Stenographisches Protokoll

48. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 28. November 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

48. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 28. November 1996

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 28. November 1996: 9.02 – 23.01 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 149/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Karl Öllinger und Genossen betreffend die Einführung der Teilrechtsfähigkeit von Schulen und der Schulbuchautonomie

9. Punkt: Bericht über den Antrag 322/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz BGBl. Nr. 58/1957, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 906/1993, und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, BGBl. Nr. 50, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 314/1944, geändert werden

10. Punkt: Bericht über den Antrag 274/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend die organisatorische Neugestaltung des Bahninfrastrukturausbaues

11. Punkt: Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen MSC.21 (59) und MSC.33 (63) über Änderungen des Übereinkommens


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48. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen

13. Punkt: Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996

14. Punkt: Bericht über den Antrag 311/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird, und

den Antrag 102/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 1993 geändert wird, sowie

den Antrag 209/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das UVP-Gesetz geändert wird

15. Punkt: Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1994, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und vom Bundesminister für Arbeit und Soziales

16. Punkt: Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1995, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und vom Bundesminister für Arbeit und Soziales

17. Punkt: Gleichbehandlungsbericht (VII/1990 – VI/1995), vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemeinsam mit der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden

19. Punkt: Erste Lesung des Antrages 273/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Wehrgesetz geändert werden

20. Punkt: Erste Lesung des Antrages 272/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert werden

21. Punkt: Erste Lesung des Antrages 269/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 12

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 29


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48. Sitzung / Seite 3

Wortmeldungen der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Dr. Peter Kostelka betreffend Abstimmung über Abänderungsanträge 82, 90

Unterbrechungen der Sitzung 82, 90, 99

Fragestunde (8.)

Justiz 12

Dr. Willi Fuhrmann (63/M); Mag. Herbert Haupt, Dkfm. Dr. Günter Puttinger, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Thomas Barmüller

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (57/M); MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Thomas Barmüller, Dr. Wolfgang Riedler, Dr. Helene Partik-Pablé

Dr. Harald Ofner (61/M); Mag. Dr. Josef Trinkl, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Thomas Barmüller, Mag. Johann Maier

Mag. Dr. Heide Schmidt (68/M); Dr. Willi Fuhrmann, Walter Murauer, MMag. Dr. Madeleine Petrovic

Mag. Johann Maier (64/M); Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Thomas Barmüller

Dr. Walter Schwimmer (58/M); MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Thomas Barmüller, Doris Bures, Mag. Reinhard Firlinger

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 12

Ausschüsse

Zuweisungen 28, 209, 212

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Reform des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) (1523/J) 99

Begründung: Mag. Thomas Barmüller 101

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 104

Debatte:

Dr. Volker Kier 107

Dr. Alfred Gusenbauer 109

Maria Rauch-Kallat 110

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigung) 112

Mag. Karl Schweitzer 113

Dr. Martina Gredler 114

Rudolf Anschober 116

Maria Rauch-Kallat (tatsächliche Berichtigungen) 119, 123, 128

Georg Oberhaidinger 119

Karlheinz Kopf 121

Anna Elisabeth Aumayr 122

Mag. Doris Kammerlander 123

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 125


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48. Sitzung / Seite 4

Andreas Wabl 126

Andreas Wabl (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 128

Mag. Thomas Barmüller 128

Ing. Wolfgang Nußbaumer 130

Entschließungsantrag der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Karlheinz Kopf, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Thomas Barmüller, Rudolf Anschober und Genossen betreffend Reform des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) – Annahme (E 30) 129, 131

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (416 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (442 d. B.) 30

2. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (417 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (443 d. B.) 30

3. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (418 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (444 d. B.) 30

4. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (419 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (445 d. B.) 30

5. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (420 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird (446 d. B.) 30

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (421 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (447 d. B.) 30

7. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (422 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (448 d. B.) 30

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 30

Mag. Dr. Josef Höchtl 33

Maria Schaffenrath 36

Dr. Dieter Antoni 42

Karl Öllinger 44

Werner Amon 52

Mag. Karl Schweitzer 54

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 57

Brunhilde Fuchs 60

Dr. Volker Kier 61

Dr. Gertrude Brinek 65

Theresia Haidlmayr 67

Dr. Robert Rada 70

Mag. Herbert Haupt 72

Katharina Horngacher 73

Verena Dunst 74


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48. Sitzung / Seite 5

Franz Stampler 76

DDr. Erwin Niederwieser 77

Annahme der Gesetzentwürfe in 442, 443, 444, 445, 446, 447 und 448 d. B. 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird – Ablehnung 48, 88

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Begabtenförderung in der Schule (328/A) (E) 55, 9

8. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 149/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Karl Öllinger und Genossen betreffend die Einführung der Teilrechtsfähigkeit von Schulen und der Schulbuchautonomie (441 d. B.) 90

Redner:

Edith Haller 91

Dr. Sonja Moser 92

Maria Schaffenrath 93

Dr. Dieter Antoni 94

Karl Öllinger 95

Johann Schuster 96

Mag. Dr. Udo Grollitsch 97

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 441 d. B. 98

9. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 322/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz BGBl. Nr. 58/1957, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 906/1993, und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, BGBl. Nr. 50, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 314/1944, geändert werden (494 d. B.) 131

Redner:

Peter Rosenstingl 131

Rudolf Parnigoni 133

Mag. Thomas Barmüller 135

Mag. Helmut Kukacka 135

Rudolf Anschober 137

Kurt Wallner 139

Annahme des Gesetzentwurfes in 494 d. B. 140

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 494 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Vorlage eines neuen Postgesetzes (E 31) 141

10. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 274/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend die organisatorische Neugestaltung des Bahninfrastrukturausbaues (495 d. B.) 141

Redner:

Peter Rosenstingl 141

Winfried Seidinger 142

Rudolf Anschober 144

Bundesminister Dr. Rudolf Scholten 148

Mag. Thomas Barmüller 150


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48. Sitzung / Seite 6

Anton Blünegger 151

Robert Sigl 152

Mag. Karl Schweitzer 153

Mag. Reinhard Firlinger 154

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 495 d. B. 156

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Entscheidung über einen allfälligen Bau des Hauptstollens des Semmering-Basistunnels – Ablehnung 147, 156

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Verschiebung der Interessentensuche für den privaten Finanzierungsanteil des Semmering-Basistunnels – Ablehnung 147, 156

11. Punkt: Regierungsvorlage: Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen MSC.21 (59) und MSC.33 (63) über Änderungen des Übereinkommens (345 d. B.) 156

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Genehmigung des Staatsvertrages in 345 d. B. 156

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 156

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 156

12. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (411 d. B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen (438 d. B.) 157

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 157

Josef Schrefel 157

Ing. Monika Langthaler 159

Otmar Brix 159

Robert Wenitsch 159

Mag. Thomas Barmüller 160

Georg Wurmitzer 161

Dr. Robert Rada 162

Genehmigung des Staatsvertrages in 438 d. B. 163

13. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (414 d. B.): Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996 (439 d. B.) 163

Redner:

Anna Elisabeth Aumayr 163

Karlheinz Kopf 164

Ing. Monika Langthaler 166

Ing. Erwin Kaipel 167

Mag. Thomas Barmüller 168

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 169

Annahme des Gesetzentwurfes in 439 d. B. 170

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 439 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Absicherung der höheren österreichischen


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48. Sitzung / Seite 7

Standards bis zum Ablaufen der Übergangsfristen aus dem Beitrittsvertrag (E 32) 170

14. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 311/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird, und

den Antrag 102/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 1993 geändert wird, sowie

den Antrag 209/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das UVP-Gesetz geändert wird (440 d. B.) 170

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 171

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 171

Mag. Thomas Barmüller 172

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 174

Ing. Monika Langthaler 176

Brigitte Tegischer 178

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 179

Dr. Volker Kier 180

Rudolf Anschober 180

Annahme des Gesetzentwurfes in 440 d. B. 182

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes hinsichtlich der Anträge 102/A und 209/A 183

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag Dr. Madeleine Petrovic, Klara Motter, Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Maßnahmen gemäß Art. 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG – Ablehnung 181, 183

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses betreffend den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1994, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und vom Bundesminister für Arbeit und Soziales (III-22/401 d. B.) 183

16. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses betreffend den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1995, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und vom Bundesminister für Arbeit und Soziales (III-37/402 d. B.) 183

17. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses betreffend den Gleichbehandlungsbericht (VII/1990 – VI/1995), vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemeinsam mit der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten (III-43/403 d. B.) 183

Redner:

Edith Haller 183

Heidrun Silhavy 185

Klara Motter 187

Rosemarie Bauer 189

Mag. Doris Kammerlander 190


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48. Sitzung / Seite 8

Bundesministerin Dr. Helga Konrad 192

Hannelore Buder 194

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 195

Dr. Gertrude Brinek 197

Anna Elisabeth Aumayr 198

Brunhilde Fuchs 199

Edeltraud Gatterer 201

Mag. Gisela Wurm 203

Kenntnisnahme der Berichte III-22, III-37 und III-43 d. B. 205

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Einrichtung einer regionalen Gleichbehandlungsanwältin in Tirol – Ablehnung 191, 205

18. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (323 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden (463 und Zu 463 d. B.) 205

Redner:

Dr. Irmtraut Karlsson 205

Karl Donabauer 206

Dr. Michael Krüger 207

Dr. Günther Kräuter 208

Dr. Volker Kier 208

Annahme des Gesetzentwurfes in 463 und Zu 463 d. B. 209

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Erste Lesung des Antrages 273/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Wehrgesetz geändert werden 209

20. Punkt: Erste Lesung des Antrages 272/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert werden

Zuweisung der Anträge 273/A und 272/A an den Verfassungsausschuß 209

21. Punkt: Erste Lesung des Antrages 269/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden 209

Redner:

Edith Haller 210

Dr. Ilse Mertel 211

Zuweisung des Antrages 269/A an den Verfassungsausschuß 212

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 28

459: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1996 geändert wird (BFG-Novelle 1996)


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48. Sitzung / Seite 9

460: 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996 – 2. BÜG 1996

497: Abgabenänderungsgesetz 1996

498: EU-Abgabenänderungsgesetz

502: Staatsdruckereigesetz 1996

Anträge der Abgeordneten

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Organisation, Aufgaben, Befugnisse und Kontrolle der Nachrichtendienste und des Militärischen Abwehrdienstes (Dienstegesetz – DG) (326/A)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend eine Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG (B-VGNov 1996) (327/A)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Begabtenförderung in der Schule (328/A) (E)

Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (329/A)


