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76. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 6. Juli 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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76. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Freitag, 6. Juli 200


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76. Sitzung / Seite 2

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Dauer der Sitzung

Freitag, 6. Juli 2001: 9.01 – 19.53 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum GSVG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum BSVG)

4. Punkt: Bericht und


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76. Sitzung / Seite 3

Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (28. Novelle zum B-KUVG)

6. Punkt: Bericht über den Antrag 275/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung

7. Punkt: Bericht über den Antrag 279/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Hauskrankenpflege

8. Punkt: Bericht über den Antrag 280/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Sozialversicherung durch längere Fristen für Anträge auf Kostenerstattung

9. Punkt: Bericht über den Antrag 402/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend rückwirkende Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle)

12. Punkt: Bericht über den Antrag 224/A (E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen betreffend Schließung datenschutzrechtlicher Lücken im Ärztegesetz 1998

13. Punkt: Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)

14. Punkt: Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (21. StVO-Novelle), und Bericht über die

Petition Nr. 1 betreffend "Alkoholisierte Lenker gefährden uns alle", überreicht von dem Abgeordneten Johann Kurzbauer

16. Punkt: Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich

17. Punkt: Bericht über den Antrag 362/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Erhaltung und Attraktivierung der Ausserfernbahn

18. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Rechtsstellung von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird

20. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes Linz (27 EHv 53/01) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl

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Inhalt

Nationalrat

Angelobung der Abgeordneten Mag. Johanna Mikl-Leitner 9

Schlussansprache des Präsidenten Dr. Heinz Fischer 186

Personalien

Verhinderung 9

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2319/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 17

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 110

Redner:

Mag. Werner Kogler 110

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 113, 118

Dr. Günther Kräuter 116

Mag. Gilbert Trattner 117

Mag. Dr. Josef Trinkl 119

Karl Öllinger 120

Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 2319/AB – Ablehnung 121, 121

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A (E) der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter und Genossen betreffend sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros der blau-schwarzen Bundesregierung gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 25. September 2001 zu setzen 17

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 17

Redner:

Otto Pendl 121

Karl Dobnigg 123

Mag. Beate Hartinger 123

Nikolaus Prinz 125

Mag. Werner Kogler 126

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 127

Wortmeldungen betreffend Abänderungsanträge zu Tagesordnungspunkt 1:

Karl Öllinger 18

Dr. Andreas Khol 18

Dr. Josef Cap 18

Ing. Peter Westenthaler 19

Erklärungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer im Zusammenhang mit oben angeführter Geschäftsordnungsdebatte 18, 19

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 19

Verlangen des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler auf Erteilung eines Ordnungsrufes 39

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Josef Cap im Zusammenhang mit der Worterteilung an Herrn Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 68

Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen, den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (726 d. B.) über die Regierungsvorlage 624 d. B. betreffend 58. Novelle zum ASVG an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen – Ablehnung 104, 104

Verlangen auf Durchführung von namentlichen Abstimmungen 106, 175

Unterbrechungen der Sitzung 106, 175

Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen, im Sinne des § 84 der Geschäftsordnung den Gesetzesbeschluss: 58. ASVG-Novelle (624/726 d. B.) gemäß Artikel 43 des Bundes-Verfassungsgesetzes einer Volksabstimmung zu unterziehen – Ablehnung 108, 108

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend das zu einem früheren Zeitpunkt gestellte Verlangen auf Erteilung eines Ordnungsrufes 110


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Beschluss auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2000/2001 der XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Freitag, dem 13. Juli
2001 185

Fragestunde (14.)

Verkehr, Innovation und Technologie 9

Dr. Gabriela Moser (102/M); Ing. Kurt Gartlehner, Mag. Helmut Kukacka, Dr. Martin Graf

Mag. Reinhard Firlinger (100/M); Johann Kurzbauer, Dr. Evelin Lichtenberger, Emmerich Schwemlein

Gabriele Binder (98/M); Mag. Reinhard Firlinger, Johannes Zweytick, Mag. Werner Kogler

Ausschüsse

Zuweisungen 16

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (624 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) (726 d. B.) 20

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (625 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum GSVG) (727 d. B.) 20

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (626 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum BSVG) (728 d. B.) 20

4. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (729 d. B.) 20

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (627 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (28. Novelle zum B-KUVG) (730 d. B.) 20

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 275/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (731 d. B.) 20

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 279/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Hauskrankenpflege (732 d. B.) 21

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 280/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der


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Sozialversicherung durch längere Fristen für Anträge auf Kostenerstattung (733 d. B.) 2
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76. Sitzung / Seite 6

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9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 402/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend rückwirkende Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren (734 d. B.) 21


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76. Sitzung / Seite 7

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 21

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (tatsächliche Berichtigungen) 24, 77

Reinhart Gaugg 25

Karl Öllinger 29

Dr. Gottfried Feurstein 33

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 36

Heidrun Silhavy 39

Mag. Beate Hartinger 42

Dr. Kurt Grünewald 45

Mag. Walter Tancsits 53

Friedrich Verzetnitsch 55

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 58

Sigisbert Dolinschek 60

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 63

Dr. Reinhold Mitterlehner 65

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 69

Rudolf Nürnberger 70

Dr. Alois Pumberger 72

Theresia Haidlmayr 73

Karl Donabauer 75

Helmut Dietachmayr 77

Bernd Brugger 80

Sophie Bauer 81

Mag. Walter Tancsits (tatsächliche Berichtigung) 82

Edeltraud Gatterer 82

Gabriele Heinisch-Hosek 85

Ilse Burket 87

Mag. Christine Lapp 89

Ridi Steibl 90

Friedrich Verzetnitsch (tatsächliche Berichtigung) 91

Renate Csörgits 91

Mag. Rüdiger Schender 95

Franz Riepl 96

Mag. Dr. Josef Trinkl 98

Franz Hornegger 100

Edith Haller 101

Mag. Barbara Prammer 102

Dr. Kurt Grünewald (tatsächliche Berichtigung) 103

Helmut Haigermoser (tatsächliche Berichtigung) 104

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend Dämpfung des Zuwachses bei den Heilmittelkosten – Ab-
lehnung 86, 110

Annahme der fünf Gesetzentwürfe in 726 (namentliche Abstimmung), 727, 728, 729 und 730 d. B. 104

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 731, 732, 733 und 734 d. B. 109

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (595 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert wird (735 d. B.) 128

Redner:

Norbert Staffaneller 128

Annahme 129

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (629 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle) (689 d. B.) 129

12. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 224/A (E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen betreffend Schließung datenschutzrechtlicher Lücken im Ärztegesetz 1998 (690 d. B.) 129

Redner:

Manfred Lackner 129

Dr. Alois Pumberger 132

Dr. Kurt Grünewald 133

Dr. Erwin Rasinger 135

Anna Huber 139

Mag. Beate Hartinger 140

Theresia Haidlmayr 141

Dr. Günther Leiner 142

Mag. Christine Lapp 143

Ing. Kurt Scheuch 144

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 145

Dr. Brigitte Povysil 146

Annahme des Gesetzentwurfes in 689 d. B. 147

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 689 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Zusammenarbeit bei strafbaren Handlungen gegen Minderjährige (E 96) 149

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 689 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Umsatzsteuerfreiheit von Gruppenpraxen (E 97) 149

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 690 d. B. 149

13. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (537 d. B.): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (691 d. B.) 150

Redner:

Dr. Alois Pumberger 150

Nikolaus Prinz 151

Dr. Kurt Grünewald 151

Jutta Wochesländer 152

Genehmigung 153

14. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (628 d. B.): Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001) (692 d. B.) 154

Redner:

Manfred Lackner 154

Mag. Beate Hartinger 155

Dr. Kurt Grünewald 156

Dr. Günther Leiner 156

Dr. Erwin Rasinger 157

Annahme 158

15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (667 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (21. StVO-Novelle), und über die

Petition Nr. 1 betreffend "Alkoholisierte Lenker gefährden uns alle", überreicht von dem Abgeordneten Johann Kurzbauer (677 d. B.) 158

Redner:

Kurt Eder 158

Mag. Reinhard Firlinger 160

Dr. Evelin Lichtenberger 161

Mag. Helmut Kukacka 163

Rudolf Parnigoni 164

Andreas Sodian 166

Dieter Brosz 167

Johann Kurzbauer 169

Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 170

Gabriele Binder 171

Ing. Kurt Scheuch 171

Emmerich Schwemlein 173

Johannes Zweytick 173

Johannes Schweisgut 174

Ablehnung (namentliche Abstimmung) 174

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (308 d. B.): Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich (678 d. B.) 177

17. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 362/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Erhaltung und Attraktivierung der Ausserfernbahn (679 d. B.) 177

18. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (446 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Rechtsstellung von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen (680 d. B.) 177

19. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (668 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird (681 d. B.) 178

Redner:

Josef Edler 178

Anton Wattaul 178

Dr. Evelin Lichtenberger 182


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76. Sitzung / Seite 8

Mag. Karin Hakl 183

Ernst Fink 183

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 308 und 446 d. B. 184

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 308 d. B. 184

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 679 d. B. 184

Annahme des Gesetzentwurfes in 681 d. B. 184

20. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes Linz (27 EHv 53/01) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl (740 d. B.) 185

Annahme des Ausschussantrages 185

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Heidrun Silhavy und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, BGBl. Nr. 292/1921, geändert wird (494/A)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Schäden durch nichtionisierende Strahlung (495/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend einen Masterplan Rad zur Förderung des Radverkehrs in Österreich (496/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 geändert wird (497/A) 

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Verfassungsinitiative Medien- und Informationsfreiheit (498/A) (E)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend Qualitätssteigerung in der Diabetes-Versorgung (499/A) (E)

Helmut Haigermoser, Dkfm. Dr. Günter Puttinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert wird (500/A)

Karlheinz Kopf, Helmut Haigermoser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998 in der Fassung BGBl. I. Nr. 29/2001, geändert wird (501/A)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2400/AB zu 2468/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm und Genossen (2401/AB zu 2465/J)

 

 


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76. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen, bitte Sie, die Plätze einzunehmen, und eröffne die für heute, 9 Uhr, einberufene Sitzung des Nationalrates.

Ich gebe bekannt, dass das Amtliche Protokoll der 74. Sitzung vom 4. Juli 2001 in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben ist; es gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung ist Frau Abgeordnete Schoettel-Delacher.

Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben zunächst die ehrenvolle Aufgabe, die Angelobung von Frau Abgeordneter Mag. Johanna Mikl-Leitner vorzunehmen. Die Genannte ist im Hause anwesend, und ihr Wahlschein liegt vor.

Ich bitte daher den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Auer, die Gelöbnisformel zu verlesen, danach wird die Frau Kollegin mit den Worten "Ich gelobe" ihre Angelobung leisten. – Bitte, Herr Schriftführer.

Schriftführer Jakob Auer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße die Kollegin herzlich zur Fortsetzung ihrer Arbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt, um 9.03 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

102/M

Wie wollen Sie im Problemfall Mobilfunk die dringend nötige glaubwürdige anrainer- und gesundheitsfreundliche Linie durchsetzen, wenn Sie in Ihrem Ministerbüro für den Telekom-Bereich nach mehrfachem Personalwechsel einen Vertreter der Betreiber-Lobby beschäftigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Minister, bitte um Beantwortung.


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76. Sitzung / Seite 10

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger:
Guten Morgen! Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Mein Referent war Mitarbeiter eines großen Telekom-Unternehmens – das ist richtig –, er war im Bereich der Festnetze tätig. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass man Mitarbeiter hat, die auch die entsprechende praktische Erfahrung haben. Grundsätzlich müssen Sie schon davon ausgehen, dass die Mitarbeiter bei der Durchführung ihrer Tätigkeiten mir verantwortlich sind und auch den festgelegten Richtlinien folgen.

Und da Sie den Wechsel von Mitarbeitern ansprechen, muss ich sagen: Seine Vorgängerin ist aus Gründen der Mutterschaft ausgestiegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Ministerin! Diese Frage des Telekommunikationsbereiches, sprich: Etablierung von Sendemastenanlagen, ist insofern von großer Bedeutung, als wir bereits seit November 1999 – das sind bereits eineinhalb Jahre! – eine Mobilfunk-Petition, unterschrieben von 4 000 bis 5 000 Betroffenen, hier im Parlament liegen haben – seit eineinhalb Jahren auf der langen Bank! (Abg. Dr. Khol: Das ist ja ein Referat! Wo ist die Frage?)

In diesem Bereich müsste Ihrerseits endlich etwas getan werden, damit erstens Informationsrechte gewährleistet sind (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!), damit zweitens Gesundheitsvorsorge gewährleistet ist und drittens geforscht wird. (Abg. Dr. Khol: Das ist keine Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Und jetzt kommt die Frage.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Frau Ministerin! Wann werden Sie endlich die Anliegen dieser Petition – auch 40 Freiheitliche haben sie unterzeichnet – forciert in Angriff nehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.


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76. Sitzung / Seite 11

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger:
Frau Abgeordnete Moser, Sie wissen aus den vielen Gesprächen ganz genau, wie wichtig mir die Anliegen sind. Die Proponenten dieser Mobilfunk-Petition, also derjenigen, die Sorge haben, sind bei mir gewesen, und als ich gesagt habe, dass ich keine Verordnung erlassen werde, habe ich nicht nur ein großes Glückwunschtelegramm bekommen, sondern auch einen Blumenstrauß. Sie wissen ganz genau, dass es nicht darum geht, eine Verordnung zu erlassen, sondern die Anliegen ernst zu nehmen, und das mache ich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie wissen ganz genau, dass die Anrainerrechte bei der Errichtung von Handymasten nicht in meinem Bereich liegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gartlehner, bitte.

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Auch ich habe eine Frage in diesem Zusammenhang: Es ist ja rund ein Jahr her, dass die UMTS-Lizenzen vergeben wurden, und die zukünftigen Betreiber beklagen, dass die rechtlichen Voraussetzungen noch nicht geschaffen sind. An wem liegt es, dass die Rahmenbedingungen, die Verordnung zur Regelung der elektromagnetischen Strahlung noch nicht realisiert wurde, am Umweltministerium oder an Ihrem Ressort?

Und eine persönliche Frage: Wie stehen Sie persönlich zu dieser Petition, die Kollegin Moser angesprochen hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Minister, bitte.


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76. Sitzung / Seite 12

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger:
Herr Abgeordneter! Ich hatte schon viel Kontakt mit den Mobilfunkbetreibern und konnte sie auch davon überzeugen, dass ihre Argumentation, es wäre keine rechtliche Sicherheit gegeben, nicht stimmt. Wir haben nicht nur ÖNORMEN, sondern gerade im Grenzwertbereich die WHO-Grenzwerte, die auch aus einer EU-Richtlinie hervorgehen. Das heißt, es ist absolut keine Berechtigung gegeben, davon zu sprechen, dass es einen rechtsfreien oder einen rechtlosen Zustand gibt.

Es wird immer wieder über die Frage der Bürgerrechte bei der Errichtung von Sendeanlagen diskutiert. Sie wissen so wie ich, dass das Baurecht im Bereich der Gemeindekompetenzen liegt und die Raumordnung betreffende Belange, die hier sehr stark mit hineinspielen, im Bereich der Länder liegen.

Aber gerade für eine Branche, die im Kommunikationsbereich tätig ist, ist es sehr wesentlich, dass sie das Kommunizieren mit den Bürgern, mit den Anrainern entsprechend praktiziert. Ich glaube, das ist in den letzten Monaten auch deutlich besser geworden, wenngleich dieser Kontakt mehr gepflegt werden muss.

Sollte es zu diesem Thema noch Forschungen geben müssen oder sollten noch Fragen offen sein, dann bin ich – das habe ich auch gesagt – gerne bereit, meinen Anteil einzubringen. Wir bringen auch sehr viele Dienstleistungen ein. Gerade in Seibersdorf, wo es viele Messinstrumente gibt, gibt es große Erfahrungen im Bereich der Mess- und Regeltechnik zu diesem Thema, die wir selbstverständlich gerne zur Verfügung stellen.

Dass mir die Anrainerrechte wichtig sind, habe ich schon mehrmals gesagt, und das wissen diejenigen auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kukacka, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Frau Bundesministerin! Sie haben ja darauf hingewiesen, dass sich Österreich im Mobilfunkbetrieb an die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation und auch an jene der Europäischen Union hält. Gibt es gesicherte wissenschaftliche Untersuchungen, die besagen, dass in Österreich vom Mobilfunkbetrieb stärkere gesundheitliche Störungen – oder allenfalls auch nur subjektive Befindlichkeitsstörungen – ausgehen, als das in anderen europäischen Ländern der Fall ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter! Mir liegen keine Untersuchungen vor, die zeigen, dass die Störungen, die bei uns vom Mobilfunkbetrieb ausgehen, größer wären als jene in anderen Ländern. Es gibt in diesem Bereich eine länderübergreifende Forschung. Es liegen mir auch keine Untersuchungen vor, aus denen hervorgeht, dass es besondere Gefährdungen durch unsere Masten geben sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Graf, bitte.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir von den Regierungsparteien nehmen immer mit Überraschung zur Kenntnis, dass die "Vereinigte Linke" hier in diesem Hohen Haus der Privatsphäre von Mitarbeitern überhaupt keinen Respekt mehr zollt – das tut uns persönlich sehr Leid, ist aber ein Sittenbild der Opposition.

Frau Bundesministerin! Meine Frage: Wo genau sind die Anrainerrechte im Zusammenhang mit der Errichtung von Sendemasten in der österreichischen Rechtsordnung geregelt, und in welcher Form wirken Sie auf die Länder ein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter! Bei der Errichtung der Handymasten müssen wir Folgendes unterscheiden: Das Baurecht ist in der Kompetenz der Gemeinden, die Raumordnung, die auch einwirkt auf die Frage, wo etwas errichtet werden kann und wie es abgewickelt wird, ist in der Kompetenz der Länder, und die gesamte Angelegenheit, auch die Regelung von nicht-ionisierenden Strahlen, ist ein interdisziplinäres Thema, also ein fächerübergreifendes Thema, und ist insbesondere Umweltangelegenheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 2. Anfrage, die Herr Abgeordneter Firlinger stellt. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

100/M

Was haben Sie unternommen, um den Erhaltungszustand der Autobahnen zu verbessern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter! Erlauben Sie mir, eingangs festzustellen, dass der Zustand der österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen sehr, sehr schlecht ist. Folgende Tatsachen sind dafür verantwortlich: Die Substanz des Straßennetzes ist alt, dadurch ergibt sich ein erhöhter Sanierungsbedarf, und die Prioritäten im Autobahnbau wurden in der Vergangenheit sicherlich nicht in Richtung Erhaltung gesetzt.

Es wurde für die Erhaltung der Autobahnen nur etwa die Hälfte dessen eingesetzt, was dem internationalen Schnitt von ungefähr 1 Prozent entspricht. Es müssten ungefähr 2 Milliarden Schilling investiert werden, in den letzten Jahren wurde aber maximal die Hälfte investiert. Auf Grund der Tatsache, dass die Substanz wirklich nicht gut ist, habe ich hier einen Schwerpunkt gesetzt und 2 Milliarden Schilling jährlich für die Erhaltung, weitere 1,5 Milliarden Schilling für die betriebliche Erhaltung und zusätzlich 120 Millionen Schilling für die Tunnelsanierung vorgesehen, um die Situation zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Das Baustellenmanagement war in der Vergangenheit auch immer ein großes Problem. Es ist zu registrieren, dass hier eine Verbesserung eingetreten ist, dass auch an Samstagen gearbeitet wird. Wie wird sich die Straffung des Baustellenmanagements auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der Generalsanierung des Autobahnnetzes auswirken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass mir gerade die Verkehrssicherheit und das Service für die Autofahrer sehr wichtig sind, das sieht man gerade auch beim Baustellenmanagement, denn es ist ein besonderer Schwerpunkt, den ich herausgenommen habe. Sichere und zeitlich kürzere Baustellen sind wichtig.

Es versteht einfach niemand, wenn er am Wochenende bei einer Geister-Baustelle vorbeifährt: Es stehen alle Baugeräte dort, aber niemand arbeitet! – Noch dazu, wo wir einen begrenzten Zeitraum haben, innerhalb dessen wir die Baustellen abwickeln können.

Ich habe schon gesagt, dass die vielen Baustellen notwendig sind, weil wir einen solch großen Sanierungsbedarf haben. Ich habe schon in meiner Zeit das Baustellenkonzept in Auftrag gegeben.


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Sie wissen, es ist nicht so leicht, in bestehende Verträge einzugreifen, aber es ist mir durch die gute Zusammenarbeit und den Druck, den ich auch auf die Baufirmen ausgeübt habe, gemeinsam mit der ASFINAG gelungen, dass wir jetzt schon die Schlechtwettertage an den Wochenenden einarbeiten können und dadurch bei den großen Baustellen eine Zeitverkürzung von bis zu einem halben Jahr haben. Das ist ein sehr wesentlicher Zeitgewinn.

Aber ganz wichtig ist die Sicherheit, und die beginnt beim Einrichten der Baustellen. Es darf einfach nicht mehr vorkommen, dass vor einem verlängerten Wochenende Baustellen eingerichtet werden, obwohl erst nach dem Wochenende mit der eigentlichen Arbeit begonnen wird. Es darf auch nicht sein, dass die Übergangsbereiche so gestaltet sind, dass sie zu Unfällen führen. So haben wir in die Kontrolle, in die Beleuchtung im Eingangsbereich, aber auch in die Abgrenzung, in die Mittelleitschienen sehr viel investiert. Diese Verbesserungen haben schon Erfolg, und darüber bin ich sehr froh, insbesondere deshalb, weil gerade jetzt die Hauptreisezeit beginnt und die Sicherheit sehr wichtig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kurzbauer, bitte.

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Frau Bundesministerin! Die Vorplanung für die Errichtung der Donaubrücke bei Traismauer ist abgeschlossen. Diese neue Brücke ist eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen der Kremser Schnellstraße, der S 33, und der Stockerauer Straße, der B 304, sie dient letztlich auch der Entlastung der Tullner Bundesstraße, der B 19.

Meine Frage, Frau Bundesministerin: Wann, denken Sie, kann mit dem Bau der Donaubrücke bei Traismauer begonnen werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter! Die B 304, die Kremser Straße und die Donaubrücke sind in den Ausbauvorhaben von Niederösterreich enthalten. Es ist eine Detailmaßnahme, deren genauen Realisierungszeitpunkt ich jetzt nicht vorliegen habe, aber Sie wissen, dass dieses Projekt in dem Paket für Niederösterreich, das wir vor kurzem besprochen haben, und auch in den Vorhaben, die in Niederösterreich in nächster Zeit vordringlich sind, enthalten ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, bitte.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Frau Bundesministerin! Im Zusammenhang mit der Katastrophe von Kaprun leitet der amerikanische Anwalt Fagan aus der Tatsache, dass der Verbund Kraftwerke nach Amerika verkauft und zurückgeleast hat, Klagsrechte nach amerikanischem Recht ab. Teilen Sie die Rechtsansicht, dass dann, wenn der Plan in Kraft treten würde, Autobahnen nach Amerika zu verkaufen und wieder zurückzuleasen, amerikanische Klagsrechte im Falle schwerer Unfälle wegen schlechten Erhaltungszustandes aktiviert werden könnten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Frau Abgeordnete Lichtenberger! Diese Frage stellt sich für mich insofern nicht, als ich ein für alle Mal gesagt habe, dass dieses so genannte Cross-Border-Leasing, das hier angesprochen wurde, für mich eine Finanzierungsform ist, die nicht in Frage kommt.

Ich wurde damals gefragt, ob ich das initiiert habe, und ich habe gesagt, der Vorstand kann sich viele Sachen überlegen, aber das muss über den Aufsichtsrat gehen. Für mich ist das das Allerletzte, da gibt es noch viele andere Dinge.

In erster Linie müssen wir schauen, dass wir die LKW-Maut einführen (Abg. Öllinger: Wann?) und diesbezüglich unsere Finanzierungslöcher stopfen. Dementsprechend ist auch unser Intensivprogramm, das Sonderprogramm, das wir für den Straßenbau haben, dazu geeignet, im


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Straßenbau weiterzukommen. Daher stellt sich für mich diese Frage nicht – wenngleich ich Ihnen sagen muss, dass gerade im Infrastrukturbereich der Schiene, das heißt im Bereich der ÖBB, diese Finanzierungsmodelle gang und gäbe sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schwemlein, bitte.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Frau Bundesministerin! Gehen wir zurück zu den Autobahnen. Mit Beginn der Ferienzeit hört man immer wieder die gleichen Meldungen: Stau, Blockabfertigung und dergleichen mehr, insbesondere bei der Tauern Autobahn. Wie gedenken Sie beim Projekt zweite Tunnelröhre vorzugehen? Wann wollen Sie das machen? (Abg. Böhacker: Das sind ja viele Fragen! Eine Frage!) Wie sehen Sie überhaupt die zukünftige Situation der Tauern Autobahn?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter Schwemlein! Es ist gerade die Tauernstrecke eine der größten Strecken mit viel Stau, da haben Sie absolut Recht. Nur: Das Thema zweite Tauernschleuse ist ein sehr lokales und ist insbesondere mit den Anrainern rund um Zederhaus zu diskutieren.

Sie wissen auch, dass wir dort gerade ein Monitoringprojekt im Laufen haben, und die ASFINAG bemüht sich, die Notwendigkeit, dort eine zweite Röhre zu schaffen, auch den Anrainern und der Bevölkerung zu erläutern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, damit ist die 2. Anfrage beantwortet.

Wir kommen zum dritten Fragenkomplex: Frau Abgeordnete Binder, bitte.

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Frau Bundesministerin! Meine Frage ist schlicht und einfach, aber von großer Bedeutung. Sie lautet:

98/M

Wann wird das LKW-Road-Pricing jetzt endgültig in Kraft treten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Frau Abgeordnete! Die Einführung der LKW-Maut ist eines meiner großen Projekte, und ich habe schon ganz am Anfang begonnen, es intensiv zu betreiben.

Eines meiner Schlüsselerlebnisse in meiner Amtszeit war die Frage von Mitarbeitern: Frau Minister, meinen Sie es ernst? – Ich habe diese Frage zuerst nicht verstanden, erst nach einer Erläuterung, denn es wurde mir dargestellt, dass dieses Thema jahrzehntelang verschleppt wurde. Es wurde immer wieder intensiv bearbeitet und immer wieder zurückgestellt.

Die Frage, wann das nun endlich kommen wird, ist daher damit zu beantworten, dass ich es so rasch wie möglich und auf einem Standard, der den heutigen Anforderungen der Technik entspricht, zu realisieren gedenke. Daher bin ich auch sehr froh, dass wir uns entschieden haben, ein elektronisches System einzuführen. Auf Grund der intensiven Bearbeitung durch alle Fachkräfte, die zusammengearbeitet haben, ist es auch möglich, dass wir jetzt bereits in der zweiten Stufe des Wettbewerbsverfahrens sind. Vorige Woche konnten die Unterlagen an diejenigen verteilt werden, die sich in der ersten Stufe bei der Interessentensuche gemeldet und qualifiziert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Frau Ministerin! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist die Auftragsvergabe abgeschlossen – oder nicht? (Abg. Schwarzenberger: Ausschreibung!) Das ist jetzt die Frage. Und wann wird es tatsächlich zu einer Ausschreibung kommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Frau Abgeordnete! Die Vergabe kann nicht abgeschlossen sein, wenn wir uns in einem Ausschreibungsverfahren befinden. Es ist wichtig, dass wir rechtlich abgesichert sind. Daher wurde dieses Wettbewerbsverfahren, das auch mit der Europäischen Kommission – und erstmals, das darf ich auch sagen, mit der richtigen Generaldirektion – abgestimmt wurde, angewandt, damit wir sicher sind. Wir sind in der zweiten Stufe des Wettbewerbsverfahrens und können schon im Herbst in das Verhandlungsverfahren eintreten. Ich bin mir auch sicher, dass wir die Vergabe im ersten Halbjahr 2002 durchführen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Firlinger, bitte.

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Von den Anhängern des Mauthüttelsystems ASFINAG-alt ist immer wieder der Einwand vorgebracht worden, es würden sich bei einem Übergang auf ein elektronisches System gar nicht genug Anbieter finden, die das ausführen könnten. Ich darf daher die Frage an Sie richten: Wie viele Anbieter hat es im Zuge der öffentlichen Interessentensuche gegeben, und bei wie vielen von ihnen ist damit zu rechnen, dass sie auch ein Angebot legen werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter! Es war für viele überraschend, dass sich so viele Anbieter gemeldet haben. Es waren insgesamt acht. Sieben haben sich qualifiziert und sind jetzt in der zweiten Stufe. Aber wie viele dann bei der Jury, also im zweiten Schritt, übrig bleiben, das können wir jetzt noch nicht sagen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zweytick, bitte.

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Gibt es bereits Überlegungen, wie hoch der voraussichtliche Kilometerpreis für das Road-Pricing sein wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter! Bei der Tarifgestaltung sind wir an eine bestehende Wegekostenrichtlinie, die zurzeit gilt, gebunden. Aber wie wir dem Weißbuch entnehmen können und hoffentlich auch bald offiziell wissen werden, wird künftig die Einhebung der LKW-Maut auch noch nach anderen Kriterien als nur nach der Anzahl der Achsen, von der wir jetzt ausgehen, zu berechnen sein. Ich begrüße sehr, dass wir zukünftig auch auf Grund von Schadstoff- und Lärmklassen und selbstverständlich Achslasten, aber auch auf Grund von Staudichten unterschiedliche Mauten einheben werden können und somit ein zusätzliches Instrument zur Verkehrslenkung haben werden. Danach werden wir dann auch unsere Tarife festlegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wer wünscht von der grünen Fraktion eine Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Bundesministerin! Obwohl immer mehr und immer teurere MitarbeiterInnen in den Ministerbüros beschäftigt werden, so auch in Ihrem, gibt es auch immer mehr Verträge nach außen. Ein Leiter der Arbeitsgruppe LKW-Maut – das ist der Bezug zum Gegenstand der Anfrage – wurde jetzt ebenfalls in dieser Form beauftragt, das heißt, ein hoch dotierter Rechtsanwalt beantwortet jetzt unter anderem Briefe für das Ministerium. Ich frage Sie: Gibt es eine entsprechende Ausschreibung, und wie hoch sind die Zusatzkosten für den Steuerzahler? (Abg. Böhacker: Das waren schon wieder drei Fragen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Ministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Abgeordneter! Ein Leiter der Arbeitsgruppe beantwortet nicht Briefe, sondern ist ein Leiter und Koordinator. Für all jene Leistungen, für die es Ausschreibungen geben muss, gibt es bei mir Ausschreibungen, und für diejenigen, bei denen es nicht erforderlich ist, nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir hatten für die heutige Fragestunde nur drei Anfragen. Daher war es eine "Frage-Halbestunde".

Die Fragestunde ist beendet. Ich danke der Frau Bundesministerin. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf eine im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 2400/AB und 2401/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 483/A der Abgeordneten Karl Donabauer, Anna Elisabeth Achatz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauernsozialversicherungsgesetz und das Bewertungsgesetz 1955 geändert werden,

Antrag 490/A (E) der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen betreffend Mitversicherung von Kindern von LebensgefährtInnen;

Bautenausschuss:

Antrag 485/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Reform der Wohngesetzgebung;

Gesundheitsausschuss:

Antrag 491/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend Ausbau der Palliativmedizin;

Gleichbehandlungsausschuss:

Antrag 489/A (E) der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend sofortige Rücknahme der frauenfeindlichen Regelungen im Bundesgleichbehandlungsgesetz für den Öffentlichen Dienst;

Justizausschuss:

Antrag 484/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Rechtsanwaltskosten bei strafgerichtlichen Freisprüchen,


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Antrag 487/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Änderung des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes (StEG);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 492/A (E) der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen betreffend grundlegende Neuausrichtung des Agrarsystems durch radikale Umstellung des Förderungssystems mit strikter Ausrichtung auf soziale Gerechtigkeit und die nachhaltige Forcierung des Biolandbaus in Österreich;

Ausschuss für Sportangelegenheiten:

Antrag 482/A (E) der Abgeordneten Beate Schasching und Genossen betreffend Gender Mainstreaming im Sport verwirklichen;

Umweltausschuss:

Antrag 480/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend die Einführung einer Einwegabgabe,

Antrag 481/A (E) der Abgeordneten Georg Oberhaidinger und Genossen betreffend die langfristige Sicherung der Finanzierung der Altlastensanierung;

Verfassungsausschuss:

Antrag 486/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Erweiterung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft;

Wirtschaftsausschuss:

Antrag 488/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Änderung des Maß- und Eichgesetzes (MEG) etc.

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2319/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine Kurzdebatte über die Beantwortung 2319/AB der Anfrage 2342/J der Abgeordneten Brix und Genossen betreffend MitarbeiterInnen der Ministerbüros, Sektionsleiter, Arbeitsleihverträge durch den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen durchzuführen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters wurde ein Verlangen gestellt, eine Kurzdebatte über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A (E) der Abgeordneten Dr. Kräuter und Genossen betreffend sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros eine Frist bis zum 25. September 2001 zu setzen, durchzuführen.

*****

Da die erwähnten Verlangen auf Durchführung von kurzen Debatten gleichzeitig gestellt wurden, werden diese in der Reihenfolge, in der ich sie aufgezählt habe, nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung ab 15 Uhr zum Aufruf gelangen. Allfällige Abstimmungen werden im unmittelbaren Anschluss an die diesbezüglichen Debatten durchgeführt.


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Herr Abgeordneter Öllinger wünscht das Wort zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.

9.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Trotz Ankündigungen der Regierungsparteien ist es ihnen bis jetzt nicht gelungen, die angekündigten Abänderungsanträge für den Gegenstand, den wir jetzt verhandeln werden, dem Parlament vorzulegen. Ich ersuche Sie daher, Herr Präsident, sicherzustellen, dass die Opposition in die Lage versetzt wird, über den Gegenstand und die entsprechenden Anträge der Regierungsparteien, die noch immer nicht eingetroffen sind, zu beraten. Es ist nicht möglich, über etwas zu diskutieren und in die Debatte einzutreten, wenn die entsprechenden Abänderungsanträge den Oppositionsparteien, möglicherweise auch den Vertretern der Regierungsparteien, nicht vorliegen.

9.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich möchte meine Antwort in zwei Teile teilen. Rein formal nach der Geschäftsordnung sind Abänderungsanträge im Laufe einer Debatte einzubringen; dann werden sie geprüft, ob sie in Verhandlung stehen. Wenn sie genügend Unterschriften tragen und den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechen, dann stehen sie mit in Verhandlung.

Eine andere Frage ist, ob es zwischen den Fraktionen irgendwelche Vereinbarungen gibt, Abänderungsanträge in dieser wichtigen Materie des Hauptverbandes und der ASVG-Novelle den Fraktionen so zeitgerecht zur Verfügung zu stellen, dass sie auch studiert werden können, sodass man dann in der Debatte auf studierte Anträge Bezug nehmen kann. (Abg. Dr. Khol: Keine Vereinbarung!) Darüber weiß ich aber nicht Bescheid. (Abg. Ing. Westenthaler: Keine Vereinbarung!)

Herr Abgeordneter Dr. Khol hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

9.28

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es gibt keine Vereinbarung. Wir werden aber allfällige Abänderungsanträge so rechtzeitig einbringen, dass ausreichend Zeit ist, sie zu studieren.

Wir haben gestern Abend bei der Debatte über das Finanzmarktaufsichtsgesetz einen 120 Seiten langen Abänderungsantrag einer Oppositionspartei eine halbe Stunde vor der Abstimmung bekommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: So ist es! Unfair gegen die Regierung!)

9.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung liegt vor. – Herr Klubobmann Dr. Cap, bitte.

9.2


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9

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wie mir bekannt ist, wurde zugesagt, dass die Abänderungsanträge rechtzeitig eintreffen. Das ist nicht der Fall (Abg. Schwarzenberger: Wer hat das gesagt?) – der Herr Minister (Abg. Mag. Schweitzer: Ein Minister bringt keine Abänderungsanträge ein!) – , daher ist die Kritik berechtigt. Ich glaube aber auch, dass dies eine Frage des Umgangs mit der Opposition und der demokratischen Kultur ist, dass in solch einer wichtigen Frage die Abänderungsanträge rechtzeitig vorliegen. (Abg. Dr. Khol: Das ist ein Parlament, keine Regierung!)

Was den Abänderungsantrag zum Finanzmarktaufsichtsgesetz betrifft, so war der Inhalt dieses 120 Seiten langen Antrages Gegenstand von Gesprächen und schon Wochen vorher bekannt. Die Kritik an der Vorgangsweise der Regierungsfraktionen und der Regierung ist daher berechtigt. Ich schließe mich dieser Kritik an. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Hätten Sie gestern nicht demonstriert, dann wüssten Sie jetzt ...!)

9.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsordnung: Herr Abgeordneter Westenthaler, bitte.

9.30

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich finde es schon merkwürdig, dass eine mit der Geschäftsordnung völlig konforme Vorgangsweise der Regierungsparteien plötzlich zum Thema der Kritik der Oppositionsparteien wird. Wir alle können uns noch bestens daran erinnern – auch die Freiheitliche Partei aus ihrer Oppositionszeit –, dass zum Beispiel Ihre Partei mehrseitige Anträge und Abänderungsanträge erst im Laufe von Redebeiträgen eingebracht hat, sodass überhaupt keine Zeit zum Studieren vorhanden war.

Ich darf aber auch daran erinnern, dass die Kritik von SPÖ und Grünen an dieser Geschäftsordnung völlig ins Leere geht, weil Sie, Herr Kollege Öllinger, und Sie, Herr Kollege Cap, es waren, die diese Geschäftsordnung in diesem Haus gegen die Stimmen der Freiheitlichen beschlossen haben. Sie haben daher überhaupt kein Recht, jetzt daran Kritik zu üben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Grabner. )

9.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Dazu muss ich klarstellen: An der Geschäftsordnung wird nicht Kritik geübt, und die Geschäftsordnung wird auch gehandhabt. (Abg. Haigermoser: Herr Öllinger hat Kritik geübt! – Abg. Ing. Westenthaler: Freilich!) Es geht um den Zeitpunkt der Einbringung von Anträgen, aber da greift die Geschäftsordnung nicht, weil der Zeitpunkt der Einbringung von Anträgen nicht dahin gehend geregelt ist, dass Anträge vor Beginn einer Debatte eingebracht werden müssen.

Ich sage noch einmal: Über diesbezüglich allenfalls gegebene Zusagen kann ich keine Auskunft geben.

Ich gehe daher in der Erledigung der Tagesordnung weiter, weil kein Antrag auf Durchführung einer Geschäftsordnungsdebatte gestellt wurde. Daher können wir auch keine Geschäftsordnungsdebatte führen, sondern es gibt den alten Usus, dass jede Fraktion zu einem ... (Zwischenrufe.) – Meine Damen und Herren! Man kann doch ein solches Problem abhandeln, ohne dass weitere Empörung notwendig ist.

Natürlich wäre es schön, wenn der Antrag im Zuge der Debatte möglichst früh eingebracht wird.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 9, 11 und 12 sowie 16 bis 19 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall, daher ist das so beschlossen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es ist eine Tagesblockzeit von 10 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 195 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 145 Minuten, Grüne 115 Minuten.

Wir haben auch eine Vereinbarung im Hinblick auf die vom ORF geplante Fernsehübertragung getroffen. Es war Folgendes in Aussicht genommen: zunächst je eine Wortmeldung pro Fraktion von je 15 Minuten, dann die Wortmeldung eines Regierungsmitgliedes mit 15 Minuten, in weiterer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 10 Minuten, anschließend wieder die Wortmeldung eines Regierungsmitgliedes mit 15 Minuten und danach wieder je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 10 Minuten und, falls gewünscht, die Wortmeldung eines Regierungsmitgliedes mit 5 Minuten.


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Es scheint so, dass wir heute mehr Zeit haben werden als gestern und vorgestern. Es ist jetzt nach 9.30 Uhr, das heißt, wir haben dreieinhalb Stunden Zeit, das sind 210 Minuten. Was ich den Klubobmännern vorschlagen würde, ist, dass wir noch eine vierte Rederunde anschließen, die dann kurz sein wird. Die Alternative wäre, die zweite Rednerrunde zu verlängern, aber ich glaube, dass es fair ist, eine vierte Runde anzuschließen. Wie lang diese dann sein kann, wird zu jenem Zeitpunkt zu entscheiden sein, zu dem die ersten drei Runden abgeschlossen sind. Dann sieht man, ob noch und wie viel an Redezeit übrig ist.

Darf ich die Klubvorsitzenden, ohne die Sitzung zu unterbrechen, fragen, ob sie mit diesem Vorschlag einverstanden sind? – Khol? (Abg. Dr. Khol: Einverstanden!) Cap? (Abg. Dr. Cap nickt zustimmend.) Westenthaler? (Abg. Ing. Westenthaler: Einverstanden!) – Gut.

Dann gehen wir so vor. Die endgültige Entscheidung über die Dauer der vierten Runde wird dann ad hoc zum gegebenen Zeitpunkt getroffen werden.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (624 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) (726 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (625 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum GSVG) (727 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (626 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum BSVG) (728 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (729 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (627 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (28. Novelle zum B-KUVG) (730 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 275/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (731 der Beilagen)


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7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 279/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Hauskrankenpflege (732 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 280/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Sozialversicherung durch längere Fristen für Anträge auf Kostenerstattung (733 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 402/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend rückwirkende Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren (734 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zu den Punkten 1 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte gemeinsam durchgeführt wird.

Wünscht einer der Berichterstatter oder der Berichterstatterinnen das Wort zur Einleitung? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen daher in die Rednerliste ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Die Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Hat die SPÖ keinen Sozialsprecher? – Ruf: Frau Silhavy! – Abg. Ing. Westenthaler: Frau Silhavy darf nicht sprechen!)

9.36

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorangegangene Geschäftsordnungsdebatte hat erneut gezeigt, was das Wort eines Ministers dieser Bundesregierung wert ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Versprechen hat gelautet, dass bis zwei Tage vor der Plenardebatte oder spätestens vor Beginn der Plenardebatte alle Abänderungsanträge den Oppositionsparteien zukommen. Wir beginnen eine Diskussion, und die wahrscheinliche Fassung des Gesetzes liegt nach wie vor nicht vor. Das ist keine gute demokratische Kultur, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Im Kern geht es heute um das österreichische Gesundheitssystem. Man hat sich die Frage zu stellen: Von welcher Grundlage gehen wir aus? – Das österreichische Gesundheitssystem gehört nach internationalen Messungen zu den besten der Welt. 83 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind sehr zufrieden oder zufrieden mit dem österreichischen Gesundheitssystem. Jeder wird sich die Frage stellen: Was kostet dieses gute solidarische Gesundheitssystem? – Es kostet zum Beispiel für einen mittleren Angestellten mit einem Bruttoeinkommen in der Höhe von 25 000 S und zwei Kindern sage und schreibe 850 S pro Monat. Der gesamten Volkswirtschaft kostet unser Gesundheitssystem rund 8 Prozent all des wirtschaftlichen Reichtums, den wir in Österreich erwirtschaften. Und dieses gute Gesundheitssystem hat dazu geführt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer in Österreich inzwischen 75 Jahre und die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen 81 Jahre beträgt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! 83 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind mit Recht stolz auf dieses Gesundheitssystem! (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber man kann sich immer wieder die Frage stellen: Machen es andere besser? Können wir uns an Beispielen orientieren? – Der Vergleich mit anderen europäischen Staaten macht einen sicher. Wenn man sieht, dass die Beiträge zu den Krankenversicherungen für jeden Einzelnen in der Bundesrepublik Deutschland doppelt so hoch sind wie in Österreich, in der Schweiz fünfmal so hoch sind (Abg. Ing. Westenthaler: Die Sie erhöhen wollen!), dass die Gesamtausgaben für das Gesundheitssystem sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland, als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika bedeutend über den österreichischen Kosten liegen und gleichzeitig aber die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem in diesen Staaten nur halb so hoch ist wie in Österreich, dann sage ich, meine sehr verehrten Damen und Herren: Reformieren und bauen wir unser Gesundheitssystem aus! Orientieren wir uns nicht an den gescheiterten Gesundheitssystemen anderer Staaten! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat am Mittwoch in der Debatte zur Dringlichen Anfrage gesagt: Wir werden es in Zukunft so machen wie in Deutschland, dort funktioniert all das bestens. – Der Blick sollte tatsächlich einmal nach Deutschland gerichtet werden: Die Beiträge für jeden Einzelnen sind dort doppelt so hoch. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Unter der Regierung Kohl eingeführt! – Die Kosten für die Volkswirtschaft sind bedeutend höher als in Österreich. (Abg. Haigermoser: Haben Sie das mit Herrn Schröder besprochen, als Sie beim Leberkäse gesessen sind?) Die Zufriedenheit der Bevölkerung beträgt nur 50 Prozent.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Würde sich Österreich am deutschen Beispiel orientieren, wie es der Bundeskanzler vorschlägt, dann hieße das: Alle zahlen mehr, für die Volkswirtschaft wird es teurer, und die Menschen sind weniger zufrieden. – Diesen Weg werden wir nicht gehen! (Beifall bei der SPÖ.)

In der Debatte werden immer die Verwaltungskosten angesprochen: Das sehr oft auch im Dienste der Regierung tätige Institut für Höhere Studien hat einen Vergleich durchgeführt. Dieser zeigt klar, dass die Verwaltungskosten der Selbstverwaltung bei 3,6 Prozent und die Verwaltungskosten privater Versicherungen bei 9 Prozent liegen. Das heißt, eine stärkere Umstellung auf Privatversicherung bedeutet eine Verteuerung im Bereich der Verwaltungskosten. Diese Aufblähung der Bürokratie ist für das österreichische Gesundheitssystem nicht sinnvoll, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber man soll nicht leugnen, dass das österreichische Gesundheitssystem vor großen Herausforderungen steht. Es steht vor großen Herausforderungen, wenn wir es weiter verbessern wollen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) – Herr Pumberger! Ihre Beiträge zum Gesundheitssystem werde ich gleich analysieren. Die waren bisher nicht konstruktiv, um das gleich zu sagen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber was haben wir am österreichischen Gesundheitssystem zu verbessern? – Es ist völlig richtig, dass man mehr in die Krankheitsvorbeugung investieren muss, um letztendlich die kurativen Kosten zu senken. Dazu muss man den Krankenkassen die Möglichkeiten geben. Wir müssen selbstverständlich schauen, dass die Finanzierungslücke, die derzeit besteht, geschlossen wird. Und wir müssen das Hauptproblem lösen, dass die Ausgaben im Gesundheitssystem stärker steigen als die Einnahmen, weil sich die Einnahmen nicht entsprechend dem gesellschaftlichen Reichtum entwickeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aber dafür gibt es Vorschläge. Die Sozialpartner haben einen Vorschlag für Einsparungen in der Höhe von 4 Milliarden Schilling auf den Tisch gelegt. Die sozialdemokratische Fraktion hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, wie die kurzfristige Finanzierungslücke zu schließen ist. Es hat viele andere gute Vorschläge gegeben, aber was hat die Regierung gemacht? – Sie hat diese Vorschläge weggewischt, sich nicht damit auseinander gesetzt und sich ausschließlich auf eine beschämende Kopfjagd gegen einzelne Funktionäre des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger konzentriert.

Meine Damen und Herren! Das ist kein guter Weg für Österreich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Wenn die Regierung die Vorschläge der Sozialpartner, die Vorschläge der Sozialdemokraten schon wegwischt, dann stellt sich die Frage: Hat die Regierung bessere Vorschläge? (Abg. Wenitsch: Mit Sicherheit!) – Und mit Erstaunen stellen wir fest: In der Novelle, die bisher dem Haus vorliegt, gibt es keinen einzigen Vorschlag, keine einzige Maßnahme, die die Finanzierungsgrundlage des Gesundheitssystems verbessern würde.

Meine Damen und Herren! Sie haben weder Vorschläge noch gesetzliche Maßnahmen. Sie betreiben eine Kopfjagd und keine Sanierung des Gesundheitssystems! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber es gibt bereits eine einschlägige Bilanz der schwarz-blauen Gesundheitspolitik der letzten 17 Monate. Es wurde eine Reihe von Maßnahmen gesetzt: Es wurden Selbstbehalte erhöht, es wurden die Rezeptgebühren erhöht, es wurden die Ambulanzgebühren eingeführt. Bei jeder einzelnen Maßnahme haben die Regierungsfraktionen gesagt: All das tun wir, um das Gesundheitssystem langfristig abzusichern.

Meine Damen und Herren! Was ist die Wahrheit? – Ich beziehe mich auf eine Aufstellung des Herrn Ministers Haupt und seines Ministeriums. In dieser Aufstellung werden die zusätzlichen Einnahmen für die Gebietskrankenkassen den zusätzlichen Ausgaben, die die Regierung verordnet hat, gegenübergestellt. Allein für die Wiener Gebietskrankenkasse ergibt sich auf Basis der Maßnahmen der schwarz-blauen Regierung bis zum heutigen Tag, dass die Kosten nicht gesenkt werden, sondern dass durch Regierungsbeschlüsse das Defizit allein der Wiener Gebietskrankenkasse um 100 Millionen Schilling erhöht wird.

Meine Damen und Herren! Sie leisten keinen Beitrag zur Sanierung der Kassen, sondern Sie treiben die österreichischen Krankenkassen bewusst in den Ruin. Das ist die Bilanz Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Beiträge sind leicht durchschaubar. Herr Abgeordneter Stummvoll hat in dankenswerter Offenheit bei einer Fernsehdiskussion darauf hingewiesen, was bevorsteht. Es steht bevor: eine Absenkung des Leistungsniveaus und die Einführung von 20-prozentigen Selbstbehalten für alle! Er hat gesagt, nach all den Maßnahmen müssen diese Selbstbehalte eingeführt werden, und das findet sich auch im Programm der Regierung wieder. (Abg. Mag. Kukacka: Wahlpropaganda! Skandal! Sie belügen doch die Menschen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wird die Einführung dieser Selbstbehalte bedeuten? – Es bedeutet ein ungeheures Ansteigen der Gesundheitskosten für jeden Einzelnen mit einer enormen Belastung gerade für die einkommensschwächeren Gruppen.

Wir als Sozialdemokraten sagen klar und deutlich: Wir stehen zu einem solidarischen Gesundheitssystem und nicht zu einem Gesundheitssystem, das die Gesundheit des Einzelnen von der Stärke der Geldbörse abhängig macht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Unwahrheit!)

Aber ganz offensichtlich sind Ihnen die Anliegen der Versicherten ohnehin kein Anliegen. Sie setzen sich nicht mit der Substanz und der Verbesserung des Gesundheitssystems auseinander, sondern mit dem, was heute auch bereits in den Zeitungen als kalte Machtübernahme dargestellt wird.

Meine Damen und Herren! Wenn man sich ansieht, was die Regierung auf dem Sektor des Hauptverbandes seit einem Jahr gemacht hat, dann muss man sagen, das spottet jeglicher demokratischer Beschreibung:

Sie haben das Gesetz geändert, das festlegt, wer entsandt werden soll. Dann hat es die Arbeiterkammerwahlen gegeben, und das Ergebnis hat nicht Ihren Wünschen entsprochen. Es wurden dort die Verantwortlichen auf Basis eines Wahlergebnisses bestellt. Es ist dann letztendlich von den Höchstgerichten bestätigt worden (Abg. Mag. Kukacka: Das stimmt doch gar


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nicht!), dass alle, die dort eingesetzt wurden, rechtmäßig eingesetzt sind, und zwar bis zum Jahre 2005.

Seit Beginn dieses Jahres hat die Frau Vizekanzlerin eine niederträchtige Kopfjagd ... (He-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Abgeordneter! Das Wort "niederträchtig" würde ich nicht verwenden. Ich darf Sie dringend ersuchen, das nicht zu tun!

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Herr Präsident! Ich nehme das zur Kenntnis und nehme das zum Anlass, zu erklären (Abg. Haigermoser: Benehmen Sie sich!): Wir sind mit dem Präsidenten des Hauptverbandes, der heute hier im Parlament anwesend ist, solidarisch. Schönen guten Tag, Hans Sallmutter! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Aufstehen! Aufstehen! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist in der österreichischen Geschichte einmalig (neuerliche Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Eine Regierung führt ein Gesetz ein, auf dessen Basis Wahlen stattfinden, und als Konsequenz der Wahlen werden Verantwortliche im Hauptverband bestellt; und weil die aus Wahlen hervorgegangenen Kräfteverhältnisse der Regierung nicht gefallen, wird durch gesetzlichen Eingriff eine Wahl nachträglich korrigiert.

Das ist einmalig in der österreichischen Geschichte, und das ist keine gute Einmaligkeit, meine Damen und Herren! Es ist eine gefährliche Einmaligkeit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Die Kritik der Opposition wird weggewischt. Wenn von den Versicherungen – berechtigterweise – demonstriert wird, spricht Frau FPÖ-Generalsekretärin Zierler von einem Missbrauch demokratischer Rechte. Und wenn in der ÖVP selbst jemand Kritik übt, dann wird er von Herrn Klubobmann Khol als "siebenter Zwerg von links" bezeichnet. (Rufe bei der SPÖ: Unerhört! Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das ist kein korrekter Umgang mit Kritik. Er zeigt letztendlich, dass Sie nicht imstande sind, eine offene, demokratische Debatte über unser Gesundheitssystem zu führen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ausgerechnet Sie sagen das!), sondern nur eine undemokratische Kopfjagd veranstalten wollen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir erachten das heutige Gesetz als einen massiven willkürlichen Bruch des sozialen Friedens und der sozialen Traditionen in unserem Land. Daher wird meine Fraktion beantragen, dass nach der heutigen Debatte, wenn die Regierung die Stirn hat, dieses Gesetz zu beschließen, ebendieses Gesetz einer Volksabstimmung unterworfen wird, damit die österreichische Bevölkerung bestimmen kann, und nicht die Machtgelüstigen innerhalb der ÖVP und der FPÖ! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

Viele Menschen in Österreich empfinden diese Vorgangsweisen angesichts der Herausforderungen für das Gesundheitssystem als extrem zynisch. Viele Menschen meinen, das Maß sei voll. Bei der nächsten Wahl besteht die Möglichkeit, dass unser Land von dieser Regierung wieder erlöst wird. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu den Vereinbarungen über die Redezeit trage ich noch nach, dass auch vereinbart wurde, dass bis 13 Uhr keine Fraktion mehr als eine tatsächliche Berichtigung verlangen wird.

Zu einer solchen tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

9.53

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Der Vorredner hat hier vom Rednerpult aus – Sie alle konnten es hören –


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gerade behauptet, ich hätte jüngst in einer Fernsehdiskussion einen 20-prozentigen Selbstbehalt gefordert.

Das ist eine bewusste Unwahrheit. Herr Kollege Gusenbauer! Entweder kommen Sie hierher und belegen diese Aussage, oder Sie entschuldigen sich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Ich werde sie belegen! Jeder hat es im Fernsehen gesehen! Schauen Sie sich die "Betrifft"-Sendung an! Wir belegen es!)

9.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Ich habe das gehört: Das stimmt nicht! – Abg. Dr. Gusenbauer: Dann sind Sie offensichtlich eingeschlafen! – Abg. Schwarzenberger: Gusenbauer hat schon Halluzinationen! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Es ist gut, dass das Fernsehen heute alles überträgt! Wirklich sehr gut!)

9.54

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Wenn Klubobmann und Parteivorsitzender Gusenbauer hier meint, die SPÖ würde sich mit den Versicherten solidarisch erklären, so ist das selbstverständlich auch Inhalt der Politik der Regierungsparteien, dass sie sich mit den Versicherten im Hauptverband und in den Sozialversicherungen solidarisch erklären. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Womit wir uns nicht einverstanden erklären, ist, dass diese SPÖ, die seit nunmehr 17 Monaten in Opposition ist, diesen Hauptverband und seine Sozialversicherten in Geiselhaft nehmen möchte. Sie sind es, die es zu verantworten haben, wenn nunmehr durch Unsachlichkeit und unseriöses Vorgehen diese Frage des Hauptverbandes nicht sachlich diskutiert wird, sondern ausschließlich emotional. Ich bin dem Herrn Präsidenten sehr dankbar, dass er zu Beginn, anlässlich der Diskussion zur Geschäftsordnung, die Sachlichkeit eingefordert und durchgesetzt hat.

Sie hatten im Sozialausschuss 17 Stunden lang Gelegenheit, Ihre Ideen und Wünsche einzubringen. (Abg. Steibl: Das haben sie aber nicht getan! – Abg. Mag. Prammer: Sie waren ja gar nicht da die meiste Zeit!) Ich gestehe Ihnen schon zu, dass Sie selbstverständlich das Recht der Demonstrationsfreiheit haben. (Abg. Öllinger: Danke schön! Danke!) Ich frage Sie allerdings schon: Wo waren Ihre Demonstrationen gegen die Staatsverschuldung in unserem Land zum Nachteil unserer Jugend und unserer Zukunft? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wo waren die Demonstrationen im Jahre 1997, als es Belastungspakete ungeahnten Ausmaßes in diesem Land gegeben hat? Wo waren die Gewerkschafter, als es darum ging, dieses Land für internationale, moderne, zukunftsorientierte Arbeitnehmer-, Sozial- und Wirtschaftspolitik vorzubereiten? Wo waren Sie da? – Da ist die Gewerkschaft auf Kuschelkurs gefahren. Da hat man gesagt: Die SPÖ ist in der Regierung, der Hauptverband gehört uns! – Tiefes Denken! (Abg. Öllinger: Wo war da der Gaugg? Wo war Gaugg? Wo war Gaugg?)

Gestern gab es die Demo, und dabei hat man am Bundesministerium für Soziales und Gesundheit ein Plakat angebracht, auf dem es hieß: "Der Sozialversicherungsverband gehört den Versicherten, Herr Haupt!" – Ich gebe Ihnen darauf die Antwort: Der Sozialversicherungsverband gehört den Versicherten und nicht der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Genauso ist es!)

Wir als Abgeordnete der Regierungsfraktionen haben die Aufgabe, dieses blühende Land, diese Bevölkerung und die Versicherten des Hauptverbandes und der Sozialversicherungsträger aus der politischen Geiselhaft der SPÖ zu holen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie machen nun Herrn Sallmutter die Mauer. Wenn Sie ehrlich in sich gehen, stellen Sie fest, es gibt bei Ihnen viele Funktionäre, die für Gesundheit und Sozialwesen in Österreich zuständig


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sind und die hinter vorgehaltener Hand schon lange fragen, wann denn hier endlich eine Änderung kommt, weil das mit ihm nicht geht.

Mir kommt das, was Sie jetzt tun, so vor, als ob man Herrn Gerharter vom "Konsum" zum Sanierer der Firma Libro in Österreich machen würde. Das ist Ihr System, das Sie verfolgen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Jawohl! – Abg. Edlinger: Das hat ein Niveau! Das hat ein Niveau! Unglaublich!)

Sie haben gestern bei der Beschlussfassung des ORF-Gesetzes millimetergenau und völlig richtig erkannt: Die Verantwortung für diese Form der Wirtschaft, des Sozialen und der Arbeit in Österreich übernimmt diese Regierung. – Ihnen tut doch nur weh, dass Sie nicht mehr mitbestimmen können, und daher machen Sie Randale!

Sie machen Randale mit den Linksradikalen, auch gestern wieder. Auch wenn es Ihnen wehtut, muss ich Ihnen vorhalten (Abg. Nürnberger: Was heißt, wir machen Randale? – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ein unerhörter Vorwurf! Das ist unerhört! Sie sind schon in der Früh betrunken! – Ruf bei den Freiheitlichen: Was soll denn das?)  – nun, den Herrn Sallmutter muss man verteidigen! –: Diese Plakate mit dem Hinweis: "19. bis 21. Juli, Genua, G8-Gipfel: Demo, Blockade, Widerstand!" sind gestern bei der Demo verteilt worden. – Das ist Ihre Form, das sind Ihre Partner! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Gusenbauer! Ich frage Sie: Haben Sie das in Moskau gelernt? Ist das Moskauer Doktrin, oder was ist das? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen noch eines: Herr Sallmutter amüsiert sich da oben königlich. – Ich darf Ihnen sagen: Sie sind mir völlig egal – nicht als Mensch, aber als Funktionär und als Präsident, weil Sie es seit Jahren verabsäumt haben, auch unter sozialdemokratischen Sozialministern, Reformen einzuleiten! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es hat im Jahr 1992 die erste Studie gegeben – unter einem sozialdemokratischen Sozialminister –: Veränderungsnotwendigkeiten, näher zu den Versicherten, Vorsorge für die Zukunft. – Null!

1998, unter Frau Bundesministerin Hostasch, gab es wieder eine Studie. Was ist das Ergebnis? – Da war die FPÖ in der Opposition, das war Ihre Sozialministerin derselben Couleur! – Diese Studie hat festgestellt: Die Umsetzung der schon 1992 kritisierten Punkte ist nur mangelhaft oder gar nicht passiert!

Das wäre Ihre Aufgabe gewesen, Herr Sallmutter, nämlich mit Ihren Funktionären im Hauptverband dafür zu sorgen, dass dieses blühende Sozialversicherungswesen in Österreich auch eine Zukunft hat. – Sie können nicht nur von der Vergangenheit leben! Sie können nicht davon leben, dass es einmal eine Verstaatlichte gegeben hat! Und Sie können nicht davon leben, dass Sie einfach irgendjemanden in den Hauptverband entsenden! (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Sie sprechen immer von Arbeiterkammerwahl-Ergebnissen. Wo hat denn der Herr Präsident kandidiert? – An 76. Stelle in Wien! Welchen Wähler, welchen Versicherten haben Sie gefragt, ob Herr Sallmutter dort Präsident werden sollte? – Niemanden haben Sie gefragt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Sie haben diesen Hauptverband und die Sozialversicherungen als Auffanglager für gescheiterte politische Funktionäre verwendet (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herrn Sallmutter hat Herr Verzetnitsch "weiterbringen" wollen, weil er ihm im ÖGB im Weg war – zu gefährlich: er könnte dem ÖGB-Präsidenten gefährlich werden. (Zwischenruf des Abg. Edlinger.  – Abg. Dr. Cap: Tief, tiefer, Gaugg!) Diejenigen, die schon länger in der Politik sind, werden sich an einen gewissen Herrn Vogler erinnern, ehemaliger Präsident der Arbeiterkammer, der seinerzeit, im Jahre 1994, eine Wahlniederlage als ganz großen Erfolg gefeiert hat. – Herr Vranitzky ist mit ihm "abgefahren": Heute ist Vogler Sozialversicherungsfunktionär! Auch Herr Kurzzeit-Sozialminister Geppert ist Generaldirektor im Hauptverband.


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Angesichts all dieser Dinge wollen Sie sagen, Sie haben ein Interesse an den Versicherten? (Abg. Eder: Die verstehen ja etwas davon!)  – Das ist keine Selbstverwaltung, das ist eine Selbstversorgung der Sozialistischen Partei! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie – und gerade auch der ÖGB – haben diese Situation mitzuverantworten, denn die unsozialste Sozialpolitik sind die Schulden von heute, sind die Steuern von morgen; das wissen vielleicht auch Sie, Herr Kollege Gusenbauer. Und es tut Ihnen eben weh, dass es eine steigende Beschäftigung gibt (Abg. Edlinger: Stimmt ja nicht!), dass es eine gesunde Wirtschaftsentwicklung in diesem Land gibt (Abg. Dr. Gusenbauer: ... auf die Kriechspur gebracht!)  – und Sie nicht mehr mitspielen!

Sie laufen mit der Trommel auf dem Ballhausplatz herum und sind enttäuscht, dass Sie nicht mehr dabei sind. Wir laden Sie ein – wir haben Sie eingeladen, seit vielen Jahren, hier mitzutun (Abg. Dr. Cap: Master of Disaster!): mitzutun, verantwortlich mitzutun! (Abg. Dr. Cap: Master of Disaster!) Ich verstehe nur eines nicht im Zusammenhang mit der Frage des blühenden Landes ... (Abg. Dr. Cap: Master of Disaster! Verstehen Sie?)  – Herr Cap, lernen Sie einmal die Geschäftsordnung, und dann melden Sie sich wieder! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Master of Disaster!)

Sie sagen einerseits, Sallmutter und Co. agieren im Interesse der Versicherten! (Abg. Dr. Cap: Das war jetzt Englisch!)  – Sie können weder Englisch noch Spanisch! (Abg. Dr. Cap: Master of Disaster!) Sie kennen nicht einmal die Geschäftsordnung, geschweige denn Deutsch. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ja schön langsam unerhört!)

Aber darf ich Ihnen sagen, Herr Cap (Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Ich verstehe schon, dass man sich als Neo-Klubobmann irgendwie ins Rampenlicht rücken muss, aber hören Sie zu! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Jeder ist darauf gefasst, dass das eine harte Debatte wird, aber wir sollten uns nicht gegenseitig abwerten und gegenseitig kränken. Ich bitte, das zu berücksichtigen! (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung SPÖ –: Warum seid ihr so nervös? – Abg. Dr. Gusenbauer: Überhaupt nicht! Wir lassen uns nur nicht beschimpfen! Das kann er bei euch machen, aber nicht hier!)

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Der größte Fehler, den die SPÖ in der Vergangenheit, in den vergangenen Jahren gemacht hat, war, weder den Wählern noch den politischen Mitbewerbern, den Kollegen zuzuhören. Deshalb sind Sie gescheitert. Und Sie werden auch in Zukunft scheitern, Sie wissen das. Da können Sie noch so viele Demonstrationen veranstalten, es wird Ihnen nicht gelingen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Einerseits sagen Sie, die Strukturen im Hauptverband seien in Ordnung – das beweist mir, dass Sie sich nie darum gekümmert haben! Sie sagen auch: Das ist alles zum Wohle der Versicherten – natürlich! (Abg. Dr. Gusenbauer: Was ... Regierung zum Gesundheitssystem?)  – Und jetzt darf ich Ihnen sagen, jetzt frage ich Sie: Wo ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo sind die Vorschläge?)  – Na, hören Sie einmal zu! (Abg. Dr. Ofner: ... kann er nicht, das wissen wir! – Abg. Dr. Gusenbauer: Das tue ich schon seit 10 Minuten!)  – Sie sind so schwach! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Also, das Einzige, das Ihnen bleibt, sind unqualifizierte Zwischenrufe. Ich hätte mir etwas mehr erwartet, aber ich bin sowieso nicht enttäuscht worden, denn es ist einfach nicht mehr zu erwarten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wann kommt endlich der Vorschlag?)  – Herr Präsident! Geht das irgendwann, dass man den Dialog mit Herrn Gusenbauer beendet? (Abg. Dr. Cap: Nicht den Präsidenten ...! Sie müssen einen Vorschlag machen!) Können wir den Dialog beenden? – Ich habe nicht so viel Zeit, dass ich mich mit euch zweien auf Dauer unterhalte. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber ich bin gerne bereit, dem Neo-Führungsteam der SPÖ in einem Privatissimum die Sozial-, Arbeits- und Wirtschaftspolitik ein bisschen zu erklären (Abg. Dr. Cap: Master of Disaster!)  – die


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unterscheidet sich eben ein bisschen von Ihrer Moskauer Doktrin; das ist der einzige Unterschied, den wir haben.

Und ich sage noch einmal (Abg. Dr. Gusenbauer: Ist die Platte hängen geblieben?)  – und vielleicht weiß das Herr Gusenbauer oder einer seiner nachfolgenden Redner –: Wieso ist denn einerseits diese Führung des Hauptverbandes so exzellent (Abg. Dr. Gusenbauer: Wann kommt der Vorschlag?), wenn wir andererseits wissen, dass wir dort im Jahr 2000 einen Abgang von rund 4 Milliarden Schilling zu verzeichnen hatten, dass wir im Jahr 2001 einen Abgang von 4 Milliarden zu verzeichnen haben? – Das ist alles großartig?! (Abg. Dr. Gusenbauer: ... ein einziger Vorschlag! – Abg. Dietachmayr stellt eine Tafel mit der Aufschrift: "Tiefer geht’s nicht!" auf seinen Tisch.)

Das war schon bei der VOEST-alt so, und das war beim "Konsum" so: Die Schulden machen ja nichts, Hauptsache, die Funktionäre sind versorgt! – Das ist Ihre Form der Politik, die Sie so machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und Demokratie findet nur so lange statt, solange die Meinung der SPÖ transportiert wird. (Abg. Dr. Gusenbauer: Herr Gaugg, wann kommt der Vorschlag?) Demokratie findet nicht statt, wenn die SPÖ nicht dabei ist.

Richten Sie Ihren Blick nach Bayern (Abg. Dr. Gusenbauer: Noch immer kein Vorschlag!): Warum ist Bayern ein so schönes Land? – Weil die Sozialisten dort nie etwas zu sagen hatten! Das ist der Erfolg der Bayern. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich garantiere Ihnen, dass auch Österreich einen großen wirtschaftlichen Erfolg haben wird, wenn die SPÖ auf jenes Maß zurückgedrängt wird, das ihr zusteht. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo ist der Vorschlag?)

Vertreten Sie doch endlich, meine Damen und Herren der SPÖ, ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo ist der Vorschlag?)  – Meine Damen und Herren der SPÖ! Vertreten Sie doch ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Vertreten Sie doch endlich die Interessen Ihrer Mitglieder und Ihrer Wähler und nicht die Ihrer Funktionäre! (Abg. Dr. Gusenbauer: Machen Sie einen Vorschlag!) Das würde Ihnen einmal gut tun, denn dann hätten Sie Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Noch gescheiter wird es nicht!)

Herr Klubobmann Gusenbauer hat auch von den Selbstbehalten, von den ach so bösen Selbstbehalten gesprochen. – Rund 2 Millionen Versicherte in Österreich haben bereits einen Selbstbehalt (Abg. Dr. Pumberger: Da kennt er sich nicht aus! – Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer  – Abg. Dr. Gusenbauer: Hat die Regierung nichts zu bieten?), haben ein kaum vergleichbares System der Leistungen – das haben Sie verursacht! (Abg. Dr. Gusenbauer: Und jetzt ein Vorschlag!)

Ich habe hier von der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen – eine Versicherungsanstalt ... (Abg. Dr. Cap: Eine schwache Rede!) – Schauen Sie, Herr Cap: Es geht ja nicht darum, ob gut geredet, sondern um Folgendes – und das sei in Ihr Stammbuch geschrieben (Abg. Dr. Gusenbauer und Abg. Dr. Cap: Vorschlag!)  –: Wir machen keine Gesetze gegen Funktionäre der SPÖ – das interessiert uns nicht! –, wir machen Gesetze zum Wohle der Bevölkerung in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Silhavy: Ja, Ambulanzgebühren zum Wohle der Bevölkerung ...!)

Ich habe hier von der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen: Neuregelung beim Behandlungsbeitrag ab 1.2.2001! (Abg. Dr. Gusenbauer: Nur einen Vorschlag!)  – Die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen wird nicht im Verdacht stehen, der ÖVP oder der FPÖ nahe zu stehen – also das werden Sie ja nicht behaupten! –, die ist in lupenreiner SPÖ-Hand. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht!)


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Was hat diese Versicherungsanstalt gemacht? (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie haben noch eine Minute!)  – Sie hat mit Wirkung 1. Jänner 2001 einen Selbstbehalt eingeführt! (Abg. Haigermoser: Wer war das?)

Ja tun Ihnen die Eisenbahner nicht Leid? Die müssen jetzt einen Selbstbehalt zahlen, weil die dort nicht wirtschaften können! (Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ –: Warum haben Sie nicht demonstriert?) Das ist nämlich das Faktum! Sogar dort, wo alle Versicherten Ihrer Klientel oder Ihrem Wählerpotential zugeordnet werden – dessen bin ich mir aber sowieso nicht mehr so sicher –, "bestrafen" Sie die – nach Ihren Worten! – mit einem Selbstbehalt. (Abg. Sophie Bauer: Sie wollen es ja für alle !)

Ich werde Ihnen etwas sagen (Abg. Dr. Gusenbauer: Was ist Ihr Vorschlag?): Mir ist ein geringfügiger Selbstbehalt noch immer lieber als Ihre Form der Politik der einseitigen Belastung! (Abg. Edlinger: Aha! Selbstbehalt! Sehr gut!)  – Erinnern wir uns an die Zahnregulierungen der Kinder: die kosten die Eltern in zwei Jahren 30 000 bis 40 000 S. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Na hören Sie zu: Sie wollen immer Vorschläge! (Abg. Edlinger: Selbstbehalt kommt!) Das wäre fair gewesen. Wo war da die Gewerkschaft, wo war da die SPÖ, um das zu verhindern?

Dann haben wir Rollstühle, die die Menschen selbst bezahlen müssen – wo war denn da die SPÖ? Wir haben Selbstbehalte bei den Brillen, die Sie und ich auch brauchen. – Das ist es! (Abg. Dr. Gusenbauer: Ja! Und Sie wollen mehr Selbstbehalte!) Und was ist jetzt? – Wir können es uns leisten, aber für die Klientel, wo Sie es zu verantworten haben (Abg. Dr. Gusenbauer: Wir wollen Vorschläge!), dass viele Menschen in diesem Land an der Armutsgrenze leben, haben Sie nichts getan! Aber für Herrn Sallmutter gehen Sie demonstrieren, damit 50 000 Leute auf der Straße stehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und ich gebe Ihnen noch einen Tipp, Herr Klubobmann Gusenbauer! (Abg. Dr. Gusenbauer: Was schlagen Sie jetzt vor?) Ich schlage Ihnen vor: Geben Sie diesem heute zu beschließenden Gesetz und den damit verbundenen handelnden Personen eine Chance – im Interesse der Sozialversicherten und der Menschen in Österreich (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), eine neue Chance der Gesundheitspolitik! Ich würde mir von Ihnen erwarten, dass Sie hier konstruktiv mitarbeiten. Dann wäre die SPÖ geläutert und ein seriöser Partner. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Das mit Bayern tut weh! – Abg. Dr. Gusenbauer: Wieso? Wir sind ja in Österreich! – Abg. Faul: Die Bierzeltredner gehören alle nach Bayern!)

10.09

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Pumberger: Die ganze Ausschussarbeit hast du blockiert!)  – Herr Pumberger! Können Sie sich beruhigen? (Abg. Dr. Pumberger: 17 Stunden konnten wir nicht arbeiten!) Ich möchte nicht das Diskussionsniveau, das wir mittlerweile erreicht haben, fortsetzen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das österreichische Gesundheitswesen – inklusive Sozialversicherungswesen – ist im internationalen Vergleich sehr gut angeschrieben. Wir haben ein sehr kostengünstiges Gesundheitssystem, wir haben bei den meisten Sozialversicherungen – auch im internationalen Vergleich – sehr niedrige Beitragssätze, wir haben in Österreich eine hohe Zustimmung der Versicherten zu den Errungenschaften der Sozialversicherung und auch dieses Gesundheitssystems.

Aber, meine Damen und Herren, es ist nicht alles in Ordnung im Gesundheitswesen! Da stimme ich – wenn das zwischen den Zeilen gesagt worden sein sollte, bei Herrn Gaugg habe ich nichts davon gehört – zu. Wir haben zersplitterte Leistungserbringer und zersplitterte Finanzierungsformen. Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen und private Institutionen teilen sich die Leistungen und auch die Finanzierung.


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Wo gibt es da den Vorschlag der Regierungsparteien, diesbezüglich etwas zu ändern? – Es gibt keinen Vorschlag! (Abg. Dr. Pumberger: Zusammenlegung! Steht ja im Regierungsprogramm!) Wir haben im Gesundheitssystem, in den Sozialversicherungen nach wie vor, und ich bedauere das sehr, teilweise keine Anerkennung von Leistungen, die anzuerkennen wichtig wäre.

So gibt es etwa in der psychotherapeutischen Versorgung nach wie vor große Probleme. Wir haben nach wie vor auch große Probleme bei anderen Leistungen – ob das der Zahnersatz ist, ob es andere Leistungen, Physiotherapie und Ähnliches, sind –, Probleme, dass die Patienten und Patientinnen hier zu entsprechend kostengünstigen Behandlungsformen kommen. Ja! Das ist ein Problem im österreichischen Gesundheitssystem! Und das verursacht auch Probleme für die Sozialversicherungen.

Darum, meine Damen und Herren, ist es gar nicht so zufällig, und es ist nicht nur eine Frage dieses Defizits der Sozialversicherung beziehungsweise der Krankenkassen, dass, wenn die Krankenkassen zusätzliche Leistungen übernehmen, der Gesetzgeber, der ja die Verantwortung dafür übernommen hat, auch darauf schauen muss, wo er das Geld herkriegt. Wo kriegt er das Geld her?

Und es ist nicht zufällig, meine Damen und Herren, dass im Frühjahr 2001 eine Debatte stattgefunden hat, an der sich nicht nur Herr Sallmutter beteiligt hat. Auch Herr Mitterlehner hat sich geäußert und gemeint, eine Sanierung könne über höhere Beiträge, über Selbstbehalte oder über Finanzspritzen des Bundes gehen. Herr Bartenstein hat gemeint, eine Beitragserhöhung als letztes Mittel sei nicht auszuschließen. Herr Bundeskanzler Schüssel wollte Beitragserhöhungen erst recht nicht ausschließen, und auch Herr Bundesminister Haupt hat am 8. Februar in der Früh erklärt, er sei für Beitragserhöhungen – am 8. Februar vormittags hat er dann erklärt, er sei gegen Beitragserhöhungen.

Dieses Rezept kennen wir ja, etwa am Beispiel ORF, von Herrn Westenthaler und den Freiheitlichen. Man weiß nicht: Ist man für eine Klage, ist man gegen eine Klage? Und dann entscheidet man: Man weiß noch nicht, wofür oder wogegen man ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Waneck hat im Frühjahr das Pech gehabt, dass er zu spät in den Chor derer eingefallen ist, die Beitragserhöhungen gefordert haben. Ihm hat dann Herr Schüssel gesagt:

Das ist das Letzte, pscht! Wir reden nicht über Beitragserhöhungen. Reden wir lieber über Herrn Sallmutter! Herr Sallmutter ist das Übel und für alles verantwortlich, was im österreichischen Gesundheitswesen fehlt. Für das Defizit ist er verantwortlich, für die fehlenden Leistungen ist er verantwortlich – alles ist die Schuld des Herrn Sallmutter. (Abg. Wenitsch: Öllinger für Sallmutter!)

Glauben Sie wirklich, dass Sie irgendjemanden damit überzeugen konnten? Glauben Sie das wirklich?

