglaubt habe, Van der Bellen sei ein seriöser Politiker. Ich möchte meine Entrüstung folgendermaßen belegen:


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Herr Kollege Van der Bellen! Sie haben nach Herzmanovsky-Orlando einen Dialog oder besser zwei Dialoge hier dargeboten. Sie haben gesagt, Minister Böhmdorfer referiere mit dem Staatsanwalt und der Staatsanwalt referiere wieder mit einem einzuvernehmenden Herrn Rechtsanwalt Böhmdorfer, und Sie sagen, dass das unvereinbar sei. – Diese Argumentation ist in höchstem Maße unredlich. Unredlich deshalb, weil Sie selber – ich kann Ihnen Ihre Pressemitteilungen darlegen – die Auffassung vertreten haben, dass das, was Rechtsanwalt Böhmdorfer vor über fünf Jahren in dem Prozess gesagt hat, nicht strafbar ist. Sie selber als Oppositionspolitiker sagen also, dass das Verhalten des damaligen Rechtsanwaltes und nunmehrigen Ministers Böhmdorfer nicht strafbar war. Das heißt aber mit anderen Worten, dass Sie genau wissen, dass Minister Böhmdorfer als Beschuldigter in eigener Sache niemals vor dem Staatsanwalt stehen und einvernommen wird. – Das ist das eine Unredliche.

Das zweite Unredliche ist, dass Sie kritisieren, dass er als Zeuge einvernommen wird. Herr Kollege Van der Bellen! Dazu möchte ich Ihnen schon sagen: Wenn das unvereinbar sein soll – dass jemand Justizminister ist und deshalb nicht in der Lage sein soll, in einem Vorverfahren, in einer Vorerhebung als Zeuge auszusagen –, dann kann man jeden Justizminister, der in Österreich amtiert, abschießen. Da braucht nur der Anzeigende die zeugenschaftliche Einvernahme das amtierenden Ministers zu beantragen, der Staatsanwalt schickt dem Minister eine Ladung, dann wäre schon per se seine Stellung als Zeuge nicht mehr vereinbar mit seiner Stellung als Justizminister. – So kann es doch nicht gehen! Da könnte man jeden Minister beliebig hinausschießen. (Abg. Dr. Kostelka: Ja und?)

Noch etwas – Sie sagen: Na ja, der Staatsanwalt wird jetzt die Einvernahmen durchführen, und der Minister hat eine positive Einschätzung zu Gunsten eines Freundes gemacht. – Welches Verständnis haben Sie denn von der Tätigkeit eines Anwaltes? Welches Verständnis haben Sie denn von der Funktion, von der Persönlichkeit der österreichischen Staatsanwälte? (Rufe bei den Grünen: Des Ministers!)

Glauben Sie wirklich allen Ernstes, dass, wenn ein Minister privat (Abg. Schieder: So privat!)  – und das sei ihm auch wirklich zugestanden, das zeichnet ihn auch aus – zu einem Freund steht und der Auffassung ist (Abg. Schieder: Das war nicht privat!), dass dieser über alle Maßen darüber erhaben ist, sich ein Staatsanwalt in Österreich beeinflussen lässt, die Einvernahme oder die Vorerhebung in der einen oder anderen Richtung durchzuführen? – Das ist doch lächerlich, Herr Kollege! Das wissen wir doch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben eine funktionierende Staatsanwaltschaft in Österreich, wir haben eine funktionierende Oberstaatsanwaltschaft und ein funktionierendes Justizministerium. Es ist ganz einfach lächerlich, wenn Sie glauben, da eine Unvereinbarkeit ableiten zu können.

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Der Prozess, der da jetzt breit getreten wird, hat ja – das wissen wir alle – vor fünf Jahren stattgefunden. Damals ist Dr. Vana – ich habe auch den "Falter" gelesen – aufgetreten. Dr. Vana ist ein Anwalt der Grünen, was absolut nichts sagt; es ist sein gutes Recht, die Grünen zu vertreten. Er hat damals eine ehemalige Grün-Mandatarin vertreten und eine weitere Person aus dem grünen Bereich. – Niemand hat fünf Jahre lang irgendetwas daran gefunden, dass ein Schriftstück vorgelegt wurde. Fünf Jahre lang hat es gebraucht, bis auf einmal der Herr Kollege Vana gegenüber einem Reporter der Zeitschrift "Falter" gesagt hat, das sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. – Keine Anzeige bei der Anwaltskammer, keine Strafanzeige – nichts. Aber auf einmal soll das ein Skandal sein! Herr Kollege Van der Bellen! Das können Sie uns hier nicht weismachen.

Ich sage Ihnen noch etwas, insbesondere in meiner Eigenschaft als Anwalt: Ich empfinde diese Diskussion über die Vorlage beziehungsweise Nichtvorlage von Beweismitteln als falsch. Ich finde diese Diskussion insofern falsch, als sie in Wirklichkeit auf die freie Anwaltschaft und deren Befugnisse durchschlägt. Darf ich Ihnen ein Beispiel sagen, Herr Kollege Van der Bellen:

Wenn in einer Scheidungs-Causa der scheidungswillige Mann seinem Anwalt einen Brief zeigt, den seine Frau von ihrem Liebhaber erhalten hat, dann ist der Anwalt doch selbstverständlich dazu angehalten und auch berechtigt, diesen Brief bei Gericht vorzulegen – wobei möglicher


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weise das Briefgeheimnis verletzt wird oder auch nicht. Darüber brauchen wir doch überhaupt nicht zu diskutieren. Der Anwalt ist nicht dazu verpflichtet, den Großinquisitor zu spielen, sondern er hat alles unumwunden vorzubringen, um den Rechten seines Klienten zum Durchbruch zu verhelfen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die Analogie hinkt!)

Frau Kollegin Lichtenberger! Wenn Sie hier den Kopf schütteln, dann zeigt das eine eigenartige Gesinnung gegenüber den Instrumentarien dieses Rechtsstaates. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Ihr Beispiel ist ein bisschen seltsam gewesen!) Wir sind uns hoffentlich in einer Frage einig: dass nämlich eine unabhängige, selbstbewusste Anwaltschaft als tragende Säule unserer Demokratie notwendig ist. – Darin sollten wir uns einig sein.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch noch abschließend darauf verweisen – es wurde schon darauf Bezug genommen –: Frau Anwaltskollegin Rech, Vizepräsidentin der Wiener Rechtsanwaltskammer und Strafrechtsreferentin – sie ist eine der angesehensten Strafverteidigerinnen Österreichs –, hat völlig zu Recht gesagt: Natürlich liegt es in der Beliebigkeit beziehungsweise der Disposition des Anwaltes, von den Beweismitteln, die ihm überliefert wurden, auch Gebrauch zu machen; das muss er ja. Der einzige Grund, weshalb er nicht Gebrauch machen dürfte, ist, wenn er an der Echtheit zweifelt, also wenn es sich um ein gefälschtes Schriftstück handelt. Da gebe ich Ihnen selbstverständlich Recht, das darf er nicht vorlegen. Das ist aber, wie Sie ganz genau wissen, im gegenständlichen Fall nicht geschehen.

Ich komme zum Schluss. – Das, was Sie hier heute versucht haben – auch mit Hilfe der Medien – zu konstruieren, ist nicht mehr als ein Sturm im Wasserglas. Ihr Misstrauensantrag hat sich als völlig substanzlos erwiesen und in sich selbst aufgelöst. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Eine Seifenblase!)

16.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pistotnig. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

16.42

Abgeordneter Jakob Pistotnig (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte heute ist Ausdruck von Neid. Ich gestehe Ihnen von den Oppositionsparteien zu, dass Sie neidisch sind auf das, was diese neue Regierung in acht Monaten auf die Füße gestellt hat. Neid tut weh, das weiß ich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben nicht nur die Pensionen abgesichert, sondern wir haben auch die geringste Arbeitslosenzahl seit vielen Jahren, und vor allem ist der Arbeiter dem Angestellten gleichgestellt worden, woran Sie ja jahrzehntelang gebastelt haben, was Sie jedoch nicht zusammengebracht haben.

Ich weiß eines: Der neue Sozialminister Mag. Haupt wird das Kinderbetreuungsgeld über die Bühne bringen – lückenlos –, sodass alle zufrieden sein können. Es wird eine Milliarde geben für Invalide, um sie wieder in die Arbeitswelt einzugliedern, und er wird auch die Gleichstellung der Frauen bewerkstelligen, die viele Frauenministerinnen in den letzten Jahrzehnten nicht zu Stande gebracht haben.

Warum soll eigentlich ein Mann – das frage ich mich den ganzen Nachmittag – nicht die Interessen einer Frau vertreten können, meine Damen? Wenn wir Ihnen zugestehen, dass Sie mit den Männern gleichgestellt sein können (Abg. Dr. Lichtenberger: Haben Sie sich schon einmal zugehört? Was wollen Sie uns "zugestehen"?), dann werden Sie auch einem Mann zugestehen, dass er Ihre Interessen vertreten kann. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wie weit sind Sie denn weg von der Wirklichkeit?)

Frau Kollegin Lichtenberger! Wenn ein Unternehmer Probleme hat, dann bittet er einen Kompetenzfremden um Rat, damit es mit dem Betrieb wieder aufwärts geht, weil Betriebsblindheit ist


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etwas, was nicht gut ist – auch in der Politik nicht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sie gestehen den Frauen etwas zu? Das ist nicht zu fassen!)

Herr Mag. Haupt als Sozialminister ist ein Top-Mann, und er wird es schaffen. Er wird das schaffen, was viele Frauen als Ministerinnen nicht geschafft haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Es ist nicht zu fassen! Die Männer gestehen den Frauen etwas zu!)

Meine Damen und Herren von der linken, roten Seite! Den ganzen Tag schon haben Ihre Redner uns erzählt, was Sie in den letzten 30 Jahren selbst versäumt haben und was Sie uns jetzt als gute Ratschläge auf den Weg mitgeben wollen. Ich gratuliere Ihnen herzlichst! Sie hätten 30 Jahre Zeit gehabt, all das zu erfüllen. Hätten Sie das getan, dann hätte Sie das Volk auch nicht abgewählt, dann wären Sie heute noch in der Regierung.

Ganz verstehen kann ich die Kollegen von den Grünen nicht. Mit "schlecht" und "Hass" ist Ihr Repertoire bereits erschöpft. Alles ist schlecht, was diese Regierung macht, nur das, was Sie machen, ist gut. – Ich verstehe nur nicht, warum Sie so wenig tun, wenn Sie nur Gutes machen können.