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48. Sitzung / Seite 10

Edith Haller und Genossen betreffend Frauen-Erwerbstätigkeit, Kindererziehung, Frauenpensionen (330/A) (E)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer offensiven österreichischen Anti-Atompolitik (331/A) (E)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Finanzierung von Kernkraftwerken durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) (332/A) (E)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Zunahme des Transitverkehrs durch den Bau der Umfahrung Abfaltersbach als Teil der Alemagna (333/A) (E)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (334/A)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (335/A)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird (336/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Reform des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) (1523/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1524/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1525/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1526/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1527/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1528/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1529/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1530/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1531/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1532/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1533/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1534/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1535/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1536/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Informationsarbeit der Regierung beziehungsweise der einzelnen Ministerien gegenüber der Öffentlichkeit (1537/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bauspardarlehens-Grenze (1538/J)

Hermann Böhacker und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Apotheke Obertrum (1539/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Neubau eines Stadions in Salzburg für die Fußball-EM 2004 (1540/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Räumung der Berger-Deponie in Weikersdorf/Wr. Neustadt (1541/J)

Friedrich Verzetnitsch und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend den Ankauf von sieben Baggern (1542/J)


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48. Sitzung / Seite 11

Verena Dunst und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Qualifikation der Absolventen des Studienversuches "Ernährungswissenschaft" (1543/J)

Ernst Fink und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend zukünftiges Erhaltungskonzept für Autobahnen und Schnellstraßen (1544/J)

Franz Kampichler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Ghega-Bahn am Semmering (1545/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die österreichische Haltung zur Menschenrechtssituation in Burma (1546/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Entführung von Kindern aus Ehen zwischen Partnern aus zwei verschiedenen Staaten (1547/J)

Ing. Gerald Tychtl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Errichtung von Lärmschutzeinrichtungen an der B 72 im Gemeindegebiet Krottendorf (1548/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Umsetzung der EU-Richtlinie über die Verbrennung von gefährlichen Abfällen (ABl. L 365/34) (1549/J)

Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend EU-Projekt zur Erhaltung der Carnica-Bienen (1550/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Schüler- und Lehrlingsfreifahrt (1551/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Schüler- und Lehrlingsfreifahrt (1552/J)

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend zweigleisigen Bahnausbau zwischen Ötztal-Bahnhof und Landeck (1553/J)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1279/AB zu 1313/J)


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48. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie alle gestärkt begrüßen – zum Teil auf die Gesundheit hin untersucht hier im Hause – und eröffne die 48. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind Frau Abgeordnete Dr. Preisinger und Frau Abgeordnete Mag. Stoisits.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Der Herr Innenminister wird durch Frau Bundesministerin Dr. Konrad vertreten, der Herr Finanzminister durch Frau Bundesministerin Dr. Krammer, der Herr Außenminister und Vizekanzler durch Herrn Bundesminister Mag. Molterer, der Herr Bundesminister für Landesverteidigung durch Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein, der Herr Wissenschaftsminister durch Herrn Sektionschef Dr. Frühauf und der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten durch Frau Bundesministerin Gehrer.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt – um 9.03 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Justiz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erster Fragesteller ist Herr Abgeordneter Fuhrmann mit der Frage Nr. 63/M an den Herrn Justizminister. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Danke, Herr Präsident.

Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

63/M

Welche positiven Auswirkungen wird das geplante Insolvenzrechtsänderungsgesetz auf die Sicherung von Arbeitsplätzen haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 setzt sich im besonderen zum Ziel, Insolvenzen zu vermeiden beziehungsweise, wenn eine Insolvenz eingetreten ist, die Unternehmensfortführung zu erleichtern. Die Insolvenzvermeidung soll durch eine Reihe prophylaktischer Maßnahmen und durch das neue Reorganisationsgesetz erreicht werden, die Erleichterung der Unternehmensfortführung im Falle einer eingetretenen Insolvenz durch eine Reihe von


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Bestimmungen im Ausgleichs- und Konkursrecht. Insolvenzvermeidung und Unternehmensfortführung im Insolvenzfall sind Maßnahmen, die helfen, Arbeitsplätze zu erhalten.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Zusatzfrage.

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Minister! Ich danke Ihnen für diese Auskunft und möchte Sie in Form einer Zusatzfrage ergänzend noch mit folgendem Problemkreis konfrontieren und im Anschluß daran die Frage formulieren: Sie haben gesagt, daß es das Ziel der Novellierung der insolvenzrechtlichen Bestimmungen ist, in erster Linie zu helfen, Insolvenzen überhaupt zu verhindern, und in zweiter Linie die Unternehmensfortführung dann, wenn eine Insolvenz eingetreten ist, im Interesse der insolvent gewordenen Unternehmen und damit auch der dort beschäftigen Arbeitnehmer zu erleichtern.

Alle, die mit diesen Fragen zu tun haben, wissen aus der Praxis, daß es ein großes Problem gibt, nämlich: Wie sieht es mit allfälligen Bestandverträgen aus?, da es ja Bestimmungen gibt, daß aufgekündigt werden kann. Haben Sie sich im Zusammenhang mit den geplanten Änderungen auch in diese Richtung etwas überlegt, da die Gefahr besteht, daß durch die Aufkündigung zum Beispiel von Mietverträgen et cetera eine wesentliche Grundlage für die Unternehmensfortführung entzogen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Abgeordneter! In dem Bündel von Maßnahmen, die die Fortführung insolvent gewordener Unternehmen erleichtern sollen, ist auch die Frage des Fortbestehens bestehender Verträge. Es ist in der Tat oft die mietrechtliche Situation, die Schwierigkeiten macht, weil in vielen Verträgen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf der einen Seite als Kündigung von Dauerschuldverhältnissen oder von Kreditverträgen et cetera vereinbart ist und auf der anderen Seite dann, wenn ein Rückstand von Mietzinsen besteht, ein normaler Kündigungsgrund gegeben ist.

Wir schlagen in diesem sehr umfangreichen Unternehmens-Reorganisationsgesetz vor, daß bei den Bestimmungen über den Ausgleich festgelegt werden soll, daß erstens die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens kein Rücktrittsgrund sein darf und daß zweitens allein aufgrund der Mietzinsrückstände aus der Zeit vor der Ausgleichseröffnung keine Aufkündigung vorgenommen werden darf.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Haupt, bitte.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! In diesem Zusammenhang stellt sich für mich die Frage, ob die Unternehmensfortführung in Österreich und damit auch das Erhalten der Arbeitsplätze auf dem nunmehr trister gewordenen Arbeitsmarkt nicht besser geregelt wären, wenn wir ein Verfahren nach dem amerikanischen Vorbild des Chapter-11-Verfahrens einführen würden. Wie ist Ihre Haltung von seiten des Justizministeriums dieser unserer freiheitlichen Haltung gegenüber?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Eine Übernahme 1 :  1 kommt aus dogmatischen Gründen nicht in Frage. Wir haben uns aber bei der Konzeption dieser Bestimmungen auch vom amerikanischen Modell sehr stark beeinflussen lassen.

Wir sehen zwei verschiedene Phasen vor: die Phase, bevor noch eine materielle Insolvenz eingetreten ist – es soll möglichst rechtzeitig, bevor noch materielle Insolvenz eingetreten ist, der Versuch unternommen werden, ein in Schieflage geratenes Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen; diesem Ziel soll das Unternehmens-Reorganisationsverfahren dienen –, und die Phase nach eingetretener Insolvenz, in der Erleichterungen durch Bestimmungen im Ausgleichs- und Konkursrecht geschaffen werden sollen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Puttinger, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Herr Bundesminister! Im Rahmen des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes wird ja auch ein Vorverfahren eingeführt. Ich möchte Sie fragen, welche grundsätzlichen Auswirkungen Sie von der Freiwilligkeit dieses Vorverfahrens erwarten – ich hoffe, die Freiwilligkeit ist hundertprozentig gewährleistet – beziehungsweise ob dem Unternehmen im Insolvenzfall aus der Nicht-Verwendung dieses freiwilligen Vorverfahrens strengere Auflagen erwachsen oder der Geschäftsführer beziehungsweise der betroffene Betrieb in größerem Ausmaß zur Verantwortung gezogen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Abgeordneter! Das ist an sich freiwillig. Es ist jedoch durch ein Bonus-Malus-System doch ein gewisser Anreiz gegeben, sich dieses Verfahrens zu bedienen. Kommt es, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, nicht zur Einleitung eines solchen Verfahrens und in der Folge doch zu einem Konkurs, dann gibt es gewisse Nachteile für jene, die sich dieses Verfahrens nicht bedient haben.

Insbesondere bei Unternehmungen, die in Form einer juristischen Person geführt werden und mehr als 50 Arbeitnehmer haben, muß die Unternehmensführung, wenn gewisse Kennzahlen gegeben sind – ablesbar und errechenbar aus dem Jahresabschluß –, entweder dieses Verfahren einleiten oder einen Wirtschaftsprüfer beauftragen, der trotz Vorliegen der Kennzahlen das Nicht-Vorliegen der Einleitungsvoraussetzungen bestätigt. Findet keines der beiden Dinge statt, kann es zu einer Haftung der Geschäftsführung kommen – bis zu 1 Million Schilling –, für den Fall, daß innerhalb von zwei Jahren das Konkursverfahren doch eingeleitet wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Frau Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Insolvenzverfahren können nicht nur gravierende Auswirkungen auf Unternehmungen und Arbeitsplätze haben, sondern auch auf Ehepaare, insbesondere auf die Ehefrau, die im Falle eines Insolvenzverfahrens des Mannes im Rahmen einer Ausfallbürgschaft oft für Schulden aufkommen muß, die sie nicht gemacht hat und von denen sie nie etwas hatte, also wenn die Frau dann etwa den Kredit für ein Auto abzahlen muß, das der Mann angekauft und benutzt hat.

Herr Bundesminister! Denken Sie an eine Gesetzesinitiative, um diese Benachteiligung von Frauen zu beenden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das Institut der Bürgschaft oder Mithaftung nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden darf, denn gerade in Zeiten wie diesen ist oftmals die einzige Möglichkeit, einen Kredit zu bekommen, wenn man einem Kreditgeber einen Mithaftenden als weitere Sicherstellung anbietet.

Gegengesteuert werden muß Auswüchsen und dem leichtfertigen Eingehen von Mithaftungen oder Bürgschaften. Dies versuchen wir mit dem kürzlich im Justizausschuß verabschiedeten Konsumentenschutzgesetz. Es gibt gewisse Aufklärungspflichten des Kreditgebers für Mithaftende.

Es gibt für den Fall des Schlagend-Werdens der Haftung ein richterliches Mäßigungsrecht, das unter bestimmten Voraussetzungen auch den Mithaftenden gänzlich entschulden kann.

Wir haben auch gewisse Einwendungen aus der Praxis, daß das Restschuldbefreiungsverfahren dann, wenn es doch zur Haftung kommt und die finanziellen Möglichkeiten des Mithaftenden beschränkt sind, überhaupt zum Tragen kommen kann, indem wir in diesem Unternehmens-


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Reorganisationsgesetz vorsehen, daß die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr Gläubigermehrheit erfordert.