Meine Damen und Herren! Herr Gaugg hat gesagt: Ja wo ist denn Herr Sallmutter gewählt worden? – Er ist auf Grund eines Wahlmodus gewählt worden, bestellt worden zum Präsidenten, den diese Bundesregierung und Sie beide im Jahre 2000 beschlossen haben. (Abg. Wenitsch: Das ist aber ein Unterschied, ob gewählt oder bestellt!)

Ich möchte Ihnen etwas vorschlagen, meine Damen und Herren! Führen wir einen Wahlmodus ein, bei dem der Präsident des Hauptverbandes direkt gewählt wird, aber ohne Ihr Gesetz! Führen wir so etwas ein! Herr Sallmutter würde im Moment 90 Prozent Zustimmung erhalten, und Herr Gaugg müsste sich freuen, würde er 0,1 Prozent erhalten! So schaut’s aus in Wirklichkeit! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! 50 000 "Zwerge" haben gestern demonstriert! (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) 50 000 "Zwerge" waren auf der Straße und haben genau kapiert, was Sie wollen. Und ich erinnere nur daran, dass einer dieser 50 000 "Zwerge" – ich habe mir das


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gemerkt, in der "ZiB 1" und in der "ZiB 3" ist seine Stellungnahme gebracht worden –, ein in diesem Fall sozialdemokratischer "Zwerg", um in der Diktion des Herrn Khol zu bleiben, gesagt hat: Das ist meine Sozialversicherung, in die ich einzahle (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner ), und ich sehe absolut nicht ein, dass jemand, der nicht meine Legitimation hat, über mein Geld mitbestimmt!

Jetzt ist es zwar vielleicht möglich, dass es Herrn Khol gelingt, den "siebenten Zwerg", den Herrn Dirnberger – denn diesen hat er ja damit gemeint –, ruhig zu stellen. (Abg. Dr. Khol: Das wird niemandem gelingen!) Aber jene 50 000 "Zwerge", die 500 000 "Zwerge", die eine Million "Zwerge", die nicht mit Ihrer Politik einverstanden sind, Herr Dr. Khol, die werden Sie nicht ruhig stellen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich kann Ihnen bei dieser Gelegenheit auch gleich ankündigen: Es wird nicht nur einen Antrag auf Rückverweisung dieses ASVG-Gesetzes geben, zu dem wir die Abänderungsanträge noch immer nicht haben, Herr Dr. Khol. Es geht offensichtlich um irgendwelche substantiellen Änderungen. Oder ist das ohnehin Larifari, was Sie machen? Dann sagen Sie es gleich! Sagen Sie gleich, dass das an der Substanz nichts ändern wird!

Vielleicht kann das auch Herr Dr. Mitterlehner sagen, der ja – in gewisser Weise – noch etwas ehrlicher agiert und jene Punkte, um die es bei dieser Angelegenheit geht, klarer auf den Tisch legt. Vielleicht, Herr Dr. Mitterlehner, schaffen Sie es, zu sagen: Wir haben zwar ein bisschen etwas geändert, aber im Wesentlichen bleibt es beim Alten. Vielleicht sagen Sie es uns, dann sparen wir uns diese Debatte um Abänderungsanträge, die noch nicht eingelangt sind.

Es geht nicht nur um die Rückverweisung, die wir heute einfordern, es geht auch, Herr Dr. Khol – und das sage ich Ihnen sehr bestimmt –, darum, dass das, was Sie in den letzten drei Tagen veranstaltet haben – mit dem ORF-Gesetz, mit der Kopfjagd in der ÖIAG und heute mit dem Hauptverband –, der Beginn einer Auseinandersetzung ist, die am Wahltag enden wird. Und wenn es so weit kommt, wie ich hoffe, nämlich dass es eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau gibt – ganz egal, ob sich die Grünen in einer Opposition befinden oder sonst wo –, dann garantiere ich Ihnen, Herr Dr. Khol: Dieses Gesetz, das Sie hier und heute beschließen, das eines der undemokratischsten Gesetze ist, dieses Gesetz wird es nicht mehr geben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Eines der notwendigsten Gesetze überhaupt!)

Und ich sage Ihnen noch etwas, Herr Dr. Khol. Man muss sich das vorstellen! Da tritt eine Regierung an und erklärt: Wir schaffen neue und schlanke Strukturen für diesen Hauptverband. (Abg. Gaugg: Jawohll! Hast du etwas dagegen?)  – Sie sagen jawohl? Ja haben Sie von dem, was Sie heute beschließen, überhaupt irgendetwas gelesen? Haben Sie irgendetwas gelesen? (Abg. Silhavy: Nein! Er hat nichts gelesen!) Da wird das Gremium im Hauptverband von früher 27 Vertretern in der Verbändekonferenz auf 38 – nicht verkleinert, sondern vergrößert! So weit können Sie mir ja wohl noch folgen! Es wird vergrößert. Es wird ein zusätzliches Gremium eingeführt – aber: reden wir nicht darüber, es ist genauso belanglos wie in Zukunft der ganze Hauptverband der Sozialversicherungsträger, denn die Entscheidungen werden im Management fallen.

Reden wir zunächst über die Zusammensetzung dieses Gremiums laut einem Gesetz, an dem mitwirken zu können die Freiheitlichen so stolz sind! 27 waren es bisher, in der Mehrheit Arbeitnehmervertreter, und das ist gut so, meine Damen und Herren (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), auch wenn diese Mehrheit von Arbeitnehmervertretern noch immer nicht das ist, wofür wir Grüne immer eingetreten sind, nämlich eine Vertretung von Versicherten. (Zwischenruf des Abg. Kopf. )

Die Versicherten sollen in der Sozialversicherung das Wort haben, und nicht die Wirtschaft und auch nicht die Sozialpartnerschaft insgesamt! (Abg. Dr. Leiner: Das stimmt ja nicht! – Abg. Brosz  – in Richtung des Abg. Dr. Leiner –: Lesen Sie den Abänderungsantrag!) Die Versicherten sollten das Wort haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Aber ich sage Ihnen: Von 27 auf 38 ist dieses Gremium vergrößert worden, und aus einer Mehrheit der Arbeitnehmervertreter, die gut so war – denn die Arbeitnehmer sind die überwiegende Mehrheit der Versicherten! –, wird eine Mehrheit der Arbeitgeber.

Und aus der Mehrheit von Rot, die der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter einigermaßen entspricht, wird eine Mehrheit von Schwarz-Blau. Aber Blau kommt nur als kleines Tüpfelchen vor, Herr Kollege! Eine Partei wie die ÖVP, die bei den letzten Nationalratswahlen 25 Prozent erzielt hat – und dabei verloren hat –, eine Partei wie die ÖVP, die bei den Arbeiterkammerwahlen verloren hat, schafft es über dieses Gesetz, mit 25 Prozent 58 Prozent der Vertreter im Hauptverband zu erzielen. Das ist ein kalter Putsch; daran gibt es nichts zu deuteln. Das ist ein kalter Putsch! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

So macht man es, wenn man machtgierig und machtgeil ist, aber das hat mit der Vertretung von Versicherten – egal, ob über Arbeitnehmer oder Arbeitgeber oder direkt über Versicherte – nichts mehr zu tun. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Ihnen geht es nicht nur um diese Macht, sondern Ihnen geht es auch darum – das sei hier klar gesagt –, über diese Strukturveränderungen die Sozialversicherung als solche zu verändern. Natürlich geht es Ihnen darum! Darüber ist noch nicht gesprochen worden: Der 20-prozentige Selbstbehalt, Herr Dr. Stummvoll, wenn ich das so sagen darf, von dem Sie sich jetzt in einer tatsächlichen Berichtigung distanziert haben, steht ja in der Koalitionsvereinbarung. Das ist doch Ihre Koalitionsvereinbarung! Oder distanzieren Sie sich von Ihrer eigenen Koalitionsvereinbarung? (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.  – Abg. Dr. Puttinger: Da steht auch etwas anderes drinnen!) In der Koalitionsvereinbarung steht: Die Versicherungspflicht soll diskutiert werden.

Und da sind sie ja, die schon reihenweise nicken und meinen, man müsse durchaus in diese Richtung denken. Da sind sie ja schon auf der Regierungsbank, die sagen, die Unfallversicherung brauchen wir nicht, die schaffen wir vielleicht ab – was den Unternehmen sehr entgegenkommen würde, weil es die Lasten für die Versicherung auf die Arbeitnehmer abwälzt. – Da sind ja schon Konzepte angedacht, bei denen es darum geht, für die Freizeitunfälle etwas von den Versicherten zu kassieren. Da sind ja schon die Vorschläge, die in Richtung mehr Selbstbehalt gehen. (Zwischenruf des Abg. Donabauer. )

Herr Donabauer! Sie regen sich ganz gezielt auf. Sie wissen genau, Sie haben bei dieser Sache ein schlechtes Gewissen. Das wissen Sie genau. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Bezeichnend für dieses Klima, Herr Donabauer, ist, dass alle Kritiker – und die kennen Sie sehr gut aus Ihren eigenen Reihen –, ob das Herr Dirnberger ist, ob das Herr Dinkhauser ist, ob das die "anderen Zwerge" von diesen 50 000 sind, zu denen auch ich gehört habe, einer Meinung sind. – Auch ich habe mitdemonstriert und habe mir das angehört, und ich bin stolz darauf, bei diesen 50 000 dabei gewesen zu sein! (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. )

Ich danke diesen 50 000, dass sie bewiesen haben, dass es nicht egal ist, wohin die Sozialversicherung geht (anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPÖ), während Sie hier im Parlament sitzen und gesessen sind und eine machtgeile Reformnovelle nach der anderen beschließen – gestern beim ORF, heute beim Hauptverband. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie werden bezahlt, um zu arbeiten, nicht um zu demonstrieren!)

Freuen Sie sich nicht zu früh! Jetzt müssen die Versicherten noch für Ihre Kurpfuscherei zahlen, aber der Tag der Abrechnung kommt, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Der Tag der Abrechnung kommt: Das ist der Wahltag! (Abg. Dr. Puttinger: Freilich!) Das ist der nächste Wahltag auch in der Arbeiterkammer. Da wird es Ihnen nicht mehr so leicht gelingen, die Mehrheitsverhältnisse, die jetzt schon so klar sind, noch einmal durch eine ASVG-Novelle zu korrigieren. Der Tag der Abrechnung sind Wirtschaftskammerwahlen, der Tag der Abrechnung sind auch Nationalratswahlen. (Abg. Dr. Stummvoll: Jede Wahl ist eine Abrechnung!)


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Mit Ihrer Politik, meine Damen und Herren, auf Kosten von Funktionären, auf Kosten der Gesundheitspolitik, auf Kosten der Sozialversicherungspolitik haben Sie sich selbst schon die Weichen für diese Wahlen gestellt. (Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Seine Redezeit beträgt gleichfalls 15 Minuten. – Bitte.

10.25

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Öllinger hat sehr positiv begonnen, und er hat zugegeben, was ich von ihm noch nie gehört habe: Das österreichische Gesundheitssystem ist gut, es wird allgemein sehr anerkannt. – Dem möchte ich vollinhaltlich zustimmen, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das österreichische Gesundheitssystem ist in Ordnung. Es wird durch dieses Gesetz in keiner Weise beeinträchtigt, sondern verbessert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es stehen keine Selbstbehalte zur Diskussion, das ist ganz klar in den letzten Monaten immer wieder festgestellt worden. Es ist auch ganz klar, dass die Pflichtversicherung, so wie sie derzeit besteht, beibehalten wird. Die Verunsicherungen, die in den letzten Tagen betrieben wurden – auch gestern (Abg. Sophie Bauer: Von Ihnen!)  –, nämlich dass die Pflichtversicherung in Gefahr sei, sind unkorrekt. Ich verurteile auch, wenn von Ihrer Seite immer wieder Verunsicherungen verbreitet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben in Österreich keine Zweiklassenmedizin. Jeder, der krank ist, wird in den Spitälern von den Ärzten so gut behandelt, dass er wieder gesund wird. Jede Operation steht jeder Österreicherin und jedem Österreicher zu. (Abg. Huber: Wie lange noch?)  – Solange wir Verantwortung haben, wird das so bleiben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber, meine Damen und Herren, etwas ist auch eine Tatsache (Abg. Heinzl: Was ist mit der "Unfallsteuerversicherung"?): Seitdem diese Regierung mit Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess-Passer in Verantwortung ist, kommen vom Hauptverband ständig Probleme. Die erste Meldung, die vor 16 Monaten kam, war, dass der Krankenversicherung ein Defizit von über 5 Milliarden Schilling für das Jahr 2000 droht. Was ist tatsächlich geschehen? – Dieses Defizit ist nicht eingetreten, und zwar auf Grund der Maßnahmen, die diese Bundesregierung gesetzt hat. Wir hätten uns mehr Zusammenarbeit mit dem Hauptverband gewünscht, um das Defizit zu reduzieren. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch zu Beginn dieses Jahres gingen Horrormeldungen durch die Medien, ausgehend vom Hauptverband: Das Defizit wird neuerlich steigen. Was ist Tatsache? – Jetzt gibt sogar der Hauptverband zu, dass das Defizit innerhalb von fünf Monaten um 2 Milliarden Schilling reduziert worden ist. Nicht 5,8 Milliarden Schilling an Defizit drohen uns für das Jahr 2001, sondern die Finanzierung der Krankenversicherung ist gesichert. Es zweifelt eigentlich kein Mensch daran, dass sie gesichert ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir verurteilen es, dass Sie, die Verantwortlichen für den Hauptverband, die Verantwortlichen für die Sozialversicherung in Österreich – Sie waren bisher hauptverantwortlich –, diese Verunsicherung immer wieder gegenüber den Österreichern betreiben – vollkommen ungerechtfertigt! Wir haben die Verwaltungskosten bei den Sozialversicherungsträgern bereits gesenkt, und zwar spürbar gesenkt, meine Damen und Herren. (Abg. Verzetnitsch: Wer? Der Hauptverband oder Sie?)  – Der Gesetzgeber durch das Ministerium.

Herr Präsident! Sie haben den Beschlüssen, die wir hier vor sechs Monaten gefasst haben, nicht zugestimmt. Das ist richtig. Aber wir, die ÖVP und die FPÖ, haben diese Beschlüsse gefasst, damit die Verwaltungskosten gesenkt werden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Herr Präsident Verzetnitsch! Ich bedauere es, dass Sie damals nicht kooperationsbereit waren, als es um die Verwaltungskosten bei den Sozialversicherungsträgern gegangen ist. Sie waren nicht bereit dazu, in dieser Frage auch nur einen Millimeter nachzugeben, sondern von Ihnen kam einfach ganz beinhart: Nein, wir sind nicht bereit zu sparen. (Abg. Mag. Trattner: Typisch SPÖ!)  – Das ist ein Fehler gewesen, das sage ich Ihnen, Herr Präsident Verzetnitsch. Das war ein Fehler! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Das ist die Unwahrheit, die Sie hier sagen!)

Meine Damen und Herren! Auch die Selbständigkeit der Sozialversicherungsträger bleibt erhalten. Kein Millimeter der Selbständigkeit einer Gebietskrankenkasse, einer Pensionsversicherungsanstalt, einer Unfallversicherungsanstalt wird durch dieses Gesetz berührt. Es ist unrichtig, dass durch dieses Gesetz in die Selbständigkeit der einzelnen Sozialversicherungsträger, der Gebietskrankenkassen eingegriffen wird – in keiner Weise! (Abg. Verzetnitsch: Noch nicht!)

Aber dieses Gesetz bringt Verbesserungen. Das sollte man heute auch sagen. Es bringt einen ganz wesentlichen Fortschritt in der Gesundheitspolitik – einen Fortschritt, der von den Ärzten immer wieder gewünscht worden ist, nämlich dass die Sozialversicherung Gruppenpraxen zulässt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wird auf Grund dieses Gesetzes möglich, dass sich ein praktischer Arzt mit einem Facharzt zusammenschließt und sie eine gemeinsame Praxis führen. Der Patient muss dann nicht mehr von einem Arzt zum anderen wandern, sondern erhält in einer Ordination seine gesundheitliche Versorgung. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Ich weiß, dass dieses Thema drei Jahre lang immer wieder diskutiert wurde, aber nie gelöst werden konnte. Jetzt, mit Bundesminister Haupt und mit Staatssekretär Waneck, haben wir dieses Problem gelöst. Gruppenpraxen müssen von der Sozialversicherung anerkannt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich meine, das ist ein Meilenstein in der Gesundheitspolitik, eine ganz wesentliche Verbesserung. Das ist eine Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung in Österreich, was aber von Ihnen nicht anerkannt wird. Sie werden das ablehnen. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich bedauere es, dass Sie diesen Meilenstein in der Gesundheitspolitik heute ablehnen werden. Das muss den Österreicherinnen und Österreichern gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Heinzl.  – Ruf bei der SPÖ – in Richtung des Redners –: Sie sollten sich schämen!)  – Nein, für diesen Schritt schäme ich mich nicht. Sie sollten sich schämen, wenn Sie solche Zwischenrufe machen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Strukturreform des Hauptverbandes ist ein wichtiger Punkt dieser Novelle, meine Damen und Herren. Aber wir alle wissen, dass bereits Frau Ministerin Hostasch vor drei Jahren ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, um die Strukturreform des Hauptverbandes einleiten zu können. Das war das berühmte KPMG-Gutachten, das allerdings nie umgesetzt worden ist. Also die Ursprünge dieser Strukturreform sind von sozialdemokratischen Ministern geschaffen worden, nicht von der heutigen Regierung. Die Ursprünge stammen aus den Jahren 1998 und 1999. (Abg. Edler: Eine Vorgabe war das!)

Meine Damen und Herren! Sind diese Reformen so unrichtig, sind diese Reformen so falsch? Was war bisher? – Hiemit antworte ich Abgeordnetem Öllinger. Auf der Dienstnehmerseite des Hauptverbandes waren bisher im Verbandsvorstand und im Verbandspräsidium nur Sozialdemokraten. 100 Prozent Sozialdemokraten auf der Dienstnehmerseite des Verbandsvorstandes und des Verbandspräsidiums im österreichischen Hauptverband! Ist das gerecht? (Abg. Schwarzenberger: Nein!) Da soll noch jemand sagen, dass es gerecht ist, dass auf der Dienstnehmerseite nur Sozialdemokraten vertreten sind. Dieses Verhältnis werden und müssen wir ändern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Durch diese Reform wird abgebildet, wie sich das Ergebnis der Arbeiterkammerwahlen zusammensetzt. Herr Mag. Ziniel, ein Mitarbeiter von Präsident Verzetnitsch, hat uns ja freundlicherweise per Brief die Ergebnisse noch einmal zukommen lassen, damit wir sie wiedergeben


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können. Er hat uns mitgeteilt, dass die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter bei der Arbeiterkammerwahl 57 Prozent erzielt hat. Sie wird auf der Dienstnehmerseite des Hauptverbandes mit vier von sieben Personen vertreten sein. Das entspricht genau dem Ergebnis der Arbeiterkammerwahlen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ist das nicht gerecht? Ist das nicht fair? Ist das nicht korrekt? – Da soll noch jemand sagen, dass diese Abbildung des Arbeiterkammerwahl-Ergebnisses auf der Dienstnehmerseite des Hauptverbandes nicht korrekt ist. Sie ist korrekt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Deshalb habe ich auch aus gutem Grund diese Abbildung des Arbeiterkammerwahl-Ergebnisses auf der Dienstnehmerseite des Hauptverbandes im Ausschuss vertreten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Zweiter Punkt, zur Veränderung der Organe. Wir hatten bisher immer dieselben Personen in den Organen des Hauptverbandes, und zwar in der Verbandskonferenz, im Verbandspräsidium und im Verbandsvorstand. (Abg. Edler: Das glaubst du ja selber nicht!) Es musste jemand in der Verbandskonferenz sein, man konnte dann auch in den Verbandsvorstand kommen. Und vom Verbandsvorstand konnte er nur dann in das Präsidium aufsteigen, wenn er schon vorher im Verbandsvorstand war. Man könnte sagen, das ist eine russische Puppe, die wir im Hauptverband heute vorfinden. Und diese russische Puppe wird nun verändert, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir werden ein Gremium schaffen, nämlich den Verwaltungsrat. Dieser Verwaltungsrat setzt sich sparsam aus sieben Mitgliedern auf der Arbeitnehmerseite und sieben Mitgliedern auf der Arbeitgeberseite zusammen. Diese werden nach dem d’hondtschen System auf Grund des Ergebnisses der Arbeiterkammerwahl und der Wirtschaftskammerwahl bestellt – demokratisch, eine vollkommen demokratische Bestellung dieses Organs. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edler: Was sagt der Herr Dinkhauser?)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie bekämpfen die Wahl des Präsidenten und die Wahl des Vizepräsidenten im Hauptverband. Bisher war es so, dass der Präsident und der Vizepräsident vom Minister bestellt worden sind. Wir sagen, diese beiden Personen werden nun durch Wahl im Hauptverband bestellt. Das bedeutet mehr Demokratie, mehr Selbstverwaltung auch im Hauptverband. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Edler. )

Sagen Sie mir, dass das nicht stimmt! Die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten in den Gremien des Hauptverbandes ist ein wesentlicher Fortschritt und bedeutet mehr Selbstverwaltung. Die Direktoren, der Generaldirektor und die stellvertretenden Direktoren wurden bisher vom Minister bestellt, vom Sozialminister. Ich sage: mehr Selbstverwaltung in den Hauptverband! Die Posten der Direktoren des Hauptverbandes werden in Zukunft ausgeschrieben und dann von den Organen der Selbstverwaltung bestellt, und zwar vom Verwaltungsrat des Hauptverbandes. Dieser bestellt den Direktor, den Generaldirektor und die stellvertretenden Generaldirektoren. Das ist ein Schritt zu mehr Selbstverwaltung im Hauptverband. Die Gremien des Hauptverbandes sollen entscheiden, nicht der Minister!

Ich komme zum letzten Punkt, zum umstrittenen Vetorecht. Sie hatten Recht damit, dass Sie darauf hingewiesen haben: So, wie es ursprünglich vorgesehen war (Abg. Edler: So wie der Herr Dinkhauser!), Herr Abgeordneter, wäre das Vetorecht – auch aus unserer Sicht – zu weitgehend gewesen. Der Herr Bundeskanzler hat bereits vor zwei Tagen hier im Hohen Haus gesagt: Jawohl, wir wollen das Vetorecht abbilden, so wie es bisher gewesen ist. – Sie werden heute einen Antrag bekommen, der das Vetorecht der Minister so darstellt, wie es bisher gewesen ist. Also die Selbstverwaltung wird geschützt, die Selbstverwaltung bleibt erhalten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist wichtig, das zu gewährleisten, was uns so wichtig ist: Die Sozialpartner sollen wesentlich im Bereich der Sozialversicherung entscheiden. (Abg. Edler: Da schau her!)  – Jawohl, aber beide Seiten, und nicht eine Partei, Herr Abgeordneter! Nicht eine Partei, sondern alle in der


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Arbeiterkammer vertretenen Gruppen sollen mitentscheiden können – nicht eine Person, nicht eine Partei und nicht nur eine Gruppe! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das ist die wesentliche Änderung, die wir vorschlagen, die wir heute auch beschließen. Ist die unfair, frage ich Sie? Ist die unkorrekt? (Rufe bei der SPÖ: Ja! – Rufe bei der ÖVP: Nein!)  – Sie ist korrekt! Sie ist fair! Sie schafft mehr Demokratie, und sie wäre längst notwendig gewesen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geben wir daher den neuen Funktionären, die im Herbst bestellt werden, die Möglichkeit, auch konstruktiv miteinander zusammenzuarbeiten – zum Wohle der Versicherten Österreichs. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Bravo!)

10.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Haupt. – Bitte.

10.41

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die heutige Beschlussfassung der 58. ASVG-Novelle – darauf hat dankenswerterweise schon Kollege Feurstein hingewiesen – wird eine Reihe von Verbesserungen sowohl für die Versicherten als auch für die Rahmenbedingungen der Versicherten und der Betriebe in Österreich bringen. – Das ist etwas, was in der Debatte der heutigen Plenarsitzung gänzlich untergegangen ist, und deswegen bin ich dem Kollegen Feurstein dankbar dafür, dass er die wichtigen Ansatzpunkte der 58. ASVG-Novelle für alle Österreicherinnen und Österreicher hier vorgestellt hat; somit kann ich mir das in meiner knapp 15-minütigen Redezeit ersparen.

Ich komme nunmehr zur Causa prima der innen- und außenpolitischen Auseinandersetzungen. Ich denke an die gestrige Demonstration vor dem Hohen Haus, an die Neuordnung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und an manch anderes, was in der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang an Vorwürfen, an Unwahrheiten, an Unsachlichkeiten und an Unrichtigkeiten vorgebracht worden ist, und möchte darstellen, wie ich das sehe.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist die Sozialpartnerschaft? Seit wann gibt es sie, und wie hat sie sich im österreichischen Staatswesen implementiert? Nach Ansicht des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, dokumentiert in dem Buch "100 Jahre Sozialversicherung in Österreich", ist klar, dass am 14. Juli 1921, und zwar mit dem Gleichstellungsgesetz der Ersten Republik, die Geburtsstunde der sozialen Selbstverwaltung in Österreich auf der einen Seite und der Sozialpartnerschaft auf der anderen Seite festzumachen ist.

Was hat dieses Gleichstellungsgesetz gebracht? Es hat die Gleichstellung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden gebracht, die gleiche Mitwirkung an der Gesetzgebung, an der Wirtschaftsverwaltung – die gleichen Mitwirkungsbefugnisse, paritätisch im Verhältnis 1 : 1.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Sozialpartnerschaft hat im Jahre 1938 durch den Einmarsch der Nationalsozialisten ihre Beendigung gefunden und wurde im Jahre 1947 mit dem denkwürdigen Vertrag zwischen Dr. Julius Raab und Johann Böhm wieder neu ins Leben gerufen. Am 17. April 1946 haben diese beiden, auch der heutigen Jugend noch bekannten maßgebenden Politiker der Zweiten Republik mit der Schaffung der Bauarbeiter-Urlaubskasse einerseits und den Vereinbarungen betreffend den österreichischen Hauptverband und der Schaffung der Sozialversicherungsträger andererseits, umgesetzt im Jahre 1949, die Sozialpartnerschaft neu begründet.

Bemerkenswert im damaligen Papier ist die genaue Aufteilung: 1 : 1. In den Ländern Oberösterreich, Salzburg und Tirol werden die Vorsitzenden von den Arbeitgebern, in der Steiermark und in Kärnten von der Arbeitnehmerseite gestellt. Die leitenden Beamten sind dafür in der Zentralstelle Wien, in der Steiermark und in Kärnten aus der Arbeitnehmervertretung der sozialistischen Fraktion, in den Ländern Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg aus dem


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Arbeitnehmerkreis der volksparteilichen Fraktion zu bestellen. – Das war der Beginn der Sozialpartnerschaft in der Zweiten Republik.

Aus diesem paritätischen System der Zweiten Republik hat sich auf Grund der Erkenntnisse des Jahres 1990 und der von meinem Amtsvorgänger Bundesminister Hesoun ins Leben gerufenen Häusermann-Studie 1994 eine Änderung in der Sozialpartnerschaft ergeben. Bis dahin, sehr geehrte Damen und Herren, war es in der Selbstvertretung selbstverständlich, dass es im österreichischen Hauptverband nicht nur eine Hauptversammlung gegeben hat, sondern neben der Hauptversammlung noch einen Präsidialausschuss, einen Überwachungsausschuss und folgende Sektionsausschüsse: Krankenversicherung allgemein, Landwirtschaftskrankenkassen, Bauernkrankenversicherung, Unfallversicherung, Selbständiger Pensionsversicherungsausschuss und Pensionsversicherungsausschuss ASVG.

Es hat das gegeben, was diese Bundesregierung in Zukunft wieder haben will: Spartenverantwortliche! Spartenverantwortliche für die Krankenversicherung, Spartenverantwortliche für die Unfallversicherung, Spartenverantwortliche für die Pensionsversicherung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Seit der Einführung der Sozialpartnerschaft bis heute sind sämtliche Präsidenten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie deren Vizepräsidenten, beziehungsweise sein Vizepräsident in den Anfangsjahren, vom jeweiligen Bundesminister für Soziales ernannt, aber nie gewählt worden. (Abg. Haigermoser: So schaut’s aus!)

In Zukunft, sehr geehrte Damen und Herren, werden der Präsident und der Vizepräsident des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger gewählt werden. Angesichts dieser Tatsache zu behaupten, dass die Bundesregierung nach dem Hauptverband greift, das halte ich schlicht und einfach für falsch. Das Gegenteil entspricht der Wahrheit! (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin der erste Sozialminister der Zweiten Republik, der auf das Recht, den Präsidenten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zu ernennen, verzichtet, der mit der Gesetzesänderung, die heute beschlossen werden wird, die Wahlen durchgängig machen wird, die Wahlen durch die Versicherten.

Sehr geehrte Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion hier im Hohen Hause! Es mag schmerzlich für Sie sein, die Aufteilung der Sitze zwischen ÖVP und SPÖ aus dem Jahre 1947 nunmehr nicht mehr vorzufinden, aber unter Berücksichtigung der demokratischen Wahlergebnisse – wobei jemand, der bei den Arbeitnehmern 57 Prozent erreicht hat, in Zukunft von sieben vier Vertreter haben wird, also mehr als 50 Prozent und im Vergleich mehr als die 57 Prozent, die er in Zukunft im Hauptverband stellen wird – zu behaupten, abmontiert zu werden und anderes mehr, halte ich schlicht und einfach für falsch. Das entspricht nun einmal den tatsächlichen Wahlergebnissen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass in den österreichischen Bundesländern und auch hier im Nationalrat jede Fraktion, die über eine gewisse Stärke verfügt – man kann darüber diskutieren, ob das bei 4 Prozent, bei 5 Prozent, bei 10 Prozent, bei der Grundmandatsklausel anzuhängen ist –, jede wahlwerbende Gruppe, die über eine gewisse Stärke verfügt, auch vertreten ist. Die heute zu beschließende Änderung wird diesen Zustand, der in unseren Bundesländern und in diesem Parlament seit Jahren demokratischer Standard ist, nunmehr auch für die entsprechenden Gremien des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger für die dort wahlwerbenden Gruppen – und nicht für die Parteien des österreichischen Parlaments – herstellen. Das zu betonen halte ich für besonders wichtig! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Arbeitnehmervertreter sind, wenn sie gewählt sind, Arbeitnehmervertreter und in ihrer Funktion als gewählte Vertreter der Arbeitnehmer genauso anzuerkennen wie Arbeitgebervertreter. Es ist mir als Bundesminister für Soziales nicht einsichtig, warum ein gewählter Vertreter der Arbeitnehmerschaft aus der einen Fraktion der alleinig selig Machende sein soll, während einer aus der anderen Fraktion kein Arbeitnehmervertreter sein


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sollte. Gewählte Vertreter der Arbeitnehmerschaft und gewählte Vertreter der Dienstgeber sind gewählte Vertreter und gewählte, demokratisch legitimierte Repräsentanten des Systems. – Nichts anderes ist zum vorliegenden Gesetzentwurf festzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Gusenbauer! Sehr geehrter Herr Kollege Öllinger! Sie haben richtigerweise festgestellt, dass im heurigen Jahr im Bereich der Krankenversicherung ein erhebliches Loch, nämlich mehr als 3,2 Milliarden Schilling an Defizit – so der Stand der vorliegenden Abrechnungen der einzelnen KV-Träger am 31. Mai 2001 –, vorhanden ist. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir mit den Sozialpartnern in Verhandlungen übereingekommen sind, zunächst eine kurzfristige Überbrückung dieses Defizits und langfristig eine Neuordnung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht nur anzudiskutieren, sondern im Interesse aller Versicherten auch umzusetzen.

Für die 3,2 Milliarden Schilling liegen vor: unterzeichnete und auch durchaus anerkannte Vereinbarungen mit der Österreichischen Ärztekammer, im Durchschnitt 1 Milliarde Schilling; Ambulanzbeiträge: 0,7 Milliarden Schilling; von der Pharma- und Apothekenwirtschaft: 1 Milliarde Schilling; von der Verwaltung, auch aus Sicht der Sozialpartner versprochen: 0,4 Milliarden Schilling. – Das sind insgesamt, summa summarum, 3,2 Milliarden Schilling. Das entspricht der Höhe jenes Defizits, das wir derzeit auszugleichen haben.

Sehr geehrter Herr Kollege Gusenbauer! Sehr geehrte Damen und Herren vom Österreichischen Gewerkschaftsbund, die Sie gestern bei den Demonstrationen gesprochen haben! Welche Selbstbehalte sollte diese Bundesregierung noch erfinden? Wir haben eine breite Liste von Selbstbehalten in der österreichischen Sozialversicherung, und ich darf Ihnen an dieser Stelle einmal nachvollziehbar machen, wer wann welche Selbstbehalte eingeführt hat (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist sehr, sehr wichtig!):

Krankenscheingebühr: eingeführt am 1. Jänner 1997, also nicht von dieser Bundesregierung; Behandlungsbeitrag, Ambulanzgebühr: von dieser Bundesregierung auf den Bereich der §-11-Kassen ausgedehnt; Rezeptgebühren gibt es seit der Stammfassung des ASVG 1955; für Heilbehelfe gibt es Selbstbehalte seit der Stammfassung des ASVG 1955, erneuert in den Novellen 1982 und schon 1974; Hilfsmittel: in der Stammfassung des ASVG 1955; Reise- und Fahrtkosten: seit dem Jahre 1974, erstmals publiziert im Bundesgesetzblatt 31/1973.

Weiters: Transportkosten: 1973 – diese waren in der Stammfassung noch nicht vorgesehen –; Wahlarzthilfen: 1996; Anstaltspflege: 1955, im Jahr 1997 novelliert; Behandlungsbeitrag nach § 27a KAG: seit 1. Jänner 1988; Zuzahlungen zu Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit, zu Kuraufenthalten: seit 1. Jänner 1997; Zahlung bei Rehabilitationsaufenthalten: seit 1. Juli 1996; Behandlungsbeitrag für ärztliche Hilfe: ASVG 1955; Kostenbeitrag für sämtliche Sachleistungen im GSVG-Bereich: 1955; Behandlungsbeitrag für sämtliche Sachleistungen im Bereich des BSVG: ASVG 1955; Zuzahlungen im Bereich der Zahnprothetik, des Zahnersatzes, der Kieferorthopädie und der Kieferregulierung: ASVG 1955, mehrfach abgeändert. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Alle derzeit gültigen Selbstbehalte sind schon vor Antritt dieser Bundesregierung eingeführt worden, und in einem einzigen Fall, nämlich bei den Ambulanzgebühren, sind vorhandene Gebühren auch auf § 11, auf die Gebietskrankenkassen, ausgedehnt worden. Das sind die tatsächlichen Fakten zu den Selbstbehalten, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wird immer nach den Versäumnissen des Hauptverbandes gefragt. – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, dass am 14. September 1994 die Verbandskonferenz des österreichischen Hauptverbandes in § 31 Abs. 5 Z 4 des ASVG die Richtlinien für EDV-Programme einstimmig beschlossen hat und für das Jahr 1997 folgende Standardprodukte vorausgesetzt hat, übrigens mit einem bezifferten Potential von 6 Milliarden Schilling, nach dem White-Paper-Einsparungspotential.


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Umgesetzt sind FOKO I und FOKO II, nicht umgesetzt ist ARVO, die elektronische Archivierung und Vorgangsbearbeitung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse; das soll mit 31. Dezember 2001 allen zur Verfügung stehen; KUG, Karenzurlaubsgeld: steht seit dem Jahre 1998 zur Verfügung; DSS, das Datensammelsystem: nein, nicht umgesetzt; das Meldeversicherungs- und Beitragsanforderungsanalyse-System: mit einem Anwendungsentwurf noch nicht voll einsatzfähig; VVP: teilweise einsatzfähig; Cash-Management: seit 1997, zeitgerecht, vorhanden; das EBDB: seit Oktober 1997; das Fiwi, Finanz- und Wirtschaftswesen der Gebietskrankenkasse: ebenfalls zeitgerecht, seit Oktober 1997; das Personalwirtschafts-GKK-Voruntersuchungssystem Pers: steht nicht zur Verfügung; das Leistungswesen der Gebietskrankenkasse-Voruntersuchungen LGKK: steht noch immer nicht zur Verfügung, befindet sich im Probestadium.

Sehr geehrte Damen und Herren! Von 6 Milliarden Schilling beziffertem Einsparungspotential sind 5 Programme – jene, die die wichtigsten Punkte beinhalten, die seit dem Jahr 1997 online sein sollten – noch nicht umgesetzt!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Ich darf höflich darauf aufmerksam machen, dass die vereinbarte Redezeit von 15 Minuten erschöpft ist.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich denke, dass es vernünftiger gewesen wäre, dieses Geld den Versicherten, zur Zahlung der Krankenversorgungsleistungen zur Verfügung zu stellen und die Säumigkeiten im Hauptverband rechtzeitig zu beheben – noch dazu, wo sogar die eigenen Beschlüsse frühere Zeithorizonte festgesetzt hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsordnung!)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsordnung: Herr Abgeordneter Westenthaler. – Bitte.

10.57

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Mehrere Abgeordnete dieses Hauses haben einen Zwischenruf des SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer zur Kenntnis genommen, so auch ich. Er hat unseren Redner, Abgeordneten Reinhart Gaugg, mit dem Zwischenruf bedacht: Sie sind ja offensichtlich schon in der Früh betrunken!

Herr Präsident! Auf Grund der Ungeheuerlichkeit dieses Zwischenrufes habe ich Sie ersucht, sich das Protokoll vorlegen zu lassen, und habe die Erteilung eines Ordnungsrufes beantragt. Da um 11 Uhr die Vorsitzführung wechselt und ich weiß, dass nur der zum betreffenden Zeitpunkt auch vorsitzführende Präsident den Ordnungsruf erteilen kann, es aber notwendig ist, dass auch die Fernsehzuschauer die Art und Weise mitbekommen, wie hier in diesem Haus seitens der Opposition mit Abgeordneten unserer Fraktion umgegangen wird, muss ich diese Feststellung treffen und auch ganz offiziell diesen Ordnungsruf beantragen, weil das einfach eine ungeheuerliche Entgleisung des Herrn Gusenbauer war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich kann nur feststellen, dass Sie, Herr Kollege, mich gebeten haben, das Protokoll beizuschaffen. Das ist geschehen, und ich werde dann anhand des Protokolls entscheiden.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

10.58

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Vorlagen, die uns unter diesem Tagesordnungspunkt bis jetzt bekannt sind und zur Beschlussfassung vorliegen, zeigen einmal mehr, aber dafür mit besonderer Deutlichkeit, was die viel zitierte "Wende" für die Menschen in dieser Republik bedeutet. Im Mittelpunkt dieser blau-schwarzen Wendepolitik stehen Machterhaltung und Machtgewinn. Menschen und deren Schicksale werden von Ihnen höchstens ignoriert! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir stellen der interessierten Bevölkerung als Beweis für diese inhumane Politik gerne Ihre Debattenbeiträge beispielsweise zu den Ambulanzgebühren, dem Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung, dem Pensionspaket, der Besteuerung der Unfallrenten zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ.)

Menschenverachtung, meine Damen und Herren, kennzeichnet diese blau-schwarze Politik, wird aber nunmehr ergänzt durch Demokratiemissachtung durch das Regieren neu.

Die Tatsache, meine Damen und Herren, dass Sie bereits drei der vier genannten Maßnahmen reparieren mussten, ist ohnedies ein Beweis dafür, dass sich Ihre Drüberfahrer-Politik letzten Endes nicht lohnt. Sie erreichen damit nur eines: Sie geben sich selbst ein schlechtes Zeugnis für Ihre Politik und machen das österreichische Parlament zu einer Flickwerkstatt Ihrer schlechten und inkompetenten Gesetzgebung. (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Damen und Herren! Die zentrale Frage, über die wir zurzeit in diesem Land reden, betrifft die Zukunft einer Errungenschaft, um die uns viele, ja ich würde sagen, die meisten Staaten dieser Erde beneiden. Es geht um unsere, um die österreichische Sozialversicherung. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Die wichtigste Frage dabei ist: Wie geht es den Menschen in diesem Land, wenn sie von den verschiedensten Risken des Lebens betroffen sind? (Abg. Mag. Schweitzer: Na wie geht es ihnen?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht darum: Wie wird es einem gehen, wenn man älter ist? Wie wird es den älteren Menschen in unserem Land in Zukunft gehen? (Abg. Mag. Schweitzer: Wie wird es ihnen gehen? Sagen Sie es!) Schlecht bei Ihrer Politik, sage ich Ihnen. Sie wollen ein Drei-Säulen-Modell: Runter mit der Pensionsversicherung, Eigenvorsorge, wer es sich leisten kann, der soll gut leben, der andere soll arm dahintümpeln. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie geht es in Zukunft einem selbst oder der Familie, wenn man krank wird? – Das ist die zentrale Frage, über die wir heute sprechen!

Was geschieht mit einem Menschen, wenn er einen Arbeitsunfall hat oder an einer Berufskrankheit leidet? – Das ist die Frage, um die es heute hier in Wahrheit geht, meine Damen und Herren!

Wir stehen in dieser Frage tatsächlich an einer Weggabelung: Es geht um die Frage: Sozialversicherung und Solidarität oder Privatversicherung, eigenes Risiko, Ellbogengesellschaft? – Das sind die Inhalte der Auseinandersetzungen, die wir hier heute führen!

Dabei steht Ihnen, dieser Bundesregierung, Hans Sallmutter im Wege, und zwar deshalb, weil er sich für die Interessen der Versicherten einsetzt (Abg. Böhacker: Das ist eine kühne Behauptung, die Sie da aufstellen!) und weil er sich nicht für die Interessen des Kapitals einsetzt, wie Sie das tun, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Warum werden Sie so nervös? (Abg. Haigermoser: Ich bin überhaupt nicht nervös!) Vertragen Sie die Wahrheit nicht? Sie bräuchten nicht so nervös zu sein, wenn Sie ein gutes Gewissen hätten, aber Sie haben ein schlechtes Gewissen, weil Sie wissen, dass diese Politik, die Sie betreiben, unsozial und unsolidarisch ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Herr Gusenbauer! Holen Sie die Frau Reitsamer wieder herein ins Parlament!)

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen und einen Dank an Hans Sallmutter (Abg. Achatz: Warum zittern Sie so?), der diese Diskussion mitverfolgt, aussprechen – einen Dank dafür, dass er nicht nur eine starke Persönlichkeit ist, sondern zum Glück auch noch eine starke Person ist und daher die Verfolgungs- und Hetzkampagne, die Sie gegen ihn ausgetragen haben, bis jetzt durchgehalten hat. Herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)


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Herr Bundesminister! (Die Rednerin blickt in Richtung Regierungsbank und sieht Bundesminister Mag. Haupt am Ende derselben stehen und sich mit seinen Mitarbeitern unterhalten.)  – Herr Bundesminister, es wäre nett, wenn Sie mir kurz zuhören könnten! (Bundesminister Mag. Haupt spricht weiterhin mit seinen Mitarbeitern.)

Herr Bundesminister Haupt, könnten Sie mir kurz Ihr Ohr leihen? (Rufe bei der SPÖ: Herr Bundesminister Haupt! Frechheit!) Auch das ist vielleicht interessant für die Fernsehzuschauer: dass es dem Herrn Bundesminister Haupt vollkommen egal ist, was andere sagen! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber mit dem Herrn Minister reden, wenn er schon anwesend ist. Er ist ja auch zuständig dafür. (Abg. Böhacker: Das ist doch keine Fragestunde! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen. – Abg. Böhacker: Wir sind doch in keiner Fragestunde! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Silhavy ist am Wort!

Abgeordnete Heidrun Silhavy (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Aber ich denke, es ist ganz gut, wenn die Bevölkerung auch sieht, wie sich Abgeordnete dieses Hauses, die den Regierungsparteien angehören, verhalten. Ich halte das auch für eine gute Demonstration. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wenn Sie am Rednerpult sind! – Bundesminister Mag. Haupt nimmt wieder auf der Regierungsbank Platz.)

Herr Bundesminister! Sie lassen unser Gesundheitswesen ganz bewusst in den Crash hineinlaufen, damit Sie dann argumentieren können, dass dieses Gesundheitswesen nicht leistbar sei und wir daher eine private Gesundheitsvorsorge bräuchten. Das ist die Taktik, das ist die Philosophie, die hinter Ihrer Politik steht!

Herr Kollege Feurstein hat heute voll Stolz verkündet, jene 5 Milliarden Schilling an prognostiziertem Abgang in der Krankenversicherung seien bereits reduziert worden, man habe bereits ein Defizit von 3,7 Milliarden Schilling erreicht.

Herr Kollege Feurstein! Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Die eine Möglichkeit ist die, dass, wie Sie alle wissen, eine Vorschau natürlich immer wieder verändert wird, weil sie auch mit veränderten Prognosen zu tun hat. Also entweder ist es eine Bereinigung einer Vorschau, eines Zahlenwerkes, oder es hat sich tatsächlich etwas verbessert. Jetzt frage ich Sie: Wenn es sich tatsächlich verbessert hat, welchen Vorwurf machen Sie dann dem Präsidenten des Hauptverbandes, wenn er so erfolgreich gearbeitet hat? (Beifall bei der SPÖ.) Warum beschließen Sie ein Gesetz, das vorsieht, dass Herr Hans Sallmutter gehen muss?

Das ist eine sehr interessante Frage, und die Antwort auf diese Frage interessiert zweifelsohne auch die Bevölkerung, wie ich annehme.

Sowohl zum Herrn Kollegen Feurstein als auch zum Bundesminister sei Folgendes gesagt: Sie sagen, in die Selbstständigkeit der Träger werde nicht eingegriffen. Dazu muss ich aber sagen: Mit dem, was wir kennen und was Sie heute hier zu beschließen gedenken, schalten Sie eiskalt die Selbstverwaltung aus – Sie wissen das auch, Herr Kollege Haupt –, und diese Ausschaltung der Selbstverwaltung wird sich automatisch im Bereich der einzelnen Träger fortsetzen müssen, weil sonst das ganze System nicht funktioniert. Auch das ist Ihnen bekannt. Daher brauchen Sie nicht so zu tun, als ob das nicht der Fall wäre. Sie wissen ganz genau, dass das eine die Konsequenz des anderen ist.

Herr Bundesminister! Das, was die Abgeordneten der Koalitionsparteien hier zu beschließen gedenken, was also Blau-schwarz hier beschließen will, hat aber schon gar nichts gemein mit den Erkenntnissen der Häusermann-Studie oder mit jenen der KPMG-Studie – nicht das Allergeringste, meine Damen und Herren! Das wollte ich hier schon auch einmal gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was Sie hier machen? – Sie machen eine totale Verschiebung realer Verhältnisse. 3 100 000 aktive Versicherte stehen rund 300 000 Selbständigen und Bauern gegenüber. Ein Verhältnis von 10 : 1, wie jeder Mensch, der rechnen kann, leicht nachvollziehen wird können.

Was machen Sie? – Sie verschieben das Ganze in Richtung eines Verhältnisses von 1 : 1. Genau das ist das Undemokratische an dieser Neuregelung, die Sie beschließen wollen!

Sie sagen so großartig: In Zukunft werden Präsident und Vizepräsident gewählt werden können. Aber Sie, meine Damen und Herren, suchen sich aus, wer wählen darf, und zwar nach dem Zensuswahlrecht. Und das ist undemokratisch, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Ich möchte, weil wir schon über Demokratie reden, den Rest meiner Redezeit noch dafür nutzen, etwas zu erwähnen, was mich gestern sehr betroffen gemacht hat. Ich kenne Kollegin Christine Gubitzer seit vielen Jahren, sie vertritt sehr oft ganz andere Positionen, als ich es tue, weil sie eine andere politische Grundwerthaltung hat, aber Sie sollten hören, Herr Dr. Khol, was sie in diesem Zusammenhang gesagt hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich würde Sie bitten, hören Sie zu! Ich zitiere:

"Getroffen hat man mit den Äußerungen aber alle ArbeitnehmerInnen Österreichs" – da geht es um Ihre "Zwerge", da geht es um den "siebenten Zwerg" –",die scheinbar für die Machthaber dieses Staates nur Gartenzwerge sind, die man nicht weiter beachten muss. Kritiker werden in letzter Zeit sehr schnell mit untergriffigen, erniedrigenden Kraftausdrücken mundtot gemacht. In einer Monarchie geht das Recht vom Herrscher aus, in der Demokratie geht das Recht vom Volk aus. Österreich ist eine Demokratie." – Zitatende.

Ich würde sagen: Österreich ist noch eine Demokratie. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden aber bei allen Punkten genauso wie bei diesem, mit dem Sie wieder gegen die Menschen ein Gesetz beschließen wollen, das aufzeigen und für die Erhaltung der Demokratie kämpfen. Wir fühlen uns den Menschen verpflichtet, wir fühlen uns der Demokratie verpflichtet, wir fühlen uns der Solidarität verpflichtet, und wir wollen eine Politik mit Herz und Hirn, wo der Mensch im Mittelpunkt steht, wo die Freiheit im Mittelpunkt steht und wo die Menschen in diesem Staat faire Bedingungen und Chancengleichheit vorfinden. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

11.09

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Hohes Haus! Die Gewerkschaft streikt und fordert uns Abgeordnete auf (Rufe bei der SPÖ: Wer streikt? Wo streikt sie? – Abg. Schieder: Wo wird gestreikt?): Wacht auf und trefft die richtige Entscheidung, sonst kommen wir wieder! (Abg. Schieder: Wo wird gestreikt? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie! Ich verspreche Ihnen: Wir treffen die richtige Entscheidung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie brauchen sich da keine Sorgen zu machen. Wir treffen die richtige Entscheidung für die Bürger unseres Landes, aber nicht für die sozialistischen Funktionäre! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Wo wird in Österreich gestreikt?)

Meine Damen und Herren! Bitte fragen Sie doch einmal die Bürger draußen, was sie interessiert! Sie sprechen anscheinend mit ihnen nicht mehr. Sie wissen nicht, was eine Selbstverwaltung ist, was ein Hauptverband ist, aber den Bürger interessiert eines: dass er, wenn er krank ist, behandelt wird, und zwar gut behandelt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich bekomme genug Beschwerden, dass viele Patienten keinen Arzttermin bekommen, weil zu wenig Kassenärzte vorhanden sind. Wer ist denn dafür verantwortlich? Wer macht denn die Verträge? (Ruf bei der SPÖ: Die Ärztekammer!) Die Verträge macht, bitte, die Sozialversicherung, die macht die Krankenkasse.

Oder: Sehr viele Mittel stehen den Patienten nicht zur Verfügung, zum Beispiel im Pflegebereich. In einem Bundesland bekommt ein Pflegepatient mit Inkontinenz fünf Windeln bezahlt, in einem anderen bekommt er nur vier Windeln bezahlt, in einem dritten Bundesland wiederum bekommt er nur drei Windeln bezahlt. Wer ist denn dafür verantwortlich? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wer denn? – Die Sozialversicherung, die Gebietskrankenkasse ist verantwortlich.

Das nennen Sie, meine Damen und Herren, Gleichbehandlung?! Das nennen Sie Solidarität?! Ich frage nur, für wen das eine Solidarität ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gott sei Dank ist unsere Regierung am Werk und kann diese Dinge, die Sie verursacht haben, reparieren.

Unterschiedliche Leistungen für gleiche Beiträge – das, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ist wirklich eine Frechheit. Es ist auch eine Frechheit, dass Sie uns vorwerfen, dass die Gesundheitsleistungen immer schlechter werden und dass durch unsere Arbeit eine Zwei-Klassen-Medizin entsteht. (Zwischenrufe.)

Ich sage Ihnen Folgendes: Sie haben die Zwei-Klassen-Medizin schon vor langer Zeit in unserem Lande geschaffen, und es ist unsere Aufgabe – Gott sei Dank sind wir an der Regierung! –, das zu reparieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wir Freiheitliche und diese Regierung wollen, dass alle Österreicher (Abg. Edlinger: Dass alle Österreicher zahlen! Das wollen Sie! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Edlinger –: Das war nur beim Edlinger der Fall!) die gleiche medizinische und pflegerische Qualität bekommen.

Gerade was die Leistungen, sprich die Vertragsabschlüsse mit den Gesundheitsanbietern, betrifft, haben Sie über die finanzielle Situation der Kassen nie die Wahrheit gesagt. Sie haben den Versicherten belogen, Sie haben ihn nicht über die Rechte aufgeklärt. (He-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Was ist denn, Herr Präsident?! Es fiel das Wort "belogen"!)

Sie haben nicht gesagt, welche Leistungsansprüche sie haben, und Sie haben auch nicht gesagt, dass es da zwischen den einzelnen Berufskassen Unterschiede gibt. Weiters war beim Vertragsabschluss mit den Gesundheitsanbietern die Qualität egal, und die Kontrolle der Leistungen war sowieso kein Thema.

Was war das Ergebnis? – Wartezeiten bei den niedergelassenen Ärzten, vor allem im ländlichen Raum, Akkordmedizin und keine Zeit für den Patienten, Chefärzte, die ihre Patienten nie sehen und aus rein kassenökonomischen Gründen Leistungen streichen. Dies, meine Damen und Herren, ist alles Ihr Werk, welches wir im Interesse der Patienten verbessern wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Für mich als Gesundheits- und Sozialpolitikerin ist dieser heutige Tag – und ich möchte dies in aller Deutlichkeit sagen – der Beginn einer grundlegenden Reform zu einer modernen, effizienten, für alle zugänglichen medizinischen Versorgung. Dafür möchte ich allen, die daran mitgearbeitet haben, dem Herrn Minister, dem Herrn Staatssekretär, aber auch allen Verhandlern, die mit am Verhandlungstisch waren, wirklich recht herzlich danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was wir heute und in den letzten Tagen und Monaten in den Medien gelesen haben, das interessiert den Bürger nicht. Er braucht Hilfe, wenn er krank ist, und wir sorgen dafür, dass er sie auch erhält! (Abg. Edlinger: "Natürlich"!)

Stattdessen betreiben Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, eine Propaganda der Unwahrheiten, indem Sie uns eine "Zerstörung des Sozialversicherungssystems" und einen "Putsch der Sozialverwaltung", wie Sie es nennen, vorwerfen. Der Gipfel dabei ist, dass Sie


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meinen, dass die Demokratie gefährdet ist. Da frage ich mich: Wo ist die Demokratie gefährdet? Die Demokratie war in Ihrer Regierungszeit gefährdet. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Warum, meine Damen und Herren? – Weil Ihr Präsident des Hauptverbandes, Herr Sallmutter, nämlich nicht gewählt wurde. Er wurde nicht gewählt, sondern er wurde am 2. April 1997 von der damaligen Ministerin Hostasch bestellt. Er wurde nicht gewählt! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wo ist denn da die Demokratie? Wo ist sie denn in diesem Fall? Es gab keine Wahl und kein Hearing! (Abg. Edlinger: Die Menschen haben diese Regierung auch nicht gewählt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe mir die Medienberichte von damals angeschaut. Wissen Sie, was da steht? (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hören Sie zu, vielleicht lernen Sie noch etwas! Ich zitiere:

"Die große Chance auf eine breite Diskussion und die Ernennung desjenigen Bewerbers, der die besten Konzepte vorlegen kann, ist versäumt worden." – Zitatende.

Das hat man damals in den Medien geschrieben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wo ist denn da die Demokratie? – Ihnen geht es immer nur um die Macht, aber uns werfen Sie es vor. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie denken so, Sie können nicht sachpolitisch arbeiten, Sie können nur parteipolitisch arbeiten! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe mir die öffentlichen Stellungnahmen des bald ehemaligen Hauptverbandspräsidenten Sallmutter aus den letzten zehn Jahren genau angeschaut. Wissen Sie, was Herr Sallmutter am 24. Oktober 1994 – da war er noch nicht Präsident des Hauptverbandes – gesagt hat? – Ich zitiere:

"Die gesamte Finanzierung des Gesundheitssystems stehe auf dem Prüfstand." – Ich muss sagen: sehr weise!

Des Weiteren sagte Sallmutter: "Weitere Beitragserhöhungen sind aufgrund der ungerechten Verteilungswirkung nicht in unserem Sinne."

Das ist interessant! Herr Sallmutter hat dann seine Meinung geändert, weil es, wie wir wissen, eine laufende Forderung seitens der Sozialversicherung, seitens des Hauptverbandes gewesen ist, die Beiträge zu erhöhen. Damals hat er aber gesagt, das sei unsozial.

Weiters hat Herr Sallmutter 1994 gesagt, er sei für einen Risikoausgleich. Wissen Sie, für welchen Risikoausgleich, meine Damen und Herren? – Für einen Risikoausgleich für ältere Menschen und chronisch kranke Patienten. Die müssen mehr Beiträge zahlen. – Das ist das Ziel Ihres Hauptverbands-Präsidenten gewesen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Am 25. Juni 1996 hat Herr Sallmutter dann wieder seine Meinung geändert und gemeint, moderate Beitragserhöhungen sollte es schon geben, und am 17. Jänner 1997 hat er gemeint, Beitragserhöhungen wären zur Absicherung der Liquidität der Kassen notwendig. – Also zuerst hieß es, meine Damen und Herren, es gebe überhaupt keine Beitragserhöhungen, dann hielt man Beitragserhöhungen für unumgänglich.

Aber es sind auch die Äußerungen des Herrn Sallmutter betreffend die Höhe der Beitragserhöhungen unverständlich. Er hat gemeint, bei einem Defizit von 5,6 Milliarden Schilling bräuchte man nur eine Beitragserhöhung von 0,3 Prozent. Bei einem Defizit von 3,5 Milliarden Schilling forderte er plötzlich eine solche von 0,5 Prozent. – 0,2 Prozent mehr, bei weniger Defizit, ist Ihnen das verständlich? Mir nicht! (Abg. Haigermoser: Adam Riese war da nicht dabei!) Anscheinend hat er das nicht gelernt. Du sagst es!

Ich sehe da, meine Damen und Herren von der SPÖ, nur Konzeptlosigkeit und Überforderung. Und da fragen Sie uns, warum wir eine neue Reform des Hauptverbandes wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Die Grundsätze einer Geschäftsführung eines Managers würden bei solch einem Vorgehen in allen Bereichen verletzt werden. Da gibt es keine Zweckmäßigkeit, keine Wirtschaftlichkeit, keine Sparsamkeit, und Konzepte und Strukturreformen fehlen. Nur eine Einnahmenerhöhung zu verlangen, das ist wirklich zu wenig! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber das scheint eine rot-grüne Philosophie zu sein, denn wenn ich mir das in Deutschland jetzt anschaue, dann stelle ich das Gleiche fest. Was macht denn dort die rot-grüne Regierung? – Beiträge erhöhen! Und was sagt Bundeskanzler Schröder? – Er sagt: Wer mehr medizinische Leistungen will, muss privat bezahlen. – Das ist die Philosophie der Sozialdemokraten und auch der Grünen!

Aber so wie der Schelm denkt, so agiert er. Sie werfen uns Dinge vor, die Sie umsetzen wollen. Zum Glück sind wir an der Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Fazit ist, meine Damen und Herren: Die SPÖ stört nicht die Zerschlagung der Selbstverwaltung, sondern die fehlende Selbstversorgung mit Spitzenfunktionen. Dies ist der wahre Grund für den Streik der Gewerkschaft! Es geht Ihnen um Ihre Macht, aber es geht Ihnen nicht um die Patienten und um die Menschen in unserem Land. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das "SOS" heißt für mich wirklich "sozial ohne Sallmutter", und das wird es auch sicher sein! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich darf zum Abschluss noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen zur Regierungsvorlage 624 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum AVSG) einbringen. – Dieser Antrag wurde an alle Abgeordneten verteilt.

Es sind darin mehrere Dinge enthalten. Es sollen in erster Linie die Organe des Hauptverbandes neu organisiert werden beziehungsweise soll auch die Unvereinbarkeitsklausel neu formuliert werden. Bei einem Vetorecht, worüber es eine große Diskussion gab, ist es nunmehr möglich, auch den Verfassungs- und den Verwaltungsgerichtshof anzurufen.

Zum Schluss darf ich noch sagen: Wenn ich das Wort "gelogen" gesagt habe ... Ich wollte sagen "Unwahrheit". Ich bitte um Entschuldigung! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Ich werde mir das Protokoll Ihrer Rede geben lassen. Es war darin eine Passage, die in den Zwischenrufen untergegangen ist, die mir nicht sehr gut gefallen hat. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

11.20

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sie werden mit verzeihen, dass ich geglaubt habe, dass heute über Gesundheitspolitik gesprochen wird. Was ich aber jetzt höre, sind Temperamentsausbrüche unterschiedlicher Lautstärke. So vergleicht etwa die FPÖ-Kollegin Hartinger die Opposition ständig mit der deutschen Bundesregierung. Ich bitte Sie, sich wirklich daran zu erinnern, dass die Zeit des Anschlusses vorbei ist! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Kollege Khol hat zwar einen gesundheitspolitischen Konnex hergestellt, indem er den Zwergwuchs wieder ins Gespräch brachte, nur, Kollege Khol: Ich würde bitten, zeigen Sie mir die Riesen in Ihrer Regierungskoalition! Dann wird es vielleicht spannender. (Beifall bei den Grünen.)

Und ein dritter gesundheitspolitischer Konnex: Kollege Gaugg zeigt, dass die Kraft seiner Stimmbänder den Intellekt seiner Argumente um ein Vielfaches überschreitet, aber fachlich


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habe ich wenig gehört. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie der SPÖ. – Abg. Gaugg: Sie können mich nicht beleidigen! Wenn sich ein Arzt dafür hergibt, dass er sechs Stunden filibustert, dann muss doch ...!)

Mich interessieren im Prinzip Fragen und die Güte der Antworten auf diese Fragen. Und da lässt es in einigen Dingen aus. Wo wird wieder nicht über Gesundheitspolitik diskutiert? – Frau Rauch-Kallat – ich zitiere eine APA-Meldung von vorgestern – meint:

"Es ist ... ungeheuerlich, dass Sozialisten und Kommunisten erstmals in der Zweiten Republik gemeinsam die Straße gegen die demokratisch legitimierte Parlamentsmehrheit mobilisieren, ..."

Ich weiß, auch da ist ein gesundheitspolitischer Konnex herzustellen. Placebo-Studien zeigen nämlich, dass rote und grüne Tabletten, vor allem wenn sie bitterer sind, stärker helfen als süße und weiße. Aber das ist zu wenig. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Großruck: Wenn man so etwas im Kindergarten sagt, habe ich Verständnis, aber hier ...!)

Das nenne ich wirklich Polarisierung und Denunziation, und das hat mit Gesundheitspolitik nichts zu tun. Rauch-Kallat und einige von Ihnen bringen sozusagen das Kunststück zu Wege, die sachliche Ebene zu verlassen, bevor sie sie überhaupt betreten haben. Und das irritiert. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Edlinger  – in Richtung Freiheitliche und ÖVP –: Der ist zu intellektuell für euch!)

Woran hapert es aber im Gesundheitssystem wirklich? – Die Bundesregierung weiß, es gibt Betreuungsmängel bei alten, chronisch kranken und pflegebedürftigen Menschen. Es gibt Mängel in der Rehabilitation. (Abg. Gaugg: Warum tun Sie dann nichts?) Es gibt Mängel in der Dezentralisierung der Psychiatrie. Es gibt Mängel in der psychotherapeutischen Versorgung, in arbeitsmedizinischen Leistungen, in der Palliativmedizin. Es gibt fehlende Leistungsangebotsplanung, mangelnde Qualitätssicherung, mangelnde Koordination zwischen Bund und Ländern et cetera pp. (Abg. Haigermoser: Warum besuchen Sie dauernd den Joschka Fischer?)

Das heißt, es gäbe genügend zu tun. Sie hätten also genügend zu tun! Aber was passiert? – Feurstein sagt, das Defizit sei ja ohnehin nicht mehr so hoch, wie es die Krankenkasse dargestellt habe. Das sei ja ungeheuerlich! Es seien nicht mehr 5,5, sondern nur mehr 3,2 Milliarden Schilling. Ich sage: Bravo!, aber wer von Ihnen hat nicht die Finanzierungslücken an den Pranger gestellt? Wer hat nicht von der Kostenexplosion, von der zukünftigen Unfinanzierbarkeit gesprochen? Und jetzt sagt Feurstein: Die Finanzierung der Kassen ist gesichert! – Wunderbar! Gehen wir zur Tagesordnung über, und arbeiten Sie wieder!

Sie haben nicht erwähnt, woher dieses so genannte Defizit kommt. Ich sage es Ihnen noch einmal, wenn Sie immer Wiederholungen brauchen, um es zu kapieren. (Ruf: Geh, hör’n S’ auf!)  – Ich höre nicht auf! Das würde Ihnen so passen. (Beifall bei den Grünen.) Das Bruttoinlandsprodukt ist in den Jahren 1993 bis 1999 um 27,3 Prozent gestiegen, die Leistungen der Kassen um 27,5 Prozent. Es ist in allen reichen Industrienationen üblich, dass die Gesundheitsleistungen annähernd gleich zum BIP verlaufen.

Was aber ist passiert? – Die Löhne und Gehälter sind nur um 20,2 Prozent gestiegen – und damit auch die Einnahmen der Kassen nur um 20,5 Prozent. Daraus ergibt sich rein mathematisch, wenn Ihnen dieses Fach gefällt, eine Lücke von 4,2 Milliarden Schilling, also genau das, weswegen Sallmutter zurücktreten muss und die Kassen reformiert werden! Was dabei für die Bevölkerung, für die Bürgerinnen und Bürger herausschaut, das sagen Sie mir, sagen Sie uns überhaupt nicht!

Sie sagen: Jetzt schwächen wir einiges auf Druck der Wirtschaft ab. Ich nenne jetzt keine Namen; man würde sonst diesen Leuten schaden. Ich bin aber den vernünftigen Personen in der Wirtschaft dankbar! Das so genannte Vetorecht wurde sozusagen sehr schwachbrüstig und sehr schamhaft zurückgenommen, indem man jetzt sagt: Die Personen, die von Ministern bestellt werden, können ein Veto einlegen, wenn die Zweckmäßigkeit nicht gegeben ist.


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Jetzt frage ich Sie aber: Man hat Ihnen nachgewiesen, dass die Ambulanzgebühren nicht zweckmäßig sind, dass sie nicht das bringen, was sich die Bundesregierung an Einnahmen erwartet hat. Sie wissen, man hat die Bevölkerung zunehmend mehr belastet. Die Ausgaben der Bevölkerung, also der private Anteil an der Finanzierung der Gesundheitskosten, sind von knapp 20 auf 30 Prozent gestiegen. Ist das zweckmäßig? Legt hier jemand ein Veto ein? – Sicherlich nicht!

Sie sagen, es entstünden viel effizientere, marktähnliche, managementähnliche Strukturen mit Ihrer Reform. – Erklären Sie mir bitte: Welcher private Industriebetrieb wechselt seine Führungsmannschaft in jährlichen Perioden aus? Zeigen Sie mir die Betriebe, wo gleichzeitig Professionalität und fachmännische Sachkenntnis verlangt wird! Dann müssen die Leute nach einem Jahr gehen, und dann kommt der Nächste, und dann kommt wieder der Erste. Wo gibt es das? Ich wünschte mir, so etwas gäbe es in der Bundesregierung. Man kann es ja einmal als Pilotstudie versuchen: Soll einmal Schüssel mit Riess-Passer wechseln, und dann ist Riess-Passer einmal ein Jahr im Amt, und dann macht es wieder der Schüssel. Und dann schauen wir, was das verbessert. (Abg. Edlinger: Das würde gar nicht auffallen!) Ist dann im Gesundheitssystem alles plötzlich prächtig? Wird die Bevölkerung dadurch gesunden?

Jetzt lese ich Ihnen noch etwas vor. – Ich weiß, dass man "Lüge" hier nicht sagen darf, daher sage ich eben, es ist ein bisschen falsch, es stimmt nicht ganz genau, es ist etwas überzogen und etwas tendenziös. Waneck, der manchmal durchaus auch gute Dinge sagt, muss aber dann sofort wieder dementieren oder alles widerrufen. Er sagt laut APA: "Mir geht es um eine am Menschen orientierte, effiziente Gesundheitspolitik. Der Patient steht seit unserer Reform wieder im Mittelpunkt. ... Damit haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren mehr Positives für die Patienten bewegt, als die SPÖ" – und die ÖVP, füge ich jetzt hinzu – "in den vergangenen 15 Jahren."

Was war denn das? Sie haben gemeint, der Systemcrash stehe ins Haus. Sie haben die Ambulanzgebühren eingeführt und damit – das sage ich Ihnen mit aller Deutlichkeit – nur jene getroffen, die wirklich bedürftig, hilflos und krank sind. Ein Gesunder zahlt keine Ambulanzgebühren! (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Oder Sie, von dem die ganz tollen, intelligenten Bemerkungen wie Sternschnuppen hier ins Haus fallen, gehen Sie als Gesunder in ein Krankenhaus und sagen: Darf ich jetzt einen Beitrag zur Genesung des Gesundheitssystems leisten, darf ich Ihnen Ambulanzgebühren zahlen? – Ich glaube nicht. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Waneck sagt weiter, mit dieser Reform sei ein alter Wunsch Sallmutters vom 27. Juli 2001 erfüllt worden. – Ich kann jetzt nicht auf den Balkon hinaufrufen und Sallmutter fragen, ob das ein alter Wunsch von ihm war. Aber eines glaube ich schon: Natürlich braucht es Reformen. Natürlich war das Kassensystem nicht in allen Belangen perfekt. Natürlich kann man hier Strukturen, die möglicherweise noch effizienter arbeiten, einführen. Aber Sie haben es als Gesetzgeber in der Hand gehabt, das schon lange zu tun und Sallmutter und den Kassen und dem Hauptverband mehr Kraft zu geben, etwas durchzusetzen, ihnen gesundheitspolitische Gestaltungsmöglichkeiten zu geben. Aber Sie haben es nicht getan! Sie lassen ein System in das offene Messer laufen und schreien dann nach dem Arzt, der in Ihren Reihen – na ja, Günther Leiner und einige andere – zwar schon zu finden ist, aber diese Ärzte bringen auch keine ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Sie habe ich jetzt nicht unbedingt gemeint. Sie zeichnen sich schon durch etwas aus: Sie haben das, was andere sozusagen etwas höher angesiedelt haben, in Ihrem Nummernschild verewigt, und das lautet "ARZT 1". Ich habe Sie schon einmal gebeten, den Beweis anzutreten, ob dieses Nummernschild den Tatsachen entspricht. – Vielen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der ÖVP.)

11.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der von der Vorrednerin eingebrachte Abänderungsantrag auch schriftlich überreicht und darüber hinaus in seinen Kernpunkten erläutert wurde. Er ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäss § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Er wird auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der von Abg. Mag. Hartinger in seinen Grundzügen vorgetragene Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen zur Regierungsvorlage 624 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) idF des Ausschussberichtes 726 der Beilagen.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. Nach der Z 7b wird folgende Z 7c eingefügt:

"7c. § 8 Abs. 1 Z 2 lautet:

,2. in der Pensionsversicherung die Wissenschaftlichen (Künstlerischen) MitarbeiterInnen (in Ausbildung) nach § 6 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste, BGBl. Nr. 436/1974;‘"

2. Z 8a lautet:

"8a. Im § 10 Abs. 5 erster Satz wird nach dem Ausdruck ,und 8 Abs. 1 Z 1 lit. c und e,‘ der Ausdruck ,Z 2,‘ eingefügt."

3. Die bisherige Z 8a erhält die Bezeichnung "8b".

4. Nach der Z 8b wird folgende Z 8c eingefügt:

"8c. Im § 14 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 11 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 12 wird angefügt:

,12. wenn sie nach § 8 Abs. 1 Z 2 als Wissenschaftliche (Künstlerische) MitarbeiterInnen (in Ausbildung) versichert sind.‘"

5. Nach der Z 21 werden folgende Z 21a und 21b eingefügt:

"21a. Im § 36 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 9 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 10 wird angefügt:

,10. für die nach § 8 Abs. 1 Z 2 pflichtversicherten Wissenschaftlichen (Künstlerischen) MitarbeiterInnen (in Ausbildung) der jeweiligen Universität (Universität der Künste).‘

21b. Im § 44 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 10 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 11 wird angefügt:

,11. bei den nach § 8 Abs. 1 Z 2 pflichtversicherten Personen der Ausbildungsbeitrag nach § 6f des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste einschließlich einer gesonderten Abgeltung für die Mitwirkung an der Durchführung der Aufgaben der Universität (Universität der Künste) im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit.‘"

6. Nach der Z 22 wird folgende Z 22a eingefügt:

"22a. Dem § 52 wird folgender Abs. 4 angefügt:


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,(4) Für Teilversicherte nach § 8 Abs. 1 Z 2 sind die Beiträge mit dem gleichen Prozentsatz der Beitragsgrundlage (§ 44 Abs. 1 Z 11) zu bemessen wie er im § 51 Abs. 1 Z 3 lit. a festgesetzt ist; die §§ 51 Abs. 3 Z 2 lit. a und 51a sind so anzuwenden, dass als Dienstgeber die Universität (Universität der Künste) gilt, der der (die) Versicherte angehört.‘"

7. Nach der Z 58 wird folgende Z 58a eingefügt:

"58a. Im § 342 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 8 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 9 wird angefügt:

9. Regelungen über die Sicherstellung eines behindertengerechten Zuganges zu Vertrags-Gruppenpraxen nach den Bestimmungen der ÖNORM B 1600 ,Barrierefreies Bauen‘ sowie der ÖNORM B 1601 ,Spezielle Baulichkeiten für behinderte und alte Menschen.‘"

8. Z 86a lautet:

"86a. § 420 Abs. 5 Z 2 erster Satz lautet:

,Der Präsident, der Vizepräsident und die Mitglieder des Verwaltungsrates, die Obmänner und Obmann-Stellvertreter sowie die Vorsitzenden und die Vorsitzenden-Stellvertreter der Kontrollversammlungen, des Sozial- und Gesundheitsforums Österreich und der Landesstellenausschüsse haben Anspruch auf Funktionsgebühren.‘"

9. Im § 441a Abs. 3 in der Fassung der Z 86h wird im ersten Satz nach dem Ausdruck "Mitte" der Ausdruck "für eine Funktionsdauer von vier Jahren" eingefügt; weiters wird nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:

"Eine Wiederwahl ist zulässig."

10. Im § 441b Abs. 1 in der Fassung der Z 86h wird 1 im ersten Satz die der Ausdruck "zwölf" durch den Ausdruck "14" ersetzt und nach dem zweiten Satz folgender Satz eingefügt: "Je ein Mitglied ist von der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs und von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu entsenden."

11. § 441b Abs. 2 in der Fassung der Z 86h lautet:

"(2) Die Wirtschaftskammer Österreich und die Bundesarbeitskammer haben die Bestellung der von ihnen zu entsendenden Mitglieder nach der Summe der Mandate der einzelnen Fraktionen aufgrund der Wahlen zu den Fachgruppen und Fachvertretungen der Wirtschaftskammern bzw. nach der Summe der Mandate der einzelnen Fraktionen aufgrund der Wahlen in die satzungsgebenden Organe der Arbeiterkammern der Länder (Vollversammlungen) auf Vorschlag der jeweils wahlwerbenden Gruppen nach dem System d‘Hondt vorzunehmen, wobei jedoch jeweils die drei stimmenstärksten Fraktionen mit zumindest je einem Mitglied im Verwaltungsrat vertreten sein müssen. Die Wahlzahl ist ungerundet zu errechnen. Haben nach dieser Berechnung mehrere Stellen den gleichen Anspruch auf ein Mitglied im Verwaltungsrat, so entscheidet das Los."

12. § 441b Abs. 7 in der Fassung der Z 86h lautet:

"(7) Dem Verwaltungsrat gehören weiters ein Vertreter des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen sowie ein Vertreter des Bundesministers für Finanzen an. Diese dürfen zwar an den Sitzungen des Verwaltungsrates in beratender Funktion teilnehmen und sind zu hören; bei Abstimmungen kommt ihnen aber kein Stimmrecht zu. Gegen Beschlüsse des Verwaltungsrates kann der Vertreter des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen wegen Rechtswidrigkeit oder Unzweckmäßigkeit schriftlich Einspruch erheben; gegen Beschlüsse des Verwaltungsrates, welche die finanziellen Interessen des Bundes berühren, kann der Vertreter des Bundesministers für Finanzen schriftlich Einspruch erheben. Langt ein solcher Einspruch innerhalb von längstens fünf Werktagen nach erweislicher Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem zuständigen Vertreter schriftlich beim Verwaltungsrat ein, so kommt


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ihm aufschiebende Wirkung zu. Der Verwaltungsrat kann aber beschließen, die Angelegenheit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zur endgültigen Entscheidung vorzulegen (Vorlagebeschluss). Wurde der Einspruch vom Vertreter des Bundesministers für Finanzen erhoben, so hat der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen im Falle eines Vorlagebeschlusses des Verwaltungsrates die endgültige Entscheidung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu treffen. Endgültige Entscheidungen haben durch Bescheid zu erfolgen."

13. § 441c Abs. 1 in der Fassung der Z 86h lautet:

"(1) Die Geschäftsführung besteht aus einem Sprecher der Geschäftsführung und zwei bis vier zusätzlichen Mitgliedern. Sie wird vom Verwaltungsrat im Wege einer öffentlichen Stellenausschreibung für eine Funktionsperiode von vier Jahren bestellt; die Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes, BGBl. I Nr. 26/1998, sind anzuwenden. Wiederbestellungen sind zulässig."

14. Im § 441d Abs. 2 dritter Satz in der Fassung der Z 86h wird nach dem Ausdruck "Zivilinvalidenverband," der Ausdruck "Kriegsopfer- und Behindertenverband-Österreich," eingefügt.

15. § 441e Abs. 2 in der Fassung der Z 86h lautet:

"(2) Die Obmänner und Obmann-Stellvertreter der dem Hauptverband angehörenden Versicherungsträger sind ebenso wie die leitenden Funktionäre kollektivvertragsfähiger Körperschaften und Vereine, auch wenn sie die Kollektivvertragsfähigkeit in fremdem Namen ausüben, von einer Bestellung zum Mitglied des Verwaltungsrates oder zum Mitglied der Geschäftsführung oder zum Mitglied der Controllinggruppe ausgeschlossen."