Ich sage Ihnen noch etwas: Hass war immer schon ein schlechter Ratgeber. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das sollten Sie sich aber in Ihr Stammbuch schreiben!) Vergessen Sie doch den Hass und vergessen Sie bitte auch den Neid – das gilt sowohl für Grün als auch für Rot. (Abg. Dr. Lichtenberger: Schreiben Sie sich das in Ihr Stammbuch!) Werden Sie konstruktiver, auch in Ihrer Oppositionsarbeit. Das ist eine schwierige Arbeit. Man kann vieles einbringen – vor allem Sachlichkeit –, und man kann auch der Regierung zugestehen, was sie wirklich leistet. Wenn Sie das zusammenbringen, dann werden Sie vom Volk wieder gewählt werden, und dann können Sie auch wieder regieren – auch wenn es erst in 30 Jahren sein soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

16.45

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Die heutige Debatte bestätigt mir das, was mir in den letzten zwölf Monaten hier im Nationalrat klar geworden ist: Vielen Damen und Herren von der Opposition geht es nicht immer um das Wohl Österreichs, nicht immer um das Wohl von Österreichs Bürgern.

Ziel der Oppositionspolitik ist es offenbar auch, Demokratie und Rechtsstaat zu unterwandern. Unser Bundesminister Haupt hat schon auf die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und Fairness hingewiesen. Die Verfassung und die Rechtsordnung sind fundamentale Werte, die es im Sinne Österreichs zu verteidigen gilt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu zählen ganz besonders der Schutz der Datensicherheit, der Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und der Schutz der Unschuldsvermutung. Unser Justizminister ist ein Garant für Rechtssicherheit im Rechtsstaat Österreich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin erschüttert darüber, dass viele Damen und Herren der Opposition und manche Medien mit haltlosen Anwürfen versuchen, unseren Justizminister an der Arbeit zu hindern. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Na so was!) Ziel ist es offenbar, in einer funktionierenden Demokratie über den Umweg einer Diktatur des Anschwärzens Anarchie zu etablieren. (Rufe bei den Grünen: Bau!) Aber seien Sie getrost: Das wird Ihnen nicht gelingen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Regierungskoalition ist dem Wohl des Wählers und dem Wohle Österreichs verpflichtet. Die Regierungskoalition wird sich der Diktatur des Anschwärzens und der Diktatur der Gewalt nicht


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beugen. Die Koalition wird ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen und jede Form von Anarchie zum Wohle Österreichs verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.48

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Herren auf der Regierungsbank! Frau Vizekanzler! Hohes Haus! (Vizekanzlerin Dr.  Riess-Passer: Vizekanzlerin! -in!)

Herr Kollege Krüger! Wir haben heute einen Antrag auf eine Staatsanwaltschaftsgesetz-Novelle eingebracht, durch die der Justizminister nicht aus der Regierung herausgeschossen werden soll – schön wäre es! –, sondern was wir verlangt haben, ist (Abg. Haigermoser: Wen wollen Sie herausschießen?), dass das Weisungsrecht, die Berichtspflicht gegenüber dem Justizminister auf den Generalprokurator – den Chef der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof – dann übergeht (Abg. Haigermoser: Das ist ja keine Schießbude!), wenn der Justizminister selbst Gegenstand von entsprechenden Untersuchungen seiner eigenen Behörde, seiner eigenen Staatsanwaltschaft ist. (Abg. Haigermoser: Kollege Kostelka! Wen wollen Sie herausschießen? – Abg. Ing. Westenthaler: Wen möchten Sie erschießen?)

Meine Damen und Herren! Was wir verhindern wollen – und ich glaube, das ist durchaus legitim –, ist, dass der Anwalt der Verdächtigen zum Chef der Untersucher wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister! Sie haben mit beredten Worten in Abrede gestellt, dass Sie in Ihrer Eigenschaft als Bundesminister die rechtliche Möglichkeit hätten, sich Informationen zu beschaffen, die Ihnen als Verdächtiger, als Beschuldigter – wie auch immer –, jedenfalls als Objekt der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht werden und die für Sie in dieser zweiten Funktion hilfreich wären.

Sie haben in Abrede gestellt, dass Sie sich auf diese Art und Weise auf Hausdurchsuchungen vorbereiten können, Einvernahmen untersagen und Kontoöffnungen unterbinden könnten.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sie haben darüber hinaus behauptet, dass jede Weisung in der Staatsanwaltschaft der Schriftlichkeit bedarf. Lesen Sie nach im § 29 Abs. 1 des Staatsanwaltschaftsgesetzes! Dort steht genau das Gegenteil.

Sie haben darüber hinaus auch behauptet, dass allein dann, wenn Gesetzwidrigkeit vorliegt, die Staatsanwaltschaft, der entsprechende Funktionär der Staatsanwaltschaft von sich aus die Befolgung einer Weisung untersagen könnte. Das kann er nur bei Strafgesetzwidrigkeit, wie Sie wissen, Herr Bundesminister! Sie haben es aber bei reiner Rechtswidrigkeit behauptet. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang bitten, in § 30 Abs. 1 bis 3 des Staatsanwaltschaftsgesetzes nachzulesen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, Herr Bundesminister: Entweder sind Sie ein schlechter Anwalt, oder Sie haben unwissentlich die Unwahrheit gesagt.

Was wir wollen, ist, dass Sie nicht Chef der Ermittler sind, wenn gegen Sie ermittelt wird. Das ist in jedem Rechtsstaat eine absolute Selbstverständlichkeit! Ich mache mir langsam meine Gedanken darüber, warum Sie sich dagegen zur Wehr setzen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Sie spielen Ankläger und Richter! Ankläger und Richter! Das ist Ihres! Ankläger und Vollstrecker!)

Herr Bundesminister! Sie haben von dieser Regierungsbank aus behauptet, dass Sie sich in Ihren Schriftsätzen noch nie auf Akten der Sicherheitsverwaltung gestützt hätten. Ich habe hier zwei Schriftsätze von Ihnen. Der eine ist vom 19. Jänner 1996, in dem Sie in diesem Zusammenhang (der Redner hält ein Dokument mit den entsprechenden Abbildungen in die Höhe)  –


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das sind jene Bilder, meine Damen und Herren, die der Herr Bundesminister für "Passfotos" gehalten hat – darauf hinweisen: "Beweis: beiliegende Kopie von Front- und Profilaufnahmen". Herr Bundesminister! Wie oft haben Sie sich denn für einen Pass im Profil fotografieren lassen? (Beifall bei der SPÖ.)

Aber damit nicht genug, meine Damen und Herren! Eine Seite weiter heißt es in Ihrem Schriftsatz: "Beweis: beizuschaffender Akt KR 4328-F-89 des Koat Favoriten". – Sie haben sich nie auf einen Akt der Sicherheitsverwaltung gestürzt? (Abg. Haigermoser: Gestürzt?) In diesem Zusammenhang heißt es weiter in Ihrem Schriftsatz: Beweis: Erhebungen des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich. Einen Absatz weiter: Darüber hinaus existiert "umfangreiches Bildmaterial" in der Staatspolizei.

Das Allerbeste, meine Damen und Herren: In einem Schriftsatz vom 9. Juli 1997 verweisen Sie sogar auf einen bundesrepublikanischen Akt, einen Akt, den es zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik überhaupt nicht mehr gegeben hat, weil er auf Grund der Verjährung bereits skartiert wurde. (Abg. Haigermoser: In welcher "Bundesrepublik"?) Er hat nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland existiert, sondern nur noch im EKIS, weil es sich in diesem Zusammenhang um eine Österreicherin gehandelt hat. (Abg. Dr. Puttinger: Woher wissen Sie das?) Sie zitieren in diesem Schriftsatz einen Strafakt des Amtsgerichtes Berlin Tiergarten, Aktenzeichen 1-TLS-4/81 und 249CS-L-145/80. (Abg. Dr. Puttinger: Woher wissen Sie das?)

So viel dazu, meine Damen und Herren, dass der Herr Bundesminister hier vor diesem Haus vor wenigen Stunden behauptet hat, sich in Schriftsätzen als Anwalt nie auf Akten bezogen zu haben, die aus der Sicherheitsverwaltung stammen. (Abg. Rosemarie Bauer: Woher haben Sie die Unterlagen?) Hier ist der Gegenbeweis, meine Damen und Herren! Wenn Sie mich fragen, woher ich das habe: sehr einfach, nämlich mit Zustimmung des Betroffenen, gegen den dieses Verfahren geführt wurde, von der die Veröffentlichung führenden Zeitschrift. (Ah-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat hier schlicht und einfach die Unwahrheit gesagt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haigermoser: Den Teufel werden wir uns scheren um das, was Sie verzapfen! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Bundesminister Strasser hat in der heutigen Ausgabe der Zeitung "Standard" angekündigt, dass er bereit ist, die entsprechenden Namen von Bespitzelten bekannt zu geben, falls ihn das Parlament dazu auffordert. Ich glaube, wir sollten Herrn Bundesminister Strasser dazu die Möglichkeit geben.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka und GenossInnen betreffend Ermächtigung zur Erteilung von Auskünften über bespitzelte Personen im Zusammenhang mit der illegalen Weitergabe von Polizeidaten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Inneres wird ersucht, gemäß seiner eigenen Ankündigung

1. die Namen der bespitzelten Politiker sowie

2. die Namen der übrigen Spitzelopfer nach Einholung einer diesbezüglichen Erlaubnis durch die Betroffenen


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dem Nationalrat umgehend mitzuteilen.

*****

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns die heutige Debatte ansehen, so ist eines klar: dass für Sie die Unschuldsvermutung jene Krücke ist, auf der Sie sich humpelnd durch diese heutige Debatte bewegt haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was wir von Ihnen fordern, ist schlicht und einfach, dass Sie die Fakten anerkennen. Die Fakten sind, dass Sie es einmal mehr abgelehnt haben, den Justizminister daran zu hindern, dass er das Verfahren gegen sich verkürzt. Was wir in diesem Zusammenhang fordern, ist die Bereitschaft von Ihnen, mitzutun, wenn es darum geht, Schaden an der Justiz zu verhindern, so wie das die Präsidentin und der Präsident der Richtervereinigung gefordert haben.