Innerhalb des dann nur bei dem einen Gläubiger gegebenen Verfahrens gibt es auch noch Abfederungen, die schon in der Privatkonkurs-Regelung enthalten sind, nämlich daß dann, wenn die Mithaftende die endgültige Quote von 10 Prozent nicht erreicht, auch für Leistungen unterhalb der 10 Prozent das Gericht eine Entschuldung aussprechen kann, wenn insgesamt – unter Hinzurechnung des Hauptschuldners – 20 Prozent erreicht worden sind.

Das ist, glaube ich, eine große Palette von verschiedenen Bestimmungen, die die Situation der Frauen, die mithaften, erleichtern. Sie bestehen entweder schon oder sind ins Auge gefaßt. Ich glaube aber nicht, daß es sinnvoll wäre, das Institut der Bürgschaft oder Mithaftung völlig auszuschalten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Mag. Barmüller.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich möchte noch einmal auf das freiwillige Vorverfahren zurückkommen, hinsichtlich dessen Sie bereits ausgeführt haben, daß dann, wenn bestimmte Kennzahlen vorliegen und es nicht in Anspruch genommen wird, mit verschärften Regelungen, verschärften Haftungen reagiert wird.

Gibt es in den Vorstellungen, die Sie hier präsentieren werden, auch positive Anreizsysteme für Unternehmen, für Unternehmer, an diesem freiwilligen Vorverfahren teilzunehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.


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Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek:
Eines der wichtigsten Dinge in diesem Stadium ist die Erhaltung der Kreditfähigkeit. Diese wird in der Frage der Anfechtung für gewährte Kredite oder erlangte Sicherheiten im Falle, daß dann doch ein Konkurs eintritt, sehr erschwert.

Eine der wichtigsten Forderungen der Wirtschaft ist es daher, auf der einen Seite noch Kredite bekommen zu können, auf der anderen Seite aber den Kreditgeber anfechtungsfest zu stellen. Das ist an sich ein schwieriges Unterfangen im Hinblick auf jene Gläubiger, die dann vielleicht keine Sicherheiten mehr haben und daher bei der Verteilungsmasse im Falle des Konkurses leer oder schlechter ausgehen. Dieses Verfahren soll die Frage der Gewährung von Überbrückungs- und Sanierungskrediten und deren Schicksal im Falle eines doch eintretenden Konkurses klären.

Vorgesehen ist, daß dann, wenn dieses Verfahren eingeleitet wird und der Sanierungsprüfer die noch nicht eingetretene Solvenz bestätigt und auch – was ein Teil des Reorganisationsplans sein kann – die Kreditaufnahme befürwortet, der Kredit insofern anfechtungsfest ist, als der Gläubiger nicht dafür haftet, daß er eine etwa doch vorliegende materielle Insolvenz kennen mußte.

Hat er sie gekannt, dann nützt es nichts, aber er muß nicht selbsttätig die wirtschaftliche Lage untersuchen, sondern kann sich auf das Urteil des Reorganisationsprüfers verlassen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.

Frau Abgeordnete Dr. Fekter, bitte, zum zweiten Fragenkomplex.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Angesichts der Vorfälle in der Strafanstalt Graz-Karlau frage ich Sie:

57/M

Wie werden Sie weiteren gefährlichen Vorfällen im Strafvollzug vorbeugen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Ich möchte vorweg sagen, daß wir in Österreich meines Erachtens im großen und ganzen ausreichende Voraussetzungen haben, um gefährlichen Vorfällen im Strafvollzug soweit wie möglich vorzubeugen. Sicherheitsrelevante Daten, wie die Zahl der Fluchten oder Geiselnahmen oder anderer besonderer Vorkommnisse, bestätigen das auch im internationalen Vergleich.

Es ist aber völlig klar, daß auch eine noch so erfreuliche Statistik einerseits und das Wissen darum, daß es im Vollzug absolute Sicherheit nicht geben kann – das muß man auch einmal ganz offen sagen –, nicht dazu verleiten dürfen, einzelne gefährliche Vorfälle nicht ernst zu nehmen und die Augen vor Schwachstellen beziehungsweise Verbesserungsmöglichkeiten zu verschließen.

"Vorbeugen" heißt in diesem Sinn für mich, alle gebotenen Verbesserungsmöglichkeiten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aufzugreifen und mit Nachdruck zu verfolgen. Dazu gehören Gesetzesinitiativen, wie die gestern hier im Hause beschlossenen. Dazu gehört, daß die Vorschriften, die den Aufbau und den Ablauf in den Justizanstalten betreffen, auf dem neuesten Stand gehalten werden – wir haben das ja jüngst getan. Es gehört auf der Personalseite dazu, die Anliegen der Bediensteten ernst zu nehmen und Grenzen der Belastbarkeit aufzuzeigen, gleichzeitig aber auch Rahmenbedingungen zu schaffen, die individuelles, strukturell bedingtes Fehlverhalten möglichst hintanhalten.

Mittel hiezu sind eine ausreichende Personaldotierung, eine angemessene Honorierung dieses verantwortungsvollen Dienstes, aber auch eine zeitgemäße Ausrüstung. Nicht zuletzt angesichts der Grenzen bei der Optimierung dieser, wenn ich so sagen darf, Hardware, haben wir verstärkt Augenmerk auf die Durchleuchtung der Anstalten, auf eine entsprechende Aus- und Fortbildung gelegt und schließlich auch auf die Schaffung eines Vollzugsklimas, in dem auf der einen Seite Aggressionen nicht unnötig entstehen, sondern sogar abgebaut werden können und auf der anderen Seite für die Bediensteten arbeitsgerechte Verhältnisse geschaffen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Ich halte es für kritisch, daß bei uns in den Gefängnissen der Drogenkonsum auf der Tagesordnung steht.

Welche Maßnahmen werden Sie gegen die Drogenproblematik in unseren Gefängnissen setzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es ist richtig, daß auch der Drogenkonsum vor unseren Haftanstalten nicht haltmacht. Man muß auf mehreren Ebenen einzuwirken versuchen: Auf der einen Seite muß das Einschmuggeln in die Gefängnisse minimiert werden – auch da soll das gestern beschlossene Gesetz dem Justizwachepersonal Handlungsmöglichkeiten eröffnen –, auf der anderen Seite müssen die dort eingelieferten Drogenabhängigen entsprechend therapiert werden; wir tun das mit dem Substitutionsprogramm Methadon. Man muß aber auch versuchen – und das ist ein Projekt, das wir seit einem Jahr nach einem internationalen Vorbild zu implementieren versuchen –, innerhalb der Anstalten die Drogenabhängigen von den nicht Drogenabhängigen zu trennen. Wir tun dies mit Hilfe der sogenannten "Drug-out-Zonen", die wir jetzt in einigen Anstalten probeweise eingeführt haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Nächste Zusatzfrage: Frau Dr. Petrovic.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Es ist bekannt, daß bestimmte Praktiken im Rahmen des Strafvollzugs – etwa das lange Einsperren in Einzelzellen – das Aggressionspotential der Häftlinge fördern.


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Wie gedenken Sie vorzugehen, um systematisch noch besser zu erforschen – und dann auch entsprechende Schritte zu setzen –, wie das Aggressionspotential, das während des Strafvollzugs entstehen oder aufgebaut werden kann, gesenkt werden kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek:
Frau Abgeordnete! Wir müssen natürlich etwas differenzieren, um welche Art von Häftlingen es sich handelt. In der sozusagen "mittleren" Kriminalität liegt heute das Ziel ja im Wohngruppenvollzug, wo schon möglichst viele in Einzelzellen untergebracht werden, wo aber insgesamt eine Wohngruppe und damit Kommunikation mit anderen gegeben ist.

In den "schweren" Fällen wird es in der Regel abgesperrte Einzelzellen geben müssen; in den "leichten" Fällen ist ja ohnehin ein gelockerter Vollzug gegeben.

Der Aggressionsabbau auf jede nur mögliche Art ist besonders wichtig. Ich meine – etwas salopp gesagt –, je fester der Deckel zu ist, umso mehr staut sich darin auf, und es wäre unmöglich, eine Explosion im Zaum zu halten. Wir müssen daher lavieren und versuchen, gerade so viel Druck wie notwendig auszuüben, um die Sicherheit zu gewährleisten, denn das ist das oberste Gebot. Ohne entsprechende Sicherheit in den Anstalten ist die Erreichung der anderen Vollzugszwecke nicht möglich.

Sicherheit und die Erreichung der Vollzugszwecke im Sinne einer Sozialisierung und Vorbereitung auf die Entlassung sind keine Gegensätze, sie bedingen einander: Ohne entsprechende Sicherheit keine entsprechenden Begünstigungen und ohne Begünstigungen kein Vollzugsklima, das das Sicherheitsrisiko überhaupt noch beherrschbar werden läßt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Erhöhte Sicherheit sowohl durch Sicherheitsvorkehrungen als auch etwa durch vermehrte psychologische Betreuung kostet natürlich Geld.

Gibt es von Ihrer Seite her bereits Abschätzungen, was an budgetärer Vorsorge notwendig wäre, um das sicherzustellen, und haben Sie positive Signale, daß dem Folge geleistet wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir haben auch die psychiatrisch-psychologisch-therapeutische Komponente in den letzten Jahren verbessert, und es sind auch für nächstes Jahr Planstellen dafür reserviert. Die Besetzung ist schwierig geworden, weil es heute nicht mehr nur auf die Planstellen ankommt, sondern auch auf die finanzielle Abdeckung. Nächstes Jahr wird unser Personalkostenbudget etwas besser sein als heuer, und ich hoffe, daß wir alle uns zusätzlich zugesagten Planstellen auch besetzen werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. Riedler, bitte.

Abgeordneter Dr. Wolfgang Riedler (SPÖ): Herr Bundesminister! Bei einem Gespräch, das ich in der Strafanstalt Karlau geführt habe, wurde mir von den Personalvertretern und auch von der Anstaltsleitung versichert, daß die bedingte Haftentlassung zur Sicherheit in den Gefängnissen beiträgt, weil sie den Häftlingen eine Chance eröffnet.

Herr Kollege Ofner hat gestern zu Recht darauf hingewiesen – das wurde mir auch in der Haftanstalt gesagt –, daß in Graz das Strafvollzugsgericht sehr restriktiv vorgeht.

Wie schätzen Sie das Verhalten des Vollzugsgerichtes im Zusammenhang mit der Sicherheit in der Strafanstalt Karlau ein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Grundsätzlich halte ich das Rechtsinstitut der bedingten Entlassung für ein außerordentlich wichtiges Institut, weil die Aussicht, früher oder überhaupt entlassen werden zu können, dem Häftling eine andere Perspektive eröffnet, was sich auch auf sein Verhalten in der Anstalt auswirkt.