16. Im § 442a Abs. 9 in der Fassung der Z 86h wird der Ausdruck "§ 442 Abs. 1" durch den Ausdruck "§ 442b Abs. 1" ersetzt.

17. Im § 593 Abs. 1 in der Fassung der Z 108 wird nach der Z 1a folgende Z 1b eingefügt:

"1b. mit 1. Oktober 2001 die §§ 8 Abs. 1 Z 2, 10 Abs. 5, 14 Abs. 1 Z 11 und 12, 36 Abs. 1 Z 9 und 10, 44 Abs. 1 Z 10 und 11 sowie 52 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2001;"

Begründung:

Zu den Z 1 bis 6 und 17:

Nach der Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten – wird ab 1. Oktober 2001 eine erstmalige Tätigkeit von Absolventen der Magister- oder Diplomstudien an der Universität (Universität der Künste) im Rahmen eines speziellen Rechtsverhältnisses als Wissenschaftlicher (Künstlerischer) Mitarbeiter erfolgen.

Durch die Bestellung zum Wissenschaftlichen (Künstlerischen) Mitarbeiter wird kein Dienstverhältnis, sondern ein Ausbildungsverhältnis begründet.

Nach dem neuen Dienstrechtsmodell für Universitäten (Universitäten der Künste) sind Neubesetzungen künftig ausschließlich im Rahmen privatrechtlicher Dienstverhältnisse oder Ausbildungsverhältnisse möglich. Professoren und Assistenten fallen daher als "Vertragsbedienstete neu" bezüglich der Kranken- und Unfallversicherung in den Geltungsbereich des B-KUVG. Wissenschaftliche (Künstlerische) MitarbeiterInnen, die künftig an die Stelle der UniversitätsassistentInnen in einem zeitlich begrenzten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis treten, werden in systemkonformer Weise in den Geltungsbereich des B-KUVG einbezogen; die Pensionsversicherung richtet sich – wie bei den Vertragsbediensteten – nach dem ASVG. Dies ist bereits in § 6 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten – normiert.


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Durch die einzelnen Bestimmungen soll die Teilversicherung in der Pensionsversicherung näher ausgestaltet werden.

Hervorzuheben ist, dass die Meldung zur Pflichtversicherung ebenso wie die Beitragsabfuhr von der jeweiligen Universität (Universität der Künste) vorzunehmen ist; Beitragsgrundlage ist der Ausbildungsbeitrag sowie eine allfällige Vergütung für Tätigkeiten an der Universität (Universität der Künste) im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit. Der Beitragssatz beträgt 22,8 Prozent der Beitragsgrundlage.

Zu Z 7:

In den Gesamtverträgen soll als verbindlicher Inhalt die Sicherstellung eines behindertengerechten Zuganges zu den Vertrags-Gruppenpraxen geregelt werden. Dabei haben die Vertragspartner Vorsorge zu treffen, dass die Mindeststandards der ÖNORM B 1600 "Barrierefreies Bauen" sowie der ÖNORM B 1601 "Spezielle Baulichkeiten für behinderte und alte Menschen" umgesetzt werden.

Zu Z 8:

Die Bestimmung über die Entschädigungen ist im Hinblick auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrates anzupassen.

Zu Z 9:

Die Funktionsdauer der Vorsitzenden und der Stellvertreter der Hauptversammlung soll analog der Funktionsdauer des Verwaltungsrates mit vier Jahren festgesetzt werden.

Zu Z 10:

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat im Zuge seiner Beratungen folgende Feststellung getroffen:

"Der Ausschuss geht davon aus, dass aufgrund der Bestimmung des § 441b Abs. 1 ASVG, wonach bei der Entsendung ,insbesondere darauf Bedacht zu nehmen ist, dass im Verwaltungsrat ein repräsentativer Querschnitt möglichst aller Dienstnehmer- und Dienstgebergruppen vertreten ist‘, im Hinblick auf die zahlenmäßige Bedeutung dieser Versichertengruppen ein Vertreter der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs auf Dienstgeberseite und ein Vertreter der GÖD auf Dienstnehmerseite in den Verwaltungsrat entsendet werden."

Im Hinblick auf diese Ausschussfeststellung erscheint es zweckmäßig, die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates von zwölf auf vierzehn zu erhöhen, wobei je ein weiteres Mitglied der Dienstnehmer- und der Dienstgeberseite zukommen soll. Da die großen Versichertengruppen der Landwirtschaft sowie des öffentlichen Dienstes durch die Wirtschaftskammer Österreich und die Bundesarbeitskammer nicht repräsentiert werden, erscheint es vielmehr notwendig, diesen eine Vertretung im Verwaltungsrat zu sichern.

Zu Z 11:

Unter der wahlwerbenden Gruppe ist jene auf Bundesebene tätige Organisation oder juristische Person (Verein, Partei, Vereinigung) zu verstehen, die den Wahlvorschlag bzw. die Wahlvorschläge für die jeweiligen Kammerwahlen eingebracht hat bzw. der diese Vorschläge zuzurechnen sind.

Zu Z 12:

Dem neu einzurichtenden Verwaltungsrat gehören als Repräsentanten der Aufsichtsbehörde ein Vertreter des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen und ein Vertreter des Bundesministers für Finanzen an. Diese dürfen an den Sitzungen in beratender Funktion und mit Anhörungsrecht teilnehmen; es kommt ihnen jedoch kein Stimmrecht zu. Gegen Beschlüsse des


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Verwaltungsrates kann der Vertreter des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen wegen Rechtswidrigkeit oder Unzweckmäßigkeit schriftlich Einspruch erheben; gegen Beschlüsse des Verwaltungsrates, welche die finanziellen Interessen des Bundes berühren, kann der Vertreter des Bundesministers für Finanzen schriftlich Einspruch erheben. Die diesbezügliche Bestimmung ist § 448 Abs. 4 ASVG nachgebildet; unter den Fragen der Unzweckmäßigkeit sind auch Fragen der mangelnden Sparsamkeit zu verstehen. Langt ein solcher Einspruch innerhalb von längstens fünf Werktagen nach erweislicher Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem zuständigen Vertreter schriftlich beim Verwaltungsrat ein, so kommt ihm aufschiebende Wirkung zu. Der Verwaltungsrat kann aber beschließen, die Angelegenheit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zur endgültigen Entscheidung vorzulegen.

Gegen die endgültigen Entscheidungen, die mit Bescheid zu erfolgen haben, steht dem Verwaltungsrat die Möglichkeit der Erhebung von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Dadurch wird dem Selbstverwaltungsträger das Recht eröffnet, diese Aufsichtsmaßnahmen mit rechtlichen Mitteln zu bekämpfen (vgl. VfSlg 10000/1984).

Zu Z 13:

Diese Änderung dient der Klarstellung, dass die Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes auf die Mitglieder der Geschäftsführung generell anzuwenden sind.

Zu Z 14:

Auch dem Kriegsopfer- und Behindertenverband-Österreich soll ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Bestellung der Mitglieder des Sozial- und Gesundheitsforums Österreich zukommen.

Zu Z 15:

Unter Funktionär ist jene Person zu verstehen, die in eine Funktion in einer der genannten juristischen Personen gewählt wird; leitende Funktionäre sind insbesondere jene Funktionsträger, die maßgeblichen Einfluss auf Geschäftsführung, Beschlussfassung, öffentliche Darstellung oder Vertretung der kollektivvertragsfähigen Körperschaften und Vereine ausüben.

Die sachliche Rechtfertigung der Unvereinbarkeitsregelungen des § 441e ASVG liegt in der Notwendigkeit, Interessenkollisionen möglichst zu vermeiden:

Wer einem Verwaltungskörper des Hauptverbandes angehört, muss die dem Hauptverband obliegenden Lenkungs- und Leitungsaufgaben der sozialen Selbstverwaltung in ihrer Gesamtheit vor Augen haben; er kann daher nicht gleichzeitig Versicherungsvertreter – und damit: einem Partikularinteresse verpflichteter Funktionär – eines einzelnen Versicherungsträgers sein.

In noch stärkerem Maße gilt dies für die Obmänner oder Obmann-Stellvertreter eines Versicherungsträgers, da diese zumeist seit vielen Jahren mit ihren Versicherungsträgern und deren spezifischen Interessen verbunden und verflochten sind.

Die Unvereinbarkeitsregelung betreffend leitende Funktionäre kollektivvertragsfähiger Körperschaften und Vereine knüpft an den Umstand der Kollektivvertragsfähigkeit an: Diese kommt juristischen Personen gerade deshalb zu, um arbeitsrechtliche Interessenkonflikte im Wege kollektivvertraglicher Vereinbarungen zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern auszugleichen. Der Bereich der sozialen Selbstverwaltung soll aber gerade von diesen arbeitsrechtlichen Interessenkonflikten freigehalten werden; insbesondere soll vermieden werden, dass arbeitsrechtliche Konflikte in den Bereich der sozialen Selbstverwaltung übertragen und hier stellvertretend mit den Instrumentarien des ASVG ausgefochten werden. Der vorliegende Gesetzesentwurf bezweckt daher hinsichtlich der genannten leitenden Funktionäre eine personelle Entflechtung und strebt solcherart eine Konzentration auf die Sachprobleme der Sozialversicherung an; er geht von der idealtypischen Vorstellung aus, dass sich die Funktionäre des Hauptverbandes allein auf die unvoreingenommene und unparteiische Lösung jener


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Probleme konzentrieren können, die im Bereich der Aufgaben des Hauptverbandes auftreten. Diese sachliche Zugang soll nicht durch Interessenkonflikte aus anderen Selbstverwaltungsbereichen oder politischen Auseinandersetzungen beeinträchtigt werden.

Die Unvereinbarkeitsregelung des Abs. 3 soll verhindern, dass kontrollierende und ausführende Kompetenzen vermengt werden; sie ist daher unentbehrlich für ein funktionierendes System der "checks and balances".

Abs. 4 regelt – nach dem Vorbild des § 11 des Bundesbahngesetzes 1992 (BGBl Nr. 825/1992 Konflikte aus Bereichen außerhalb der sozialen Selbstverwaltung in die soziale Selbstverwaltung hineingetragen werden und deren Funktionalität und Effizienz behindern.

Zu Z 16:

Diese Änderung dient der Korrektur eines Redaktionsversehens.

Zu § 593 Abs. 8 ASVG:

Bis zur Konstituierung der Geschäftsführung nach § 441c ASVG idF des Ausschussberichtes führen die bisherigen leitenden Angestellten als einstimmig entscheidendes Kollegialorgan die Geschäfte des Hauptverbandes. Für einen kurzen Übergangszeitraum hat somit das Büro Aufgaben der Selbstverwaltung zu übernehmen, um die Kontinuität der Aufgabenbesorgung zu gewährleisten. Dieses Kollegialorgan ist somit als Verwaltungskörper tätig; es untersteht daher ebenso der Aufsicht wie die anderen Verwaltungskörper.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! So eine Plenarwoche, in der Gruppenpraxen beschlossen werden, in der das Kinderbetreuungsgeld beschlossen wird – ein familien- und sozialpolitischer Fortschritt ersten Ranges! –, hat es schon in sich, und da muss man sich als Opposition, wenn man die Mär von der sozialen Kälte noch länger aufrechterhalten will, schon etwas einfallen lassen. Da muss man schon etwas inszenieren – und ich gebe neidlos zu: Das ist Ihnen auch gelungen. (Abg. Edlinger: Der "sechste Zwerg von links" spricht!) Es ist Ihnen gelungen, eine simple Strukturreform, eine simple Organisationsmaßnahme im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, eine Frage des Gesundheitssystems, eine Frage der Sozialversicherung zu einer Frage der Demokratie an sich hochzustilisieren.

Sie haben wochenlang vorbereitet – ich weiß es von unseren Betriebsräten – und getrommelt für die gestrige Veranstaltung, und zwar in den Wochen, in denen Sie uns noch vorgegaukelt haben, sozialpartnerschaftliche Verhandlungen zu führen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Der "sechste Zwerg von links"!) Und dann gehen Sie her und tun ganz erstaunt: Ja, da gehen nicht nur rote Gewerkschafter mit, da sind auch andere dabei! – Na selbstverständlich! Das will ich hoffen, dass ein ordentlicher Gewerkschafter, wenn man ihm sagt, dass das Sozialsystem gefährdet ist, dass die Demokratie gefährdet ist, sich auch mobilisieren lässt. Aber wenn das vorbei ist, dann werden die Leute auch die Wahrheit erfahren, und dafür werden wir sorgen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen, dass Ihre gestrige Veranstaltung zum Pyrrhussieg werden wird, denn vielleicht hätten sich 800, vielleicht 1 000 Leute in Österreich für die 58. ASVG-Novelle interessiert. Jetzt werden aber mehr nachlesen, was daran wahr ist, was Sie hier inseriert haben unter unserer rot-weiß-roten Fahne, die uns allen gehört: "Zerschlagung des Sozialversicherungssystems", "Versagen in der Gesundheitspolitik", "massive Gefährdung der demokratischen Grundrechte".


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(Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Das haben die ÖAAB-Vertreter dort gesagt!)

Sie behaupten, wir zerschlagen das Sozialversicherungssystem. Das ist unwahr! Wahr ist vielmehr, dass diese Novelle das Sozialversicherungssystem und insbesondere die Selbstverwaltung stärkt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Zum ersten Mal wird der Präsident und die Spitze der Sozialversicherung gewählt und nicht ernannt. Die Geschäftsführung wird von der Selbstverwaltung bestellt und nicht ernannt. Damit wird die Pflichtversicherung gestärkt und der Weg freigegeben für jene Reformen, die wir brauchen, um unser Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen. (Abg. Eder: Deine Mitglieder haben gestern demonstriert! Das weißt du gar nicht, weil du nicht dort warst! – Abg. Edlinger: Die ÖAAB-Funktionäre schämen sich für Sie, Herr Tancsits, haben sie dort gesagt! Sie sind der "sechste Zwerg"! – Abg. Großruck: Lass dir etwas anderes einfallen!)

Herr Edlinger! Der ÖGB behauptet weiter: Die Regierungsparteien versagen in der Gesundheitspolitik. – Das ist unwahr! Wahr ist vielmehr, das österreichische Gesundheitssystem wird weiter ausgebaut, etwa durch die Einführung der Gruppenpraxen, um endlich eine flächendeckende Versorgung auch in jenen Regionen sicherzustellen, in denen das bisher nicht der Fall war.

Es wird auch die Chipkarte, die Sie immer hintertrieben haben, weiter vorangetrieben.

Eines muss man aber grundsätzlich schon dazu sagen: Dass dort, wo die Sozialisten den alleinigen Zugriff haben, das Gesundheitssystem früher oder später zusammenbricht, so wie in England. Daher ist das hier ein Eingriff in letzter Minute. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Eder: England ist wirklich ein gutes Beispiel!)

Oder wie ist es, wenn heute in der Wiener Gebietskrankenkasse deshalb, weil das Budget schon im Mai verbraucht war, eine notwendige Psychotherapie verweigert wird? Wie ist es, wenn Eltern für ihre Kinder keine Zahnregulierung bekommen? Die haben dann 100 Prozent Selbstbehalt! Das kann Ihnen aber egal sein. Sie bekommen Ihre Urlaubskrankenscheine, wenn Sie sich nach dem Demonstrieren in die Toskana "vertschüssen"! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie behaupten weiter, es gebe eine massive Gefährdung unserer demokratischen Grundrechte. Das ist nicht nur unwahr, das ist eine Ungeheuerlichkeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass dieses Gesetz von einem frei gewählten Parlament unter demokratischen Bedingungen beschlossen wird! Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass nun zum ersten Mal das während der gesamten Zweiten Republik bestehende sozialistische Machtmonopol auf Arbeitnehmerseite durchbrochen wird. Das ist demokratisch, dazu bekennen wir uns! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Aufstand der Zwerge!)

So, meine Damen und Herren, wird die Verteilung auf der Arbeitnehmerseite des Hauptverbandes neu aussehen (der Redner hält ein Plakat in die Höhe): 4 : 2 : 1 von sieben. Bisher hat es bei zehn Arbeitnehmervertretern so ausgesehen: 10 : 0 : 0! Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Welche Verteilung wird auf demokratischen Grundsätzen beruhen? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe Ihnen vor nicht ganz 48 Stunden die Frage gestellt – bei der verunglückten Anfrage der Grünen –, wo die Wahl stattgefunden hat, bei der die SPÖ 100 Prozent gewonnen hat. Wissen Sie es schon? (Abg. Öllinger: Zeigen Sie uns die Arbeitgeberseite!) Wo ist hier die demokratische Gefährdung? Wenn Sie die Arbeiterkammerwahl, die übrigens vor dem Beschluss stattgefunden hat, auf Grund von Wahlergebnissen zu delegieren – das nur zur Information –, betrachten (der Redner hält ein weiteres Plakat in die Höhe), dann sehen Sie: Die SPÖ hat 57 Prozent gehabt. 57 Prozent haben bisher zu 100 Prozent Vertretung in der Spitze des Hauptverbandes geführt. Jetzt werden 57 Prozent zu vier von sieben Mandaten führen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, wenn Sie weiter von den Grundregeln der Demokratie sprechen


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wollen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Zeigen Sie die Arbeitgeberseite auch her!)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das, was Sie aufführen, ist entlarvend. Es geht Ihnen überhaupt nicht ums Sozialversicherungssystem, es geht Ihnen überhaupt nicht um demokratische Grundsätze, es geht Ihnen einzig und allein um die Besetzung von Machtpositionen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bitte Sie, Herr Präsident Verzetnitsch, tun Sie nicht so uninteressiert! Ich fordere von Ihnen als Gewerkschaftsmitglied und als Beitragszahler: Kehren Sie zurück zu sozialpartnerschaftlichen Gepflogenheiten! Stellen Sie nicht Gewerkschaftsinteressen unter das Gängelband der Herren Cap und Gusenbauer! Kehren Sie dazu zurück, demokratische Grundsätze zu akzeptieren! Das entspricht den Statuten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie das tun, dann haben Sie in uns, wie wir durch diese Reform des ASVG und mit der 58. ASVG-Novelle unter Beweis stellen, einen Verbündeten im Weiterausbau und in der Verbesserung unseres Gesundheitssystems. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

11.40

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Schweitzer: Außerparlamentarische Opposition und parlamentarische Opposition!) – Lieber parlamentarische Opposition als "Nazi"-Buchstabierer! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Ich?) Sie haben mich ja allgemein angesprochen – das ist eine Antwort darauf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Gaugg: Der Herr Gewerkschaftspräsident mit dem Penthouse, das die Bankkunden zahlen dürfen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Herr Abgeordneter Tancsits ist relativ schwach in seiner Argumentation, wenn er – hören Sie zu! – das Kurien-Wahlrecht bemüht, denn 10 Prozent der Stimmen wollen Sie dazu verwenden, um die Gleichheit innerhalb der Sozialversicherung herbeizuführen. Das ist ein Rückschritt in das vergangene Jahrhundert, den wir nicht wollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

"Schalmeien" Sie nicht! 6 : 6 heißt, dass 10 Prozent der Versicherten die Hälfte der Mandate bekommen sollen! (Abg. Gaugg: Penthouse-Bewohner mit Swimmingpool, auf Kosten der Bankkunden!) Da können Sie noch fünf Mal sagen, dass es nicht so ist, das sind Fakten, die Sie mit Ihren heutigen Gesetzen zu verwirklichen vorhaben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin froh darüber, dass gestern eine Betriebsrätin klar und deutlich gesagt hat, sie will in Österreich nicht den Thatcherismus, sie will aber auch nicht den "Schüsselismus" haben. – Ich glaube, dass das ein richtiger Ansatz ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Sinne Ihrer Märchenerzählungen, Herr Abgeordneter Tancsits, kann man ja nur sagen: Wenn du dich fürchtest, geh nicht allein in den Wald! – Deswegen haben Sie sich wahrscheinlich gestern auch hier im Parlament als ARGE-ÖAAB-Abgeordneter geäußert, weil nämlich Ihre Mitglieder nicht mehr mitgehen mit der Meinung, die Sie in der Öffentlichkeit vertreten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Großruck: Die laufen alle dem Herrn Gusenbauer zu!)


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76. Sitzung / Seite 56

Alle, die hier sitzen – alle, die hier sitzen! –, ob hier im Plenum oder auf den Zuschauerrängen, und alle, die uns heute zusehen, sind Nutznießer und Beitragszahler der österreichischen Sozialversicherung, die auf der Arbeitsleistung seiner Menschen beruht und eine gut funktionierende Sozialversicherung ist. (Abg. Gaugg: Wir kommen alle in Ihr Penthouse auf Besuch! Die Bankkunden müssen Ihre Wohnung zahlen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das stammt nicht von mir, das entnehme ich einem ÖVP-Papier vom Jänner dieses Jahres. Also: Wie schaut es denn jetzt aus mit dem schlecht funktionierenden Sozialversicherungssystem?

Zum Zweiten: Eine starke Selbstverwaltung der Sozialversicherung ist eine wichtige Säule der demokratischen Ordnung (Abg. Großruck: Jawohl!), weil unsere wesentlichen Lebensbereiche wie Kranken- und Altersvorsorge, Unfall und Arbeitslosigkeit die Übernahme der politischen Verantwortung vorsehen. – Was Sie heute machen, ist die Entmachtung dieser Selbstverwaltung. – Das wird zu beweisen sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Stimmt ja nicht! Genau das Gegenteil!)

Sie strapazieren in jedem Ihrer Redebeiträge, dass Sie 104 Mandate haben. – Warum anerkennen Sie selbst nicht Ihre eigenen Gesetze, die Sie im Vorjahr verlangt haben? Bis zur Durchführung von Urwahlen, so haben Sie im Vorjahr festgelegt, "erfolgt die Entsendung von Versicherungsvertretern in die Sozialversicherung durch einen Kammertagsbeschluss beziehungsweise einen Voll- oder Hauptversammlungsbeschluss nach dem D’Hondtschen Verfahren bis zum Ende des Jahres 2000." – Die Ergebnisse haben Ihnen nicht gepasst, daher machen Sie jetzt wieder eine Anlassgesetzgebung, damit Sie das wieder umdrehen können. Das ist der wahre Hintergrund und nicht die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der SPÖ.)

Das wird auch noch untermauert mit dem nächsten Satz in Ihrem Regierungsübereinkommen:

"Damit wird der Entsendung eine eindeutige demokratische Legitimation zugrunde gelegt und in einem abgesicherten Wahlgang abgehandelt."

Das Ergebnis desselben hat Ihnen nicht gepasst, daher: Anlassgesetzgebung. Farbenspiele und Mandats-Geilheit Ihrer Fraktionen stehen dabei im Vordergrund, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich persönlich bin der Überzeugung – und das ist ebenfalls nachweisbar –, dass es Ihnen in Wirklichkeit um etwas ganz anderes geht: um eine Aufbereitung für eine andere Politik. – Und da stehen Ihnen viele im Wege, auch Arbeitgeber stehen Ihnen dabei im Wege; ich werde auch das noch begründen.

Die Aufbereitung für eine andere Politik lässt sich beweisen durch die Einführung einer Ambulanzgebühr, lässt sich beweisen durch die Besteuerung der Unfallrenten, lässt sich beweisen durch den Wegfall der Mitversicherung. (Abg. Großruck: Durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes!) Es ist auch ein Eingriff in die Selbstverwaltung, dass Sie regionale Entscheidungsträger einschränken wollen, wenn sie Leistungen für ihre Versicherten, die sie sich leisten können, verbessert abgeben können. – Ihre Debatte im heurigen und vergangenen Jahr zur Gesundheitspolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Und, meine Damen und Herren: Wer wehrt sich denn gegen das umfassende Nutzen der Sozialversicherungseinrichtungen? – Sie haben hier im Parlament Anträge eingebracht und diskutiert, wonach zum Beispiel die Einrichtungen der sozialen Sicherheit – ich denke hier an die Zahnambulatorien – nicht gleich behandelt werden wie die freien Zahnärzte, die vor ihrer Ordination Plakate aufhängen können: Kommen Sie zu mir!, die vor ihrer Ordination Flugblätter verteilen können: Kommen Sie zu mir! Den Zahnambulatorien, den hervorragenden Zahnambulatorien, gestehen Sie das nicht zu, damit Sie später sagen können, sie wirtschaften nicht gut. – Das ist nicht Marktwirtschaft, wie wir sie verstehen, das ist Einschränkung, die Sie in Wirklichkeit im Auge haben, und die wollen Sie auch hier fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es sitzt ja hier in diesem Saal ein Kenner: Herr Dr. Rasinger! Wie schwierig ist es denn, den Vertrag mit einem Vertragsarzt wieder zu lösen, wenn er sich nicht so wie die Mehrheit der österreichischen Ärztinnen und Ärzte verhält? – Da haben Sie auch Klauseln vorgesehen, die fast eine Unauflösbarkeit solcher Verträge vorsehen! Ist das im Interesse der Versicherten? Sollten wir hier nicht im Sinne eines gemeinsamen, gut verstandenen Vertretens der Interessen der Versicherten vorgehen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Selbstbehalten. Das wurde heute schon so oft angesprochen, und da gibt es eine "entzückende" Zurückhaltung Ihrerseits, Marke: Wir wollen ja das gar nicht! – Nehmen Sie doch Ihr eigenes Regierungsprogramm ernst, in dem steht:

"Die Krankenkassenträger" – nicht: ihnen wird empfohlen! – "werden ermächtigt, einen Selbstbehalt bis zu 20 Prozent in ihren Satzungen festzulegen." – Also jeder Arztbesuch, jeder Spitalsbesuch kann in Hinkunft, wenn Ihre Politik sich durchsetzt, mit 20 Prozent Selbstbehalt belegt werden. (Abg. Dr. Stummvoll: Wie ist das mit den Selbstbehalten bei den Eisenbahnern? – Abg. Gaugg: Das Penthouse kann sich auch nur der Präsident leisten, wenn es die Bankkunden zahlen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kritiker haben das klar und deutlich gesagt, wie zum Beispiel der Herr Kotanko vor kurzem im "Kurier": Eine "Wende zum Schlechteren" bereiten Sie vor. Und: "Was als ,Aufwertung der Minderheiten‘ deklariert wird, ist ein parteipolitisches Manöver, nämlich die überdimensionale Aufwertung von ÖVP und FPÖ (die blaue Mini-Fraktion war im Hauptverband nicht vertreten; die VP, bisher im Verbandsvorstand in der Minderheit, wird durch den geänderten Bestellungsmodus fünf bis sechs von zwölf Posten besetzen.)" (Abg. Mag. Schweitzer: Ich täte Ihnen alles glauben, wenn Sie in einer Gemeindewohnung in Simmering wohnten!)

Das ist der Hintergrund, nicht eine Verbesserung für die Versicherten in unserem Lande! Politische Farben-Spielerei – kein anderer Hintergrund! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich klar und deutlich feststellen: Wie exzellent das ist, zeigt ja Ihr letzter Entwurf, den Sie heute eingebracht haben, der Abänderungs-Entwurf! Es hat Ihnen die bisherige Formulierung mit den Unvereinbarkeiten nicht gereicht. Die hätte nämlich bewirkt, dass ein kleiner Gewerbetreibender, aber auch ein Gewerkschafter, der Kollektivverträge verhandelt, auch in der Hauptversammlung entsprechend auftreten kann. (Abg. Mag. Schweitzer: Gemeindewohnung in Simmering bringt Glaubwürdigkeit! Penthouse im Ersten macht unglaubwürdig!)

Ihre Unvereinbarkeitsbestimmung schließt jetzt sogar diese noch mit aus: Es kann keiner mehr mitreden! All diejenigen, die Ihnen bei Ihrer Politik gefährlich werden könnten, schließen Sie mit Unvereinbarkeitsregelungen aus!

Aber das tun Sie nur in der Selbstverwaltung! In der ÖIAG kann jeder Wirtschaftstreibende auftreten, da kann jeder kommen, nur in der Selbstverwaltung, wo es um Versicherten-Interessen geht, wollen Sie die alleinige Macht und entmachten in Wirklichkeit die Selbstverwaltung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Herrn Mitterlehner oder Herrn Donabauer, auch FPÖ-Abgeordneten in Wirklichkeit zum Nachdenken Anlass geben müsste: Das, was Sie heute hier beschließen, ist nicht eine Stärkung der Selbstverwaltung (Abg. Gaugg: Eine Stärkung der Versicherten und eine Schwächung der SPÖ!), denn in Hinkunft vertritt der Hauptverband nicht mehr die Selbstverwaltung, sondern der bestellte Direktor. Und ich sage Ihnen: Wir wollen einen Hauptverband und keinen Haupt-Verband – das ist unser Ziel, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist ja ein Schmankerl, und ich empfehle es ja auch der Öffentlichkeit, Ihren Entwurf zu lesen: Der nächste Vorsitzende wird Sitzungspolizei sein! – Offensichtlich haben Sie einen Rückschritt


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in der Geschichte gemacht: 1917 war der Innenminister noch für die soziale Sicherheit verantwortlich, anscheinend braucht man das jetzt wieder: Sitzungspolizei!

Es wird schöne Bilder von all den Mandataren im Hauptverband geben, die in Hinkunft nominiert werden – nur zu reden werden sie nichts haben. Reden werden nämlich im Hauptverband in Hinkunft die Geschäftsführung und der Minister. – Das ist Ihre Selbstverwaltung, aber nicht unsere, und deswegen verlangen wir eine Volksabstimmung.

Stimmen Sie dem zu: Lassen wir das Volk entscheiden, was es wirklich will: Farben-Spiele oder Verbesserungen für Versicherte! – Ich glaube, die Bevölkerung wird Ihnen eine Antwort geben wie bei der gestrigen Demonstration. Sie wird sich für die Demokratie in unserem Lande aussprechen. Das erachte auch ich als viel sinnvoller! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

11.50

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter und Präsident Verzetnitsch: Nein, nicht der Minister, nein, nicht die Geschäftsführung werden in Zukunft im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger das Sagen haben, sondern der Verwaltungsrat, und damit Österreichs Versicherte. Und darum geht es uns! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es hat Kollege Haupt bereits eindrucksvoll dargestellt, dass es in Relation zum Status quo, zu den Verhältnissen der letzten Jahre um eine Stärkung der Selbstverwaltung geht, weil beispielsweise erstmals in der Zweiten Republik der Minister auf sein Ernennungsrecht für die Spitze des Hauptverbandes – und das sind die entscheidenden Persönlichkeiten – verzichtet und dieses Recht an den Verwaltungsrat überträgt. Das ist eine Stärkung der Selbstverwaltung und keine Schwächung. Sie wissen das in Wirklichkeit ganz genau.

Etwas anderes gibt mir sehr zu denken, sehr geehrter Herr Präsident Verzetnitsch. Sie haben ebenso wie Abgeordnete Silhavy davon gesprochen, die Arbeitgeber hätten nur 10 Prozent der Stimmen – was nicht stimmt, weil man insbesondere auch die Bauern mit einbezieht – und wollen jetzt 50 Prozent der Mitsprache haben.

Da frage ich mich, sehr geehrter Herr Präsident Verzetnitsch und meine Damen und Herren: Wie versteht sich denn die Sozialpartner schaft heute? Was versteht die Sozialpartner schaft unter Parität? Immer dann, wenn es um die Höhe von Einzahlungen geht, um die Beitragszahlungen zur Krankenversicherung, auch zur Arbeitslosenversicherung, bleibt es jedenfalls für uns selbstverständlich, dass das auf paritätischer Basis zu geschehen hat, nämlich 50 : 50, halbe-halbe, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das ist unser Verständnis von Sozialpartner schaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Vorsitzender Gusenbauer ist jetzt leider nicht mehr da, kann der Debatte nicht mehr beiwohnen (Ruf bei der ÖVP: Wie so oft!), aber er hat eine Sache sehr richtig analysiert – du, lieber Abgeordneter Feurstein, hast das ja nachvollzogen –: Das österreichische Gesundheitssystem ist wahrscheinlich eines der besten der Welt und ist wahrscheinlich auch eines der relativ kostengünstigsten der Welt. Das steht außer Frage und außer Zweifel.

Nicht verstehen können wir in dem Zusammenhang Ihre Panikmache der letzten Tage: Pflichtversicherung statt Versicherungspflicht. Es käme zu Selbstbehalten sonder Zahl. Herr Bundesminister Haupt hat Ihnen klar vor Augen geführt (Abg. Grabner: Der hat schon so viel gesagt, und es hat nicht gestimmt!), alles an Selbstbehalten, was es heute gibt, wurde unter früheren Regierungen, früheren Verantwortungsträgern eingeführt. Das Einzige, was diese Bundesregierung gemacht hat, war, die Ambulanzgebühren auf die ASVG-Versicherten auszuweiten. Das ist das Einzige, was geschehen ist.


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Nichts im vorliegenden Entwurf geht in Richtung mehr Selbstbehalte, nichts im vorliegenden Entwurf geht in Richtung mehr Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung, nichts geht in Richtung mehr Privatversicherung – alles Panikmache seitens der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kaum diskutiert wird heute, warum es denn Handlungsbedarf für diese Bundesregierung gab, warum wir denn zum Handeln gezwungen waren. Als diese Regierung unter Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess-Passer im Februar des Vorjahres Verantwortung übernommen hat, waren die Nachrichten ja keine guten: Es hat sich ein Defizit des Hauptverbandes für das letzte Jahr in der Höhe von 6 Milliarden Schilling abgezeichnet, für heuer und die folgenden Jahre sogar eines von 9 Milliarden Schilling per anno. Das waren die Schätzungen. Ein Sparpaket wurde geschnürt, letztlich auch deswegen, weil die Selbstverwaltung – ist gleich Selbstverantwortung – ganz offensichtlich nicht funktioniert hat und seitens des Verantwortungsträgers, des Hauptverbandes, nichts außer dem Ruf nach Beitrags- und nach Steuererhöhungen gekommen ist. Der Ruf nach Beitragserhöhungen ist aus meiner Sicht das am wenigsten Solidarische, das am wenigsten Loyale. Dann zahlen nämlich alle, insbesondere die Versicherten und deren Arbeitgeber. Das bringt uns nicht wirklich weiter.

Wir wissen, dass der Hauptverband von heute eine aufwendige, eine nicht mehr zeitgemäße Struktur aufweist. Das haben auch Sie, Herr Präsident, in vielen Gesprächen durchaus bestätigt. Es geht darum, diese Blockademechanismen, die es heute gibt, zwischen den operativen und den Kontrollorganen wegzubekommen. Es geht darum, den Hauptverband schlank zu machen, und die Struktur einer Hauptversammlung, eines darunter strukturierten Verwaltungsrates und einer operativen Geschäftsführung macht natürlich Sinn. (Abg. Verzetnitsch: Was spricht gegen den Entwurf der Sozialpartner?)

Es sind die Sozialpartner, die diesen Verwaltungsrat paritätisch besetzen werden: sechs plus sechs und eins plus eins für die bäuerliche und für die GÖD-Seite. Das ist paritätisch, das ist fair, und das ist auch demokratisch. Das ist zutiefst demokratisch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Was spricht gegen den Entwurf der Sozialpartner?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist dies eine Struktur des Hauptverbandes, die die Kontrolle wesentlich deutlicher als bisher von der operativen Geschäftsführung abgrenzt, und auch das ist wichtig.

Herr Abgeordneter Feurstein hat es schon zum Ausdruck gebracht: Auch in der Arbeitnehmer-Kurie – und hier ist es in den letzten Tagen zu einer Verbesserung gekommen, die im Abänderungsantrag enthalten ist – sind Sie exaktest im Verhältnis des Arbeiterkammerwahlergebnisses vertreten. Vier von sieben in dieser Arbeitnehmer-Kurie werden von Ihrer Seite, Herr Präsident Verzetnitsch, nominiert. Das ist aus unserer Sicht gelebte Partnerschaft, das ist aus unserer Sicht auch gelebte Demokratie und das Gegenteil von dem, was Sie behaupten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie die ausgezeichnete Darstellung zum Beispiel von Bundesminister Haupt und auch des Abgeordneten Feurstein, des Abgeordneten Tancsits und vieler anderer Regierungsvertreter zur Kenntnis genommen haben, aus der hervorgegangen ist, dass bei der Nominierung der Versicherten-Vertreter natürlich streng nach dem d’hondtschen Prinzip vorgegangen wird, dann frage ich Sie: Was ist es dann, was bei Ihnen die große Aufregung hervorruft? (Abg. Verzetnitsch: Sie gehen ja nicht streng nach d’Hondt vor!)

Sie sagen, es geht Ihnen vor allem um die Versicherten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich sage Ihnen, es geht Ihnen offensichtlich auch um politische Macht, und es geht Ihnen offensichtlich auch um ein wenig Wehleidigkeit, was den Verlust von Erbpachten anbelangt. (Abg. Verzetnitsch: Was spricht gegen den Entwurf der Sozialpartner?)

Lassen Sie mich das noch kurz sagen, Herr Präsident Verzetnitsch, es wird oder sollte Sie zumindest interessieren: War das Sozialministerium über Jahrzehnte eine De-facto-Erbpacht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes – Bundesminister Haupt führt dieses Ressort ganz


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ausgezeichnet –, so war es wohl zuletzt auch die Sozialversicherung. Ich zitiere niemand Geringeren als Präsidenten Sallmutter, der in einem "ZiB 2"-Interview vor einigen Tagen gesagt hat – und das war offensichtlich sehr ehrlich gemeint; viele von uns haben dieses Interview gesehen, das war emotional, das war Ehrlichkeit –, Sallmutter im Originalton:

Das war für mich der politische Bereich: Sozialversicherung, "Konsum", der Bildungsbereich. Der "Konsum" – ein Fuß ist weg, der Bildungsbereich höchstens manches Mal noch eine leichte Stütze. Und wenn der Sozialversicherungsbereich weg ist, dann ist wieder etwas weg.

Frage der Redaktion: Sozialdemokratie weg? – Sallmutter: Arbeiterbewegung, für mich ist das die Arbeiterbewegung. Und auf einem Fuß zu stehen als Arbeiterbewegung, das ist nicht gut. – Zitatende. (Abg. Silhavy: Haben Sie etwas gegen Arbeiter?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt frage ich Sie: Ist es im Interesse der Versicherten, Stütze der Sozialdemokratie, Säule der Arbeiterbewegung zu sein? Das scheint mir doch höchst zweifelhaft zu sein. Und wenn Sie so viel von Abstimmung und Befragung reden: Fragen Sie einmal Österreichs Versichertengemeinschaft, ob es für sie ein primäres Ziel ist, im Sinne des Präsidenten Sallmutter eine Stütze der Arbeiterbewegung und eine Säule der Sozialdemokratischen Partei dieses Landes zu sein! Ich glaube nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

11.59

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister für Soziales und Generationen! Herr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit! Herr Staatssekretär für Gesundheit! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon bezeichnend, wenn zwei Bundesminister und ein Staatssekretär bei so wichtigen sozialpolitischen Materien auf der Regierungsbank sitzen. In der Vergangenheit, als die SPÖ den Sozialminister gestellt hat, ist er einsam und verlassen hier gesessen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Den jeweiligen Bundeskanzler wie Klima oder (der Redner stockt kurz) Franz Vranitzky – den habe ich schon wieder vergessen; der war so unbedeutend (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP)  – hat man oft herzitieren müssen.

Der Herr Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ist leider jetzt nicht hier, aber vielleicht hört er mich draußen irgendwo in den Couloirs; man wird ihm das auch berichten, aber Herr Nürnberger ist ja noch im Hause. Wenn ich mir seinen Redebeitrag so angehört habe – und Sie konnten das ja auch verfolgen – und die Arbeiterbewegung der letzten 130 Jahre Revue passieren lasse, dann muss ich sagen, es sind die Probleme, die die österreichische Gewerkschaft heute hat, offensichtlich geworden.

Damals kämpften die Gewerkschaften noch um Kollektivverträge, um Mindestlöhne, kämpften gegen das Establishment in Österreich und für das Wahlrecht sowie für die Interessen der arbeitnehmenden Bevölkerung. – Heute ist die Arbeiterbewegung, also der Gewerkschaftsbund oder auch die Arbeiterkammer, selbst Teil eines Establishments und verteidigt nur ihre Position: ihre Position und die ihrer Funktionäre, aber nicht die der Versicherten! (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )  – Frau Kollegin, die verteidigen Sie nicht, sondern es geht Ihnen lediglich um die Funktionäre!

Dazu, dass der Herr Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes sagt, ein Generalstreik sei seiner Meinung nach dann gerechtfertigt, wenn die "Demokratie gefährdet ist": Die Demokratie ist meiner Meinung nach überhaupt nicht gefährdet – und so empfindet das auch der Großteil der Österreicher –, sondern die Demokratie wird durch die Reform der Sozialversicherungen hin zu mehr Versichertennähe bedeutend ausgebaut. Es gibt mehr Demokratie, wenn wir diese Reform jetzt umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Öllinger: Wo gibt es mehr Demokratie?) – In den


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Sozialversicherungsanstalten gibt es jetzt mehr Demokratie; ich werde Ihnen das genau erläutern, Herr Kollege Öllinger. (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )

Auch wenn Sie, Herr Kollege Öllinger, das ASVG im Ausschuss drei Mal vorgelesen und dort filibustert haben, so haben Sie trotzdem nichts weitergebracht und nichts dazugelernt. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Bei Ihnen kann man nichts dazulernen, das stimmt!)

Herr ÖGB-Präsident Verzetnitsch ruft auf zu Demonstrationen, schließt Streiks nicht aus und spricht Drohungen aus: Wacht auf und trefft die richtige Entscheidung, denn sonst kommen wir! – Wer "wir"? Die Funktionäre der Gewerkschaften oder die Mitglieder? Die Mitglieder wollen mehr Versichertennähe und mehr Demokratie! Wo bleibt die Verantwortung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes?! Wo bleibt die Verantwortung des Herrn ÖGB-Präsidenten für die Republik und für die Überparteilichkeit des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, meine Damen und Herren?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der ÖGB versucht, mit seiner Haltung und mit seinem Aufruf zu Protestaktionen eine Reform der Sozialversicherungsanstalten zu verhindern, macht keine Vorschläge, hat keine Alternativen, sondern versucht, jemanden einzuzementieren, der als Präsident der Gewerkschaft der Privatangestellten und als Vorsitzender des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger agiert, nämlich Herrn Sallmutter.

Herr Sallmutter hat gegen die Interessen der Versicherten gearbeitet, hat Versäumnisse des Hauptverbandes zugelassen und hat auch gegen die Interessen der aus der Sozialdemokratie kommenden Sozialminister wie Hesoun, Hums oder Hostasch agiert. Herr Sallmutter hat auch gegen deren Interessen gehandelt!

1992 hat der damalige Sozialminister Hesoun die so genannte Häusermann-Studie in Auftrag gegeben. 1998 wurde überprüft, ob diese auch umgesetzt wurde. – Im Prinzip ist aber das Grundproblem geblieben: mangelnde Koordination der Sozialversicherungsträger untereinander; das werden Sie ja wohl nicht abstreiten. (Zwischenruf des Abg. Grabner. ) – Kollege Grabner, du streitest das sicher nicht ab, du bist ein alter Freund von mir (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) und weißt, dass dort vieles im Argen liegt.

Trotz der Empfehlungen dieser Häusermann-Studie hat sich dort nichts geändert: Die EDV wurde nicht umgerüstet, und es gibt keine elektronische Vernetzung zwischen den einzelnen Trägern! Wenn beispielsweise zuerst jemand Arbeiter und dann Angestellter war, dann muss das alles, wenn ein Pensionsantrag gestellt wird, über den Hauptverband laufen, weil die einzelnen Sozialversicherungsträger eben nicht elektronisch vernetzt sind.

Weiters: Die Chipkarte wurde noch nicht eingeführt, keine Mustersatzung durchgeführt; und neues Dienstrecht gibt es auch keines. – All das wurde ja bereits mehrmals bekrittelt. (Abg. Leikam zeigt dem Redner eine rote Karte.) Da ist man seit neun Jahren säumig, Herr Kollege Leikam! Gib doch die rote Karte weg, ich geh ja sowieso nicht weg vom Rednerpult, ich habe noch genug Redezeit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der schlechten finanziellen Lage aller Krankenversicherungen wollten die dafür Verantwortlichen durch Beitragserhöhungen entgegenwirken. Wieder einmal: Beitragserhöhungen! Dem Herrn Sallmutter ist nichts anderes eingefallen, als zu Lasten der Versicherten die Beiträge zu erhöhen!

Wir von den Regierungsparteien gehen einen anderen Weg und sagen: Bei den Sozialversicherungsanstalten gehört eine Umstrukturierung her, und zwar zu Gunsten der Versicherten, damit es für sie günstigere Beiträge gibt und trotzdem dieselben Leistungen beinhaltet sind.

Der Rechnungshof hat ebenfalls die Gebarung des Hauptverbandes überprüft und gleichfalls festgestellt, dass die zwischen dem Hauptverband und der Gewerkschaft der Privatangestellten abgeschlossene Vereinbarung, notwendige Verwaltungskosteneinsparungen vorzusehen, nicht


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eingehalten wurde. Personalstopp wurde auch keiner verordnet, und es gab keine Reduktion der Zahl der Überstunden; seit 1997 wird dort überhaupt nichts mehr eingehalten.

Weiters: Die Zahl der außerordentlichen Vorrückungen in den Sozialversicherungen ist ebenfalls gestiegen, aber die Beiträge wollte man erhöhen! Eine bessere Nutzung der EDV wurde nicht betrieben; und die Höhe der Vertragspartner-Abrechnungen mit Ärzten, Apotheken und Krankenanstalten ist auch nicht kleiner geworden!

200 Verwaltungsposten und 60 Millionen Schilling jährlich könnte man einsparen – aber nein: Man will dort nur Beitragserhöhungen! – Fragen Sie von der SPÖ nicht die Funktionäre, sondern fragen Sie einmal die Versicherten (Beifall bei den Freiheitlichen): Wollt ihr lieber höhere Beiträge bezahlen – oder eine Reform der Kassen und damit geringere Beiträge? Stellt doch diese Frage einmal den Österreicherinnen und Österreichern! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Stellt diese Frage den Österreicherinnen und Österreichern, und dann werdet ihr die Antwort bekommen! Aber stellt diese Frage nicht den Funktionären, die sich dort selbst bereichern! (Rufe bei der SPÖ: Machen wir doch eine Volksabstimmung darüber!)

Da heute hier von Ihnen kritisiert wurde, wir gehen hin zu einer Zwei-Klassen-Medizin: Ja was haben denn Sie von der SPÖ in den vergangenen Jahren dagegen getan? – Die Zahl der Zusatzversicherungen ist, seitdem es diese Bundesregierung gibt, zurückgegangen. (Rufe bei der SPÖ: Weil es sich die meisten nicht mehr leisten können!)

Mich hat immer gestört, dass ich, wenn ich einen Krankenhausaufenthalt hatte, zuerst gefragt wurde: Haben Sie eine Zusatzversicherung, ja oder nein? – Nein, ich hatte keine. Wenn aber jemand eine Zusatzversicherung gehabt hat, dann wurde er auf Klasse gelegt. Das ist doch nicht richtig! Aber diese Zwei-Klassen-Medizin haben Sie von der SPÖ eingeführt! – Wir hingegen bauen das jetzt ab.

Noch etwas: Vom Gesetz her gibt es den Auftrag, dass der Rechnungsabschluss des vergangenen Jahres bis Ende Mai vorzulegen ist. Das ist aber bei der Wiener Gebietskrankenkasse nicht möglich, weil ein Buchhalter erkrankt ist. In diesem Zusammenhang gibt es ein Schreiben an Herrn Bundesminister Haupt, dass dieser wichtige Vorgang wegen eines Erkrankten leider nicht durchgeführt werden kann – und das, obwohl dort bitte 128 Mitarbeiter beschäftigt sind.

Meine Damen und Herren! Aus all diesen Gründen ist eine Reform der Sozialversicherungen unbedingt notwendig!

Was ist jetzt Sache? – Sache ist, dass die Selbstverwaltung der Sozialversicherungen durch Rückbau ministerieller Bestellungsrechte zu stärken ist. Die Bestellungsrechte beispielsweise für wichtige Verwaltungskörper des Hauptverbandes liegen jetzt nicht mehr beim aufsichtsberechtigten Bundesminister, sondern bei der Wirtschaftskammer und bei der Bundesarbeitskammer, beide eben als Vertreter der hauptbetroffenen Bevölkerungsschichten. Es gibt da also kein Zugriffsrecht des Bundesministers.

Die Regierungsvorlage beinhaltet, dass bestehende Mehrgleisigkeiten beseitigt werden sowie dass durch Einrichtung einer eigenverantwortlichen und streng kontrollierten Geschäftsführung ein ordentliches Management des Hauptverbandes zu erreichen ist, eines, das sowohl dem öffentlich-rechtlichen Prinzip als auch dem privatwirtschaftlichen Prinzip unterliegt und dort den tagtäglich erprobten Organisationsstrukturen Genüge tut.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ziel ist es nicht nur, in diesem Bereich die beste, sondern insbesondere die bestgeführte Selbstverwaltung Europas zu erreichen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollegin Hartinger hat ja bereits einen Abänderungsantrag zu 624 der Beilagen eingebracht, einen Antrag der Kollegen Gaugg und Feurstein betreffend Änderung der 58. ASVG-Novelle.


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Wissenschaftliche Mitarbeiter haben danach jetzt auch eine Pensionsversicherung nach dem ASVG zu erhalten. Und in Hinkunft wird es einen behindertengerechten Zugang zu Gruppenpraxen geben müssen; Gruppenpraxen sozusagen als Ersatz für die Ambulanzen.

Zu einer weiteren Ausschussfeststellung: Der Verwaltungsrat wird von zwölf auf vierzehn Mitglieder vergrößert. (Rufe bei der SPÖ: Verkleinert!) Dies erscheint ebenfalls zweckmäßig.

Bestimmungen hinsichtlich Stellenbesetzungsgesetz und Mitglieder der Geschäftsführung werden ebenfalls neu geregelt, denn all dies ist sachlich wirklich gerechtfertigt. Unvereinbarkeiten und Interessenkollisionen sollen gleichfalls vermieden werden. (Rufe bei der SPÖ: Redezeit! Redezeit!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass wir von dieser Umstrukturierung Folgendes erwarten können: eine Beschleunigung der Entscheidungsdauer, eine Straffung der Entscheidungsstruktur sowie bessere Kontrollmöglichkeiten.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz, Herr Präsident. – Dadurch können kurzfristig Millionenbeträge eingespart werden, und es wird zu keinen Beitragserhöhungen kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.10

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist schon bemerkenswert, nach welchen Maßstäben gesetzliche Veränderungen beurteilt werden. Was diese heutige Novelle anlangt, so bedauere ich, dass dies die Novelle der Novelle der Novelle ist, die wir so leider nicht im Ausschuss diskutieren konnten, obwohl die Kollegen Öllinger und Grünewald sowie meine Wenigkeit (Abg. Dolinschek: Öllinger hat nur vorgelesen, sonst nichts getan!) einige Stunden aufgewendet haben, um Ihnen unsere Kritikpunkte näher zu bringen. – Sie sind der Kritik ausgewichen, indem Sie halt wieder einen sehr umfassenden Abänderungsantrag eingebracht haben, aber das ist ja – demokratiepolitisch betrachtet – nur mehr das Tüpferl auf dem i. Ihr braucht ja ohnehin nicht mehr mitzureden!, das soll die Botschaft sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das, was mit all diesen großen Novellen, die vor allem jene Körperschaften, die Gesetze zu vollziehen haben, betreffen, angestrebt wird, kommt ja auch durch diese Anhäufung der großen Änderungen sehr klar zum Ausdruck: Das ist ein knallharter machtpolitischer Deal zwischen den Blauen und den Schwarzen. Und dieser Deal lautet: Tausche Sozialversicherung und ORF – die "gehören" der ÖVP – gegen vollkommenen Einfluss in der ÖIAG und bei den Staatsanteilen in diversen Unternehmen! Das wird den Freiheitlichen, das wird Herrn Prinzhorn und seinen Freunden sowie Herrn Grasser, seines Zeichens karenzierter Magna-Mitarbeiter, überantwortet.

Das ist also ganz klar: ein machtpolitischer Deal! Absolute Mehrheiten der ÖVP in den wesentlichen ORF-Gremien, im Bereich der Sozialversicherung – und dafür freie Bahn für die Entsendungsrechte der Freunde des Herrn Prinzhorn in den Wirtschaftsgremien. – So sieht’s aus.

Zu den Maßstäben, die der Herr Wirtschaftsminister vorhin so erstaunt angesprochen und gemeint hat: Wieso soll denn das ungerecht sein? Wieso sollen denn diese Unvereinbarkeitsbestimmungen in irgendeiner Art und Weise bedenklich sein? – Meine Frage an Sie, Herr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, meine Frage auch an Herrn Präsidenten Prinzhorn, der hier jetzt gerade den Vorsitz führt: Wieso stören Sie diese – möglichen – Interessenkollisionen auf der Seite der ArbeitnehmerInnen, wieso trauen Sie diesen ArbeitnehmerInnenvertretern


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nicht zu, dass sie sich selbstverständlich als Teil der ArbeiterInnenbewegung verstehen und Funktionen in der Selbstverwaltung ausüben, während Sie sich mit der größten Selbstverständlichkeit in der Lage sehen, Ihre verschiedenen Funktionen "unparteiisch, objektiv, frei und über jeden Zweifel erhaben" auszuüben?

Ein Pharmaindustrieller in der Regierung? – No problem! Ein Papierindustrieller da oben am Präsidium und in der Industriellenvereinigung? – No problem! All das scheint für Sie zu gehen. Das sind aber keine Zwerge, die sich da vielleicht in ihren kleinen Köpfen verirren und verwirren könnten, wen und was sie denn da vertreten. Die scheinen das zu können, bei denen ist klar: Sie haben ihren Hintergrund, sie haben ihren Beruf, und diesen bringen sie auch in ihre politische Funktion ein. (Abg. Dr. Pumberger: Wollen Sie ein Berufsverbot?)

Auf der anderen Seite jedoch ist das für Sie ganz suspekt! – Und dieses unterschiedliche Maß und die Tatsache, dass ein und dasselbe Regierungsmitglied die Gesetzesaufsicht für beide Bereiche hat, nämlich ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, reicht an Willkür und Verfassungswidrigkeit heran. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Wirtschaftsminister, hinsichtlich der zahlenmäßigen Repräsentanz sagten Sie vorhin: Die ArbeitgeberInnen zahlen ja ihre Beiträge! – Ja, zahlen sie, klar, aber es gibt ein Prinzip im Bereich des Wahlrechts, und zwar in Österreich seit dem Jahre 1907, und das heißt: gleiches Wahlrecht. Das war ein langer, ein mühsamer Prozess, und dieser reicht zurück bis in die frühen Demokratien, bis in die Antike hinein, als dieses Wahlrecht nicht gleich war, als man gesagt hat: Na ja, mitreden sollen sie schon alle irgendwie können, die Zwerge und die mit dem großen Kopf, aber: Gleich soll das nicht sein!

In der Antike war es so, dass die Berittenen, die Schwerbewaffneten mehr zu sagen hatten als das Fußvolk, das mit Pfeil, Bogen oder Speer dahergekommen ist. Und wenn die ersten Gremien abgestimmt haben – die ersten Kurien also –, dann war das Votum der Kleinen, war das Votum der Zwerge Wurscht (Abg. Jung: Sie täuschen sich!), denn das Wahlrecht der Großen da oben hatte mehr Gewicht – und die anderen haben sich auf den Kopf stellen können, denn die Entscheidung war eben schon gefällt.

In Österreich hatten wir ein solches Kurien-Wahlrecht bis 1907, bei dem es eben auf die Höhe der Steuerleistung ankam: Wenn einmal die Großgrundbesitzer, wenn die Industriellen, wenn die mit dem vielen Geld abgestimmt haben, dann haben die Millionen anderer ruhig kommen können, denn das war ja dann Wurscht; deren Zahl war unwesentlich. (Abg. Dr. Krüger: Klassenkampf ist das!) – Dieses gleiche Wahlrecht wird in einem Zwischenruf als "Klassenkampf" bezeichnet. Ich danke für diese Klarstellung Ihres Demokratieverständnisses! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel  – in Richtung des Abg. Dr. Krüger –: Der Jaguar-Fahrer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich danke für diese Klarstellung! Genau das ist Ihr Demokratieverständnis! Wer den Industriebetrieb, wer das große Geld hinter sich hat, braucht auch mehr Einfluss, das ist doch klar! – Das lehnen wir ab, ebenso jene zahlreichen Menschen, die gestern auf der Ringstraße beziehungsweise auf dem Ballhausplatz waren. Es werden immer mehr werden, und sie werden Ihnen sagen, dass sie sehr wohl auch etwas mitzureden, dass sie sehr wohl auch mitzubestimmen haben, auch wenn sie keine dicken Geldbeutel haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Achatz: Sie betreiben Klassenkampf!)

Das, was Sie beschließen werden, soll eine Stärkung der Versicherten sein? – Das ist eine Abstufung der Bedeutung nach den Gremien, nach den "Kurien". Und so steht es auch drinnen, ist schwarz auf weiß nachzulesen. Es kommt nämlich nicht auf die Zahl der Versicherten an – noch so viele "Zwerge" können da nichts ausmachen –, sondern es kommt auf den Querschnitt der Gruppen an.

Das heißt also, der Mensch zählt nicht mehr als solcher, sondern es zählen die Gruppen. Und dort ergibt sich, dass in einem Gremium von 14 Mitgliedern "natürlich" und ganz "zufällig" die ÖVP, die nicht einmal die Hälfte des Staatsvolkes, nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung oder


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gar der ArbeitnehmerInnen hinter sich hat, die Hälfte der Mitglieder stellt. – Bravo!, kann ich da nur sagen. Durch solch eine Art von Demokratieverständnis, das von Ihnen als "Klassenkampf" bezeichnet wird, kommen solche Ergebnisse heraus. – In diesem Sinne stehe ich zum Klassenkampf. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und noch etwas: Diese Bestimmung ist doch eine Lex Sallmutter zum Quadrat , denn dieser Hans Sallmutter soll nicht nur verhindert werden, sondern er soll auch all das, was von Ihnen als unzulänglich empfunden wird, verantworten – und das, obwohl es da viele Minister gab und die ÖVP jahrzehntelang in der Regierung saß. Und jetzt wird diese Bestimmung sogar noch doppelt gemoppelt: damit Sallmutter nur ja nicht in irgendeiner Funktion dort wieder mitmischen kann. Mittlerweile wird das nämlich so ausgedehnt, dass Sallmutter das in keiner Funktion mehr machen kann, dass er auch als Person verhindert werden soll, indem eben darauf abgestellt wird, dass die Kollektivvertragsfähigkeit in den Gremien auch nicht in fremdem Namen ausgeübt werden kann, denn das sei, wie Sie sagen, unvereinbar. – Die Wirtschafts- und Industrieseite weiß "natürlich" ganz genau, dass ArbeitnehmerInnenvertreter Interessen nicht auseinanderhalten können; die Zwerge also mit ihren kleinen Köpfen. Und deswegen wollen Sie das lieber doppelt im Gesetz verankern. Sallmutter kann dort nicht sitzen als Chef der GPA, auch in keiner anderen Funktion – und das ist ganz klar eine Lex Sallmutter. Und klar ist auch, dass das verfassungswidrig ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Allerletztes – und das kommt von mir geradezu in der Art eines Ceterum censeo –: Dass Sie wieder – und gerade wieder die Abgeordneten Feurstein und Gaugg – so wie im Ausschuss hier einen Antrag vorlegen, der entgegen dem Ministerratsvortrag nicht geschlechtsneutral formuliert ist und in dem wieder nur von den Obmännern , Männern, Männern die Rede ist, das zeigt den versicherten Frauen, dass sie für Sie wahrscheinlich nicht einmal zu den Zwerglein zählen. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Redezeit! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Auch aus diesem Grund, weil Sie wieder die Frauen übergehen, lehnen wir diese Novelle sehr klar und sehr eindeutig ab. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

12.21

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was soll sich der Bürger, was soll sich der Fernsehzuschauer denken, wenn er in der Zeitung Inserate liest oder wenn er von Inseraten der oberösterreichischen Arbeiterkammer hört (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), in denen steht: Die heutige Regelung führt zur Zerstörung unseres sozialen und effizienten Gesundheitssystems!? (Rufe bei der SPÖ: Richtig! Leider!)

Parallel dazu hat der Bürger diese Woche im "Kurier" lesen können, und zwar am 4. Juli, dass offizielle Repräsentanten, die das Krankenversicherungssystem im Hauptverband repräsentieren, mitteilen, dass dieses System Ende des Jahres in Konkurs ist.

Meine Damen und Herren! Es mag Phlegmatiker geben, die sagen, die Welt ist widersprüchlich. Aber der Großteil der Bürger sind Beitragszahler, wie wir wissen, und diese haben natürlich ein ganz anderes Interesse. Sie haben vor allem das Interesse, dass sie, wenn sie krank sind, eine entsprechende Versorgung erhalten. Sie werden sich aber auch die Frage stellen: Stimmt das alles, was da an Behauptungen in den Raum gestellt wird? Funktioniert dieses System noch ausreichend, oder funktioniert es nicht? Ist es in einer Zeit der Globalisierung, der Fusionierung, noch richtig, ein System zu haben wie in den vierziger Jahren? Und wenn er diese Frage mit Nein beantwortet, dann wird sich der Bürger fragen: Welche Maßnahmen werden denn getroffen?

In diesem Inserat hat der Bürger, der es gelesen hat, noch etwas Weiteres mitgeteilt bekommen. Darin ist nämlich ein Aufruf an die Abgeordneten enthalten, in dem es heißt: Wir


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ersuchen Sie dringend, der dramatischen Verschlechterung der österreichischen Sozialgesetze heute nicht zuzustimmen!

Meine Damen und Herren! Sie wissen es, ich weiß es, aber ich frage Sie trotzdem: Welche Sozialgesetze werden heute beschlossen und materiell so gestellt, dass sich etwas für den Bürger verschlechtert? Welche Leistungen werden denn gekürzt? Welche Rückerstattungen gibt es künftig nicht mehr? (Abg. Dr. Stummvoll: Keine!) Keine! Aber Sie spielen mit diesen Ängsten, mit diesen Emotionen, auch bei der Demonstration, und das ist keine seriöse Vorgangsweise. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Eines stimmt, aber das ist auch hier und heute einigermaßen widersprüchlich dargestellt worden: Wir haben im Bereich der Krankenversicherung ein Finanzierungsproblem. Wenn die Einnahmensteigerung 3 Prozent pro Jahr beträgt, die Kosten aber jährlich um mehr als 6 Prozent steigen, dann haben wir ein Problem. Dieses Problem kann man aber nicht – ich habe das niemals so gesagt – durch lapidare Beitragserhöhungen lösen.

Warum nicht? – Weil das in drei oder vier Jahren genau zum gleichen Problem führt. Man muss vielmehr die Strukturen verändern, Maßnahmen setzen, um die Kosten zu minimieren, ohne die Leistungen zu kürzen. – Das ist das Problem Nummer eins. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Sallmutter auf der Galerie! Problem Nummer zwei lautet: Wir haben ein Organisationsproblem im Hauptverband. Warum? – Weil die Richtlinienkompetenz des Hauptverbandes sozusagen nur auf dem Papier existiert. Herr Sallmutter wäre eigentlich aufgerufen, gemäß § 31 Abs. 3 Z 2 ASVG Vorschläge und Maßnahmen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit zu treffen. – Der Hauptverband tut das nicht, er hat das über Jahre hinweg nicht getan. Die diesbezüglichen Gutachten sind schon angesprochen worden.

Es gibt noch ein Problem: Sie alle sehen sicherlich gelegentlich fern. Sie haben bestimmt schon einmal den runden oder den langen Tisch im Hauptverband gesehen. Einige kennen ihn auch aus Erfahrung. Aber eines wird dem Betrachter relativ schnell klar: An diesem Tisch fallen keine Entscheidungen! An diesem Tisch entstehen Pattstellungen! Was wir im Hauptverband haben, ist daher auch ein Führungsproblem, ist ein Entscheidungsproblem, ist ein Strukturproblem. Daher muss dort etwas geändert werden.

Meine Damen und Herren! Die Sozialpartner wurden heute schon mehrmals angesprochen. Sie haben dieses Problem erkannt. Wir haben ein gemeinsames kurzfristiges Sanierungskonzept erarbeitet, und es wurde auch unterschrieben. Herr Präsident Verzetnitsch! Wir haben auch die Sprachregelung – keine Beitragserhöhung, keine Selbstbehalte – in jedem Punkt ganz genau eingehalten. Dafür stehe ich, ich habe das Konzept nämlich auch selbst unterschrieben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Präsident Verzetnitsch! Wir haben uns dann aber auch auf den Weg gemacht, um Strukturreformen anzugehen. Und im Endeffekt wurde über viele Punkte, auch die, die heute im System vorgesehen sind, Einvernehmen erzielt. Wir haben gut mit Herrn Minister Haupt und dem Herrn Staatssekretär zusammengearbeitet. Wir haben uns darum bemüht, dass sich auf der Bezirksebene ein Allspartensystem ergibt und nicht 400 Außenstellen. Wir haben eine Besetzung von innen angestrebt; diese wird jetzt kommen.

Die beiden genannten Organe, Verbandskonferenz, Verbandsvorstand, soll es nicht mehr geben. Wir haben – das haben wir am Gründonnerstag vorgestellt – ein einziges Problem gehabt, Herr Präsident Verzetnitsch, darüber wurde im Fernsehen berichtet, und das ist dokumentiert: Wir haben uns über die Anzahl der Mandate in dem neuen Organ nicht einigen können! (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch .) Und warum nicht? – Weil wir als Sozialpartner, als Arbeitgeber eine andere Vorstellung haben. Und diese ist heute hier genannt worden. Intention des Gesetzes war es, die Parität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herzustellen. Dafür brauchen wir keine besondere Wahl.


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Herr Präsident! Ich stehe selbstverständlich zu jedem Punkt. Aber ich stehe auch dazu, dass wir unterschiedliche Interessen haben und dass es erlaubt sein muss, unsere Interessen zu artikulieren. Sie tun das in Ihrem Bereich ebenfalls. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Sozialpartnerschaft ist kein Schönwetterverein, das weiß ich genau. Aber eines ist auch klar: Eine Partnerschaft wird repräsentiert durch Partner  – und nicht durch einen einzigen. (Abg. Dr. Petrovic: Wie ist das mit der Parität in der Wirtschaftskammer?!)

Ich kommen gerade zu diesem Punkt, Frau Petrovic. Vieles wurde heute beschworen im Namen der Demokratie. Wir haben – ich war voriges Jahr dabei – den Übergang zu einem gesamtdemokratischen System beschlossen, was die Versichertenvertreter anbelangt, und wir haben im Herbst – es ist nämlich noch einmal novelliert worden – die Arbeiterkammer- und die Wirtschaftskammerwahlen als Voraussetzung in das Konzept aufgenommen, damit mehr Demokratie in die Sozialversicherungsträger kommt.

Wissen Sie, was Sie getan haben, meine Damen und Herren von der sozialistischen Seite? – Sie haben nicht mitgestimmt! Und jetzt argumentieren Sie und sagen, das war eigentlich die Intention. (Abg. Silhavy: Aber Sie haben es beschlossen!)

Frau Silhavy! Was haben Sie denn in den letzten 40 Jahren gegen das Problem unternommen, dass nicht demokratisch besetzt wurde und dass sich das ursprünglich paritätische System zu einer relativ monokoloren Situation entwickelt hat? (Abg. Dr. Petrovic: Wie ist die Parität in der Wirtschaftskammer?!)

Es muss doch legitim sein, aus unserer Sicht zu sagen, wir haben die Kontrollversammlung, diese ist aber nicht die Handlungsebene im Bereich des Vorstandes. Daher: Wir wollen alles tun und haben alles getan, um eine ganz klare Linie für die Stärkung der Selbstverwaltung zu finden, und wir haben sie gefunden. Es ist aber nicht unsere Absicht, meine Damen und Herren, Strukturen zu zementieren. Das kann auch nicht das Ziel sein.

Wir haben daher – ich würde sagen, einigermaßen – auch erreicht, dass das Vetorecht nicht in dem vorgesehenen Ausmaß ausgeweitet wird. (Abg. Silhavy: Oje!) Wir haben gefürchtet, dass gerade, was die Personalernennungen anlangt, eine Art negative Personalmitkompetenz wiederum gegeben gewesen wäre.

Wir haben angestrebt, dass demokratische Ergebnisse auch demokratisch abgebildet werden. Das ist erreicht worden, und wir haben die Parität schließlich und endlich in dem Ausmaß, wie sie auch in Deutschland über 40 Jahre lang funktioniert, im Konzept verankert. Meine Damen und Herren! Partnerschaft, die gelebt wird, muss auf Gleichberechtigung und darf nicht auf Dominanz aufbauen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Präsident Verzetnitsch hat es angesprochen, und ich habe das Argument vielfach auch bei Veranstaltungen gehört: Jetzt kommen von außen her Leute in das System und machen die Geschäftsführung dort und wollen das managen!

Meine Damen und Herren! Schauen Sie sich doch einmal die Problematik an! Der Generaldirektor des Hauptverbandes verdient zirka 150 000 S. Der Präsident nicht einmal 50 000, nämlich 46 000 S. – Da kann man sagen, der einzelne Staatsbürger verdient vielleicht noch weniger. Aber: Diese Leute managen den Hauptverband – oder sollen ihn managen – mit einem Budget von 500 Milliarden Schilling, das größte Unternehmen Österreichs! Und das ist in der derzeitigen Form wie ein Juxverein organisiert, weil die Geschäfte nicht genau aufgeteilt sind, weil nicht klar ist, wer eigentlich was zu entscheiden hat. Und das soll in Ordnung sein?!

Meine Damen und Herren! Mir geht es nicht darum, ob jetzt mehr Arbeitgeber oder mehr Arbeitnehmer in den Gremien sitzen. Mir geht es darum, dass Kompetenz und entscheidungsfähige Strukturen vorhanden sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wir haben jetzt im neuen System eine normative Ebene, und es gibt eine ganz klare Abgrenzung auch zur strategischen Ebene und zur operativen Ebene. Es wurde auch angesprochen, das Rotationssystem bewähre sich nicht. Ich meine, ein solches System ist auf eine Selbstverwaltung maßgeschneidert. Das ist eben keine AG, das ist der gravierende Unterschied! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Worum es aber geht, und was wahrscheinlich wirklich das Problem ist, Herr Schieder, ist Folgendes: Es geht nicht um das Gehalt, nicht um das große Geld. Es geht um die Macht. Wer dort über Ressourcen und Personen verfügt, der möchte diesen Bereich halt nicht so gerne abgeben.

So bleiben, wie es war, kann es mit Sicherheit nicht! Es ist keine Führungskompetenz gegeben. Herr Sallmutter! Die Entscheidungen in Sachen Chipkarte und auch in anderen Punkten sind liegen geblieben. Da ist nichts mehr passiert. Daher wäre es aus der Sicht der Versicherten ein Fehler, hier keinen Schritt weiterzugehen.

Es geht darum, Strukturreformen anzugehen. Ich hätte mir auch von der Gewerkschaft erwartet, dass Sie uns einen Schritt entgegenkommt.

Wir haben Ihnen die Position des Präsidenten angeboten. Wir verzichten sogar auf das Rotationsprinzip. Wir bieten Ihnen Kooperation an, wenn Sie uns einen Schritt entgegenkommen. – Sie tun es nicht. Dann erwarten Sie aber bitte auch nicht, dass ich Ihnen dann entgegenkommen und entsprechende Konsequenzen ziehen kann. Das wäre in dieser Form falsch und fatal. (Abg. Verzetnitsch: Ein unmoralisches Angebot!)

Herr Präsident Verzetnitsch! Richtig ist, dass die Arbeit mit der Sanierung des Systems erst heute beginnt. Jetzt haben wir die Strukturen geschaffen, und dann geht es weiter.

Aber einen Satz möchte ich noch anfügen, und dabei geht es, wie ich meine, in Wahrheit um die Zukunftsproblematik. Herr Präsident Sallmutter hat gestern im Rahmen der Demonstration gesagt: Es muss auch die politische Auseinandersetzung um das System so geführt werden, dass man auf die Ebene der Betriebe geht. (Rufe: Redezeit!)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (fortsetzend): Ich bin beim Schlusssatz, Herr Präsident. – Das ist eine Drohung, meine Damen und Herren von der SPÖ! Die würde ich nicht umsetzen. Da sägen Sie sich als Arbeitnehmervertreter den eigenen Ast ab. Entscheiden Sie das Match auf der Ebene, auf der es entschieden gehört, und lassen Sie die Betriebe mit ihren Aufgaben, mit ihren Problemen auch dort, wo sie hingehören! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben in der Präsidiale eine sehr strikte Redezeiteinteilung für die Zeit der Fernsehübertragung vereinbart. Wir haben jetzt für Herrn Staatssekretär Waneck 5 Minuten vorgesehen. Die verbleibende Restredezeit bis 13 Uhr beträgt 24 Minuten. Daher wird jeder Fraktionsredner der vier Fraktionen 6 Minuten Redezeit haben. Das geht sich ganz genau bis 13 Uhr aus.

Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Waneck – nach Herrn Abgeordnetem Nürnberger. (Widerspruch bei der SPÖ.)  – Jawohl, Herr Abgeordneter Nürnberger ist am Wort. (Weiterer anhaltender Widerspruch bei der SPÖ. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Am Wort ist Herr Abgeordneter Nürnberger. (Abg. Dr. Cap: Zur Geschäftsbehandlung!)

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

12.32

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Erstens haben Sie Herrn Staatssekretär Waneck soeben das Wort erteilt, und zweitens war vereinbart, dass


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jetzt ein Regierungsmitglied zu Wort kommt. (Abg. Nürnberger: Dann soll er reden! Hat der Bartenstein schon falsch geredet!) Das kann man doch nicht quasi auf Zuruf ändern, nur weil er einfach nach Herrn Abgeordnetem Nürnberger reden will!

12.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich habe Herrn Staatssekretär Waneck gefragt, ob er nun zu Wort gelangt. Er hat gesagt, nach Herrn Abgeordnetem Nürnberger. Aber Sie haben Recht, ausgemacht war in der Präsidiale, dass der Herr Staatssekretär nach dieser Runde spricht.

Herr Staatssekretär, ich würde Sie bitten, jetzt das Wort zu ergreifen. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Es kann doch niemand gezwungen werden zu reden in diesem Haus! – Abg. Mag. Schweitzer: Der größte "Erfolg" des Josef Cap in dieser Woche!)

12.33

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Bill Clinton hat am 26. Juni 2000 im Eastern Room des Weißen Hauses die weit gediehene Analyse des menschlichen Genoms verkündet. Diese Basen-Sequenz in protein-codierten Desoxyribonukleinsäuren in der Zahl von 3 Milliarden enthält unser gesamtes Erbgut.

Der Vergleich mit anderen Lebewesen zeigt, dass zum Beispiel die Differenz zum Schimpansen nur 1,6 Prozent beträgt und zur Spitzmaus nur 10 Prozent. Viel geringer ist die Differenz des Erbguts der Menschen untereinander, die zu 99,9 Prozent in ihrem Erbgut gleich sind.

Leider ist es üblich, dass sich die Menschheit mehr auf das Trennende als auf das Gemeinsame konzentriert. Ich möchte mich hier auf das Gemeinsame konzentrieren. Ich möchte mich etwa darauf konzentrieren, dass 99 Prozent der Österreicher in der Sozialversicherung versichert sind. Ich möchte mich darauf konzentrieren, dass die Inhalte der gemeinsamen Gespräche, die die Sozialpartner mit den Ministerien in vier Monaten geführt haben, zu 99 Prozent kongruent und in Übereinstimmung erfolgt sind.

Die Übereinstimmung bestand zum Beispiel darin, dass man eine Analyse des Hauptverbandes gemacht und dabei festgestellt hat, dass der Hauptverband ein Milliardendefizit zu beklagen hat, wenngleich dieses – darauf muss man hinweisen – weitaus geringer war als angegeben.

Noch im September vergangenen Jahres, und zwar am 19. September 2000, stand in einem Protokoll des Hauptverbandes, dass der Abgang wahrscheinlich 2,7 Milliarden Schilling betragen werde. In der Öffentlichkeit wurde zu diesem Zeitpunkt noch immer von 5 Milliarden Schilling gesprochen. Ich frage mich: War das Unvermögen? War das politische Absicht? – Jedenfalls hat die Analyse dazu geführt, dass wir einvernehmlich festgestellt haben, dass es so nicht weitergehen kann. (Abg. Dr. Pilz: Stimmt nicht, "Herr Rossmann"! ... Bruder von Mares Rossmann!)

Die bisherigen Gutachten sehen die wesentliche Ursache für dieses Problem in folgenden Strukturdefiziten begründet: Normative, strategische und operative Ebenen verschwinden. Dies bedeutet, dass es keine klaren Aufgaben mehr gibt, keine klare Kompetenz und Verantwortung mehr gibt – eine horizontale Struktur, in der man sich gegenseitig behindert.

Wie hat diese Struktur ausgesehen? – So hat sie ausgesehen. (Der Redner hält eine Tafel mit einem Organigramm und der Überschrift: "Ist-Zustand" in die Höhe.) In neun verschiedenen Gremien wurden die Dinge besprochen, was dazu geführt hat, dass man sich letztlich nur mehr behindert hat.

Gleichzeitig war man zur Übereinstimmung darüber gekommen, dass neben einer mittelfristigen Finanzierung – alle Partner waren sich einig, dass man nicht alle zwei Jahre Feuerwehr spielen und sich wieder überlegen wollte, wie die Finanzen ins Lot zu bringen sind – eine straffe Reorganisation vorzusehen ist, und zwar unter den Prinzipien der Aufrechterhaltung der Selbstverwaltung, der Reduktion der Interessenkonflikte, der Trennung der Doppelfunktionen, der Ent


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wicklung einer schlanken und klaren Struktur, der Ausschöpfung von Synergien, Effizienz und der Verstärkung der Durchgriffsrechte für die Koordination.

Und was haben wir gemeinsam besprochen und bis vor kurzer Zeit auch beschlossen gehabt? – Diese schlanke Struktur. (Der Redner hält eine zweite Tafel mit einem Organigramm und der Überschrift: "Hauptverband neu" in die Höhe.) Vergleichen Sie den Unterschied! Hier haben Sie eine moderne Unternehmensstruktur, die in Hinkunft effizient arbeiten kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was aber ist plötzlich passiert? – Wir hatten uns über alles geeinigt, und dann ist es um ein einziges Gremium gegangen, um diesen Verwaltungsrat. (Der Redner zeigt auf ein Kästchen im erwähnten Organigramm.) Und dann hat plötzlich eine Personaldiskussion eingesetzt. Ich betone, wir waren uns in der Sache völlig einig!