Meine Damen und Herren! Herr Justizminister! Wenn Sie nicht Manns genug sind – wie das so oft Ihre Formulierung ist –, die Konsequenz zu ziehen, die Ihr eigener Justizapparat, die die Richter und Richterinnen dieses Landes von Ihnen verlangen, dann werden wir die entsprechenden Anträge stellen, dass Sie der Justiz dieses Landes keinen Schaden mehr zufügen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der "ultimative Gegenschlag" des Kollegen Westenthaler ist im Grunde genommen eine Sammlung von Zitaten, die sich selbst relativieren und dort, wo das nicht der Fall war (Abg. Ing. Westenthaler: Das werden wir ja sehen!), in einem Fernsehinterview vom Verfasser selbst relativiert wurden.

Herr Kollege Westenthaler! Was aber wirkliche Vorverurteilung war, ist, dass Sie den Staatsanwälten dieses Landes parteipolitische Spielchen vorgeworfen haben. Meine Damen und Herren, das ist eine Ungeheuerlichkeit gegenüber der Justiz! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn es in diesem Land eine Partei gibt, die Vorverurteilung zu einem Element ihrer Politik gemacht hat, dann sind es mit absoluter Sicherheit die Freiheitlichen. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang an Professor Doralt erinnern, dem Sie eine Verwicklung in einen Bauskandal, den es so nie gegeben hat, vorgeworfen haben. Ich darf Sie erinnern an beleidigende und wahrheitswidrige Äußerungen über einen Direktor der Salzburger Gebietskrankenkasse. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie aus parteipolitischer Opportunität einen Schuldirektor des Alkoholismus geziehen haben. Das ist die Marke Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Ofner, Herr Kollege Krüger, aber auch Herr Bundesminister! Herr Kollege Ofner hat gemeint, der Rechtsanwalt sei der "Fremdenlegionär" seines Mandanten. – Ich muss zugeben, dass das ein Selbstverständnis des anwaltschaftlichen Berufes ist, wie es mir, aber auch den meisten Anwälten dieses Landes fremd ist. Wissen Sie, warum, Herr Kollege Ofner? (Abg. Dr. Ofner: Ich will es nicht wissen! Lege keinen Wert darauf!) Weil nämlich die Fremdenlegion zur Voraussetzung hat, dass es keine Nachprüfung des Vorlebens und auch der Vorstrafen gibt (Abg. Haigermoser: Wen wollen Sie einmal herausschießen, Herr Kollege?), dass jeder Fremdenlegionär letztendlich eine neue Identität bekommt (Abg. Haigermoser: Wen wollen Sie herausschießen, und wo?) und dass ausschließlich nach den Regeln des Kriegsrechtes gehandelt wird. (Abg. Haigermoser: Wie und wo wollen Sie jemanden herausschießen? Mit welchen Mitteln?)

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie, Herr Kollege Ofner (Abg. Haigermoser: Das sollten Sie einmal beantworten! Wen wollen Sie herausschießen?), ich darf Sie, Herr Kollege Krüger, daran erinnern, dass es auch einen § 9 der Rechtsanwaltsordnung gibt (Abg. Haigermoser: Da kommen Sie nicht mehr heraus!), der Sie zur Wahrung aller Gesetze, auch des Datenschutzgesetzes, verpflichtet. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haigermoser: Da kommen Sie nicht mehr heraus! Wen wollen Sie herausschießen?)

Herr Kollege Ofner! Wenn Sie sich so leicht darüber hinwegsetzen, dann darf ich Sie schon ersuchen, ernsthaft zu wählen – ernsthaft zu wählen zwischen dem Beruf eines Rechtsanwaltes


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und dem eines Consigliere einer ehrenwerten Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wenn Sie noch ein paar Stunden reden ...! – Abg. Dr. Ofner: Das ist skandalös! ... Das wird Ihnen noch Leid tun!)

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass Sie von Kommentatoren vorgeworfen bekommen, dass Sie einen totalitären Geist in der Politik, die Sie machen, umsetzen. (Abg. Haigermoser: Den haben Sie!) Ihre einzige Antwort in diesem Zusammenhang ist, dass Sie von kranken Gehirnen einiger Journalisten sprechen.

Meine Damen und Herren! Die Verdachtslage ist dicht (Abg. Haigermoser: Sie haben das nicht gesagt! Das war Herr Gusenbauer!), und sie wird immer dichter. Nicht ist mehr die Rede davon, dass aus einem Spitzelskandal die Luft heraußen ist. In drei Landesregierungen werden gegen freiheitliche Landesregierungsmitglieder Vorerhebungen geführt. Heute sind insgesamt elf Mitglieder der Sicherheitsverwaltung auf Grund des von Ihnen zu verantwortenden Skandals suspendiert worden. Im Grunde genommen werfen Ihnen Ihre eigenen Kronzeugen der Vergangenheit, Aufdeckungsjournalisten und entsprechende Magazine vor, dass Sie eine Politik gemacht haben, die eine Demokratieverachtung verwirklicht.

Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich endlich Ihrer Verantwortung! Stellen Sie sich endlich der Auseinandersetzung um diese Behauptungen, und entziehen Sie sich nicht mit nebulosen Feststellungen der Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Jung: Haben Sie sich wieder profilieren müssen, Herr Kollege Kostelka?)

17.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Restliche Redezeit: 3 Minuten.

17.02

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf den "Weisen"-Bericht verweisen. Darin heißt es in Bezug auf Justizminister Böhmdorfer – ich zitiere –:

"Wir sind der Auffassung, dass eine solche Position eines Ministers in der Bundesregierung nicht mit den Verpflichtungen eines Staatsorgans vereinbar ist". – Zitatende. (Abg. Mag. Kukacka: Was anderes fällt Ihnen nicht ein?)

Das ist eine klare und eindeutige Feststellung. Nur konnten die Verantwortlichen der Europäischen Union damals noch nicht wissen, dass es sich beim gegenwärtigen Justizminister um den Vertrauensanwalt und juristischen Exekutor des illegalen freiheitlichen Spitzelringes handelt. (Beifall bei den Grünen.)

Justizminister Böhmdorfer ist im freiheitlichen Spitzel- und Rufmordsystem nicht irgendwer. Er ist eine Schlüsselperson. Irgendwer musste ja die Instrumente des Rufmordes, die andere illegal aus den Polizeicomputern beschafft hatten, auch vor Gericht einsetzen. (Abg. Jung: Das sagt der revolutionäre Marxist!) Es war nur logisch – aus der freiheitlichen Parteilogik heraus –, dass man denjenigen, dem man parteiintern zu Recht alles vor Gericht zugetraut hat, dann auch zum Justizminister macht, weil nur ein Justizminister Böhmdorfer der Freiheitlichen Partei und ihren schwerst belasteten Funktionären diesen Rest an politischer Sicherheit bieten kann, den kein anderer Jurist und Minister dieses Landes bieten könnte.

Die Samstags-Erklärung, der Freispruch, der Persilschein für Jörg Haider mit dem jetzt schon historischen Satz "Jörg Haider ist über jeden Zweifel erhaben" – "erhaben"! (Heiterkeit des Redners)  –, hat gezeigt, dass sich die Freiheitliche Partei nach wie vor auf den Anwalt des Spitzelringes als Mitglied der Bundesregierung verlassen kann.

Das ist ein weiterer Grund dafür, warum die Forderung der Europäischen Union und ihrer "drei Weisen" jetzt besondere Brisanz gewinnt. Das ist keine österreichische Affäre. Das ist auch keine freiheitliche Affäre: Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung und dieser Republik im demokratischen Europa! Es ist eine Frage der demokratischen Glaubwürdig


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keit und Rechtsstaatlichkeit, ob der Nationalrat und ob die österreichische Politik in der Lage dazu sind, mit der politischen Altlast Dr. Böhmdorfer fertig zu werden.

Meine Damen und Herren! Es ist durchaus möglich, dass die Österreichische Volkspartei den Empfehlungen von Landeshauptmann Weingartner und Landeshauptmann-Stellvertreter und Vizebürgermeister Görg noch nicht folgt. Weingartner und Görg sind ein Anfang; wer die ÖVP kennt, weiß: Es werden weitere kommen. Wahrscheinlich hätten wir außerhalb dieses Hauses gemeinsam mit vielen Spitzenfunktionären der ÖVP schon eine satte Mehrheit. Aber Weingartner, Görg und andere, die besser als die hier Sitzenden wissen, was die ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihre Redezeit ist erschöpft, Herr Abgeordneter. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz. – Diese werden Sie schon noch daran erinnern, dass letzten Endes sie nicht diejenigen sein werden und wollen, die den kompletten Preis für den politischen Konkurs der Freiheitlichen Partei zahlen wollen. Heute werden Sie uns noch niederstimmen. Aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, Herr Dr. Böhmdorfer. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

17.06

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich muss eines klarstellen, Herr Dr. Kostelka. Sie wissen es, glaube ich, ohnedies, weil Ihre Frau Rechtsanwältin ist, und deshalb kann einem das nicht entgehen.

Es ist ein Unterschied, ob man einen Akt hat und ihn vorlegt – das wurde mir vorgeworfen – oder ob man – was in Österreich täglich hundertfach geschieht – einen Akt zur Beischaffung beantragt, zur Beischaffung auf Grund erteilter Informationen, denen man als Rechtsanwalt pflichtgemäß nachgehen muss. Man stellt einen Antrag bei Gericht, und das Gericht schafft bei.

Das ist ein ganz legaler Vorgang. Das habe ich gemacht – und sonst nichts. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der mir jetzt vorliegende Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Genossen und Genossinnen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Westenthaler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.07

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wieder einmal Klubobmann Kostelka überlassen geblieben, einmal mehr in die unterste Lade zu greifen und sich einmal mehr des Mittels des Ehrabschneidens zu bedienen. (Abg. Öllinger: Da sind schon Sie drinnen!) Ich sage das ganz bewusst, nachdem er sich hierher gestellt und schon wieder eine Unwahrheit behauptet hat – eine unglaubliche Unwahrheit! Er hat nämlich behauptet, dass gegen den Justizminister derzeit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen.

Das haben Sie hier heute behauptet – das ist falsch! (Abg. Dr. Martin Graf: Das hat er gesagt!) Das ist eine Unwahrheit! Kommen Sie heraus, und nehmen Sie das zurück! Sie sind sehr rasch der Unwahrheit überführt worden. Schämen Sie sich dafür, Herr Kollege Kostelka! Ich sage Ihnen das ganz ehrlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Aber das ist Ihr Stil der untersten Schublade! Das ist Ihr Stil der Schlammschlacht! (Abg. Mag. Prammer: ... was Sie eben machen!) Genauso wie Sie seit einer Pressekonferenz am 18. September bis heute den Vorwurf aufrechterhalten, dass im Justizministerium, wenn bestimmte Schlüsselwörter fallen, die Telefone abgehört werden! Herr Kollege Kostelka, Sie waren sich nicht einmal zu schade, so einen letztklassigen Vorwurf zu erheben, ohne auch nur ein Jota eines Beweises in der Hand zu haben. Und heute wieder: Heute gehen Sie wieder heraus, und wieder diffamieren Sie diesen Justizminister!