Dazu kommt, daß es nur bei der bedingten Entlassung aus zeitlichen Freiheitsstrafen möglich ist, diese Entlassung mit Auflagen zu verknüpfen und auch die Zeit nach der Entlassung den Entlassenen sozusagen zu begleiten, ihm den Wiedereintritt ins normale Leben zu ermöglichen. Wenn ein Häftling die ganze Zeit bis zu seinem Haftende im Gefängnis verbringt und nachher freigesetzt wird, kann man rechtlich überhaupt nicht mehr auf ihn einwirken. Wird er bedingt entlassen, kann durch Auflagen, Bewährungshilfe oder Eröffnen von Ausbildungsmöglichkeiten et cetera noch weiter auf ihn eingewirkt werden. Das dräuende Damoklesschwert – erfüllst du die Auflagen nicht, mußt du den Rest zurück – ist doch dienlich und bewirkt, daß der Häftling die Auflagen auch erfüllt.

Ich meine daher, daß wir durch Aufklärung, durch Bewußtseinsbildung danach trachten müssen, das in dieser Frage innerhalb Österreichs gegebene Gefälle einzuebnen, sodaß dieses Institut überall in Österreich in möglichst gleicher Art gehandhabt wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Dr. Partik-Pablé, bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Ich sehe schon ein, daß es für einen Justizminister ungeheuer wichtig ist, die Sicherheit in den Gefängnissen zu gewährleisten. Für die Bevölkerung ist es aber sehr wichtig, daß außerhalb der Gefängnisse die Sicherheit gewährleistet ist. Trotz eines immer angenehmeren Strafvollzuges laufen Ihnen immer mehr Häftlinge davon, insbesondere Ausgänger – wobei das meistens auch am Personal scheitert.

Ich möchte jetzt konkret wissen: Welche personelle Vorsorge werden Sie in Zukunft treffen, um erstens Vorfälle in Karlau zu verhindern und zweitens insbesondere bei Ausgängern die Sicherheit zu gewährleisten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Zunächst möchte ich einmal mehr – aber es nützt offenbar nichts – wiederholen, daß uns nicht immer mehr Leute davonlaufen, sondern immer weniger Leute – wobei sowohl im Bereich der Entweichungen, also des nicht Heimkehrens von erlaubten Außenaufenthalten, als auch beim Flüchten aus der Anstalt selbst Erfolge erzielt wurden. Im Jahre 1994 waren 323 Entweichungen, davon 52 Fluchten, zu verzeichnen, im Jahre 1995 260 Entweichungen, davon 24 Fluchten. Heuer waren bis Ende August insgesamt 184 Entweichungen zu verzeichnen, davon 11 Fluchten. Die Kurve geht also nach unten.

Das soll uns aber nicht sozusagen in Wohlgefallen verharren lassen, sondern wir müssen natürlich weiterhin daran arbeiten, daß die Zahlen weiter rückläufig sind. Das kann auf der einen Seite darin bestehen, daß man in der Frage, ob jemand gerechtfertigterweise in die Lage zu versetzen ist, sich außerhalb der Anstalt zu bewegen, möglichst verantwortungsvoll umgeht, auf der anderen Seite darin, daß die Schlupflöcher, die es noch für Fluchten aus den Gefangenenhäusern, aus den Justizanstalten gibt, möglichst geschlossen werden.

Gewisse Fluchten wird man vor allem aus den gelockerten Bereichen nie ganz verhindern können, denn es gehört ja beinahe zur Philosophie, daß jemand so quasi in der Zeit vor seiner Entlassung mit der ihm abzuringenden Entscheidung konfrontiert wird, ob er jetzt von etwas Gebrauch macht, was er könnte, oder im Sinne des Gesetzes davon nicht Gebrauch macht. Es wird natürlich nie ganz gelingen, Entweichungen unmöglich zu machen, aber der Betroffene schneidet sich dabei ins eigene Fleisch.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. Damit ist dieser Fragenkomplex erledigt.


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Herr Abgeordneter Dr. Ofner stellt die nächste Frage.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

61/M

Wie weit sind Ihre Bemühungen zur Abschaffung der gerichtlichen Strafbarkeit der fahrlässigen Krida gediehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Vorweg möchte ich sagen, ich bin mir noch nicht im klaren darüber, ob ich Bemühungen zur Abschaffung setzen soll. Was die Frage der fahrlässigen Krida anlangt, muß ich sagen, daß sie in enger Beziehung zum Insolvenzrecht steht. Hier waren zuletzt die Schwerpunkte, die schon bei der ersten Frage behandelt wurden. Im Zuge der Debatte wurde auch über die Frage der fahrlässigen Krida debattiert, und zwar von einer großen Zahl von Fachleuten aus allen Bereichen. Die Diskussion war kontroversiell bis diametral. Die Palette reichte von "abschaffen wäre möglich" bis "Verschärfung ist notwendig".

Ich glaube, wir müssen jetzt abwarten, wie das Unternehmens-Reorganisationsgesetz letztlich ausschaut, damit wir nicht bei unseren Maßnahmen bei der fahrlässigen Krida kontraproduktiv vorgehen. Dann wird sich diese Frage zur Entscheidung stellen. Ich gehöre eher zu jenen, die keiner ersatzlosen Streichung das Wort reden, sondern einer Modifizierung vielleicht im Hinblick auf – ich möchte es jetzt zivilrechtlich sagen – den Grad der Fahrlässigkeit oder gewisse Objektivierungen, an denen man das ablesen kann. Die Debatte ist zu führen, glaube ich, sobald wir wissen, wie das IRÄG verwirklicht wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die gerichtliche Strafbarkeit der fahrlässigen Krida kostet den Steuerzahler viel Geld. Leute, die ohnehin keinen Groschen mehr in der Tasche haben, weil ihnen alles versteigert worden ist – sie sind ja wirtschaftlich gescheitert –, werden nach einem Ritual zu drei oder vier Monaten bedingt verurteilt. Die Verfahrenskosten sind in aller Regel uneinbringlich. Vor allem sind aber die sehr hohen Sachverständigenkosten, die oft in die Hunderttausende Schilling gehen, uneinbringlich. Das kostet sicher Dutzende Millionen im Jahr, die nicht hereingebracht werden können. Das bringt alles miteinander überhaupt nichts.

Gibt es Aufzeichnungen darüber, oder sehen Sie sich in der Lage, solche zu veranlassen, was diese Krida-Verfahren an Planstellen – die Richter sind ohnehin überbelastet – verschlingen und was darüber hinaus an Verfahrenskosten, vor allem an Sachverständigenkosten, uneinbringlich entsteht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich glaube nicht, daß man letzten Endes die Frage der Strafbarkeit von Tatbeständen nur aus dieser Sicht betrachten kann. Man darf doch nicht verkennen, daß § 159 StGB auch ein Auffangtatbestand für betrügerisches Vorgehen ist und als Schutzgesetz im Zusammenhang auch mit dem Haftungsdurchgriff gegen Organe dient. Daß es viele Freisprüche gibt, ist eine Frage der Ausgestaltung.

Wir können versuchen, zu erheben, welche Kosten mit diesem Verfahren verbunden sind. Ich glaube nur, daß man den präventiven Charakter solcher Verfahren nicht zu gering schätzen darf, selbst wenn dann bei den Beteiligten die Kosten der Verfahren nicht hereingebracht werden können.

Ich habe mich schon mehrmals mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob solche Beweise, die so viel Geld kosten, in Strafverfahren überhaupt noch sinnvoll sind, ob ein Verfahren, das 100 Millionen Schilling und mehr an Sachverständigengebühren kostet, sinnvoll ist, wenn es nur um dieses und jenes geht oder zum Schluß wenig herauskommt. Ich glaube, der Staat muß


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Farbe bekennen, und wir müssen diese Verfahren durchführen, sonst geben wir uns selbst auf. Wenn vor allem der Wirtschaftsverbrecher nicht mehr damit rechnen kann, daß ... (Abg. Dr. Ofner: Fahrlässige Krida!) Das weiß man ja erst zum Schluß. Ja, das ist ein Auffangtatbestand. In aller Regel handelt es sich ja um betrügerische Krida. Also ich bin der Meinung, daß es als Auffangtatbestand unverzichtbar ist. Wir werden aber über Modifikationen nachdenken.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. Trinkl hat das Wort.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundesminister! Es geht bei der fahrlässigen Krida oft wirklich nur um die Frage, daß jemand, der in einen Strudel von Insolvenzen geraten ist, eben alles noch tut, um sich zu retten. Man hat natürlich Verständnis dafür, daß er nicht auch noch strafrechtlich verfolgt wird. Auf der anderen Seite natürlich – und das gebe ich zu – gilt es auch, die Interessen der Gläubiger zu wahren.

Sehen Sie, Herr Bundesminister, Möglichkeiten, die Interessen der Gläubiger auch dann zu schützen, wenn dieser Tatbestand tatsächlich wegfallen sollte?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Also ich möchte noch einmal sagen, die Debatte ist ja nicht abgeschlossen, sondern erst eröffnet. Wir werden, sobald die neuen Bestimmungen des Unternehmens-Insolvenzrechtes feststehen, also sozusagen unter diesem Korsett, noch einmal die Frage erörtern und vor allem dann, wenn überwiegend die Meinung vorherrscht, daß dies nicht ersatzlos gestrichen werden soll, Modifizierungen, die diese Auswüchse einfangen können, ins Auge fassen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Im Zusammenhang jetzt mit der fahrlässigen Krida sprechen auch Sie von Entkriminalisierung. Mir stellt sich die Frage, ob man nicht, wenn man das Strafgesetzbuch überarbeitet, etwas weitergehen und auch andere obsolete Paragraphen in Frage stellen sollte, also etwa im Zusammenhang mit der heute noch bestehenden Regelung der Blasphemie. Damit meine ich nicht, daß in irgendeiner Form der Schutz der Religionsausübung gefährdet werden soll. Aber es ist in meinen Augen schwer erträglich, daß etwa anerkannte Künstler Gefahr laufen, wegen ihrer Kunstwerke strafrechtlich verfolgt zu werden. Denken Sie auch in diesem Fall an Entkriminalisierungsschritte?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir werden uns in den weiterführenden Gesprächen über die Durchforstung des materiellen Strafrechtes sicher auch mit diesen Bestimmungen, aber auch mit anderen, die von Ihnen immer angesprochen werden, wie der Verletzung der Unterhaltsverpflichtung, auseinandersetzen. Es gibt solche, wo ich keinen Grund sähe, sie strafrechtlich zu entkriminalisieren. Es gibt aber auch solche, die ich zumindest aus praktischen Erwägungen durchaus beibehalten möchte, insbesondere den Tatbestand der Verletzung der Unterhaltsverpflichtung.