Ich glaube nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, Hohes Haus, dass die österreichischen Versicherten, jene 99 Prozent der österreichischen Bevölkerung, an einem Postenschachergespräch interessiert sind. Sie sind daran interessiert, dass ihre Interessen in Form einer leistungsgerechten Versorgung vertreten werden. Sie sind nicht interessiert, weil sie nicht einmal wissen, dass sie mit ihrer Stimmabgabe bei der Arbeiterkammer- oder Wirtschaftskammerwahl auch gleichzeitig ihre Vertreter in der Sozialversicherung mitwählen. Sie sind vor allem an einer effizienten Behandlung interessiert!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Im Wesentlichen geht es darum, dass das System mit diesem Hauptverband nicht funktioniert, dass die Psychotherapie, die schon beschlossen war, nicht durchgeführt werden kann, dass Dialyse-Patienten in der Nacht quer durch die Bundesländer geführt werden müssen, dass viele Lösungen nicht beschlossen werden können und dass man sogar Patienten, die erblinden, nicht helfen kann! Täglich erblinden in Österreich ein bis zwei Patienten an einer Makuladegeneration!

Wir unterhalten uns hier über Posten, während die erforderliche Behandlung für diese erblindenden Patienten, die seit zwei Jahren verschleppt wird, nicht durchführbar ist. Und da muss ich sagen: Ich trete dafür ein, dass das in Hinkunft anders wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

12.39

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Repräsentanten der Regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst bedanke ich mich, Herr Staatssekretär, für die Ehre, dass Sie erst nach mir sprechen wollten.

Was sind die angeblichen Ziele der Regierung? – Kosten einsparen, Verwaltung vereinfachen, ein Hauptverband im Interesse der Versicherten.

Was sind die wahren Ziele? – Schwächung der Selbstverwaltung der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber; die Vertreter der Wirtschaft werden schon noch draufkommen. Außerdem wollen Sie den privaten Versicherungen Gewinne zuschanzen, indem Sie die Sozialversicherung zerstören.

Wahrheitsbeweis meinerseits: Der Gesetzentwurf verbessert nichts! Keine Rede von Gesundheitsversorgung, keine Rede davon, die Finanzen in den Griff zu bekommen, nur eine Neukonstruktion des Hauptverbandes!

Es stimmt schon, Herr Abgeordneter Mitterlehner, Herr Minister Bartenstein: In diesem Gesetz steht zum Beispiel vom Selbstbehalt nichts drinnen, aber Sie werden all das in den Gremien des Hauptverbandes einführen! Da Herr Alt-Generalsekretär, Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll, hier in einer tatsächliche Berichtigung erklärt hat, er hätte nie vom Selbstbehalt gesprochen (Abg.


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Dr. Stummvoll: 20 Prozent!), muss ich seinem Gedächtnis ein bisschen nachhelfen. Ich habe ein Wortprotokoll der Sendung "Betrifft" vom 1. Juli. Sie halten da einen großen Monolog, und dann sagt der Redakteur: Also heißt das Selbstbehalt? – Darauf Stummvoll: Selbstbehalte, ja. – Sie haben daher hier in der tatsächlichen Berichtigung die Unwahrheit gesprochen, Herr Generalsekretär! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ und Beifall bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen auch, dass die Pflichtversicherung auf Sicht in eine Versicherungspflicht umgewandelt werden wird (Zwischenruf des Abg. Auer ), denn ich sage Ihnen, was Herr Bundesminister Haupt zu jener Zeit, als er FPÖ-Sozialsprecher war, und zwar am 2. Oktober 1996 hier in einer Parlamentsdebatte gesagt hat – ich zitiere aus dem Stenographischen Protokoll –:

"Wir Freiheitlichen wollen, daß jeder – egal, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber – selbst zwischen mehreren Wahlmöglichkeiten entscheiden kann, welches System der Beitragszahlung und welches System der sozialen Absicherung er für sich wählt. Aber eines ist klar: Eines der angebotenen Systeme muß er wählen."

Also: Versicherungspflicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Was ist die Folge einer derartigen Versicherungspflicht? – Ein Zahlenbeispiel, damit man die Belastung der Versicherten erkennen kann: In Österreich zahlt eine Angestellte mit zwei Kindern und einem Bruttomonatsbezug von 25 000 S für die soziale Krankenversicherung 850 S im Monat. In Deutschland, wo es diese Wahlmöglichkeit, die Sie immer als etwas so Großartiges hervorheben, gibt, kostet es zumindest 1 712 S und in der Schweiz sogar mehr als 4 100 S. (Abg. Kiss: Österreich hat andere Systeme!)  – Das muss man den Menschen sagen, dass das die Absicht des Sozialministers ist, dass er das schon im Jahr 1996 hier kundgetan hat und dass das in der kommenden Legislaturperiode, meine sehr geehrten Damen und Herren, kommen wird! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich jetzt ein bisschen auf das Demokratieverständnis des ÖAAB zu sprechen kommen. Herr Abgeordneter Khol hat auf Kritiken aus den eigenen Reihen hin erklärt: Der ÖAAB sind Khol, Fasslabend und Tancsits. – Das ist Demokratieverständnis!

Wenn man sich die Rede von Herrn Abgeordnetem Tancsits, seines Zeichens Generalsekretär des ÖAAB, angehört hat, dann kann man nur sagen (Ruf bei der ÖVP: "Sehr gut"!): Du musst schon jahrelang nicht mehr mit deiner Basis gesprochen haben, denn viele an der Basis sprechen eine andere Sprache! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe großen Respekt gehabt, und mit mir 50 000 Menschen gestern bei der Demonstration, als ich hörte, was die Betriebsratsvorsitzende (Abg. Mag. Schweitzer: 15! – Abg. Neudeck: 50 000? – weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen)  – warte, was kommt! – der Erzdiözese dort gesagt hat – ich zitiere jetzt nicht alles. Sie wissen ganz genau, dass diese Kollegin eine sehr hohe christlich-soziale Einstellung hat, aber sie hat Ihnen, Herr Abgeordneter Khol, und Ihrer Partei das christlich-soziale Gewissen abgesprochen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und ich bin nicht der Ex-offo-Verteidiger des Abgeordneten zum Niederösterreichischen Landtag und Vizepräsidenten der niederösterreichischen Arbeiterkammer Dirnberger, aber eines wird in diesem Zusammenhang sehr deutlich: Wenn man keine Sachargumente hat, dann argumentiert man menschenverachtend. (Abg. Neudeck: Das sieht man bei Ihnen!)

Zu Ihnen, geschätzter Herr Klubobmann – oder ich sage in dem Sinne, wie dies im Buch von Frau Gertrude Aubauer angesprochen wurde: Lieber Andreas! –: Ich schreibe dir jetzt Folgendes ins Stammbuch (Abg. Ing. Westenthaler: Oje!): Wenn du keine Zwerge mehr hast, dann bist du trotz deiner scheinbaren Größe der kleinste und einzige Zwerg! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Der kleinste sind aber Sie!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich meine Rede mit einem Dank an die FPÖ schließen. Ich bedanke mich bei der FPÖ, dass sie heute ... (Abg. Ing. Westenthaler: Wir danken Ihnen, dass Sie diese Regierung ermöglicht haben!) – Es war ohnedies der Westen


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thaler dafür zuständig, der den Abgeordneten Gaugg als ersten Redner hier herausgeschickt hat. – Leistungen des Herrn Abgeordneten Gaugg: Eine Gewerkschaft hat er gegründet; bis heute fehlen ihm die Mitglieder. Seine erste Aktion, die er als Gewerkschaftsvorsitzender gesetzt hat, war, einen Bettelbrief an die Arbeitgeber zu schicken, damit sie die Gewerkschaft ein bisschen finanzieren können. Weil er Bayern hier groß herausgestrichen hat: Es haben sich zum Glück die Menschen davon überzeugen können, dass er in Bayern auf Studienreise gewesen sein muss – aber in den Bierfestzelten, denn so war seine Rede, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

12.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

12.45

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Der Beifall seitens der SPÖ für den Abg. Nürnberger hält nach wie vor an. – Abgeordnete der Freiheitlichen und der ÖVP spenden ihrerseits dem bereits beim Rednerpult stehenden Abg. Dr. Pumberger Beifall.) Ich bedanke mich! Ich hoffe, dass meine Redezeit noch nicht läuft. – Danke schön! Danke! Danke für den Applaus! Danke! Super! Herrlich! – (In Richtung des Präsidiums – auf den immer noch anhaltenden Beifall Bezug nehmend –:) Das ist aber noch keine Redezeit? (Abg. Neudeck  – nach Ausklingen des Beifalls, in Richtung SPÖ –: Danke für den Auftrittsapplaus für Pumberger!)

Herzlichen Dank, herzlichen Dank! (Allgemeine Heiterkeit.) So einen Auftrittsapplaus hatte ich noch nie! (Neuerliche allgemeine Heiterkeit. – Abg. Schieder: Auch diesmal nicht! – Abg. Edlinger: Wieder eine falsche Diagnose, Herr Doktor! – Heiterkeit.)

Herr Kollege Nürnberger! Bei Ihnen darf ich mich ganz besonders bedanken. Nicht nur dafür, dass Sie erst nach Staatssekretär Waneck sprechen durften, sondern weil Sie es durch Ihre Verweigerung der Unterschrift für den Koalitionspakt zwischen Schwarz und Rot ermöglicht haben, dass es endlich zu diesen Reformen kommt, die wir in dieser Woche durchführen konnten! Herzlichen Dank! Sie sind der Geburtshelfer der schwarz-blauen Koalition! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dem Mann kann man nicht genug danken. (Heiterkeit bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.) So eine gute Woche wie diese habe ich in meiner nunmehr doch schon zehnjährigen Politikerlaufbahn noch nie erlebt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Am Dienstag traten wir zusammen zur Klubsitzung und haben das Programm noch einmal durchgesprochen.

Am Mittwoch – ich erinnere Sie alle daran, vor allem die Zuseher vor den Fernsehapparaten – wurde ein Meilenstein in der Familienpolitik gesetzt: Das Kindergeld wurde ermöglicht. 6 000 S für jedes Kind in Österreich ab dem 1. Jänner 2002! Das ist eine Errungenschaft, Herr Kollege Nürnberger! Ich verstehe, dass Sie den Saal verlassen, denn das hätten Sie längst machen sollen, wenn Sie sich eine Familienpartei, eine Arbeitnehmerpartei "schimpfen"! Das hätten Sie machen müssen! Sie haben es niemals geschafft. Wir Freiheitlichen gemeinsam mit der ÖVP haben das durchgesetzt (Abg. Schwemlein: Dass du vier Pensionen bekommst!): 6 000 S Kindergeld!

Dann kam der Mittwoch. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Der "Rotfunk" war ein Dorn im Auge aller ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Donnerstag!)  – Ja, natürlich: Dann kam der Donnerstag. (Abg. Schieder: Nicht einmal der Kalender stimmt! Nicht einmal den Kalender beherrschen Sie! – "Eins, zwei, drei" – so geht das! "Eins, zwei, drei"!)  – Jeder in Österreich hatte genug von der Verpolitisierung des ORF. Wir haben ein ORF-Gesetz beschlossen, das die Politiker aus dem ORF hinauszwingt. Vor allem den dortigen Überhang an SPÖ, diesen "Rotfunk", den konnte die österreichische Bevölkerung nicht mehr ertragen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schieder: ... Sie nicht einmal die Wochentage kennen!)


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Heute nun der Höhepunkt, wirklich der Höhepunkt – und das freut mich als Arzt, als Gesundheitspolitiker, der ich tagtäglich mit den Patienten arbeite –:

Der Hauptverband hat, obwohl wir ihm die Reformen aufgetragen haben, obwohl er nicht nur von uns dazu aufgefordert wurde, sondern ihm auch in Studien, die von sozialistischer Seite in Auftrag gegeben wurden – zum Beispiel die Häusermann-Studie –, oder auch durch die Kritik des Rechnungshofes der Handlungsbedarf aufgezeigt wurde, nicht reagiert – und er hat schon gar nicht reagiert, seit es die schwarz-blaue Koalition gibt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Einflussnahme der Partei im Hauptverband und der Schwerpunkt der Partei sind nämlich für Herrn Sallmutter, was er auch heute schon gesagt hat, wesentlich wichtiger als das Schicksal der kranken Menschen in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher ist es umso wichtiger, meine Damen und Herren, dass wir diese Strukturreform des Hauptverbandes heute, hier und jetzt beschließen können! (Abg. Schwemlein: Könnte deine Partei die Sendezeit nicht besser nützen?)

Der Hauptverband hat auf den Rechnungshofbericht vom November 2000 nicht reagiert. Darin schreibt der Rechnungshof: In der Verwaltung des Hauptverbandes ist nur wenig Einsparungswille erkennbar. – Das schreibt er! Stattdessen gibt es, so schreibt der Rechnungshof, eine Erhöhung des Personalstandes, eine steigende Zahl an Vorrückungen, vermehrt Belohnungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine Zunahme der freiwilligen sozialen Zuwendungen an die Dienstnehmer. (Abg. Ing. Westenthaler: Mich interessiert heute nur eines: Wo hat der Edlinger diese Socken her?)

Es wurde nicht reformiert, Herr Sallmutter! Nicht reformiert! – Ich bin Vertragsarzt der Krankenkasse (Abg. Grabner: Die armen Patienten!), ich hoffe, ich werde keinen Sanktionen ausgesetzt! Herr Sallmutter, Sie sind ja noch bis 30. September in Amt und Würden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eine EDV-Vernetzung zwischen den einzelnen Sozialversicherungsträgern ist nicht durchgeführt worden. Damit haben Sie 60 Millionen Schilling pro Jahr an Steuergeldern vergeudet und verschwendet, weil Sie den Reformwillen nicht gezeigt haben. Gegensteuerungsmaßnahmen in den einzelnen Gebietskrankenkassen haben Sie nicht durchgeführt. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Edlinger –: Weiße Socken!)

Schon 1992 gab es die Kritik von Häusermann, und KPMG hat 1998 festgestellt, dass die Umsetzung der schon von Häusermann kritisierten Punkte nur mangelhaft oder gar nicht erfolgt ist. – Das ist der Grund, warum wir im Hauptverband mehr Demokratie, ein ausgewogenes Kräfteverhältnis und eine Strukturreform brauchen!

Das ist der Grund, meine Damen und Herren, warum wir jetzt Monate hindurch gearbeitet haben (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen – Abg. Dr. Gusenbauer: Redezeit!), intensive Beratungen durchgeführt haben und schließlich zu dem heute kurz vor der Beschlussfassung stehenden Gesetz gekommen sind. Ich freue mich gemeinsam mit den Österreicherinnen und Österreichern auf die Abstimmung! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Herr Edlinger, Sie sind einer der wenigen Weißsockenträger! Das Psychogramm der Weißsockenträger ist ein furchtbares! – Abg. Edlinger  – auf seinen Kopf deutend, in Richtung des Abg. Haigermoser –: Lieber weiße Socken als nichts da drinnen! – Abg. Neudeck: Aber beides ist auch nicht lustig!)

12.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

12.52

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Pumberger, ich kann Ihnen ja nicht vorschreiben, worüber Sie reden sollen, aber ich glaube, Sie wären besser ausgestiegen, hätten Sie zu den


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anderen Kapiteln dieses Gesetzes gesprochen, und nicht zu dem, zu dem Sie gesprochen haben. Damit konnten Sie nämlich niemanden mehr von Ihrer Wahrheit überzeugen – ganz im Gegenteil! –, und darüber bin ich eigentlich froh. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute auch das Gruppenpraxengesetz, und ich möchte den Herrn Staatssekretär an etwas Wesentliches erinnern:

Herr Staatssekretär! Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Auf diese Verfassungsbestimmung, Herr Staatssekretär, habe ich Sie aufmerksam gemacht, und ich habe von Ihnen eingefordert – mit Recht eingefordert –, so wie Tausende behinderte Menschen in Österreich auch, dass im Gruppenpraxengesetz eine Klarstellung enthalten sein muss, dass Arztpraxen auch für behinderte und alte Menschen barrierefrei erreichbar sein müssen. (Beifall bei den Grünen. – Staatssekretär Dr. Waneck: Wie ist das heute?)

Herr Staatssekretär! Ich zitiere Sie: "Die Frage der Behinderten – das weiß Frau Abgeordnete Haidlmayr – ist ein besonderes Anliegen von mir. Wenn gesagt wird, dass hier nichts geschehen ist, dann muss ich das korrigieren: Wir haben, schriftlich nachweisbar, die Ärztekammer aufgefordert, von sich aus die noch nicht umgesetzten Versprechen durchzuführen" und so weiter. Dann sagen Sie noch, es wird im Ärztegesetz der barrierefreie Zugang sichergestellt werden.

Tatsache ist, dass im Entwurf der ASVG-Novelle nichts davon gestanden ist und Sie es jetzt im Nachhinein im Abänderungsantrag noch hineinreklamiert haben – aber nicht im Interesse der behinderten Menschen, sondern nur, um sich selbst Genüge zu tun. Das aber, meine Damen und Herren, ist eindeutig zu wenig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ihre Bestimmung und die Begründung dafür möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten, besonders nicht Ihre Begründung, die lautet nämlich: In den Gesamtverträgen soll – die Betonung liegt auf "soll"! – als verbindlicher Inhalt die Sicherstellung eines behindertengerechten Zuganges zu den Vertrags-Gruppenpraxen geregelt werden. – Soll geregelt werden, und nicht muss geregelt werden! (Staatssekretär Dr. Waneck: Verbindlich!)

Herr Staatssekretär! Behindertenrechte sind Menschenrechte! Und Menschenrechte sollen nicht eingehalten werden, sondern müssen eingehalten werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Herr Staatssekretär! Deshalb soll auch niemand mehr in Österreich zu denen gehören, die Ihren Versprechungen glauben. Sie halten sie nicht ein! Das haben Sie hier wieder einmal ganz deutlich unter Beweis gestellt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Grünewald, Öllinger, Haidlmayr zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG), 624 der Beilagen, i.d.F. des Ausschussberichtes 726 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Nach Z 57 wird folgende Z 57a eingefügt:

Z 57a lautet:

"1a. Die behindertengerechte Ausstattung (ÖNORM B 1600) der Praxisräume einer ausreichenden Zahl an Vertragsärzten und Vertragsgruppenpraxen, sodaß auch für behinderte Menschen die freie Arztwahl möglich ist."


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2. In Z 63 wird im Abs. 1 des § 343 der dritte Satz wie folgt geändert:

"Dabei sind auch die fachliche Eignung der Bewerber (Bewerberinnen), die zeitliche Reihenfolge der Bewerbungen um Einzelverträge sowie die barrierefreie Zugänglichkeit der Praxisräume (gemäß ÖNORM B 1600) der Bewerber (Bewerberinnnen) zu berücksichtigen."

3. In Z 76 wird dem Abs. 5 folgende Zahl 3 angefügt:

"3. sich aus der Evaluierung ergibt, daß die Räumlichkeiten der Vertragspraxis sowie der Vertragsgruppenpraxis nicht barrierefrei (nach ÖNORM B 1600) zugänglich sind."

*****

Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Abg. Schwarzenberger: Redezeit!) Wenn es Ihnen ernst ist, die Rechte behinderter Menschen (Abg. Zierler: Redezeit!) auch hier in diesem Haus zu akzeptieren und umzusetzen, dann dürfte es Ihnen kein Problem sein, diesen Abänderungsantrag, den ich soeben eingebracht habe, auch entsprechend zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Grünewald, Öllinger und Haidlmayr ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

12.58

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Seien Sie sich dessen sicher – damit wir die Sache auf den Punkt bringen –: Auch nach Beschlussfassung dieser 58. ASVG-Novelle wird die Qualität der österreichischen Sozialpolitik in vollem Umfang erhalten sein und erhalten bleiben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Schieder. )

Dies ist eine Sozialpolitik, Herr Kollege Schieder, an deren Entwicklung fast alle politischen Entscheidungsträger, und gerade auch meine Gruppe, die Österreichische Volkspartei, maßgeblich mitgearbeitet und mitgewirkt haben, damit wir diesen Stand, diesen Status von heute erreichen konnten. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber glauben Sie mir: Alles, was Bestand haben soll – und die Sozialpolitik muss Bestand haben –, braucht Veränderung. Ich glaube, diese Debatte zeigt sehr deutlich, dass diese Veränderung im Gange ist, dass etwas in Bewegung ist. Es hat jeder einen anderen Zugang, es bringt jeder seine Beiträge dazu ein, aber eines soll schon sehr deutlich herausgearbeitet werden: Die Sozialpolitik hat ausnahmslos den Menschen, den Bürgern und den Versicherten zu dienen und nicht Gruppeninteressen oder andere Überlegungen zum Inhalt zu haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Sie uns hier einreden wollen oder glauben, uns einreden zu müssen, dass mit dieser 58. ASVG-Novelle keine Verbesserungen kommen, dann bitte ich Sie: Lesen Sie in dieser Novelle! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Gruppenpraxen können ab nun eröffnet werden – ein Thema, worüber wir jahrelang diskutiert haben, das wir allerdings mit Ihnen leider nicht lösen konnten. Jetzt wird diese Frage gelöst (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), damit auch in peripheren Gebieten eine ausreichende und gute ärztliche Versorgung gewährleistet werden kann und, Frau Kollegin Haidlmayr, damit ein behindertengerechter Zugang zu diesen Gruppenpraxen auch in Zukunft gesichert und gewahrt ist. Das ist es, worum es heute geht.


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Heute geht es nicht darum, ob es eine Versicherungspflicht oder eine Pflichtversicherung gibt. Das steht nicht zur Debatte, auch nicht die Einführung oder die Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin. Teilweise haben Sie, Frau Kollegin Silhavy – das müssen Sie als Sozialsprecherin wissen –, maßgeblich dazu beigetragen, dass es Differenzen gibt, die nicht jeder Bürger versteht. Wir sind dabei, auch diese kritisch zu hinterfragen, nach Tunlichkeit anzupassen oder aufzuarbeiten.

Es geht auch nicht um Selbstbehalte. Sie haben in Ihrer Zeit Selbstbehalte in der Größenordnung von nahezu 12 Milliarden Schilling eingeführt. Tun Sie nicht so scheinheilig, und sagen Sie nicht, diese Regierung macht etwas, was Ihnen nicht gefällt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Sie haben es Jahre, ja Jahrzehnte hindurch gemacht!

Es geht ausnahmslos um Antworten darauf, wie die Sozialversicherung in Zukunft ausschauen soll. Ich frage Sie: Was stört Sie so sehr daran, dass der Hauptverband der Sozialversicherungsträger Österreichs nun neu strukturiert wird? Die Sozialversicherungsträger, die sich unmittelbar mit dem Tagesgeschäft, nein, mit den Versicherten zu befassen haben, bleiben erhalten. Diese Struktur wird weder verändert noch gestört und schon gar nicht abgeschafft. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) – Frau Silhavy, in dieser Sache kenne ich mich mindestens genauso gut aus wie Sie. Das versichere ich Ihnen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Im Hauptverband wird es in Zukunft eine Hauptversammlung geben. Dort sind alle Träger vertreten. Was stört Sie daran? – Es wird einen Verwaltungsrat geben, der aus 14 Mitgliedern bestehen wird, eben auf Zeit bestellt wird und der aus seiner Mitte – und das ist das demokratiepolitisch Besondere, das Juwel daran – den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter wählen wird. Wenn Sie das Rotationsprinzip noch so stört, dann empfehle ich Ihnen: Schauen Sie bitte nach Deutschland! Dort funktioniert das seit Jahren, ja Jahrzehnten. Auch bei uns wird es funktionieren. Wir garantieren Ihnen das. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Geschäftsführung wird bestellt. Es wird eine Controlling-Gruppe eingerichtet. Vielleicht – es kann ja sein – stört Sie etwas, was neu ist – beim Neuen können Sie so schlecht, das habe ich schon mehrmals gemerkt –, nämlich das Gesundheits- und Sozialforum Österreich. Das ist eine Einrichtung neu, wo alle Verantwortlichen, die politischen Parteien, auch Sie, Frau Kollegin Petrovic, mit Ihrer Gruppe, alle Anbieter von Gesundheitseinrichtungen, alle, die in diesem Land maßgeblich Gesundheits- und Sozialpolitik machen, mit drinnen sind. Eine tolle Sache!

Ich kann der Regierung zu dieser 58. Novelle nur gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Ich glaube, das ist eine ganz wichtige, eine positive Entwicklung, auf die wir stolz sein können und die wir herzeigen können.

Wenn Sie heute noch so oft hier vorne meinen, dass das Vetorecht der Ministerien so etwas Ungeheuerliches wäre, dann empfehle ich Ihnen, die §§ 448 und 449 des ASVG, heutige Fassung, zu lesen. Dann werden Sie sehen: Die Aufsichtsrechte der Ministerien gab es und wird es auch in Zukunft geben. Deshalb verstehe ich nicht, warum wir diese Debatte so emotionsüberladen führen müssen. Es wäre besser, wenn wir weniger Personenkult – vielleicht wollen dies die Betroffenen ohnehin nicht, oder wollen Sie die Betroffenen nicht, ich weiß es nicht – und mehr Sachpolitik betrieben.

Ich verstehe auch nicht, warum ich als frei gewählter Mandatar hier in diesem Hohen Haus, der ich zu dieser positiven Entwicklung stehe, Drohbriefe bekomme und Drohanrufe entgegennehmen muss. Ich verstehe das wahrlich nicht!

Ich bitte Sie, hören wir auf, diese Auseinanderentwicklung fortzusetzen, hören wir auf, von Streiten und Streiken zu sprechen, und denken wir endlich an die große Herausforderung, der wir uns alle stellen sollten! Antworten auf die demographische Entwicklung, Antworten auf die neuen Leistungen in der Gesundheitspolitik, Antworten auf den Generationenvertrag sind gefordert.


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Wir werden deshalb auch anderen Anträgen, wie jenen des Herrn Kollegen Gusenbauer, nicht zustimmen, in denen er nichts anderes möchte als eine Gruppe – in diesem Fall die Bauern und Selbständigen – zu mehr Belastung zu führen. Da gehen wir nicht mit, da können Sie sicher sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es geht einfach um die Sache. Denken Sie an Österreich! Denken Sie an die Menschen und deren Interessen! Eines: Der Kluge denkt voraus, das können Sie uns nicht verbieten, der Zaghafte läuft hinterher, das werden wir Ihnen nicht verbieten. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die diesbezüglichen Bestimmungen des GOG. – Bitte.

13.06

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich melde mich jetzt zu Wort, weil vereinbart war, dass während der Fernsehübertragung von jeder Fraktion nur eine tatsächliche Berichtigung gemacht werden soll. (Abg. Schieder: Gemeldet haben Sie sich schon vorher, das Wort bekommen Sie erst jetzt!)  – Das durfte ich, Herr Kollege Schieder.

Herr Kollege Nürnberger hat hier vom Rednerpult aus eine Tonbandabschrift von der Fernsehdiskussion "Betrifft" von vergangenem Sonntag verlesen, im Rahmen derer ich in der Tat während der Diskussion das Wort "Selbstbehalt" in den Mund genommen habe. Er wollte damit nachweisen, dass die unwahre Behauptung des Kollegen Gusenbauer, ich hätte dort 20 Prozent Selbstbehalt gefordert, richtig sei. (Abg. Silhavy: Das steht im Koalitionspapier!)

Diese Behauptung ist unwahr und unrichtig. Richtig ist vielmehr: Ich habe in einer eineinhalbstündigen Diskussion mehrmals das Wort "Selbstbehalt" in den Mund genommen. Ich habe darauf hingewiesen, dass es auf der ganzen Welt kein System ohne Selbstbehalt gibt. Aber ob ich 20 Prozent fordere oder das Wort in den Mund nehme, da besteht ein kleiner Unterschied. Kollege Nürnberger sollte diesen lockeren Umgang mit der Wahrheit in Zukunft vermeiden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Das war keine tatsächliche Berichtigung, Herr Präsident!)

13.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

13.07

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Angesichts dieser an und für sich doch sehr schwierigen Materie möchte ich für all jene, die sich bei diesen Gesetzesmaterien nicht so genau auskennen, auf den Punkt bringen, worum es eigentlich geht.

Dieses Gesetz hat eindeutig drei Ziele: Ziel Nummer eins ist die Beseitigung von Hans Sallmutter. Punkt zwei ist die Machtübernahme von ÖVP und FPÖ im Hauptverband der Sozialversicherung und Punkt drei ein Totalumbau und die Zerstörung unseres hervorragenden Sozialsystems. Auf das kommt es an, meine Damen und Herren! Das ist der Punkt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Abenteuerlich, was Sie da erzählen!)

83 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher – das wurde schon einmal erwähnt – sind mit diesem Sozialsystem hoch zufrieden – ein Wert, den es in der gesamten westlichen Welt nirgends mehr gibt. Das lassen wir uns nicht so einfach zerstören, daher auch der große Unmut und die Demonstrationen auf der Straße.

Wenn man hier so unterschwellig immer hört, das sei kein geeignetes Mittel, dann muss ich sagen: Jawohl, ich verstehe die Menschen, die gestern auf die Straße gegangen sind. Gerade


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Abgeordnetem Donabauer und Abgeordnetem Schwarzenberger und den Bauernvertretern möchte ich sagen: Auch traktorlose Menschen haben ein Demonstrationsrecht in Österreich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Bereits zu Beginn dieses Jahres hat FPÖ-Chefin Riess-Passer die Kopfjagd auf den Präsidenten des Hauptverbandes Hans Sallmutter eröffnet, indem sie einfach öffentlich verkündete: Sallmutter muss weg! – Der Kopf von Sallmutter wird gefordert, weil laut FPÖ der Chef des Hauptverbandes zu mächtig ist und vor allem weil er unbequem ist.

Brauchen Sie einen bequemen Vorsitzenden des Hauptverbandes, einen, der sich nicht rührt, wenn es um die Rechte der Versicherten geht? – Jawohl, wir sind stolz darauf, dass es Menschen in entsprechenden Positionen in Österreich gibt, die auch für den "kleinen Mann" und die "kleine Frau" aufstehen, wenn es um die Zerstörung ihrer Rechte geht. Es werden Mehrheiten umgedreht, die man bei Wahlen nicht erreicht hat – eine glatte Missachtung demokratischer Wahlergebnisse und somit eine Ohrfeige für die Demokratie.

Die Regierung steuert im Laufschritt und mit Vollgas in die Dritte Republik. "Regieren neu" bedeutet für ÖVP und FPÖ, dass sie Schlüsselstellen im Land mit ÖVP- und FPÖ-Leuten besetzen und eine ungeheure politische Hatz auf Menschen betrieben wird. Man braucht sich ja nur die Beispiele anzuschauen, wie ja die Ereignisse bei AUA, ÖIAG und ÖBB zeigen.

Von dieser Regierung wird nicht einmal eine Entscheidung des Höchstgerichtes anerkannt. Wie Sie alle wissen, hat der Verwaltungsgerichtshof Sallmutter im Mai bestätigt, dass seine vorzeitige Ablöse rechtswidrig ist und er bis zum Jahre 2005 rechtmäßig im Amt wäre. Sie beschließen einfach ein Gesetz, um das zu umgehen.

Das eigentliche Ziel der Angriffe, meine Damen und Herren, ist nicht nur Sallmutter, sondern das gesamte Sozialversicherungssystem. Was hier noch alles kommt, das hört man heute schon zwischendurch. Wenn ich höre, dass von der Pflichtversicherung abgegangen werden soll, dann möchte ich der ÖVP ihr eigenes Grundsatzpapier, das sie in Alpbach beschlossen hat, in Erinnerung rufen (Abg. Dr. Martin Graf: Das Parlament beschließt Gesetze!), wo Sie ausdrücklich sagen: Wir sind aus grundsätzlichen Überlegungen heraus für die Beibehaltung des Modells der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung. – Also bitte, meine Damen und Herren, dies ist schon zu hinterfragen, wenn ich vergleiche, wie es auch Kollege Nürnberger schon getan hat, welche Kosten auf die Versicherten zukommen würden. (Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Die Selbstverwaltung ist ein wichtiges Gut in unserem demokratischen Zusammenleben. Die Mitglieder der Selbstverwaltung werden von den öffentlich-rechtlichen Interessenvertretungen der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer gewählt. Der Ernennung entsprechend den Mandatsverhältnissen liegen also Wahlen zugrunde. Damit haben sie auch die Legitimation, die Vertretung in den einzelnen Selbstverwaltungskörpern auszuüben. (Abg. Murauer: Da gibt es andere auch noch!)

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch sehr viele Argumente vorzubringen, ich möchte auf einen Punkt besonders hinweisen, weil hier gesagt wurde, es werde auf die finanziellen Schwierigkeiten überhaupt nicht eingegangen. Ein Grund für die finanziellen Schwierigkeiten im Sozialversicherungsbereich sind die zu geringen Einnahmen der Krankenkassen infolge neuer Strukturen in der Arbeitswelt! So steigt beispielsweise die Zahl der Teilzeitbeschäftigten, die einen geringeren Beitrag leisten, aber im Krankheitsfall die volle Leistung erhalten.

Ich verweise auch auf die Situation bei den Saisonarbeitern, auf die Zunahme der Zahl der Schwarzarbeiter. Es liegt ein Antrag zur Bekämpfung der Schwarzarbeit schon lange im Unterausschuss, aber leider wird dieser Ausschuss nicht einberufen. Meine Damen und Herren! Da könnten Sie aktiv werden. Man darf auch nicht vergessen, dass gerade infolge von Schwarzarbeit 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verloren gehen, das sind mehr als 290 Milliarden Schilling! – Es gäbe noch sehr viele Argumente, aber die Zeit drängt.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:


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76. Sitzung / Seite 79

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dietachmayr und GenossInnen zum Gesetzesentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (624 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) (726 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Z 57 lautet:

"57. § 342 Abs. 1 Z 1 lautet:

1. die Festsetzung der Zahl und der örtlichen Verteilung der Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen mit dem Ziel, dass unter Berücksichtigung der örtlichen und Verkehrsverhältnisse, der Notwendigkeit eines barrierefreien Zugangs zu einer ausreichenden Anzahl von Vertragsordinationen sowie der Bevölkerungsdichte und -struktur eine ausreichende ärztliche Versorgung im Sinne des § 338 Abs. 2 erster Satz der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten und deren Angehörigen gesichert ist; in der Regel soll die Auswahl zwischen mindestens zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten oder einem Vertragsarzt und einer Vertrags-Gruppenpraxis freigestellt sein;"

2. Ziffer 63 § 343 Abs. 1 3. Satz wird nach dem Ausdruck "Niederlassungsfreiheit" folgende Wendung eingefügt:

"dem Sicherstellungsgebot hinsichtlich des barrierefreien Zugangs gemäß § 342 Abs. 1 Z 1."

3. In Ziffer 63 § 343 Abs. 1 wird dem 4. Satz folgende Wendung angefügt:

"Ein Einzelvertrag darf nur mit einer barrierefrei zugänglichen Gruppenpraxis abgeschlossen werden."

4. Z 76 lautet: Dem § 343 wird folgender Abs. 5 angefügt:

"(5) Die Tätigkeit der Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen ist ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fünfjährlich einer Evaluierung nach fachspezifischen Qualitätsstandards und dem zeitgemäßen Standard des barrierefreien Zugangs zu unterziehen; die Qualitätsstandards sind durch die Österreichische Ärztekammer mit ihren Fachgruppen und der Kurie niedergelassener Ärzte bis längstens 1. Juli 2002 auszuarbeiten und nach Abstimmung mit dem Hauptverband dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zur Genehmigung vorzulegen. Ein Kündigungsgrund nach Abs. 4 liegt vor, wenn

1. die Evaluierung nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt wird oder

2. sich aus der Evaluierung ergibt, dass die Tätigkeit des Vertragsarztes oder der Vertrags-Gruppenpraxis nicht den Qualitätsstandards entspricht oder

3. sich aus der Evaluierung ergibt, dass die Ordination des Vertragsarztes oder der Vertrags-Gruppenpraxis nicht dem zeitgemäßen Standard des barrierefreien Zugangs entspricht.

Die Ergebnisse der Evaluierung sind anonymisiert für die Qualitätsberichterstattung des Bundes zur Verfügung zu stellen."

*****

Meine Damen und Herren! Stimmen Sie diesem Abänderungsantrag zu, denn das wäre ein wichtiger Beitrag für die behinderten Menschen in Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

13.16


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76. Sitzung / Seite 80

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht in ausreichendem sachlichen Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher auch mit zur Verhandlung sowie in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brugger. – Bitte.

13.16

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Arbeitnehmer und jahrzehntelanger Beitragszahler an die ASVG-Krankenversicherung bin ich froh, dass es endlich zu einer Reform im Management des Gesundheitswesens kommen wird. Mir als Arbeitgeber geht es erstens um eine Sicherstellung der Finanzierung des Gesundheitswesens ohne dauernde Erhöhung der Beiträge. Zweitens sollten keine Leistungskürzungen mehr vorkommen. Drittens geht es mir um eine Senkung des Verwaltungsaufwandes und viertens um die Entpolitisierung des Hauptverbandes mit einer gleichzeitigen Stärkung der Selbstverwaltung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Kritik der SPÖ an der Reform des Gesundheitswesens ist scheinheilig. Das wissen alle hier im Hohen Haus. Auch die Bevölkerung wird das bald durchschaut haben. Herr Kollege Gusenbauer befürchtet immer Leistungskürzungen. Dazu wird es nicht kommen, denn diese hat der Hauptverband als so genannte dritte Säule der Sozialdemokratie den Patienten längst verordnet.

Bisher haben die Krankenversicherungen den Patienten immer viele Leistungen vorenthalten. Dafür tragen die SPÖ und der von ihr beeinflusste Hauptverband die Verantwortung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier nicht um eine böse Bundesregierung, sondern um den Reformunwillen der Kassen. Würden die Kassen die Verwaltungskosten senken und nicht Milliarden in veraltete Strukturen stecken, dann könnten viele Leistungen finanziert werden. Ich nenne hier nur zwei Beispiele von Dingen, die nicht durchgeführt wurden. Das sind zum Beispiel die EDV-Vernetzung und die Chipcard. Wir werden es tun.

Wenn das bisherige System so gut und die Patienten so zufrieden waren, wie die SPÖ immer behauptet, dann frage ich mich: Warum gibt es in Österreich so viele Selbsthilfegruppen und Patienteninitiativen, die über Petitionen und Unterschriftenlisten dringend versuchen, Medikamente bezahlt zu erhalten? (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war die dritte Säule der Sozialdemokratie, die diese Menschen immer im Regen stehen hat lassen. Mit den Sozialpartnern besteht in weiten Bereichen Übereinstimmung zur Reform. Dort, wo es um Entpolitisierung geht, schreit die SPÖ natürlich auf. Sie fürchtet um ihren Politeinfluss und um ihre Privilegien für ihre Klientel und ihre Funktionäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Faktisch ist es so, dass durch den Verwaltungsrat die Selbstverwaltung gestärkt wird. Bisher gab es nur den GPA-Vorsitzenden als Präsidenten mit einer Statthalterfunktion der SPÖ zur Sicherung ihrer Macht, ihres Einflusses und ihrer Privilegien im Hauptverband.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir von der ÖVP/FPÖ-Koalition haben erkannt, dass es unmöglich ist, mit den alteingefahrenen Strukturen und parteipolitischem Einfluss im Sozialversicherungssystem eine ausreichende Versorgung der Österreicher zu gewährleisten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
76. Sitzung / Seite 81

13.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

13.20

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ob Sie es zugeben wollen oder nicht: Mit den Abänderungsanträgen zur 58. ASVG-Novelle nutzen Sie als Regierungsparteien Ihre Mehrheiten im Parlament und ändern Gesetze zu Ihren Gunsten. (Abg. Dr. Khol: Zu Gunsten der Bevölkerung!) Dieses Vorgehen ist demokratiepolitisch unerträglich und auch verfassungsrechtlich fragwürdig. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die Mehrheit im Parlament bestimmt nun einmal!)

Sie missachten eine demokratische Wahlentscheidung der Versicherten bei den Arbeiterkammerwahlen. Sie wollen ein bestelltes Management, das Ihren Forderungen und Wünschen entspricht. (Abg. Haigermoser: Da haben Sie behauptet, Sie schreiben Ihre Reden selbst! Wir glauben es auch!) Die vorgesehene Unvereinbarkeitsregelung führt systematisch zu einem Ausschluss von VersichertenvertreterInnen und Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeiterkammern. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Meine Damen und Herren von der Regierung! Wir haben in Österreich ein gut funktionierendes Sozialversicherungssystem, um das uns viele Staaten beneiden. In Ihrem Machtrausch, Herr Abgeordneter Haigermoser (Abg. Haigermoser: Ich habe einen "Machtrausch"? Wo bemerken Sie meinen "Machtrausch"?), wollen Sie dieses hervorragende Sozialversicherungssystem verändern, indem Sie die Versicherungspflicht in eine Pflichtversicherung umwandeln, obwohl wir Ihnen im Ausschuss für Arbeit und Soziales in stundenlangen Wortmeldungen die Verschlechterungen dieser Abänderungen dargelegt haben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie setzen ohne Dialog Ihre Vorhaben um, treten damit die demokratischen Prinzipien mit Füßen. Nicht umsonst sitzt Bundeskanzler Schüssel im Metternich-Zimmer. (Abg. Haigermoser: Wo sitzt er? Bitte noch einmal! – Abg. Dr. Khol: Wer war der Metternich? – Abg. Schwarzenberger: Das weiß sie doch gar nicht!)

Meine Damen und Herren! Mit diesen Abänderungen entsteht nämlich eine Zwei-Klassen-Medizin, wo sich nur die Wohlhabenden eine adäquate medizinische Versorgung leisten können, aber die sozial Schwächeren, chronisch Kranke, kinderreiche Familien, Menschen mit geringem Einkommen und Ältere bleiben auf der Strecke.

Meine Damen und Herren, insbesondere von der ÖVP! Ich weiß, dass Sie bei Ihrer Klubtagung in Alpbach festgestellt haben, wie wichtig die Versicherungspflicht ist. Sie waren sich einig, dass die Beibehaltung der Versicherungspflicht gegenüber allen anderen Versicherungsformen das Wichtigste ist. Sie wissen auch, dass dieses Modell bisher für die Bürgerinnen und Bürger das erfolgreichste war.

Aber, meine Damen und Herren von der Regierung, Sie wissen anscheinend nicht, dass es Menschen gibt, die bei einer Vollbeschäftigung 12 500 S verdienen, das sind nicht einmal ganz 9 000 S Nettoeinkommen. Wie sollen sich diese Menschen eine Versicherung aussuchen können, um für ihre Gesundheit Vorsorge zu treffen? Schon gar nicht geht das, wenn das ein Risikopatient ist. Wie sollen sich Menschen mit einem niedrigen Einkommen, die von Ihren gesetzlichen Maßnahmen betroffen sind, überhaupt noch etwas leisten können?

Wo bleibt hier das christliche Verständnis von Abgeordnetem Khol? (Beifall bei der SPÖ.) Was werden Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, noch alles mittragen und verändern, nur damit der Kanzler gesichert bleibt?

Meine Damen und Herren! Der Machtrausch, mit dem Sie jetzt arbeiten, wird für Sie nicht erfolgreich sein. Deshalb: Nehmen Sie Abstand von diesen Abänderungsanträgen, und gefährden Sie den sozialen Frieden in unserem Land nicht! (Beifall bei der SPÖ.)


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Stenographisches Protokoll
76. Sitzung / Seite 82

13.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Tancsits zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.24

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Bauer hat in ihrem Redebeitrag gesagt, die ÖVP hätte sich bei ihrer Tagung in Alpbach zur Wichtigkeit der Versicherungspflicht bekannt. – Das ist unrichtig!

Richtig ist, dass sich die ÖVP in Alpbach, wie auch überall anders, zur Wichtigkeit der Pflichtversicherung bekannt hat.

Weiters hat Frau Abgeordnete Bauer gesagt, dass uns im Sozialausschuss in stundenlangen Wortmeldungen die Unrichtigkeit der Novelle vor Augen gehalten wurde. – Auch das entspricht nicht den Tatsachen.

Richtig ist, dass uns in stundenlangen Wortmeldungen von Seiten der Grünen aus dem ASVG vorgelesen wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

13.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

13.25

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich verstehe, dass meine sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen, um die Gewerkschafter auf die Straße zu bringen, einfach sagen mussten, es geht nicht um Machtpolitik, es geht nicht um Machterhaltung von ihrer Seite her, sondern es geht darum, dass unser Sozialsystem und unser Versicherungssystem in Frage gestellt wird.

Wenn man mit den Demonstranten gesprochen hat, dann haben sie genau das als Grund dafür angegeben, warum sie demonstrieren gehen: Wir stellen die Pflichtversicherung in Frage. – Davon ist überhaupt nie die Rede gewesen! Wo lesen Sie das bitte heraus? (Abg. Silhavy: In Ihrem Koalitionsübereinkommen steht das! Das haben Sie selber nicht gelesen!)

Dann behaupten Sie, es werde eine Verschlechterung bei den Kranken und in der Krankenversicherung geben. – Bitte, wo lesen Sie das heraus?

Dass Sie den Demonstranten diese Angstpropaganda, diese Angstmache mehr oder weniger hinhalten müssen, damit sie demonstrieren, das verstehe ich, aber wie Sie das hier im Haus, wo wir doch ein bisschen sachlich diskutieren sollten (Abg. Mag. Gaßner: Ja, das ist wahr! Das sollten Sie!), immer noch behaupten können, das ist für mich schleierhaft, das muss ich Ihnen wirklich sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für mich ist es auch bezeichnend, dass von Ihrer Fraktion überhaupt nur das Thema Hauptverband andiskutiert wurde. Dass es in dieser 58. ASVG-Novelle wirklich auch große Vorteile für die Patienten gibt, das hat niemand von Ihrer Fraktion überhaupt nur einer Erwähnung für wert befunden. Und dass die Gruppenpraxen in Wirklichkeit sehr bürgernahe sind und für die Patientinnen und für die Patienten neue Chancen bringen, das wollen Sie nicht, das interessiert Sie, glaube ich, auch nicht.

Es interessiert Sie nicht, dass zum Beispiel die Medizin damit näher zum Patienten kommt, dass sich Patienten in Zukunft etwas ersparen werden, denn wenn sie in eine Gruppenpraxis gehen, wo es mehrere Ärzte gibt, brauchen sie nur einen Krankenschein abzugeben, auch wenn es dort Fachärzte gibt. Es ist damit gesichert, dass es gerade in den ländlichen Bereichen, wo die ärztliche Versorgung nicht so gut ist, eine Besserstellung geben wird. Es ist damit auch gewährleistet, dass es längere Öffnungszeiten der Arztpraxen gibt – die werden von jetzt 20 Wochenstunden auf 35 Stunden ausgeweitet –, dass es Bereitschaftsdienste am Wochenende gibt, und es ist schließlich gewährleistet, dass es einen behindertengerechten Zugang geben wird.

Ich weiß nicht, ob sich alle Kollegen mit unserem Abänderungsantrag, der ja, weil er umfangreicher ist, verteilt worden ist, befasst haben, aber ich möchte hier doch darauf verweisen, dass diese Punkte auch in diesem Antrag stehen.

Ich möchte hier allerdings auch eine Druckfehlerberichtigung bringen, und zwar zu Z 10:


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76. Sitzung / Seite 83

"Im § 441b Abs. 1 in der Fassung der Z 86h wird" – hier wird "I" gestrichen – "im ersten Satz ..." – hier ist "die" zu streichen.

Aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass in diesem umfangreichen Abänderungsantrag wesentliche Punkte eingebracht sind. Zum Beispiel ist die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter, die an den jeweiligen Universitäten in Ausbildung sind, in diesem Antrag behandelt.

Weiters steht in diesem Abänderungsantrag – und mir tut es Leid, Frau Kollegin Haidlmayr, dass Sie diesen vielleicht noch nicht so studiert haben –, dass es wirklich auch um eine Sicherstellung, um einen Vertrag geht, dass es einen behindertengerechten Zugang für die neuen Vertrags-Gruppenpraxen gibt (Abg. Haidlmayr: Soll!), die eben wirklich auf behinderte Menschen und auf ältere Menschen Rücksicht nehmen sollen. (Abg. Haidlmayr: Ja, aber es steht nur "soll"!)

Und es geht in diesem Bereich natürlich auch – und das bildet ja den Schwerpunkt der heutigen Diskussion – um eine Neuorganisation des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Wichtig ist auch – und das möchte ich noch einmal wiederholen, denn das ist sicher ein Schwachpunkt, der auch in den Diskussionen angezogen wurde –, dass das Vetorecht im Grunde gleichgeblieben und entschärft worden ist. Es ist mir wichtig, das zu sagen.

Hinweisen möchte ich darauf, dass es eine Ausweitung im Verwaltungsrat von zwölf auf 14 Mitglieder geben wird. Der Verwaltungsrat wird damit endlich einen repräsentativen Querschnitt möglichst aller Dienstnehmer- und Dienstgebergruppen aufweisen, denn Kollege Tancsits hat ja schon gezeigt, wie unsolidarisch das im Bereich der unselbständig Erwerbstätigen ist.

Ich möchte aber doch darauf verweisen – weil es immer wieder so durchkommt: um Gottes willen, der Hauptverband und speziell der Vorsitzende, Präsident Sallmutter, hat doch alles getan, was man nur tun kann –: Wo ist zum Beispiel das einheitliche EDV-System aller Träger? – Ich meine, das ist etwas, was heute zeitgemäß ist. Jeder arbeitet mit neuen Systemen. Oder: Hat es Sie nie gestört, dass heute Tausende oder Zehntausende Krankenscheine noch händisch behandelt werden müssen? – Ich meine: Wo bleibt da der moderne Ansatz?

Auch reden wir hier schon jahrelang zum Beispiel von der Einführung der Chipkarte, aber in der Umsetzung ist überhaupt nichts passiert. Dass da Kritik schon angebracht ist, das müssen Sie auch verstehen. Dass man deswegen auch dem Hauptverband und dem Präsidenten im Grunde wirklich mangelndes Verantwortungsgefühl und null Bereitschaft zur Zusammenarbeit vorwerfen muss, das müssen Sie auch verstehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es hat auch von zwei Vorrednern Ihrer Fraktion das Beispiel eines mittleren Angestellten mit zwei Kindern gegeben, der ein Bruttoeinkommen von 25 000 S hat. Der zahlt nur 850 S für die Krankenkassa pro Monat. Jetzt stelle ich die Vorschläge des Hauptverbandes gegenüber: Erhöhung 0,3 Prozent, Erhöhung 0,5 Prozent bis 1 Prozent Erhöhung. Wenn wir jetzt den Durchschnittswert von 0,5 Prozent nehmen, wären das 1 500 S mehr im Jahr. Das würde Sie überhaupt nicht stören. Also wenn die Vorschläge nur Erhöhungsvorschläge sind, also noch mehr Geld für gleiche Leistung, dann kann das nicht unsere Zustimmung finden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte nun noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein, Donabauer und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 728 der Beilagen über die Regierungsvorlage 626 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum BSVG)


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76. Sitzung / Seite 84

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Nach der Z 1 wird folgende Z 1a eingefügt:

"1a. Im § 20 Abs. 2 Z 1 entfällt der Ausdruck ‚und die erforderlichen Steuerbescheide und sonstigen Einkommensnachweise dem Versicherungsträger unverzüglich zur Einsicht vorzulegen‘."

2. Z 6 (alt) wird durch folgende Z 6 (neu) und 6a ersetzt:

"6. § 23 Abs. 4b lautet:

‚(4b) Werden Einkünfte auf Grund von Tätigkeiten gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz, für die die Beitragsgrundlage nach Abs. 1 Z 3 zu bilden ist, erzielt, so ist die Beitragsgrundlage auf Basis von 30 Prozent der sich aus den Aufzeichnungen nach § 20a ergebenden Einnahmen (inklusive Umsatzsteuer) aus diesen Tätigkeiten zu ermitteln. Jeweils ein Zwölftel hievon gilt als monatliche Beitragsgrundlage; werden hingegen Tätigkeiten gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz unterjährig begonnen und eingestellt, so sind die maßgeblichen Einnahmen auf die Monate der tatsächlichen Ausübung umzulegen.‘

6a. Im § 23 Abs. 12 entfällt der Ausdruck ‚4 und‘."

3. Im § 280 Abs. 1 Z 4 in der Fassung der Z 62 wird der Ausdruck "4a und 12" durch den Ausdruck "und 4a" ersetzt.

4. Dem § 280 Abs. 1 in der Fassung der Z 62 wird der Punkt am Ende der Z 7 durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 8 angefügt:

"8. rückwirkend mit 1. Jänner 1999 die §§ 20 Abs. 2 Z 2, 23 Abs. 4b und 12 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2001."

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ich mache nur darauf aufmerksam, bei der Z 1 habe ich gehört, dass Sie gesagt hätten: 1a. Im § 20 Abs. 2 Z 1 , in der mir vorliegenden Vorlage steht Abs. 2 Z 2 .

Ich möchte nur, dass Missverständnisse vermieden werden. Könnten Sie vielleicht diesen Passus noch klarstellen? – 1a. Im § 20 Abs. 2 Z 2, meines Wissens.


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76. Sitzung / Seite 85

Abgeordnete Edeltraud Gatterer
(fortsetzend): § 23 Abs. 4b? (Abg. Riepl: Stellen Sie es doch klar!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bitte klarstellen! Es geht darum: Sie haben vorgelesen, dass der Gesetzesantrag wie folgt geändert werden soll: "Nach der Z 1 wird folgende Z 1a eingefügt:". Und dann gibt es einen Unterschied zwischen dem, was ich gehört habe, und dem, was hier vorliegt. Ich möchte das nur klarstellen, dass wir dann nicht über etwas Falsches abstimmen.

Wenn Sie diesen Passus bitte noch einmal vorlesen. (Abg. Gatterer: Den letzten Absatz?)  – Nein, den ersten Satz. Im Punkt 1 den ersten Satz.

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (fortsetzend): "1a. Im § 20 Abs. 2 Z 2 entfällt der Ausdruck ,und die erforderlichen Steuerbescheide und sonstigen Einkommensnachweise ...‘."

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Danke. Jetzt ist klar, dass es sich um die Z 2 handelt. (Abg. Mag. Gaßner: Ah jetzt ist es klar! Ja, das kommt davon, wenn die Anträge so spät kommen!)

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (fortsetzend): Der Herr Präsident bürgt dafür, dass es richtig ist.

Begründung: Zu Z 1 bis 4 (§§ 20 Abs. 2 Z 2, und 23 Abs. 4b und 12 sowie 280 Abs. 1 Z 4 und 8 BSVG):

Im Zusammenhang mit dem politischen Vorhaben der Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung erfolgte durch die 23. Novelle zum BSVG mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1999 die Einbindung der "bäuerlichen Nebentätigkeiten" in das System der Pflichtversicherung nach dem BSVG. Dabei ist nach geltendem Recht die vorläufige Beitragsgrundlage bis zur endgültigen Feststellung auf Basis von 30 Prozent der seitens des Versicherten gemeldeten Einnahmen aus den in Rede stehenden Tätigkeiten als vorläufige Beitragsgrundlage in Ansatz zu bringen. Die Bildung der endgültigen Beitragsgrundlage erfolgt sodann auf Basis der Vorlage eines allfälligen Einkommensteuerbescheides. Da die maßgeblichen Einkommensteuerbescheide aber erst ungefähr bis zu zwei Jahre nach dem Veranlagungsjahr erstellt werden, stehen nunmehr ... (Abg. Dr. Khol: Die Begründung kannst du weglassen!)  – Brauche ich das nicht mehr zu lesen? Ich hoffe, Sie kennen sich aus.

Ich bitte um Zustimmung, weil das, so glaube ich, eine ganz wichtige Änderung zu Gunsten unserer bäuerlichen Bevölkerung ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

13.37

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zu Beginn möchte ich eine Warnung aussprechen: Nach mir spricht die Abgeordnete Burket, und sie wird schießen, meine Damen und Herren. Sie wird nämlich unseriöse Behauptungen in die Luft schießen, und ich warne Sie davor. (Abg. Dr. Ofner: Sie hat nicht einmal noch den Mund aufgemacht!) Sie macht es immer, aber das war ja nur das Stichwort, Herr Abgeordneter Ofner, für das Millionenverpulvern der Bundesregierung. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zwei Beispiele zu Beginn: 200 Millionen Schilling für Inserate, für Werbekampagnen, für Werbespots zum Verschleiern der Verschlechterungen, 250 Millionen Schilling für den Austausch nicht genehmer Manager in der ÖIAG. (Anhaltende Zwischenrufe. Abg. Dr. Ofner: Für solche Bemerkungen gehört Ihnen doch das Wort entzogen!) Ich habe "schießen" nur als Synonym gebraucht für meinen Übergang. Nehmen Sie es nicht so ernst!

Warum nenne ich diese Beispiele? – Das ist nämlich fast eine halbe Milliarde Schilling, meine Damen und Herren, die, wie Sie genau wissen, im Gesundheitsbereich ungleich besser und passender zu investieren gewesen wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass es noch einige Beispiele gibt, die die Milliardengrenze überschreiten würden, Geld, mit dem vielen Kranken, Erwachsenen und Kindern geholfen hätte werden können. Daher liegt die Vermutung nahe – das wurde heute schon oft gesagt –, dass Sie das Gesundheitswesen nicht reformieren wollen.

Sie wollten ja seinerzeit nicht einmal auf die Expertinnen und Experten in den vier Arbeitskreisen zur Hebung der sozialen Treffsicherheit hören, meine Damen und Herren. Die haben Ihnen ja schon Milliarden aus diesem Bereich lukriert. Aber es war nicht genug. Mehr hätte es sein sollen, und mehr ist es auch geworden. Fast 8 Milliarden Schilling pro Jahr nehmen Sie nämlich der Bevölkerung weg, und das ist bitte das Dreifache der ohnehin schon unsozialen Empfehlungen Ihrer Berater.

Sie haben immer alle Gegenvorschläge ignoriert, Sie haben immer alle Gegenvorschläge und Anträge niedergestimmt, und Sie haben Diskussionsbeiträge manches Mal in wirklich billiger Art


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76. Sitzung / Seite 86

und Weise lächerlich gemacht. Aber nur mit Lächerlichmachen, meine Damen und Herren – und darin sind Sie Meister, Kollege Böhacker (Abg. Böhacker: Bitte wie?)  –, wird Ihnen die politische Luft schön langsam ausgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und ich sage Ihnen etwas: Auch heute in der Debatte haben Sie wirklich nach Luft geschnappt. Sie haben nach Argumenten gerungen. (Abg. Böhacker: Ich habe überhaupt nichts gesagt! Ich habe gar nicht gesprochen! – Abg. Dr. Khol: Er hat gar nicht geredet!) Sie haben sich künstlich aufgeregt, so wie gerade jetzt. So haben Sie heute debattiert.

Ich frage: Warum haben Sie das gemacht? – Ich kann Ihnen die Antwort geben: Die Reform, die Sie vorgelegt haben und die Sie heute aller Voraussicht nach beschließen werden, hat mit einer positiven und fortschrittlichen Reform genauso wenig zu tun wie Ihre Sozialpolitik mit sozialer Gerechtigkeit und sozialer Ausgewogenheit. Das wissen Sie genau. (Beifall bei der SPÖ.)

Bitte, wo sind die inhaltlichen Vorschläge zur Reformierung des Gesundheitswesens? – Nicht einmal 17 Stunden Sozialausschuss mit wirklich punktgenauer Durcharbeitung der 58. ASVG-Novelle haben Verbesserungsvorschläge mit sich gebracht. Es standen nämlich keine drin.

Ich sage Ihnen noch etwas: Manche von Ihnen haben die Materie so ernst genommen, dass sie eingeschlafen sind, anstatt Argumente zu liefern und mit uns zu diskutieren. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Vielleicht ist er heute schon ausgeschlafen, der Kollege Tancsits; er weiß, was gemeint ist.

Vielleicht noch eine zweite Geschichte aus dem Sozialausschuss (Abg. Böhacker: Da schau her!): Wir haben dem Herrn Bundesminister 100 Fragen gestellt (Abg. Jung: Was kann man daraus schließen?), nämlich meine Fragen speziell zur Senkung der Heilmittelkosten. (Abg. Dr. Brinek: Das waren schon 99, und wir haben ...!) Ich sage jetzt 100, weil ich ein Rechenbeispiel vorbereitet habe, damit sich das besser ausgeht. Also seien Sie nicht so kleinlich! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein wichtiges Thema in Bezug auf die Heilmittelkosten, meine Damen und Herren: 3 Milliarden Schilling an Einsparungspotential wären nämlich drinnen. Ich habe präzisiert und den Herrn Bundesminister um Präzision gebeten, aber er hat diese 99 – runden wir auf 100 auf – Fragen in 20 Minuten beantwortet. Das sind 12 Sekunden für eine Frage, und es waren keine mit Ja oder Nein zu beantwortenden Fragen, sondern es waren wichtige Fragen zum Gesundheitssystem.

Daher ist es im Sinne einer konstruktiven Oppositionspolitik, wie wir sie wirklich betreiben (Abg. Jung: Ihre "konstruktive" Opposition ...!), da wir Gegenvorschläge vorbringen (Heiterkeit des Abg. Dr. Khol ), jetzt richtig und wichtig, dass ich folgenden Antrag einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Manfred Lackner, Gabriele Heinisch-Hosek und GenossInnen betreffend Dämpfung des Zuwachses bei den Heilmittelkosten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis September 2001 ein Sofortmaßnahmenprogramm zur Senkung der Medikamentenkosten um 3 Milliarden ATS vorzulegen.

Insbesondere müssen folgende Maßnahmen enthalten sein:

1. Senkung der Großhandelsspannen auf EU-Niveau (Kostenersparnis rund 170 Millionen ATS).

2. Senkung der Apothekenspannen auf EU-Niveau (Kostenersparnis rund 624 Millionen ATS).

3. Direkteinkauf der Hausapotheken beim Großhandel (bringt 150 Millionen ATS).


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76. Sitzung / Seite 87

4. Direktmedikamentenabgabe in Spitalsambulanzen an die Patienten (bringt 100 Millionen ATS).

5. Direkteinkauf der Sozialversicherung für chronisch kranke Menschen (zum Beispiel Diabetiker, Dialyse et cetera) (bringt rund 500 Millionen ATS).

6. Voller Ausgleich der Mehrwertsteuer auf Medikamente (bringt 1 Milliarde ATS).

7. Beschleunigung der Zulassung von Generika.

8. Substitutionsgebot für Apotheker bei wirkstoffidenten Produkten die kostengünstigsten abzugeben.

9. Im Heilmittelverzeichnis sind zusätzliche Hinweise auf günstigere Produkte, zum Beispiel durch die Hervorhebung preisgünstiger Generika, beziehungsweise der Verweis auf in der Regel preisgünstigere Indikationsgruppen aufzunehmen.

10. Die niedergelassenen Ärzte und die Spitalsärzte müssen mehr Verantwortung für wirtschaftliche Verschreibung und Beratung übernehmen.

11. Die Vertragspartner und die Sozialversicherung sollen im Sinne der Verwaltungsvereinfachung für Patienten verpflichtet werden, dass chefärztliche Bewilligungen per Fax oder E-mail eingeholt werden.

12. Verpflichtung der Krankenanstalten, sich an die Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise/Heilmittelverzeichnis zu halten.

13. Maßnahmen auf EU-Ebene:

Adaptierung der Heilmittel-Transparenzrichtlinie auf Grund der Amsterdamer Verträge (gesundheits- und sozialpolitische Ziele),

Nachfolgeprodukt zu Eudramat, um die Preistransparenz im EU-Binnenmarkt bei Heilmitteln zu gewährleisten,

Verkürzung des Patentschutzes von Originärprodukten zur Förderung von Generika.

14. Auflage eines verständlichen Gebrauchsinformations-Kompendiums in Apotheken."

*****

Meine Damen und Herren! Wir haben die Alternativen: sozial gerecht sparen ohne Sozialabbau! Nehmen Sie bitte unser Angebot an! (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der eben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und daher auch mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Burket. – Bitte. (Abg. Jung  – in Richtung der Abg. Heinisch-Hosek –: Weniger wäre mehr gewesen! – Abg. Böhacker: Eine lückenlose Aufzählung der Versäumnisse in 30 Jahren Sozialismus!)

13.44

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich schieße natürlich nicht; auch das ist eine der unwahren Behauptungen der Kollegin. Aber trotzdem bin ich ein bisschen traurig, muss ich sagen, weil mir jetzt Herr Cap abhanden gekommen ist.


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76. Sitzung / Seite 88

Ich wollte ihm heute gern einmal vorführen – weil es thematisch absolut passt, wollte ich es ihm heute so gern demonstrieren (Abg. Böhacker: Er ist in der Cafeteria!)  –, wie das ist. Da das Thema Sozialversicherungen und die Besorgnis unserer sozialdemokratischen Freunde so vordergründig durchschaubar sind, wollte ich ihm zeigen, wie es ist, was er uns hier gestern an Show geliefert hat. Ich wollte ihn auch auffordern, er soll doch herunterkommen und hier sagen, dass es den sozialdemokratischen Freunden schließlich nur um den Machterhalt und um sonst gar nichts geht. Es macht ja nichts – aber die Wahrheit soll er sagen! Doch jetzt ist er nicht da, daher muss ich meine Rede etwas anders gestalten und Ihnen Folgendes sagen. (Abg. Gradwohl: Wer selbst im Glashaus sitzt, Frau Kollegin, soll nicht mit Steinen werfen!)

Die Umorganisation des Hauptverbandes ist angesichts des Milliarden-Desasters ein Gebot der Stunde. Die Heilsthesen à la Gusenbauer von heute früh, dieses Land erlösen zu wollen, müssen leider warten, bis wir dieses Land saniert haben. Erst dann kann man es wieder in den Abgrund führen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es kommt uns darauf an, endlich eine Sanierung der Kassen einzuleiten, um mit dem aufgeblähten Bürokratiemonster Sozialversicherungen ein für alle Mal Schluss zu machen. Erste Lenkungsmaßnahmen haben bereits 3,5 Milliarden Schilling an Ergebnis gebracht, meine Damen und Herren. (In Richtung SPÖ:) Das ist für Sie unvorstellbar, das weiß ich schon.

Ich weiß mich mit diesen Maßnahmen im besten Einvernehmen mit den Menschen unseres Landes, die schon einmal das "Vergnügen" hatten, wegen irgendwelcher Nichtigkeiten durch halb Wien oder Niederösterreich zum Chefarzt zu pilgern, um irgendwelche läppischen Bescheinigungen zu bekommen. Das ist ein Unfug, der abgestellt werden muss; auch das gehört in die Verwaltungsreform. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Struktur des Hauptverbandes wird zu einem Dienstleistungsunternehmen, wobei die Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen, aber nicht die Bürokratie.

Meine Damen und Herren! Warum der Hauptverband der Sozialversicherungsträger so dringend reformiert werden muss, sagt uns der Rechnungshofbericht vom 7. November 2000 ganz dezidiert. In der Verwaltung des Hauptverbandes ist nur sehr wenig Einsparungswille erkennbar. Stattdessen gibt es eine Erhöhung des Personalstandes, eine steigende Zahl an Vorrückungen, vermehrte Belohnungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine Zunahme der freiwilligen sozialen Zuwendungen an die Dienstnehmer.

Was es hingegen nicht gibt, ist die heute schon einige Male erwähnte – man kann es nicht oft genug sagen, weil es so läppisch ist und eine Selbstverständlichkeit wäre – EDV-Vernetzung zwischen den einzelnen Sozialversicherungsträgern. Allein eine intensivere Nutzung der EDV würde eine Verringerung des Verwaltungspersonalstandes um rund 200 Mitarbeiter ermöglichen. Dies allein brächte für den Hauptverband – und somit für den Steuerzahler – eine Ersparnis von zumindest 60 Millionen Schilling pro Jahr.

Aber damit kommen wir auch auf das Problem, warum es bei euch nicht funktioniert: Dann haben wir nämlich keine Pöstchen zu vergeben, und dann haben wir nichts für unsere Freunderlwirtschaft – das ist das Problem! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind gegen Steuerungsmaßnahmen in den einzelnen Gebietskrankenkassen, obwohl sich die finanzielle Situation seit 1998 dramatisch verschlechtert hat.

Worum geht es den Menschen draußen wirklich? – Es interessieren sie lediglich zwei Dinge; auch das wurde heute schon gesagt: Wie hoch sind die monatlichen Beiträge, die ich zu leisten habe? Welche Leistungen bekomme ich im Krankheits- oder im Bedarfsfall?

Alles andere ist den Leuten völlig egal – zum Beispiel, wer im Vorstand sitzt –, sie können zum Teil nicht einmal mit dem Begriff "Selbstverwaltungskörper" etwas anfangen. Das war gestern wirklich nur eine Show für Insider. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Viele wurden ja genötigt, gestern zu Ihren Demonstrationen zu gehen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Schwemlein. )


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76. Sitzung / Seite 89

Es ist daher keine Frage demokratischer Rechte, sondern ein Missbrauch der Mitglieder, sie für den eigenen Machterhalt aus ganz Österreich herbeizukarren, teilweise massiven Druck auszuüben und zum Teil durch Lügen und Verleumdungen die Menschen zu verunsichern und aufzuhetzen. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ich spreche von den gestrigen Demonstrationen, Herrschaften! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie haben Sie denn in Ihrem Selbstverwaltungskörper gewirtschaftet? – In jedem Betrieb fliegt ein Vorstand raus, der so mit Firmengeldern umgeht. Sie haben ein Milliarden-Desaster zu verantworten und zeigen null Einsicht!

Diese Novelle soll unser Sozialversicherungssystem wieder auf eine gesunde Basis stellen und die medizinische Versorgung der Menschen in diesem Land langfristig sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

13.49

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir diskutieren hier heute die 58. ASVG-Novelle, eine Novelle, die, glaube ich, erstmalig in der Geschichte der Zweiten Republik von einer außenstehenden Kanzlei entworfen wurde. So schaut sie auch aus. Meiner Meinung nach sollten die Wählerinnen und Wähler einen Beipackzettel für diese Regierung bekommen – aber diese haben den Beipackzettel ohnehin schon längst gelesen –, dass nämlich diese Regierung die Gesundheit gefährdet, und bei längerer Dosierung wird auch die Demokratie sehr stark gefährdet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein undemokratischer Diskussionsprozess im Ausschuss hat dazu geführt, dass von Seiten der Regierungsparteien, als die Argumente knapp wurden und die Nacht schon weiter vorgeschritten war, der Schluss der Debatte verlangt wurde. Diesen Schluss der Debatte gab es das letzte Mal, wie mir gesagt wurde, 1966 in Zeiten einer ÖVP-Alleinregierung. Man sieht also, wenn rechts-konservative Parteien in der Regierung sind, dann wird diese Demokratie gefährdet. Auch im parlamentarischen Prozess ist da kein Halt gegeben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Wenn man die Geschäftsordnung im Parlament genau einhält ...!)

Bis jetzt waren die Redebeiträge der Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien meiner Meinung nach eher die Abrechnung gekränkter Eitelkeiten mit einer Person, und zwar mit Hans Sallmutter – gekränkte Eitelkeiten, weil man ihn sozusagen als Fels in der Brandung gegenüber den Maßnahmen der Regierung abgeschossen haben will. Diese Abrechnung gekränkter Eitelkeiten wird unter dem Deckmantel verkauft, dass hier wieder ein Meilenstein einer Reform gegeben ist und dass eine schlanke und effiziente Struktur im Hauptverband eingeführt werden soll.

Jetzt möchte ich mir das einmal unter dem Aspekt anschauen, wie es für die Versicherten aussieht. Da ist es so, dass von 1 000 S an Beitragsleistungen 960 S an medizinischen Leistun-gen und an sonstigen Leistungen retour kommen. Daran werden Sie mit Ihrer neuen Struktur gemessen werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Oder heißt schlanke und effiziente Struktur für Sie, dass dort der finanzielle Zufluss verringert wird, dass Beitragszahler von den Krankenkassen zur PVA verschoben werden, dass die Krankenkassen ausgehungert werden und dann in ein schiefes Licht gebracht werden? – Meiner Meinung nach ist das eine wesentliche, sehr gesundheitsgefährdende Maßnahme, der man eine klare Absage erteilen muss! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren auf Seiten der Regierungsparteien! Die Menschen überlegen schon, sie überlegen und müssen sich einteilen, wie es mit Arztbesuchen ausschaut, wie es mit Ambulanzbesuchen ausschaut, wie es mit Rezepten für Medikamente, die sie brauchen, ausschaut. Das Vertrauen zum Gesundheitssystem wird so rapide schwinden, dass


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Sie dafür zur Verantwortung gezogen werden. (Abg. Haller: Täusch’ di’ net! – Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Vertrauen zum Gesundheitssystem – auch wenn Sie glauben, dass ich mich täusche, sehr geehrte Frau Abgeordnete (Abg. Dr. Khol: Das war ein guter Tiroler Spruch: "Täusch’ di’ net"!)  – wird durch die Maßnahmen dieser Regierung sicherlich nicht gestärkt, sondern – ganz im Gegenteil! – abgegraben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Das versuchen Sie immer zu behaupten, aber es stimmt nicht!)

Sie werden dafür die Verantwortung tragen und auch dafür, dass 50 000 besorgte Bürgerinnen und Bürger – denen Sie jetzt wahrscheinlich unterstellen, dass sie Randalierer oder so ähnlich sind (Zwischenruf des Abg. Neudeck )  – gestern schon aufgezeigt haben, wie wichtig ihnen das Gesundheitssystem in der jetzigen Form ist, aber nicht mit den Maßnahmen, die Sie hier einführen und die eigentlich eine Zerschlagung des Gesundheitssystems in der bewährten Art und Weise darstellen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: Kollegen, fragen Sie einmal die Versicherten ...!)

13.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte. (Abg. Dolinschek: Die wird Ihnen jetzt die Wahrheit sagen!)

13.54

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Durch diese sehr einseitige Debatte sind wichtige Punkte leider zu kurz gekommen. So ist es zum Beispiel nach zwölf Jahren erfolgloser Diskussion wegen einer ideologisch begründeten Blockadepolitik der SPÖ nun der Regierung von ÖVP und FPÖ gelungen (Abg. Sophie Bauer: ... haben Sie geschlafen, oder wie?), durchzusetzen, dass sich Ärzte endlich zu Gruppenpraxen zusammenschließen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es werden weiters Bestimmungen geschaffen, die zur Abrundung des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes notwendig und sinnvoll sind und von den betroffenen Gruppen auch vorgeschlagen wurden. (Abg. Dr. Heindl: Kennen Sie ...?) Diese demokratische Vorgangsweise sieht die SPÖ nicht; sie ist sogar dagegen. Sie ist dagegen, weil sie dem Gesamtpaket nicht zustimmt. Aber dadurch gefährden die Sozialisten das Sozialsystem, nicht jedoch die Regierungsparteien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit des Abg. Edlinger. )

Zurück zu den wichtigsten Bestimmungen: Alle Künstler haben, natürlich innerhalb der Einkommensgrenzen, in Zukunft Anspruch auf den Zuschuss zu den Beitragszahlungen – hören Sie mir wenigstens zu, wenn Sie schon nicht mitstimmen – in Höhe von 1 000 S pro Monat. (Abg. Nürnberger: Macht’s was G’scheites, dann stimmen wir mit!) Dafür sei ein Dank an Staatssekretär Morak und auch an unsere Kultursprecherin Andrea Wolfmayr ausgesprochen, die für die Vorbereitung dieses Sozialversicherungsfondsgesetzes die Basis gelegt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Endschliff liegt nun – leider ohne Stimmen der SPÖ – vor. Wir werden das mit den Stimmen der ÖVP und der FPÖ für die Künstler beschließen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das zeigt, dass wir von den Regierungsparteien uns – im Gegensatz zur SPÖ – auch um Details kümmern, dass wir mit Betroffenen reden und dass wir die notwendigen Reformen für Österreich mit Hirn, Herz und Hand in die Wege leiten. (Abg. Schwemlein: Na servas! – Abg. Böhacker: Was stört Sie daran, Schwemlein?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Problemlösungskompetenz dieser Regierung hat die Fundamental-Opposition in Wirklichkeit nichts entgegenzusetzen außer Polemik, Halbwahrheiten und Trauerarbeit für den Abschied von ihrer totalen Machtausübung im ORF und im Hauptverband der Sozialversicherung. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Wir werden uns aber von dieser außerparlamentarischen Oppositionspolitik auf der Straße nicht beeindrucken lassen. (Abg. Schwemlein: Lieber drüberfahren! – Abg. Sophie Bauer: Das haben wir eh erwartet!)


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Persönlich bin ich auch von der GÖD-Vizepräsidentin Christine Gubitzer enttäuscht. Schade, dass sie nicht weiß, dass in Zukunft die Arbeitnehmervertreter nach dem Ergebnis der Arbeiterkammerwahl unter Berücksichtigung der öffentlich Bediensteten bestellt werden! (Abg. Sophie Bauer: Die weiß eben, was Sie ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Ich freue mich darüber, dass im Abänderungsantrag zu den Entsendungsrechten in den Verwaltungsrat klargestellt wird, dass hier, wie im § 421 Abs. 1, diese Vorschlagsrechte den wahlwerbenden Gruppen zukommen (Abg. Edlinger: Aber ich glaube, das macht ja nichts! Die Frau Gubitzer ist der "fünfte Zwerg"!), die sich den Wahlen durch die jeweiligen Kammermitglieder gestellt haben, die auch die Wahlvorschläge eingebracht haben und die in der Öffentlichkeit die politische Verantwortung tragen. Die Vorschlagsrechte sind genau definiert. Sie sollen und werden auf der Grundlage der Wahlergebnisse auf Arbeitnehmerseite von der FSG, von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, vom ÖAAB und von den FA ausgeübt werden. Es ist auch klar, dass diese Vorschlagsrechte den politischen und gewerkschaftlichen Organisationen und nicht etwa der Fraktion gemäß § 72 Arbeiterkammergesetz zukommen.

Ich möchte zum Abschluss einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen – nicht Genossen! (Abg. Edlinger: Wir wollen uns eh nicht beleidigen lassen!)  – zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 730 der Beilagen über die Regierungsvorlage 627 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird – 28. Novelle zum B-KUVG – einbringen.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen, dass "Wissenschaftliche (Künstlerische) MitarbeiterInnen (in Ausbildung) nach § 6 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste" in die Kranken- und Unfallversicherung nach B-KUVG einbezogen werden.