Ich sage Ihnen, mit all diesen Diffamierungen disqualifizieren Sie sich nicht nur selbst, sondern Sie stellen damit auch die Qualität Ihres Misstrauensantrages mehr als in Zweifel, der ohnehin mehr als dubios ist und daher heute von uns auch abgelehnt werden wird. Er hat keine Berechtigung, und mit diesen Argumenten schon gar nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie ein Ehrenmann sind, Herr Kollege Kostelka, und wenn Sie noch einen Funken von Anstand in sich haben, dann wären Sie dazu verpflichtet, wegen dieser Behauptungen, der Schmutzkübel-Kampagne in diesen zwei Fällen – nämlich dass im Ministerium Telefone auf Schlüsselwörter hin abgehört werden und dass der Justizminister von den Behörden bereits verfolgt wird – hier herauszugehen, sich dafür zu entschuldigen und zu sagen: Ich bin falsch gelegen. – Wenn Sie ein Ehrenmann sind! Sie sind es nicht, und deswegen bringen Sie es auch nicht zustande. Das ist es, was wir an Ihnen kritisieren, Herr Kollege Kostelka! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie werden – wir haben das soeben erfahren – noch genügend Aufräumarbeiten haben. Mittlerweile wurde ja bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Vorerhebungen gegen sozialistische Funktionäre eingeleitet hat, die im Verdacht des Amtsmissbrauches im Zusammenhang mit der laufenden Datenmissbrauchsaffäre stehen. (Hallo-Rufe bei den Freiheitlichen.) Es sind die ersten Vorerhebungen eingeleitet worden, und es werden noch einige folgen. (Abg. Dr. Kostelka: Gegen Ihre Leute!) Es werden noch einige auf Grund der Strafanzeige folgen, die ich heute der Staatsanwaltschaft übermittelt habe. Es steht ja auch schon in den Zeitungen. In der "Kleinen Zeitung" lautet die Schlagzeile: "Spitzelaffäre: Heiße Spur nach Kärnten." Hört, hört, was da steht – ich zitiere –:

"Zum Kreis der Verdächtigen gehören auch ein ranghoher Kärntner Kommunalpolitiker der SPÖ, der hauptberuflich Exekutivbeamter ist, sowie ein sozialdemokratischer Personalvertreter. Sie sollen mit Hilfe des Polizeicomputers ausgerechnet" – und jetzt wird es fast schon amüsant, wenn es nicht so traurig wäre! – "illegale Recherchen über einen gewissen Herrn Peter Ambrozy angestellt haben." – Zitatende. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ihr bespitzelt eure eigenen Leute in Kärnten und geht hier heraus und spielt Richter und Ankläger zugleich, und das macht euch so unglaubwürdig! Deswegen werdet ihr auch euer Waterloo in dieser Affäre erleben! Das verspreche ich Ihnen, Herr Kollege Kostelka! Das ist ein für alle mal klar! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Pilz ist überhaupt der Allerbeste: Kollege Pilz meint nämlich überhaupt, dass er schon der Richter ist, und verurteilt hier am Rednerpult, indem er über den Justizminister herzieht und meint, dass überhaupt alles fürchterlich sei! – Dabei ist er ein Mann, der die Vorgangsweise dieses Hauses mit Methoden des Milošević-Systems vergleicht, ein Mann, der in einem Interview, in dem er gefragt wird, wie für ihn die Utopie einer funktionierenden Gesellschaft aussieht, sein Staatsverständnis so definiert: “Das schaut so aus, dass es keinen Staat gibt. Das ist einmal das Erste. Dieses Gewaltinstrument darf es nicht mehr geben." – Heute setzt er seinen ersten Schritt mit einem Misstrauensantrag, um diese staatszersetzende Philosophie, die Sie haben, fortzuführen. Sie werden damit nicht reüssieren in Österreich! Wir werden auf die Demokratie in diesem Hause und in diesem Land achten, dass sie nicht von jemandem wie Ihnen aus den Angeln gehoben wird! Merken Sie sich das, Herr Kollege Pilz! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Pilz ist ein Mann, der nicht davor zurückschreckt, vor Gericht eine falsche Zeugenaussage zu machen, weil es in einem Fall, den ich gewonnen habe, eng für ihn wurde. Ich habe hier


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völlig legale Dokumente und Unterlagen aus einem Justizfall, in dem Sie laut Protokoll behauptet haben, dass Magistratsdirektor Bandion Ihnen Mitteilungen gemacht und Unterlagen gegeben hätte. Genau dieser Magistratsdirektor Bandion sagte dann vor Gericht aus, dass er mit Ihnen nie über diese Causa gesprochen hat. – Ich erwähne diese Causa jetzt nicht, denn sie ist abgeschlossen. Aber das zeigt: Sie sagen vor Gericht falsch aus. Als der Magistratsdirektor einvernommen wurde, hat er Ihre Aussage widerlegt. Das sind Ihre Methoden: falsch aussagen, diffamieren, Staat zersetzen! (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist typisch Pilz!) Das sollten Sie sich abgewöhnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (fortsetzend) : Meine Damen und Herren! Ich glaube, Ihre heutige Attacke, die so groß angekündigt war, ist nichts anderes als ein kleiner, aber misslungener Rohrkrepierer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

17.13

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Herr Klubobmann Westenthaler, bitte teilen Sie Ihren Leuten mit, dass das hier das Parlament und kein Bierzelt ist und daher ein anderes Verhalten erforderlich wäre! (Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Was wir heute erlebt haben, ist an Einzigartigkeit nicht zu überbieten. Gegenstand einer Debatte war neben der Vorstellung des neuen ... (Abg. Mag. Schweitzer: Sag etwas zu den sozialdemokratischen Funktionären! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Können Sie bei dem Geschrei noch hören, was ich sage, oder hören Sie nur das Geschrei?

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Sie sind nach wie vor am Wort.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Danke schön. – Sie haben noch immer nicht kapiert, dass das kein Bierzelt, sondern das Parlament ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat heute in seiner Einleitungsrede neben der Vorstellung des Sozialministers auf die so genannte Spitzelaffäre hingewiesen. Daher ist auch das Gegenstand der Debatte gewesen. Und wir haben heute hier erlebt, dass die Freiheitliche Partei ein Musterbeispiel ihres Politik- und Demokratieverständnisses abgegeben hat. (Abg. Haigermoser: Geh!) Nicht mit einem einzigen Wort hat irgendjemand von Ihnen erwähnt, dass es Grundlage der öffentlichen Auseinandersetzung ist, dass gegen wesentliche Spitzenfunktionäre der Freiheitlichen Partei Vorerhebungen durchgeführt werden, und zwar nicht von Medien und nicht von anderen Parteien, sondern von der Staatsanwaltschaft! (Abg. Dr. Martin Graf: Ambrozy! – Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit den sozialistischen Funktionären?) Das ist kein Ergebnis irgendwelcher Verschwörungen, sondern das Agieren österreichischer Rechtsorgane! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das können Sie durch noch so windige Ablenkungsmanöver nicht wegreden. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. ) Herr Westenthaler! Das ist das Faktum, mit dem wir uns hier zu beschäftigen haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Gegen Ihre Funktionäre laufen Vorerhebungen!)

Dass Sie heute alle beschimpft haben, angefangen damit, dass Sie einen Abgeordneten als "staatszersetzend" bezeichnen, dass sich der Herr Justizminister erdreistet, von der Regierungsbank Abgeordnete persönlich zu beleidigen, weil ihm nichts anderes mehr einfällt, dass Sie österreichische Journalisten als "Schmierkübel-Journalisten" bezeichnen, dass Ihr Altparteiobmann von den "kranken Gehirnen in den Redaktionen" redet, all das zeigt ganz eindeutig: Sie schlagen um sich wie ein Ertrinkender, mit allen Mitteln! (Abg. Ing. Westenthaler: Gegen Ihre Funktionäre laufen Vorerhebungen!) Das wird Sie nicht retten, meine sehr verehrten Damen und


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Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Jung: Ihre Zeit läuft immer mehr ab!)

Sie stellen sich her und sagen: Wenn irgendjemand ein Ehrenmann sein will, dann sollte er Folgendes tun. – Da sage ich ganz offen und ehrlich: Wenn die Standards für einen Ehrenmann einmal von Herrn Westenthaler gesetzt werden, dann haben wir es "weit" gebracht in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten nicht applaudieren, Herr Kostelka!)

Bei all dem, was hier heute geboten wurde, haben Sie nicht einen Funken von Unrechtsbewusstsein, Sie hinterfragen überhaupt nicht kritisch, ob all die Methoden, die Sie angewendet haben, richtig waren, Sie stellen sich nicht mit einem einzigen leisen Zweifel die Frage, ob es richtig war, dass offensichtlich einzelne Funktionäre der Freiheitlichen in überbordendem Eifer jede Information in der Öffentlichkeit verwendet haben, um politische Kritiker mundtot zu machen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind ein Österreich-Vernaderer, wie er im Büchel steht!) Nicht ein einziger Zweifel ist von Ihnen gekommen! Wissen Sie, was das ist? – Sie haben einen totalitären Politikstil! (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit den Vorerhebungen gegen sozialistische Funktionäre?)

Soll ich Ihnen noch etwas sagen? – Die Grundlage dieses Staates, das Fundament dieses Rechtsstaates ist unsere Verfassung und nicht der Herr Böhmdorfer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war aber eher schwach!)

17.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Kiss zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter! Beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen. Ihre Redezeit beträgt 2 Minuten. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine Herren Minister! Abgeordneter Caspar Einem – er ist der ehemalige Innenminister – hat in seinem Debattenbeitrag drei tatsachenwidrige Behauptungen aufgestellt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Hören Sie doch zu, Frau Kollegin Mertel! Geben Sie mir die Chance, diese tatsachenwidrigen Behauptungen hier einmal zu deponieren und dann eine Richtigstellung durchzuführen!