Rein aus meiner Praxis muß ich feststellen, daß eines der größten Segmente, wo ich Begnadigungen vorschlage, jene Täter sind, die eine Verletzung der Unterhaltungsverpflichtung begangen haben. Bei denen nützt überhaupt nichts. Wenn sie allerdings nach der zweiten, dritten, vierten Verurteilung eine Teilbedingte bekommen und jetzt die Unbedingte antreten sollen, dann ist es meist so, daß sie unter dem Damoklesschwert des Antretens doch bezahlen, wenn sie im Falle des Wohlverhaltens, sprich Bezahlens, begnadigt werden. Das halte ich im Interesse des Unterhaltsberechtigten für vorteilhaft. Würde diese Strafbestimmung wegfallen, würden die Leistungen, die dann doch erbracht werden, nie mehr erbracht werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Barmüller, bitte.


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Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller
(Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich möchte genau bei dem von Ihnen zuletzt angesprochenen Problemkreis noch einmal nachstoßen. Nach meiner Auffassung ist es so, daß gerade § 198 StGB gerichtliche Strafbarkeit der Unterhaltsverletzung, wenn sie bestehen bleibt, im Grunde genommen gerade für jene Personen ja nichts bringt, die auf die Unterhaltsleistung angewiesen sind. Jemand, der im Gefängnis sitzt, kann erst recht nichts bezahlen.

Wie sehen Sie die Problematik, da es darum geht, gerade diesen Personen so quasi ein finanzielles Auskommen zu sichern, daß eigentlich § 198 StGB dem genau zuwiderläuft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es ist richtig, aber die Praxis zeigt, daß, bis es zu einer unbedingten Freiheitsstrafe kommt, sehr viele andere weniger gravierende Verurteilungen stattfinden, weil man eben schon mit dem Androhen einer bedingten Freiheitsstrafe erreichen will, daß jemand seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommt. Bis es zu einer Teilbedingten oder Unbedingten kommt, sind in aller Regel schon mehrere Verurteilungen notwendig.

Selbst dann wird über das – ich möchte es so nennen – eingefahrene System der bedingten Begnadigung Druck auf ihn ausgeübt, einer Arbeit nachzugehen und seiner Unterhaltsverpflichtung nachzukommen. In die Lage, der Verpflichtung, eine Haftstrafe abzubüßen, nachzukommen, kommen Leute nur ganz selten und nur in ganz gravierenden Fällen.

Aber ich teile Ihre Meinung, daß das für den Unterhaltsberechtigten kontraproduktiv ist, weil aus den Arbeitsvergütungen bei Haft zwar die Unterhaltsverpflichtungen vorrangig abgedeckt werden, aber diese sind oft größer als die Arbeitsvergütungen, die dort erzielbar sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Mag. Maier, bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich möchte wieder auf die Hauptfrage zurückkommen, nämlich auf die Frage der gerichtlichen Strafbarkeit der fahrlässigen Krida.

Ich glaube, man muß auch die internationale Dimension beachten, die europäische Dimension. Daher meine Frage an Sie: Ist die gerichtliche Strafbarkeit der fahrlässigen Krida ausschließlich ein österreichisches Phänomen, oder findet sich diese Strafbestimmung oder auch eine ähnliche in den Rechtsordnungen der anderen europäischen Staaten? – Oder wiederum anders ausgedrückt: Gibt es in Europa Bestrebungen, diesbezüglich zu einheitlichen Regelungen zu kommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir sind diesbezüglich kein Alleingänger. Die europäische Entwicklung geht sicher nicht in Richtung der Erleichterung der Verfolgung oder geringerer Strafbarkeit von Wirtschaftsdelikten. Im Gegenteil: Es gibt eher die Tendenz, Wirtschaftskriminalität umfassend zu bekämpfen. Speziell bezüglich der fahrlässigen Krida kenne ich keine Aktivitäten. Aber die grundsätzliche Entwicklung in Europa geht eher in Richtung Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Damit kommen wir zum 4. Fragenkomplex, den Frau Abgeordnete Dr. Schmidt formuliert.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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Wieso wurde die Entschließung des Nationalrates vom 16. Juli 1994, in der der Bundesminister für Justiz aufgefordert wird, eine gesetzliche Grundlage für den außergerichtlichen Tatausgleich auch für Erwachsene bis spätestens 1996 zu schaffen, trotz einer umfassenden Änderung des Strafgesetzes nicht umgesetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Ich muß dazu sagen, daß es sich bei den Arbeiten für die gesetzliche Verankerung des ATAE doch ergeben hat, daß eine isolierte gesetzliche Verankerung etwa im materiellrechtlichen Bereich durch einen Ausbau des § 42 StGB eine zu kurz gegriffene und vielleicht auch gleichheitswidrige Lösung wäre, sodaß wir die diesbezüglichen Arbeiten beendet, das Vorhaben auf eine breitere Basis gestellt haben und ein generelles prozessuales Diversionsmodell anstreben, dessen Vorbereitung aber eines längeren Zeitraumes bedarf. Daher kommen wir mit diesem Vorhaben heuer nicht mehr zu Rande. Die Arbeiten sind aber schon sehr weit fortgeschritten, wir werden in Bälde einen Begutachtungsentwurf versenden. Ich glaube, daß wir im Sommer nächsten Jahres zu einer Regierungsvorlage kommen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Das ist schon beruhigend. Daher möchte ich nur noch die Frage stellen, ob dabei auch Kostenschätzungen vorgenommen wurden und ob Sie jetzt schon etwas darüber sagen können, in welcher Dimension sich diese bewegen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Umsonst ist er leider nicht. Er hat allerdings sicher eine "Umwegrentabilität", wie ich immer sage. Die Anforderungen sind auf zwei Ebenen, im Bereich des Gerichtes oder jener Institutionen, denen sich das Gericht bei den Auflagen oder der Überwachung aufgetragener, gemeinnütziger Arbeiten et cetera bedient. Das erfordert Personal bei Gericht und Kosten außerhalb der Justiz auf der einen Seite, aber auch Kosten bei der Bewährungshilfe, der durch den flächendeckenden Ausbau über ganz Österreich schrittweise zusätzliche Mittel zugeführt werden müssen. Auch aus diesem Grunde könnte ein Inkrafttreten zu Anfang nächsten Jahres gar nicht möglich sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann.

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Bundesminister! In unmittelbarem Anschluß an diese Ihre Ausführungen – Sie sagen, daß der Entwurf demnächst in Begutachtung gehen kann – stellt sich für mich die Frage, warum Sie davon ausgehen, daß die Regierungsvorlage erst im Sommer nächsten Jahres in dieses Haus kommen soll.

Zweitens: Haben Sie in Ihrem Ministerium irgendeine budgetäre oder personelle Vorsorge für den Fall getroffen, daß es im nächsten Jahr, wenn auch erst im Sommer, in der Tat flächendeckend zu diesem außergerichtlichen Tatausgleich für die Erwachsenen kommt? – Herr Präsident, danke, meine Frage war ein bisserl gemischt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Auf der einen Seite betreten wir dabei Neuland in Österreich, sodaß ich meine, daß das Begutachtungsverfahren doch einen entsprechenden Zeitraum währen soll und man sich danach mit einer Reihe von Stellungnahmen auseinandersetzen wird müssen, sodaß ich schon aus "Gesetzesmachergründen" meine, daß wir nach Einleitung des Begutachtungsverfahrens sicher einige Monate benötigen werden, um das Ergebnis einzuarbeiten.


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Zweitens müssen wir auch abschätzen können, welche finanziellen Mittel uns zur Verfügung stehen. Wir werden nächstes Jahr wieder in einem politischen Doppelpack – wenn auch nicht in einem rechtlichen – die Budgets für 1998/99 festlegen. Es wird dabei notwendig sein, die finanziellen und personellen Voraussetzungen, die für ein Einführen dieses Instituts unbedingt notwendig sind, zu schaffen. Davon wird es abhängen, ab wann es in Kraft treten kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Abgeordneter Dr. Graf. – Nein. – Nächste Zusatzfrage: Abgeordneter Murauer.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Erfahrungen mit dem außergerichtlichen Tatausgleich sind sowohl für die Jugend als auch für den Modellversuch der Erwachsenen sehr gute, zumal es sich, wie wir wissen, um einen Ersttäterbereich beziehungsweise um geringfügige Straftaten im besonderen handelt.

Wenn jetzt im Moment noch keine österreichweite gesetzliche Regelung möglich ist, möchte ich Sie doch fragen, ob eventuell ein solcher Pilotversuch für Erwachsene in Steyr in Oberösterreich und wann eingerichtet werden kann, da der außergerichtliche Tatausgleich für die Jugendlichen dort wirklich exzellent funktioniert.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Da bin ich jetzt überfragt. Ich muß mit der Bewährungshilfe sprechen, ob sie die personellen Ressourcen hat, das auch dort durchführen zu können. Ich werde Ihnen die Frage gerne beantworten, wenn ich mit ihr gesprochen habe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Petrovic.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Was werden Sie tun, um die Versuche, die in einigen Bundesländern sehr erfolgreich laufen – in Salzburg, Tirol, Wien –, jetzt rasch und auch noch vielleicht vor einer umfassenden Regelung zumindest auf dieser Versuchsebene flächendeckend auszuweiten und auch jene Bundesländer wie etwa Kärnten einzubeziehen, die sich derzeit nicht an diesen Versuchen beteiligen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Trotz aller Schwierigkeiten ist es gelungen, auch im heurigen Jahr so viele budgetäre Mittel für ATAE der Bewährungshilfe bereitzustellen, daß auch heuer eine gewisse Ausweitung möglich ist. Wenn wir die budgetären Mittel haben, schätze ich, daß wir bis Mitte 1998 auf der Bewährungshilfeseite die Kapazitäten haben könnten, die eine österreichweite Anwendung des jetzigen ATAE ermöglichen würden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. Damit haben wir die 4. Frage erledigt. Die 5. mußte zurückgezogen werden.

Wir kommen zum 6. Fragenkomplex. – Bitte, Herr Abgeordneter Maier.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage betrifft den European Kings Club.

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Warum hat die Staatsanwaltschaft Salzburg trotz der Strafbestimmungen des § 15 KMG gegen die verantwortlichen Personen des European Kings Club im Jahr 1994 kein Verfahren eingeleitet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Von der Verfolgung der einzigen im Jahr 1994 in Österreich auffälligen Repräsentantin des European Kings Club wegen Verdacht


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nach § 15 Kapitalmarktgesetz wurde in Anbetracht des damals anhängigen Verfahrens zur Auslieferung in die Schweiz gemäß 34(2) StPO abgesehen.

Nach dem Inhalt dieser Bestimmung kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung strafbarer Handlungen Abstand nehmen, wenn die im Inland zu erwartenden Strafen gegenüber jenen, auf die voraussichtlich im Ausland erkannt werden wird, nicht ins Gewicht fallen.