Dieser Abänderungsantrag liegt vor, er wurde zur Verteilung gebracht. Ich bitte auch die Opposition um Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Da mir der Antrag noch nicht vorliegt, bitte ich die Beamten beziehungsweise die Parlamentarier, ihn vorzulegen, um ihn dann mit in Verhandlung nehmen zu können. – Ich höre, er soll vorliegen. Wir werden das klären. Ich werde dann darüber befinden.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Verzetnitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.59

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Burket hat in ihrem Redebeitrag die Feststellung getroffen, dass bei der gestrigen Demonstration Teilnehmer verpflichtet worden sind. (Abg. Böhacker: Quasi!)

Ich stelle richtig, dass niemand verpflichtet worden ist und dass nicht 20 000, sondern insgesamt 50 000 freiwillig dort waren. (Beifall bei der SPÖ.)

13.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Seid froh, dass wir nicht über die Ärzte reden!)

14.00

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mir schon vorstellen, dass die Mitglieder der Regierungsparteien von Frau Gubitzer enttäuscht sind, ich darf Ihnen aber sagen: Sie sind von Frau Gu


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bitzer enttäuscht, aber von Ihnen sind Tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern enttäuscht! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese arbeitnehmerInnenfeindliche Neuorganisation des Hauptverbandes ist nur der erste Schritt der Bundesregierung zur Umgestaltung des Gesundheitssystems. Herr Abgeordneter Mitterlehner hat es ja sehr deutlich gesagt: Heute geht es um die Strukturen, und dann geht es weiter. – Das bedeutet ganz einfach, dass Sie unser Gesundheitssystem, das international voll anerkannt ist, auf das die österreichische Bevölkerung stolz ist und auf das sich die österreichische Bevölkerung verlassen kann, demontieren möchten.

Was wollen Sie, wenn es darum geht? Was will die ÖVP? Was will die FPÖ? – Sie wollen, dass es in einigen Jahren keine Vollversorgung mehr für alle gibt, Sie wollen ein System der Zwei-Klassen-Medizin, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Khol: Nein, absolut nicht! – Abg. Nürnberger: Das entsteht aber!) Das heißt, Kranksein wird teurer werden! (Abg. Dr. Khol: Das ist eine Unglücksprophezeiung!)

Was meine ich damit? – Eine Pensionistin, die eine geringe Pension hat und Schwierigkeiten mit ihren Knien hat, wird es sich künftig wahrscheinlich nicht mehr leisten können, ein künstliches Kniegelenk zu bekommen, weil es zu teuer sein wird – dank Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen ein klares Nein zur Entsolidarisierung unserer Gesellschaft, und wir sagen ein klares Nein zur Abänderung und zur Vernichtung unseres Gesundheitssystems! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sind dabei, unser Gesundheitssystem krankzumachen. Und alle, die sich ganz entschieden dagegen verwahren – die Mitglieder der Selbstverwaltung, die Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenorganisationen –, sollen geschwächt werden.

Meine Damen und Herren! Die Sozialversicherung gehört den Versicherten, die Versicherten zahlen die Beiträge und nicht die Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Nicht die Gewerkschaft! – Rufe bei den Freiheitlichen: Nicht die SPÖ!)

Sie wollen die Sozialversicherung zur Leibeigenen des Bundesministers machen. Die Neustrukturierung des Hauptverbandes ist für mich auch eine klare Anlassgesetzgebung – das hat sogar Herr Bundeskanzler Schüssel anlässlich des Ministerrates am Dienstag klar zu erkennen gegeben.

Ich zitiere den Herrn Bundeskanzler: "Hauptgrund" für die "nachhaltige Strukturreform" sei, "dass die wichtigen Spitzenvertreter ... die Regierung ,nicht im Dialog für Österreich‘ unterstützen."

Aber wie sieht denn dieser "Dialog für Österreich" aus? Was kritisieren denn Sallmutter und die anderen Mitglieder der Selbstverwaltung, die Gewerkschaften und die Arbeiterkammern? Mit dem "Dialog für Österreich" sind massive Einschnitte zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umschrieben, unter anderem auch in der Sozialversicherung.

Einige Beispiele: Pensionssystem – ich erinnere Sie an die überfallsartige Anhebung der Frühpension, die Kürzung der Witwer- und Witwenpension und die äußerst stümperhaft durchgeführte Besteuerung der Unfallrenten. Ich kann Ihnen noch weitere Beispiele nennen: Gesundheitssystem – Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung und Einführung der Ambulanzgebühren. Und dazu hätten wir ja sagen sollen? – Das verstehe ich nicht unter einem "Dialog für Österreich", sondern das ist ein Dialog gegen Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ein Dialog gegen die Versicherten dieses Landes, das ist ein Dialog gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes.

Beschließen Sie das Gesetz in der vorliegenden Form, dann bedeutet das das Krankmachen unseres Gesundheitssystems, den Weg freimachen für die Versicherungspflicht. Und Sie setzen


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sich, meine Damen und Herren, über ein Wahlergebnis hinweg und akzeptieren auch nicht eine oberstgerichtliche Entscheidung. Sie werden sich dafür vor der österreichischen Bevölkerung verantworten müssen, und Sie müssen der österreichischen Bevölkerung erklären, warum Sie eine solch unsoziale, undemokratische und vor allem auch ungesunde Politik machen. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

14.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der von Frau Abgeordneter Steibl in den Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag ordnungsgemäß vorliegt, ausreichend unterstützt ist, gemäß § 53 Abs. 4 GOG bereits an die Abgeordneten verteilt wurde und damit auch mit in Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung steht.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 730 der Beilagen über die Regierungsvorlage 627 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (28. Novelle zum B-KUVG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Nach der Z 1a wird folgende Z 1b eingefügt:

"1b. Im § 1 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 18 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 19 wird eingefügt:

,19. Wissenschaftliche (Künstlerische) MitarbeiterInnen (in Ausbildung) nach § 6 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste, BGBl. Nr. 436/197.‘"

2. Nach der Z 3 werden folgende Z 3a und 3b eingefügt:

"3a. Im § 5 Abs. 1 Z 4 wird der Ausdruck ,und 16‘ durch den Ausdruck ,16 und 19‘ ersetzt.

3b. Im § 6 Abs. 1 Z 3 wird der Ausdruck ,und 16‘ durch den Ausdruck ,16 und 19‘ ersetzt."

3. Nach der Z 4 wird folgende Z 4a eingefügt:

"4a. Im § 13 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 6 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 7 wird angefügt:

,7. bei den in § 1 Abs. 1 Z 19 genannten Versicherten die Universität (Universität der Künste), der der (die) Versicherte angehört.‘"

4. Nach der Z 6 wird folgende Z 6a eingefügt:

"6a. Im § 19 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 5 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 6 wird angefügt:

,6. für die im § 1 Abs. 1 Z 19 genannten Versicherten der Ausbildungsbeitrag nach § 6f des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste einschließlich einer gesonderten Abgeltung für die Mitwirkung an der Durchführung der Aufgaben der Universität (Universität der Künste) im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit.‘"

5. Nach der Z 7 wird folgende Z 7a eingefügt:


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"7a. Im § 26 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 4 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 5 wird angefügt:

,5. für die im § 1 Abs. 1 Z 19 genannten Versicherten der Ausbildungsbeitrag nach § 6f des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste einschließlich einer gesonderten Abgeltung für die Mitwirkung an der Durchführung der Aufgaben der Universität (Universität der Künste) im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit.‘"

6. Nach der Z 10 wird folgende Z 10a eingefügt:

"10a. Im § 30a Einleitung wird der Ausdruck ,Z 17 und 18‘ durch den Ausdruck ,Z 17 bis 19‘ ersetzt."

7. Nach der Z 27 wird folgende Z 27a eingefügt:

"27a. Im § 84 Einleitung wird der Ausdruck ,Z 17 und 18‘ durch den Ausdruck ,Z 17 bis 19‘ ersetzt."

8. § 200 Abs. 1 in der Fassung der Z 37 lautet:

"(1) Es treten in Kraft:

1. mit 1. August 2001 die §§ 1 Abs. 1 Z 13 und 17, 2 Abs. 1 Z 6, 3 Z 3 und 4, 7 Abs. 2 Z 2, 13 Abs. 2, 19 Abs. 1 Z 5, 20b Abs. 2, 26a Abs. 2 Z 4 und Abs. 3, 27, 30a in der Fassung der Z 11, 51 Abs. 3, 56 Abs. 3 Z 2 und 3 sowie Abs. 10, 59 Abs. 4, 60 samt Überschrift, 63 Abs. 1 bis 3, 69 Abs. 3 und 4, 83 Abs. 1, 108 samt Überschrift, 128, 147a Abs. 1 Z 7 und 8, 153a, 187 Abs. 2a, 193 Abs. 1 Z 2 und 194 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2001;

2. mit 1. Oktober 2001 die §§ 1 Abs. 1 Z 18 und 19, 5 Abs. 1 Z 4, 6 Abs. 1 Z 3, 13 Abs. 1 Z 6 und 7, 19 Abs. 1 Z 5 und 6, 26 Abs. 1 Z 4 und 5, 30a in der Fassung der Z 10a und 84 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2001."

Begründung

Zu den Z 1 bis 7 (§§ 1 Abs. 1 Z 19, 5 Abs. 1 Z 4, 6 Abs. 1 Z 3, 13 Abs. 1 Z 7, 19 Abs. 1 Z 6, 26 Abs. 1 Z 5, 30a und 84 B-KUVG):

Nach der Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten – wird ab 1. Oktober 2001 eine erstmalige Tätigkeit von Absolventen der Magister- oder Diplomstudien an der Universität (Universität der Künste) im Rahmen eines speziellen Rechtsverhältnisses als Wissenschaftlicher (Künstlerischer) Mitarbeiter erfolgen.

Durch die Bestellung zum Wissenschaftlichen (Künstlerischen) Mitarbeiter wird kein Dienstverhältnis, sondern ein Ausbildungsverhältnis begründet.

Nach dem neuen Dienstrechtsmodell für Universitäten (Universitäten der Künste) sind Neubesetzungen künftig ausschließlich im Rahmen privatrechtlicher Dienstverhältnisse oder Ausbildungsverhältnisse möglich. Professoren und Assistenten fallen daher als "Vertragsbedienstete neu" bezüglich der Kranken- und Unfallversicherung in den Geltungsbereich des B-KUVG. Wissenschaftliche (Künstlerische) MitarbeiterInnen, die künftig an die Stelle der UniversitätsassistentInnen in einem zeitlich begrenzten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis treten, werden in systemkonformer Weise in den Geltungsbereich des B-KUVG einbezogen; die Pensionsversicherung richtet sich – wie bei den Vertragsbediensteten – nach dem ASVG. Dies ist bereits in § 6 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten – normiert.


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Durch den vorliegenden Abänderungsantrag soll die Kranken- und Unfallversicherung nach dem B-KUVG näher ausgestaltet werden.

Hervorzuheben ist, dass die Meldung zur Pflichtversicherung ebenso wie die Beitragsabfuhr von der jeweiligen Universität (Universität der Künste) vorzunehmen ist; Beitragsgrundlage ist der Ausbildungsbeitrag sowie eine allfällige Vergütung für Tätigkeiten an der Universität (Universität der Künste) im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit. Der Beitragssatz beträgt in der Krankenversicherung 7,5 Prozent, in der Unfallversicherung (laut Satzungsbestimmung) 0,47 Prozent der Beitragsgrundlage.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

14.06

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Csörgits, Ihre Rede war symptomatisch für das Verhalten der Opposition, sie war symptomatisch für die Politik der SPÖ: Sie sind reaktionär, Sie bestehen auf einem ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Schender! Ich bitte Sie, einen anderen Ton anzuschlagen! Das ist unmöglich, das geht nicht!

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (fortsetzend): Herr Präsident! Ich nehme den Ausdruck "reaktionär" zurück (Ruf bei der SPÖ: Entschuldigen Sie sich!) und setze fort: Die Sozialdemokratische Partei lässt leider – leider! – jeglichen Reformwillen vermissen. Es ist Tatsache, dass die SPÖ in den alten Strukturen verharren möchte. Es ist Tatsache, dass die SPÖ Realitätsverweigerung betreibt, indem sie ignoriert, dass Defizite bestehen (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), indem sie ignoriert, dass akuter Handlungsbedarf besteht.

Es stellt sich jetzt natürlich die Frage, warum die SPÖ diese Politik betreibt. Ich sage, sie betreibt sie deshalb, weil ihr die Argumente in der Sache fehlen, weil es ihr auch gar nicht darum geht, in der Sache Verbesserungen zu schaffen. Es geht den Sozialdemokraten vielmehr ganz einfach darum, Personen abzusichern, Funktionäre abzusichern, um den roten Einfluss und ihre Privilegien abzusichern, die sie in Jahrzehnten sozialistischer Herrschaft aufgebaut haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)  – Und da lassen sie eben jegliche Kompromissbereitschaft vermissen.

Frau Kollegin Lapp ortete ein Demokratiedefizit bei einer rechtskonservativen Regierung, weil ein Antrag auf Schluss der Debatte gestellt wurde. – Frau Kollegin Lapp, wenn in einem Ausschuss 17 Stunden lang über eine Reform diskutiert wird (Abg. Dietachmayr: Das waren keine 17 Stunden! – Abg. Neudeck: Bis 3 Uhr in der Früh!) und nach 17 Stunden geschäftsordnungskonform ein Antrag auf Schluss der Debatte gestellt wird, über den nach den Regeln der Geschäftsordnung, die Sie gegen die Stimmen der Freiheitlichen Partei beschlossen haben, abgestimmt wird, sprechen Sie von einem Demokratiedefizit? Das hätten Sie, Herr Kollege Edlinger, sich vielleicht überlegen sollen (Zwischenruf des Abg. Edlinger ), als Sie die Geschäftsordnung beschlossen haben. Sie hätten diese Ihre Bedenken Ihrem damaligen Klubobmann Kostelka mitteilen sollen – wir sind die falschen Adressaten!

Meine Damen und Herren! Sie wollen aus Sallmutter einen Märtyrer machen. Herr Gusenbauer hat heute seine Solidarität mit Sallmutter bekundet, der Klub hat artig applaudiert und ist dem in fast euphorischer Stimmung beigetreten. – Meine Damen und Herren Abgeordnete und meine sehr verehrten Damen und Herren Zuseher! Ich versichere Ihnen: Diese Bundesregierung ist solidarisch mit den Versicherten, mit den vielen, vielen Menschen, die ein Anrecht darauf haben, dass die Sozialversicherung effizient und sparsam organisiert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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76. Sitzung / Seite 96

Ich muss auch noch meine Kritik am ÖGB anbringen: Der ÖGB hat schon längst die Vertretung der Arbeitnehmerschaft vergessen, diese ureigenste Aufgabe einer Gewerkschaft hinter sich gelassen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Zumindest die führenden Funktionäre, die hier in diesem Hohen Haus sitzen, haben diese Aufgabe vergessen. Sie sind nur noch ein Werkzeug der SPÖ. Der ÖGB ist ein Anhängsel der Sozialisten. Und das ist auch kennzeichnend für die Methoden, die hier angewendet werden.

Wenn Sie an Funktionäre des ÖGB die Nummer der Klappen von Abgeordneten der Regierungsparteien verteilen, damit Telefonterror betrieben werden kann, wenn sich Mitarbeiter der Klubs nicht mehr Ihrer Funktionäre erwehren können (Zwischenruf des Abg. Edler ) und damit verhindert wird, dass Menschen, die sich wirklich Sorgen machen, Menschen, die Fragen haben, die sich erkundigen möchten und auch ernsthaft mit uns in Kontakt treten möchten, anrufen, weil die Leitungen durch Ihre Funktionäre blockiert sind, wenn Sie Abgeordnete im privatesten Umfeld, im Familienbereich diskreditieren, wenn Sie Beobachtertrupps auf Abgeordnete der Regierungsparteien ansetzen, die die Abgeordneten bei allen öffentlichen Auftritten verfolgen sollen, dann, meine Damen und Herren, betreibt der ÖGB hier Politmobbing für die SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie betreiben Politmobbing für die SPÖ! Ihre Mitglieder, die Arbeitnehmer sind Ihnen schon längst egal. Aber seien Sie versichert, wir als Freiheitliche Partei und diese Koalition werden uns dieser Interessen annehmen und Sorge dafür tragen, dass die Entwicklung Österreichs zum Besseren verläuft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

14.12

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vorerst zwei, drei Bemerkungen zu meinem Vorredner, Herrn Abgeordnetem Schender von der Freiheitlichen Partei.

Ich denke, es wäre gut gewesen, Herr Abgeordneter, wenn Sie den Ausdruck "reaktionär" gegenüber einem Mitglied meiner Fraktion nicht nur zurückgenommen, sondern sich auch bei der betroffenen Kollegin entschuldigt hätten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Seien Sie nicht so mimosenhaft! – Abg. Mag. Schender: Seien Sie nicht so empfindlich!) Das würde wirklich dem Mindestanstand in diesem Hohen Haus entsprechen. Ich stelle fest: Den haben Sie nicht! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Die Mimose passt gerade Ihnen nicht! – Abg. Neudeck: Da reden Sie mit dem Gusenbauer über seine Zwischenrufe! – Abg. Mag. Schender: Fragen Sie Ihren Klubobmann, was er gesagt hat!)

Herr Abgeordneter Schender! Die ureigenste Aufgabe des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ist es, Verschlechterungen für Arbeitnehmer zu verhindern. Dass die gestrige Demonstration von allen Gruppen innerhalb des Österreichischen Gewerkschaftsbundes getragen wurde, ist Ihnen bekannt. Auch Ihr Vertreter, der Vertreter der freiheitlichen Arbeitnehmer im ÖGB, hat dieser Demonstration und den Maßnahmen ausdrücklich zugestimmt. Das sollten Sie wissen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Nürnberger: Das ist auch ein "Zwerg"!)

Es gibt, sehr verehrte Damen und Herren, einen Brief eines besorgten Christlichen Gewerkschafters, in dem es heißt: Seitdem die von Ihnen und Ihren Parteikollegen gebildete Regierung an der Macht ist, verstehen Sie es meisterhaft, durch Aussagen, die Sie ohne nachzudenken zuerst einmal tätigen und dann widerrufen, durch Gesetze, die Sie mit Ihrer Parlamentsmehrheit beschließen und dann wieder hinbiegen müssen, damit sie überhaupt Geltung erlangen, die verschiedensten Bevölkerungsgruppen in Österreich total zu verunsichern.

Weiters heißt es: Sollten Sie bei der Abstimmung – damit ist die Abstimmung über dieses Gesetz gemeint – diesem Bruch mit dem Demokratieverständnis zustimmen, dann werden Sie in meinen Augen zu Verrätern an der Demokratie Österreich. Sie werden für mich künftig unwählbar. – Zitatende.


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76. Sitzung / Seite 97

Herr Abgeordneter Tancsits! Ihre Betriebsräte, Ihre Mitglieder laufen Ihnen davon – und was machen Sie? – Sie lächeln, Sie lachen dazu, das möchte ich festhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich wird nicht "neu regiert", Österreich wird schlecht regiert, sagte gestern am Rednerpult der Demonstration eine prominente Christliche Gewerkschafterin. – Was machen Sie, Herr Abgeordneter? – Sie ducken sich und Sie lachen dazu! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Kanzler muss sich von den freiheitlichen Pressionen lösen, sagt Wirtschaftskammerpräsident Leitl. – Ich denke, auch das soll nicht unerwähnt bleiben.

In "NEWS" kann man lesen: Eine Zertrümmerung der Sozialpartnerschaft erfüllt mich mit sehr großer Sorge. – Das sagt der Herr Bundespräsident. – Herr Tancsits lacht wieder dazu! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Wer diese Regierung kritisiert, der wird abserviert, sagen viele Menschen in diesem Land, und es werden immer mehr.

Mit dem heutigen Beschluss dieses Gesetzes gefährden Sie von den Regierungsparteien den sozialen Frieden, der auf Interessenausgleich aufbaut. Diffamierung von Gewerkschaftsfunktionären und Gewerkschaften durch freiheitliche Abgeordnete, wie wir es gerade jetzt und heute zu Beginn der Debatte durch Herrn Abgeordneten Gaugg erlebt haben, kommt und ist ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Der Ausdruck "Diffamierung" gehört nicht in das Sprachrepertoire dieses Hauses. Ich bitte daher, davon Abstand zu nehmen!

Abgeordneter Franz Riepl (fortsetzend): Ich danke für den Hinweis. Ich werde diesen Ausdruck nicht mehr verwenden, Herr Präsident. (Abg. Mag. Schender: Entschuldigen Sie sich doch!)

Wichtig ist mir, festzuhalten, dass bei dieser Argumentation gegen Gewerkschaften und gegen Gewerkschaftsfunktionäre die ÖVP lautstark mitapplaudiert hat. Und dann kommt Herr Abgeordneter Mitterlehner und sagt: Die Sozialpartnerschaft ist wichtig.

Ich denke, in einem sind wir uns einig, Herr Abgeordneter Mitterlehner: Die Sozialpartnerschaft benötigt gegenseitige Kompromissbereitschaft (Abg. Kopf: Und die fehlt bei Ihnen!) und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Aber sie benötigt und erfordert auch Beistand und nicht Applaus von Vertretern der Wirtschaft, wenn Gewerkschaften und Gewerkschafter hier am Rednerpult von den Freiheitlichen heruntergemacht werden, angegriffen werden und auch von Funktionen fern gehalten werden sollen. Das ist heute hier geschehen und wird auch mit dem Beschluss dieses Gesetzes geschehen.

Ich denke, darüber sollten wir schon die Arbeitnehmer in den Betrieben informieren und darüber sollten wir berichten. – Das zu Ihrer Bemerkung, Herr Abgeordneter Mitterlehner, dass man die Diskussion nicht in die Betriebe hineintragen soll.

Herrn Abgeordnetem Khol nach ist das alles aber sehr einfach: Die Regierungspolitiker sind anscheinend die Riesen, die alles, was im Weg steht, wegräumen, und die Versicherten und ihre Vertreter sind die Zwerge, die froh sein sollen, dass sie noch leben und kuschen dürfen. Sehr verehrte Damen und Herren! Das ist anscheinend das christlich-soziale Weltbild des Herrn Khol.

Aber was ist, wenn der Riese gar kein Riese ist? Was ist, wenn er durch seine Ansichten und Handlungen selbst zum Zwerg wird? – Ich denke, einige in der Volkspartei sind bereits auf diesem Weg.

Wir Sozialdemokraten sagen nein zu einer Gesundheitspolitik, bei der die Stärke der Brieftasche ausschlaggebend ist, um Leistungen zu erhalten!

Wir sagen nein zu einer Gesundheitspolitik, bei der Gesundheitsleistungen privatisiert werden, damit einige verdienen und Zwerge zahlen sollen!


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Wir sagen nein zu diesem Gesetz, das die Jagd auf und den Ausschluss von Gewerkschaftsvorsitzenden, Gewerkschaftsfunktionären legalisiert!

Wir sagen nein zu diesem Gesetz, das mehr Verwaltung und Bürokratie bringt. Wir sagen nein zu diesem Gesetz, das nicht mehr den Versicherten, sondern der 27-Prozent-Partei ÖVP über 50 Prozent Einfluss garantiert!

Die sozialdemokratische Fraktion in diesem Haus stimmt diesem Gesetzentwurf nicht zu. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Da sind aber wir "sehr" überrascht!)

14.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zuerst folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen betreffend den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (729 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (729 der Beilagen), wird wie folgt geändert:

1. Die Promulgationsklausel lautet:

"Das Landarbeitsgesetz 1984, BGBl. Nr. 287, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr. XXXX/2001, wird wie folgt geändert:"

2. Die Z 2 lautet:

"2. (Unmittelbar anwendbares Bundesrecht) Dem § 239 wird folgender Abs. 15 angefügt:

"(15) Die Ausführungsgesetze der Länder zu § 5 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2001 sind binnen sechs Monaten nach dem der Kundmachung folgenden Tag zu erlassen.""

*****

Herr Präsident! Ich bitte, diesen Antrag in die Verhandlungen mit aufzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ich der letzte Redner meiner Fraktion bin, darf ich die Diskussion aus unserer Sicht kurz zusammenfassen. Ich war gestern auf dem Ballhausplatz, das wird vielleicht viele überraschen. (Abg. Verzetnitsch: Freiwillig oder verpflichtet?) – Sie kommen schon noch dran, Herr Präsident! – Ein Redner hat dort gemeint (Abg. Verzetnitsch: Freiwillig oder verpflichtet!): 1947 sind wir darangegangen, die Organisation der Sozialversicherungen aufzubauen. Warum sollten wir jetzt etwas ändern?, hat der Redner in schönem Wienerisch gesagt. (Abg. Verzetnitsch: Da waren Sie mit dabei!) Es hat immer alles gepasst, hat er gemeint. – Genau derselbe Tenor beherrscht heute die Diskussion der Opposition.

Jeder, der es wagt, Änderungen dieser Organisation vorzuschlagen, handelt aus der Sicht der Opposition undemokratisch, zerstört das Sozialsystem, ja selbst vom Vorwurf des Verfassungsbruches scheut man nicht zurück.


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Ich darf Ihnen aber Folgendes dazu sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition: Gar nichts hat gepasst. Und das wissen Sie! Der Bundesminister hat uns heute hier deutlich vor Augen geführt, welche lange Liste von Versäumnissen da aufgetreten ist und was alles nicht passiert ist. (Zwischenruf des Abg. Grabner. ) Jahrelange Reformverweigerung prägte das Tun der Verantwortlichen im Hauptverband, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie werfen der Regierung vor, der vorliegende Entwurf sei undemokratisch. (Abg. Verzetnitsch: So ist es!) Der Vorwurf wurde heute hier wiederholt widerlegt. Ich frage Sie aber: Wo war Ihr Ruf nach Demokratie, solange alle Arbeitnehmervertreter von den sozialistischen Gewerkschaftern gestellt wurden? (Abg. Mag. Prammer: Das kann man beantworten!) Wo war Ihr Ruf nach Demokratie, solange Sie ganze Gruppen von Arbeitnehmern aus der Vertretung ausgeschlossen haben? (Beifall bei der ÖVP.)

Sie, Herr Präsident, haben schon lange nicht mehr den Alleinvertretungsanspruch aller Arbeitnehmer dieses Landes. (Abg. Verzetnitsch: Nach Ihrem Wahlsystem!) Wir nehmen die Arbeitnehmer dieses Landes vor den sozialistischen Gewerkschaftsfunktionären in Schutz. (Beifall bei der ÖVP.)

Ihnen geht es hiebei nicht um Demokratie, Ihnen geht es um den Machterhalt – und sonst gar nichts, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Verzetnitsch: Geh!)

Dafür sind Sie auch bereit, Angst und Schrecken unter der Bevölkerung zu verbreiten – wider besseres Wissen. Sie tun dies auch heute hier vom Rednerpult aus, Sie taten es gestern bei Ihren Demonstraionen und in den letzten Tagen in der Presse bei jeder öffentlichen Meldung. Sie meinen, es drohe die Zwei-Klassen-Medizin, die Pflichtversicherung werde abgeschafft, und es drohen neue Belastungen für die Versicherten. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. ) Das versuchen Sie täglich den Leuten vorzugaukeln, und damit machen Sie den Leuten Angst. Das lehnen wir ab! (Beifall bei der ÖVP.)

Wahr ist vielmehr, dass Ihr Rezept für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Sozialsystems immer Belastungen und Beitragserhöhungen waren. Immer wieder wurde von Herrn Sallmutter gefordert (Abg. Verzetnitsch: Stehen Sie zu dem Sozialpartnerpapier?): Wir müssen die Beiträge erhöhen – so quasi nach der Sprungbockmethode: einmal 0,1 Prozent, dann 1 Prozent, dann 0,3 Prozent. 1 Prozent Erhöhung der Beiträge bedeuten 15 Milliarden Schilling an Belastungen für die Bevölkerung. – Ohne uns, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir treten ein: für mehr Professionalität, für klare Kompetenzen, für mehr Selbstverwaltung, aber auch für mehr Fairness und mehr Transparenz! (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. ) In Zukunft werden professionelle Manager den Hauptverband führen und keine pragmatisierten Politpensionäre. (Beifall bei der ÖVP.)

In Zukunft werden der Präsident und der Stellvertreter vom Verwaltungsrat gewählt, Herr Präsident Verzetnitsch, und nicht wie in der Vergangenheit vom Minister ernannt. Das stärkt die Selbstverwaltung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Verzetnitsch: Einspruch!)

In Zukunft werden Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gleich stark im Verwaltungsrat sein, weil sie auch zu gleichen Teilen an der Beitragsleistung mitwirken, Herr Präsident! (Abg. Verzetnitsch: Das stimmt doch gar nicht!) Das stimmt nicht, Sie haben Recht: Der Arbeitgeberbeitrag ist um rund 50 Milliarden Schilling höher als der Arbeitnehmerbeitrag. Auch da haben Sie Recht! (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist Sozialpartnerschaft, wie wir sie verstehen, Herr Präsident! Sie haben das System der Sozialpartnerschaft ad absurdum geführt. Sie sollten sich aber vor Augen halten, dass Partnerschaft Gleichberechtigung bedeutet, und Gleichberechtigung bedeutet Parität, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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So gesehen ist der heutige Gesetzesbeschluss ein weiterer Meilenstein auf der Erfolgsleiter Österreichs zum neuen Regieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Bravo!)

Meine Damen und Herren! Sie haben sich heute durch Ihren Antrag, durch Ihre Ankündigung, Sie wollen das dem Volk vorlegen, selbst in die Luft geschossen. Daher ist das Zeichen "SOS" wirklich angebracht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt, steht in sachlichem Zusammenhang und daher mit in Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornegger. – Bitte.

14.26

Abgeordneter Franz Hornegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Euch von der Opposition (Abg. Mag. Prammer: Ihnen!), Ihnen, Frau Prammer, euch geht es um die Sessel (Rufe bei der SPÖ: Ihnen!) im Hauptverband und nicht um die Versicherten. Wir dagegen reformieren. Wir mit unserem Minister Herbert Haupt reformieren im Sinne der Beitragszahler, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Super!)

Ein Beispiel dazu: Auch im Bauern-Sozialversicherungsgesetz wurden notwendige Anpassungen und Rechtsbereinigungen vorgenommen. Mit dieser Regierungsvorlage geben wir den neuen Funktionären die Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung ihrer Arbeit für die Versicherten.

Bundesminister Haupt hat Ihnen schon ausführlichst aufgezeigt, welche Beitragserhöhungen und Selbstbehalte Sie in den letzten Jahren eingeführt haben. Wir führen keine neuen Selbstbehalte ein, wir erhöhen keine Beiträge, sondern wir reformieren dort, wo es nicht den Versicherten trifft.

Apropos Selbstbehalte: Ich habe Herrn Nürnberger – er ist jetzt nicht im Saal – noch nie schreien gehört, obwohl Selbständige und Bauern jahrzehntelang Selbstbehalte bezahlt haben. – Meine Damen und Herren! Nürnberger und Co geht es nicht um die versicherten Bürgerinnen und Bürger, sondern um Machteinfluss und hoch dotierte Funktionärssessel. (Abg. Dr. Khol: Pfründe, richtig!) Das beste Beispiel dafür war die gestrige Demo.

Ich möchte von Ihnen, Herr Präsident Verzetnitsch, einmal da am Rednerpult hören, was den Gewerkschaftsbund solch eine Veranstaltung kostet. (Abg. Ing. Westenthaler: Und die Inserate dazu!) Legen Sie das einmal auf den Tisch! Erklären Sie das einmal den Bürgern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mit diesem Geld hätte man einen Beitrag dafür leisten können, das Milliardenpaket zu verringern. (Abg. Ing. Westenthaler: Millionen kostet das! Und die Inserate dazu!) Nicht mit Parolen am Ballhausplatz (Abg.  Parnigoni: Haben Sie schon einmal Gewerkschaftsbeitrag gezahlt?) gegen die Regierung, sondern mit Reformen kann man die Sozialversicherung sanieren, meine Damen und Herren!

Nicht ein alter Kämpfer wie Benya mit seinen Parolen: Unser Sozialsystem wird zerschlagen! Wir kommen wieder! ... (Abg. Dr. Keppelmüller: 43 Milliarden für die Landwirtschaft! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Ich ersuche um einen etwas geringeren Lärmpegel! Der Redner hat kaum eine Chance, gehört zu werden!

Abgeordneter Franz Hornegger (fortsetzend): Danke. – Die Versicherten werden Ihnen sagen: Nein, danke, kommt nie wieder! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Wir, meine Damen und Herren von der SPÖ, werden dafür Sorge tragen, dass eure Plakette ab 30. September Wirklichkeit wird: Sozialversicherung ohne Sallmutter. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

14.30

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Eines steht fest: Machtverlust schmerzt, und er schmerzt sehr tief (Abg. Parnigoni: Soll ich Ihnen ein Taschentuch borgen für die Tränen?), vor allem dann, wenn dieser Machtverlust einen Kernbereich der Sozialdemokratie betrifft. Dass die Sozialversicherungsträger einen dieser Kernbereiche, eine der Säulen der Sozialdemokratie darstellen, hat Minister Bartenstein mit den ehrlichen Worten von Herrn Sallmutter eingangs der Debatte erwähnt.

Es hat sich aber im Verlauf dieser Debatte auch herausgestellt, dass diese Kampfrufe, die von Ihrer Seite gekommen sind, ein großes Defizit haben, und zwar fehlt ihnen allen die Glaubwürdigkeit.

Wenn Sie von einer Zerschlagung der Sozialversicherungsanstalten, von einer Gefährdung der Demokratie sprechen, wenn Sie den Versicherten Angst machen, indem Sie sagen, dass unser Gesundheitssystem durch diese 58. ASVG-Novelle am Kippen sei, dann muss man Ihnen einfach die Glaubwürdigkeit absprechen. Und das tun nicht nur wir von den Regierungsparteien, sondern das machen auch anerkannte Journalisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sogar die Vernünftigen unter Ihnen müssten sich eingestehen: Die Sozialversicherungsanstalten waren bisher in Geiselhaft der SPÖ, sie waren ein Personalversorgungsinstitut der SPÖ und somit in Erbpacht der Sozialdemokratie. Und eines hat den Sozialversicherungsanstalten bisher ganz sicher gefehlt: die Transparenz. Es hat ihnen aber noch etwas ganz Wichtiges gefehlt, etwas, das Sie jetzt auf einmal einfordern: die Demokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit 57 Prozent 100 Prozent der Mandate zu erreichen, das ist nach unseren Vorstellungen wirklich nicht demokratisch, und das kann es auch nicht sein. Oder: Wenn Arbeitgeber, die auch zum großen Teil in diesen Topf einzahlen, nicht in diesen Gremien vertreten sind, dann, muss man sagen, fehlt da einfach die Demokratie, und sie war bisher nicht vorhanden. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Wir tragen durch die 58. ASVG-Novelle zu mehr Demokratie in diesen Bereichen bei, das ist ganz klar erwiesen.

Jetzt wird versucht, Präsident Sallmutter zum Märtyrer der Nation zu machen. Aber wodurch hat er sich denn bisher besonders hervorgetan? – Durch Reformunwilligkeit, vielleicht auch durch Reformunfähigkeit. Er hat jedenfalls jeglichen Anstoß zu einer dringendst notwendigen Erneuerung erfolgreich abgewehrt, das ist sein "Verdienst". Als Systemerhalter eines veralteten Systems ist er "positiv" in Erscheinung getreten. (Abg. Öllinger: Ich?) – Nein, Präsident Sallmutter. Von Präsident Sallmutter spreche ich.

Eines haben die beiden Systeme, Sozialversicherungsanstalten und ÖGB, gemeinsam: Nur ja nichts Neues, nur ja keine Reform, alles beim Alten belassen! – Auf diese Art und Weise hat man sehr viel Zeit versäumt. Man hat die Zeit einfach nicht genützt, die man gehabt hätte. Jetzt verwenden Sie Argumente, die wirklich nicht glaubwürdig sind, und schauen ohnmächtig zu, wie Ihnen die neue Regierung bei beiden Systemen in Ihr Ruder greift, das Sie lange Jahre in der Hand gehabt haben.

Sowohl die Grünen als auch Abgeordnete der Sozialdemokratie haben sich bei den Demonstranten bedankt, dass sie gestern an der Demonstration teilgenommen haben. Natürlich wurden sie nicht verpflichtet, aber ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Verzetnitsch: Sie wurden von Ihnen benutzt, Sie wurden von Ihnen mit falschen Argumenten benutzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich garantiere Ihnen: Der größte Teil dieser


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Demonstranten hat nicht gewusst, wogegen oder wofür sie jetzt wirklich demonstrieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen noch etwas: Diese Machtdemonstration von gestern – es war eine Machtdemonstration, keine Frage, auch wenn dort ein bisschen weniger Demonstranten waren, als Sie gerne gehabt hätten – wird wirkungslos bleiben. Diese Machtdemonstration wird wirkungslos bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Die Versicherten, um die es Ihnen anscheinend geht – Ihnen aber geht es in Wirklichkeit nicht um die Versicherten –, werden in Kürze erkennen, dass es Ihnen nur um den Machterhalt und nicht um die Versicherten in Österreich gegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

14.37

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Frau Abgeordnete Haller, jawohl, es geht um Macht! Es geht um jene Macht, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusteht, um ihre Interessen durchzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Das darf auch gefordert werden, das ist keine Schande, und das ist ganz und gar kein Demokratiebruch, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Fekter: Die Arbeitnehmer sind nicht zu 100 Prozent SPÖ!)

Ein paar Vorbemerkungen zu einigen meiner Vorredner: Herr Abgeordneter Schender! Bei Ihnen fällt mir, was selten geschieht, ein Bibelzitat ein. Ich sage nur Matthäus 5, Vers 3. Mehr will ich dazu nicht sagen. (Abg. Ing. Westenthaler: Was war das? Können Sie uns das sagen?)

Herr Abgeordneter Dr. Pumberger, ich bin Ihnen sogar dankbar dafür, dass Sie das ASVG nicht so weit geändert und zumindest die freie Arztwahl aufrechterhalten haben. Die Bevölkerung in Ried und Umgebung wird es danken. (Abg. Ing. Westenthaler: Das stimmt!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Es ist beim besten Willen nicht möglich, den Ausführungen der Frau Abgeordneten zu folgen, weil ein derart hoher Lärmpegel vorhanden ist. Ich bitte um etwas mehr Ruhe!

Bitte, Frau Abgeordnete, setzen Sie mit Ihren Ausführungen fort.

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Es ist schon klar – das wissen wir alle –, dass zweimal 27 Prozent eine rechtliche Basis sind, um eine Regierung zu bilden. Das hat noch nie jemand in diesem Lande bestritten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber es ist keine Legitimation, kritische Kräfte zurückzudrängen. Es ist auch keine Legitimation dafür, eine unsoziales Wendeprogramm als Programm der einzigen Wahrheit zu betrachten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweimal 27 Prozent sind keine Legitimation dafür, die Entscheidungsfunktionen im Staat und in staatsnahen Institutionen einfach monochrom einzufärben. Sie sind auch keine Legitimation dafür, eine kritische Jugend als Internet-Generation zu bezeichnen oder – wie Sie das heute und auch gestern schon mehrfach unter Beweis gestellt haben – das Demonstrationsrecht in Frage zu stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie greifen in beide Säulen unseres demokratischen Grundsystems ein – auf der einen Seite in die rechtliche und auf der anderen Seite in jene, die die Basis ist, auf der Demokratie wachsen kann (Abg. Mag. Kukacka: Sie verwechseln Sozialismus mit Demokratie!), nämlich eine gerechte soziale Ordnung, die Bekämpfung von Armut, der Abbau von sozialen Spannungen und eine gerechte Verteilung von Lebenschancen. Beides bringen Sie heute zu Fall, und bei beiden zeigen Sie heute der Bevölkerung, wo es in Zukunft langgehen wird.


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76. Sitzung / Seite 103

Meine Damen und Herren! Worum geht es Ihnen denn? – Es geht Ihnen um demokratische Rechte, die Ihnen im Weg stehen. Es geht um die Beseitigung von demokratischen Rechten, es geht um die Anerkennung oder – eigentlich müsste man sagen: Nichtanerkennung von demokratischen Wahlen, nämlich der Arbeiterkammerwahl.

Herr Abgeordneter Trinkl, ich weiß jetzt gar nicht, ob Sie im Sozialausschuss waren, aufgefallen sind Sie mir dort nicht, aufgepasst dürften Sie auch nicht haben, denn klar ist: Sie haben sich heute hier hergestellt und bereits alles vergessen, was bisher in puncto Minderheitsrechte in den Gremien im ASVG gestanden ist.

Sie schaffen neue Gremien ohne jegliche Minderheitsrechte. Und Sie beseitigen auch die Mehrheitsrechte jener demokratischen Mehrheit, die in diesem Land existiert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Man hätte gleich in dieses Gesetz schreiben können: FSG heraus, ihr habt darin nichts verloren! – Das wäre wenigstens ehrlich gewesen. Dann hätte die Bevölkerung wenigstens auch klar Ihr Spiel erkennen können, das Sie hier treiben.

Es werden in Zukunft Vertragspartner unter sich sein, Vertragspartner, die sich ausmachen, was lustig ist: die Pharmaindustrie, der Pharmagroßhandel, die Transportunternehmen, die privaten Institute, private Krankenanstalten – die Liste ist ganz lang.

Das Ergebnis wird sein, dass es auf Grund dieser Vertragspolitik einen riesigen Kostenschub in der Krankenversicherung geben wird, die die Patientinnen und Patienten in Zukunft sehr vieles kosten wird. Es stehen Ihnen nicht nur die demokratischen Rechte im Weg, es stehen Ihnen viele Menschen, viele Institutionen im Weg – und das überall! Das haben Sie in diesen drei Tagen 100-prozentig bewiesen: im ORF, in der ÖIAG, in der Sozialversicherung, im Hauptverband. Es stehen Ihnen viele im Weg – und das im Großen wie im Kleinen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Kleinen nur ein Beispiel: Diese Woche habe ich erfahren, dass die einzige feministische Zeitung, die es gibt, von Herrn Minister Haupt null Förderung mehr bekommen wird. Anschläge wird es in Zukunft nicht mehr geben. Sich kritisch zu melden, heißt, kein Geld mehr zu erhalten. Sich kritisch zu melden, heißt, nicht mehr Hauptverbandspräsident sein zu dürfen. Das ist Ihre Politik, die Sie in den letzten 16 Monaten unter Beweis gestellt haben und bei der es heute tatsächlich zu einem äußerst traurigen Höhepunkt kommen wird.

Wären Sie doch wenigstens so mutig, dieses Gesetz einer Volksabstimmung zu unterziehen! Aber Sie wollen heute noch nicht wissen, wie die Menschen bei den nächsten Nationalratswahlen über Sie entscheiden werden.

Wir sind uns sicher: Die Menschen in Österreich werden Ihnen diese Rechnung bei den nächsten Wahlen präsentieren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.43


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76. Sitzung / Seite 104

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Da nun noch zwei tatsächliche Berichtigungen erfolgen, verweise ich auf die diesbezügliche Bestimmung der Geschäftsordnung, die davon ausgeht, dass die tatsächliche Berichtigung mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen hat und dieser Behauptung der berichtigte Sachverhalt entgegenzustellen ist.

Als Erster zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

14.43

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Haller hat behauptet, wir alle seien ohnmächtig und müssten nun zuschauen.

Ich korrigiere: Das ist falsch. Als "ARZT 1" oder "30 000" muss ich feststellen: Ohnmächtige können nicht zuschauen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ, Grünen und Freiheitlichen.)

14.44

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Prammer hat soeben wahrheitswidrig behauptet, wir, die Regierungsparteien, würden jedwedes Minderheitenrecht beseitigen. – Diese Behauptung ist falsch und unrichtig gleichermaßen! (Abg. Schieder: Nur die meisten! Nur die meisten! Die meisten!)

Richtig ist vielmehr, dass zum Beispiel auf Seiten der Wirtschaft dem Freien Wirtschaftsverband der Sozialdemokratischen Partei ein Mandat als Minderheitenrecht zugeordnet wird, obwohl ihm ein solches kraft des Wahlergebnisses nicht zustehen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen damit zu den Abstimmungen.

Hinsichtlich des Gesetzentwurfes betreffend die 58. Novelle zum ASVG liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen vor, über den ich sogleich abstimmen lasse.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, den Gegenstand an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt .

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend die 58. Novelle zum ASVG in 726 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dietachmayr und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Des Weiteren liegt ein Verlangen auf namentliche Abstimmung vor.

Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen haben beantragt, den gegenständlichen Gesetzentwurf einer Volksabstimmung zu unterziehen. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Populisten! – Abg. Ing. Westenthaler: Populistisch!)

Ich werde zunächst über die von den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile – der Reihe nach – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen auf Durchführung einer Volksabstimmung wird gemäß § 84 Abs. 2 der Geschäftsordnung nach der dritten Lesung erfolgen.

Die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung der Ziffern 7c, 8a neu, 8c sowie der dadurch bedingten Änderung der Ziffernbezeichnung und die Einfügung der Ziffern 21a, 21b und 22a zum Inhalt hat.


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76. Sitzung / Seite 105

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dietachmayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Z 57 bezieht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer Z 57a zum Inhalt hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer Z 58a bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dietachmayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Z 63 bezieht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf die Z 63 bezieht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Z 63 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dietachmayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der eine Änderung der Z 76 zum Inhalt hat.

Jene Abgeordneten, die dafür sind, ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf die Z 76 bezieht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse nun sogleich über Z 76 in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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76. Sitzung / Seite 106

Die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Z 86a sowie auf die §§ 441a Abs. 3, 441b Absätze 1, 2 und 7, 441c Abs. 1, 441d Abs. 2, 441e Abs. 2 sowie 442a Abs. 9 in Z 86h bezieht.

Jene Abgeordnete, die dem die Zustimmung erteilen, bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer Z 1b in Z 108 § 593 Abs. 1 bezieht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Hiezu ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen gemäß Geschäftsordnung von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja"  – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise "Nein"  – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den gegenständlichen Gesetzentwurf in dritter Lesung stimmen, "Ja" -Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein" -Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Mag. Schweitzer, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Herr Abgeordneter Auer wird ihn später ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Mag. Schweitzer und Auer werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die Stimmabgabe ist beendet.

Wir kommen damit zur Stimmenzählung unter Aufsicht der Schriftführer.

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen .

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.57 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt wie folgt:

Es wurden 179  Stimmen abgegeben, davon waren 100 "Ja" -Stimmen und 79 "Nein" -Stimmen.


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Der Gesetzentwurf ist somit angenommen. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler begeben sich zur Regierungsbank und reichen Bundesminister Mag. Haupt die Hand.)

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Achatz, Amon, Auer;

Baumgartner-Gabitzer, Böhacker, Bösch, Brinek, Bruckmann, Brugger, Burket;

Dolinschek, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert;

Egghart, Ellmauer;

Fallent, Fasslabend, Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Freigaßner, Freund, Frieser;

Gahr Hermann, Gatterer, Gaugg, Graf Herbert L., Graf Martin, Grollitsch, Großruck;

Haigermoser, Hakl, Haller, Hartinger, Hetzl Gerhard, Hofmann, Hornegger Franz, Hornek Erwin;

Jung;

Kampichler, Khol, Kiss, Knerzl, Kopf, Kößl, Krüger, Kukacka, Kurzbauer, Kurzmann;

Leiner, Lentsch, Lexer, Loos;

Mainoni, Miedl, Mitterlehner, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neudeck;

Ofner, Ortlieb;

Papházy, Partik-Pablé, Pecher, Pistotnig, Povysil, Prinz, Pumberger, Puttinger;

Rasinger, Rauch-Kallat, Reindl Hermann;

Schender, Scheuch, Schultes, Schwarzenberger, Schweisgut, Schweitzer, Sevignani, Sodian, Spindelegger, Stadler, Staffaneller, Steibl, Stummvoll;

Tancsits, Trattner, Trinkl;

Wattaul, Weinmeier, Wenitsch, Westenthaler, Wochesländer, Wolfmayr;

Zellot, Zernatto, Zierler, Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Antoni;

Bauer Hannes, Bauer Sophie, Binder, Brosz, Bures;

Cap, Csörgits;

Dietachmayr, Dobnigg;

Eder Kurt, Edler Josef, Edlinger, Einem;

Faul, Fischer;


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Gaál Anton, Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Grabner, Gradwohl, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heindl Kurt, Heinisch-Hosek, Heinzl Anton, Hlavac, Huber;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Keppelmüller, Kiermaier, Kogler, Kräuter, Kubitschek, Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Lapp, Leikam, Lichtenberger, Lunacek;

Maier, Mertel, Moser, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Parnigoni, Pendl, Petrovic, Pfeffer, Pilz, Pirklhuber, Plank, Posch, Prähauser, Prammer;

Rada, Reheis, Riepl;

Schasching, Schieder, Schwemlein, Silhavy, Sima, Stoisits;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wimmer, Wittmann, Wurm.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Gusenbauer, diesen Gesetzesbeschluss vor seiner Beurkundung durch den Herrn Bundespräsidenten einer Volksabstimmung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Bundesverfassung zu unterziehen.

Ich lasse darüber abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die für eine Volksabstimmung eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Dr. Gusenbauer  – in Richtung Freiheitliche und ÖVP –: Angst vor dem Volk? – Abg. Edlinger: Fundis! – Ruf bei der SPÖ: Oberdemokraten! – Pfui-Rufe.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend die 25. Novelle zum GSVG samt Titel und Eingang in 727 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend die 24. Novelle zum BSVG in 728 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf in der Fassung dieses Abänderungsantrages abstimmen.


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76. Sitzung / Seite 109

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Gesetzesvorschlag in zweiter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird, in 729 der Beilagen.

Auch hiezu liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen vor.

Da nur dieser eine Antrag eingebracht wurde, lasse ich über den Gesetzentwurf in der Fassung dieses Abänderungsantrages Gaugg, Dr. Feurstein abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Ich lasse nun über den Entwurf betreffend die 28. Novelle zum B-KUVG in 730 der Beilagen abstimmen.

Auch hiezu liegt ein Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen vor.

Und auch hier gibt es nur diesen einen Abänderungsantrag, sodass ich über den Gesetzentwurf in der Fassung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages Gaugg, Dr. Feurstein abstimmen lasse.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dieser Vorlage zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung mit Stimmenmehrheit beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 731 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Die Kenntnisnahme erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht in 732 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen bitten. – Ich stelle fest: Der Bericht 732 der Beilagen ist mit Stimmenmehrheit angenommen.


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Ebenso stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht in 733 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Kenntnisnahme ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 734 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen können, um ein Zeichen. – Die Kenntnisnahme erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy und Genossen betreffend Dämpfung des Zuwachses bei den Heilmittelkosten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy und Genossen zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit, der Antrag ist daher abgelehnt.

*****

Ich möchte noch Folgendes bekannt geben: Ich bin von Herrn Klubobmann Westenthaler und in weiterer Folge von Herrn Klubobmann Cap gebeten worden, wegen Äußerungen, die es am heutigen Vormittag gegeben hat, in das Stenographische Protokoll Einsicht zu nehmen.

Ich habe Folgendes festgestellt: Es hat in der heutigen Debatte eine Sequenz gegeben, in der Herr Abgeordneter Gaugg an die Adresse der Sozialdemokraten gesagt hat: "Sie machen Randale mit den Linksradikalen, auch gestern wieder." Und Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer hat gesagt: "Das ist ein unerhörter Vorwurf! ... Sie sind schon in der Früh betrunken!"

Ich habe also den Sachverhalt geprüft, aber bevor ich gezwungen war, mich hier zu entscheiden, ist mir mitgeteilt worden, dass es ein Gespräch zwischen den Herren Gaugg und Gusenbauer gegeben hat, und zwar mit dem Inhalt, ein Shakehands ist besser als zwei Ordnungsrufe.

Ich nehme das zur Kenntnis, bitte aber, bei der Wortwahl in Zukunft darauf zu achten, nicht wieder in solch eine Situation zu kommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ, der Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Gaugg, gib ihm ein Bussi!)

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2319/AB

202Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Durchführung der Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 2319/AB.

Da die erwähnte Anfragebeantwortung bereits verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Wir gehen in die Debatte ein.

Sie alle wissen: Die Redezeiten betragen 5 Minuten, wobei der Erstredner über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt.

Dieser Erstredner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Ich erteile ihm das Wort für 10 Minuten. – Bitte.

15.10

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Anfrage, deren Beantwortung wir jetzt besprechen, stammt ursprünglich von Herrn Kollegen Brix, das sollte man hinzufügen. Man muss die Besprechung


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dieser Anfrage beziehungsweise der Beantwortung genau in dem Zusammenhang sehen, in dem Kollege Brix die Anfrage gestellt hat.

Kollege Brix war, als er noch hier im Haus war, Mitglied des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses, der seit Februar den Auftrag hat, die Privilegien und die Arbeitsverträge in den Ministerbüros zu prüfen. Diesbezüglich hat sich Folgendes ergeben:

Nach längerem Hin und Her – wie man es ja gewohnt ist – stellte sich heraus: Die Regierung, sprich: die blaue und die schwarze Regierungsfraktion, die natürlich auch im Unterausschuss die Mehrheit haben, weigert sich, zu einer umfassenden Aufklärung in dieser Sache beizutragen, und das, obwohl ein Rechungshofbericht vorliegt, den die FPÖ selbst angeregt hat, nämlich jener über die Zustände in den Ministerbüros unter der rot-schwarzen Bundesregierung. – Gut so! Richtig!

Dieser Rechnungshofbericht hat eine ganze Latte an Vorgaben gegeben, was alles besser gemacht werden könnte – um nicht zu sagen: was alles am besten über Nacht abzustellen wäre.

Mit diesem "Arbeitsbehelf" sind wir gut bewaffnet und gewappnet in den Unterausschuss gegangen – aber, siehe da, die Kollegen der Freiheitlichen mauscheln sich mit den Kollegen der ÖVP zusammen und mauern! Es gab kein Einsehen, was die Erhebungsberichte betrifft; Erhebungsberichte sind jene Berichte, die die Ministerien vorlegen müssen, damit dieser Ausschuss überhaupt arbeiten kann. Die Anträge der Sozialdemokraten und der Grünen wurden sozusagen niedergestimmt und ignoriert. Stattdessen hat man mit Mehrheit selbst Erhebungsberichte in Auftrag gegeben, Erhebungsberichte, in denen ein paar Kleinigkeiten gefragt werden, damit es nicht ganz nach Kontrollverweigerung ausschaut.

Diese Erhebungsberichte sind dann auch irgendwann eingetroffen, und selbst diese hatten es in sich, was die diversen Widersprüche der einzelnen Minister betrifft. Sei es drum!

Kollege Brix hat in diesem Moment etwas Richtiges gemacht: Er hat eine Anfrage gestellt, und zwar genau mit den Fragen (Zwischenruf des Abg. Wenitsch )  – ja, Kollege Brix ist ausgeschieden, Sie haben vollkommen Recht, seien Sie nicht so irritiert! –, deren Beantwortung im Unterausschuss verweigert wurde.

Jetzt stellt sich die Frage, warum das passiert ist. – Sicherlich, in Anfragebeantwortungen ist die Zurückhaltung vielleicht noch größer als in Erhebungsberichten, das möchte man zumindest meinen, aber trotzdem gibt diese Anfragebeantwortung mehrerer Ministerien – das muss man hinzufügen; also nicht nur, was das Sozialministerium betrifft – einiges her, was jedenfalls zum Nachfragen anregen sollte.

Herr Minister Haupt! Starten wir jetzt einmal ohne größere wechselseitige Aversionen! Ich denke, es müsste Ihnen ja schon längst viel lieber sein, in diesem Unterausschuss – vulgo kleiner Untersuchungsausschuss – auszusagen, um ein paar Dinge klarzustellen beziehungsweise meinetwegen auch einzugestehen und reinen Tisch zu machen, als dieses komische Spiel, dass sich nämlich von Tag zu Tag die Verdachtslage verdichtet, aber Sie genauso wie Frau Kollegin Forstinger dort nicht erscheinen, weiterzutreiben. Das ist mir unbegreiflich!

Ebenso hindern Sie Frau Fabel daran, in diesem Unterausschuss auszusagen. Frau Fabel hat sich im Übrigen telefonisch an mich gewandt und gemeint, sie verstehe das überhaupt nicht. Sie hätte gar nichts dagegen, in diesem Unterausschuss auszusagen. Sie könne ja auch sehr viel beitragen, fügte sie hinzu. Wozu sie etwas beitragen kann, darauf werde ich noch kurz eingehen, damit auch das geklärt ist.

Geben Sie doch den Weg für die Arbeit des "kleinen Untersuchungsausschusses" frei, damit endlich Licht in diese Angelegenheit gebracht werden kann! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verstehe überhaupt nicht, wie man sich binnen eines Jahres einer solchen Wandlung unterziehen kann. Es war die Fraktion der Freiheitlichen, die das beim Rechnungshof verlangt hat.


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Das gleiche Arbeitsprogramm liegt jetzt für diese Bundesregierung vor – und Sie von der FPÖ betreiben Kontrollverweigerung, die sich gewaschen hat! Von den Schwarzen erwarte ich mir ja nichts anderes mehr, aber dass wir jetzt sozusagen ein blau-schwarzes Vertuschungskartell auf der Regierungsbank vorfinden, das ist mir doch ein bisschen zu schnell gegangen für die so genannte, mittlerweile wohl ehemalige Kontrollpartei! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber kommen wir zur Anfragebeantwortung. Ich schicke voraus, dass die Fragestellung der aufklärungswürdigen Umstände in den Ministerbüros sehr viele Facetten hat. Wir wollen hier aber nur einige herausgreifen: die Art und die Umstände der Leihverträge, die Frage der Überstundenregelungen, die Frage der Zusatzbeschäftigungen, die Frage der Belohnungen und der Prämien. – All das ist aufklärungswürdig.

Kommen wir zu den Leihverträgen. Ich habe schon gesagt: Nicht jeder Leihvertrag, so sieht es auch der Rechnungshof, ist von vornherein schlecht. Das sei einmal vorausgeschickt, bevor wieder jemand glaubt, sich vorzeitig in Hysterie üben zu müssen. Diese Verträge haben in bestimmten Fällen ihren guten Sinn. Sei es drum! Und diese Kriterien sind genau definiert.

Das, was wir in letzter Zeit aber bemerken, ist, dass solche Leihverträge ständig Leuten umgehängt werden, die diese gar nicht wollen, Leuten, die in Ihren Ministerbüros zu beschäftigen sind. Und man fragt sich: Was steckt dahinter? Was können und sollen diese Leihverträge – zwischen Klammern – verschleiern? Mit den Leihverträgen hat man dann ein besonderes Problem oder einen Vorzug – je nach dem, wie man will –, wenn in einem Ministerium die Revision und das Controlling nicht funktionieren.

Ich muss Ihnen schon sagen, Herr Bundesminister Haupt: Ich habe den grauslichen Verdacht, dass, ohne dass Sie zunächst vielleicht etwas dafür konnten, als Sie das Ministerium übernommen haben, genau in Ihrem Ministerium das Controlling auf das Ärgste versagt, sonst hätte der Fall Fabel nie in dieser Art und Weise passieren können, wie ich meine! Und genau dieses Kontrollversagen führt dazu, dass die Umstände, unter denen Leihverträge geschlossen werden, sehr schnell zu Missständen werden können. Es geht um die Fragen betreffend Überstundenregelungen, Reisekostenabrechnungen und allfällige Refundierungen, die je nach Leihgeber zu einer Parteienunterstützung – um nicht zu sagen: Parteienfinanzierung – führen können! Von der Mehrwertsteuerproblematik rede ich gar nicht.

Ich habe mich im Rechnungshof lange über diese Angelegenheit unterhalten. So können zum Beispiel Reisekostenabrechnungen, auch wenn Sie hier ganz löblich alles Mögliche auflisten, in der Form, wie Sie das hier suggerieren, gar nicht geprüft werden und werden es auch nicht. Ich würde Sie sehr darum bitten, dazu Stellung zu nehmen. Es ist nämlich in den meisten Fällen gar nicht vorgesehen, dass die Originalbelege vorgelegt werden. Es ist also durchaus möglich, dass der Leiharbeitgeber eine Pauschalrechnung stellt und sagt: Wir waren in Südafrika oder irgendwo sonst, und es wird dafür in gewisser Weise ein Honorar verrechnet. Das ist eben das Problem dabei, es kann auf diese Art und Weise nicht kontrolliert werden! Und wenn der Originalbeleg nicht vorgelegt wird, ist das eine Erleichterung und geradezu Beihilfe zu Steuerschwindel und -hinterziehung an anderer Stelle. Das weiß jeder! Und das ist auch die Meinung des Rechnungshofes dazu! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )  – Ich glaube schon, dass Sie das nicht verstehen wollen, aber das kaufe ich Ihnen nicht ab!

Was die Frage der Parteienfinanzierung betrifft, müssen wir uns nur anschauen, wer diese Leiharbeitgeber sind. In Hinsicht auf das Bildungswerk der Industrie werden wir noch ausführlich Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen. Aber wieso ausgerechnet der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender Leiharbeitgeber sein soll, das versteht wirklich kein Mensch mehr!

Herr Minister! Ich frage Sie: Hat der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender überhaupt die Kompetenz dazu? – Ich glaube nicht. Aber beantworten Sie das bitte!

Bei der Frage Überstunden stelle ich fest, dass es laut Ihrer Anfragebeantwortung Überstundenpauschalen gibt, aber auch Personen, die ohne solche Pauschalen beschäftigt sind. Und es stellt sich heraus, dass in Ihrem Büro jene, die eine Pauschale haben, zusätzlich auch noch


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Einzelstundenabrechnungen machen. Wissen Sie, was Frau Fabel dazu sagt? – Sie sieht das als Sauerei und völlig jenseitig – sie hatte nämlich eine andere Regelung. Manche Leute – und damit bin ich beim nächsten Punkt – kommen durch diese Art undurchsichtiger Verträge durch Überstundenabrechnungen zur Verdoppelung ihres Gehaltes!

Das ist ja Intransparenz in Reinkultur! Das gehört doch alles abgestellt. Nicht, dass die Leute nicht anständig verdienen sollen, aber machen Sie doch endlich gescheite Verträge zum Nutzen der Steuerzahler! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im Büro Waneck ist ein Fall aufgetaucht, bei dem 35 Überstunden pro Woche anfallen. Das ist ja eine Verdoppelung der Arbeitszeit! Bitte, das geht doch nicht! Das ist eine Gehaltsverdoppelung in Reinkultur! Bitte, klären Sie das jetzt auf! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Trinkl: ... fleißig ...!)

Vielleicht hängt es – drittens – auch damit zusammen, dass die Zusatzbeschäftigungen noch zu durchleuchten sind. Der Büroleiter des Herrn Staatssekretärs geht nämlich noch lukrativen Nebenbeschäftigungen nach. Ich bitte Sie um Auskunft darüber. Vielleicht muss ein Referent auch deshalb so viele Überstunden leisten, weil der Herr Büroleiter ständig – täglich! – in seiner Ordination auftauchen muss, obwohl er 100 000 S verdient, und dann – viertens – noch Belohnungen von 130 000 S und ähnlicher Höhe ausgeschüttet bekommt!

Wozu bitte? Wieso? Und das in einem Büro, das ständig damit beschäftigt ist, den Unfallrentnern hinterherzujagen. Das ist wirklich das Letzte!

Herr Minister! Klären Sie auf, was Sie damit meinen, wenn Sie durchschnittliche Belohnungen in der Höhe von 109 000 S an KabinettschefInnen – ich lasse Frau Fabel jetzt weg, darum geht es nicht – auszahlen! Sie haben in der Öffentlichkeit gesagt, das stimme nicht, das sei insgesamt ausbezahlt worden.

Lesen Sie Ihre eigene Anfragebeantwortung! Deshalb diskutieren wir sie hier auch. Das ist logisch grammatikalisch nur so zu verstehen, dass das durchschnittlich pro Person gilt. Bitte, klären Sie das auf! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.21

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege! Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit, in der Zeit, als ich noch Vorsitzender des Rechnungshofunterausschusses – vulgo kleiner Untersuchungsausschuss, wie Sie das bezeichnet haben – war, eine durchaus tragfähige Basis in der Zusammenarbeit hatten. Ich sehe das auch heute nicht anders. Warum Sie nunmehr konstruieren wollen, dass wir hier quasi in Feindschaft stehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich empfinde es auf jeden Fall nicht so. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Herr Minister! Besuchen Sie uns doch wieder im Unterausschuss!)

Ich darf aber der interessierten Öffentlichkeit mitteilen – und das wissen Sie genauso wie ich, Herr Kollege –, dass die Terminplanung im Hohen Hause unglücklicherweise so war, dass zur gleichen Zeit einerseits der Rechnungshofunterausschuss und andererseits der Sozialausschuss, der bekanntermaßen auch durch die tatkräftige Mithilfe und durch die dankenswerte Gesamtrezitation des ASVG durch Ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen bis spät in die Nacht gedauert hat, tagten. An dieser Sitzung des Sozialausschusses habe ich teilgenommen.

Sehr geehrter Herr Kollege Kogler! Ich glaube daher, dass es unfair ist zu behaupten, dass die Bundesregierung an der Aufklärung allfälliger Fragen nicht interessiert war. Es sind ja, wenn es mir richtig zugetragen wurde, die beiden Oppositionsparteien aus dem Ausschuss ausgezogen und haben entsprechende Anfragebeantwortungen von Regierungsmitgliedern durch Kollegen Böhmdorfer, der zur Verfügung gestanden wäre, nicht in Anspruch genommen.


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Herr Kollege Kogler! Zweitens: Ich glaube, man sollte fairerweise feststellen – und das haben Sie dankenswerterweise auch anklingen lassen –, dass alle Ministerbüros bis dato alle eingegangenen Anfragen und alle Berichte nicht nur zeitgerecht, sondern, wie ich glaube, auch umfassend und ausführlich abgehandelt haben.

Herr Kollege! Sie haben den Rechnungshofbericht 1998 zitiert und in diesem Zusammenhang dankenswerterweise auch festgestellt, dass gegen Leihverträge von der rechtlichen Seite her prinzipiell nichts einzuwenden ist und dass auch der Rechnungshof in seinen Ausführungen dem positiv gegenübersteht. Das wird auch die folgende Kurzdebatte ergeben, weil im Text des Entschließungsantrages des Kollegen Abgeordneten Dr. Günther Kräuter nachzulesen ist, dass diese Form von Beschäftigungen prinzipiell dann für zulässig erklärt wird, wenn sie über einen begrenzten Zeitraum gehen – das ist hier der Fall – und wenn sie ohne vorhersehbare Folgekosten laufen. Das ist aus meiner Sicht bei dem von mir unterzeichneten Vertrag ebenfalls der Fall, und das beschränkt sich auf besondere fachliche Qualifikationen. (Abg. Mag. Kogler: Lassen wir das lieber mit der fachlichen Qualifikation!)

Sehr geehrter Herr Kollege! Auch das ist aus meiner Sicht bei jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Büro, die diese besondere Form der Beschäftigung haben, der Fall.

Ich darf des Weiteren darauf hinweisen, dass der Rechnungshof einige Empfehlungen abgegeben hat. Der Rechnungshof hat in seinen Empfehlungen gemeint, dass Anforderungsprofile und auch besondere Dienststellenbeschreibungen für die Ministerien notwendig sind. In meinem Hause habe ich kurz nach meinem Amtsantritt mit 1. März eine von manchen sehr kritisierte, wenig goutierte erste vorläufige Geschäftsordnung herausgegeben. Ich bin gerade dabei, diese Geschäftsordnung gemeinsam mit meinem Haus und der Personalvertretung zusammenzufassen und in entsprechender Form zu kürzen, zu straffen, um auch den Punkten einer schlanken Verwaltung dieses Staates gerecht zu werden. Ich finde – zugegebenermaßen – in sehr vielen Abteilungen und Gruppen noch Kleinstabteilungen vor, die auch laut der Kritik des Rechnungshofes nicht effizient sind. Da besteht einiger Handlungsbedarf.

Ich stehe aber auch nicht an zu sagen, dass in meinem Hause tatsächlich sehr viele Überstunden anfallen. Auch Ihre Fraktion, Herr Kollege Kogler, und die andere Oppositionsfraktion haben in der Vergangenheit nicht nur die Summe der Gehälter und die Überstunden kritisiert, sondern auch die Zahl der Beschäftigten. Im Zusammenhang mit den anfallenden Überstunden wird man sich eben einmal die Frage stellen müssen: Will man die Überstunden, die anfallen und regelmäßig in hoher Zahl anfallen, in weitere Dienstposten umwandeln oder will man sie wie bisher in Überstundenleistungen abgelten und damit auch – zugegebenermaßen – das Grundeinkommen auf Grund der Überstundenleistungen, wie es im österreichischen Gebrauch sowohl in der Privatwirtschaft als auch im Beamten-Dienstrecht üblich ist, dort erhöhen, wo Freizeitabgeltung, entsprechende Abgeltung durch Zeitkontingente nicht mehr möglich ist?

Herr Kollege Kogler! Ich sage auch dazu – und das wissen Sie ganz genau –: Ich war immer ein Anhänger davon, dass geleistete Überstunden dort, wo sie nicht durch Freizeit ausgeglichen werden können, zu bezahlen sind. An dieser meiner Haltung hat sich nichts geändert.

Ich gebe durchaus zu, dass eine der Anfragebeantwortungen semantisch missverständlich behandelt und beanstandet werden kann. Ich stelle aber klar fest, wie ich es auch gegenüber den österreichischen Medien festgestellt habe, dass meine ehemalige Büroleiterin Frau Fabel nicht in den Genuss jenes Geldes gekommen ist, das Sie in der von Ihnen gestellten Frage angesprochen haben, und daher keinesfalls 109 000 S, wie Sie vermutet haben, bekommen hat, sondern aus diesem Titel 0 S erhalten hat.

Ich sage das deswegen so klar, weil ich den Text der Anfragebeantwortung auch dreimal durchgelesen habe und zugebe – ohne den Datenschutz zu verletzen –, dass man vielleicht bei schnellem Durchlesen zu einem ähnlichen Schluss kommen könnte, wie Sie ihn jetzt in den Raum gestellt haben. Daher erscheint es mir auch betreffend Kollegin Fabel, ohne hier den Datenschutz für die anderen drei mit infrage kommenden Kabinettschefs zu gefährden, möglich,


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die Frage dahin gehend zu beantworten, dass Frau Fabel aus diesem Titel keinen Schilling bekommen hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie darauf hinweisen, dass hier noch mehrere Anforderungen des Rechnungshofes stehen: Allfällig höhere Bezüge im Rahmen von Arbeitsleihverträgen sind zu begründen und nachvollziehbar zu dokumentieren.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ich auf die Fragen 10 und 11 der Anfrage 2417/J der Abgeordneten Öllinger und Genossen vom 7. Mai 2001 klar geantwortet habe:

"Die Tätigkeit im Büro einer Politikerin oder eines Politikers wird nur relativ kurze Zeit ausgeübt, wobei eine über das übliche Maß hinausgehende Verfügbarkeit erforderlich ist. Zudem ist ein besonderes Vertrauensverhältnis notwendig. Unter diesen Voraussetzungen ist es nahezu unmöglich, ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und zugleich auf Überlassungsverträge gänzlich zu verzichten." – Zitatende.

Diesem Satz ist – so wie ich es Ihnen beantwortet habe – aus meiner Sicht und auch auf Grund der Anregungen des Rechnungshofes nicht mehr viel hinzuzufügen.

Es sind die geeigneten Vereinbarungen zu treffen, um die Abrechnung der Leiharbeitgeber im Hinblick auf Reisekosten, Überstundenleistung sachlich und rechnerisch prüfen und bestätigen zu können. Das wurde nach meiner Ansicht, nach Ansicht meiner Innenrevision und auch nach Ansicht der Beamten aus meiner Personalabteilung ordnungsgemäß gehandhabt, sodass ich mit gutem Gewissen sagen kann, die Forderungen des Rechnungshofes, jene drei Empfehlungen, die er gegeben hat, weitestgehend sowie die Grundvoraussetzungen für Überlassungsverträge, die er gestellt hat, auch eingehalten zu haben.

Sehr geehrter Herr Kollege! Ich darf Folgendes hinzufügen, weil Sie meinen, dass es in meinem Bereich ein Kontrolldefizit gegeben hat: Ich habe bei der Geburtstagsfeier des steirischen Chefredakteurs der "Kleinen Zeitung", Zankel, am Pogusch erfahren, dass es Gerüchte gibt, dass meine Büroleiterin kein abgeschlossenes Jusstudium hat. Ich bin diesem Gerücht am nächsten Tag nachgegangen und habe Kollegin Fabel gebeten, mir die entsprechenden Dokumente vorzulegen.

Von meinem Hause sind ihr von der Personalabteilung 14 Tage vorher die entsprechenden Unterlagen abverlangt worden. Sie hat glaubwürdig und, ich glaube, durchaus nachvollziehbar meinen Beamten mitgeteilt, dass sie in den Tagen bis Ostern ihre Dokumente aus Leoben, woher sie stammt, und aus Kärnten, wo sie ihr ehemaliges Dienstverhältnis hatte, beibringen wird, sodass meine Beamten keinen Verdacht schöpfen konnten, dass hier etwas nicht in Ordnung ist.

Bereits am nächsten Tag, nachdem ich von ihr die Übergabe der Dokumente verlangt hatte, hat sie per E-Mail bei mir gekündigt, und ich habe diese Kündigung angenommen.

Ich sage aber auch klar dazu, dass die Tätigkeit der Leitung eines Ministerbüros nicht von einem akademischen Studium abhängig ist, sondern in dieser Position ausschließlich und allein das Vertrauensverhältnis zum Minister und sonst keine Qualifikation erforderlich ist. Ich habe mich in meinem Vertrauen getäuscht gefühlt und daher die Kündigung angenommen, um nicht anderen Gerüchten, die in der Öffentlichkeit kursieren, das Wort zu reden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie sich die Büroleitungen anderer ansehen und jene aus der Vergangenheit betrachten, so ist durchaus feststellbar, dass nicht immer Akademiker die Leitung der Büros innehatten, weil diese Position keinen akademischen Posten eo ipso voraussetzt.

Wenn ich die angegebenen Beträge, die Bruttobeträge einschließlich Lohn- und Lohnnebenkosten sind, tatsächlich auf das reduziere, was sie sind, nämlich Beamtengehälter in der Stufe A1/4 bis A1/6, wenn ich die Nettosummen, die zur Auszahlung gelangen, betrachte, so meine


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ich, dass mit der ganzen Angelegenheit bei der interessierten Bevölkerung kein Staat zu machen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Debatte ein. Es liegen dazu vier Wortmeldungen vor.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Kräuter begibt sich mit einer großen Tafel zum Rednerpult.)

15.32

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Die Fläche der Visualisierung steigt mit der Kontrollverweigerung der Regierung – oder einfacher gesagt: je größer der Skandal, desto größer das Taferl. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Schüssel im Originalton:

"Mit dem Sparen beginnen wir bei uns, nicht beim kleinen Mann!" – Bundeskanzler Schüssel bei seiner Regierungserklärung im Februar 2000. Unter dem frenetischen Beifall der ÖVP-Abgeordneten – stehende Ovationen, wenn ich mich richtig erinnere –, unter dem Jubel der FPÖ hat er das gesagt. Herr Minister Haupt hat ja damals auch begeistert geklatscht. Auf der Regierungsbank war die inferiore Ministerin Sickl; ich behaupte, dass Dr. Haider sehr bewusst und kalkuliert eine völlig überforderte Person hierher geschickt hat, um die Zerstörung der Sozialversicherung voranzutreiben.

Aber, meine Damen und Herren, wie schaut das eineinhalb Jahre später aus? Worum geht es jetzt bei dieser Besprechung der Anfragebeantwortung zu den Mitarbeitern in den Regierungsbüros? Geht es darum, Herr Minister, wo gespart wird? Wo gibt es weniger Kosten, weniger Personal, weniger Aufwand? Werden die Steuermittel effizient eingesetzt? Gibt es ein kostenbewusstes Personalmanagement? Oder, Herr Minister, geht es um skandalöse Geldverschwendung in Ministerien? Geht es um Prämien für Mitarbeiter in sechsstelliger Höhe? Geht es um Kabinettschefs, die Belohnungen jenseits der 100 000 S kassieren?

"Mit dem Sparen beginnen wir bei uns, nicht beim kleinen Mann", hat es geheißen. Und dann gibt es eine Frau Fabel, die mehr als 200 000 S pro Monat kassiert. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das stimmt ja nicht!) Da wird dann gesagt, das sei ein bedauerlicher Ausreißer. Aber Frau Fabel selbst sagt im Originalton: Na, ich bin beileibe kein Einzelfall.

Minister Haupt sagt bei der Diskussion um die Sozialversicherung immer wieder, wie sparsam, wie effizient gearbeitet werde und dass das Geld den Kranken, den Versicherten zugute kommen solle und nicht der Bürokratie. Im Büro – so haben wir gerade gehört – sei auch alles in Ordnung. Herr Minister! Was ist dann mit dem exorbitanten Personalzuwachs? Was ist mit Anwaltsbüros, die Regierungsmitglieder in jüngster Zeit beschäftigen; Frau Forstinger beispielsweise? In zweistelliger Millionenhöhe werden da nach Tagsätzen Anwälte bezahlt! Oder was ist mit mehr als 50 – und viele davon sind dubios – Leiharbeitsverträgen, die sehr kostspielig sind, im Wissen, dass der Rechnungshof das sehr, sehr kritisch beurteilt?

Meine Damen und Herren! Alle Anträge, die richtigen Personen vor den "kleinen Untersuchungsausschuss" zu laden, sind von der ÖVP und von der FPÖ abgeschmettert worden. Und Sie machen sich lächerlich, Herr Minister, wenn Sie das auf Terminschwierigkeiten zurückführen. Mehrfach sind diese Anträge gestellt worden!

Was macht die FPÖ? Was macht die ÖVP, meine Damen und Herren? – Herr Minister Böhmdorfer wird geladen, obwohl in den Regierungsbüros, was Arbeitsleihverträge, Personalzuwachs und Belohnungen betrifft, ja kaum etwas zu untersuchen ist. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Überschrift "Geldverschwendung Regierungsbüros: Kontrollverweigerung", auf der die Minister Dr. Böhmdorfer, Dr. Forstinger, Mag. Haupt und Dr. Bartenstein sowie Säulendiagramme abgebildet sind, auf das Rednerpult.)