Erstens: 1995 hätte mir ein Mitarbeiter des Innenministeriums einen – übrigens gesetzeswidrigen – PKK-Akt übergeben. Zweitens: Ich hätte monatelang im Parlament mit diesem Akt Politik gemacht. Drittens: Ich hätte mich in diesem Zusammenhang zum Hüter der Moral aufgespielt. (Zwischenruf des Abg. Grabner. )

Herr Kollege Einem als Abgeordneter und ehemaliger Innenminister! Ich berichtige die wahrheitswidrigen Aussagen, die Sie hier gemacht haben, tatsächlich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Erstens: Nicht ein Mitarbeiter des Innenministeriums, sondern ein hochrangiges SPÖ-Mitglied hat mir diesen gesetzeswidrigen Weisungsakt der PKK übergeben. Dies zum Ersten.

Zweitens: Ich habe nicht monatelang im Parlament mit diesem Akt Politik gemacht, sondern ich habe unmittelbar, nachdem mir dieses SPÖ-Mitglied diesen Akt übergeben hat, den Akt der Staatsanwaltschaft Wien zur entsprechenden Strafverfolgung übergeben und außerdem in einer Pressekonferenz und auch im Parlament diese Informationen weitergeleitet.

Drittens: Ich habe mich nie zum Hüter der Moral aufgespielt, wie übrigens auch meine Partei nicht. Wir sind die Hüter des Gesetzes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, und zwar gelangen wir zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen betreffend Versagen


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des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen betreffend Aufforderung an den Bundeskanzler, im Sinne des Art. 70 Bundes-Verfassungsgesetz dem Bundespräsidenten vorzuschlagen, den Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer von seinem Amt zu entbinden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend Erhöhung der Treffsicherheit des Bundespflegegeldgesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Reitsamer und Genossen betreffend unvertretbare Verschlechterungen im Arbeitslosenversicherungsbereich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pittermann und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dobnigg und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich des Pflegegeldes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen betreffend Ermächtigung zur Erteilung von Auskünften über bespitzelte Personen im Zusammenhang mit der illegalen Weitergabe von Polizeidaten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pilz und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sowie den Antrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.


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Diese Anträge wurden inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Die Anträge haben folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Pilz, Freunde und Freundinnen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgender Gegenstände wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt:

1. Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich.

2. Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörden, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt personenbezogene Daten an dazu nicht Berechtigte weitergegeben wurden.

Zusammensetzung: 5 SPÖ, 4 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Grüne.

*****

Antrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Cap, Dr. Wittmann und GenossInnen gemäß § 33 GOG betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis SPÖ: 5, Freiheitliche: 4, ÖVP: 4 und Grüne: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates;

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bundesministeriums für Inneres und anderer Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten hin überprüfen.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Im Einvernehmen mit den Antragstellern wird über die erwähnten Anträge eine gemeinsame Debatte unpräjudiziell durchgeführt, wobei dem jeweiligen Erstredner zur Begründung eine Redezeit von je 10 Minuten zur Verfügung steht und im Anschluss daran je ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von 5 Minuten zu Wort gelangt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller Abgeordneter Dr. Pilz. Die Uhr ist auf 10 Minuten gestellt.


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17.24

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal – es war noch nicht übermäßig oft – begründe ich, warum die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Klärung der Spitzelaffäre notwendig ist.

Ich sage Ihnen gleich etwas dazu: Mich regt es überhaupt nicht auf, dass ich – wie ich glaube – jetzt zum dritten Mal einen Antrag begründe und zum dritten Mal mit einer Ablehnung rechnen kann. Wissen Sie, wie lange wir bei "Lucona" und "Noricum" gebraucht haben? – Zehn, 15 oder knapp 20 Mal! Die leidgeprüften Kolleginnen und Kollegen, damals nicht von der Freiheitlichen Partei, können sich zum Teil noch gut daran erinnern: Irgendwann, auch wenn es am Anfang nicht so scheint, ist die Zeit für den Ausschuss reif. Und ich werde Ihnen jetzt jedes Mal, wenn wir einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses begründen, ein paar neue Informationen zum Nachdenken geben.

5. Juli 1995, Sondersitzung von Jörg Haider in diesem Hause einberufen: Jörg Haider geht an das Rednerpult, wendet sich an Justiz- und Innenminister und schildert in bewegten Worten die Vergehen und Verbrechen der so genannten Scheinasylanten. Er zitiert dazu aus drei geheimen Akten des Innenministeriums.

Rückblende – kurze Zeit vorher in den Räumlichkeiten des freiheitlichen Klubs –: Jörg Haider trifft dort zwei Beamte der Wiener Polizei, einer davon ist heute noch Landtagsabgeordneter der FPÖ in Wien. Und ich frage jetzt einige Abgeordnete, ob sie zufällig mitbekommen haben, was damals im Klub vor sich gegangen ist. Ich frage Frau Abgeordnete Partik-Pablé, ich frage Herrn Abgeordneten Jung, ich frage Herrn Abgeordneten Graf und ich frage Herrn Ex-Abgeordneten Haupt: Können Sie uns vielleicht sachdienliche Hinweise geben, was damals in der Früh des 5. Juli 1995 im freiheitlichen Parlamentsklub geschehen ist? War Jörg Haider mit den beiden Beamten wirklich allein? Oder waren da noch etliche andere dabei, und mit welchen Wahrnehmungen können Sie sich an der Aufklärung dieses Sachverhaltes beteiligen?

Jetzt möchte ich es den genannten Abgeordneten und auch anderen nicht extra schwer machen. Wissen Sie, was das Gute an Untersuchungsausschüssen ist, Herr Abgeordneter Graf? – Man muss sich dann gegenüber der eigenen Partei nicht dafür rechtfertigen, wenn man die Wahrheit gesagt hat, sondern man kann sagen: Ich konnte nicht anders, ich bin ja unter Wahrheitspflicht gestanden. Herr Abgeordneter Graf! Ich hoffe, Sie werden schon ziemlich bald sehen, dass das eigentlich ein Schutz der eigenen Persönlichkeit ist, wenn man die Wahrheit unter Wahrheitspflicht sagen darf. Sie werden sehen, dass es dann viel, viel leichter geht! – Das gilt auch für viele andere! (Abg. Mag. Schweitzer: Er war nicht dabei! Das ist die Antwort!) Meine Damen und Herren! Das hören wir uns dann unter Wahrheitspflicht an, und an den Abgeordneten Schweitzer werden wir eine Reihe anderer Fragen haben.

Jetzt nenne ich einen weiteren Grund dafür, warum es sich lohnt, hier weiter nachzufragen: Theresia Haidlmayr hat mich in die Kunst der Kilometergeldabrechnung eingeweiht, und ich bin ihr ausgesprochen dankbar dafür. (Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. ) Ich möchte Ihnen ihre Rechenergebnisse jetzt vorstellen. Ich entnehme – und ich habe mir da keine geheimen Akten besorgt – dem "FORMAT" eine Kilometergeldabrechnung mit der Unterschrift eines freiheitlichen Landtagsabgeordneten in Wien: "Kilometergeld Juli/August 1999: 7 994,80 S". Wenn Sie – ich selbst bin gar nicht auf diese Idee gekommen! – das durch das amtliche Kilometergeld von 4,90 S dividieren, dann kommen Sie drauf, dass der Polizist dem Herrn Landtagsabgeordneten Kreißl 1 631,5918 km in Rechnung gestellt hat. Es ist offenbar üblich, dass AUF-Funktionäre nicht sagen: Wir runden auf oder ab!, sondern da wird auf Zentimeter genau abgerechnet! Das ist die erste mir bekannte Zentimeter geldabrechnung! (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Wie das Zentimeter geldrechnungswesen der AUF und der freiheitlichen Landtagsabgeordneten aussieht, das wollen wir natürlich erkunden, weil auch wir Interesse an einem Rechnungssystem haben, bei dem es in erster Linie um Genauigkeit geht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Auch wir sind dafür, dass es nicht mehr gibt und nicht weniger gibt, genau soll es sein. Wir werden jetzt nicht extra Fahrversuche machen, wie sich das auf den Zentimeter genau ausgeht, aber ich bin sehr gespannt. Herr Landtagsabgeordneter Kreißl und seine Freunde in der Wiener Funkstelle werden uns sicher sachdienliche Hinweise geben.

Ich habe es vorher bereits erwähnt: Weingartner, Ihr Wiener Vizebürgermeister und Parteiobmann Görg und offensichtlich auch einige andere sind bereits offiziell zur Meinung gelangt: Ja, da muss etwas geschehen! Und ich verrate kein großes Geheimnis, dass es bereits Kolleginnen und Kollegen der Österreichischen Volkspartei hier in diesem Haus gibt, die, wenn sie die Barriere der Glastüren erfolgreich überwinden, uns immer öfter hinter diesen Glastüren sagen, dass sie wie Weingartner und Görg denken. (Abg. Mag. Schweitzer: Pilz schon wieder auf dem Holzweg!)

Sie wissen doch selbst, dass es bröselt. (Abg. Mag. Schweitzer: Er schleppt sich im Parlament auf dem Holzweg herum!) Sie wissen doch selbst, dass wir den Untersuchungsausschuss bekommen. Sie wissen doch selbst, dass Sie dieser Geschichte nicht mehr auskommen. (Heiterkeit des Redners. – Abg. Mag. Kukacka: Da muss er selber lachen, der Pilz!) Es geht nur mehr darum, wann, es geht nicht mehr darum, ob. Natürlich wird es eine Mehrheit für diesen Untersuchungsausschuss geben. (Abg. Mag. Kukacka: Er ist ein Kabarettist!)

Ja, glauben Sie, die Wiener ÖVP riskiert einen Wahlerfolg, nur um den Abgeordneten Kreißl und Kabas die parlamentarische Stange zu halten? Glauben Sie wirklich, Kabas und Kreißl sind es Dr. Görg und auch Ihren Wiener Abgeordneten wert, da weiter die Mauer zu machen und das Gesetz des Schweigens nach wie vor zur Regel in dieser Koalition zu machen? – Diese Zeit geht dem Ende zu!

Ich mache Ihnen einfach einen Vorschlag: Verkürzen wir es, damit wir möglichst bald mit der Klärung der politischen Verantwortung beginnen können! Sie wird geklärt: Sie wird öffentlich geklärt, sie wird medial geklärt, sie wird am Rande von Gerichtsverfahren geklärt. Sie können nur eines verbessern bei der Klärung: Sie können ein geordnetes Verfahren haben. (Abg. Öllinger: Sie sind dabei, das Kilometergeld zu berechnen! – Abg. Mag. Schweitzer: Ihre Zeit läuft ab!) Ja, Herr Abgeordneter Schweitzer, auch Ihre Zeit läuft ab. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Nein, nein, nein!) Spätestens am Tag Ihrer Zeugenaussage vor dem Untersuchungsausschuss läuft auch Ihre Zeit ab.