Wie Sie wissen, ist in der Zwischenzeit die Genannte, besser: Nichtgenannte aus der Schweiz nach Deutschland überstellt und der Prozeß in Frankfurt eröffnet worden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Die erste Anzeige der Arbeiterkammer Salzburg stammt aus dem Jahr 1993, da wurden zahlreiche verantwortliche Personen des European Kings Club angegeben. Wir kennen jetzt die Situation des Verfahrens in Deutschland. Dort wird seit 1992 wegen Verdachts auf Kapitalanlagebetrug erhoben, ebenfalls in der Schweiz.

Nun liegt mir das Schreiben der Staatsanwaltschaft von Salzburg vor, datiert vom 25. November 1994, in dem mitgeteilt wird, daß sich in Österreich derzeit ein betrügerisches Vorgehen der Verantwortlichen des EKC nicht nachweisen läßt, obwohl Frau Tamara Bertges eine Woche vorher in Klagenfurt verhaftet wurde.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um die Frage.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Meine Frage: Können Sie aufgrund dieses Umstandes und des Verhaltens der Salzburger Staatsanwaltschaft Amtshaftungsansprüche gegenüber der Republik Österreich durch geschädigte Personen ausschließen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek:
Mit dieser Frage habe ich mich bis jetzt nicht auseinandergesetzt. Als seriöser Jurist möchte ich da nichts aus dem Ärmel schütteln. Ich meine aber, daß nach den Berichten der Staatsanwaltschaft ordnungsgemäß vorgegangen wurde, und zwar nicht nur hinsichtlich der Genannten, sondern auch hinsichtlich jener Personen, gegen die in der Folge Vollanzeige erstattet wurden, die aber im wesentlichen auch vorläufig einmal zu Verfahren in Deutschland geführt haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Hat es in dieser Angelegenheit Weisungen von Ihnen oder von der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft gegeben, das Verfahren einzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Also Weisungen von mir sicher nicht, denn von mir hat es bisher so wenige Weisungen gegeben, daß ich mich daran erinnern würde. Was die Oberstaatsanwaltschaft anlangt, müßte ich mich mit dem Fall auseinandersetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Dr. Fekter.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Im Zusammenhang mit den Weisungen stelle ich die Frage: Wie stehen Sie grundsätzlich zu den Weisungen an die Staatsanwaltschaft? Können Sie sich vorstellen, daß wir die Staatsanwaltschaft unabhängiger gestalten? In welchen Fällen halten Sie das Weisungsrecht des Ministers für unentbehrlich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Grundsätzlich stehe ich zu der derzeitigen Situation. Ich halte die Möglichkeit der Weisungserteilung für unverzichtbar, jedenfalls im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Behörden, aber auch im Hinblick auf die politische Verantwortung durch den Bundesminister, wobei ich doch darauf hinweisen möchte, daß es sehr selten zu Weisungen kommt – und wenn, dann in aller Regel eine Weisung, die gegen die Oberstaatsanwaltschaft die Meinung der Staatsanwaltschaft erster Instanz wiederherstellt. Also insofern ist, so meine ich, das Ministerium oft ein Schiedsrichter zwischen den unterschiedlichen Meinungen der staatsanwaltschaftlichen Behörden darunter.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Dr. Petrovic.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Ohne Zweifel muß es Maßnahmen des Konsumentenschutzes und wohl auch des Strafrechtes geben, um kriminelle Machenschaften im Zusammenhang mit Kettenbriefen und ähnlichen Vorkommnissen zu verhindern. Doch wie soll sichergestellt werden, daß nicht die – unter Anführungszeichen – "kleinen Beteiligten", die sich hier vielleicht eine Gewinnchance erhoffen, möglicherweise kriminalisiert werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich glaube, es ist gelungen, in der in das gestern beschlossene Strafrechtsänderungsgesetz im Zuge der Ausschußberatungen aufgenommenen Strafbestimmung des neuen § 168a über Ketten- oder Pyramidenspiele diesen Weg in dem von Ihnen aufgezeigten Sinne zu gehen. Wir wollen mit dieser Bestimmung das Problem an sich erfassen, insbesondere unabhängig von der Bezeichnung dieser Spiele, oder wie immer es organisiert ist.

Es kommt uns entscheidend darauf an, ob ein Spiel vorliegt, bei dem Gewinn oder Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt. Wir wollen alle auf dem Schneeballsystem beruhenden Einsatz- und Gewinnerwartungssysteme mit dem Erfordernis einer progressiven Beteiligung weiterer Teilnehmer erfassen, nicht aber den kleinen Mitspielenden, der selbst zum Opfer des Spieles geworden ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Abgeordneter Mag. Barmüller.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Wie groß ist jetzt eigentlich die tatsächliche Zahl von solchen Pyramidenspielen? Ist das etwas, was sich schon so ausgewachsen hat, oder ist es nur so gewesen, daß es einzelne gegeben hat, die so quasi aufgetaucht sind, und daß man hier vorbeugend reagiert hat, oder ist das bereits zu einem flächendeckenden Problem geworden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es hat immer wieder derartige Spiele gegeben, nicht nur dieses eine große, es hat auch immer wieder Verfahren gegeben. Wir haben Erhebungen gemacht, und in aller Regel wurden für das großangelegte Ingangsetzen und Vorantreiben derartiger Spiele Verfolgungen nach § 146 ff., also nach schwerem und gewerbsmäßigem Betrug, durchgeführt und auch Menschen verhaftet.

Wir haben auch dann, nachdem der Oberste Gerichtshof kürzlich seine bekannte Entscheidung getroffen hat, wonach es sich bei solchen Spielen um Glücksspiele handelt, die Oberstaatsanwaltschaften angewiesen, diese Verfahren zu untersuchen und eventuell weitere Anklagen vorzunehmen. Also ich meine, es ist das doch nicht nur eine Einzelerscheinung gewesen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Ich schlage vor, daß wir noch mit kurzen Fragen und kurzen Antworten die Frage des Kollegen Schwimmer absolvieren. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer
(ÖVP): Danke, Herr Präsident. – Herr Bundesminister! Ich möchte Sie fragen:

58/M

Wie soll die Entschließung des Nationalrates über die Harmonisierung der steuer- und wohnrechtlichen Bestimmungen über die Mietzinsreserve verwirklicht werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die Harmonisierung kann entweder durch eine Änderung des Steuerrechts oder durch eine Änderung des Mietrechts erfolgen. Jede mietrechtliche Lösung hätte den Erfolg, daß letztlich die Steuer im Wege der § 18-Verfahren von den Mietern getragen werden müßte. Ich plädiere daher für eine steuerrechtliche Lösung, über die aber erst gesprochen werden muß.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Bundesminister! Sehen Sie Chancen, beim Bundesminister für Finanzen eine steuerrechtliche Lösung durchzusetzen, die auch im Sinne Ihrer Antwort dafür sorgt, daß die Mietzinsreserve, die dann für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten zu verwenden ist, nicht beschränkt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich habe in diesem Zusammenhang eine Korrespondenz geführt, und es haben auf Beamtenebene Gespräche stattgefunden. Die Sache ist noch nicht geklärt, muß aber meines Erachtens in allernächster Zeit zu einer Entscheidung kommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundesminister! Die Grünen haben seinerzeit vehement vor einer gesetzlichen Ausweitung befristeter Mietverhältnisse gewarnt. Jetzt brennt quasi der Hut.

Was werden Sie tun, um zu verhindern, damit jene Menschen, deren dreijährig befristete Mietverträge auslaufen, nicht aus ihren Wohnungen vertrieben werden? Wird es hier Gesetzesinitiativen geben, beziehungsweise – wenn diese nicht schnell genug kommen – was werden Sie tun, um Delogierungen und Obdachlosigkeit zu verhindern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Ich gehe an die Lösung des Problems ausschließlich zukunftsgewandt heran. Für mich ist das Vorhandensein der dreijährig befristeten Mietverhältnisse auch in der Zukunft quasi eine axiomatische Voraussetzung. Mein Blick gilt daher jenen, die darunter leiden – und das sind in erster Linie die Mieter, die nach Ablauf dieser Frist in aller Regel das Mietobjekt verlassen werden müssen, da derzeit der Vermieter wohl kaum einer Verlängerung zustimmt, weil dies bekanntermaßen nur auf unbefristete Zeit möglich wäre.

Ich habe bisher auf politischer Ebene vorgeschlagen, nicht nur eine Verlängerungsmöglichkeit für die derzeit bestehenden befristeten Mietverhältnisse ins Auge zu fassen, sondern wenn man schon befristete Mietverhältnisse hat, dann sollte im Interesse der Mieter eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die diese auf eine möglichst lange Zeit ermöglicht. Denn je länger die Möglichkeit der Befristung ist und die dann abgeschlossenen längeren Mietverträge dauern, desto stärker ist die Position des Mieters.


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Unsere Überlegung geht in die Richtung, einen längeren Zeitraum, etwa zehn Jahre, in Analogie der mietrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Eigentumswohnungen zu ermöglichen, innerhalb derer aber auch kürzere Zeiten vereinbart werden können, wobei die Mindestdauer der ursprünglichen oder verlängerten Dauer drei Jahre ist: unter Aufrechterhaltung der Kündigungsmöglichkeiten des Mieters nach jeweils einem Jahr und einem Anreizsystem für den Vermieter, unbefristete Mietverhältnisse gar nicht mehr vorzunehmen, weil die befristeten gewisse Malus-Regelungen haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Da ich nicht die Auffassung der Abgeordneten Petrovic teile, daß es zu einer Ausweitung der Möglichkeiten bei den befristeten Mietverträgen gekommen ist, sondern zu einer eklatanten Einschränkung, und ich jetzt aus Ihrer Worten heraushöre, daß Sie eine Flexibilisierung in diesem Bereich haben wollen, frage ich Sie, ob es auch für den gesamten Bereich des Wohnungsmarktes einheitliche Regelungen für die Befristungen geben soll.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die befristeten Mietverträge sind – ich spreche jetzt vom mietrechtlichen Bereich – im gesamten dem Mietrecht unterliegenden Bereich auf drei Jahre möglich. Im gesamten Bereich, in dem sie jetzt möglich sind, sollen sie in einer geänderten, flexibilisierten Form künftig auch möglich sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Bures, bitte.

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Bundesminister! Es freut mich, daß es, was eine Besteuerung der Hauptmietzinsreserve betrifft, nicht geplant ist, Änderungen im Mietrecht vorzunehmen.

Meine Frage: Ist es im Hinblick auf alle Änderungen bei den Regelungen zu befristeten Mietverträgen auch Ihr Ziel, daß der unbefristete Mietvertrag der Regelvertrag sein muß?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir werden danach trachten, in dieses Modell Anreize für den Vermieter aufzunehmen, die nicht von vornherein für ihn ein unbefristetes Mietverhältnis als das für ihn ausgesprochen ungünstigere werden läßt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Mag. Firlinger, bitte.