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Ich beeile mich, jetzt Folgendes dazuzusagen: Würde man bei Minister Böhmdorfer andere Dinge kontrollieren, beispielsweise Parteiverflechtungen des Justizministers, käme man mit dieser Tafel gar nicht aus; da bräuchte man wahrscheinlich ein 24-Bogen-Plakat, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Schauen wir uns einmal die Situation in den Regierungsbüros an! Bei Frau Ministerin Forstinger: Arbeitsleihverträge: zwölf, Personalzuwachs: acht. Die Frau Ministerin hatte gestern die Stirn zu sagen, bei ihr gebe es keinen Personalzuwachs. Also das ist ein besonderer Tiefpunkt, dass sich diese Ministerin hierher stellt und ganz eindeutig beweisbar die Unwahrheit sagt. Ungeheuerlich! (Abg. Neudeck: Mit wem haben Sie es verglichen?)

Bei Herrn Minister Haupt: Arbeitsleihverträge: elf, Personalzuwachs: vier – und vor allem: 14,8 Millionen Schilling an Belohnungen! (Abg. Jung: Es ist kein Journalist mehr da!) Und diese Minister, auch Bartenstein gehört dazu, verweigern hiezu die Kontrolle. Angesichts der Tatsache, dass Herr Paul Richard aus Hitzendorf bei Graz, ein Unfallrentner, der ein Bein verloren hat, 6 100 S weniger an monatlicher Pension bekommt, frage ich mich schon, wie es Ihnen geht, Herr Minister, wenn Sie 14,8 Millionen Schilling an Ihre Mitarbeiter ausschütten. Wie man das als Sozialpolitiker, als so genannter Sozialpolitiker, mit sich selbst ausmacht, das müssen Sie mir einmal verraten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Minister! In der "Kleinen Zeitung" ist heute bei einer Benotung zu lesen, dass Sie in der Defensive sind: "Nach der Dilettantin Elisabeth Sickl startete er mit Vorschusslorbeeren ins Sozialministerium. Den Kredit hat er verspielt". – Zitatende.

Herr Minister! Ich fordere Sie auf: Kommen Sie aus dieser Defensive heraus! Sagen Sie vor dem "kleinen Untersuchungsausschuss" zu dieser ungeheuerlichen Geldverschwendung in den Regierungsbüros aus! Und den Schmäh – ich sage das präventiv –, dass Sie sagen, wenn die Mehrheit das beschließt, dann komme ich natürlich, würde ich bitten, Herr Minister, sollten Sie sich gleich abschminken. Entweder sind Sie bereit, zu kommen und auszusagen, oder Sie bleiben in der Defensive. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Neudeck: Für so wenig Inhalt so eine große Tafel!)

15.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.37

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Kräuter, es ist schon etwas eigenartig, dass Sie hier heraus kommen und sich beschweren, dass Sie keine Informationen bekommen. Sie waren nämlich derjenige, der bei der letzten Sitzung des Unterausschusses des Rechnungshofausschusses nach einer halben Stunde gemeinsam mit der grünen Fraktion den Ausschuss verlassen hat, obwohl dort Auskunftspersonen seitens des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes geladen waren, die Kollege Kogler persönlich angefordert hat (Abg. Mag. Kogler: Das ist ja ein Holler!), obwohl dort Mag. Kellner vom Rechnungshof geladen war und jeweils ein Bundesminister von der ÖVP-Fraktion und der freiheitlichen Fraktion.

Sie waren ja überhaupt nicht vorbereitet. Sie hatten überhaupt kein Fragenmaterial. Sie waren nur darauf aus, dass Sie mit Ihrer großen Tafel daherkommen, ein paar Journalisten informieren, dass Sie hier etwas transportieren können, dass das ein Skandal ist, aber Fragen an die beteiligten Personen beziehungsweise an die Auskunftspersonen hatten Sie in diesem Unterausschuss nie vor. Das ist die Tatsache. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir von der freiheitlichen Fraktion solche Unterausschüsse verlangt haben, um etwas zu untersuchen, dann haben wir uns intensiv vorbereitet. Wir haben intensiv hinterfragt und sind dann auch zu einem Ergebnis gekommen. Aber Sie haben in diese Richtung überhaupt kein Interesse, Sie haben auch überhaupt kein Interesse am Datenschutz, ob da irgendein Vertrauensschutz gebrochen wird oder nicht. Es ist ja noch nicht einmal die Vorabentscheidung


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seitens des Verfassungsgerichtshofes da. Der Rechnungshof hat gefordert, die Gehälter beim ORF beziehungsweise in den Ländern und Gemeinden zu überprüfen. Dort ist man nicht dazu bereit, Gehälter über 80 000 S bekannt zu geben.

Deswegen sollten wir auch mit den Daten der einzelnen Mitarbeiter sehr behutsam und sehr sorgsam umgehen. Sie jedoch wollen mit den Daten nicht sehr behutsam und sorgsam umgehen, sondern Sie wollen generell einmal skandalisieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )

Sie werfen zwar den anderen Parteien immer wieder vor, generell zu skandalisieren, tun es jedoch selbst. Ich erinnere Sie an Ihren Pressedienst vom 18. Juni. Da heißt es – ich zitiere –:

Kräuter kritisiert, dass mit den Arbeitsleihverträgen in den Ministerien das Beamtenbesoldungsschema bewusst umgangen werde. Solche Regelungen öffnen der Günstlingswirtschaft Tür und Tor. – Zitatende.

Herr Kollege Kräuter! Hätten Sie doch gefragt, um welche Verträge es geht, die Günstlingswirtschaft beinhalten! Diese Fragen hätten Sie damals im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses stellen können. (Abg. Gradwohl: An wen?) Sie waren aber nicht bereit, dort irgendwelche Fragen zu stellen. (Abg. Mag. Kogler: Hören Sie doch auf!)

Es waren Auskunftspersonen vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes da, es waren Auskunftspersonen des Rechnungshofes da, und es waren als Auskunftspersonen Staatssekretär Finz und Herr Minister Böhmdorfer da. Aber Sie hatten nicht einmal eine Frage vorbereitet, Sie haben diesen Unterausschuss in keiner Weise ernst genommen. Wenn man so etwas ernst nimmt, dann soll man auch entsprechende Frage vorbereiten. Sie wollen nur Populismus betreiben, wie Sie das als Oppositionspartei hier in diesem Hohen Haus bereits bestens vorexerziert haben. – Das ist der Hintergrund. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dann wollten Sie unbedingt Sozialminister Haupt laden. – Das ist in Ordnung. Aber Sie laden Sozialminister Haupt in Kenntnis der Tatsache, dass zur gleichen Zeit eine Sitzung des Sozialausschusses stattfindet, wo allgemeine "Lesungen" seitens der grünen Fraktion stattgefunden haben, eine Ausschusslänge von 17 Stunden provoziert wurde. Zur gleichen Zeit sollte der Sozialminister im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses erscheinen. Sie müssen sich schon einigen, wo er sein soll: hier oder dort!

Kollege Kogler steht offensichtlich in bestem Kontakt mit Frau Fabel, allerdings ist mir nicht ganz klar: Im Rechnungshofausschuss haben Sie gesagt, Sie hätten Frau Fabel angerufen, heute im Plenum haben Sie gesagt, Frau Fabel habe Sie angerufen! – Wer hat wen angerufen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Fabel besonderes Interesse daran hat, mit Ihnen zu sprechen. Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. (Abg. Mag. Kogler: Da täuschen Sie sich aber!)

Wenn sie aber mit Ihnen gesprochen hat, dann wird sie Ihnen auch gesagt haben, dass sie keine außertourliche Belohnung bekommen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort, und zwar im Zuge der jetzt laufenden Debatte, hat sich noch einmal Herr Bundesminister Haupt gemeldet. Für alle Teilnehmer an der Debatte gilt eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte, Herr Minister.

15.42

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur etwas klarstellen: Der 14,8-Millionen-Schilling-Belohnungstopf, den Herr Kollege Dr. Kräuter in die Debatte eingebracht hat, ist der Belohnungstopf für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen, einschließlich aller Außenstellen, einschließlich aller Bundessozialämter und einschließlich aller Untersuchungsanstalten, und das sind über 2 900 Beamte. Sie können sich ausrechnen, wenn schon allein die Weihnachtszahlungen zwischen 1 000 S und 4 000 S ausmachen, wie viel jeder einzelne Beamte aus diesem Topf erhält. – Danke


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schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Kräuter: Das stimmt nicht, Herr Minister!)

15.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

15.43

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens möchte ich vorausschicken – und das steht außer Streit –: Die Mitarbeit in einem Ministerbüro ist außergewöhnlich, sie ist anspruchsvoll, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Und jeder, der irgendwann einmal in der Nähe eines Regierungsbüros tätig war, wird das gerne bestätigen.

Zweitens, und auch das sei hier in aller Deutlichkeit gesagt: Die Situation, wie sie sich heute in den Ministerien darstellt, ist eine Fortschreibung der Praxis, wie sie in der Vergangenheit erfolgreich angewandt wurde.

Herr Kollege Kräuter! Sie können gerne Herrn Kollegen Edlinger oder Frau Kollegin Prammer fragen, wie das in ihren Ministerien seinerzeit gelaufen ist. Frau Prammer hatte als Frauenministerin elf Mitarbeiter, und davon sechs mit Leiharbeitsverträgen. Also von vornherein zu sagen, jeder Leiharbeitsvertrag sei suspekt, jeder Leiharbeitsvertrag sei inakzeptabel, ist nicht richtig – das stimmt einfach nicht! Sie sollten bei der Wahrheit bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch der Rechnungshof sagt eindeutig, dass grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken gegen die Beschäftigung von LeiharbeitnehmerInnen beim Bund bestehen. Also bitte, weshalb die Aufregung in diesem Zusammenhang?

Aber ich muss auch sagen, ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit der Besprechung dieser Anfragebeantwortung, weil wir dadurch die Gelegenheit haben, aufzuzeigen, wie ernst es Ihnen mit der Arbeit im Unterausschuss ist. Es ist Ihnen überhaupt nicht ernst! Sie wollen Fundamentalopposition, Sie wollen Theaterdonner veranstalten, und das ist alles, Herr Kollege Kräuter! Sie haben zwei Termine ungenutzt verstreichen lassen, Sie sind aufgesprungen und weggelaufen, weil Sie sich keine Zeit für die Aufklärung nehmen. Sie glauben, die Arbeit des Unterausschusses über Presseaussendungen machen zu können, aber so geht es nicht. Die Arbeit findet hier im Haus statt und nicht im Pressefoyer, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen noch etwas sagen, weil Sie die Gewerbeberechtigung angesprochen haben: Herr Kollege Kogler! Ich sitze zufällig auch im Untersuchungsausschuss "Euroteam", in dem es um die Vergabe von Millionen geht. Der Rechnungshof sagt, Aufträge im Wert von 111 Millionen Schilling seien an diese Firmen ergangen, und es gab keine einzige Gewerbeberechtigung. Aber in diesem Fall hat Sie das nicht gestört, war das in Ordnung, aber in der vorliegenden Causa wird die Gewerbeberechtigung plötzlich zum Schlüsselelement der gesamten Frage. Lassen Sie sich doch bitte nicht auf diese Ebene herab, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das, was Sie in diesem Unterausschuss gemacht haben, ist Arbeitsverweigerung. Sie wissen genau, dass vorweg, vor der Befragung einer einzigen Auskunftsperson, die Rechtsfragen zu klären sind. Das sind die Fragen des Datenschutzes, das ist die Frage, wann und wie Arbeitsleihverträge gestaltet werden sollen. Und ich bin durchaus Ihrer Meinung, dass man hier auch konstruktive Vorschläge für die Zukunft erarbeiten soll, denn sonst hat die Arbeit überhaupt keinen Sinn, wenn es nur darum geht, Taferln zu verfassen und aufzuzeigen und die Presse mit irgendwelchen fadenscheinigen Argumenten zu füttern.

Wenn Sie die Arbeit ernst nehmen, dann gehen Sie zurück in den Ausschuss, dann nehmen Sie teil an den Ausschusssitzungen, dann erarbeiten wir gemeinsam Vorgangsweisen, die wir dann den Ministerien als Empfehlung vorlegen können! Aber so, wie Sie das machen, wird diese Arbeit leider nicht von Erfolg gekrönt sein.


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Frau Kollegin Silhavy möchte ich im Zusammenhang mit Herrn Kogler, der gemeint hat, die Mehrheit verhindere, die Mehrheit beschließe, und dann gehe etwas oder nicht, auch etwas sagen. Frau Kollegin Silhavy hat heute hier gesagt – und das ist schon lustig; es ist nicht alles falsch, was die Mehrheit beschließt –, die Regierungsparteien missbrauchen die Mehrheit, um Gesetze zu beschließen. Das ist ein sehr interessanter Beitrag und wird irgendwann einmal in die Kuriositätensammlung dieses Hauses eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sind gefordert, die Arbeit im Unterausschuss aufzunehmen. Wir laden Sie dazu herzlich ein. Wir sind zu einer konstruktiven Arbeit bereit, seien Sie es auch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich weiß nicht, wie viele Anfragen betreffend die Ministersekretäre – hauptsächlich vom Kollegen Kostelka, dann von mir, dann vom Kollegen Kogler, dann vom Kollegen Brix – an die verschiedenen Minister, Ministerien gerichtet wurden und wie viele verschiedene Auskünfte wir erhalten haben.

Die Auskünfte differieren in Bezug auf die Lohnsumme, die Auskünfte differieren in Bezug auf die sonstigen Entschädigungen. Es gibt nichts, was die einzelnen Auskünfte miteinander vergleichbar machen würde. Die Auskünfte differieren in Bezug zu den Budgetansätzen, in denen zumindest einzelne dieser Positionen ausgewiesen sein müssten. – So bleibt nur der einzige Schluss übrig: Diese Regierungsparteien, beziehungsweise die Ministerien, haben in ihren Ministerbüros etliches versteckt.

Wenn ich mir nur das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vornehme, wenn ich daran denke, dass es in diesem Ministerbüro innerhalb der 18 Monate seit Regierungsantritt schon fünf Büroleiter gegeben hat, schon fünf Büroleiter verbraucht wurden, wenn ich mir vergegenwärtige, dass eine dieser Büroleiterinnen die schon zitierte Nicht-Magistra Fabel ist, und wenn ich mir dabei vergegenwärtige, dass die Frau Magistra oder Nicht-Magistra Fabel (Rufe bei den Freiheitlichen: Bald schon!)  – bald schon?, es sei ihr vergönnt –, so wie der Herr Bundesminister auch gesagt hat, entlohnt wurde auf Grund ihrer Leistung und dabei der akademische Titel keine Rolle gespielt haben soll und Frau Fabel von sich aus gesagt hat, ja, sie habe bis zu 200 000 S in einem Monat erhalten, dann frage ich mich – diese Frage, Herr Bundesminister, können Sie jetzt nicht beantworten, daher knüpfe ich sie an eine zweite Frage –: Hat vielleicht sonst noch jemand gewusst, dass die Frau Magistra gar keine Magistra ist?

Hat vielleicht dort, wo sie zuerst angestellt wurde, im Bundesland Kärnten, wo man ja gewusst hat, welch fabulöse Person die Frau Fabel ist, jemand gesagt: Liebe Frau Fabel, du bekommst einen schönen Vertrag, und wir bekommen etwas von dem, was du über den Vertrag ausbezahlt bekommst!? – Der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender zum Beispiel, denn über diesen ist die Anstellung gelaufen? Es kann doch wahrscheinlich nicht so sein, dass der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender, zu dem Frau Fabel ja offensichtlich eine besonders innige Beziehung gehabt haben muss, nichts davon gewusst hat, wie es um die akademischen Nicht-Grade der Frau Fabel steht.

Dieses Verhältnis würde dann ja Sinn machen. Der RFW weiß etwas über Frau Fabel, und Frau Fabel weiß auch etwas über dieses Arbeitsverhältnis. Beide haben einen Grund, ganz ruhig zu sein und nur ja nichts öffentlich werden zu lassen. Das würde durchaus einiges davon, wie es gelaufen ist, verständlich machen. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt kommt die Frage an den Herrn Bundesminister: Herr Bundesminister! Ihnen wurde vom Kollegen Kogler die Frage gestellt, wie es mit den Leihverträgen betreffend den RFW aussieht. Wie viel wurde bezahlt? – Die Antwort darauf ist der Herr Bundesminister schuldig geblieben.

Eine abschließende Frage, Herr Bundesminister: Ist es bei den Pauschalabgeltungen für die Belohnung nicht so – 14,8 Millionen Schilling, davon sehr hohe Summen für die Ministermitarbeiter,


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offensichtlich höhere Summen als hier angegeben, weil ja eine der BüroleiterInnen keine Entschädigung erhalten hat –, ist es nicht so, dass sich der Vorwurf an den Hauptverband, es würden dort zu viele Belohnungen ausgeschüttet werden, erledigt, wenn man bedenkt, wie Sie 14,8 Millionen für Ihr Ministerium und da vor allem nur an ganz wenige ausschütten? Hätten Sie sich nicht den Vorwurf an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger diesbezüglich – einigermaßen plausibel – ersparen und stillschweigen müssen, weil es ja in Ihrem eigenen Ministerium auch entsprechende Belohnungen gibt?

Ich stelle deshalb folgenden Antrag:

Antrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

Die unterfertigten Abgeordneten beantragen, die Beantwortung der Anfrage 2342/J durch den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen nicht zur Kenntnis zu nehmen.

*****

(Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Der Antrag, den Herr Abgeordneter Öllinger zur Geschäftsbehandlung gestellt hat, wird daher zur Abstimmung gebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Abgeordneten Öllinger zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Durchführung der Kurzdebatte über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Cap, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A (E) eine Frist bis 25. September 2001 zu setzen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass alle Redner 5 Minuten zur Verfügung haben, mit Ausnahme des Begründers, der 10 Minuten sprechen darf. Falls es eine Stellungnahme von der Regierungsbank vor Beginn der Debatte gibt: ebenfalls 10 Minuten.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

15.54

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Sparen ist angesagt, haben wir gerade vernommen, Sparen ist angesagt, vernehmen wir seit Amtsantritt dieser Bundesregierung. In einer Zeit, in der die Österreicherinnen und Österreicher so stark wie nie belastet werden, wäre wirklich bei der Regierung selbst Sparen angesagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich vor rund einem Jahr, als wir hier die Debatte über die Dienstrechts-Novelle 2000 geführt haben, darauf hingewiesen habe, wie sich die öffentlich Bediensteten fühlen werden, wenn ihnen mitgeteilt wird, dass soundso viele Tausende Planstellen eingespart werden sollen. Voriges Jahr haben wir noch über die Zahl diskutiert, vor einigen Tagen wurde hier im Haus klar gesagt:


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15 000 sollen nicht nachbesetzt werden. Über die Ausgliederungen und Privatisierungen reden wir inzwischen nicht mehr.

Wie fühlen sich die öffentlich Bediensteten, habe ich damals gefragt, wenn ihnen ihr Dienstgeber solche Botschaften mit auf den Weg gibt und gleichzeitig eine Diskussion darüber geführt wird, dass nach – zugegeben notwendigen – Regelungen für die Kabinette gesucht wird? Diese Regelungen wurden in der BDG-Novelle 2000 auch beschlossen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sowohl für Beamte als auch für Vertragsbedienstete sind sie zielführend und zweckmäßig.

Ich frage mich wirklich allen Ernstes: Wie fühlen sich denn die öffentlich Bediensteten ein Jahr später, heute, wenn sie in den Zeitungen lesen und hören, was manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Leihverträge in den Kabinetten verdienen, und sie selbst gleichzeitig zu Tausenden in Frage gestellt werden? – Das ist Gerechtigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist die Fairness, von der Sie sprechen? Das ist Ihre Form des "neuen Regierens"?

Gestern, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich Sie noch einmal ersucht, bei Vergleichen nicht immer nach unten zu nivellieren. All diese Aufforderungen an Sie sind bis zur Stunde ungehört geblieben. Es wird nach unten nivelliert! Nur in den Kabinetten nivellieren Sie nach oben, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Das ist nicht gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Trinkl! D’accord! Vom Grundsatz her sind diese Leiharbeitsverträge zulässig. Ich will die Passagen aus dem Rechnungshofbericht jetzt nicht wiederholen, weil das der Herr Bundesminister dankenswerterweise bereits teilweise angesprochen hat. Der Rechnungshof sagt aber auch, dass die BDG-Novelle 2000 ausgezeichnet dazu geeignet ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetten zu besolden, und es eigentlich eine Ausnahme darstellen soll, dass über die Konstruktion von Arbeitsleihverträgen ausgewichen werden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand von den Rednern der vorangegangenen Kurzdebatte es nicht als eigenes Interesse bezeichnet, dass diese Fragen so rasch wie möglich geklärt werden. Ich glaube, das ist im Interesse der Bundesregierung, das ist im Interesse des Parlaments, das ist im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher. Und wenn Sie so wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es ist das auch im Interesse des Budgets! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher sollten wir diese Fragen gemeinsam so rasch wie möglich in geordneter Form ausdiskutieren. Ich bin sicher, dass bis zum 25. September – so unsere Frist an den Verfassungsausschuss – diese Fragen in geordneter Form sachlich ausdiskutiert werden können. Ich fordere Sie wirklich auf, das zu tun – im Namen der Gerechtigkeit, aber auch im Interesse aller Österreicher! Denken Sie bitte auch an die Tausenden öffentlich Bediensteten, daran, welches Schauspiel ihnen geboten wird!

Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nützen, mich am letzten Tag vor der Sommerpause persönlich, aber auch im Namen meiner Fraktion bei allen öffentlich Bediensteten, vor allem auch bei den Parlamentsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern für die Unterstützung, für die geleistete Arbeit, für den Einsatz für unsere Republik sehr herzlich zu bedanken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch einmal die Einladung: Treten Sie diesem Fristsetzungsantrag bei! Ich bin sicher, es dient dem Parlamentarimus, der Gerechtigkeit, der Fairness und unserer Heimat. (Beifall bei der SPÖ.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Die Redezeiten betragen 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.


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76. Sitzung / Seite 123

16.01

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Vorwurf des Kollegen Trattner, wir, die Opposition, hätten im Unterausschuss keine Fragen gehabt, wir seien ausgezogen, muss ich vehement widersprechen, und ich muss klarstellen: Wir hätten 20 Fragen gehabt, aber Sie haben uns nicht jene Minister geschickt, deren Anwesenheit wir verlangt haben, sondern in der Person des Bundesministers Böhmdorfer und des Staatssekretärs Fink sind jene zwei Regierungsvertreter gekommen, die wir, wie Kollege Kräuter schon gesagt hat, nicht zu befragen hatten oder die wir nicht befragen wollten. (Abg. Neudeck: Die waren aber bestens informiert!)

Zu der vom Kollegen Trinkl angesprochenen Einladung an uns, mitzuarbeiten, möchte ich sagen: Ihnen ist Mitarbeit nur in der Form recht, dass wir zu allem ja sagen. Es wurde von uns verlangt, Minister Böhmdorfer zu befragen, unsere Wünsche und Vorstellungen sind aber an die Adresse des Bundesministers Haupt und an die Adresse der Bundesministerin Forstinger gerichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Während Sie laufend die Österreicherinnen und Österreicher belasten, vergeben Sie Supergagen an Leiharbeitskräfte. Das ist aufklärungsbedürftig! Wie man hört, ist der Fall Fabel kein Einzelfall. So konnte zum Beispiel der Kabinettschef der Frau Bundesminister Forstinger, Willi Berner – davor war er der Kabinettschef des Ex-Ministers Schmid –, bei vollem Gehalt drei Monate lang spazieren gehen. Er hatte sich laut Zeitungsberichten zu arbeiten bereit erklärt. Er war der bestbezahlte Spaziergänger Österreichs. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Trinkl: Der bestbezahlte war der von Wittmann!)

Aufklärungsbedürftig sind vor allem aber auch die Privilegien und Verschwendungen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Österreichs. Aufklärungsbedürftig sind auch Verträge von gewissen Leihkräften mit parteinahen Institutionen wie dem Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender. Aufklärungsbedürftig sind auch die vielen Überstunden mit und ohne Pauschale.

Sie von ÖVP und FPÖ haben unseren Antrag auf Vorladung der beiden Minister Haupt und Forstinger abgelehnt. Meine Frage daher an Sie: Haben Sie etwas zu verbergen? Denn: Wenn alles in Ordnung ist, dann brauchen Sie doch keine Angst zu haben! Sie scheinen aber sehr wohl Angst zu haben. (Abg. Neudeck: Wir haben nichts zu verbergen!)

An die Adresse der Freiheitlichen sei Folgendes gesagt: Sie haben in der Vergangenheit immer wieder den Slogan "Macht braucht Kontrolle" plakatiert. Nun sind Sie selbst an der Macht, aber nun verweigern Sie der Opposition jedes demokratische Recht auf Kontrolle und auf Aufklärung. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend noch Folgendes an die Adresse von ÖVP und FPÖ: Beim Wort "regieren" müssen Sie den ersten Buchstaben, das R, durch den Buchstaben N ersetzen. Sie n egieren nämlich in Ihrem Machtrausch alle demokratischen Grundwerte! (Beifall bei der SPÖ.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hartinger. – Bitte. (Abg. Parnigoni: Die sich eh schon einmal blamiert hat! – Abg. Neudeck  – in Richtung des Abg. Parnigoni –: Die Blamage war auf Ihrer Seite! – Abg. Parnigoni: Da hat er wirklich Recht, der Herr Kogler! – Abg. Neudeck  – in Richtung des Abg. Parnigoni –: Sie haben leider keine Ahnung! Sie Ahnungsloser!)

16.04

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Kogler, zu Ihren Aussagen, in denen Sie von "Kontrollverweigerung", "mauscheln", "vertuschen" sprachen, möchte ich namens meiner Fraktion hier eines deutlich sagen: Diese Qualifizierungen entbehren wirklich jeglicher Grundlage! Ich betone: Wir stehen zur Kontrolle! Kontrolle war und ist für uns Freiheitliche ein wichtiges Thema, und sie ist ein Bestandteil der parlamentarischen Arbeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Nun an die Adresse des Kollegen Kräuter: Lieber Herr Kollege Kräuter! Gegen so viel Polemik und Dilettantismus, wie Sie hier von sich gegeben beziehungsweise an den Tag gelegt haben, ist wirklich kein Kraut gewachsen. Oder glauben Sie, dass Sie durch Ihre Rede dazu beitragen, dass Sie einmal Landesparteiobmann-Stellvertreter oder Landesparteiobmann in der Steiermark werden? Ich glaube es nicht! Aber ich würde es mir für meine Partei wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun auch ein paar Worte an die Adresse des Herrn Kollegen Pendl: Es ist sehr schön, dass Sie sich bei allen Mitarbeitern, die Beamte sind, die im öffentlichen Dienst arbeiten, bedanken. Ich möchte mich auch recht herzlich bei allen Mitarbeitern bedanken, sowohl bei den parlamentarischen als auch bei den Mitarbeitern in den Ministerien und natürlich auch bei den Kabinettsmitarbeitern, denn alle leisten gleich viel Arbeit und sind gleich engagiert für unser Land und für unsere Bürger. Das möchte ich hier auch klargelegt haben.

Da Herr Kollege Kräuter heute hier solche Dinge gesagt hat, muss ich noch einmal sagen – im Rechnungshofausschuss habe ich es ihm schon einmal vorgeworfen –: Wenn man selbst im Glashaus sitzt, soll man nicht mit Steinen werfen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist von Ihnen schon öfters die Bibel zitiert worden. Ich darf nun auch einmal die Bibel zitieren: Der, der ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein!

Die Zahl der Mitarbeiter sozialistischer Bundesminister war nämlich um einiges höher als jene unserer Minister. Auch die Entlohnung war um einiges höher. Ich denke nur an den Pressesprecher des ehemaligen Bundeskanzlers Klima, der mehr als der Bundeskanzler verdient hat. Aber uns Freiheitlichen geht es nicht um Menschenhatz. Ich nenne hier, Herr Kollege Kräuter, keine Namen, weil ich an der Arbeit der einzelnen Mitarbeiter interessiert bin und die einzelnen Mitarbeiter und die Arbeitnehmer schätze. Sie haben den Status der Arbeitnehmerpartei ohnehin schon verloren. Den haben jetzt wir! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Herr Kollege Kräuter! Arbeitsleihverträge hat es auch bei Ihren Herren Ministern gegeben. Wissen Sie von welchen Institutionen? – Das ist besonders interessant! Diese kamen vom ÖGB, von der Arbeiterkammer und auch von den ÖBB. Also auch das hat es schon gegeben. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Nun auch ein paar Worte zur letzten Sitzung des Rechnungshofunterausschusses. Zeugen zu laden und sie dann nicht zu befragen, weil Sie andere Zeugen wollten, wobei Sie aber genau wussten, dass diese Zeugen, nämlich auch unser Herr Minister Haupt, zur gleichen Zeit in einem anderen Ausschuss zugegen sein mussten, das finde ich wirklich eine Sauerei. Das, was Sie bezwecken ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Abgeordnete, das geht nicht! Bitte nehmen Sie diesen Ausdruck zurück!

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (fortsetzend): Was? Sauerei? (Abg. Dr. Cap: Sie weiß nicht, was sie gesagt hat!)  – Es tut mir Leid. Ich entschuldige mich! Es ist trotzdem traurig, dass es so war: dass Sie nur einen Skandal provozieren wollten und nicht mehr. Was hätte denn Herr Minister Haupt tun sollen? (Abg. Neudeck: Aber "Schweinerei" geht! Das ist sexistisch!)

Dass Sie als Opposition keine anderen Themen für die Bürger finden, ist wirklich traurig.

Weil Herr Kollege Öllinger gemeint hat, wie viele Anfragen zu diesem Thema schon gestellt wurden: Herr Kollege Öllinger! Ich darf Ihnen helfen, es waren 66 – ich kann sie Ihnen genau vorlesen –, und sie alle wurden nach bestem Wissen und Gewissen von den einzelnen Ministern beantwortet. Ich weiß nicht, was Sie noch mehr wollen. Was wollen Sie mehr? (Abg. Öllinger: Eine richtige Antwort!) – Es ist eine richtige Antwort. Für Sie ist es vielleicht eine falsche, für uns ist es die richtige Antwort, und es ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich hoffe, Sie als ehemalige Arbeitnehmerpartei – das ist an die Adresse der Sozialisten gerichtet – haben auch schon vom Schutz der personenbezogenen Daten gehört. (Ruf bei der SPÖ: Haider!) Worum geht es Ihnen? – Um einen Skandal, wo es keinen gibt, darum, zu beweisen, dass wir ineffizient arbeiten – nein, das wird Ihnen nicht gelingen! Ihnen geht es darum, zu beweisen, dass die Mitarbeiter zu viel verdienen – nein, auch das wird Ihnen nicht gelingen, denn die Mitarbeiter arbeiten leistungsorientiert und werden leistungsorientiert honoriert. Ihnen geht es vor allem auch darum, zu beweisen, dass unsere Minister nicht auskunftsbereit sind – aber auch das wird Ihnen nicht gelingen.

Wir haben nichts zu verbergen. Wir arbeiten für alle Menschen in unserem Land, und das korrekt und effizient. Unser Erfolg sind die Offenheit, die Ehrlichkeit und die Arbeit mit Herz. Lassen Sie sich das hinter die Ohren schreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte. (Abg. Parnigoni  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Prinz  –: Bitte, leise! – Abg. Neudeck: Wieso? Wollen Sie schon schlafen, Herr Parnigoni?)

16.09

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf Grund des heutigen Fristsetzungsantrages des Herrn Klubobmannes Cap, dass die Materie "Untersuchung der Ministerbüros" im Verfassungsausschuss bis 25. September verhandelt werden soll, habe ich den Eindruck, dass Herr Kollege Kräuter als Fraktionsführer der SPÖ im Rechnungshofunterausschuss überfordert ist, da Ihrer Meinung nach die Materie jetzt in einem anderen Ausschuss behandelt werden sollte, obwohl der Rechnungshofunterausschuss genau diese Aufgabe hat, nämlich die Ministerbüros auf ihre Gebarung hin zu überprüfen.

Herr Dr. Kräuter! Wenn Sie und Ihre Ausschusskollegen im Rechnungshofunterausschuss konstruktiv mitarbeiten und nicht nach einer halben Stunde davonlaufen würden, wie das in der Sitzung vom 28. Juni geschehen ist, dann könnten wir uns Fristsetzungen wie die heutige ersparen. Für mich stellt sich wirklich die Frage: Nimmt sich Herr Dr. Kräuter und nimmt sich die SPÖ selbst überhaupt noch ernst? – Ich glaube nicht, denn die Vorgangsweise, die da geboten wird, ist geradezu lächerlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Es wäre ganz einfach gewesen: Es war eine Vorgangsweise ausgemacht, die nur eingehalten zu werden brauchte. Zuerst wären die grundsätzlichen Fragen mit dem Rechnungshof geklärt worden, wie zum Beispiel Fragen des Datenschutzes.

Herr Kollege Kogler hatte unter anderem verlangt, dass von Seiten der ÖVP Herr Staatssekretär Finz als Auskunftsperson zur Verfügung steht. Selbstverständlich war der Herr Staatssekretär am 28. Juni mit von der Partie.

Die Grundsatzfragen zum Datenschutz würden wir natürlich gerne einmal klären. Herr Dr. Okresek vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes und Sektionschef Kellner vom Rechnungshof wären ja zur Verfügung gestanden. Diese Fragen sind sehr wichtig. Es gibt ja einen Rechnungshofbericht für die Jahre 1995 bis 1998 mit demselben Prüfauftrag.

Wenn man sich den Rechnungshofbericht anschaut, dann sieht man, dass es wichtig ist, dass diese Grundsatzfragen einmal geklärt werden und dass dann entsprechend weitergearbeitet wird. Aber die SPÖ und die Grünen verweigern die Mitarbeit. Vielleicht verweigern sie sie deswegen, weil wir als Regierungsparteien ihr Medienspektakel nicht mitmachen wollen, sondern das sachlich und vernünftig, wie es unsere Art ist, aufklären wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Richtig!)

Meine Damen und Herren! Wenn man das so dilettantisch angeht, wie schon mehrmals gesagt wurde, und Herrn Bundesminister Haupt für denselben Zeitpunkt, zu dem er der Sozialausschusssitzung beiwohnt, laden möchte – es ist ja schon physisch nicht möglich, dass er da ist –,


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dann muss ich sagen: Im Fußballjargon würde das heißen: Solch ein Querpass ist höchst durchsichtig, denn fängt man einfach ab! Aber Sie sind vielleicht ein bisschen schlechtere Sportler, da kann man nichts machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen, dass entsprechend dem Auftrag im Unterausschuss gearbeitet wird. Die Termine sind angeboten worden. Sie brauchen nur ja zu sagen und entsprechend mitzutun. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Natürlich geht es um Verbesserungen, zum Beispiel bei den angesprochenen Arbeitsleihverträgen.

Meine Damen und Herren! Apropos Arbeitsleihverträge: Es gibt eine Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanzlers außer Dienst Klima – mittlerweile hat er sich nach Argentinien vertschüsst –, in welcher er auf die Anfrage 5432/J aus dem Jahre 1998 Folgendes schreibt – wörtlich –:

"In meinem Ressort sind 57 Personen aufgrund von Arbeitsleihverträgen beschäftigt."

Ich wiederhole: 57 Personen – eine gigantische Zahl! – waren im Kabinett des Herrn Bundeskanzlers außer Dienst Viktor Klima auf Grund von Arbeitsleihverträgen beschäftigt. (Abg. Dr. Khol: Wie viele?) 57! Ich sage es zum dritten und zum letzten Mal. (Abg. Schwarzenberger: Das ist ja ein Heer!)

Meine Damen und Herren! Zudem enthält der Rechnungshofbericht einige durchaus kritische Passagen zum Kabinett des Herrn Bundeskanzlers außer Dienst Klima, in denen es um die widmungsgemäße, ausbildungsgemäße Verwendung der Mitarbeiter geht oder darum, dass es eine Kündigungsfrist von einem Jahr gibt. Dieses eine Jahr hat 1,7 Millionen Schilling gekostet – nur nebenbei gesagt.

Ich glaube durchaus, dass die SPÖ ein bisschen etwas zu verbergen hat, weil sie die Arbeit verweigert. Sonst wäre das nicht möglich. Daher, lieber Herr Dr. Kräuter, appelliere ich an Sie: Kehren Sie und Ihre Fraktion zur Arbeit zurück, statt Fristsetzungsanträge zu stellen.

Eine Bitte habe ich in diesem Zusammenhang schon auch: Herr Dr. Kräuter! Stellen Sie das ein, dass Sie von der "Arbeit von Unfähigen und Überbezahlten" reden, wenn es um Ministerbüros geht. Ich glaube, das haben sich diese Menschen wirklich nicht verdient, denn sie bemühen sich, bestmöglich für Österreich zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ihre heutige Aktion mit dem Fristsetzungsantrag und der Kurzdebatte darüber unterstreicht an sich Ihre Taferlwirtschaft mit "save our system". Besinnen Sie sich und kehren Sie zur Arbeit im Rechnungshofunterausschuss zurück! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

16.14

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Prinz und die Vorredner der schwarz-blauen Regierungstruppe in dem Unterausschuss, muss man da schon sagen! Ich glaube, es wäre sehr nützlich und hilfreich, wenn man Ihnen einmal einen Filmführer von Wien überreichen würde – ich werde das persönlich übernehmen –, denn so zwanghaft und zielsicher, wie Sie im falschen Film herumrennen, das ist sagenhaft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie gehen hier heraus und behaupten, dass die SPÖ und auch die Grünen irgendwo ausgezogen seien, wo alles bestens, arbeitsbereit und menüfertig hergerichtet gewesen wäre. (Abg. Neudeck: Das war ja auch so! Ich war dabei!) Das genaue Gegenteil ist wahr! Der erste Termin hat sich dadurch ausgezeichnet, dass überhaupt keine Auskunftspersonen da waren. (Abg. Neudeck: Das stimmt ja nicht! – Ruf bei der SPÖ – in Richtung des Abg. Neudeck –: Sie sagen die Unwahrheit! – Ruf: Der Verfassungsdienst war da, der Rechnungshof war da!)


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Das ist doch überhaupt nicht wahr! Das beweist ja nur, dass Sie nicht einmal den ersten und den zweiten Termin auseinander halten können. Beim ersten Termin wollten wir den Experten des Rechnungshofes zur Verfügung gestellt haben. Ich habe im Vorfeld ein Gespräch mit ihm geführt. Er wäre bereit gewesen, an dem betreffenden Tag noch zu kommen. Aber in den Vorverhandlungen auf den Ausschuss hin haben es der Vorsitzende Gaugg einerseits (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen)  – danke, Herr Präsident! –, was ja eine Unglückskonstellation ist, wie wir wissen, aber bitte, und die Fraktionsführer von Blau und Schwarz andererseits verhindert, dass überhaupt Auskunftspersonen kommen konnten. An dem Tag, an dem längst schon Minister, in deren Kabinetten tatsächlich etwas aufzuklären wäre, hätten befragt werden sollen, haben Sie uns per Mehrheitsbeschluss irgendwelche Personen hingesetzt, bei denen sicher nichts zum Nachschauen ist, auch unserem Befund nach.

Was soll dieser Holler? Dann stellen Sie sich hier her und sagen: Die Opposition zieht aus und betreibt Verweigerung. (Abg. Haigermoser: Tut sie ja!) Wissen Sie, wer da Verweigerung betreibt? – Sie betreiben Kontrollverweigerung – mit Ansage! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Keine Polemik! Nehmen Sie sich zurück!)

Das wundert mich mittlerweile aber nicht mehr, weil die Zustände, die in den blau-schwarzen Büros herrschen, alles übertreffen, was bisher da war. Ich beschönige ja nicht, was früher war. (Abg. Dr. Khol: 57!) Ich sage ja nicht, dass das alles toll war. Aber das, was mich so fasziniert, ist, dass in so kurzer Zeit noch so viele Verschlechterungen eintreten können. Nie zuvor ist so ungeniert in die Privilegienkiste gegriffen worden wie für die blauen Parteigünstlinge. Lassen Sie sich das gesagt sein! Tatsächlich! Ich bin selbst überrascht, dass das geht, aber Sie haben erstens abgedankt als Vertreter des "kleinen Mannes", was immer das ist, und zweitens auch als Kontrollpartei. Das merkt man bei jeder Ihrer Initiativen. (Abg. Neudeck: Peinlich!)

Abschließend noch einmal zum Ausschuss: Wenn Sie glaubwürdig bleiben wollen, dann nehmen Sie doch unser Angebot an! Machen wir nächste Woche eine Sitzung des Unterausschusses. Khol und Westenthaler haben ja in der Präsidiale zugesagt, dass das evaluiert werden soll. Mein Befund lautet und Ihr Befund sollte lauten, dass wir auf einen Kompromiss zugehen sollten. Man wird einen Minister befragen müssen, wo tatsächlich Verdachtsmomente bestehen. Man wird nicht andere befragen, das werden Sie wohl einsehen. Das glaubt Ihnen ja kein Mensch mehr, wenn Sie sich nicht selbst in die Lächerlichkeit begeben wollen.

Also: Frau Minister Forstinger, Herr Minister Haupt – da könnten wir uns arrangieren – und die Experten, die Sie das letzte Mal mit einer Sitzungsverzögerung mit Mehrheit geladen haben. Das wäre ein Kompromiss! (Abg. Neudeck: Keine Polemik vom Rednerpult!)

"Keine Polemik vom Rednerpult" (Abg. Haigermoser  Beifall spendend –: Jawohl!)  – welch ein Unsinn ist denn das? Hören Sie! Ich ärgere mich ja direkt, dass ich auf so einen Blödsinn eingehe. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Aber bitte! (Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das verdient einen Ordnungsruf!)

Es ist ohnehin so: Der Befund ist eindeutig, was Ihre Fraktionen betrifft. Bitte verabschieden Sie sich von Ihrem Vertuschungskartell! Geben Sie den Weg frei! Treffen wir uns nächste Woche im Unterausschuss. Wenn Sie das weiter vertuschen, dann werden Sie schon sehen, was Sie davon haben. (Beifall bei den Grünen.)

16.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A (E) betreffend sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros der blau-schwarzen Bundesregierung eine Frist bis zum 25. September zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Fristsetzungsantrag hat nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.


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10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (595 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert wird (735 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

16.19

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Neuordnung der Heimarbeitskommission ist nur eine einzige Änderung des § 52 des Heimarbeitsgesetzes 1960 betreffend die Überwachung der Entgeltzahlung notwendig. Ich möchte zu diesem Thema doch einige Worte sagen, obwohl im Ausschuss für Arbeit und Soziales bereits Einstimmigkeit erzielt worden ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bedarf an im Gewerbe tätigen Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter ist in letzter Zeit sehr stark zurückgegangen. So waren zum Stichtag Ende Juni des heurigen Jahres beim AMS in ganz Österreich nur mehr 17 offene Stellen für Heimarbeiter und Heimarbeiterinnen vorgemerkt beziehungsweise von der Wirtschaft gemeldet. Betriebe, die früher einfache Arbeiten vielfach in Heimarbeit vergeben haben, beschäftigen nunmehr Teilzeitkräfte mit flexiblen Arbeitszeiten in den Betrieben und somit in besseren Dienstverhältnissen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Entwicklung kommt vielfach Frauen zugute, die aus familiären Gründen keiner Ganztagsarbeit nachgehen können. Durch das vermehrte Angebot von Teilzeitarbeit mit flexiblen Arbeitszeiten wurden in letzter Zeit Arbeitsplätze speziell für Frauen, die nun nicht mehr einen Teil ihrer Wohnung als Arbeitsplatz zur Verfügung stellen müssen und nicht mehr selbst für Arbeitshilfen, Geräte und Energiekosten zu sorgen haben, geschaffen. Andererseits werden speziell Billigarbeiten auch immer öfter in Ländern durchgeführt, in denen die Lohnkosten sowie naturgemäß auch die Lohnnebenkosten wesentlich günstiger sind als in Österreich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts des Rückganges an Arbeitsplätzen für HeimarbeiterInnen schlägt die Regierung eine Umorganisation der bestehenden Heimarbeitskommission vor. Vorgesehen ist, die Entgeltberechner der Heimarbeitskommission den Arbeitsinspektoraten zuzuordnen und die Geschäftsstellen der Heimarbeitskommission in Wien aufzulösen. Die Neuregelung des Entgeltschutzes bei Unterentlohnung wird ebenfalls vom Arbeitsinspektorat durchgeführt, ebenso die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften des Heimarbeitergesamtvertrages und der Heimarbeitstarife der im Einzelvertrag festgesetzten Entgeltbestimmungen.

Bei der Vergabe von Heimarbeiten kam es immer wieder zu einer Unterentlohnung in beträchtlichem Ausmaß. Wenn das Arbeitsinspektorat Unterentlohnung feststellt, hat es entsprechend dem Heimarbeitsgesetz den Auftraggeber aufzufordern, den Minderbetrag nachzuzahlen. Das ist eine wichtige Angelegenheit. Die Arbeitsinspektorate sind nun dafür zuständig, dass die Heimarbeiter entsprechend geschützt werden und auch zu ihrer Entlohnung kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Das wäre ein guter Schlusssatz gewesen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Für den Bund ergeben sich auf Grund der Auflassung der Geschäftsstellen der Heimarbeitskommission in Wien Einsparungen durch den Entfall der Aufwendungen für die Geschäftsstellen sowie durch Einsparung der Planstelle des Geschäftsstellenleiters. Dem Rückgang des Bedarfs an Dienstleistungen der Heimarbeitskommission wird daher von dieser Regierung auch durch Einsparung in der Verwaltung Rechnung getragen. Die


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Leistungen für HeimarbeiterInnen bleiben jedoch aufrecht. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Dies ist wieder ein Beispiel dafür, sehr geehrte Damen und Herren, dass diese Regierung auch in kleineren Bereichen des öffentlichen Dienstes die Verwaltung kostengünstig, flexibel und effizient gestaltet. Ich ersuche daher um Ihre Zustimmung zur Änderung des Heimarbeitsgesetzes 1960. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 735 der Beilagen betreffend das Heimarbeitsgesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt in zweiter Lesung einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

11. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (629 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle) (689 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 224/A (E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen betreffend Schließung datenschutzrechtlicher Lücken im Ärztegesetz 1998 (690 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.25

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Nicht Fundamental-Opposition oder Justamentstandpunkte sind es, meine Damen und Herren, die uns bewogen haben, die zur Beschlussfassung anstehende Novelle zum Ärztegesetz abzulehnen. Schwerwiegende Gründe, auf die ich noch näher eingehen werde, sind es, die es dem sozialdemokratischen Parlamentsklub unmöglich machen, dieser Novelle die Zustimmung zu erteilen. Es ist schlicht und ergreifend Ihre Politik, meine Damen und Herren, die zutiefst inhuman, unsozial, intolerant und in vielen Bereichen rückwärts gerichtet ist. Wenn Sie all das noch als Reform verkaufen wollen, so betrachte ich dies als Ausdruck einer gewissen Frivolität. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich werde jetzt versuchen, anhand von zwei Beispielen aufzuzeigen, wo diese Geisteshaltung in diesem Ärztegesetz besonders zum Tragen kommt.


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Meine Damen und Herren! Mit großem Bedauern und Unverständnis mussten wir feststellen, dass bei dieser Novelle jene Bestimmungen, die für Asylberechtigte Erleichterungen bei der Ausübung der ärztlichen beziehungsweise zahnärztlichen Berufe vorsehen, ersatzlos gestrichen wurden. Im Klartext, meine Damen und Herren von der schwarz-blauen Regierung: In Fortsetzung Ihrer zutiefst inhumanen Politik wurde jenes Bemühen, das sich im Ärztegesetz 1998 widerspiegelt, nämlich die durch die Genfer Flüchtlingskommission auferlegte Verpflichtung, mit großzügigen Rechtsvorschriften die gesellschaftliche Integration von Asylberechtigten in nationales Recht umzusetzen, mit einem Schlag zunichte gemacht.

Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist insbesondere die Tatsache, dass es zu diesem neuerlichen Sündenfall nach dem Begutachtungsverfahren gekommen ist, dass das danach aus der Regierungsvorlage entfernt oder herausreklamiert worden ist. Auch hier werden Ihre demokratiepolitischen Defizite einmal mehr offenbar. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Deshalb müssen sie die Gesetze dauernd reparieren da herinnen!)

Erstaunlich ist auch, dass Sie, meine Damen und Herren, jene Deklaration oder Präambel, welche Sie anlässlich Ihres Regierungsantrittes unterzeichnet haben, offensichtlich vergessen haben. (Abg. Dr. Rasinger  – in Richtung des Redners –: Manfred, das ist falsch, was du da sagst!)  – Ich kenne ja den Abänderungsantrag; ich komme gleich darauf zu sprechen. Er verbessert das Ganze ja nicht wesentlich, lieber Dr. Rasinger. (Abg. Dr. Rasinger: Das stimmt ja nicht!) Er verbessert es nicht!

Herr Dr. Rasinger! Ich werde euch jene Passagen der Präambel ein wenig näher bringen, weil ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man euch immer an das erinnert, was ihr bei eurem Betriebsantritt – pardon, Regierungsantritt – unterschrieben habt. (Abg. Dr. Rasinger: "Betriebsunfall" wolltest du sagen!)

"Die Bundesregierung tritt für Respekt, Toleranz und Verständnis für alle Menschen ein, ungeachtet ihrer Herkunft, Religion und Weltanschauung. Sie verurteilt und bekämpft mit Nachdruck jegliche Form von Diskriminierung, Intoleranz und Verhetzung in allen Bereichen. Sie erstrebt eine Gesellschaft, die vom Geist des Humanismus und der Toleranz gegenüber den Angehörigen aller gesellschaftlichen Gruppen geprägt ist." (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Herr Kollege Pumberger, dass Sie da nicht mitreden können, verstehe ich ja. Deswegen würde ich Ihnen auch empfehlen, sich wenigstens nicht an der Diskussion zu beteiligen. Das wäre ein Akt der Ehrlichkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich ja wirklich, ob sozusagen das Eliminieren jener Passage aus dem Gesetz mit dieser Deklaration, mit dieser Präambel kompatibel ist. Ich glaube dies nicht, meine Damen und Herren. Auch hier wieder ein Verstoß gegen diese Präambel, die Sie unterzeichnet haben.

Lieber Kollege Rasinger! Ich komme jetzt ganz kurz auf jenen Abänderungsantrag zu sprechen, der mir in altbewährter Art vor 5 Minuten zugegangen ist. Auch da wieder diese demokratiepolitischen Defizite. Wir bekommen das immer zwischen Tür und Angel von euch übermittelt.

Kollege Rasinger! Ich habe mir das genau angeschaut und festgestellt, es ist euch da natürlich wieder ein Betriebsunfall passiert, und frei nach Westenthalerscher Diktion hat man die Deutschkurse auf Umwegen in dieses Gesetz hineinreklamiert. Ihr geht nämlich jetzt von dem ab, was sehr wichtig war: dass die deutsche Sprache nicht notwendig ist, wenn man Patienten in der eigenen Muttersprache behandelt. Lieber Kollege Rasinger! Auch du solltest da eine gewisse Ehrlichkeit an den Tag legen.

Insgesamt, Kollege Rasinger, verbessert dieser Abänderungsantrag die Situation nicht wesentlich, damit das auch einmal klar festgestellt ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht die SPÖ, aber eine wirklich sehr hoch stehende moralische Instanz, nämlich der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, hat in einem Appell an euch gefordert, es so zu belassen, wie es im Gesetz war, weil sich diese Gesetzesbestimmung bewährt hat. Herr Dr. Rasinger! Warum habt ihr euch von Herrn Dr. Pumberger überreden lassen? Das ist ja


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nichts Neues, was da jetzt hineinkommt, das war schon bei der Novelle 1998 in Diskussion, und auch damals war es die FPÖ, die vehement darauf gedrängt hat, dass diese Passage nicht in das Gesetz hineinkommt. Also es ist nichts Neues.

Der nächste Sündenfall, lieber Dr. Rasinger, ist dann schon etwas schwerwiegender: der Bereich der Anzeigepflicht. Auch hier, lieber Kollege Rasinger ... (Abg. Dr. Rasinger: Warum soll das ein Sündenfall sein?) – Natürlich! Ihr habt wirklich eine bewährte gesetzliche Passage aus dem Gesetz herausgenommen. (Abg. Dr. Rasinger: Du schützt die Falschen!) Nein, ich schütze nicht die Falschen, Kollege Rasinger. Ich weiß nicht, vielleicht ist das einer gewissen Vergesslichkeit deinerseits zuzuschreiben. Ich möchte nur deine Pressemitteilung erwähnen, die unmittelbar nach Bekanntwerden, dass diese Passage aus dem Gesetz entfernt worden ist, also die Anzeigepflicht wieder verbindlich eingeführt worden ist, gemacht wurde. Da hast du dich in der Öffentlichkeit genau über diese Vorgangsweise alteriert, lieber Kollege Rasinger, aber es ist wirklich bedauerlich, dass du das alles innerhalb so kurzer Zeit schon vergessen hast.

Alle Expertinnen und Experten bedauern diese Maßnahme, lieber Kollege Rasinger, und es ist bedauerlich, dass sich die ÖVP von der FPÖ auch in dieser Angelegenheit über den Tisch ziehen hat lassen.

Meine Damen und Herren! Ich bringe zum Abschluss noch folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Manfred Lackner und GenossInnen zum Gesetzentwurf im Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (629 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle) (689 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Z 6 lautet:

"6. Nach § 4 Abs. 7 wird folgender Abs. 8 angefügt:

(8) Für Staatsangehörige eines Vertragsstaates eines Abkommens mit den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten, welches die Mitgliedstaaten zur Inländergleichbehandlung hinsichtlich des Niederlassungsrechts und des Dienstleistungsverkehrs verpflichtet, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z 1 für die freiberufliche Berufsausübung."

2. Z 25 lautet:

"25. Nach § 18 Abs. 6 wird folgender Abs. 7 angefügt:

(7) Für Staatsangehörige eines Vertragsstaates eines Abkommens mit den Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten, welches die Mitgliedstaaten zur Inländergleichbehandlung hinsichtlich des Niederlassungsrechts und des Dienstleistungsverkehrs verpflichtet, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z 1 für die freiberufliche Berufsausübung."

3. Z 49 entfällt.

4. Z 151 lautet:

"151. Dem § 210 wird folgender Abs. 4 angefügt:


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(4) Zum Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2001 (2. Ärztegesetz-Novelle) in Kraft stehende Bewilligungen gemäß §§ 32 und 33 des Ärztegesetzes 1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 169 bleiben unberührt."

*****

Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, der von Herrn Abgeordnetem Lackner verlesen wurde, ist ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. (Abg. Dr. Pumberger  – auf dem Weg zum Rednerpult –: 3 Minuten?)  – Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt, aber bitte, das ist kein Diktat, das ist mir so vorgeschlagen worden. – Bitte.

16.35

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Da kann ich natürlich nicht auf den Vorredner eingehen, wenn ich nur 3 Minuten Redezeit habe, aber ich möchte schon das Hauptthema dieser Novelle anschneiden, nämlich die Kindesmisshandlung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind hier eindeutig auf der Seite der Opfer, und wir wollen nicht die Täter schützen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Widerspruch bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte hier nur ein paar Berichte des letzten Jahres aufzeigen:

Acht Jahre Haft für Koch, der Kinder missbrauchte. – Der pädophil Veranlagte hatte schon einmal einen Siebenjährigen in einen Tierpark ausgeführt, zu einem Esel in den Stall gelockt, den Buben dort halb tot gewürgt und danach sexuell missbraucht. Das Kind erstickte.

Oder: Ehepaar wegen sexuellen Missbrauchs der Tochter verurteilt.

Oder: Kindesmissbrauch durch Esoterik-Guru.

Schwere Vorwürfe gegen fünffachen Vater: Kinder mit Peitschen und Lederriemen gezüchtigt.

Man kommt aus der Situation ohne Hilfe einfach nicht mehr heraus, sagt ein Kinderschänder, der sechs Kinder jahrelang missbraucht hat.

Oder: Zwei Jahre Haftstrafe für einen Althofener, der sich an Mädchen vergangen hat.

Acht Jahre Haft für einen Sextäter.

Missbrauchte Kinder in Wien.

Acht Buben hat ein Jungscharführer in Feldkirchen missbraucht.

Und so geht es weiter: Ein Linzer missbrauchte das Nachbarmädchen, neun Jahre.

Allein in Innsbruck, Tirol, 67 missbrauchte Kinder im Jahr 1999.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass wir verschärften Opferschutz brauchen, dass wir verschärft gegen Kindesmisshandler vorgehen müssen, das versteht sogar die sozialistische Justizministerin aus der Bundesrepublik Deutschland, die jetzt ein Eckpunktepapier erarbeitet hat: Vorschriften gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Danach soll sich in Zukunft auch der strafbar machen, der von solchen Vorgängen weiß und sie nicht anzeigt. – Das macht Ihre Genossin in der Bundesrepublik Deutschland! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Deutschland! Dort versteht man offenbar, was es heißt, als Kind misshandelt zu werden. Da muss man schauen, dass die Täter aus dem Verkehr gezogen werden. Die Täter sind fast


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immer Wiederholungstäter, sexuell abnorme Straftäter. (Abg. Huber: Aber die sind ja schon verhaftet oder bestraft worden!)

Daher haben wir in das Gesetz eingebaut, dass die Anzeigepflicht wieder kommt, es sei denn, es besteht der Verdacht, dass das im Familienbereich stattfindet. Dann werden Jugendwohlfahrt, Opfer- und Kinderschutzgruppen eingeschaltet, und dann besteht immer noch die Möglichkeit, es später anzuzeigen. Es ist also an alles gedacht. Es regt sich nur mehr die Prammer auf, die sagt: Polemik auf dem Rücken der Kinder! Oder die Binder – ich kenne sie nicht, aber sie sitzt auch irgendwo hier herinnen –, die sagt: Anzeigepflicht nicht im Sinne der misshandelten Kinder. Oder die Heinisch-Hosek: Anzeigepflicht für Ärzte bei Gewalt gegen Kinder schafft mehr Leid für missbrauchte Kinder.

Ein Kollege, der mitverhandelt hat, ein Experte, der die Kinderschutzgruppen in Österreich eingeführt hat, der ordentliche Universitätsprofessor Dr. Michael Höllwarth aus Graz, schrieb mir einen Brief, den ich abschließend zur Verlesung bringe – ich zitiere –:

Sehr geehrter Herr Dr. Pumberger! Für Ihre Hilfe und Unterstützung bei der Änderung des § 54 Ärztegesetz möchte ich mich nochmals recht herzlich bedanken. Ich bin der Auffassung, dass die gefundene Lösung ausgezeichnet ist, und sehe, immerhin mit zehn Jahren Erfahrung in einer Kinderschutzgruppe, eine durchaus konstruktive und für die Arbeit brauchbare gesetzliche Festlegung. Da vereinzelt anders lautende Meinungen mit viel Aufwand, aber ohne Sachkenntnisse publiziert werden, liegt es mir am Herzen, Ihnen nochmals für Ihre sachbezogene Unterstützung zu danken. – Zitatende.

Ich bedanke mich ebenfalls für diesen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

16.40

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Im Ärztegesetz sind drei wesentliche Punkte enthalten, die ich besprechen möchte: erstens die Gruppenpraxen, zweitens die Anzeigepflicht und drittens die Berufsausübung von Asylantinnen und Asylanten, sofern sie promovierte ÄrztInnen sind.

Dem Gruppenpraxengesetz stehen wir wirklich positiv gegenüber, weil hier sehr vieles einerseits zugunsten der Patienten verbessert werden kann, andererseits auch zugunsten der Ärzte und drittens – und das ist nicht ganz unwichtig – auch zugunsten der Sozialversicherungen, weil man ja annehmen muss, dass solch ein System aus unterschiedlichen Gründen, die ich gleich erklären werde, auch etwas Kosten sparend wirken könnte, sage ich jetzt einmal.

Was mich aber trotzdem noch irritiert und nicht ganz befriedigt, ist, dass über die Bedarfsorientierung solcher Gruppenpraxen etwas wenige Worte verloren wurden. Im ursprünglichen Ministerialentwurf hat man eine Befristung von 30 Jahren festgelegt, weil 30 Jahre nach Gründung zumindest die Gründergeneration schon in Pension gehen könnte, die Geräte amortisiert wären und man dann noch einmal fragen muss: Gibt es da Zuwanderung, Abwanderung? Braucht man das noch? Wäre diese Gruppenpraxis vielleicht fünf Kilometer weiter günstiger et cetera? – Das hat man zurückgenommen. Man kann darüber spekulieren, warum man das zurückgenommen hat.

Die Patientenvorteile hätte man auch etwas strikter im Gesetz festlegen können, nämlich Unter-Garantie-Setzung verlängerter, gestaffelter Öffnungszeiten, Erreichbarkeit von Ärzten; ich will nicht sagen: rund um die Uhr, aber zumindest teilweise auch an Samstagen, Sonn- und Feiertagen und teilweise in den frühen Abendstunden. – Das ließe sich machen.

Für die Patienten hat es auch den Vorteil der Zeitersparnis. Sie würden sich unendliche Überweisungen ersparen, auch das Im-Kreis-geschickt-Werden mit der Straßenbahn et cetera, sofern unterschiedliche Fächer in der Gruppenpraxis vorhanden sind. Ist nur ein Fach vorhanden – was bei der Radiologie zum Beispiel sinnvoll wäre –, würde es auch Vorteile für Ärzte


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bringen. Sie können Apparate-Gemeinschaften benutzen, gemeinsam radiologisch-technische AssistentInnen einstellen et cetera. Daher muss man annehmen, dass es billiger kommen wird. Es kann sein, dass der Gewinn dadurch steigt, und man kann sich fragen – man muss es aber nicht –, ob nicht ein Teil dieses Gewinnes auch an die Kassen oder das Gesundheitssystem zurückgeführt werden könnte. Das frage ich jetzt einmal. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Staatssekretär Dr. Waneck: Wird jetzt schon!)  – Wird jetzt schon. Okay. Ich höre es und ich hoffe, es fehlt mir auch nicht am Glauben.

Etwas irritiert mich allerdings schon: Irgendjemand muss die Gruppenpraxen ja zahlen, und da kommt jetzt die Sozialversicherung dran. Es wird ja nicht billiger, wenn man all das einhält, was ich jetzt angerissen habe. Wie geht das? – Diese Frage bleibt jetzt offen gegenüber Minister Haupt und Staatssekretär Waneck, der ja vorgeschlagen hat, es sollten auf dem Ärztesektor 0,8 bis 1,3 Milliarden Schilling eingespart werden. Ich weiß zwar, dass es einen Zauberlehrling gibt, aber den gibt es bei Goethe, und das ist schon lange her. Wenn Sie etwas Neues geschrieben haben, lassen Sie es mich bitte lesen.

Ein weiterer Punkt ist noch zu erwähnen: dass es nämlich verabsäumt wurde – und das spricht doch etwas für eine sehr medikozentrische Sicht, das darf ich auch als Arzt ungeniert sagen –, anderen Gesundheitsberufen die Möglichkeit zu geben, sich in diese Gruppenpraxen einzuklinken. Das wäre sinnvoll bei PhysiotherapeutInnen und ErgotherapeutInnen, die das Recht der freien Berufsausübung haben oder zumindest demnächst erlangen sollten, sofern es nicht schon vorhanden ist. Also da bitte ich darum, das Standesdenken ein bisschen zu verlassen. (Abg. Dr. Leiner: Berufsrecht immer ...!) – Na ja, Berufsrecht, man kann alles ändern! Die Regierung ändert alles, wenn sie es nur will. Das haben wir ja heute schon gesehen. Da braucht man nicht weiter darüber zu diskutieren. (Beifall


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bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es kommt auch die Anzeigepflicht. Da muss ich schon sagen: Ich habe nicht ausgesprochen dünne Nerven, aber wenn ich zum wiederholten Male feststelle, dass es der Regierung "schnurzegal" ist, sage ich jetzt einmal, was Expertinnen und Experten sagen, was Fachbeiräte sagen, was Jugendanwaltschaften, Kinderanwaltschaften sagen, was die Vertretungsorgane dieser misshandelten, gepeinigten und missbrauchten Kinder sagen – und die haben zumindest so viel Erfahrung wie Herr Pumberger, auch wenn er uns jetzt fast in ..., nein, ich sage das jetzt nicht (Abg. Dr. Pumberger: Sagen Sie es doch!), aber so ähnlich wie Huemer acht Fälle vorträgt, die an Grauslichkeiten nicht zu überbieten sind; ich hätte es ihm nach dem zweiten Fall schon geglaubt –, dann, muss ich sagen, ist das auch etwas polemisch.

Warum glauben Sie denen nicht, wenn die durch die Bank sagen – auch vom Krankenhaus Klagenfurt –, dass sie mit der jetzigen Regelung zufrieden sind, dass sie fürchten, dass durch Ihre Gesetzesänderungen noch weniger Kindesmisshandlungen den zuständigen Stellen zur Kenntnis gebracht werden und somit die Kinder Hilfe bekommen, weil die Leute Angst vor dieser sofortigen Anzeige haben, weil die Kinder natürlich zu Recht Angst haben, Verwandte, Bekannte beim Namen zu nennen – aber Kinder sind Kinder, und Erwachsene sind eben Erwachsene? Es werden therapeutische Interventionen bei Kindern schwieriger werden, weil familientherapeutische Behandlungskonzepte schwieriger durchzuführen sein werden. – Das sind Fachleute und keine Stümper, und ich bitte Sie, glauben Sie einmal den Fachleuten! Ich weiß, dass Sie ungeheuer fähig sind und sehr viel wissen, aber alles wissen Sie auch nicht. Dafür gibt es den lieben Gott, sofern man an ihn glaubt.

Dann komme ich zum letzten Punkt: Diskriminierung von Flüchtlingen. Sie haben jetzt etwas eingebracht, wovon Sie sagen, das wäre ein Abänderungsantrag, da könne der Herr Hochkommissär der Vereinten Nationen wieder zufrieden sein, der die Bundesregierung bittet, ersucht und gleichzeitig kritisiert. Aber wenn man sich das durchliest, dann sieht man, das ist blanker Zynismus und nackter Hohn! Da steht drinnen: Okay, die Asylantinnen, die Ärztinnen sind, die Asylanten, die Ärzte sind, brauchen jetzt nicht mehr österreichische Staatsbürger zu sein. – Ja, liebe Freunde, kennen Sie einen Asylanten, der österreichischer Staatsbürger ist und nach Österreich flieht? Es könnte allerdings, wenn Sie so weitermachen, sein, dass Österreicher aus Österreich fliehen und dann wieder zurückkommen und als ÄrztInnen arbeiten wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn Sie die meinen, dann sagen Sie das! Es ist ja absurd, das als Verbesserung darzustellen!

Aber alle anderen Punkte – welche Zeugnisse, welche Unterlagen die brauchen – fallen nicht flach, das haben Sie nicht erlassen. Und Sie sagen zu mir im Ausschuss: Da haben wir ja unsere Diplomatie und unser Außenamt. – Bitte erklären Sie mir, welcher Staat, der Leute vertrieben, gepeinigt, misshandelt, gefoltert hat, dann auf Ihre Intervention seinen Opfern die Zeugnisse beglaubigt, eingeschrieben, versehen mit "mit lieben Grüßen, Ihre Peiniger" nach Österreich schicken wird! Das ist absurd und zynisch! Außerdem hat es überhaupt keinen Sinn! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Herr Pumberger, Sie können jetzt sagen, was Sie wollen: Ich habe meinen Hausverstand, und ich brauche die Ergänzung durch Ihren Hausverstand in diesem Fall nicht.

Daher bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Theresia Haidlmayr betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle), 629 der Beilagen (XXI. GP), in der Fassung des Ausschußberichtes 689 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Z 6 lautet:

"6. Nach § 4 Abs. 7 wird folgender Abs. 8 angefügt:

(8) Für Staatsangehörige eines Vertragsstaates eines Abkommens mit den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedsstaaten, welches die Mitgliedsstaaten zur Inländergleichbehandlung hinsichtlich des Niederlassungsrechts und des Dienstleistungsverkehrs verpflichtet, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z 1 für die freiberufliche Berufsausübung."

2. Z 25 lautet:

"25. Nach § 18 Abs. 6 wird folgender Abs. 7 angefügt:

(7) Für Staatsangehörige eines Vertragsstaates eines Abkommens mit den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedsstaaten, welches die Mitgliedsstaaten zur Inländergleichbehandlung hinsichtlich des Niederlassungsrechts und des Dienstleistungsverkehrs verpflichtet, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z 1 für die freiberufliche Berufsausübung."

3. Z 49 entfällt.

*****

Das betrifft die Anzeigepflicht und möchte den alten Zustand wiederherstellen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Wir wollen alte Zustände wiederherstellen!)

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

16.49

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Lackner, Sie haben gesagt: Sündenfall


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Anzeigepflicht. – Ich würde eher sagen, es war ein Sündenfall von Ihnen, was Sie da vorgetragen haben, denn eines können Sie der Bevölkerung nicht klarmachen: dass Sie bei Delikten, die mit mehrjährigen Haftstrafen bedroht sind, wie sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung, einfach sagen (Abg. Lackner: Kurzzeitgedächtnis!): Wenn einer Bereitschaft zur Therapie zeigt, Schwamm drüber, kümmert uns nicht! – Ich glaube, Sie haben da eine falsche Vorstellung von Täterromantik!

Ich habe alle diesbezüglichen Presseaussendungen der SPÖ ausgegraben und muss wirklich sagen: Sie glauben, dass man alles ohne Polizei lösen kann. (Abg. Lackner: Das ist gar nicht wahr! Nicht verstanden!)

Es ist klar, da gebe ich Ihnen voll und ganz Recht, es ist eine sehr heikle Frage, ob man in jedem Fall Staatsanwaltschaft und Polizei einschalten soll. Das war ja der Kern der ganzen Sache. Aber Sie nützen dem Kind überhaupt nicht, wenn Sie reflexartig sagen, Schwamm drüber, Bereitschaft zur Therapie und so weiter. (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.) – Ich höre Sie nicht. (Abg. Dietachmayr: Billige Polemik!)

Dem Kind schaden will wohl keiner. In den eigenen vier Wänden wird von Vater, Mutter dem Kind gegenüber sofort Druck gemacht. Dann heißt es: Du bist schuld, dass der Papa im Gefängnis ist. Oder: Weil du so ungeschickt warst, hast du uns Schwierigkeiten gemacht. – Und das führt natürlich zu einer sekundären Traumatisierung und Schädigung des Kindes. Das war der Streitpunkt bei dem Ganzen.

Aber eines können Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, mir nicht erklären: Warum wollen Sie den Onkel, den Bekannten, den Stiefvater schützen? – Das ist mir unbegreiflich! (Abg. Huber: Die sind doch jetzt auch schon verurteilt worden!) Sie wollen diese schützen – ich kann Ihnen die Presseaussendungen vorlesen –, weil die Bereitschaft sinkt, und das ist falsch. Das ist nämlich falsch. Sie schützen Falsche und nützen damit keinem einzigen Kind. Das geht völlig an der Realität vorbei! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben eine "schöne" Kindersprecherin, die sagt: Die missbrauchten Kinder werden dadurch geschädigt, dass man die Täter anzeigt. – Sie haben eine völlig verkehrte Rechtsauffassung und eine völlig verkehrte Auffassung von Kindeswohl. (Abg. Dr. Jarolim: Sie sind doch Arzt! Sie können doch nicht so etwas sagen!)

Herr Professor Höllwarth, der sich sicherlich besser auskennt als Herr Jarolim, der sich da in einer Presseaussendung bemerkbar gemacht hat, und vor allem als Frau Prammer, hat gesagt: eine ausgezeichnete Lösung. Wir haben Experten gehört – Sie sind sicher kein Experte, das kann ich Ihnen sagen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bleibe dabei: Sie schützen die Falschen. Sie schützen nicht die Kinder. Sie haben eine falsche Täterromantik.

Lieber Kollege Grünewald! Sie haben gesagt: Glauben Sie den Fachleuten! Herr Professor Höllwarth ist die Persönlichkeit auf diesem Gebiet in Österreich. Er hat uns einen Brief geschrieben: Es ist eine ausgezeichnete Lösung. – Warum attackieren Sie einen Kollegen, der sich da gar nicht wehren kann? Warum? Das haben Sie gar nicht notwendig. (Abg. Dr. Grünewald: Ich habe ihn nicht attackiert!)

Ich gehe zum zweiten Thema: Gruppenpraxis. Endlich haben wir die Gruppenpraxen in Österreich. Es wird ein Segen für ältere Menschen, für die Leute, die Hilfe unter einem Dach suchen, für die Leute, die barrierefrei etwas wollen, für Behinderte, werden.

Gott sei Dank konnte nach jahrelanger sinnloser Diskussion und Pflanzerei dieser gordische Knoten durchschlagen werden.

Kurz noch einen letzten Punkt: Flüchtlinge. Ich glaube, Herr Professor Grünewald, Sie kennen unseren Abänderungsantrag nicht. (Abg. Dr. Grünewald: Natürlich!) – Nein, Sie kennen ihn überhaupt nicht. Ich werde Ihnen beweisen, dass wir die Flüchtlinge jedem Österreicher gleich


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gestellt haben. Und ich muss von jedem Österreicher oder auch Nicht-EU-Bürger verlangen, dass er erstens die Sprache beherrscht, sonst kann er die Leute in Österreich nicht behandeln, das ist denkunmöglich, und zweitens, dass er eine vergleichbare Ausbildung hat. Das verlangt Amerika von mir, dem Herrn Rasinger, das verlangt die EU von allen anderen, das verlangen die Schweiz und Deutschland. Wo Sie da einen Dolus sehen, das frage ich mich. Wir haben das genau angeglichen.

Wollen Sie eine Extraregelung? – Ich kann Ihnen sagen: Gleiches Recht für alle. Es ist nicht schlechter, es ist nicht besser. Wo Sie da zutiefste Inhumanität sehen, das frage ich mich.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger, Dr. Povysil, Dr. Leiner und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses (689 der Beilagen) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (629 der Beilagen)

*****

Ich ersuche um Verteilung nach § 53 Abs. 4 Geschäftsordnungsgesetz und erläutere den Antrag in seinen Kernpunkten:

Der vorliegende Abänderungsantrag dient den redaktionellen Nachbesserungen, darüber hinaus ist auf die besondere Stellung von Ärzten, denen als Flüchtlinge Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt worden ist, Rücksicht zu nehmen. Unverzichtbare Qualitätserfordernisse sind dabei freilich zu wahren (Kenntnisse der deutschen Sprache, Prüfung zum Arzt für Allgemeinmedizin beziehungsweise Facharztprüfung). – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, den Herr Abgeordneter Dr. Rasinger kurz erläutert hat, ist ordnungsgemäß eingebracht, steht in Verhandlung, wird schriftlich an alle Mitglieder des Hohen Hauses verteilt und dann bei der Abstimmung berücksichtigt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger, Dr. Povysil, Dr. Leiner und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses (689 der Beilagen) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (629 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Bericht des Gesundheitsausschusses (689 der Beilagen) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird, wird wie folgt geändert:

1. In der Z 1 wird im Inhaltsverzeichnis im 1. Abschnitt des 1. Hauptstücks die Wortfolge

"Anrechnung ärztlicher Aus- und Weiterbildungszeiten § 14"

durch die Wortfolge

"Anrechnung ärztlicher Aus- oder Weiterbildungszeiten § 14"

ersetzt.

2. Z 6 lautet:

6. § 4 Abs. 7 lautet:


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"(7) Für Staatsangehörige eines Vertragsstaates eines Abkommens mit den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten, welches die Mitgliedstaaten zur Inländergleichbehandlung hinsichtlich des Niederlassungsrechts und des Dienstleistungsverkehrs verpflichtet, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z 1 für die freiberufliche Berufsausübung. Für Flüchtlinge, denen nach dem Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, Asyl gewährt worden ist, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z 1; ist die Vorlage von Nachweisen gemäß Abs. 3 nicht möglich, so ist der Nachweis der gleichwertigen Qualifikation durch eine mit Erfolg abgelegte Prüfung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder durch eine mit Erfolg abgelegte Facharztprüfung zu erbringen."

3. Nach Z 19 wird folgende Z 19a eingefügt:

"19a. In § 12 Abs. 4 wird die Wortfolge "§ 15c des Mutterschutzgesetzes 1979" durch die Wortfolge "§§ 15 ff des Mutterschutzgesetzes 1979" ersetzt."

4. Nach Z 20 wird folgende Z 20a eingefügt:

"20a. In § 13 Abs. 7 wird die Wortfolge "§ 15c des Mutterschutzgesetzes 1979" durch die Wortfolge "§§ 15 ff des Mutterschutzgesetzes 1979" ersetzt."

5. Z 25 lautet:

25. § 18 Abs. 6 lautet:

"(6) Für Staatsangehörige eines Vertragsstaates eines Abkommens mit den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten, welches die Mitgliedstaaten zur Inländergleichbehandlung hinsichtlich des Niederlassungsrechts und des Dienstleistungsverkehrs verpflichtet, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z 1 für die freiberufliche Berufsausübung. Für Flüchtlinge, denen nach dem Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, Asyl gewährt worden ist, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z 1; ist die Vorlage von Nachweisen gemäß Abs. 3 oder 4 nicht möglich, so ist der Nachweis der gleichwertigen Qualifikation durch eine mit Erfolg abgelegte Prüfung, vergleichbar einer mit Erfolg abgelegten Facharztprüfung, zu erbringen."

6. Nach Z 25 wird folgende Z 25a eingefügt:

"25a. Die Überschrift zu § 21 entfällt."

7. In Z 82 werden die Einleitungsworte "82. Dem § 90 Abs. 1 erster Satz wird ein zweiter Satz angefügt:" durch die Einleitungsworte "82. Dem § 90 Abs. 1 werden folgende Sätze angefügt:" ersetzt.

8. Z 153 lautet:

153. Nach § 214 Abs. 6 werden folgende Abs. 7 bis 12 angefügt:

"(7) Im § 98 Abs. 3 wird die Wortfolge "in der Höhe von 9 860 S" durch die Wortfolge "in der Höhe von 716,55 Euro" ersetzt.

(8) Im § 136 Abs. 2 wird die Wortfolge "Geldstrafe von mehr als 500 000 S" durch die Wortfolge "Geldstrafe von mehr als 36 340 Euro" ersetzt.