Und ich stelle einfach fest, dass es spannend ist, mit einem FPÖ-Klub zu diskutieren, bei dem das Ablaufdatum auf den einzelnen Stirnen der Abgeordneten immer klarer lesbar wird. (Abg. Dr. Ofner: Dem sollten wir zustimmen!)

Meine Damen und Herren! Sie werden die Möglichkeit der Aussage bekommen. Das wird kein Justizminister und kein Klubobmann der Welt verhindern. Wir werden gemeinsam – ob sie es heute will oder nicht – mit der Österreichischen Volkspartei eine Mehrheit bilden und werden dazu sicherlich den Applaus und die Unterstützung aus Klagenfurt erhalten; früher oder später. Ich freue mich schon auf die gemeinsame Mehrheit. Heute halten Sie noch ein bisserl die Stange, aber bald geht es nicht mehr. Wunderbar!

Wir sehen uns im Untersuchungsausschuss wieder! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. 10 Minuten Redezeit, Herr Abgeordneter. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Pilz –: Einmal mehr hast du dich zum Schwammerl gemacht mit deiner Rede! Ja, es ist einfach so! Der Beweis wurde erbracht!)

17.34

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Hohes Haus! Können Sie, Kollegen von der FPÖ, sich noch an die Zeit erinnern, als Sie in Opposition waren? – Da ist doch faktisch fast in jeder Sitzung, wenn nur der geringste Anlass war, von Ihnen ein Antrag gekommen, zu diesem oder


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jenem Thema möge man doch einen Untersuchungsausschuss einrichten. Kaum sind Sie in der Regierung – schwupps ist Ihr Interesse an Untersuchungsausschüssen weggestorben.

Meine Frage ist: Wieso ist das so, da Sie doch selbst wissen – da möchte ich meinem Vorredner durchaus Recht geben –, dass sich die Einrichtung dieses Untersuchungsausschusses auf Grund auch der öffentlichen Debatte und der Schwere der Vorwürfe einfach nicht vermeiden lässt. Ich verstehe nicht, warum Sie einen masochistischen Zugang zur Politik und zur Einrichtung dieses Untersuchungsausschusses wählen, wenn das doch letztlich nur dazu dienen soll, wirklich Licht ins Dunkel zu bringen.

Daran kann natürlich auch Ihr berühmter "ultimativer Gegenschlag" nichts ändern, der im Endeffekt ein finaler Schuss ins eigene Knie war, der nichts anderes war als der Versuch, mittels Anzeigen, mittels so genannter Sachverhaltsdarstellungen beim durchschnittlich informierten Bürger den Eindruck zu erwecken: Da ist schon wieder etwas faul in der SPÖ! Da werden irgendwelche Gerichte beschäftigt, da haben sich eigentlich alle beschmutzt, daher ist die SPÖ die Hauptschuldige.

Das ist eine ganz miese Strategie, die Sie da anwenden, denn Ihre windigen Anzeigen sagen überhaupt noch nichts – gar nichts! –, außer dass Sie eine Gegenöffentlichkeit errichten wollen. Das ist Ihre Vorgangsweise. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Sie sagen, 30 Jahre SPÖ-Innenminister, dort liegt die politische Verantwortung: Sie wissen ganz genau, wie das war, und das ist eine meiner Hauptmotivationen, warum ich für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses bin. Ich will endlich einmal wissen, wie diese Grabenkämpfe im Sicherheitsapparat und im Innenministerium abgelaufen sind, die dazu geführt haben, dass die blauen Spitzel einen Innenminister bespitzelt haben. Eine Einmaligkeit ist das! Und da gehört Licht ins Dunkel!

Wer war das? Welches Netzwerk ist das gewesen? Wer hat bei den unzähligen Anläufen, die die Innenminister gemeinsam mit anderen Beamten genommen haben, um das aufzuklären, dafür gesorgt, dass die Omertà, dass die Mauer des Schweigens funktioniert hat? Wer waren diejenigen, die das erreicht haben? – Da gehört Licht ins Dunkel! Das wollen wir wissen! Und daher gehört ein Untersuchungsausschuss her!

Das ist auch Ihre Urangst, die Sie haben: die Angst vor diesem Licht, das man in dieses blaue Dunkel, in dieses dunkelblaue Dunkel hineinbringt.

Dann kommt noch etwas dazu. Wir haben schon das letzte Mal die Verhaltensweise von Kleindienst und Co behandelt. Wir wissen, dass er mir seinem Buch diese Mauer des Schweigens durchbrochen hat. Das war eigentlich die Voraussetzung dafür, dass es zu dieser, glaube ich, sehr reinigenden öffentlichen Debatte gekommen ist. Aber wissen Sie, es macht mich nachdenklich, wenn ich lese, dass Kleindienst einer der engsten Haberer des Herrn Kreißl war. Der Kreißl hat eine tolle Karriere gemacht. Er ist plötzlich Landesparteisekretär, er ist Mandatar geworden. Man hört von Belohnungssystemen, davon, dass Leute plötzlich Kilometergeldabrechnungen gemacht haben – das wird man wahrscheinlich schon so intelligent gemacht haben, dass irgendwo die Kilometer zusammengekommen sind –, aber es ist auch ein Belohnungssystem, dass plötzlich jemand Parteisekretär, Mandatar wird, der sich vorher in der Koordinierungsaufgabe der Informationsbeschaffung besonders hervorgetan hat. – Da möchte ich doch Licht ins Dunkel haben! Das interessiert mich doch.

Das ist auch nicht der Einzige aus dem blauen Informationsnetzwerk, aus dem Sicherheitsapparat, der mit Mandaten bedacht worden ist. Da sind doch mehrere dahinter. Also ist es, glaube ich, mehr als berechtigt, dass man wirklich versucht, hier Klarheit zu schaffen. Die Namen sind evident, es gibt viele Vorerhebungen. Daher, so denke ich, haben die Öffentlichkeit und letztlich die Wählerinnen und Wähler ein Recht darauf, besser darüber informiert zu werden, was da wirklich vorgegangen ist.

Mich interessiert auch noch etwas: Wenn Jörg Haider gesagt hat, er kann sich jede Information besorgen, wenn er nur will, dann möchte ich wissen: Wann hat er gewollt? Welche Informatio


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nen hat er sich von wo besorgt? – Das interessiert mich. Daher Licht ins Dunkel, welche Informationen Jörg Haider für sich organisieren ließ! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pilz. )

Das Einzige, was ich abschließend noch bemerken muss, ist: Ganz perfekt war Ihr Spitzel- und Überwachungssystem wahrscheinlich nicht. Es wurde auch parteiintern angewandt, wie man lesen musste. Patrick Ortlieb, Theresia Zierler wurden ganz genau durchgecheckt, ob da nicht irgendwo dunkle Punkte in ihrer Lebensgeschichte zu finden wären. Sie hätten aber schon umfassender untersuchen sollen. Wenn ich die Namen Gratzer, Mentil, Rosenstingl erwähne, so meine ich: Da hat das blaue Spitzelsystem versagt, wenn so ein Riesen-Mega-Skandal in Ihren Reihen möglich war. Da hätten Sie intern besser untersuchen und bespitzeln sollen.

Auf den Herrn Kabas, der selbst spitzelt oder spitzeln ließ, wie die Vorwürfe lauten, über die vielerorts zu lesen ist, müssen Sie auch aufpassen. Diese unzähligen Sicherheits-Checks, die er in den diversen Bordellen durchführt! Ich weiß nicht, ob es nicht auch gut wäre, dass auch er genau beobachtet wird, was er da und dort so treibt.

Also für die Hygiene der Demokratie kann ich Ihnen nur eines sagen: Dieser Untersuchungsausschuss muss schleunigst her, damit endlich einmal Licht in dieses blaue Dunkel kommt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt jeweils 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

17.40

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mich wundert es, dass die Damen und Herren der Freiheitlichen Partei das Spiel der ÖVP nicht durchschauen (lebhafte Heiterkeit bei der ÖVP): Klasnic macht perfekte Politik auf dem Rücken der Freiheitlichen, indem sie permanent gegen diese allgemeinen Verabredungen auf Bundesebene wettert. Görg macht dasselbe und kündigt damit schon die Politik an, die im Wiener Wahlkampf betrieben werden wird. Die ÖVP wird ganz einfach Politik auf dem Rücken der FPÖ machen. Das garantiere ich Ihnen! Außer Sie versuchen selbst, Licht in dieses Dunkel zu bringen.

Wenn Sie diese Wahlkampfauseinandersetzung auf Wiener Ebene nicht wollen, dann wäre es vernünftig für Sie, von selbst zu dieser Aufklärung beizutragen. In Ihrem eigenen Interesse kann ich Ihnen nur empfehlen: Stimmen Sie diesem Ausschuss zu! Die Debatte über diesen Ausschuss werden Sie noch des Öfteren hier haben. Sie quälen sich ja selbst. Sie leisten ja der ÖVP Wahlkampfhilfe im Wiener Wahlkampf. Deren Spitzenkandidat Görg hat sich schon von der Parteilinie verabschiedet. Es ist ganz sicher – das verspreche ich Ihnen –, dass Sie, wenn die Zeit reif ist, alleine dastehen und den Ausschuss trotzdem haben werden. Daher: Stimmen Sie gleich zu! Sie würden damit das kleinere Übel wählen.

Es ist klar, dass Haider erkannt hat, dass das so kommen wird. Deswegen empfiehlt er auch, dass man einem Ausschuss zustimmen soll, auch auf die Gefahr hin, dass der eine oder andere auf der Strecke bleibt. Und es schaut so aus, als ob diese Suppe, die jetzt gekocht wird, immer dicker werden würde. Wir haben auf der einen Seite einen Zeugen, der ganz bestimmte Namen genannt hat, wir haben auf der anderen Seite ermittelnde Beamte, die ganz einfach Hinweise finden, welche Personen darin verwickelt sein sollen. Wir haben auf der dritten Seite einen Landeshauptmann, der ein Geständnis abgelegt hat in der Form, dass er gesagt hat: Ich kann mir jede Information besorgen, die ich will, und werde sie auch verwenden.

Also ganz kann man diese politische Verantwortung doch nicht mehr von der Hand weisen. Aber vor allem das politische Spiel, das mit dieser Verantwortung getrieben wird, wird nur zu Lasten der Freiheitlichen gespielt werden. Die ÖVP hat es schon im steirischen Wahlkampf ganz perfekt verstanden, den Rücken der Freiheitlichen zu benutzen.