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sind Ihre Ausführungen, die Sie als Antwort auf die Frage der Frau Kollegin Petrovic gegeben haben, so zu verstehen, daß Sie sich vollinhaltlich dem freiheitlichen Vorschlag vom Mai 1996 anschließen, in dem es heißt: Wir empfehlen eine Verlängerung der seit dem 1. März 1994 nach dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz abgeschlossenen Dreijahresmietverträge in beiderseitigem Einvernehmen auf weitere sieben Jahre, und zweitens soll der Abschluß von auf zehn Jahre befristeten neuen Mietverträge ab dem 1. Jänner 1997 ermöglicht werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: In etwa diese Richtung gehen auch die Überlegungen, die wir in unserem Hause angestellt haben und die wir in dem Vorhabensprogramm des Justizministeriums, das wir im April der Öffentlichkeit vorgestellt haben, ausgeführt haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Damit ist die heutige Fragestunde beendet. Die morgige Fragestunde wird sich mit anderen Themen befassen.


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Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortung: 1279/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1996 geändert wird (BFG-Novelle 1996) (459 der Beilagen),

2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996 – 2. BÜG 1996 (460 der Beilagen),

Abgabenänderungsgesetz 1996 (497 der Beilagen),

EU-Abgabenänderungsgesetz (498 der Beilagen),

Staatsdruckereigesetz 1996 (502 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (461 der Beilagen);

Bautenausschuß:

Bundesstraßengesetznovelle 1996 (424 der Beilagen);

Familienausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (462 der Beilagen);

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 erlassen und das Unterbringungsgesetz, das Strafgesetzbuch sowie das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (457 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 und das Wehrgesetz 1990 geändert werden sowie die ZDG-Novelle 1994 aufgehoben wird (ZDG-Novelle 1996) (458 der Beilagen);

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (Wasserrechtsgesetznovelle Deponien) (400 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Errichtung der landwirtschaftlichen Bundesversuchswirtschaften Gesellschaft m. b. H. (425 der Beilagen),


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Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesforste und Errichtung einer Aktiengesellschaft zur Fortführung des Betriebes "Österreichische Bundesforste" (Bundesforstegesetz
 1996), über Änderungen des Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetzes und des Bundesfinanzierungsgesetzes 1997 sowie Bundesgesetz, mit dem eine Überschreitung eines Ausgabenansatzes der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 1996 bewilligt wird (Budgetüberschreitungsgesetz 1996 – BÜG 1996) (428 der Beilagen);

Verfassungsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen geändert wird (472 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz geändert wird (499 der Beilagen),

Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz (500 der Beilagen);

Verkehrsausschuß:

Antrag 325/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Vorlage eines Nahverkehrsfinanzierungsgesetzes;

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG 1993) geändert wird (399 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß der Klub Liberales Forum heute gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt hat, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1523/J der Abgeordneten Mag. Barmüller, Dr. Kier und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Reform des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird der Aufruf der Dringlichen Anfrage für 15 Uhr festgesetzt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich schlage vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 7, 15 bis 17 sowie 19 und 20 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden so vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Demgemäß wurde für alle Debatten dieses Tages eine Blockredezeit von insgesamt 10 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 150, ÖVP 140, Freiheitliche 130, Liberales Forum und Grüne je 90 Minuten. Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.


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Gibt es Einwendungen gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

1. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (416 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (442 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (417 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (443 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (418 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (444 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (419 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (445 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (420 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird (446 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (421 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (447 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (422 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (448 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 7 der Tagesordnung, Berichte des Unterrichtsausschusses, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung von seiten eines der Berichterstatter liegt nicht vor. Damit können wir die Berichterstattung überspringen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Die freiwillige Redezeitbeschränkung wurde mir mit 10 Minuten bekanntgegeben. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.09

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Selten noch hat im Schulbereich ein Gesetzesvorhaben so viele Pro und Kontras heraufbeschworen,


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wie die in der Regierungsvorlage vorgesehene Integration geistig Behinderter in die Schule der 10- bis 14jährigen. Alle möglichen Bedenken sind an mich herangetragen worden, aber ich bin davon überzeugt auch an Sie, wie beispielsweise, daß die Behinderten unter die Räder kommen werden, das Niveau sinkt, es sich nur um einen Modetrend handelt, mit dieser Integration die Gesamtschule eingeführt werden soll, es nur um eine scheinbare Gleichbehandlung geht und vieles andere mehr. Ich glaube, man darf es den Leuten nicht übelnehmen, wenn sie der Integration geistig Behinderter skeptisch gegenüberstehen. Ich glaube auch, daß wir akzeptieren müssen, daß es Vorurteile, daß es Bedenken, Ängste und Ablehnung gibt, denn immerhin betreten wir Neuland, wenn wir eine solche Integration festschreiben. Meiner Meinung nach ist es auch sehr schwer, den richtigen Weg zu einer sinnvollen und guten Integration zu finden, und ich gebe auch selbst zu, daß ich eine Suchende bin, daß ich auch nicht weiß, was jetzt der richtige Weg für die Behinderten und auch für die Nichtbehinderten ist.

Gerade deshalb bekenne ich mich dazu, auch zu den Suchenden zu gehören, weil ich sehr viel mit Behinderten zu tun habe: mit leicht Behinderten, mit schwer Behinderten, mit schwerst Behinderten, mit Retardierten. Da wird einem das Ausmaß, welche Probleme mit einer vollen Integration verbunden sind, natürlich ganz besonders klar.

Ich bin aber – dazu bekenne ich mich auch – auf der Suche nach dem richtigen Weg, besser gesagt: auf der Suche nach dem besten Weg, doch zu der Überzeugung gelangt, daß die völlige Integration von geistig Behinderten der richtige oder der bessere Weg ist, denn es geht darum, daß man den Behinderten auch die Möglichkeiten eröffnet, eine Gemeinschaft mit Nichtbehinderten zu bilden und daß man Vorurteile abbaut.

Die Kritiker glauben, der geistig Behinderte lebt am besten abgeschlossen nur unter Seinesgleichen, denn was rund um ihn vorgeht, nimmt er überhaupt nicht wahr, aber das stimmt gar nicht. Selbstverständlich baut der Behinderte, auch der geistig Behinderte eine Beziehung zu seiner Umgebung auf, er hat eine Sensibilität, und er nimmt in einem sehr großen Umfang wahr, was alles in seiner Umgebung geschieht. Und gerade Kinder brauchen das Beispiel von Nichtbehinderten.

Sie wollen teilnehmen an den Themen, die sie besprechen, nehmen die Sprache wahr, die Bewegung, wollen Zuneigung und auch Fürsorge, und sie wollen auch das Gefühl haben, dazuzugehören. Ich glaube, das muß man einmal klarmachen, daß es diese Gefühle, daß es diese Sensibilität bei geistig Behinderten gibt, daß das nicht Menschen sind, die sich am allerwohlsten fühlen, wenn sie wieder nur unter geistig Behinderten sind.

Ich bin überzeugt davon, daß jene Behinderten, die in einer integrativen Klassengemeinschaft aufwachsen, ungeheuer viel profitieren von der Begegnung, von der selbstverständlichen Begegnung mit Nichtbehinderten.

Sie werden wahrscheinlich auch sehr viele Briefe bekommen haben, ich auch. Ich habe einen Brief von jemandem bekommen, der für die Beibehaltung der Sondereinrichtungen ist und ein positives Beispiel für eine Erziehung in dieser Sondereinrichtung bringt. Man schreibt mir – ich zitiere –:

Ein uns bekanntes Ehepaar sollte seine mongoloide Tochter nach bestem Können für das Leben fitmachen. Man riet ihnen, ihr im frühen Kindesalter Fertigkeiten zu vermitteln, die sie im täglichen Leben brauchen würde: So lernte die kleine Felicitas, ihren Raum in Ordnung zu bringen und in beschränktem Umfang kleine Mahlzeiten zuzubereiten. Sie war sehr stolz auf diese Eigenleistungen. Jetzt, nach dem Tod der Eltern, kann sie im Haushalt von Verwandten kleine nützliche Arbeiten verrichten und ist froh darüber. – Zitatende.

Vielleicht wäre die kleine Felicitas bei entsprechender aufgeschlossener Erziehung in der Lage, nicht nur kleine nützliche Arbeiten zu verrichten, damit sich die anderen darüber freuen können, daß sie so brav etwas machen kann, sondern bei einer entsprechenden Erziehung – dazu gehört die integrative Erziehung – wäre wahrscheinlich die kleine Felicitas in der Lage, Interessen zu entwickeln, die für sie selbst wichtig sind. Sie wäre in der Lage, Möglichkeiten zu finden, die ihrer Entfaltung einen größeren Raum geben, und sie wäre wahrscheinlich in der


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Lage, ein lebenswerteres Leben zu leben, als nur kleine nützliche Arbeiten für andere zu verrichten. Es spricht nichts dagegen – ganz im Gegenteil: es ist das sogar zu befürworten –, daß Behinderte, egal, ob körperlich oder geistig behinderte, auch auf ihre persönliche Vorsorge, wie anziehen, Klo gehen und so weiter vorbereitet werden, denn das ist ja oft notwendig, weil sie es nicht so selbstverständlich lernen wie Nichtbehinderte.

Ich komme jetzt auf die Nichtbehinderten zu sprechen. Es wird immer wieder die Angst geäußert, das schulische Niveau würde darunter leiden, wenn sie mit Behinderten zusammen sind. Ich glaube nicht, daß das Niveau leidet. Erstens einmal gehen wir davon aus, daß es zwei Lehrer in einer integrativen Klasse gibt, ich glaube aber, daß nichtbehinderte Kinder dadurch wesentlich mehr lernen, sie lernen nämlich auch soziales Verhalten. Sie gewinnen soziale Erfahrung, sie lernen, wie man sich sozial verhält – und das in einem Ausmaß, das sonst nicht der Fall ist. Gerade in einer Zeit, in der die Familien oft nicht mehr in der Lage sind, dieses soziale Lernen zu vermitteln, weil die Familien selbst zerrüttet sind, ist es ungeheuer wichtig, daß Nichtbehinderte, selbstverständlich Behinderte auch, dieses soziale Verhalten dazulernen. Die Nichtbehinderten lernen, Rücksicht zu nehmen auf das Verhalten von Menschen, die sich anders verhalten als der Großteil der Menschen, sie lernen Verständnis zu haben für diejenigen, die sich schlechter bewegen, die sich schlechter ausdrücken können oder was es da immer noch gibt, jedenfalls für solche, denen es nicht so leicht fällt, sich im Leben zu behaupten.