(9) Im § 142 wird die Wortfolge "Geldstrafe von mehr als 500 000 S" durch die Wortfolge "Geldstrafe von mehr als 36 340 Euro" ersetzt.

(10) Im § 146 Abs. 2 wird die Wortfolge "Geldstrafe von mehr als 500 000 S" durch die Wortfolge "Geldstrafe von mehr als 36 340 Euro" ersetzt.

(11) Im § 199 Abs. 3 wird die Wortfolge "Geldstrafe bis zu 30 000 S" durch die Wortfolge "Geldstrafe bis zu 2 180 Euro" ersetzt.


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(12) Die Abs. 7 bis 12 sowie weiters § 91 Abs. 5 erster Satz, § 95 Abs. 1, § 109 Abs. 5 erster Satz, § 133 Abs. 1 erster Satz, § 139 Abs. 1 Z 2, § 187 Abs. 3 zweiter Satz, § 192 Abs. 1 letzter Satz, § 197 Abs. 2 und § 199 Abs. 1, 2 und 4 jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2001 (2. Ärztegesetz-Novelle), treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft."

Begründung:

Der vorliegende Abänderungsantrag dient redaktionellen Nachbesserungen, darüber hinaus ist auf die besondere Stellung von Ärzten, denen als Flüchtlinge Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt worden ist, Rücksicht zu nehmen. Unverzichtbare Qualitätserfordernisse sind dabei freilich zu wahren (Kenntnisse der deutschen Sprache, Prüfung zum Arzt für Allgemeinmedizin bzw. Facharztprüfung).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Huber. – Bitte. (Abg. Dr. Pumberger: Das ist die mit dem Pressedienst!)

16.55

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Rasinger! Ich bin zutiefst enttäuscht. Ich habe Sie anders eingeschätzt. Wenn das Kollege Pumberger macht, dann wundert es mich nicht, denn von ihm habe ich schon vieles gehört, aber zu behaupten, dass man auf der Seite der Kinder steht, wenn alle Experten sagen, mehr Leid als Hilfe für misshandelte und missbrauchte Kinder (Abg. Dr. Rasinger: Fragen Sie Professor Höllwarth!)  – das ist der Tenor der Experten zu dieser geplanten Anzeigepflicht ... (Abg. Dr. Rasinger: Sie solidarisieren sich mit dem Täter, mit dem Onkel! Das ist das Schlimme: Sie differenzieren nicht!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Abgeordneter, diese Behauptung können Sie wirklich nicht aufstellen!

Abgeordnete Anna Huber (fortsetzend): Diese polemische Aussage lässt schon sehr tief blicken! Das muss ich schon sagen.

Kinder- und Jugendanwaltschaften, Kinderschutzzentren, Kinderärzte, Kinderchirurgen, Psychologen, Psychotherapeuten, alle Experten, die mit den Kindern arbeiten, die sich mit den Betroffenen beschäftigen, sprechen sich vehement gegen diese geplante Anzeigepflicht aus. Ich frage Sie wirklich: Können Sie all diese Experten und Expertinnen völlig ignorieren? (Abg. Dr. Rasinger: Höllwarth!)

Sie behaupten, es liege Ihnen das Wohl der Kinder am Herzen. Sie wissen doch, dass 80 Prozent der Täter, die physische oder sexuelle Gewalt an Kindern ausüben, aus dem Familienverband kommen. Und es ist eben nicht der böse Mann, der hinter dem Busch lauert. Es sind tatsächlich in hohem Ausmaß Vater, Großvater, Bruder, Onkel, der Nachbar oder ein guter Freund der Familie. (Abg. Dr. Rasinger: Der Onkel ist im Familienverband!)

Die scheinbare Entschärfung, die Sie nach der sehr massiven Protestwelle von vielen Experten und nach der Diskussion im Ausschuss hier in den Abänderungsantrag eingebaut haben, dass nämlich bei nahen Verwandten und im Familienverband diese Anzeigepflicht so lange ausgesetzt werden kann, wie es dem Kindeswohl entgegenkommt, ist zutiefst unbefriedigend und in Wirklichkeit irrelevant. (Abg. Dr. Pumberger: Bitte um Erklärung!)

Reden Sie doch mit den Menschen, die misshandelte und missbrauchte Kinder betreuen! Die Kinder reden doch nicht über das, was ihnen zugestoßen ist. Sie können sich nicht artikulieren, sie sind momentan einmal still. Wir kennen doch diese vielen Fälle, wo zuerst möglicherweise bei der Polizei eine Aussage erfolgt, aber später dann vor Gericht diese Aussage nicht mehr wiederholt wird. (Abg. Dr. Leiner: Das wissen wir! – Abg. Dr. Rasinger: Sogar die Frau Prammer sagt: anzeigen! Da habe ich eine Pressemeldung!)


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Es geht um die sofortige und bedingungslose Anzeige. Und genau das ist der Punkt. Es braucht dazu nämlich ein besonderes Vertrauen ... (Abg. Dr. Rasinger: Warum schützen Sie den Onkel?) – Also ich verstehe das nicht: Können Sie meinen Worten nicht folgen, oder wollen Sie einfach nicht zuhören?

Insbesondere bei Verdacht auf Missbrauch sagen alle Fachexperten, dass der Missbrauch Teil des familiären Systems ist und dass ein Kind gar nicht über das, was ihm zugestoßen ist, sprechen kann. Deshalb sind eben die Freispruchsrate und die Einstellungsrate der Verfahren so hoch, weil die Opfer unter einem enormen psychischen Druck stehen. Sie spüren, dass sie gegen jene aussagen müssen, von denen sie abhängen, an denen sie trotzdem hängen. Es ist und bleibt dann doch der Vater, es ist und bleibt der Bruder und der Onkel. (Abg. Dr. Pumberger: Weil er der Vater ist, der weiter vergewaltigt!) Das heißt, es bleibt bei der Einstellung des Verfahrens, wie es in so vielen Fällen passiert. Da kann er dann nämlich ungestraft und sozusagen gesetzlich legitimiert weiter missbrauchen. Es beendet nämlich dieser Freispruch nicht den Missbrauch oder die Gewalt. Der Täter fühlt sich dadurch noch bestärkt. Und das Kind wird dreifach missbraucht, nämlich durch die Tat, dann durch das Verfahren und schlussendlich dann noch, weil es als Lügner dasteht, wenn der Vater freigesprochen worden ist.

Ich appelliere wirklich an all jene, die noch vernünftig allen Argumenten der Experten folgen und folgen wollen: Nehmen Sie diese Expertenmeinungen ernst, und denken Sie an das Leid von Kindern und von Jugendlichen, die sich nicht wehren können! (Abg. Dr. Pumberger: Wahnsinn!) Und verzichten Sie auf diese unsinnige Anzeigepflicht für Ärzte bei bloßem Verdacht im Sinne und im Interesse der betroffenen Kinder! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: Lesen Sie das Gesetz doch einmal durch!)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hartinger. Sie hat das Wort.

17.00

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Es ist für mich heute wirklich ein großer Tag: am Vormittag die Strukturreform des Hauptverbandes und jetzt das Ärztegesetz. Ich darf jetzt kurz auf das Thema Gruppenpraxen eingehen.

Diese Materie hängt mit der Strukturreform des Hauptverbandes zusammen, weil gerade der Hauptverband beziehungsweise Präsident Sallmutter vier Jahre lang wirklich verhindert haben, dass Gruppenpraxen entstehen können. (Abg. Dr. Leiner: Zehn Jahre!)  – Ab der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes!

Es hat, wie gesagt, eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gegeben, wonach nicht nur Einzelverträge abgeschlossen werden können, sondern dass es auch zu Behandlungsgesellschaften kommen kann. Das hat Präsident Sallmutter wirklich vier Jahre lang verhindert. – Ich bin daher stolz darauf, dass das jetzt unter unserer Regierung möglich wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es geht darum, dass der Patient in den Mittelpunkt gerückt wird und die Abläufe wirklich optimal gestaltet werden können. Gruppenpraxen sind meiner Überzeugung nach der Schlüssel für eine Patientennahversorgung direkt Tür an Tür: der praktische Arzt, der Facharzt, eventuell auch noch andere Bereiche in Form eines Gesundheitszentrums. Es ist dann alles unter einem Dach, ohne Wegzeit, ohne Wartezeit, ohne Bürokratie, einfach und effizient für den Patienten. Das ist eben unsere Gesundheitspolitik.

Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe genug Interventionen, fast täglich, wenn es darum geht, dass Patienten irgendwelche Untersuchungen, ein Bett oder einen Pflegeplatz brauchen; das steht bei mir wirklich auf der Tagesordnung.

Was mich an unserem Gesundheitssystem immer gestört hat, das wir ja von den Sozialisten sozusagen geerbt haben, ist, dass man Interventionen braucht, um wirklich optimal versorgt zu


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werden – und dass das System von sich aus nicht in der Lage ist, diese optimale Versorgung zur Verfügung zu stellen. Die medizinische Versorgung ist ein Grundrecht und muss für jeden Österreicher einfach vorhanden sein. Wenn es für ihn notwendig ist, muss sie ihm so rasch und effizient wie möglich zur Verfügung stehen. Das ist unser Selbstverständnis von optimaler, rascher medizinischer Versorgung, und darauf bin ich stolz. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Die Redezeit wird mit 7 Minuten vorgeschlagen. – Bitte.

17.03

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär, ich habe schon heute Vormittag versucht, Ihnen klarzumachen, dass es im Rahmen des Gruppenpraxengesetzes im Grunde genommen keine Verbesserungen für mobilitätsbehinderte Menschen gibt, denn es steht nirgends drinnen, dass es sich hiebei ausschließlich um barrierefreie Arztpraxen handeln muss. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Es steht nur drinnen – Sie, Herr Pumberger, haben es anscheinend schon wieder vergessen, ich weiß nicht, was heute mit Ihrem Langzeitgedächtnis los ist –, dass sie barrierefrei sein können oder sollen, aber nicht, dass sie barrierefrei sein müssen. Zwischen können beziehungsweise sollen und müssen ist ein gewaltiger Unterschied, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. – Es gibt also keine gesetzliche Regelung, dass Gruppenpraxen barrierefrei sein müssen. Herr Pumberger, wenn Sie solche irgendwo finden, dann kommen Sie heraus und sagen Sie es mir! Sie werden sie nicht finden, weil es keine diesbezügliche gesetzliche Regelung gibt. So einfach ist das. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Staatssekretär! Sie haben Ihr Versprechen nicht eingelöst, und das bedauern wir sehr, denn wir hätten uns erwartet, dass Sie Ihre Versprechungen, die Sie uns bei der Einführung der Ambulanzgebühren gemacht haben, auch einhalten. Wir haben Sie damals darauf hingewiesen, dass sich speziell mobilitätsbehinderte Menschen ihren Arzt nicht aussuchen können, sondern dorthin müssen, wo es eben keine Stufen gibt, und das sind in der Regel die Ambulanzen. Sie haben gesagt, Sie werden dem Abhilfe schaffen, indem festgeschrieben wird, dass die Gruppenpraxen barrierefrei erreichbar sein müssen. – Das ist aber jetzt doch wieder nicht geschehen, und die Ambulanzgebühren für mobilitätsbehinderte Menschen bleiben nach wie vor aufrecht.

Herr Staatssekretär! Was mir am Gruppenpraxengesetz auch ganz komisch vorkommt, ist, dass daran gedacht war, dieses Gruppenpraxengesetz im Interesse der Patienten zu machen – und nicht daran, dass eine zweite oder eine zusätzliche "Ärztefabrik" geschaffen werden soll. Hätten Sie wirklich Gruppenpraxen im Interesse der Patienten gemacht, dann hätten Sie – und das wissen Sie sehr genau – es nicht darauf einschränken dürfen, dass nur Ärzte und Dentisten in Gruppenpraxen arbeiten dürfen, sondern dann hätte es möglich sein müssen, dass auch Psychotherapeuten et cetera in Gruppenpraxen tätig sein können, denn gerade Menschen, die im ländlichen Bereich wohnen, haben nichts von einer Gruppenpraxis, wenn sie dann erst wieder zur Psychotherapie, zur Physiotherapie oder ähnlichen notwendigen Maßnahmen irgendwoanders hinfahren müssen. Dafür war das Gesetz nicht gedacht. Gruppenpraxen hätten eigentlich den Sinn haben sollen, den ländlichen Bereich entsprechend zu versorgen. Das ist jedoch nicht gelungen.

Herr Staatssekretär, genauso nicht gelungen ist, in diesem Ärztegesetz die Anzeigepflicht entsprechend festzuschreiben. Ich kenne schon Ihre politische Ideologie und will diese hier nicht ausbreiten, aber: Wenn Sie ernsthaft, meine sehr geehrten Damen und Herren – Herr Pumberger, Herr Rasinger, hören Sie mir zu! –, die Meinungen der Experten wahrgenommen hätten, dann müsste diese Anzeigepflicht anders ausschauen. Nicht nur wir Grünen haben die Unterlagen zum Beispiel vom Kinderschutzzentrum bekommen, und die wissen, glaube ich, schon sehr konkret, worum es geht und wie die Situation von Kindern, die missbraucht wurden, ausschaut.


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(Abg. Dr. Pumberger: Die sind alle von vor dem Ausschuss!) Hätten Sie nur diesen Brief gelesen, dann hätte die Anzeigepflicht im Ärztegesetz völlig anders ausgeschaut, als das jetzt der Fall ist.

Dann hätten Sie nämlich die alte Regelung beibehalten müssen, eine Regelung, die gut und mit der sichergestellt war, dass man Kinder, die missbraucht wurden, nicht noch mehr unter Druck setzt, indem sie den Fall kurz nach dem Missbrauch an die Öffentlichkeit bringen und erzählen müssen und von unheimlich vielen Leute dazu befragt werden. (Abg. Dr. Pumberger: Seit dem Ausschuss gibt es kein Protestschreiben mehr!) Das hätten wir jetzt nicht drinnen, hätten Sie darauf Rücksicht genommen. Ich weiß schon, das war Ihnen wichtig, Sie haben damals schon dagegen gewettert. Jetzt sind Sie in der Regierung, und jetzt haben Sie das wieder, was Sie wollten. Seien Sie "stolz" darauf: Auch wenn es den Kindern nichts bringt, Sie haben Ihren Willen durchgesetzt, zum Nachteil missbrauchter Kinder. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und Sie haben auch Ihre Ideologie durchgesetzt im Hinblick auf die Ausübung des Arztberufes durch Flüchtlinge. Herr Pumberger, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Sind Sie nicht diejenigen, die im Bereich von AusländerInnen immer sagen: Integration vor Neuzuzug? (Abg. Dr. Pumberger: Was?) Integration vor Neuzuzug. (Abg. Dr. Pumberger: Wann haben wir das gesagt?) Sie brauchen wahrscheinlich auch ein Hörgerät. Ich sage Ihnen dann die Firma, wo Sie sie günstig und vor allem gute Geräte bekommen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Wenn das wirklich Ihr Interesse wäre, dann könnten Sie nicht Menschen, die Ärzte sind, eine adäquate Ausbildung haben und hier in Österreich leben, die Ausübung ihres Berufes verweigern. Es davon abhängig zu machen, ob sie die deutsche Sprache wirklich ausgezeichnet beherrschen, also wenn das ein Kriterium sein soll und muss, um den Arztberuf ausüben zu dürfen, dann, Herr Pumberger, wird es ziemlich eng, würde ich sagen. Ich meine, es geht in erster Linie um die Fähigkeit und um das Wissen in einem Beruf (Abg. Dr. Leiner: Aber das muss man nachweisen!), und das sollte speziell von Ärzten genutzt werden – und es geht nicht darum, ob ein Arzt gut rechtschreiben kann. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Rasinger: Das ist wie in Amerika!)

17.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.10

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Jüngst veröffentlichte Umfragen haben ergeben, dass die österreichischen Ärzte ein sehr großes Ansehen haben und damit auch die Medizin in Österreich hohen Stellenwert hat. Und von Ärzten, die sich gegen die Novellierung dieses Ärztegesetzes gestellt hätten, habe ich nichts gehört. Im Gegenteil: Die Ärzte sind sehr froh darüber. Ich habe kürzlich noch einmal mit den Ärztekammerpräsidenten darüber gesprochen, und sie alle haben, wirklich einmütig, gesagt, dass diese Novellierung einen weiteren wesentlichen Schritt nach vorne gebracht hat.

Da hier von der Zwei-Klassen-Medizin gesprochen wurde – das habe ich heute des öfteren hier gehört –, so möchte ich schon darauf hinweisen, dass es im Ärztegesetz heißt:

"Der Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden oder Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen."

Und weiters: Der Arzt hat "nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren".

Unter diesem zweifachen Schutzmantel fühlt sich der Patient wirklich geborgen. Und darauf möchte ich noch einmal hinweisen: Wenn es eine Zwei-Klassen-Medizin gegeben hat, dann war


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das früher – und die müssen wir jetzt beseitigen. Diese Zwei-Klassen-Medizin spiegelte sich doch auch in der Verhinderung der Gruppenpraxen wider.

Ich weiß nicht, ob Sie das alle wissen, ich glaube nicht: Der Hauptverband war nach zehn Jahre dauernden Verhandlungen nicht bereit, innerhalb der nächsten sechs Monate den Vertrag der Gruppenpraxen in den Gesamtvertrag mit der Ärztekammer aufzunehmen – und das bitte, obwohl zehn Jahre lang verhandelt wurde! Das Argument, dass man kein Geld dafür hätte, war vor zehn Jahren sicherlich nicht zutreffend. Es gibt Einsparungspotentiale, das wissen wir, zum Beispiel in Bezug auf die drei Systeme, die von den Krankenkassen und dem Hauptverband finanziert werden: die stationäre Versorgung, der ambulante Bereich und der Reha-Bereich. Es ist Ihnen nie gelungen, sie zu verzahnen, sie ineinander zu verflechten und da Einsparungspotentiale wahrzunehmen, die in Millionen- und Milliardenhöhe pro Jahr möglich wären.

Ich denke da beispielsweise nur an die zahlreichen Vielfach-Untersuchungen, die man wirklich hätte beseitigen können. Man hatte heute überhaupt den Eindruck, als ob der Hauptverband eine Abteilung der Löwelstraße sei und die Versicherten als Zwangsmitglieder der SPÖ sozusagen mitlaufen. (Abg. Dr. Einem: Das glauben Sie ja nicht einmal selber!) Dieser Eindruck ist hier entsprechend vermittelt worden. (Abg. Öllinger: Also das ist schon ein bisschen drüber!) Ich bin auch ein Versicherter, zähle mich aber nicht zur SPÖ, das möchte ich schon dazusagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Partner der Sozialversicherungen sind nie als gleichwertige Partner akzeptiert worden – und das soll anders werden. Ich bin froh darüber, dass sich mit dem heutigen Tag vieles in diesem Bereich ändern wird; ich bin wirklich sehr glücklich darüber. Sie können mir schon glauben, dass jeder von uns – selbstverständlich auch ich – das Beste für die Bevölkerung und für den Patienten will. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Und wir handeln auch dementsprechend, wie die Novellierung des Ärztegesetzes zeigt, denn mit dieser wird die Qualität sehr in den Vordergrund gestellt, und dadurch werden die Patienten wesentlich besser versorgt werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.14

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Heute wird die Novelle des Ärztegesetzes behandelt. Leider kann ich mich nicht so sehr dem Glücklichsein und dem Frohgemut der Abgeordneten der Regierungsparteien anschließen, es sind darin nämlich einige Sachen enthalten – sie wurden schon vom Vorredner meiner Fraktion angesprochen –, die keine Änderung gebracht haben, was wieder einmal zeigt, dass die Abgeordneten der Regierungsparteien sehr wenige Gedanken an verschiedene Bevölkerungsgruppen verschwenden.

Der eine Punkt ist die Frage des barrierefreien Zugangs zu Gruppenpraxen, wie unsere Behinderten-Sprecherin, Mag. Plank, immer wieder sehr intensiv im Verband mit Vereinen und auch der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation gefordert hat. Sie haben jetzt diesbezüglich zwar eine Abänderung eingebracht, diese aber legt keinerlei Verbindlichkeit fest und stellt meiner Meinung nach eine Augenauswischerei für eine Bevölkerungsgruppe in unserem Lande dar, die Unterstützung notwendig hätte.

Ich möchte jetzt auf den § 54 Ärztegesetz, auf die Anzeigepflicht zu sprechen kommen. Da habe ich das Gefühl, dass die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ keinen differenzierten Zugang zu dieser Materie haben und das Kindeswohl bei dieser neuen Regelung auf der Strecke bleibt. Dass Kinder mit sexueller Ausbeutung fertig werden müssen und sie dabei jede Unterstützung brauchen, dass aber vor 1998, als es so beschlossen war, 81 Prozent aller Anzeigen nicht dazu geführt haben, dass die Täter einem Gerichtsverfahren zugeführt wurden, sondern dass diese Anzeigen im Sand verlaufen sind und dann die Kinder als doppelte, dreifache Opfer übrig geblieben sind, diese Wahrnehmung von Seiten der Abgeordneten von ÖVP und FPÖ fehlt mir hier. (Abg. Dr. Rasinger: Wieso? Wieso?) Ich habe eher das Gefühl, dass Sie hier schwanken


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zwischen Sensationslüsternheit und geiferndem Aufruf zur Lynchjustiz. (Abg. Dr. Khol: Na bitte! – Abg. Haigermoser: Was? Was? Was? Unerhört! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir sind hier nicht im Wiener Rathaus, wo Sie das alles sagen können! – Abg. Kiss: Sie haben nicht alle Tassen im Schrank! Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe hier ein Zitat des Grazer Primarius der klinischen Abteilung für Kinderchirurgie, Michael Höllwarth, der sagte: Frage nicht, wie es dem kleinen Mäderl geht, wenn der Vater mit einem Freispruch im Zweifel heimkommt und als erstes seine Frau tögelt, weil die dem Kind das nicht ausgeredet hat! (Abg. Dr. Fekter: Sie schützen die Missbrauchstäter!)

§ 54 Ärztegesetz gewährleistete früher den Beschäftigten in Kinderschutzgruppen, den Beschäftigten in Vereinen, die sich mit Gewalt, Prävention und Gewaltaufarbeitung befasst haben, einen behutsamen und verantwortungsvollen Umgang im Falle von Gewaltanwendungen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie nehmen sich ja selber nicht mehr ernst!)

Auch die Stellungnahme der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwaltschaft hat gezeigt, dass das Ärztegesetz 1998 dazu geführt hat, dass sich Ärzte vermehrt mit der Frage des Kinderschutzes auseinander gesetzt haben.

Sie von ÖVP und FPÖ wollen da wieder zurückgehen. (Abg. Haigermoser: Nehmen Sie sich zurück mit Ihren Worten!) Sie haben das Wohl jener Kinder, die sexuell ausgebeutet werden, Sie haben das Wohl der Frauen, die von Gewaltanwendungen bedroht sind, nicht im Auge! (Abg. Haigermoser: Stimmt es, dass Sie diese Rede selbst geschrieben haben?) Sie haben diese Änderung hineingeschwindelt, da sie nicht im Begutachtungsentwurf enthalten war. (Abg. Dr. Rasinger: Mit falscher Täterromantik lösen Sie keine Probleme!) Der Unmut der Mediziner, der Kinder- und Jugendanwaltschaften hindert Sie nicht, von diesem § 54 abzugehen. (Abg. Haigermoser: Sie sollten sich einmal eine Rede schreiben lassen und nicht immer selber zur Feder greifen!)

So wird auch in einem offenen Brief sämtlicher österreichischer Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs gemeint, dass diese scheinbare Entschärfung, die Sie jetzt eingefügt haben, durch die Möglichkeit, nahe Angehörige vorerst nicht anzuzeigen, nur eine Scheinlösung ist, da eine sichere Feststellung, wer der tatsächliche Täter ist, für die Ärzte nicht möglich ist.

Sie machen Scheinlösungen, Sie haben das Kindeswohl und das Wohl von Frauen, die Gewalt ausgesetzt worden sind, nicht im Auge! Dem muss man eine klare Absage erteilen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Entsetzliche Rede!)

17.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, ich werde mir die Protokoll-Passage aus Ihrer Rede vorlegen lassen, in der Sie das Wort "Lynchjustiz" verwendet haben, und ich werde mich dann dazu äußern. (Abg. Dr. Partik-Pablé: "Geifernde Lynchjustiz"! Frau Lapp, Sie glauben, Sie sind im Wiener Rathaus! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Freiheitlichen, ÖVP und SPÖ.)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.20

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Über dieses Gesetz ist heute schon sehr viel gesagt worden, und ich halte es da mit Farkas und Waldbrunn: "G’scheites und Blödes." (Der Redner weist bei diesen Worten zuerst auf die rechte und dann auf die linke Seite des Saales. – Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ. – Rufe: Umgekehrt!)

Nichtsdestotrotz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dieses Gesetz ein sehr gescheites Gesetz, und das war auch der Grund dafür, warum im Ausschuss eigentlich gar keine große Aufgeregtheit geherrscht hat. Es hat nur zwei Punkte gegeben, über die man sich nicht einigen


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konnte. Das war erstens die behindertengerechte Ausstattung von Gruppenpraxen und deren Zugang – ein durchaus berücksichtigenswerter Punkt, den man aber mit diesem Gesetz leider nicht regeln kann –, und zweitens § 54 Ärztegesetz betreffend Meldepflicht von Ärzten.

Bei diesem Punkt haben SPÖ und Grüne reflexartig einen ideologischen Wandel in Richtung Täterschutz vollzogen, und das ist meines Erachtens zutiefst verwerflich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie von den Grünen und der SPÖ haben argumentiert, es wäre gefährlich, wenn ein Unschuldiger zu viel verdächtigt wird. – Ich sage Ihnen hier ganz brühwarm: Mir ist lieber, es wird einmal einer zu viel verdächtigt, als einer zu wenig! (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Oppositionsparteien! Sie haben im Ausschuss ganz klar argumentiert: gut zureden statt strafen! Das heißt, einem Vater, der seiner Tochter die Hand gebrochen hat, oder einem Onkel, der seine Nichte vergewaltigt hat, dem sollen wir gut zureden und ihn dann sozusagen von seiner Schuld überzeugen. (Abg. Mag. Prammer: Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen!)

Seien Sie mir nicht böse, aber das glauben Sie doch selbst nicht, vor allem dann nicht, wenn man den Hausverstand, der heute von Professor Grünewald hier angesprochen wurde, einmal in den Vordergrund stellt. Sie versuchen, dieses Problem herunterzuspielen, und Sie versuchen auch, die Verantwortung in diesem Bereich abzuschieben.

Unsere Position ist vollkommen klar: Unser Herz ist auf der Seite jener, denen Unrecht widerfahren ist, und deswegen lautet meine Aussage ganz klar: keine Gnade für Kinderschänder! Volle Härte des Gesetzes für Verbrecher, die sich an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft vergehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um dies zu gewährleisten, muss man die Täter natürlich auch erwischen, das ist ganz klar. Wir gehen dabei von einer offiziellen Zahl von 500 Fällen und einer Dunkelziffer von 25 000 Fällen aus. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine Notwendigkeit, dass die Ärzte eine Meldepflicht für diese Fälle haben und diese Meldepflicht auch differenziert ausüben können. Sie müssen unter den verschiedenen Jugendwohlfahrtseinrichtungen und Kinderschutzeinrichtungen wählen können.

Es wird auch wichtig sein, dass diese Daten in eine zentrale Datenbank eingespeichert werden, um Wiederholungstäter so rasch wie möglich dingfest zu machen. Folgendes sei noch an Ihre Adresse gerichtet, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ: Während Sie hier sitzen und "Sozialromantik" – so bezeichne ich das einmal – betreiben, leiden draußen Kinder, werden von ihren Peinigern gequält und missbraucht. Und schon aus diesem Grund hätten Sie die moralische Verpflichtung, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu erteilen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte, Herr Staatssekretär.

17.24

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Ich wundere mich schon darüber, dass Sie ein Gesetz, das in seiner Tragweite und in seinen Verbesserungen doch viel mehr bietet als nur die Gelegenheit, es auf zwei Punkte eingeengt zu diskutieren, nicht mehr würdigen, obwohl es in vielen Dingen beispielgebend ist. Mit der Realisierung der Gruppenpraxis geht ein Wunsch drei vorangegangener Regierungen in Erfüllung. Das müsste Sie doch eigentlich mit Zufriedenheit erfüllen.


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Noch etwas ist möglich geworden, was in Europa, vor allem auch innerhalb der EU einzigartig ist: Es war möglich, in diesem Gesetz die Qualitätssicherung mit Evaluation und Kündigungssanktion zu etablieren. Das ist etwas ganz Neues und ist sicherlich richtungweisend für Europa.

Herrn Abgeordnetem Grünewald möchte ich noch gerne sagen: Ich kann ihn beruhigen, denn die Form der Deckelung bei Honoraren gibt es bereits jetzt, dort, wo solche Gemeinschaften schon bestehen. Und es ist Sinn und Zweck dieser Deckelung, dass natürlich nicht nur der Patient davon profitiert, sondern letztlich auch der Vertragspartner, nämlich die Krankenversicherung.

Ich darf auch sagen – Sie wissen das vielleicht, ich habe es auch schon einmal gesagt –: Wir stehen vor der Tatsache, dass zum Beispiel im vergangenen Jahr der Frequenzzuwachs bei den Spitalsambulanzen wiederum 5 Prozent betragen hat – bei einer Kostensteigung von 7,5 Prozent –, während er im niedergelassenen Bereich nur 2,5 Prozent betrug, was eine Reduktion der veranschlagten Honorarsumme um minus 440 Millionen Schilling ergeben hat. – In diesem Bereich ist also noch einiges drinnen.

Ein Allerletztes: Wir haben dieses Gesetz sehr sorgfältig in allen Punkten durchdiskutiert, insbesondere den von Ihnen angesprochenen § 54. Sie können mir glauben, dass ich nie einer Regelung zugestimmt hätte, bei der nicht der Schutz des Kindes und des Jugendlichen im Vordergrund gestanden wäre. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.26

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Was mich ein bisschen verwundert, ist, dass gerade den weiblichen Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion, die ja sehr oft auch in den Medien über die "rhetorische Unkultur" in diesem Hause klagen, immer wieder rhetorische Entgleisungen passieren, wie etwa der Ausdruck "geifernder Aufruf zur Lynchjustiz". – Ich muss sagen, ich verstehe Sie nicht. Ich verstehe das nicht! Ist das notwendig? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben sehr viel geschafft in den letzten drei Tagen, viele wirklich wichtige Meilensteine und Reformen beschlossen: das Kindergeld, die ORF-Reform, die Uni-Reform, die Sozialversicherungsreform. Und es wurde ein ganz wichtiger Punkt im Ärztegesetz geschafft, über den schon viele gesprochen haben: Mit der Schaffung der Gruppenpraxis zur strukturellen und organisatorischen Erneuerung des Gesundheitssystems wird ein gordischer Knoten zerschlagen. Dieser Regierung und Herrn Staatssekretär Dr. Waneck ist es wirklich gelungen, die jahrzehntelange Unfähigkeit ihrer Vorgänger abzulegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Richtig!)

Aber noch immer, meine Damen und Herren, versuchen die Kassen, hinhaltenden Widerstand gegenüber diesen Strukturreformen auszuüben. Ärztekammerpräsident Pjeta hat am 28. Juni erklärt – ich zitiere –:

Der Hauptverband sieht sich nicht in der Lage, Gruppenpraxen innerhalb weniger Monate umzusetzen. – Zitatende.

Das ist wiederum ein Beweis für den totalen Widerstand. Aber ich frage Sie: gegen wen? Gegen die Regierung? – Nein! Das geht doch in Wirklichkeit gegen die Patienten, gegen die Versicherten! Ich frage Sie: Was ist der Sinn dieses Totalwiderstandes, dieser totalen Ablehnung des Wohls des Patienten?

Meine Damen und Herren! An alle, die sich noch immer auf Grund von Eigeninteressen sperren: Glauben Sie mir, es kann Sie keiner daran hindern, klüger zu werden! Genauso sind auch wir klüger geworden, und zwar durch viele Gespräche mit Fachleuten, gerade im Zusammenhang


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mit dem Schutz unserer Kinder. Und nur deswegen, weil auch wir im Parlament diesen Kinderschutz so oft argumentiert, so oft diskutiert haben – wir waren wirklich initiativ in dieser Frage –, nur deshalb ist das Problembewusstsein für den Kinderschutz, gegen die Kindesmisshandlung, gegen den Kindesmissbrauch, zu einem solchen Bewusstsein geworden, wie wir es jetzt haben.

Kinderschutzgruppen wurden gegründet, so zum Beispiel auch bei mir in der Landeskinderklinik Linz. In diesen Kinderschutzgruppen arbeiten Ärzte, Psychologen, Jugendwohlfahrt und Jugendanwälte gemeinsam, um die Rechte der Kinder zu sichern. Sie arbeiten gemeinsam, und das ist eine positive Entwicklung! Mit diesen Menschen haben wir gesprochen (Abg. Mag. Prammer: Mit ... haben Sie nicht gesprochen!), aber – hören Sie mir zu! – trotzdem lag es in der Entscheidung des Aufdeckers einer Misshandlung oder eines Missbrauchs, strafbare Handlungen für sich zu behalten oder nicht. Und damit war die heikle Frage der verschiedenen Rechtsansichten nicht aus der Welt geschafft.

Es gilt, für das Kind das Beste zu berücksichtigen und einen alle Rechtsansprüche umfassenden Kinderschutz zu entwerfen. Aus diesem Grund waren wir für die Wiedereinführung der Anzeigepflicht, und zwar der Pflicht zur Anzeige an die Sicherheitsbehörde.

Erinnern Sie sich an jene Fälle von Kindesmissbrauch (Widerspruch der Abg. Mag. Prammer )  – schütteln Sie nicht den Kopf, sondern hören Sie zu! –, die in Heimen, an jene, die in Jugendlagern passiert sind!

Natürlich sollen all jene Täter, die familienextern, die fremd sind, angezeigt werden. Natürlich!, daran führt kein Weg vorbei, aber: Richtet sich der Verdacht gegen nahe Angehörige, dann kann zum Wohle des Kindes – das hat auch die Absprache mit den Experten, die Besprechung mit den Kinderschutzgruppen ergeben, damit eben die Familie nicht zusammenbricht, damit dem Kind nicht die Schuld angelastet, damit der Sachverhalt geklärt wird – die Anzeige vorläufig unterbleiben und eine Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt und mit Kinderschutzeinrichtungen erfolgen.

Das ist wichtig, denn was wollen wir denn außerdem noch verhindern? – Wir wollen verhindern, dass der Täter zwar angezeigt wird, dass aber die Beweislast zu gering ist, dass er freigesprochen wird und womöglich mit weißer Weste davongeht. Daher war es mir auch wichtig, einen Entschließungsantrag einzubringen – der dem Gesetz dann auch beigefügt wurde –, der zum Inhalt hat, dass die Strafverfolgungsbehörden mit den Jugendwohlfahrtsträgern und mit den Kinderschutzgruppen zusammenarbeiten.

Es soll damit eine gesetzliche Regelung getroffen werden – diese ist uns auch gelungen –, die ein schwieriges, gesellschaftliches Problem differenziert sieht: nicht ideologisch einseitig, sondern wirklich differenziert. Damit haben wir den bestmöglichen Schutz für unsere Kinder geschaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin hatte bereits das Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 689 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen sowie die Abgeordneten Lackner und Genossen je einen Abänderungsantrag eingebracht.


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Ich werde zunächst über die von den genannten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend das Inhaltsverzeichnis eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hierfür sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen sowie die Abgeordneten Lackner und Genossen haben je einen gleichlautenden Abänderungsantrag betreffend Ziffer 6 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hierfür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 6 eingebracht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung der Ziffern 19a und 20a eingebracht.

Jene Abgeordneten, die hierfür eintreten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen sowie die Abgeordneten Lackner und Genossen haben je einen gleichlautenden Abänderungsantrag zu Ziffer 25 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 25 eingebracht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer Ziffer 25a eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen sowie die Abgeordneten Lackner und Genossen haben je einen gleichlautenden Abänderungsantrag eingebracht, der einen Entfall der Ziffer 49 vorsieht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Jene Abgeordneten, die sich hiefür aussprechen, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.


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Die Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 82 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Lackner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 151 eingebracht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Rasinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag zu Ziffer 153 eingebracht.

Jene Abgeordneten, die hierfür eintreten, ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 689 der Beilagen als Anlage 2 beigedruckte Entschließung betreffend Zusammenarbeit bei strafbaren Handlungen gegen Minderjährige.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen. (E 96.)

Nun kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 689 der Beilagen als Anlage 3 beigedruckte Entschließung betreffend Umsatzsteuerfreiheit von Gruppenpraxen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen. (E 97.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 690 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.


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13. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (537 der Beilagen): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (691 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Damit kommen wir zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.37

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die SPÖ mit ihrer Fundamental-Opposition ist schon fast kurios. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie sind für die Befreiung der Gruppenpraxen von der Umsatzsteuer, lehnen aber Gruppenpraxen ab! So etwas Kurioses habe ich überhaupt noch nie erlebt. Aber bitte, Sie wollen halt dagegen sein, das ist Ihr Kaffee.

Jetzt geht es aber um ein anderes Thema, nämlich um die Sicherung der Patientenrechte. Auch das ist eine sehr erfreuliche Sache, denn bereits 1990 wurde im Regierungsübereinkommen von ÖVP und SPÖ festgeschrieben, dass die Patientenrechte gestärkt werden sollten. – Wir von ÖVP und FPÖ haben es im neuen Regierungsübereinkommen im Februar 2000 neuerlich festgeschrieben. Und nun ist schon das dritte Bundesland dabei, sich in einem entsprechenden Abkommen zwischen Bund und Land zu verpflichten. Das ist eine ganz besonders erfreuliche Sache. Nachdem wir Freiheitlichen in fast allen Landtagen diese Initiative gesetzt haben, aber vorläufig eine Ablehnung erfahren mussten – meistens von der SPÖ –, gibt es jetzt doch bereits das dritte Bundesland, das dieser Stärkung der Patientenrechte, diesem Abkommen zustimmt.

Es geht darin um einige sehr wichtige Punkte, so zum Beispiel darum, dass wir den gleichen Zugang zu medizinisch notwendigen Leistungen sicherstellen. Auch das Recht auf Behandlung und Pflege wird mit dieser Patientencharta festgeschrieben. Auch das ist eine sehr wichtige Sache.

Ferner muss die Privatsphäre gewahrt werden – ich erinnere an Spitäler, in denen oft Gangbetten aufgestellt werden und kein Paravent zur Verfügung steht –, es muss möglich sein, die persönliche Intimsphäre der Patienten zu wahren. Jetzt ist festgeschrieben, dass die Achtung der Würde und Integrität ein Recht des Patienten ist. – Auch das ist ein großer Schritt vorwärts.

Weitere Punkte sind das Recht auf Selbstbestimmung und Information, ferner, dass die Behandlung nur nach rechtsgültiger Aufklärung erfolgen darf, das Recht auf Dokumentation, besondere Bestimmungen für Kinder, also ein vermehrter Schutz für kindliche Patienten, die Vertretung von Patienteninteressen und die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen. – All das wird verbessert und in Form von Artikel-15a-Vereinbarungen festgelegt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen Vereinbarungen sehr viel dazu beitragen, dass die Patientenrechte österreichweit gestärkt werden.

Ich hoffe nur, dass sich auch das mit absoluter sozialistischer Mehrheit regierte Wien endlich einmal bewegt und die Patientenrechte stärkt, denn das einzige Bundesland, das bisher in dieser Richtung überhaupt noch nichts gemacht hat, ist Wien mit seinem Bürgermeister und Landeshauptmann Häupl und seiner sozialistischen absoluten Mehrheit. Das ist bedauerlich, und ich hoffe, dass ihm die Patientenrechte in Zukunft mehr wert sein werden als seine persönlichen parteilichen Interessen und jene der SPÖ in Wien. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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17.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.40

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nach dem Burgenland und Kärnten ist Oberösterreich jetzt das dritte Bundesland, das in Form einer Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Land die Rechte von Patienten regelt. Es ist dabei gelungen, eine vollständige und verständliche Formulierung der Patientenrechte in der Patientencharta umzusetzen, und es ist das durchaus ein wertbestimmendes Maß, wie eine Zivilgesellschaft mit pflegebedürftigen Mitmenschen umgeht.

Es war schon immer das Wesen einer christlich-sozialen Gesinnung, sich um die Schwächeren in der Gesellschaft zu kümmern, meine Damen und Herren. Deshalb steht die Wahrung der Würde, der Menschenwürde im Mittelpunkt dieser Patientencharta. Garantiert wird dieses Ziel durch die Leistungen der Ärzte und des Pflegepersonals. Anders als in den Niederlanden, wo die aktive Sterbehilfe legalisiert wurde, bieten wir unseren Patienten größtmögliche Betreuung durch das Recht auf Selbstbestimmung und auf Information, natürlich unter Wahrung des Datenschutzes.

Mein Heimatbundesland setzt mit der Patientencharta ein Zeichen, jedoch nicht nur mit dieser Charta: Darüber hinaus wurde zum Beispiel erst in diesen Tagen die gesetzliche Grundlage für die anonyme Geburt geschaffen, und mit der Schaffung der Gesundheits AG erfolgt die Ausgliederung der Spitäler. In Personalfragen liegt die Kompetenz natürlich vor Ort.

Die anderen Bundesländer sind aufgefordert, in diesem Bereich dem Beispiel Tirols, der Steiermark und Oberösterreichs zu folgen. Wir stimmen dieser Patientencharta gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Die Uhr ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Pumberger: Die SPÖ hat für die Patientenrechte nicht einmal einen einzigen Redner!)

17.42

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Auch wir sind für die Patientencharta. Was darin zu lesen ist, ist positiv. Allerdings bitte ich Sie schon, von dieser so großen Euphorie ein bisschen wegzukommen. Wenn man jetzt diese unterschiedlichen Chartas liest, wenn wir sehen, dass darin ... (Abg. Böhacker: Es gibt keine Sache, die gut ist!)  – Doch, das ist eine Sache, die gut ist! Aber bitte unterbrechen Sie mich nicht! (Abg. Böhacker: Ohne Kritik geht es einfach nicht!)

Nein, ohne Kritik geht es nicht, und ich kann Ihnen die Kritik auch gleich erklären: Wenn Sie meinen, dass die Aneinanderreihung von Selbstverständlichkeiten eine große humane und christliche Leistung ist (Abg. Böhacker: Das hat ja keiner gesagt!), dann verstehe ich die Welt nicht mehr ganz! Da ist beispielsweise darin zu lesen, es ist den Patienten Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Darunter wird verstanden, dass sie ein Recht auf Behandlung, Diagnose und Arzneimittelversorgung haben. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, das habe ich mir auch so erwartet! Oder glauben Sie, dass es anders sein sollte? Wenn das nicht selbstverständlich ist, dann frage ich mich: Was ist in dieser Republik überhaupt noch selbstverständlich? (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man so etwas in eine Charta hineinschreiben muss, weil man den Ländern nicht vertraut, dass sie das gewährleisten, manifestiert sich doch da die ganze Ohnmacht des Bundes und die ganze Ohnmacht der Republik! Ich frage mich auch: Wenn jemand diese Selbstverständlichkeiten nicht erfüllt, was macht dann der Bund? Was macht der Bund? – Ich weiß aus mehreren Gesprächen mit Minister Haupt und auch mit Staatssekretär Waneck, dass auch sie unter ihrer Ohnmacht leiden, darunter, da nichts tun zu können. Wo ist die Qualitätssicherung, wo ist die Kontrolle, wo sind die Sanktionsmechanismen – ohne dass wieder der Mann vom Wörthersee aufsteht und die Republik vor sich hintreibt, weil er das nicht gerne hören will.


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Also: Patientenchartas gut, aber nicht ohne Wermutstropfen. – So steht da etwa auch drinnen, dass ein Sterben in Würde zu garantieren ist, der Kontakt mit den Angehörigen zu ermöglichen ist. – Ich frage Sie nochmals: Ist das Sterben in Würde garantiert? Ist in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern der Gemeinden und der Länder – und des Bundes, sage ich jetzt einmal dazu – der Kontakt mit Angehörigen bei Sterbenden garantiert? Gibt es dort Orte oder Räumlichkeiten des Abschiednehmens, oder gibt es sie nicht? – Es gibt sie zu einem großen Teil nicht! Österreich hat 70 Hospizbetten – ich rede jetzt von Österreich und nicht von Oberösterreich. Allein im größten Innsbrucker Pflegeheim sterben pro Jahr 100 alte Menschen – und wir haben derzeit 70 Hospizbetten! Wo ist da etwas garantiert? Geben Sie mir eine Antwort auf diese Frage, wenn ich schon keine Kritik anbringen darf!

Es steht auch drinnen – oder es soll drinnen stehen, steht in einzelnen Länderchartas aber nicht drinnen –, dass Eltern mit ihren Kindern aufgenommen werden können oder, besser gesagt, umgekehrt: dass Kinder das Recht auf Begleitpersonen haben und dass auch Sterbende das Recht haben, dass Begleitpersonen mit ihnen aufgenommen werden. – Das ist nur in einem Bruchteil der Fälle möglich!

Ein weiterer Punkt: Die verschuldensunabhängige Medizinhaftung ist in keiner Charta einheitlich geregelt.

Ich sage Ihnen jetzt auch als Grüner: Wenn in Österreich zuerst ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz erreicht wird, bevor bundeseinheitliche Heimgesetze und Rechte von Patienten durchgesetzt werden können, geniere ich mich! Das muss ich wirklich sagen: Da geniere ich mich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und noch etwas: Als wir die große Enquete zum Thema Sterbebegleitung abgeführt haben, da wurde über Holland – beziehungsweise über die Niederlande, korrekterweise – gesprochen, und niemand wollte das eins zu eins übernehmen. Aber haben Sie davon gesprochen, dass in Österreich 65 000 alte Menschen in Alten- und Pflegeheimen leben, davon über 30 000 pflegebedürftig? Haben Sie gewusst, dass 13 Prozent dieser Patienten einen Monat nach Aufnahme in Pflegeheimen bereits sterben, dass 33 Prozent in den ersten drei Monaten sterben und 46 Prozent im Laufe des ersten Halbjahres? – Das ist nicht deshalb so, weil die Vorgangsweise der Niederlande praktiziert würde, sondern das liegt daran, dass sich die Leute einsam fühlen, weil man dort so an Personal spart, dass kaum jemand mit ihnen reden kann; dass sie ihre Möbel nicht mitnehmen dürfen, weil im Pflegeheimvertrag meistens nichts geregelt ist – außer das, was Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen zahlen müssen.

Wenn Sie also sagen, das ist alles so gut, jetzt haben wir die Patientencharta, und damit ist alles erledigt, dann haben Sie sich geirrt! Trotzdem ist es ein Schritt in die Zukunft. Aber es werden noch mindestens zehn weitere folgen müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wochesländer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.47

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Dr. Grünewald, natürlich bin ich in vielen Punkten, die Sie, gerade als Mediziner, angesprochen haben, mit Ihnen einer Meinung. Das, was Sie zuletzt gesagt haben, ist auch mir aufgefallen: dass bei alten Menschen, wenn sie in Pflegeheimen untergebracht werden, sich oft nach einem Monat oder zwei Monaten der Tod einstellt.

Aber da kommt eines schon auch noch dazu, und zwar die mitmenschliche Vereinsamung (Abg. Dr. Grünewald: Ja!), denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Pfleger einen Menschen ersetzen können, mit dem man wirklich seelisch verbunden ist. Ich glaube, da ist die Politik ein bisschen zu schwach, um das zu ergänzen. Das muss früher beginnen!


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Nun aber zum eigentlichen Thema. – Meine Damen und Herren! Ich habe mich gefragt: Was heißt eigentlich Patient sein? – Patient sein heißt, angewiesen sein auf medizinische Hilfe, auf ambulante und stationäre Behandlung. Somit bedeutet für mich Patient sein auch einen Kontakt mit einer Vielzahl von Menschen, die dementsprechend ausgebildet sein sollen und müssen –vom Arzt über das Pflegepersonal bis hin zu Rettungsdiensten und so weiter.

Patient sein bedeutet aber auch ein In-Kontakt-Kommen mit Gegebenheiten wie Vorschriften und Reglements, die dem Wohl, dem Leben und der Würde der Patienten dienen sollen. Wo solche Kontakte stattfinden – sowohl auf personeller wie auf legistischer Ebene –, kann es natürlich zu Fehlhandlungen, zu Versäumnissen und verschiedensten Ablaufpannen kommen. Genau das ist der Grund, warum man diese Patientencharta eingeführt hat: zum Schutz des Patienten und damit er auch zu seinen Rechten kommen kann. Die Verankerung eines Rechtes auf Behandlung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft kommt aus meiner Sicht einem Grundgesetz gleich, und gerade einer solchen Patientencharta kommt diese große Bedeutung zu.

Aus diesen Gründen kam man, wie gesagt, zu der Überlegung, dass die im Sinne der Patienten bestmögliche Lösung, die ohne eine Verfassungsänderung zustande kommen kann – denn eine solche wäre notwendig, wenn man ein Bundesgesetz schaffen würde –, in Form von bilateralen Verträgen gemäß Artikel 15a B-VG erfolgen könnte. In diesem Sinne haben bis dato die Bundesländer Kärnten, Niederösterreich, die Steiermark und das Burgenland eine solche Vereinbarung ratifiziert, Tirol hat bereits seine Bereitschaft dazu erklärt, und die Vereinbarung mit Oberösterreich ist, wie gesagt, Gegenstand des heutigen Beschlusses.

Was mich wundert – und das hat auch schon mein Kollege Pumberger angesprochen –, ist, dass gerade von Wien, dem Bundesland mit der höchsten Anzahl von Betten und dem höchsten Patientenaufkommen, noch keine Patientencharta unterschrieben wurde beziehungsweise dass es da noch zu keiner solchen Vereinbarung zwischen Bund und Land Wien gekommen ist. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Ich frage mich wirklich auch – entschuldigen Sie, Frau Silhavy, aber Sie reden ja eh sonst immer so viel –, warum Sie von der SPÖ keinen Redner für diese Patientencharta nominiert haben. Ist Ihnen das wirklich so Wurscht? – Da würde ich persönlich sagen: Hoffentlich komme ich nicht in Wien irgendwo in Bedrängnis, sodass ich Hilfe brauche!

In diesem Sinn darf ich einen Appell an die Abgeordneten der Länder richten und sie darum bitten, sich in Wien, Salzburg und Vorarlberg, wo solche Ratifizierungen noch ausstehen, einzusetzen, sich mit den Landesbevollmächtigten zu unterhalten und ihnen zu beweisen, wie gut diese Charta ist – und dass sie zumindest einen Schritt hin zu dem darstellt, was wir anstreben, Herr Dr. Grünewald! – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin hatte bereits das Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss der Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte in 537 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.


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14. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (628 der Beilagen): Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001) (692 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Hiemit gelangen wir zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Als erster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.51

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Pumberger, wir betreiben keine Fundamentalopposition, das habe ich Ihnen gerade vorhin erklärt. Wenn aber die Politik schlecht ist, so wie dies derzeit bei der Politik dieser Regierung der Fall ist, dann können Sie doch nicht erwarten, dass Sie die Zustimmung der Opposition bekommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Pumberger! Das Ganze wird auch dann nicht besser, wenn man es "Reform" nennt. – Diese kleine Replik auf Ihren vorherigen Redebeitrag nur als Einstieg.

Nun zum eigentlichen Thema. – Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorlage für ein Apothekerkammergesetz sollten unter anderem demokratiepolitische Verbesserungen und die Herstellung der Gegnerfreiheit gemäß Arbeitsverfassungsgesetz unter Beachtung des Vorranges der freiwilligen Berufsvereinigungen der Apotheker erreicht werden. Zumindest in diesen zwei Bereichen – und dies sind durchaus schwerwiegende Gründe – wurde dieses Ziel aus unserer Sicht nicht erreicht.

Lassen Sie mich zuerst auf das Problem der Gegnerfreiheit näher eingehen. Bei dieser Gesetzesausstattung sind die beiden Abteilungen allenfalls rechtsförmlich gegnerunabhängig, nicht jedoch in der funktionellen und faktischen Ausgestaltung der in diesem Gesetz normierten Kollektivvertragsfähigkeit.

Meine Damen und Herren! Kollektivverträge müssen nämlich nicht nur formal abgeschlossen, sondern auch verhandlungstechnisch vorbereitet und begleitet werden. Neben einschlägig ausgebildetem Fachpersonal bedarf es Verhandlungsräumlichkeiten und natürlich auch anderer Möglichkeiten. Die vorgeblich kollektivvertragsfähigen Abteilungen verfügen aber über keinerlei eigenes Personal und keine eigene budgetäre Ausgestaltung. Mangels einer umfassenden eigenen Rechtspersönlichkeit wäre selbst bei Vorhandensein eines eigenen Budgets auch keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung außenstehender Berater möglich. Beide Abteilungen sind somit auf die gemeinsamen Einrichtungen der Apothekerkammer zur faktischen Ausübung der beabsichtigten Kollektivvertragsfähigkeit angewiesen – ein Zustand, der mit der auf Grund der Koalitionsfreiheit auch verfassungsrechtlich gebotenen Gegnerunabhängigkeit unvereinbar ist.

Auch die paritätische Zusammensetzung der Gesamtorgane Delegiertenversammlung und Kammervorstand ist demokratiepolitisch bedenklich und daher abzulehnen. Das stellt nämlich eine eindeutige Verletzung des demokratischen Grundsatzes des gleichen Wahlrechtes dar.

Meine Damen und Herren! Aus unserer Sicht wurde daher in diesen beiden Punkten das eingangs erwähnte Ziel bei dieser Gesetzwerdung eindeutig verfehlt.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lackner und GenossInnen zum Gesetzentwurf im Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (628 der Beilagen): Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001) (692 der Beilagen)


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Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert

1. § 7 Abs 6 soll lauten:

"(6) Die Abteilungen sind im Rahmen des Wirkungskreises der Apothekerkammer (§ 2) insbesondere berufen, die besonderen beruflichen, rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen und zu vertreten. Insbesondere obliegen ihnen in Zusammenarbeit mit den kollektivvertragsfähigen freiwilligen Berufsvereinigungen ihrer Mitglieder die Ausarbeitung und der Abschluss von Kollektivverträgen, soweit diese nicht gemäß § 6 Arbeitsverfassungsgesetz von den freiwilligen Berufsvereinigungen abgeschlossen werden."

2. § 9 Abs 2 soll lauten:

"(2) Für die Geschäftsführung der Apothekerkammer sind nähere Bestimmungen durch eine Geschäftsordnung zu treffen. Dabei sind insbesondere den Abteilungen die für die Wahrnehmung der besonderen Interessen ihrer Mitglieder (§ 7 Abs 6 und § 13) erforderlichen Mittel aus dem gesamten Aufkommen eines Jahresvoranschlages (§ 76) zuzuteilen."

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.56

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Aller guten Dinge sind drei. Dazu gehört auch das Apothekerkammergesetz. Dieses stellt meiner Überzeugung nach einen weiteren Baustein für unsere gute und effiziente Gesundheitspolitik dar. Mit diesem Gesetz wird für die gesetzliche gemeinsame Berufsvertretung der angestellten und der selbständigen Apotheker eine moderne Rechtsgrundlage geschaffen.

Die wesentlichen Neuerungen dabei sind erstens der Zugang angestellter und selbständiger Apotheker zu allen Funktionen. Jetzt kann zum Beispiel auch ein Angestellter zum Präsidenten gewählt werden.

Zweitens erhalten die Abteilungen der Apothekerkammer wiederum Kollektivvertragsfähigkeit, soweit Kollektivverträge nicht ohnedies von den freiwilligen Berufsvereinigungen der Apotheker abgeschlossen werden.

Und drittens gibt es natürlich auch positive Auswirkungen für die Bevölkerung, indem Maßnahmen zur Qualitätssicherung geschaffen werden, auch was den Apotheken- und Pharmaziebereich betrifft, und indem eine Fortbildung für die Pharmazeuten verpflichtend eingeführt wird.

Die Bundesregierung und der Gesundheitsausschuss haben mit dieser Regierungsvorlage dem Bekenntnis der selbständigen und angestellten Apotheker zu einer gemeinsamen Kammer Rechnung getragen und in ausgewogener Art und Weise die gesundheitspolitischen und berufspolitischen Erfordernisse berücksichtigt. Sie haben damit eine jahrelange Reformdiskussion positiv abgeschlossen.

Mit diesem Gesetz werden nicht nur verfassungsrechtlich gebotene Verbesserungen der Organisationsnormen erreicht, sondern auch Verbesserungen für die angestellten Apotheker, da nunmehr auch ein Angestellter zum Präsidenten gewählt werden kann. Ich betone: gewählt und nicht bestellt – das an die Adresse der SPÖ.


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Vor allem aber wird sich dieses Gesetz positiv auf die Bevölkerung auswirken: Die Apothekerkammer hat nunmehr die Kompetenz, Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur verpflichtenden Fortbildung zu setzen. – Unverständlich ist für mich die Haltung der SPÖ, weil diese trotz mehrfacher erläuternder Gespräche auch mit den einzelnen Vertretern der Apothekerkammer nicht verstehen will, dass dieses Gesetz für die Betroffenen wirklich zum Besseren geschieht.

Ich hoffe, dass Sie es sich vielleicht doch noch überlegen, unserer Gesetzesvorlage zuzustimmen. Dieses Gesetz ist leider Gottes wieder einmal ein Beispiel dafür, dass die Opposition, Rot und Grün, nach nachweislichen sachlichen Bemühungen der Regierungsfraktionen die aktive Mitarbeit durch kategorische Obstruktion verweigert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der vom Vorredner, Herrn Abgeordnetem Lackner, eingebrachte Abänderungsantrag, der mir nunmehr vorliegt, ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.59

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Kollegin Hartinger, Sie machen es mir schwer und leicht zugleich.

Vorweggenommen: Ich gehöre zu jener Gruppe von Ärzten, die zur Apothekerkammer ein korrektes, ich möchte sogar sagen, für viele Ärzte ein zu gutes Verhältnis haben. Ich habe mit ihnen immer gut sprechen können. Das hat sich bei der grünen Position zu den Hausapotheken und bei dem, was wir hier an Vermittlung einbringen konnten, gezeigt.

Ich gebe Ihnen völlig Recht, wenn Sie sagen, dass in diesem Gesetz sehr notwendige und auch sehr gute Dinge verankert sind, aber ich habe trotzdem ein Problem, das ich Sie bitte auch zu verstehen. Man kann es sich als Abgeordneter in einer demokratischen Republik nicht so einfach leisten, Folgendes zu akzeptieren: Es gibt 1 000 selbständige Apothekerinnen und Apotheker und 3 000 Angestellte. Die haben sich zwar im Vorfeld geeinigt, aber mit der Einigung ist es dann nicht so weit her gewesen, dass sie angehalten hätte.

Man hat in diesem Verhältnis 1 000 : 3 000 noch Folgendes bemerkt: dass diese 1 000 Selbständigen großzügig zirka 70 bis 80 Prozent der Beiträge einbringen und auch bereit sind, diese großzügig mit den Angestellten zu teilen. Trotzdem ist der Wahlmodus aber so, dass die um den Faktor 3 größere Gruppe nur fifty-fifty in der Kammer vertreten ist. Das gibt es wohl nirgendwo, dass 3 000 mit 50 Prozent vertreten sind, verglichen zu einer Gruppe, die ein Drittel dieser Anzahl stellt.

Daher – aus diesem einzigen Grunde – müssen wir dieses Gesetz in der jetzigen Form ablehnen. Alles, was daran gut ist, werden Sie ja beschließen, und ich werde mich freuen, wenn es beschlossen ist, aber es hat einen Punkt, der mir nicht erlaubt, dazu ja zu sagen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Professor Grünewald, ich glaube, du bist nicht richtig informiert. Meiner Information nach sind 89 Prozent für dieses Gesetz, und zwar in der Form, wie es eingebracht ist. Deshalb verstehe ich nicht, warum es abgelehnt wird. Wie kann man, wenn eine Kammer, eine Berufsgruppe ein Gesetz entsprechend mitgestaltet, als Parlamentarier einfach dagegen sein? Das begreife ich nicht.


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Ich bedauere das sehr, denn es sind eigentlich sehr vernünftige Inhalte hier neu geschaffen worden und es ist ja an und für sich ein sehr spärlich und knapp gehaltenes Apothekerkammergesetz, das bereits von 1947 bis jetzt – mit Ausnahme einiger weniger Novellierungen – gehalten hat.

Der neue Entwurf enthält vier verschiedene sehr wesentliche Punkte – und ich verstehe auch nicht, warum das von der Sozialdemokratischen Partei abgelehnt wurde –: eine verfassungsrechtliche Sicht, eine berufsbezogene Sicht, eine rechtliche Sicht und eine gesundheitspolitische Sicht.

Ich habe schon gesagt, durch die verfassungsrechtliche Änderung wären künftighin die Kompetenzen der Organe der Apothekerkammer präziser abgegrenzt worden, das so genannte Dirimierungsrecht des Präsidenten wäre gefallen. Ich weiß nicht, was man dagegen haben kann.

Aus rechtlicher Sicht sei als positive Neuerung zu vermerken, dass das bisher auf mehrere Rechtsquellen verstreute Disziplinarrecht nunmehr in seiner Gesamtheit in das Apothekerkammergesetz 2001 aufgenommen und gleichzeitig modernisiert wird.

Als einen wesentlichen Punkt aus berufspolitischer Sicht bewerte ich den nunmehrigen Zugang auch der angestellten Apothekerinnen und Apotheker zu allen Funktionen, insbesondere auch die Einräumung des passiven Wahlrechtes für die Präsidentenfunktion.

Aus gesundheitspolitischer Sicht ist besonders hervorzuheben, dass die Apothekerkammer nunmehr gesetzlich ermächtigt wird, Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Apotheken vorzusehen, Weiterbildungs- und Spezialisierungslehrgänge einzuführen und laufende Weiterbildung verpflichtend vorzuschreiben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. (Abg. Dr. Khol: Braucht er gar nicht!) Braucht er nicht. 3 Minuten. – Bitte.

18.05

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Das vorliegende Apothekerkammergesetz 2001 ist, glaube ich, für die Berufsvertretung sehr wichtig. Es ist wahrscheinlich zu viel verlangt, es jetzt am Freitagabend genau auszuführen. Ich möchte nur drei Punkte herausgreifen.

Erstens: Ich halte es für wesentlich, weil es in allen Berufsgesetzen im Gesundheitswesen durchgängig ist, dass wir die Fortbildungs- und Weiterbildungsverpflichtung verschärfen. Das bringt nämlich den Patienten letztendlich sehr viel. Entscheidend ist nicht die Zahl der Köpfe, sondern entscheidend ist, wie gut die einzelnen sind.

Zweitens: Es ist sehr wesentlich, dass nicht nur der Apotheker, sondern jetzt auch der angestellte Apotheker Präsident werden kann. Ich halte das für einen demokratiepolitischen Fortschritt ersten Ranges.

Drittens: Was ich nicht so gut finde und eigentlich bedauere, weil ich darin einen Justamentstandpunkt sehe, ist, dass die Weisungsfreiheit des Disziplinarrates nicht umsetzbar war, weil dazu eine Verfassungsmehrheit notwendig ist und Sie von der SPÖ dies verweigert haben. Sie verweigern damit die Umsetzung eines Wunsches einer freien Berufsvertretung. Können Sie mir erklären, was Sie dazu motiviert hat, dem nicht zuzustimmen, dass ein Disziplinarrat in der Apothekerkammer weisungsfrei ist? Das möchte ich gerne wissen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 628 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbericht 692 der Beilagen angeschlossenen Abänderungen.

Hiezu haben die Abgeordneten Lackner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den erwähnten Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf in 628 der Beilagen abstimmen.

Die Abgeordneten Lackner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 7 und 9 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 628 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbericht 692 der Beilagen angeschlossenen Abänderungen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

15. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (667 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (21. StVO-Novelle), und

über die Petition Nr. 1 betreffend "Alkoholisierte Lenker gefährden uns alle", überreicht von dem Abgeordneten Johann Kurzbauer (677 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. (Abg. Dr. Khol macht dem Präsidenten eine Mitteilung.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frau Minister steckt im Stau und wird in drei bis vier Minuten da sein. Ich glaube, wir können trotzdem beginnen, wenn Sie einverstanden sind. – Herr Staatssekretär Waneck ist im Übrigen anwesend.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.08

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf vorweg sagen, es geht heute bei der vorliegenden Straßenverkehrsordnungs-Novelle ausschließlich um Drogenmissbrauch im Straßenverkehr und um nichts sonst. Ich darf festhalten, dass auch heute bereits Drogenmissbrauch im Straßenverkehr selbstverständlich verboten ist. Ich darf weiters festhalten, dass sich die Sozialdemokraten immer gegen den Missbrauch jeglicher Art von Suchtmitteln im Straßenverkehr ausgesprochen haben. Die Sozialdemokraten haben sich stets auch für die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch entsprechende Maßnahmen gegen die Beeinträchtigung durch Suchtgifte und Medikamente im Straßenverkehr eingesetzt.


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76. Sitzung / Seite 159

In den letzten Jahren wurde deshalb von Ministern der Sozialdemokraten eine Reihe von Initiativen gesetzt, um den Kampf gegen Drogen- und Medikamentenmissbrauch am Steuer zu verschärfen. Weil Drogen- und Medikamentenmissbrauch am Steuer eben verboten ist, ist es so, dass im Jahr 2000 367 Führerscheine auf Grund von Lenkerbeeinträchtigungen durch Suchtgiftkonsum entzogen wurden.

Das vorliegende Gesetz sollte ab 1. Jänner 2002 wirken. Daher sind für mich die Hast und Eile, die die Regierungskoalition hier an den Tag legt, und das Tempo, mit der sie heute hier leider eine untaugliche Regierungsvorlage durchpeitschen will, eher unverständlich,

Eines sei hier nochmals klargestellt: Es geht um taugliche Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in Österreich. Es geht nicht um allgemeine Drogenpolitik. Faktisch alle Experten, meine Damen und Herren, egal, ob Juristen, ob Mediziner – vielleicht mit Ausnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit –, halten diese heute vorliegende Regierungsvorlage für nicht beschlussreif.

So hat es im Rahmen des Begutachtungsverfahrens bereits massive Kritik des Bundesministeriums für Justiz, der Ärztekammer, der Sozialpartner, der Autofahrerklubs und verschiedener Bundesländer, insbesondere auch von Seiten Wiens, gegeben. Im Anschluss wurde der in den Kernpunkten unveränderte Entwurf als Regierungsvorlage dem Verkehrsausschuss zur Behandlung vorgelegt. Von Seiten des ARBÖ und der Stadt Wien wurde eine umfangreiche Enquete unter Beiziehung nationaler und internationaler Experten durchgeführt. Also wir machen es uns nicht leicht, wenn wir heute nicht zustimmen.

Diese Regierungsvorlage ist aber nach übereinstimmender Meinung all dieser Experten kein taugliches Mittel, um das eigentliche Ziel – und nur darum geht es! –, eine Erhöhung der Verkehrssicherheit und eine wirksame Bekämpfung von Suchtmittel-, Drogen- und Medikamentenmissbrauch im Straßenverkehr erreichen zu können. (Abg. Dr. Khol: Das stimmt nicht! – Abg. Mag. Firlinger: Nach der Diktion der SPÖ!) Das ist das Problem, das wir eigentlich haben, und dafür sind vor allem folgende Gründe maßgeblich:

Erstens: Es gibt keine exakten Testverfahren. (Abg. Zweytick: Das stimmt nicht!) Nach wie vor stehen keine exakten Testverfahren für den Nachweis der Beeinträchtigung durch Suchtgiftkonsum zur Verfügung. So sprechen die verfügbaren Blut- und Harntests auch auf konsumierte Substanzen nach einem Zeitraum von bis zu zwei und drei Monaten an. Dabei besteht aber keinerlei Zusammenhang – und genau darum geht es! – mit der tatsächlichen Lenkerbeeinträchtigung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Überprüfte Auto gefahren ist. Die Ergebnisse dieser Blut- und Harntests sind wissenschaftlich somit ganz einfach nicht haltbar. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Firlinger: Darauf wäre ich nicht stolz!)

Meine Damen und Herren! So schreibt die Ärztekammer – ich glaube, das ist sicher keine sozialistische Organisation – an die Frau Bundesministerin ganz klar:

Insbesondere lässt sich die quantitative Beeinträchtigung aus dem Test zum konkreten Zeitpunkt der Tatbegehung nicht hinreichend bestimmen. Dazu kommen noch Kreuzreaktivitäten, lange Ausscheidungsdauer und systematische Fehler der Drogennachweise, weshalb die wissenschaftlich geforderten Leistungsmaßstäbe praktisch von keinem real verfügbaren immunologischen Testsystem erbracht werden und diese daher rechtlich nicht als geeignete Instrumentarien zur Feststellung einer Verkehrsbeeinträchtigung angesehen werden können. – Zitatende.

Das heißt, wir beschließen heute hier so quasi ein Gesetz, das genauso ist, als würden wir hier beschließen, der Kollege Kukacka soll zwei Meter hoch springen. Alle wissen wir, er kann es nicht, aber wir beschließen es. Solch ein Gesetz wollen Sie heute hier beschließen! (Abg. Zweytick: Nein, nein, so ist das nicht!) Dagegen sind wir! (Beifall bei der SPÖ.)

Oder nehmen Sie das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung her! Herr Kukacka kommt ja aus Oberösterreich. Was schreiben die? (Abg. Mag. Kukacka: Das war der SPÖ-Referent!)  – Die schreiben Folgendes:


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Aus medizinischer Sicht muss, wie auch schon bereits im Rahmen der Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, nochmals dezidiert darauf hingewiesen werden, dass es nach derzeitigem Wissensstand nicht möglich ist, durch eine klinische Untersuchung eine suchtgiftbedingte Beeinträchtigung festzustellen – Zitatende.

Ihre Landesregierung ... (Abg. Mag. Kukacka: Völlig falsch!) Nicht falsch. Das steht doch da! Schwarz auf weiß! Ihre Darstellung ist völlig falsch.

Wir Sozialdemokraten wollen keinesfalls eine Kriminalisierung unbescholtener Bürger. Mit diesem Gesetz würden Sie aber das heute hier einführen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wattaul: Wer Drogen nimmt, ist kriminell!)

Die Sozialdemokraten haben es sich aber nicht leicht gemacht. Wir haben vorgeschlagen, das ganze Thema in einem Unterausschuss zu beraten. Wir wollen wirklich das gleiche Ziel, das Sie auch anstreben, erreichen. Sie haben die Einsetzung eines Unterausschusses mit der Begründung abgelehnt, dass das unnötig sei, dass Sie ohnehin so gescheit seien, dass Sie alles ganz allein tun können. Das können Sie eben heute nicht tun, denn Sie brauchen eine Zweidrittelmehrheit. (Abg. Wattaul: Verzögern wollen Sie es!)

Es wäre Zeit genug gewesen, bis zum 1. Jänner 2002 in einem Unterausschuss noch einmal mit Experten dieses Thema, das ein heikles Thema ist, das auch medizinisch ein heikles Thema ist, entsprechend zu beraten. Sie haben den Unterausschuss abgelehnt, wir lehnen heute Ihren Gesetzesvorschlag ab. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Die Kollegen haben nur geklatscht, weil die Rede so kurz war, nicht weil sie so gut war!)

18.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.15

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich bin normalerweise immer sehr umgänglich mit meinen Aussagen (Heiterkeit), aber jetzt ist das Maß doch ziemlich voll, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich möchte das in einem Satz zusammenfassen: 98,9 Prozent von dem, was Kollege Eder jetzt von sich gegeben hat, war schlichtweg falsch.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie betreiben in dieser Frage seit Jahren Verzögerungstaktik, Verzögerungstaktik und nochmals Verzögerungstaktik. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Zweytick. ) Die Argumente, die Sie jetzt aus der untersten Schublade herausholen, sind in Ausschüssen bis zum Gehtnichtmehr zerkaut worden, zerredet worden. Das ist Ihre Taktik!

Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, eben Fundamentalopposition betreiben. Ich brauche Ihnen die Beispiele nur vorzuführen: Wir haben es jetzt wieder erlebt, gestern bei der Finanzmarktaufsicht. Da wird dann ein Abänderungsantrag gestellt, damit man das Gesicht nicht verliert, aber mit Bedingungen, die nicht zumutbar sind. So kann man es natürlich machen, aber dieses Schauspiel, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, das wird durchschaut, und es ist auch leicht zu durchschauen. Sie sind als Verhinderer und Verzögerer entlarvt und enttarnt. Das muss ich einmal festhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. – Abg. Dietachmayr: Wider besseres Wissen sagen Sie das!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Fakten: Wenn Sie die Unterlagen lesen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, in welchen Ländern es eine gesetzliche Rahmenbestimmung über das Fahren unter Drogeneinfluss gibt, dann werden Sie sehen, dass Österreich da einsames Schlusslicht ist.


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Es gibt die berühmte Studie des Kuratoriums mit vier Spalten: Rahmengesetzgebung zur Sanktionierung von FDE, also Fahren unter Drogeneinfluss, Zulässigkeit von Straßenkontrollen zur Überprüfung von FDE, Vorliegen von Verdachtsmomenten für Kontrollen erforderlich. Letzteres ist unterschiedlich geregelt, das gebe ich schon zu, aber dass man überhaupt nichts oder kaum eine Handhabe hat, das gibt es fast nur in Österreich.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines: Wenn da wieder etwas passiert, tragen Sie die Verantwortung dafür! Es ist jetzt hoch an der Zeit, dass wir einmal anfangen und nicht dauernd verzögern. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Wir wollen mit dieser Novelle die Dinge nicht vermischen. Wir wollen Verkehrssicherheitspolitik betreiben. Wir wollen nicht das Thema Drogenpolitik in einem allgemeinen Konnex thematisieren, uns geht es um die Verkehrssicherheit. Ihnen geht es anscheinend um etwas anderes. Sie wollen anscheinend Leute, die unter Drogeneinfluss stehen, auch noch schützen. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ja natürlich! Wenn Sie dauernd mit Exit-Strategien daherkommen, wenn Sie immer einen Weg suchen, bei dem Sie dann bequem aussteigen können, was ist denn das anderes, Kollege Eder? – Natürlich weiß ich Bescheid. Wir haben uns doch lange genug in den Ausschüssen und auch vorher schon darüber unterhalten.

Einem Entschließungsantrag stimmen Sie zu, meine Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, aber dann, wenn es um das Eingemachte geht, damit man einmal anfangen kann, sind Sie nicht dabei. Also: Fundamentalopposition bleibt Fundamentalopposition! (Abg. Dietachmayr: Sie haben die Experten im Ausschuss abgelehnt! Sie haben die Experten abgelehnt!)

Wir werden uns aber nicht abhalten lassen, meine Damen und Herren, denn das Thema ist uns viel zu wichtig. Wir werden es im Herbst wieder aufs Tapet bringen. Ich hoffe nur, dass nicht im Sommer wieder so ein bedauerlicher Vorfall passiert, dass ein unter Drogeneinfluss stehender Lenker grobes Unheil anrichtet. Ich hoffe für Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.19

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten schon eine Debatte hier im Hause, wir hatten eine sehr lange Debatte im Verkehrsausschuss, und wenn man – das würde ich bitten, auch von der Seite der Regierungsparteien zur Kenntnis zu nehmen – eigentlich vom Ziel her so nahe beieinander ist, wenn man eigentlich in allen vier Parteien, bei allen vier Verkehrssprecherinnen und -sprechern Klarheit darüber hat, dass es unser gemeinsames Ziel ist, beeinträchtigte Fahrer und Fahrerinnen nicht im Straßenverkehr haben zu wollen und entsprechend zur Verantwortung zu ziehen, dann ist es eigentlich traurig, dass es nicht gelungen ist, diese Materie auf einer sachlichen Ebene, auch auf Basis der eingelangten Stellungnahmen, so zu beraten, dass wir ein gemeinsames Ergebnis hätten finden können.

Wir wären nicht weit voneinander entfernt gewesen, wenn es nicht um eine einzige Bestimmung gegangen wäre, die Zwangsmittel in einer Art und Weise vorsieht, in der sie für das Thema null bringen, überhaupt keine zusätzliche Sicherheit im Straßenverkehr bringen (Beifall bei den Grünen), aber gleichzeitig ein Schleppnetz – und da muss ich meinem Vorredner leider widersprechen – schaffen sollen, ein Schleppnetz letzten Endes zur Suche nach Drogenkonsumenten, in dem sich aber – und das ist für mich der entscheidende Punkt – nach dem derzeitigen Stand unendlich viele Unschuldige verfangen werden. (Abg. Zweytick: Wenn einer Leberzirrhose hat, wird ihm auch nicht der Führerschein weggenommen! – Abg. Wattaul: Wer Drogen nimmt, ist unschuldig? Das gibt es ja nicht!) Das ist es, was mich stört, und das ist es, was ich als an Verkehrssicherheit Interessierte nicht mitvertreten kann!

Es mag Ihnen – und hier sieht es so aus, als wäre Ihnen sozusagen eine Darstellung wichtiger als der Inhalt – vielleicht nicht passen, das zur Kenntnis nehmen zu müssen, aber vom ÖAMTC bis zur Ärztekammer und den Länder-Stellungnahmen haben im Wesentlichen alle – alle! – die


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se Punkte aufgegriffen, die ich Ihnen auch im Verkehrsausschuss genannt habe. Sie haben eine breite Palette von ablehnenden Stellungnahmen bekommen und haben anschließend kleine Veränderungen im Gesetz vorgenommen (Abg. Sodian: Wesentliche Veränderungen!), die aber an der Substanz dessen, was in den Stellungnahmen angegriffen worden ist, nichts geändert haben.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wir hätten zu einer sinnvollen Lösung kommen können (Abg. Wattaul: Wenn Sie gewollt hätten!), wenn Sie zum Beispiel Ihren Entschließungsantrag – bis auf die eine Regelung –, meinen Entschließungsantrag und auch jenen der Sozialdemokraten genommen und daraus ein Konvolut geschnürt hätten, das die derzeitige Situation so verbessert hätte, dass wir keine durch Drogen, Medikamente und Alkohol beeinträchtigte, schwer beeinträchtigte Lenkerinnen und Lenker mehr auf unseren Straßen haben, die die Verkehrssicherheit gefährden. Das war unser gemeinsames Ziel, das hätten wir auch erreichen können! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schwemlein. )

Sie wissen, dass es auf Grund bestehender Gesetze heute schon Möglichkeiten gibt, unter Drogen stehende Lenkerinnen und Lenker aus dem Verkehr zu ziehen. (Abg. Wattaul: Wie?) Wenn Sie darauf verweisen, dass in allen anderen Staaten entsprechende Bestimmungen existieren, dann müssen Sie auch zugeben, dass diese Bestimmungen äußerst unterschiedlich sind und sie natürlich auch immer an entsprechende Verfassungsbestimmungen anzupassen sind. Vor allem muss man sehen, dass die Deutschen, auf die Sie immer hinweisen, zwar solche Bestimmungen haben, aber die Erhöhung der Verkehrssicherheit gerade in diesem Bereich nicht erfolgt


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ist.