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Erschwerend kommt hinzu, obendrein noch einen Justizminister zu haben, der eine sehr zweifelhafte Rolle in der ganzen Sache spielt. Es ist mir schon klar, was ein Anwalt für Pflichten und Möglichkeiten hat, ich bin auch der festen Überzeugung, dass Herr Dr. Böhmdorfer seiner anwaltlichen Pflicht wahrscheinlich immer Genüge getan hat – ich würde das annehmen, ich gehe sogar davon aus –, nur: Die politische Verantwortung geht etwas weiter. Die politische Verantwortung, derartige Informationen zu verwenden, ist eine andere als die des Anwaltes Böhmdorfer. Er ist Justizminister!

Und die culpa in eligendo, ihn zum Justizminister zu machen, liegt bei der FPÖ, weil ein Justizminister mit diesem Vorleben ganz einfach anders zu betrachten ist, weil da andere Qualifikationen und andere moralische Maßstäbe heranzuziehen sind. Er hat einerseits die Verurteilung im "Weisen"-Bericht, ein Mann zu sein, der nicht den herrschenden Klassifikationen von Führungskräften in Europa entspricht; er hat eine Bemerkung, regierungskritische Personen auch einzusperren, durchaus geduldet und noch bestärkt; er hat Materialien in seinen Prozessen verwendet, die bedenklich erscheinen.

Das ist nicht der Maßstab, an dem Politiker gemessen werden. Das kann durchaus der Maßstab sein, der bei einem Anwalt angelegt wird, um darüber zu befinden, ob er seiner Rolle im Verhältnis zum Mandanten Genüge tut, aber nicht beim Justizminister. Um diese moralische Verantwortung geht es, und er sollte dieses Sterben nicht so lange hinauszögern, denn es ist ein Tod auf Raten. Es geht um einen Justizminister, der bereits dreimal in dieses Fettnäpfchen getreten ist, der immer wieder in diese Richtung hineinfällt, der die ihm von der EU vorgegebene, vorgezeichnete Rolle immer wieder und immer besser erfüllt, der praktisch auch in einem Untersuchungsausschuss ein immer stärkeres Involvement zu gewärtigen hat, um einen Justizminister, der in dieser Form politisch und moralisch nicht tragbar ist. Seine Verwicklung und seine Äußerungen von der Regierungsbank zeugen von Nervosität, zeugen von Peinlichkeit, wie wir sie sonst nur von den Auftritten des Abgeordneten Westenthaler gewohnt waren.

Es ist ein Sterben auf Raten, und ich glaube, es wäre für die FPÖ leichter, einem Untersuchungsausschuss zuzustimmen, als von der ÖVP im Wiener Wahlkampf ausgebremst zu werden (Abg. Rosemarie Bauer: Wunschträume!), zumal sich Görg schon positioniert und die FPÖ im Regen stehen lässt. Ich schaue mir es mit Vergnügen an, wie Vizebürgermeister Görg die FPÖ Wien herrichten wird. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. )

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihre Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (fortsetzend): Stimmen Sie für einen Untersuchungsausschuss! Das wird eine tolle Auseinandersetzung auf Wiener Ebene geben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pilz.  – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Nicht einmal in Wiener Neustadt!)

17.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Wittmann –: Das Einzige, was untragbar ist, sind seine Sakkos!)

17.46

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Bis jetzt habe ich immer gewusst, dass Kollege Wittmann ein Antlitz hat – seit 1995 ist er hier im Hohen Hause –, seit heute weiß ich, er hat auch Stimme. Erstmals hat er sich wortgewaltig in die Debatte eingeschaltet, aber in Wirklichkeit war das Ganze auch kein besonders großartiger Auftritt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mit der SPÖ beschäftige ich mich noch in meinen Ausführungen, aber jetzt brennt mir etwas anderes auf der Zunge, und zwar deshalb, weil Kollege Pilz mich in seinem Redebeitrag mehrfach namentlich bedacht hat, und insbesondere auch deswegen, weil er – unterstützt von seiner Kollegin Haidlmayr – ein so schönes, ein so wunderschönes Rechenbeispiel dargestellt hat. (Abg. Mag. Schweitzer: Ja, faszinierend!) Und wenn ich Pilz und Haidlmayr kombiniere, dann habe ich immer – das muss ich ehrlich feststellen – Bedenken. Das muss man immer


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nachprüfen, was dann passiert. (Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Ing. Westenthaler  – in Richtung der Grünen –: Aufpassen!)

Dass Frau Kollegin Haidlmayr – das habe ich hier schon dargelegt – gerichtsbekannt Dinge unterschreibt, die sie nicht liest – vielleicht würde jemand unterstellen, dass sie nicht lesen kann; ich glaube es nicht –, ist bekannt. (Abg. Mag. Schweitzer: Hört! Hört! – Abg. Öllinger: Super!) Die mathematischen Qualitäten des Kollegen Pilz, das Einmaleins durchzuchecken, wurden uns heute bewusst. (Die Abgeordneten Ing. Westenthaler und Mag. Schweitzer  – in Richtung der Grünen –: Aufpassen!) 7 994,80 S hat er durch 4,90 S – gemeinsam mit Kollegin Haidlmayr, die, wie gesagt, etwas unterschreibt, was sie nicht liest – entsprechend dividiert und ist auf Zentimeter gekommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Pilz, pass gut auf! – Abg. Haidlmayr hält einen Taschenrechner in die Höhe.)

Herr Kollege Pilz und Frau Kollegin Haidlmayr! Sie sind beide schon langjährige Vertreter einer gesetzgebenden Körperschaft – das ist ja wohl richtig, oder? –, und ich erwarte mir von Politikern, die in einer gesetzgebenden Körperschaft sitzen, dass sie die Gesetze, die sie beschließen, und Änderungen, die sie beschließen, auch tatsächlich mitbekommen. (Abg. Haidlmayr: Eben!) Etwas anderes wäre ein Armutszeugnis. (Abg. Mag. Schweitzer: Aufpassen!)

Im Juli und im August 1995 (Abg. Haidlmayr: 99!) unterstellen Sie – 95! (Abg. Haidlmayr: 1999!)  – ein Kilometergeld von 4,90 S. Ich sage Ihnen eines (Abg. Haidlmayr: 1999! – Abg. Öllinger: 1999!): Das Kilometergeld im Jahre 1995 hat 4,60 S betragen. Dividieren Sie 7 994,80 S durch 4,60 S, dann werden Sie draufkommen, dass es 1 738 volle Kilometer darstellt und nichts anderes. (Abg. Haidlmayr: 1999! – Abg. Öllinger: 1999!)

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, Herr Kollege Pilz – und das möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben –: Entweder haben Sie nicht gewusst, was Ihre Fraktion auch mitbeschließt, oder – das möchte ich Ihnen nicht unterstellen – Sie verrechnen seit dem Jahre 1995 4,90 S Kilometergeld und setzen das bei der Steuer ab. Das möchte ich doch nicht annehmen, denn das wäre die nicht legale Erschleichung eines Steuervorteils, würde ich einmal meinen. (Abg. Haidlmayr: 1999!)

Faktum ist auf jeden Fall eines: Hauptsache Sie können irgendjemanden anschütten. (Abg. Öllinger: Das war 1999, Kollege Graf!) Dann ist Ihnen jedes Mittel recht, sogar die Verdrehung von Tatsachen, falsches Zusammenstellen von Jahreszahlen und Daten und auch falsches Unterstellen in der Division.

Ich gebe Ihnen eines mit auf den Weg: Lernen Sie rechnen! Frau Kollegin Haidlmayr empfehle ich in Zukunft, das, was sie unterschreibt, auch zu lesen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Oje! Schwacher Applaus! – Heiterkeit der Abg. Haidlmayr. )

In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Pilz: Sie beschreiben selbst – wir haben es heute schon gehört –, wie Sie Ihre Utopie der Gesellschaft sehen. Und genau in diese Richtung gehen Sie auch. Sie meinen, dass der Staat abgeschafft gehört, und zwar als Erstes.

Jetzt schaue ich mir Ihre Freunde an, und da nehme ich nicht irgendeinen kleinen Funktionär her, sondern einen Vertreter der Schwesternpartei der Grünen in Deutschland. Dort gibt ein namhafter Vertreter der Grünen, heute Vizekanzler und Außenminister, tatsächlich Folgendes zum Besten – ich zitiere –:

"Ich habe nie bestritten, daß ich fast zehn Jahre lang auch unter Einsatz von Gewalt die verfassungsgemäße Ordnung in der Bundesrepublik umstürzen wollte ..." – Zitatende.

Das kommt mir sehr bekannt vor: Der Kaisermühlner Pilz auf der einen Seite, der bundesdeutsche Vizekanzler auf der anderen Seite, die in Wirklichkeit eine Utopie haben: den Staat umzustürzen.

Der deutsche Vizekanzler sagt darüber hinaus, "Comandante der sogenannten ,Putzgruppe‘, einer konspirativ organisierten Bande von vermummten Gewalttätern", gewesen zu sein.


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Weiters: "Guerillaaktionen, Sympathie für RAF". Fischer wortwörtlich: "Wir Linksradikalen, wir sind die Wahnsinnigen."

Ich sage Ihnen: Sie versuchen mit der gleichen Methode, wie es Ihr Joschka Fischer gemacht hat, hier im Nadelstreif zu sitzen, hier den Biedermann vorzukehren, aber in Wirklichkeit weiterhin umstürzlerisch zu wirken. Das sage ich Ihnen hier von diesem Rednerpult aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Sie berufen sich immer auf geheime Informationen. Es gibt Legionen von Anträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, bei welchen Sie sich auf geheime Akten berufen (Abg. Dr. Khol: Völlig richtig!), aber im Gegenzug behaupten Sie, Sie hätten das nie gemacht. In Wirklichkeit gehen Sie mit der Gießkanne voll Benzin durchs Land, zünden alles an, und dann wollen Sie als Feuerwehr hier schlichten. Das glaubt Ihnen niemand mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.

17.52

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niemand hier im Hohen Hause behauptet, dass der Datenmissbrauch eine Kleinigkeit sei. Das hat hier niemand behauptet. (Ruf bei der ÖVP: Das akzeptiere ich!) Das akzeptiert, glaube ich, jeder. Aber wenn man daraus eine Staatskrise, eine Regierungskrise konstruieren will, dann finde ich das nicht richtig. Ich verstehe schon, dass einer, der das Staatswesen so sieht wie Dr. Pilz, diesen Staat gerne in einer Krise sehen würde. Das ist aber nicht der Fall!