Das heißt, der Weg, den Sie beschreiten wollen, ist untauglich! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis und gehen Sie noch einmal einen Schritt mit uns gemeinsam zur Entwicklung eines vernünftigen Antrages dort, wo wir unsere Konsensfelder letzten Endes hätten! Das wäre doch, wenn Sie wirklich an Verkehrssicherheit interessiert wären, eine relativ unaufwendige und einfache Angelegenheit. Wenn Sie das nicht tun – und das war leider der Succus der Ausschussberatungen –, muss sich in jedem der Verdacht regen, dass es Ihnen in Wirklichkeit um dieses Thema überhaupt nicht geht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Wattaul: Sie wollen nur verhindern!)

Zum Beispiel wäre es um die Entwicklung einer Checkliste, nach der vorzugehen ist, und um deren Verankerung in der Straßenverkehrsordnung gegangen, um erstens einen Anhaltspunkt zu haben und um zweitens auch eine konsequente Weiterbildung für die Leute vor Ort, die das Gesetz zu vollziehen haben, zu veranlassen. Ich spreche da von den Amtsärzten, ich spreche da auch von den Spitalsärzten, die mit diesem Thema konfrontiert sind und die noch nicht und nicht immer ausreichend auf dem neuesten Stand sind – das entwickelt sich ja alles sehr, sehr schnell weiter –, um zum Beispiel Drogenbeeinträchtigung zu erkennen. Hier geht es um Qualifikationsmaßnahmen, hier geht es um so genannte "softe" Maßnahmen, mit denen man all das, was das gemeinsame Anliegen wäre (Abg. Wattaul: Wenn man will!), erreichen könnte, wenn es Ihnen um die Verkehrssicherheit ginge.

Ich kann Ihnen nur sagen: So, wie Ihr Entwurf ausschaut, und so, wie Sie auch die Diskussion im Verkehrsausschuss geführt haben, hat sich für mich der Eindruck verdichtet, dass die Verkehrssicherheit ein maximal vorgeschobenes Argument war und es Ihnen in Wirklichkeit um eine Polemik gegangen ist (Abg. Zweytick: Aber geh! Das glaubst du doch selber nicht!), man also sozusagen aus Beleidigung, weil die 0,5 Promille beschlossen werden mussten, jetzt irgendeine andere Attacke reiten muss. (Abg. Zweytick: Das glaubt doch kein Mensch!) Das eignet sich natürlich auch herrlich zum Polemisieren, vor allem dann, wenn man sich jeglicher Sachlichkeit begibt. (Abg. Zweytick: Nennen Sie mir einen Menschen, der das glaubt! Das glaubt Ihnen kein Mensch! Das glaubt Ihnen keiner!)

Herr Kollege Firlinger, Ihre Aufregung ist nicht angemessen! Würden wir uns auf die sachliche Ebene begeben, dann hätten wir überhaupt keinerlei Schwierigkeiten damit, aber so, wie Sie das Thema angelegt haben, ist es nicht nachvollziehbar, dass wirklich Verkehrssicherheit das Ziel ist. (Abg. Zweytick: Es geht nicht um den Firlinger! Es geht um die Menschen, für die wir Verantwortung tragen!)

Wir haben nach wie vor die Punkte, die im Entwurf von den verschiedenen zur Stellungnahme aufgeforderten Instanzen angekreidet worden sind, im Gesetz enthalten. Es ist nicht beachtet worden, dass der österreichische und der deutsche Verfassungsstand ganz unterschiedlich sind und man insofern die Regelung nicht sozusagen kopieren und implementieren kann. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie haben – und das zum Abschluss – in der Anfragebeantwortung einer von meinem Kollegen Dieter Brosz gestellten Anfrage lesen können, dass es sehr wohl über 300 Führerscheinabnahmen wegen Beeinträchtigung durch Drogen am Steuer gegeben hat. Was, frage ich Sie, fehlt an diesem Gesetz wirklich, wenn es Ihnen nicht in Wirklichkeit um etwas ganz anderes geht? – Das ist leider eine traurige Tatsache!

Sie werden, wenn wir diese Abstimmung dann hinter uns haben werden, ja noch einmal in den Diskurs eintreten müssen, und ich hoffe, dass wir dann zu einer sinnvollen Lösung werden kommen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wattaul: Sie wollen nur Ihr Gewissen beruhigen!)

18.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.28

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Eder und Kollegin Lichtenberger, was eigentlich für Sie spricht, ist Ihre Körpersprache: Es war Ihnen ja sehr unangenehm, was Sie hier von sich gegeben haben (Abg. Dr. Lichtenberger: Mir nicht!), denn Sie beide haben sich ja halbwegs mit der zur Debatte stehenden Materie beschäftigt und wissen deshalb auch, dass wir mit unserem Antrag eigentlich Recht haben, aber Sie wissen auch, dass Sie in Ihren Fraktionen eine Gruppe haben, die es nicht zulässt, dass es zu einer sinnvollen Lösung dieses Problems kommt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Wattaul: So ist es!)

Meine Damen und Herren von Rot und Grün! Sie müssen Rücksicht nehmen auf die Strategien Ihrer Parteien, die die Zielgruppe der Rauschgiftkonsumenten und der unter Drogen stehenden Lenker offensichtlich als eine wichtige Wählergruppe ins Auge gefasst hat. Darum geht es (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen – Abg. Dr. Einem: Was für Drogen nehmen Sie?), denn sachliche Argumente haben Sie nicht vortragen können, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. ) Na, stimmt es vielleicht nicht, dass die Jusos zum Beispiel die Legalisierung von Haschisch zu einer großen Propagandaschlacht machen und uns und der Bevölkerung und der Jugend klarmachen wollen, dass das ein gesundes Rauschgift ist, das man nur nehmen soll? Als ob sich nicht alle darin einig wären, dass das eine ganz gefährliche Einstiegsdroge ist, meine Damen und Herren! (Abg. Eder: Es geht ja heute nicht um dieses Thema!)

Genau darum geht es Ihnen, meine Damen und Herren, uns geht es aber nicht darum! Uns geht es darum, die unter Drogen stehenden Lenker aus dem Verkehr zu ziehen; Ihnen geht es darum, die Rauschgiftkonsumenten zu schützen, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Eder: Völliger Unsinn!)

Ein sehr verräterisches Wort hat Frau Kollegin Lichtenberger gesagt. (Abg. Dr. Einem: ... ganz erklärlich!) Ein sehr verräterisches Wort hat sie gesagt. Sie hat nämlich gesagt, dass wir ein Schleppernetz aufziehen wollen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Schleppnetz!) Ein Schleppnetz, hat sie gesagt, wollen wir aufbauen (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), um durch entsprechende Verkehrskontrollen Drogenkonsumenten in den Griff zu bekommen. Meine Damen und Herren, das war ganz verräterisch! (Abg. Dr. Cap  – mit beiden Armen Zeichen in Richtung des Redners gebend –: Sie sind im Parlament! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)


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Ich weiß, dass Sie nervös sind und dass Ihnen das unangenehm ist. Wir werden Ihnen aber die Auseinandersetzung nicht ersparen, Herr Kollege Cap. (Abg. Dr. Cap: Ho, ho, da sind wir! – Hallo-Rufe bei der SPÖ.) Auch wenn Sie das heute ablehnen, werden wir im Herbst wieder mit unserem Antrag kommen. Sie werden sich der Diskussion stellen müssen (Abg. Eder: Das wollen wir ja!), bis auch der letzte Österreicher weiß, auf wessen Seite Sie stehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Ho, ho! Hier! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sachlich haben Sie leider keine Argumente. (Abg. Eder: Wir haben ja einen Unterausschuss wollen! Das habt ihr abgelehnt!) Das Kuratorium für Verkehrssicherheit – das ja nicht immer besonders freundlich zu uns war – hat sich ganz klar und eindeutig auf unsere Seite gestellt. Es hat auch klargemacht, dass es eine Minimallösung ist, die wir hier durchsetzen wollen.

In allen anderen europäischen Ländern gibt es zum Großteil weiter gehende Vorstellungen dazu, viel strengere Lösungen (Abg. Dr. Lichtenberger: Stimmt nicht!), als wir in Österreich sie gemacht haben, zum Beispiel in Deutschland, wo es grundsätzlich nicht möglich ist (Abg. Dr. Cap: Sind Sie für Bäckerschupfen?), unter Rauschgifteinfluss, unter Drogeneinfluss ein Auto zu lenken. (Abg. Dr. Cap: Unter welchem Einfluss stehen Sie?) Dort macht man sich straffällig, wenn man unter Rauschgifteinfluss Auto fährt, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Cap: Unter welchem Einfluss stehen Sie? – Abg. Dr. Mertel: ... mit 190 nach Hause! – Abg. Dr. Cap: Kein Ordnungsruf! Ich habe gesagt, "unter welchem Einfluss"! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jedenfalls Gott sei Dank nicht unter Ihrem Einfluss! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das ist grundsätzlich positiv, meine Damen und Herren. (Ruf bei den Freiheitlichen: Sie sollten sich nicht beeinflussen lassen!) Das lasse ich mich auch nicht. (Abg. Wattaul: Aber das wird euch schon ein Anliegen sein ...!)

Ihr Problem ist ja (Abg. Mag. Prammer: Was für ein Problem haben Sie?), dass Sie den konkreten sachlichen Argumenten in dieser Thematik nicht gewachsen sind, dass es Ihnen auch nicht gelungen ist (Zwischenruf der Abg. Huber ), auch nur eine vernünftige, praktikable Alternative zu bieten (Abg. Eder: O ja!), dass Sie keinen Vorschlag machen konnten, wie eine Lösung ausschauen soll, mit welcher man in der Lage ist, das Problem zu bewältigen. Dazu waren Sie, Herr Kollege, nicht in der Lage! (Abg. Wattaul  – in Richtung SPÖ –: Habt ihr die zwei toten Polizisten vergessen?)

Diskutiert haben wir wirklich lange genug. Vor drei Jahren haben wir – das war noch unter Minister Einem – einstimmig einen entsprechenden Entschließungsantrag im Nationalrat gefasst. Ich betone: einstimmig! Aber dann, als es darum gegangen ist, das umzusetzen und eine konkrete Lösung zu finden, wollten Sie davon nichts mehr wissen, meine Damen und Herren, weil Sie andere strategische Überlegungen haben! (Abg. Dr. Einem: Hat Sie der Abgeordnete Eder ...?)

Aber ich habe es Ihnen schon gesagt: Wir werden in dieser Frage nicht lockerlassen. Wir werden Sie im Herbst neuerlich mit einem Antrag konfrontieren, und zwar so lange, bis eine vernünftige Lösung zustande kommt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Nicht aufhören!)

18.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.34

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Die SPÖ ist stets für die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch entsprechende Maßnahmen gegen die Beeinträchtigung im Straßenverkehr durch Alkohol, Suchtgift oder Medikamente eingetreten.

Meine Damen und Herren! Zum Zweiten kann die Frage der Verkehrssicherheit sicherlich nicht mit der Feststellung von Suchtkranken verbunden werden. Hohes Haus! Gesundheitspolitik kann nicht über die Straßenverkehrsordnung geregelt werden. (Abg. Wattaul: Verkehrssicherheit!)


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Zum Dritten wenden wir uns gegen die Kriminalisierung von Lenkern, die erlaubterweise, Kollege Firlinger, Medikamente nehmen (Abg. Mag. Firlinger: Bei euch ist das Problem, dass der linke Flügel euch das nicht erlaubt!), die oftmals Suchtmittel wie etwa Codein enthalten. (Abg. Wattaul: ... zu reden!)

Zum Vierten wenden wir uns gegen eine zwangsweise Blutabnahme oder Harnprobe, Kollege Kukacka! (Abg. Mag. Firlinger: ... Interessen!) Dagegen wenden wir uns deshalb, weil die Ärztekammer in ihrer Stellungnahme schreibt: Die im § 5 Abs. 11 vorgesehene Verpflichtung, diverse Körperflüssigkeiten zum Zweck wissenschaftlicher Untersuchungen abzugeben, erscheint rechtlich bedenklich. (Abg. Mag. Kukacka: Beim Alkohol nicht?)

Ausdrücklich abgelehnt – so die Ärztekammer – wird die im § 5 Abs. 10 vorgesehene Zwangsabnahme einer Blut- beziehungsweise Harnprobe auch gegen den Willen des Probanden. (Abg. Mag. Firlinger: Die Regierung hat die Verantwortung ...!) Eine zwangsweise Durchsetzung invasiver Blutabnahmen ist aber nicht nur juristisch zweifelhaft, sie widerspricht auch medizinischer und ethischer Sicht, jedenfalls dem ärztlichen Berufsverständnis. (Abg. Mag. Kukacka: Und wie ist das beim Alkohol?)

Ich frage mich, ob Kollege Rasinger, Kollegin Povysil und alle Ärzte, die hier sitzen, überhaupt eine solche Blutabnahme vornehmen würden, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Kukacka: Beim Alkohol ist das erlaubt? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Fünften wenden wir uns dagegen, dass diese Maßnahmen auf dem Rücken der Exekutive ausgetragen werden und ein unvollziehbares Gesetz geschaffen wird. (Abg. Mag. Kukacka: Beim Alkohol ist das erlaubt? Das ist doch doppelzüngig, Kollege Parnigoni!) Ich begründe auch, warum das so ist: zum Ersten, weil es eine nicht ausreichende Schulung der Beamten gibt, zum Zweiten, weil es zu wenig ausgebildete Amtsärzte gibt, und zum Dritten, weil es zu wenige Amtsärzte gibt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das begründe ich ebenfalls, und zwar mit einer Stellungnahme des Innenministeriums. Das Innenministerium, Kollege Firlinger ... (Abg. Mag. Firlinger: Die erste Stellungnahme war schon falsch!)

Das Innenministerium – Ernst Strasser wird ja hoffentlich nichts Falsches schreiben (Abg. Mag. Firlinger: Die erste Stellungnahme, die Sie zitiert haben, war schon falsch!)  – schreibt: Die Bundesgendarmerie hat größte, unlösbare Probleme, da größtenteils keine Amtsärzte und zum Teil auch keine Gemeindeärzte – weil das Bundesland Niederösterreich die Verträge gekündigt hat – zur Verfügung stehen. Zusätzlich sind die Ärzte insbesondere betreffend die Erkennung von Drogen im Straßenverkehr nicht geschult. Es besteht großer Handlungsbedarf in den Ländern, ausgenommen in Wien. (Abg. Wattaul: Dann muss man halt handeln!)

Meine Damen und Herren! Zum Sechsten sind wir auch deshalb gegen diese Novelle (Abg. Mag. Firlinger: ... dann machen wir es!), weil keine entsprechenden Testgeräte mit fixen Grenzwerten – im Vergleich etwa zum Alkohol, lieber Kollege Kukacka – zur Verfügung stehen. Beim Alkohol haben wir Verfahren und Testgeräte, womit wir die Beeinträchtigung, die Auswirkungen messen und feststellen können. Bei den Suchtmitteln gibt es das nicht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher darf ich auf das, was Kollege Firlinger gesagt hat, eingehen. Kollege Firlinger hat hier ganz einfach eine Studie falsch interpretiert. (Abg. Wattaul: Da gibt es Grenzwerte ...!) – Herr Kollege Wattaul, Sie kommen ohnehin gleich dran! Warten Sie noch eine Minute, dann können Sie sagen, was Sie sagen möchten, sofern Sie das können. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sie haben eine Studie falsch interpretiert, weil es in Wirklichkeit so ist (Abg. Dr. Ofner: Das ist Überheblichkeit! Präpotent und überheblich!)  – darf ich Ihnen das vorlesen, Kollege Ofner? (Abg. Dr. Ofner: Mir darfst gar nichts vorlesen ...!)  –, eine Studie aller Staaten, da steht es ganz genau:

"Werden bei Kontrollen Schnelltestgeräte verwendet?" Das hat Kollege Firlinger angesprochen. (Abg. Mag. Firlinger: Nein!)


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Antwort: "Belgien: ja, Dänemark: nein, Deutschland: ja, Griechenland: nein, Spanien: nein, Frankreich: nein, Irland: nein, Luxemburg: nein, Italien: nein, Niederlande: nein, Österreich: nein, Finnland: nein, England: nein" und so weiter.

Was wollen Sie eigentlich von uns? – In ganz Europa gibt es das nicht, was Sie hier von uns verlangen! (Abg. Mag. Firlinger: Nein! Du musst dir das einmal durchlesen!)

Zum Letzten, meine Damen und Herren! (Abg. Wattaul: Du hast das gar nicht gelesen!) Werter Kollege Kukacka! Als wir über die Frage der 0,5 Promille hier in diesem Haus diskutiert haben (Abg. Mag. Kukacka: Da warst schon für Blutabnahme!), und zwar mehr als drei Jahre lang – drei Abstimmungen hat es hier in diesem Hohen Haus gegeben, meine Damen und Herren –, da haben wir ausführlichst darüber diskutiert. Sie selbst haben sich drei Mal hin und her gewendet (Abg. Mag. Kukacka: Überhaupt nicht!), Sie haben nicht gewusst, ob Sie dem zustimmen sollen oder nicht. Diese Zeit werden Sie uns geben müssen, wenn Sie daran interessiert sind, da eine ordentliche Situation zustande zu bringen! (Abg. Mag. Kukacka: Das diskutieren wir schon drei Jahre lang! – Abg. Wattaul: Ah, jetzt gebt ihr schon zu, dass ihr nicht ordentlich ...!)

Meine Damen und Herren! Wenn es einen entsprechenden Nachweis gibt, wenn es entsprechende Testgeräte gibt, dann wird das möglich sein. (Abg. Wattaul: Ah, das heißt es!) Das, was jetzt vorliegt, Kollege Kukacka (Abg. Mag. Firlinger: Sie werden verantwortlich gemacht!), ist eine unausgegorene und unbedachte Vorlage, der wir keinesfalls unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Lichtenberger. )

18.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sodian. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.40

Abgeordneter Andreas Sodian (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! (Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Sehr geehrte Damen und Herren! Worum geht es beim vorliegenden Gesetz? Warum brauchen wir da eine Änderung? – Es geht darum, dass der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung vom Oktober 2000 festgestellt hat, dass bei Verdacht auf Suchtgiftbeeinträchtigung die Vorführung zu einer klinischen Untersuchung möglich ist, die Abgabe von Blut und ein Harntest jedoch nicht verlangt werden können. Das ist genau das Thema.

Wir können jetzt keine Blut- und Harntests mehr verlangen, aber wir benötigen sie. Wir brauchen keine Röhrchen und keine Testgeräte, es kann sehr wohl auf einen Verdacht der Exekutive hin zu einer klinischen Untersuchung bei einem Arzt kommen, und wenn dieser den Verdacht bestätigt, dann brauche ich einen Blut- und Harntest. Genau das ist das Thema! Seit diesem Zeitpunkt ist eine Verweigerung der Abgabe ohne Konsequenzen möglich, und deshalb müssen wir handeln. (Abg. Eder: Nein!)

Kollege Eder! Es hat ein gemeinsamen Entschließungsantrag von SPÖ, ÖVP und Freiheitlichen gegeben, und darin haben wir genau das gefordert. Da haben Sie zugestimmt, dass wir gesetzliche Grundlagen für die Mitwirkungspflicht des Fahrzeuglenkers schaffen müssen. Da haben Sie im Verkehrsausschuss mitgestimmt. Aber jetzt im Juni kommen Sie und sagen, Sie können sich zwingende Blut- und Harntests nicht vorstellen. (Abg. Eder: Weil es nichts nützt! Weil es kein Beweismittel ist!)

Kollege Eder! Es ist sehr wohl ein weiteres Beweismittel, Sie wissen ganz genau, dass das so ist. (Zwischenruf des Abg. Eder. ) Ich kann das nachvollziehen. (Abg. Dietachmayr: Haben Sie auch die Stenogramme gelesen? Von der Ärztekammer?) Herr Kollege Eder! Es geht Ihnen – Ihnen persönlich vielleicht nicht – in Wirklichkeit darum, es weiterhin zu verzögern. Sie wollen es verzögern, darum geht es! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie wollen gar nicht, dass der Gesetzgeber die Möglichkeiten schafft, Kollege Eder. (Abg. Eder: Im Jahr 2000 haben Sie ... drinstehen!)


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Lass dir das erzählen, Kollege Eder! Seit dem Jahre 1993 wird hier in diesem Hause über dieses Problem diskutiert. Ich habe mir das angeschaut. Da hat es einen gewissen Viktor Klima gegeben; Sie wissen, das ist der mit den 27 Millionen. Wen hat es noch gegeben? – Es hat einen Gesundheitsminister Ausserwinkler gegeben. Die beiden haben über das Thema Drogen im Verkehr diskutiert und gemeinsam festgestellt: Bei begründetem Verdacht auf Alkoholkonsum müssen Bluttests durchgeführt werden können. (Abg. Eder: Alkohol ist eine Droge!) Aber hier bestreiten Sie, dass man das bei begründetem Verdacht machen kann. Kollege Hums hat das gefordert, und auch Kollege Antoni hat es im Jahre 1996 schon einmal gefordert. Im Jahr 1997 hat es einen Entschließungsantrag von Parnigoni und Kukacka zu diesem Thema gegeben.

Meine lieben Kollegen! Es ist darüber gesprochen worden, Experten wurden dazu gehört, es gab diesbezüglich eine Enquete. Wir haben genügend Zeit dafür gehabt. (Abg. Eder: Jetzt der Antrag geht nicht!) Jetzt zu fordern, Kollege Eder, dass wir wieder einen Unterausschuss einsetzen, ist reine Verzögerungstaktik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Nein!)

Kollege Eder! Zusammenfassend kann man sagen: Das hinterlässt den Eindruck, dass die SPÖ und die Grünen dieses Gesetz nicht wollen und dass sie nicht gegen den Missbrauch von Drogen im Verkehr sind. (Abg. Eder: Das nicht! Wir wollen ein gescheites Gesetz!) Dieser Eindruck drängt sich mir auf – und dazu passt auch manches –, wenn ich mir den Antrag der Grünen vom Oktober betreffend Cannabis ohne Strafverfolgung anschaue – wir haben das schon gehabt – und wenn ich mir die Haltung der jungen Sozialisten dazu vor Augen führe. Da gibt es eine Schulveranstaltung, und was hört man da? – "Lieber bekifft ficken als besoffen fahren" – das ist von einer Schulveranstaltung der jungen SPÖ. Bitte schön, ist das die Grundlage? (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Firlinger: "Gratuliere"!)

Ist das Ihre Geisteshaltung, Kollege Eder? – Ich hoffe, dass im Herbst Vernunft Einkehr halten wird und dass wir dann gemeinsam ein richtiges Gesetz werden beschließen können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.45

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Ich möchte noch einmal darauf zurückblicken, wie diese Diskussion hier vor einigen Monaten begonnen hat. Da war es anscheinend ein Anlassfall, dass durch einen "Drogenunfall" – unter Anführungszeichen – mit Todesfolge von Ihnen sehr plastisch, und zwar auch schon in einer Kurzdebatte im Fernsehen, begonnen worden ist, über Drogenkonsum im Verkehr zu reden.

Es war, wie sich bei diesem Unfall im Nachhinein herausgestellt hat, gar kein "Drogenunfall", sondern es war ein Unfall, der durch den Zusammenhang von Medikamenten mit Alkohol zustande gekommen ist. Aber darüber reden Sie nicht mehr weiter, Sie bleiben beim Drogenthema.

Wenn Herr Kukacka sagt – das habe ich besonders originell gefunden –, er sei dafür, dass alle Drogen aus dem Verkehr verbannt werden, dann gebe ich Folgendes zu bedenken: Ich war noch nicht im Parlament, da habe ich Sie im Fernsehen gesehen, wie Sie hier im Hohen Haus gegen die Alkoholregelung beziehungsweise gegen die Herabsetzung der Promillegrenze gewettert haben. Dass es legale und illegale Drogen gibt, ist wohl eine einstimmige Position, die wir hier vertreten können. (Abg. Dr. Mertel  – in Richtung des Abg. Mag. Kukacka –: ... wieder mit 190 nach Hause fahren! – Abg. Mag. Kukacka: Das sind ja illegale Drogen!)

Dass Alkohol ebenfalls eine Droge ist, von der Sie überhaupt nicht verlangen, dass sie aus dem Straßenverkehr entfernt wird, steht auf einem anderen Blatt. Wenn wir über Verkehrssicherheit reden, dann reden wir doch wirklich über die Probleme, die dort vorhanden sind! (Beifall bei den Grünen.)


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Ich sage hier noch einmal – aber Sie werden ohnehin wieder anderes behaupten –: Drogenbeeinträchtigung soll es im Straßenverkehr nicht geben, egal, ob es legale oder illegale Drogen sind. Wir könnten das unterschreiben, Sie könnten es nicht unterschreiben – das ist ja das zentrale Problem. Über andere Maßnahmen, weitere Maßnahmen gegen Alkoholkonsum im Straßenverkehr kann man mit Ihnen offenbar nicht reden, auch wenn man sich anschaut, wie unterschiedlich zum Beispiel bei den verkehrspsychologischen Untersuchungen vorgegangen wird, wo es erst ab 1,2 Promille Alkohol eine verbindliche Nachschulung gibt.

Über all diese Dinge können wir mit Ihnen, die Sie da heruntergehen, offenbar nicht reden. Beim Thema Alkohol im Verkehr ist das nicht möglich, denn wenn wir bei der Klientelpolitik sind, wissen wir schon, wo wir hinschauen müssen. Wer betreibt denn Klientelpolitik mit Freibier und ähnlichen Dingen bei Wahlkampfveranstaltungen? – Kommen Sie also nicht herüber und versuchen Sie nicht, uns hier vorzuwerfen, wir würden auf Klientelen schauen! Wir schauen auf sachliche Grundlagen, und da brauchen Sie sich nur anzuschauen, was hier an Kritik gekommen ist.

Ich habe – das wird von Ihnen wahrscheinlich wieder als Beweis unserer "Drogenlastigkeit" gebraucht werden – eine Anfragenserie zur Drogensituation in Österreich gemacht, unter anderem auch eine Anfrage an die Verkehrsministerin gerichtet. Es ist kein Wunder, dass sie darüber keine seriösen Auskünfte geben kann, selbst wenn sie wollte, denn sie hat die diesbezüglichen Daten nicht. Es fehlt fast jegliche Grundlage, um über Drogen im Verkehr in Österreich zu reden. Auf die Frage beispielsweise, durch welche ... (Abg. Sodian: Da brauchen wir keine Daten dazu!)

Das ist typisch für die FPÖ! "Da brauchen wir keine Daten dazu!" – gut fürs Protokoll! Wir brauchen nicht zu wissen, worum es geht, Hauptsache ist: Augen zu, blind Gesetze machen! Das ist die Politik der FPÖ, die mit sachlichen Inhalten nichts zu tun hat! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Sodian: Das kann es ja nicht sein!)

Sie wissen nicht, welche Beeinträchtigungen durch Drogen im Verkehr vorliegen. Es gibt darüber keine Aufgliederung der Daten. (Abg. Zweytick: 370 Führerscheinentzüge – was glaubst, wo die herkommen?) Es gibt keine Aufgliederung, wie viele Unfälle unter Drogeneinfluss stattgefunden haben. Das gibt es nicht! (Abg. Zweytick: Daher brauchen wir die Tests! Wir brauchen das Gesetz dazu!)

Für solche Tests, wie sie jetzt stattgefunden haben, gab es genug Möglichkeiten. Wissen Sie, was das Problem war? – Sie haben vorhin gesagt: Wenn man so durch die Gegend fährt – nicht Alkohol –, dann soll es auch Folgen haben. Richtig! Aber wissen Sie, was momentan in vielen Fällen bei so genannten Drogen im Verkehr passiert? – Wir haben jetzt die Geschichte, dass schon die Vermutung der Verkehrsuntauglichkeit ausreicht, um Führerscheine zu entziehen. Wissen Sie, wie das stattfindet beziehungsweise vor sich geht?

Wenn jemand mit Cannabis – da können wir jetzt darüber diskutieren, ob man das will oder nicht, egal (Abg. Mag. Kukacka: Das wäre Gesetzesbruch!), da haben Sie eine andere Meinung, aber lassen wir das einmal so stehen – aufgegriffen wird, so heißt das noch lange nicht, dass der in den letzten Wochen unter Drogeneinfluss Auto gefahren ist. Es geht aber nur um den Nachweis, dass er Cannabis bei sich geführt hat. (Abg. Wattaul: Drogen sind in Österreich verboten!) In diesen Fällen kommt es zu Führerscheinentzügen. (Abg. Sodian: Das ist ja nicht wahr!)

Sicher ist es wahr! Bitte, schauen Sie sich die Anfragebeantwortungen des Herrn Innenministers und der Frau Verkehrsministerin an, da steht es drin! Sagen Sie also nicht, dass es nicht wahr ist! Sie brauchen sich nur die Anfrage und die Beantwortung anzuschauen, um zu sehen, was da stattfindet. Das ist eine Tatsache! (Abg. Wattaul: Drogen sind in Österreich verboten!)

Da geht es absolut nicht um Beeinträchtigung, sondern es geht Ihnen einzig und allein darum, die Situation von Menschen in Österreich, die Drogen konsumieren, so zu verschlechtern, dass Sie sie in vollem Ausmaß kriminalisieren. (Abg. Zweytick: Lieber Freund, das ist gleich wie beim Alkohol! Besoffen auf der Straße wird mir auch der Führerschein abgenommen!) Men


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schen, die sich sehr bewusst dafür entscheiden, niemals unter Drogeneinfluss am Verkehr teilzunehmen, werden von Ihnen kriminalisiert und werden von Ihnen mit Führerscheinentzug bedroht. Das ist eine Tatsache! (Abg. Wattaul: Stimmt ja nicht! Drogen sind in Österreich verboten!)

Sie können hier schreien, so viel Sie wollen, Herr Wattaul, wir reden über Verkehrssicherheit, da helfen Ihre Zwischenrufe überhaupt nichts! (Abg. Wattaul: Wir reden über Kriminalität!)

Ich komme noch auf einen Punkt zu sprechen, der meiner Meinung nach auch wesentlich ist. (Abg. Mag. Kukacka: Das hat mit unserem Gesetz nichts zu tun!) Da geht es um die Frage der Qualifikation der Amtsärzte. Ich bringe Ihnen ein Zitat, ein einziges Zitat, mit welchem versucht werden soll, die Qualifikation der Amtsärzte – Polizeichefarzt Fous aus Wien ist ja nicht irgendwer – klarzustellen beziehungsweise die mangelnde sachliche Kenntnis, die da vorherrscht, aufzuzeigen. Es sagt Herr Polizeichefarzt Fous, Cannabis sei überhaupt die schlimmste Droge im Straßenverkehr. (Abg. Wattaul: ... nicht auf der Straße getroffen!)

Wie er dazu kommt, würde mich interessieren. Was er damit meint, ist offenbar, dass andere Drogen, sowohl legale als auch illegale, dass Vollrausch mit Alkohol genauso wie harte Drogen (Abg. Schwarzenberger: Auch nicht erlaubt im Straßenverkehr!), weniger schlimm sind. Dann sagt er so etwas wie: Man glaubt, die aufgehende Sonne zu sehen, in Wahrheit sind es die Bremslichter vom Vordermann.

Das ist ja absurd, das hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun! (Abg. Wattaul: Wieso wissen Sie das?) Das weiß man ganz einfach, wenn man mit den Experten darüber redet, zum Beispiel mit den Verkehrspsychologen, die genau beurteilen können, wie die Auswirkungen sind. (Abg. Wattaul: Ach so?)

Zusammenfassend kann man daher sagen: Es geht Ihnen überhaupt nicht um Verkehrssicherheit. (Abg. Mag. Kukacka: Sie haben das Gutachten des Kuratoriums nicht gelesen!) Das war Ihnen schon immer egal, Kollege Kukacka – als Musterbeispiel für Verkehrssicherheit! Es war Ihnen völlig egal – siehe Klientelpolitik: Sie haben bei Alkohollenkern immer die Augen zugedrückt!

Aber da geht es Ihnen um etwas anderes: um den Boulevard, den Sie damit erreichen, und darum, Stimmung mit einer völlig unsachlichen Politik zu machen. (Abg. Wattaul: Gegen Drogendealer!)  – Mit uns nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Aber nicht wieder das, was wir schon gehört haben! Etwas Neues!)

18.51

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! "Muss immer etwas geschehen, bevor wir begreifen?", das ist der Untertitel der Petition Nr. 1, welche von der Europaklasse der HBLA St. Pölten im Jahre 1999 formuliert wurde. Was ist dazu der Hintergrund?

10. Mai 1999: Zwei Schülerinnen – Elisabeth, 16 Jahre, und Gertrude, 15 Jahre alt – sind zu Fuß im Ortsgebiet ihrer Heimatgemeinde unterwegs. Dann passiert es, geschätzte Damen und Herren: Beide werden von einem PKW-Lenker, der zu schnell unterwegs ist, erfasst und so schwer verletzt, dass jede Hilfe zu spät kommt. Einen Tag nach dem Unfall stellt sich heraus, dass der Autolenker alkoholisiert war. Unter dem Schock des Unfalls begeht schließlich der Autolenker Selbstmord.

Geschätzte Damen und Herren! Drei Tote durch übermäßigen Alkoholgenuss und Schnellfahren des Autolenkers, und es herrschte tiefe Betroffenheit – tiefe Betroffenheit in der Familie, in der Gemeinde, aber vor allem bei den Klassenkameraden. Diese formulieren eine Petition, sammeln zirka 3 000 Unterschriften und erheben fünf Forderungen.


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Eine der Forderungen ist ein stärkeres Kontrollieren seitens der Exekutive in Bezug auf Fahrgeschwindigkeit und Alkoholisierung der Autolenker. In der Stellungnahme der Ministerien ist positiv vermerkt, dass die in dieser Petition geforderte Maßnahme in der geltenden Gesetzeslage bereits ihren Niederschlag findet.

Geschätzte Damen und Herren! Das Resümee lautet: Nicht strengere Gesetze müssen her, sondern ein höheres Verantwortungsbewusstsein aller Verkehrsteilnehmer ist notwendig, um in Zukunft derart tragische Unfälle zu vermeiden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Dr. Forstinger. – Bitte.

18.54

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Abgeordnete! Geschätzte Damen und Herren! In diesem Verkehrskapitel werden heute mehrere Punkte bearbeitet und von Ihnen beschlossen, unter anderem das Güterbeförderungsgesetz, das in Diskussion ist.

Ich denke, ein wesentlicher Punkt, der hier nicht außer Acht gelassen werden sollte, sind die vielen verwaltungstechnischen Vereinfachungen, die in sehr kurzer Zeit gelungen sind. Darunter ist ein Punkt, der letztendlich auch von der Wirtschaft akzeptiert wurde; dafür danke ich ganz besonders. Es ist die nachträgliche Bestrafung hinsichtlich der Ökopunkte gelungen, sodass auch die Unternehmer und nicht nur die Lenker bestraft werden können. (Abg. Schieder: Sie sprechen zum nächsten Tagesordnungspunkt! Wir sind beim vorigen!) Ich glaube, es ist ein wesentlicher Punkt, dass wir auch darauf eingehen, denn es ist für Österreich besonders wichtig, dass es eine Gleichstellung der österreichischen Lenker mit den ausländischen gibt.

Aber lassen Sie mich nun einige Punkte zum Thema Beeinträchtigung durch Drogen im Verkehr und zu der heftigen Diskussion, die Sie jetzt geführt haben, anführen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie hier im Hohen Haus Einigkeit hinsichtlich des Themas Verkehrssicherheit signalisiert haben, da es sehr wichtig ist, dieses Thema ernsthaft zu behandeln. Ich erinnere noch einmal an Ihre Verantwortung und an die schweren Unfälle, die im Jänner geschehen sind. Vergessen Sie nicht, wie einig Sie alle waren und dass Sie meinen Vorstoß unterstützten, hier eine Gesetzeslücke zu schließen und die Gleichstellung mit dem Alkoholkonsum zu bewerkstelligen.

Es sind heute sehr viele Argumente gebracht worden, die wir auch schon im Ausschuss besprochen haben. Dort konnten Ihnen meine Experten aus vielen Erfahrungen und Gesprächen aufzeigen, dass Sie einerseits in der Diskussion nicht weit auseinander liegen, andererseits aber viele Argumente anführen, die nicht wirklich haltbar sind. Ich verstehe Ihre Haltung nicht, wenn Sie über die Frage der Qualifikation der Vortests diskutieren, denn niemand hat behauptet, dass wir jetzt Tests haben, die geeignet sind, sofort die Beeinträchtigung festzustellen. Gerade das ist der Grund dafür, dass wir die Gesundheitsbehörde eingeschaltet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich verstehe aber nicht, warum ein Test nicht geeignet sein sollte, die Beeinträchtigung festzustellen, umgekehrt aber gerade dieser Test herangezogen werden sollte, um dann die Unschuldsvermutung zu bestätigen. Ich sehe da also einige Fragen, die noch offen waren, diese konnten aber alle – ich sage es noch einmal – durch die Experten in der Vordiskussion, insbesondere im Ausschuss, gelöst werden.

Deshalb darf ich an Ihre Verantwortung appellieren, indem ich Generalsekretär Peter Halouska zitiere, der Sie alle auffordert, "den Konflikt so rasch wie möglich zu beenden, denn die überwältigende Mehrheit der Verkehrsteilnehmer – und die trifft es auch – erwartet, dass der Gesetzgeber Gefahren durch drogenbeeinträchtigte Fahrzeuglenker so rasch wie möglich abstellt".

Ich appelliere auch an Ihre Verantwortung in dem Sinne, dass wir Instrumente verfügbar haben, um entsprechend handeln zu können, wenn es zu Vorfällen kommt, und um endlich auch die


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Dunkelziffer bereinigen zu können. – Ich danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.57

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Wir sind uns der Verantwortung bewusst, und wir sind auch weiterhin gesprächsbereit. Ich versuche, so ruhig und sachlich wie Kollege Kurzbauer einige Fakten und unsere Position zu präsentieren.

Faktum ist, dass das Lenken von Fahrzeugen im beeinträchtigten Zustand verboten ist. Fahrbeeinträchtigung jeder Art stellt im Straßenverkehr ein hohes Sicherheitsrisiko dar. Diese Grundsätze finden sich bereits in der Straßenverkehrsordnung.

Sicherheitsmaßnahmen gegen die Beeinträchtigung durch Alkohol und durch Suchtgifte im Verkehr sind auf gesetzlicher Ebene vorhanden. Die Konsequenzen bei Alkoholkonsum sind eindeutig geregelt, es gibt Testgeräte und festgelegte Grenzwerte. Ganz anders ist es beim Konsum von Suchtmitteln, zu denen Medikamente wie auch Substitutionsmittel gehören. Zu Ihrer Überprüfung gibt es weder geeignete Testverfahren noch Grenzwerte.

Meine Damen und Herren! Festhalten möchte ich noch einmal: Die SPÖ steht für die Erhöhung der Verkehrssicherheit. An dieser Stelle möchte ich aber sagen, dass das Unfallrisiko beim Zusammenspiel von Alkohol und dem Lenken eines Fahrzeuges bedeutend höher ist. Wir würden gerne Ihrer Petition zustimmen, Kollege Kurzbauer, aber im Zusammenhang mit der vorliegenden Gesetzesnovelle ist uns das leider nicht möglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Unsere Anträge haben Sie im Ausschuss allesamt abgelehnt. Nichtsdestotrotz möchte ich zwei wesentliche Aspekte zur vorliegenden Materie nennen: Zum einem gibt es derzeit keine exakten Testverfahren und keine festgelegten Grenzwerte für den Nachweis von Beeinträchtigungen durch den Konsum von Suchtgiften. (Abg. Mag. Kukacka: Stimmt doch nicht!) Zum Zweiten müssen in allen gesetzlichen Vorschriften vor allem die verfassungsrechtlichen Grundsätze, aber auch die Bestimmungen der Menschenrechtskonvention enthalten sein.

Für mich stellt sich die Frage – und auch viele Kommentatoren und Experten haben in ihren Stellungnahmen diese Frage aufgeworfen –: Geht es tatsächlich in erster Linie um die Erhöhung der Verkehrssicherheit beziehungsweise soll tatsächlich die Beeinträchtigung durch Drogenkonsum im Verkehr festgestellt werden, oder geht es um eine gezielte drogenpolitische Maßnahme?

Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, dass eine Kriminalisierung unbescholtener Bürger vermieden werden muss. Die derzeitige Vorlage dient sicherlich nicht dazu, Klarheit und Rechtssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer zu schaffen! Es gibt so etwas wie eine Sorgfaltspflicht. Daher unser Angebot: Prüfen wir gemeinsam mögliche Vorschläge, die auch tatsächlich – und das ist wichtig – vollziehbar sind! So können wir einen weiteren Schritt in Richtung mehr Sicherheit im Straßenverkehr tun. (Beifall bei der SPÖ.)

19.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. (Abg. Wochesländer  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Ing. Scheuch –: Sag ihnen, wo es langgeht!)

19.01

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Frau Minister! Ein VwGH-Urteil vom 24. Oktober 2000 hat, wie wir alle wissen, eine große Gesetzeslücke aufgemacht. Diese Gesetzeslücke ermöglicht es unter


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Suchtgift stehenden Lenkern, eine Harn- und Blutabgabe zu verweigern, und es besteht keine Möglichkeit von Repressalien gegenüber diesen Personen. – Es kann also gar nicht zu einer Untermauerung der nach wie vor vorgeschriebenen klinischen Tests in diesem Bereich kommen. Und es handelt sich auch nicht um eine Gleichstellung in Bezug auf alkoholisierte Lenker. Das sei hier durchaus auch einmal gesagt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Oppositionsparteien SPÖ und Grüne! Warum stimmen Sie diesem Gesetz nicht zu? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das haben wir gerade erklärt!)

Ich möchte Ihre grundsätzliche Argumentationsschiene noch einmal Revue passieren lassen: Die Experten sollen beraten, und zwar bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, so lange, bis sie draufkommen, dass man vielleicht unter Cannabis-Einfluss noch besser Auto fahren kann. Das wäre ja durchaus möglich!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie kritisieren einerseits die Testergebnisse, im gleichen Atemzug stellen Sie aber einen Antrag, nach welchem Tests zur Entlastung von Drogenlenkern sehr wohl zugelassen sein sollen. Gemäß Ihrem Antrag, der wirklich jeden Hausverstand vermissen lässt, glauben Sie wirklich, dass unter Drogen stehende Autofahrer einen freiwilligen Drogentest – ich möchte das noch einmal betonen: einen freiwilligen Drogentest! – über sich ergehen lassen. Meine sehr geehrte Damen und Herren von den Oppositionsparteien, das glauben Sie doch selbst nicht! Genauso wie Sie selbst nicht glauben können, dass es in diesem Zusammenhang nicht auch um Medikamentenmissbrauch geht, der genauso geahndet gehört! (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Ich sage Ihnen: Sie benutzen ein Feigenblatt, weil Sie keine bessere Lösung für dieses Problem kennen, und es ist klar, dass Sie hier eine brutale Verzögerungspolitik betreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese brutale Verzögerungspolitik kommt nur einer Zielgruppe entgegen, nämlich den Suchtgiftkonsumenten. Anscheinend steht Ihnen diese Klientel ideologisch sehr nahe. Das haben wir heute auch schon gehört! Sie steht Ihnen offenbar sehr nahe, denn Sie haben für diese Klientel auch den einen oder anderen Antrag auf Freigabe von gefährlichen Suchtgiftmitteln parat! (Zwischenruf des Abg. Brosz. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht aber auch um die Verantwortung. Ich bin schon sehr neugierig, wie man sich beim nächsten Verkehrsunfall, verursacht durch einen drogenbeeinflussten Lenker – und dieser wird stattfinden –, verhalten wird! (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich zitiere ganz kurz die Forderungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit:

Die Schlagzeilen der Wochenendausgaben österreichischer Tageszeitungen spiegeln den Handlungsbedarf in Sachen Verkehrssicherheit wider. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit fordert daher zum wiederholten Male verstärktes und absolutes Drogenverbot am Steuer. Außerdem muss dringend die gesetzliche Möglichkeit einer Blutabnahme bei Verdacht geschaffen werden, um der Exekutive ein Vorgehen gegen Drogenlenker zu erleichtern. – Zitatende. (Abg. Gradwohl  – in Richtung des Redners –: Willst du ein Zuckerl für deinen Hals? Warum hast du denn ein Halstuch?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden diese Forderung dann unserem Gesetz gegenüberstellen und feststellen, dass das Gesetz dieser Forderung absolut Rechnung trägt. Ich freue mich schon darauf und bin neugierig, welcher Redner von der SPÖ letztlich hier ans Rednerpult treten und die Verantwortung für Ihre Haltung und für diese fundamentale und absolute Oppositionspolitik übernehmen wird. Das werden Sie dann nämlich den nächsten Opfern letztendlich auch erklären müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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19.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

19.05

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Als positiv denkender Mensch gehe ich davon aus, dass alle hier daran interessiert sind, dass es keine von Suchtgiften und Drogen beeinträchtigte Verkehrsteilnehmer gibt und dass es keine Verkehrsteilnehmer gibt, die unter Alkoholeinfluss die Sicherheit anderer Menschen einschränken können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir alle uns dieses Problems bewusst sind, dann müssen wir uns überlegen, wie wir dieses Problems Herr werden und das Risiko vermindern können. Wenn wir uns dann, wie wir es bei allen Gesetzesmaterien machen, einer Fülle von Fachleuten, Experten und Wissenschaftern bedienen und diese uns sagen: Passt auf, das, was ihr jetzt vorhabt, ist nicht die Lösung des Problems!, dann wäre es meiner Meinung nach eine seriöse Politik, würden wir uns wieder an den Verhandlungstisch setzen und uns eine sinnvolle Lösung überlegen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Lösung aber, die Sie hier jetzt verteidigen, bewirkt letztlich keine Verbesserung der Situation! Dieses Husch-Pfusch-Verfahren hilft uns in dieser Situation überhaupt nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte einen wesentlichen Punkt erwähnen: Ein Kollege hat bei seiner Rede gesagt, dass es heute um Verkehrssicherheit und nicht um Fragen der Drogenpolitik und nicht um Fragen von Gesellschaftspolitik geht. – Dem halte ich entgegen: Meine Damen und Herren! Es wird nie Sinn machen, wenn man sich nur mit der Wirkung auseinander setzt, ohne die Ursachen zu hinterfragen beziehungsweise sich dieser bewusst zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn heute bekannt ist, dass es im Straßenverkehr leider Probleme mit Autofahrern gibt, die zu viel trinken und die Drogen zu sich nehmen, dann muss man sich vorher überlegen, warum das der Fall sein kann. – Ich bin der Auffassung, dass es wichtig ist – Sie als Österreich-neu-regieren-Regierungsparteien leisten jedoch keinen Beitrag dazu! –, dass wir mehr soziale Sicherheit in Österreich und mehr Rechtssicherheit für die einzelne Bürgerin und für den einzelnen Bürger haben. Sie leisten aber keinen Beitrag dazu, dass Harmonie in der Gesellschaft entsteht, und letztendlich dadurch passieren sehr viele Entgleisungen. Und es ist für mich nicht der richtige Weg, allein die Entgleisung zu bestrafen, meine Damen und Herren.

Daher lade ich Sie, Frau Bundesministerin, und alle Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien ein: Setzen wir uns zusammen und reden wir mit den Experten darüber, welche sinnvollen Lösungen es für diese Probleme gibt! Eine Lösung lehne ich aber kategorisch ab: Dass immer nur überlegt wird, welche Strafen man erfinden und welches Strafausmaß man erweitern könnte. Ich appelliere vielmehr an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger! (Beifall bei der SPÖ.)

19.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte.

19.09

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! (Beifall der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Dolinschek. ) Mein Vorredner hat gerade von der Eigenverantwortung der Bürger gesprochen. Ich gebe zu bedenken: Die Katastrophen werden zu schnell vergessen, und die Menschen neigen – und da nehme ich uns nicht aus – immer wieder zu Leichtsinnigkeiten. Jedenfalls ist aber Verzögerungstaktik seit Jahren hinsichtlich dieser wichtigen Gesetzesnovelle keine passende Antwort! Tote klagen an! Darum geht es! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Hören Sie bitte zu, ich werde Sie nicht lange aufhalten! Meiner Meinung nach wäre in diesem Zusammenhang eine Volksbefragung angebracht – und nicht für den maroden Hauptverband der Sozialversicherungen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Reden Sie doch mit den Menschen! Diese haben Verständnis dafür – die gesamte linke Opposition hingegen offenbar nicht! Ich meine, dass diese Novelle ein hervorragendes Werk unserer Bundesregierung ist, die lediglich die Gleichstellung mit Alkohol beinhaltet, Herr Abgeordneter Schwemlein. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )


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Bitte denken Sie an unsere Bevölkerung, egal, ob Kinder, Frauen oder Männer, ob Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger! Helfen Sie, Menschenleben zu schützen! Sie reden nur von Debatten im Unterausschuss und von Gutachten. Ihre heutige Zustimmung schützt aber Leben von morgen. Was ist Ihnen wichtiger? Das möchte ich Sie heute fragen! (Abg. Eder: Wer lebt denn von Rauschmitteln? – Zwischenruf des Abg. Gradwohl . – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich wünsche Ihnen allen einen unfallfreien Sommer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweisgut. – Bitte. (Abg. Dr. Cap  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Schweisgut –: Erzeugen Sie auch Wein?)

19.11

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Als vierter Redner meiner Fraktion möchte ich mich auf Grund der Zeitökonomie natürlich auch kurz halten.

Auch ich möchte bitten, auf die tragischen Unfälle unter Drogeneinfluss doch nicht ganz zu vergessen! Es geht nicht um irgendeinen Unterausschuss, und es geht nicht um Uraltargumente, sondern es geht darum, zu verhindern, dass es in Zukunft unschuldige Opfer gibt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Eder: Dann tun Sie es!)

Wenn erst die Freigabe von Drogen verlangt und heute die Ablehnung eines Antrags bedauert wird, dann halte ich das für eine eigenartige Argumentation.

Dass im Falle von Alkohol eine Beeinträchtigung besteht, ist ganz klar. Wenn die Exekutive den Verdacht auf Alkoholkonsum hat, kann sie eine Blutprobe durchführen, das wird von allen akzeptiert. Warum soll das Gleiche nicht auch für Drogen gelten? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Die vorliegende Novellierung dient eindeutig nicht dazu, Jagd auf Drogenabhängige zu machen, sondern sie dient nur der Erhöhung der Verkehrssicherheit. (Abg. Eder: Das ist alles Blödsinn!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Viele gesetzliche Maßnahmen der letzten Jahre haben dazu beigetragen, die Anzahl der Verkehrstoten deutlich zu senken. Um diese Bilanz in Zukunft fortzusetzen, wird es aber auch notwendig sein, diesem Gesetz zuzustimmen, denn es darf nicht sein, dass unsere Kinder durch Drogenlenker gefährdet sind!

Ich möchte dazu noch eines der geflügelten Worte der letzten Wochen anbringen. – Es ist eindeutig klar: Speed kills! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 667 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Mag. Kukacka, Mag. Firlinger und Genossen ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ferner liegt ein Verlangen auf namentliche Abstimmung vor.

Ich werde zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung beziehungsweise auf namentliche Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.


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76. Sitzung / Seite 175

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über die Z 2 des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist diese durchzuführen. Ich gehe dabei wie bekannt vor.

Ich ersuche all jene Abgeordneten, die für die Z 2 des Gesetzentwurfes (Verfassungsbestimmung) in der Fassung der Regierungsvorlage stimmen, "Ja" - Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein" - Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Frau Schriftführerin, Frau Abgeordnete Parfuss, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Frau Abgeordnete Haller wird sie dann ablösen. – Bitte, Frau Schriftführerin.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Parfuss und Haller werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die Stimmabgabe ist beendet.

Wir führen jetzt die Stimmenzählung unter Aufsicht der Schriftführer durch.

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 19.19 Uhr unterbrochen und um 19.26 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Es wurden 168  Stimmen abgegeben; davon waren 96 "Ja" und 72  "Nein"- Stimmen.

Das ist zwar die Mehrheit, die Z 2 des Gesetzentwurfes wurde allerdings nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Achatz, Amon, Auer;

Baumgartner-Gabitzer, Bösch, Brinek, Bruckmann, Brugger, Burket;

Dolinschek, Donabauer, Donnerbauer;

Egghart, Ellmauer;

Fallent, Fasslabend, Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Freigaßner, Freund, Frieser;

Gatterer, Graf Herbert L., Graf Martin, Grollitsch, Großruck;

Haigermoser, Hakl, Haller, Hartinger, Hetzl, Hofmann, Hornegger, Hornek;

Jung;

Kampichler, Kiss, Knerzl, Kopf, Kößl, Krüger, Kukacka, Kurzbauer, Kurzmann;


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76. Sitzung / Seite 176

Leiner, Lentsch, Lexer, Loos;

Mainoni, Miedl, Mitterlehner, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neudeck;

Ofner, Ortlieb;

Papházy, Partik-Pablé, Pecher, Pistotnig, Povysil, Prinz, Prinzhorn, Pumberger, Puttinger;

Rasinger, Rauch-Kallat, Reindl;

Schender, Scheuch, Schultes, Schwarzenberger, Schweisgut, Schweitzer, Sodian, Spindelegger, Stadler, Staffaneller, Steibl, Stummvoll;

Tancsits, Trattner, Trinkl;

Wattaul, Weinmeier, Wenitsch, Westenthaler, Wochesländer, Wolfmayr;

Zellot, Zernatto, Zierler, Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Antoni;

Bauer Hannes, Bauer Sophie, Binder, Brosz;

Cap, Csörgits;

Dietachmayr, Dobnigg;

Eder, Edler, Edlinger, Einem;

Fischer;

Gaál, Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Grabner, Gradwohl, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Heindl, Heinisch-Hosek, Heinzl, Hlavac, Huber;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Keppelmüller, Kiermaier, Kogler, Kräuter, Kubitschek, Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Lapp, Leikam, Lichtenberger, Lunacek;

Maier, Mertel, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Parnigoni, Pendl, Pfeffer, Pirklhuber, Plank, Posch, Prähauser, Prammer;

Rada, Riepl;

Schasching, Schieder, Schwemlein, Silhavy, Sima, Stoisits;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wimmer, Wittmann, Wurm.

*****


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76. Sitzung / Seite 177

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Wir gelangen nun zur getrennten Abstimmung über die Z 5 des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich stelle erneut die Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest und ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die für die Z 5 des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Mehrheit.

Die Z 5 des Gesetzentwurfes wurde allerdings nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über die Ziffern 7 und 8 des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Jene Damen und Herren, die dafür eintreten, ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist neuerlich die Mehrheit.

Die Ziffern 7 und 8 des Gesetzentwurfes wurden allerdings nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Bevor wir zur dritten Lesung kommen, stelle ich fest, dass hinsichtlich der Ziffern 2, 5, 7 und 8, die Verfassungsbestimmungen enthalten, kein Gesetzesbeschluss des Nationalrates im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung vorliegt.

Wir kommen somit zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich erhalte kein diesbezügliches Zeichen.

16. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (308 der Beilagen): Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich (678 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 362/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Erhaltung und Attraktivierung der Ausserfernbahn (679 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (446 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Rechtsstellung von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen (680 der Beilagen)


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19. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (668 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird (681 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen daher zu den Punkten 16 bis 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edler. Ich erteile es ihm hiemit.

19.30

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz zum Europäischen Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs Stellung beziehen. Es ist dies eine Grundlage, die schon 1989 festgelegt worden ist. Hiezu ist anzumerken, dass sie nun erweitert wird und kompatibel ist mit den Festlegungen der Transeuropäische Netze innerhalb der Europäischen Union. Es geht hier um Normen und Absichtserklärungen, an die sich die einzelnen Länder halten sollten.

Für uns ist anzumerken, dass wir hier doch eine große Verzögerung haben. Sicherlich hat uns der Ministerwechsel eine Zeitverzögerung gebracht. Ich gestehe Ihnen zu, Frau Bundesminister, dass Sie zumindest im Ausschuss Bemerkungen gemacht haben, dass Sie sich bemühen werden, dass unsere Hauptstrecken – und ich nehme jetzt überhaupt keine Strecke heraus – endlich entsprechend ausgebaut werden. Machen wir das nicht, meine Damen und Herren, dann wird Österreich umfahren. Wir erleben ja, wie stark jetzt die Achse Berlin – Prag – Budapest – Maribor – Laibach an die Adria ausgebaut wird.

Es hat hier eine Kontroverse stattgefunden. Ich will heute dazu nicht mehr Stellung beziehen. Aber es ist unbedingt erforderlich, dass diese Transversalen ausgebaut werden, und wir brauchen dazu unbedingt den Semmering-Basistunnel, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der steirischen Abgeordneten der ÖVP.)

Aber ich mache jetzt auch, weil sich einige Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion streichen haben lassen, eine Bemerkung zu den Nebenbahnen. Meine Damen und Herren, geschätzte Frau Bundesministerin, wenn Nebenbahnen zugesperrt werden, veröden die Regionen! Das muss uns allen politisch bewusst sein, und deshalb müssen wir auch hier Aktivitäten setzen.

Letzte Bemerkung meinerseits: LKW-Road-Pricing, Kostenwahrheit. Ich glaube, seitens Brüssel sind international Signale gegeben worden, dass etwas weitergeht. Wir müssen Maßnahmen setzen, denn die Straßen sind nicht unbegrenzt vermehrbar. Wir brauchen Umfahrungsstraßen, aber wir brauchen auch Kostenwahrheit im Verkehr, dann wird es zur Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene kommen. Und das kann man nur begrüßen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wattaul. – Bitte.

19.32

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Ich möchte meine Stellungnahme zur zweiten Novelle des Güterbeförderungsgesetzes auch kurz halten. Es ist dies grundsätzlich eine verwaltungstechnische Vereinbarung. Es werden auch für die Ökopunkte Neuregelungen getroffen, sodass österreichische Behörden auch ausländische Unternehmer verfolgen können.

Ich sage das auch deshalb, Frau Lichtenberger, weil jetzt vorgesehen ist, dass von den Fahrern, von den ausländischen Frächtern 20 000 S an Sicherheitsleistungen verlangt werden. (Abg. Dr. Lichtenberger hält ein Schriftstück in die Höhe.) Ja, das ist so, das steht jetzt im Gesetz drinnen.


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Ich bringe gleich auch noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Firlinger, Kukacka, Wattaul und Hakl zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird, ein. Darin geht es um vier Punkte.

Erstens: Abstellplätze. Kurze Begründung: Es wird für LKW-Transportunternehmer immer schwieriger, Abstellplätze in angrenzenden Gemeinden zu finden. Jetzt macht man eine Ausweitung und sagt "angrenzende Bezirke".

Zweitens: Frachtbrief. Der Frachtbrief war bisher nur von der Wirtschaftskammer zu erstellen. Damit hat sich halt die Wirtschaftskammer ein bisschen ein Körberlgeld gemacht. Jetzt wird das so geändert, dass die Privatwirtschaft das machen kann.

Drittens: die Mindeststrafe. Es ist so, dass ein Pfuscher nur 5 000 S bezahlt hat. Wenn jemand heute einen Frachtbrief falsch ausfüllt oder gar keinen bei sich hat, muss er eine Mindeststrafe von 20 000 S zahlen. Da macht man eine Anpassung.

Dann gibt es – viertens – noch Übergangsbestimmungen für die Kleintransportunternehmen. Hier hat man das Gewicht angehoben beziehungsweise geht man nicht mehr von 600 Kilogramm Nutzlast, sondern von 3 500 Kilogramm Gesamtgewicht aus. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der von Herrn Abgeordnetem Wattaul in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag ... (Abg. Schieder: Er hat ihn überhaupt nicht erläutert! Er hat ihn erwähnt, aber nicht erläutert!) Das ist eine Frage der Interpretation, Herr Abgeordneter, ich gebe Ihnen Recht. (Abg. Parnigoni: Das war sehr frei erläutert!)

Der in seinen Kernpunkten angesichts der üblichen Kürze der Debattenbeiträge am heutigen Tag kurz erläuterte Abänderungsantrag ist genügend unterstützt und steht in ausreichendem inhaltlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie.

Dieser Antrag wird gemäß § 53 Abs. 4 GOG auf Grund des Umfanges und der Komplexität im Saal verteilt und steht damit mit zur Verhandlung beziehungsweise Abstimmung. (Abg. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Parnigoni! Erläutern Sie das jetzt dem Kollegen Schieder! Wenn sich der Kollege Schieder nicht auskennt, müssen Sie es ihm erläutern!)

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Firlinger, Mag. Kukacka, Wattaul, Mag. Hakl zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird (668 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird, 668 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP, wird wie folgt geändert:

1. Nach Z 3 wird folgende Z 3a eingefügt:

"3a. § 5 Abs. 1 lautet:

‚(1) Die Konzession darf nur erteilt werden, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbes

1. die Zuverlässigkeit,


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76. Sitzung / Seite 180

2. die finanzielle Leistungsfähigkeit und

3. die fachliche Eignung (Befähigungsnachweis)

vorliegen. Der Bewerber hat überdies entsprechend dem beabsichtigten Konzessionsumfang (§ 3) in der in Aussicht genommenen Standortgemeinde oder einer anderen Gemeinde im selben oder einem angrenzenden Verwaltungsbezirk über die erforderlichen Abstellplätze außerhalb von Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verfügen. Sämtliche Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession unbeschadet der §§ 87 bis 91 GewO 1994 von der zur Erteilung der Konzession zuständigen Behörde zu entziehen. Die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft ist vor der Erteilung der Konzession oder der Genehmigung der Übertragung der Ausübung des Gewerbes an einen Pächter aufzufordern, zur Frage der Leistungsfähigkeit des Betriebes ein Gutachten abzugeben. § 340 Abs. 2 GewO 1994 gilt sinngemäß.’"

2. Nach Z 13 wird folgende Z 13a eingefügt:

"13a. § 18 Abs. 1 lautet:

‚(1) Die Vordrucke für die Frachtbriefe müssen für jedes Unternehmen fortlaufend nummeriert sein.’"

3. Z 20 lautet:

"20. § 23 lautet:

‚§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 100 000 S zu ahnden ist, wer

1. die Anzahl der Kraftfahrzeuge ohne Genehmigung gemäß § 3 Abs. 2 vermehrt;

2. als Unternehmer § 6 Abs. 1 oder 2 zuwiderhandelt;

3. als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 und 9 ohne die hierfür erforderliche Bewilligung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält;

4. als Unternehmer oder Lenker § 11 zuwiderhandelt;

5. die gemäß § 12 festgelegten Tarife nicht einhält;

6. § 9 Abs. 3 zuwiderhandelt;

7. andere als die in Z 1 bis 6 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält;

8. Gebote und Verbote auf Grund von Abkommen mit Staatengemeinschaften über den Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen nicht befolgt;

9. unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist;

10. einen von einer nicht gemäß § 9 Abs. 9 ermächtigten Stelle programmierten Umweltdatenträger benützt.

(2) Wer als Lenker § 6 Abs. 1, 3 oder 4 oder § 9 Abs. 2 zuwiderhandelt oder unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, ist mit einer Geldstrafe bis zu 10 000 S zu bestrafen.


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(3) Strafbar nach Abs. 1 Z 3 oder Z 6 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgte.

(4) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 5 und 7 hat die Geldstrafe mindestens 5 000 S zu betragen. Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z 3, 6 und Z 8 bis 10 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 hat die Geldstrafe mindestens 20 000 S zu betragen.

(5) Der Unternehmer haftet für die über die von ihm beschäftigten Lenker verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

(6) Von den eingehobenen Strafgeldern fließen 30 vH der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand jener Behörde zu tragen hat, die das Strafverfahren in erster Instanz durchführt. Weitere 70 vH fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand für die Anschaffung, die Errichtung, den Betrieb und die Erhaltung der Einrichtungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2012/2000, zu tragen hat, und sind hiefür zu verwenden.’"

4. Z 22 lautet:

"22. In § 26 werden nach Abs. 2 folgende Abs. 3, 4 und 5 angefügt:

‚(3) Vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. /2001 erteilte Konzessionen für den Güterverkehr gelten ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. /2001 als Konzessionen für den innerstaatlichen Güterverkehr und vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. /2001 erteile Konzessionen für den Güterfernverkehr als Konzessionen für den grenzüberschreitenden Güterverkehr.

(4) Bis 31.12.2001 gelten an Stelle der beglaubigten Abschriften der Konzessionsurkunden auch die Nah- bzw. Fernverkehrstafeln und an Stelle der In § 6 Abs. 4 in der Fassung BGBl. I Nr. /2001 genannten Dokumente auch die Mietfahrzeugtafeln weiterhin als entsprechender Nachweis. Weiters darf bis 31.12.2001 Werkverkehr im Sinne des § 10 auch mit einer nach den bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. /2001 geltenden Bestimmungen ausgestellten Werkverkehrskarte durchgeführt werden.

(5) Vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. /2001 erteilte Berechtigungen für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, deren höchste zulässige Nutzlast 600 kg nicht übersteigt, gelten ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. /2001 als Berechtigungen zur Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, wenn die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3 500 kg nicht übersteigt.’"

Begründung

Zu § 5: Die Bereitstellung der nötigen Abstellflächen für LKW in der Standortgemeinde und den Nachbargemeinden stößt in der Praxis aus Flächenwidmungsgründen mitunter auf Probleme. Mit der Ausweitung des zulässigen Umkreises auf den Verwaltungsbezirk soll das Problem gelöst werden.

Zu § 18: Frachtbriefe dürfen derzeit nur von der Wirtschaftskammer aufgelegt und verkauft werden. Im Sinne der Entbürokratisierung soll die Herstellung durch die einzelnen Unternehmer möglich gemacht werden. Die Kontrollmöglichkeit einer fortlaufenden Nummerierung soll hingegen aufrecht bleiben.

Zu § 23: Im Sinne der Verhältnismäßigkeit der Strafen soll das Fahren ohne Gewerbeberechtigung mit einer höheren Mindeststrafe bedroht sein.


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Zu § 26: Mithilfe dieser Übergangsbestimmungen soll sichergestellt werden, dass ohne unnötigen bürokratischen Aufwand (z. B. Ausstellung neuer Berechtigungen für alle 600kg-Transporte) die Neuregelungen in Vollzug gesetzt werden können.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

19.35

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wie immer ist die Verkehrsdebatte zu später Stunde und unter extremem Zeitdruck zu führen. Ich finde das schade. Wir sollten das in Zukunft wirklich auch in seiner Wichtigkeit in der Tagesordnung vorreihen. Verkehrspolitik ist eines der zentralen Themen für die Zukunft. Ich möchte aber trotzdem noch zu einigen Punkten kurz Stellung nehmen.

Der eine Punkt ist der ablehnende Ausschussbericht zum Antrag Ausserfernbahn. – Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wenn Sie ständig beteuern, dass Ihnen die Nebenbahnen wichtig sind, dass Sie an ihrer Erhaltung interessiert sind und dass besonders die Ausserfernbahn eine wichtige Strecke ist, die ja in Wirklichkeit im internationalen Verkehr unterwegs ist, und dann meinem Antrag nicht zustimmen können, dann kann ich das nur darauf zurückführen, dass es Bestemm ist, dass es also darum geht, dass Anträge von Grünen oder Sozialdemokraten aus rein fundamentalistischer Haltung von Ihrer Seite her nicht beschlossen werden können. Das tut der Verkehrsdebatte nicht wirklich gut.

Zum Güterbeförderungsgesetz und zur vorliegenden Novelle: Die Intention in dieser Novelle, die Strafbestimmungen auf die Unternehmer auszudehnen und hier auch ein Stück mehr Gerechtigkeit zu schaffen, halte ich für richtig und notwendig, und ich bin froh, dass diese Initiative ergriffen wird. Aus meiner Sicht hätte man allerdings einen Punkt noch beseitigen müssen, um dieses Gesetz wirklich auch für die Fahrerinnen und Fahrer – es sind meistens Fahrer – bewältigbar zu machen. Man hätte vorsehen müssen, dass die Strafhöhe für UnternehmerInnen und FahrerInnen gleich bleibt, schlicht aus dem Grund, weil ich befürchte, dass seitens der schwarzen Schafe unter den Unternehmern sehr wohl Druck auf die ArbeitnehmerInnen ausgeübt wird, die sich dann nicht wehren können und sozusagen für den Chef die Strafe auf ihre Schulter nehmen. Das halte ich für sehr, sehr negativ. Es hätte nur dieses kleinen Schrittes bedurft, um wirklich eine kluge und gut vollziehbare Regelung daraus zu machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zu den anderen Punkten möchte ich jetzt nicht mehr in aller Ausführlichkeit Stellung nehmen, obwohl es mich natürlich reizen würde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Edlinger: Schade!) Ich bringe nur noch zwei Zitate zu Gehör.

Zitat Hakl aus einer heutigen Aussendung: "Massive Verbesserungen für österreichische Frächter im Güterbeförderungsgesetz". – Hier spricht sie vor allem auch die Möglichkeit an, Abstellplätze überall im angrenzenden Bereich zu machen.

Zweites Zitat eines Forstinger-Mitarbeiters aus der Zeitschrift "Verkehr": "Wir haben uns bei der Neugestaltung an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert."

Meine Damen und Herren! Aus grüner Sicht hätte ich von Ihnen verlangt, sich an den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Natur zu orientieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das wäre ein Weg, der diesem Gesetz gut angestanden hätte. Nur eine Branche allein zu betrachten, das kann man bei den Gesamtzusammenhängen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft schlicht und ergreifend nicht tun und nicht verantworten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)


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76. Sitzung / Seite 183

19.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

19.39

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Lichtenberger! Es freut mich, dass Sie mich gleich zitiert haben, denn damit ist schon bewiesen: Von mir ist gemeinhin bekannt, dass ich eine starke Befürworterin von umweltverträglichem Verkehr, von der Verlagerung von Straßenverkehr auf die Schiene bin, und trotzdem ist eine Förderung auch der Transportwirtschaft für uns kein Gegensatz. Der Gegensatz besteht nur für die Grünen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In der Vergangenheit habe ich ganz besonders bei Ihnen vermisst, dass Sie sich mit gleichem Engagement für die Herstellung einer umweltverträglichen Infrastruktur für die Eisenbahn im Unterinntal einsetzen. Davon habe ich in Tirol bisher noch nichts vernommen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Aber ganz kurz zum Übereinkommen über die wichtigsten Verbindungen im Schienenverkehr. Hier sind beispielsweise das Unterinntal und die Strecke über den Brenner sowohl in Nord-Süd- als auch in Ost-West-Richtung als eine der wichtigsten Verbindungen genannt, weshalb eben, Frau Lichtenberger, der Ausbau dieser Strecke auch besonders wichtig ist, was wir Tiroler und Tirolerinnen ja jeden Tag am Anwachsen des Straßengüterverkehrs beobachten können.

Gleichzeitig hat Österreich eine Erklärung zu diesem Abkommen abgegeben, welches aussagt, dass die Ausbaugeschwindigkeiten von 160 beziehungsweise 250 km/h bei Neubautrassen in Österreich unterschritten werden. Das ist insbesondere deswegen wichtig, damit man nicht unnütz Finanzmittel einsetzt, weil man in Österreich bei großen Radien immer wieder in gebirgiges Gelände kommt und teure Tunnels bauen muss. Wenn sich einige vermeiden lassen, dient das auch der Sicherheit. Wir wollen die Bahnstrecken aber so leistungsfähig wie nur möglich machen.

Frau Lichtenberger! Wie von Ihnen schon angesprochen, freut es mich ganz besonders, dass es auch zu Erleichterungen für die österreichischen Transporteure gekommen ist, nämlich dahin gehend, dass sie jetzt auch Abstellflächen in angrenzenden Bezirken suchen können. Frau Lichtenberger, das ist besonders deswegen wichtig, weil beispielsweise in Tirol, aber auch in Wien – zum Teil aus Umweltschutzgründen – auf angrenzende Bezirke ausgewichen werden muss. Es ist nämlich für die Leute nicht angenehm, unmittelbar im engsten Wohngebiet – und ab und zu war das bislang notwendig – Abstellflächen für LKW zu finden.

Auch die anderen im Wege des Abänderungsantrages eingebrachten Verbesserungen für die Transporteure sind sowohl für die Wirtschaft als auch für die Verbesserung unserer Infrastrukturen und unseres Transportwesens von größter Wichtigkeit. Ich würde mich daher freuen, wenn Sie die Maßnahmen mitbeschließen würden. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fink. – Bitte.

19.42

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz zu zwei Punkten des Güterbeförderungsgesetzes Stellung nehmen.

Erstens: Die alte Gesetzesfassung regelte, dass alle Voraussetzungen, die zur Erteilung der Güterbeförderungskonzession geführt haben, während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen müssen. Gemäß dem neuen Gesetzentwurf muss auf Grund von EU-Anpassungen der Behörde alle fünf Jahre nachgewiesen werden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Güterbeförderungskonzession noch vorliegen.

Es ist diese Bestimmung natürlich zur Kenntnis zu nehmen, weil es eine EU-Regelung ist, sie ist aber insofern nicht ganz befriedigend, als wir immer von Verwaltungsvereinfachung reden und es damit aber wieder zu einem Verwaltungsmehr aufwand kommt. Wir haben jetzt wieder eine


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neue Prüfstelle, es werden die Konzessionen neu überprüft. Andererseits ist aber festzustellen, dass die Abschaffung der LKW-Tafeln und der Werkverkehrskarte zu einer Verwaltungsreduktion, zu einer Aufwandsreduktion führt.

Hingegen stellt die Anpassung in § 4, dass eine Konzession für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, wenn die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3 500 Kilogramm nicht übersteigt, nicht mehr erforderlich ist, einen Schritt in die richtige Richtung dar. Es ist ein weiterer Liberalisierungsschritt, weitere Schritte in diese Richtung werden folgen.

Ansonsten wünsche ich Ihnen einen schönen Urlaub. Falls Sie in die Steiermark fahren, können Sie noch nicht den Semmering-Basistunnel benützen, aber ich hoffe, dass er in ein paar Jahren zu benützen ist. – Einen schönen Urlaub! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Bösch. )

19.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich, in 308 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass das Übereinkommen und die Änderungen der Anlage I in französischer und russischer Sprache dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht in 679 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn, in 446 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz geändert wird, in 668 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Mag. Firlinger, Mag. Kukacka und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf in 668 der Beilagen in der Fassung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Firlinger, Mag. Kukacka und Genossen abstimmen.


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76. Sitzung / Seite 185

Ich bitte jene Damen und Herren,  die dazu ihre Zustimmung geben,  um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist neuerlich die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes Linz (27 EHv 53/01) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl (740 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen jetzt zum letzten Punkt der Tagesordnung.

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wortmeldungen in der Debatte liegen keine vor.

Daher kommen wir sogleich zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 740 der Beilagen.

Der Antrag lautet darauf, Folgendes zu beschließen:

"1. In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes Linz, 27 EHv 53/01, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der von dem Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl besteht.

2. Einer behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl wird zugestimmt."

Soweit der Antrag des Immunitätsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Beschluss auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2000/2001

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da wir damit die Tagesordnung erledigt haben, darf ich dem Hohen Haus im Einvernehmen mit den Fraktionen folgenden Antrag aller vier Fraktionen vorlegen:

"Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die ordentliche Tagung 2000/2001 der XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Freitag, dem 13. Juli 2001, für beendet zu erklären."

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dieser Beschluss ist einstimmig angenommen.

Darf ich die Klubobmänner fragen, ob es nicht die Absicht einer Permanenzerklärung gegeben hat? (Abg. Ing. Westenthaler: Nein!)  – Das ist nicht der Fall, gut.

Die Abstimmung ist damit beendet.


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76. Sitzung / Seite 186

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 494/A bis 501/A eingebracht wurden.

*****

Schlussansprache des Präsidenten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende dieser letzten Sitzung vor dem Sommer, und jeder wird für sich selbst eine Bilanz ziehen. Es kann nicht die Aufgabe des Präsidenten sein, eine Bewertung der zweifellos sehr wichtigen Gesetzesbeschlüsse vorzunehmen, die wir gefasst haben. Tatsache ist aber, dass ein sehr arbeitsreiches Halbjahr hinter uns liegt und dass insbesondere einige sehr anstrengende Tage und Wochen hinter uns liegen.

Ich bin froh darüber, dass wir es doch geschafft haben, unsere Vorhaben, wie wir sie in der Präsidialsitzung – jedenfalls in formaler Weise, was den Ablauf der Sitzungen betrifft – beschlossen haben, durchzuführen, und dass wir heute diese Arbeiten zu einem vernünftigen Zeitpunkt abschließen.

Es ist mir ein wirkliches Bedürfnis – und ich weiß mich da eines Sinnes mit Ihnen –, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der parlamentarischen Fraktionen zu diesem Zeitpunkt ein sehr herzliches Wort des Dankes zu sagen. Sie haben sich das wirklich verdient. (Allgemeiner Beifall.)

Es ist mir auch ein Bedürfnis – und das möchte ich zum Ausdruck bringen –, Ihnen zu wünschen, dass Sie alle jetzt einige Tage oder Wochen zur Verfügung haben, die der Erholung gewidmet sind. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer. Jeder soll ihn nach all diesen Anstrengungen so verbringen – mit seiner Familie oder mit seinen Freunden –, wie er sich das wünscht.

Ich füge nur, so wie ich das auch im vergangenen Jahr getan habe, hinzu: Wenn wir jetzt den Beschluss gefasst haben, die Tagung des Nationalrates mit 13. Juli zu beenden und Mitte September wieder anzufangen, dann sind das – und das sage ich an die Adresse der Öffentlichkeit – nicht zwei Monate Ferien, sondern dann sind das zwei Monate – voraussichtlich – ohne Plenarsitzungen, aber andere politische Arbeit ist zu leisten.

Dennoch: Haben Sie einen schönen Sommer! Gute Erholung und alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 19.53 Uhr