Wie hat unsere Regierung auf den Verdacht eines Datenmissbrauches reagiert? – Herr Bundesminister Strasser hat sofort nach Bekanntwerden von Verdachtsmomenten eine Sonderkommission eingesetzt. Er hat diese Sonderkommission weisungsfrei gestellt, was, wie ich glaube, sehr wichtig ist. Dieser Sonderkommission werden alle personellen, finanziellen und technischen Ressourcen zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurde ein Sofortprogramm eingeleitet, das Vieraugenprinzip und so weiter; ich will das jetzt nicht so genau erläutern. Worin kann man da eine Regierungskrise sehen? – Unser Minister hat richtig gehandelt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Sonderkommission hat am 11. Oktober 2000 einen Zwischenbericht an die Justiz weitergeleitet. Außerdem hat der Justizminister, wie wir alle wissen, eindeutig erklärt, dass er in all diese Vorgänge keineswegs eingreifen wird, sondern dass er alles dazu beitragen wird, dass gründlich aufgeklärt wird. Worin sehen Sie da eine Regierungskrise? Wo hat ein Bundesminister dieser Regierung in dieser Angelegenheit falsch gehandelt? – Ich sehe davon nichts! (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Ofner. )

Übrigens: Ich bin überzeugt davon, dass wir in Österreich eine hochklassige Gerichtsbarkeit haben. Manche dürften das in diesem Hohen Haus nicht sein. Ich glaube an unseren Rechtsstaat, meine sehr geehrten Damen und Herren, und daran sollten wir alle glauben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Gerichtsbarkeit wird, was Datenmissbrauch betrifft, ihr Bestes geben. Es wird alles aufgeklärt werden. Noch einmal: Ich vertraue in unseren Rechtsstaat. Das ist, glaube ich, das, was man dazu sagen sollte. Doch wenn einige oder wenige Beamte der Exekutive, wie ich hoffe, Fehlleistungen getätigt haben, so muss das rigoros bekämpft werden. Dafür werden wir uns hundertprozentig einsetzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Sie haben schon bei den EU-Sanktionen alles Mögliche unternommen, um diese Regierung in einem schlechten


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Licht dastehen zu lassen. Das ist Ihnen aber nicht gelungen. Sie haben damit leider der österreichischen Bevölkerung einen sehr schlechten Dienst erwiesen. Die österreichische Bevölkerung hat erkannt, dass die jetzige Bundesregierung hart arbeitet und es ihr darum geht, für die Menschen in unserem Land die Zukunft so zu gestalten, dass sie am Wirtschaftswachstum und am Wohlstand teilhaben können. Es ist eine Regierung am Werk, die nicht auf Kosten der nachkommenden Generationen Verschwendungspolitik betreibt, sondern sparsam mit den öffentlichen Mitteln umgeht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ihnen geht es darum, aus einem möglichen Datenmissbrauch – der Verdacht ist sehr dicht, das kann man sagen, es hat wahrscheinlich Datenmissbrauch gegeben – eine Staatsaffäre zu machen. Es geht Ihnen nicht darum, dort, wo es notwendig ist, Ordnung zu schaffen, sondern Sie wollen einen Skandal, meine sehr geehrten Damen und Herren. Damit schaden Sie aber unserem ganzen Staatswesen. Bei manchen mag das möglicherweise sogar Absicht sein.

Sie wollen zu einer Zeit, zu welcher es nur Verdachtsmomente gibt, wie es derzeit der Fall ist – man hat das gestern bei der Sendung "Betrifft" ganz genau gemerkt –, schon beschuldigen. Na klar, wenn noch kein Gerichtsurteil gefällt ist, können Sie jeden Möglichen verdächtigen. Wir wollen, dass zuerst die Gerichte aufklären, und dann, wenn es um politische Verantwortung geht, werden wir entsprechend einschreiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nur: Eines muss klar sein: Es waren eben die Herren Löschnak, Einem und Schlögl in diesem Überprüfungszeitraum Innenminister. Halten wir uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, an die Fakten! Unterlassen wir Vorverurteilungen! Untergraben wir nicht das Vertrauen in unseren Rechtsstaat! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als letzter Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

17.57

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Graf, Ihre Ausführungen waren völlig umsonst, fünf Minuten, die Sie sich hätten sparen können – ein wunderbares Beispiel für die "ultimativen Gegenschläge", vor denen die Opposition und ganz Österreich erzittert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Graf! Fünf Minuten haben Sie gebraucht, um zu erläutern, wie sich die Berechnung des Kilometergeldes entwickelt hat, und um darzulegen, wie "benebelt" wir Abgeordneten der Opposition sind, weil wir nicht wissen, wie hoch das Kilometergeld ist. (Abg. Dr. Martin Graf: So ist es!)

Ich stelle richtig: 1999 – und die Zahlung bezieht sich auf das Jahr 1999, konkret auf den 13. Oktober 1999 – betrug das amtliche Kilometergeld in dieser Republik 4,90 S, Herr Abgeordneter Graf. Und da können Sie in Ihrer Burschenschaft das Kilometergeld mit dem Promille multiplizieren oder dividieren, das ändert nichts daran. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Eine Partei ist kein Amt!) 7 994,80 S durch 4,90 S macht etwas anderes aus als geteilt durch 4,60 S, was Sie sagen wollten. (Abg. Haigermoser: 30 S für einen Liter Benzin!)

Herr Abgeordneter Graf! Fünf Minuten völlig umsonst! Bitte gehen Sie in Ihre Burschenschaft zurück, und versuchen Sie, das Beispiel unter Anwendung aller arithmetischen und mathematischen Fähigkeiten, die dort vorhanden sind, neu zu berechnen! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es nicht klappt, leisten wir Ihnen im Untersuchungsausschuss gerne die entsprechende Hilfe. Ich kann Ihnen sagen, es ist wirklich sehr amüsant: Nachdem wir im Zusammenhang mit "Euroteam" mit den Primzahlen schon einige Erfahrung gemacht haben, können wir das berechnen und beherrschen das, aber Sie sollten sich, bevor Sie das nächste Mal fünf Minuten umsonst reden, vielleicht die vier Grundrechnungsarten und den Wissensstand über das amtliche Kilometergeld im Jahre 1999 aneignen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Ihre Abgeordneten lesen nicht, was sie unterschreiben!)


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43. Sitzung / Seite 123

Im Jahre 1995 – ich sage es noch einmal: 1995, damit Sie keine Schwierigkeiten haben, die Zahlen auseinander zu halten (Abg. Dr. Khol: Wir reden niemals umsonst, sondern vergeblich!); ich verstehe Sie so schlecht! – war der Vorfall, auf den sich Herr Abgeordneter Pilz bezogen hat, und darauf sind Sie die Antwort schuldig geblieben. Was war denn da in den Räumen der Freiheitlichen kurz vor der Sondersitzung? (Abg. Haigermoser: Klubsitzung!) Da waren zwei AUF-Vertreter in den Räumen der Freiheitlichen und haben brav ihren Bericht für die bevorstehende Sondersitzung abgeliefert – Ihre Aktenunterlagen, die da angefordert wurden.

Herr Abgeordneter Graf, darauf hätten Sie Antwort geben sollen! Wenn man das Protokoll dieser Sondersitzung nachliest, dann wird man sehr bald feststellen, dass Herr Abgeordneter Haider brav aus diesen Akten zitiert hat. Das waren keine öffentlichen Akten, Herr Abgeordneter Graf, sondern das waren Akten, die einen bestimmten Geheimhaltungsgrad hatten. Zu diesen Akten konnte nicht jedermann, jede Frau kommen, sondern offensichtlich nur Herr Abgeordneter Haider, unterstützt von den zwei wieselfleißigen AUF-Beamten, die ihm rechtzeitig die entsprechenden Unterlagen geliefert haben.

Lesen Sie nach im Sitzungsprotokoll vom 5. Juli 1995! Da heißt es im Stenographischen Protokoll:

"Dacic Selim aus dem Kosovo ist wegen Raubes in Österreich rechtskräftig verurteilt worden. Beteiligt an diesem Raub war ..." Und so weiter. "Das ist alles aktenkundig; wir haben die Akten mit", erklärte Herr Abgeordneter Haider.

Ja von wo hatte er denn diese Akten, der Herr Abgeordnete Haider? – Man lese das "FORMAT" von dieser Woche nach, dort steht es!

Zitat: "Im Jahre 1995 ließ Haider zwei AUF-Beamte zu sich kommen, um sie aufzufordern, im Vorfeld einer Sondersitzung zum Thema ,Wie sicher ist Österreich?‘ Fälle von straffällig gewordenen Asylanten zu recherchieren."

Aha, interessant! Sind das vielleicht Teile jener Akten, über die wir in einem Untersuchungsausschuss diskutieren sollten – mit arithmetischen Kenntnissen oder ohne arithmetische Kenntnisse über Kilometergeldabrechnungen, Herr Abgeordneter Graf? (Abg. Dr. Krüger: Das ist der Parallelprozess! – Abg. Haigermoser  – den Anzeigenteil der "Kronen-Zeitung" in die Höhe haltend –: Haben Sie die Akten?) Sollten wir nicht in einem Untersuchungsausschuss darüber diskutieren?

Interessanter wird es noch, wenn man ein paar Seiten weiter im "FORMAT" liest, was Herr Abgeordneter Westenthaler sagt. Zitat: "Nach den Vorerhebungen wird es in unseren Fällen" – damit meint er jene der Freiheitlichen – "Schluss sein. Bei den anderen Fällen gibt es unter Garantie Voruntersuchungen."

Herr Abgeordneter Westenthaler, wie kommen Sie dazu, dem "FORMAT" gegenüber, aber auch heute hier in diesem Haus Garantien ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist erschöpft! Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Wie kommen Sie dazu, Garantien für Untersuchungen abzugeben? Sind Sie der Justizminister, oder sind Sie mit ihm verbandelt? (Abg. Ing. Westenthaler: Etwas hat er genommen! Er muss wieder etwas genommen haben!) Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss, genau wegen solcher Aussagen, und zwar auch von Ihnen, Herr Abgeordneter Westenthaler! (Beifall bei den Grünen.)

18.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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Stenographisches Protokoll
43. Sitzung / Seite 124

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pilz und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Für das Protokoll: Van der Bellen hat das Plenum vor der Abstimmung verlassen!)

Schließlich lasse ich über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abstimmen.

Bei Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Minderheit und damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 314/A bis 318/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1436/J bis 1447/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates ist für Mittwoch, den 22. November 2000, 9 Uhr, in Aussicht genommen. Diese wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.03 Uhr