Ich glaube, das ist gut so, daß Nichtbehinderte diesem Lernprozeß in einer integrativen Klasse ausgesetzt sind, denn in dieser Zeit, in der das Materielle einen solch großen Stellenwert hat, in der man glaubt, am besten mit Ellbogentechnik durchzukommen, in der man glaubt, sich durchboxen zu müssen, ist es notwendig, auch die andere Seite zu sehen, jene Seite zu sehen, wo Menschen sind, denen es bedeutend schwerer fällt, ihre Aufgaben zu erfüllen – und zu wissen, daß es auch diese Seiten gibt.

Ich glaube, daß es bei den Nichtbehinderten und auch bei den Behinderten ein gegenseitiges Verstehen für die andere Position geben wird. Ich glaube allerdings, daß mit diesem Projekt, das in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, nicht das Ziel einer guten Integration erreicht werden kann, und deshalb bin ich trotz der grundsätzlichen Bejahung dagegen. In der Regierungsvorlage gehen Sie davon aus, daß 20 Nichtbehinderte und fünf Behinderte in einer Klasse sitzen sollen. Mit 25 Kindern kann aber jedes Projekt nur scheitern.

Ich teile die Ansicht mit anderen Verbänden und Experten, die meinen, daß es zur Wiederbelebung der "Eselsbank" kommen wird, wenn diese Regierungsvorlage Wirklichkeit wird. Weitere Voraussetzungen für eine positive Integration sind aber auch entsprechende Lehrer, ein gut ausgebildeter Lehrer – und daran mangelt es –, und eine entsprechend niedrige Klassenschülerzahl.

Wir haben einen Antrag eingebracht, den ich jetzt zur Verlesung bringen werde. Acht nichtbehinderte und vier behinderte Kinder sollen in einer Klasse sein. Das, so glauben wir, ist Voraussetzung für eine sinnvolle Integration. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Krüger, Mag. Dr. Grollitsch, Rossmann, Dr. Partik-Pablé, Mag. Haupt und Kollegen zur Regierungsvorlage 416 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Z 14 wird wie folgt geändert:

(Grundsatzbestimmung): § 20 Abs. 1 lautet:


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"(1) Der Unterricht in den Hauptschulklassen ist durch Fachlehrer zu erteilen. Für den Unterricht von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind entsprechend sonderpädagogisch ausgebildete Lehrer zusätzlich einzusetzen."

2. Z 15 wird wie folgt geändert:

(Grundsatzbestimmung): § 21 erster Satz lautet:

"§ 21. Die Klassenschülerzahl an der Hauptschule darf 30 nicht übersteigen und soll 16 nicht unterschreiten;"

3. Z 36 wird wie folgt geändert:

§ 42 Abs. 1 lautet:

"(1) der Unterricht in den Klassen der allgemeinbildenden höheren Schulen ist durch Fachlehrer zu erteilen. Für den Unterricht von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind entsprechend sonderpädagogisch ausgebildete Lehrer zusätzlich einzusetzen."

4. Z 37 wird wie folgt geändert:

§ 43 Abs. 1 erster Satz lautet:

"(1a) Sofern in Klassen der allgemeinbildenden höheren Schulen ein integrativer Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgt, soll die Anzahl von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Zahl 4 nicht überschreiten."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, unserem Abänderungsantrag Rechnung tragen und sich nicht damit zu begnügen, die Integration so zu sehen, daß nur die Behinderten in einen riesigen Klassenverband hineingesetzt werden – und entsprechend ausgebildete Lehrer fehlen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Höchtl. – Bitte.

10.20

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln mit diesem umfangreichen Schulreformpaket heute Inhalte der Bildungspolitik, die nur sehr selten in dieser Dimension den Gegenstand parlamentarischer Beratungen bilden. Das gesamte Paket, das wir in diesen vergangenen Wochen sehr intensiv diskutiert haben, ist mit jenen größeren Reformschüben vergleichbar, die im Jahre 1962 und im Jahre 1982 diskutiert und beschlossen worden sind.

Wenn wir uns den Umfang dieser einzelnen Punkte vor Augen führen, müssen wir sehen, daß seitens der Frau Bundesministerin für Unterricht, seitens des Ausschusses, seitens aller, die daran mitgewirkt haben, versucht worden ist, nicht nur kleine Retuschen zu machen, sondern Reformen einzuleiten, die wesentliche Auswirkungen auf die Bildungspolitik der kommenden Jahre haben werden. Dies geschah in der Überzeugung, daß gerade die Bildungspolitik jenes Fundament zu legen hat, damit wir als österreichische Nation den Kindern das Beste mitgeben, was wir geben können, nämlich die Fähigkeit, auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Das ist die Überzeugung, das ist der Grund, das ist die Motivation, warum dieser große Reformschub von den einzelnen Parteien gemeinsam getragen wird. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich möchte diese Dimension nur stichwortartig beleuchten. Es handelt sich erstens um die Frage der bildungsmäßigen Betreuung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Es ist dies ein äußerst sensibler Bereich – meine Vorrednerin ist darauf eingegangen –, der aber wirklich mit vielen einzelnen unterschiedlichen Möglichkeiten geregelt wird.

Es handelt sich zweitens um die Reform der Polytechnischen Schule in Richtung stärkerer Berufsvorbereitung.

Es handelt sich drittens um eine neue Aufnahmeregelung an berufsbildende höhere und mittlere Schulen, wofür sinnvolle neue Regelungen geschaffen werden.

Es handelt sich viertens um die Schaffung eines Frühwarnsystems zur weitgehenden Vermeidung von Schulversagen – ein Anliegen, das uns allen als Bildungspolitikern jeweils vermittelt wird und das, glaube ich, mit diesem System eines Frühwarnens sinnvoll begleitet und geregelt wird.

Es handelt sich fünftens um einen Ausbau der Schuldemokratie. Stichwort: Mitgestaltung durch Hauptschulsprecher beziehungsweise Unterstufensprecher in den allgemeinbildenden höheren Schulen.

Sechstens wird eine Internationalisierung dadurch erreicht, daß eine Erleichterung der Anrechnung von Auslandsschulbesuchen fixiert wird.

Es ist siebtens eine stärkere Autonomie, Dezentralisierung und Deregulierung enthalten.

Und letzten Endes – achtens – kommt es zu einer Lockerung des Werbeverbots, womit auch den Schulen im autonomen Bereich die Möglichkeit eingeräumt wird, in einer Kooperation mit der Wirtschaft zusätzlich Mittel für eine Ausgestaltung im schulischen Bereich, im Unterrichtsbereich zu erlangen.

Ich glaube, wenn wir all diese Punkte zusammenfassen und als Paket sehen, merken wir, daß das wirklich ein Paket ist, auf das wir alle stolz sein können und das tatsächlich einen Reformschub in der österreichischen Bildungslandschaft, in der österreichischen Schullandschaft bewirkt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Antoni. )

Zur Frage der Betreuung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf möchte ich hier kurz etwas ausführen: Wir haben uns von der Idee einer Zielkombination leiten lassen, die einerseits vorsieht, die Leistungsorientierung unseres differenzierten Schulsystems selbstverständlich aufrechtzuerhalten und zu verstärken, andererseits aber dem Prinzip der Menschlichkeit, der Mitmenschlichkeit, dem gemeinsamen sozialen Lernen, dem Integrieren von Nichtbehinderten und Behinderten in einem gemeinsamen Agieren, in einem gemeinsamen Lernen verpflichtet ist.

Ich glaube, diese Zielkombination – Leistungsorientierung einerseits und Mitmenschlichkeit andererseits – ist in diesem Vorschlag gelungen. Wir werden sehen, wie sich das in den kommenden Jahren entwickelt. Aber wenn man europaweit einen Vergleich zieht, kann man meiner Meinung nach sagen, daß dies zweifellos einen Meilenstein der sozialen Integration im Bildungsbereich darstellt und auch ein Kennzeichen der Menschlichkeit des Denkens in der Bildungspolitik ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der gesamten Frage der Betreuung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben wir – das möchte ich nach den vielen intensiven Diskussionen der letzten Wochen hier nochmals betonen – dem Prinzip der Vielfalt und nicht der einen Lösung den Vorrang gegeben haben. Wir haben verschiedenste Möglichkeiten, und ich möchte diese hier aufzählen: Wir haben einerseits die bewährte Sonderschule, wir haben andererseits die sonderpädagogischen Zentren, wir haben drittens die Förderklassen, wir haben die Stützlehrer, wir haben Kooperationsmodelle, und wir haben Integrationsklassen.


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Allein diese Vielfalt zeigt, daß jedes Kind beziehungsweise dessen Eltern nach der Beratung die besten Möglichkeiten aus dieser Vielfalt angeboten bekommen sollen. Es ist nicht so, daß jedes Kind die gleiche Lösung erhalten soll, sondern die für das jeweilige Kind beste Lösung wollen wir. Ich glaube, das ist auch ein individueller Zugang zur Lösung von Problemen, zu dem wir von uns aus ein volles und überzeugtes Ja sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es hat große Diskussionen darüber gegeben, ob wir einem geistig behinderten Kind das oder jenes an Zielen zumuten können. Da hat es schon deshalb Diskussionen gegeben, weil körperlich und geistig Behinderte verwechselt worden sind. Ich möchte hier klar zum Ausdruck bringen: Die körperliche Behinderung war in den letzten Jahren überhaupt kein Problem, denn das österreichische Schulsystem hat die körperlich Behinderten Gott sei Dank schon in den vergangenen Jahren gut integriert. Die Frage war jetzt, in welcher Form wir die Fortsetzung der Integration geistig Behinderter, die in den ersten vier Jahren, also in der Volksschule, ja bereits Wirklichkeit geworden ist, dann in den weiteren Schulstufen fünf bis acht durchführen.

Wir haben eindeutig festgelegt, daß das Ziel der Integrierung auch geistig behinderter Kinder in die fünfte bis achte Schulstufe der Hauptschule oder der AHS selbstverständlich nicht die Erreichung beispielsweise der AHS-Bildungsziele sein kann, sondern Ziel ist es selbstverständlich, die Sonderschule beziehungsweise den Stoff der Sonderschule positiv zu bewältigen. Dies soll aber in Form einer sozialen Lernsituation mit anderen nichtbehinderten Kindern gemeinsam geschehen, wobei vielleicht darüber hinaus das eine oder andere Ziel, das angeboten wird, in manchen Gegenständen erreicht werden kann.

Das heißt, es kann natürlich nicht so sein, daß wir sagen, okay, wenn wir integrieren, wenn wir geistig Behinderte integrieren, so soll damit die AHS oder die Hauptschule positiv bewältigt werden, aber das Angebot wird gemacht, daß diejenigen, die nicht behindert sind, den Umgang mit geistig Behinderten zeitgerecht lernen, womit auch das menschliche Verständnis des Miteinander gefördert wird, gleichzeitig wird aber auch die Chance wahrgenommen – das möchte ich durchaus so sehen –, den geistig Behinderten größere Entfaltungsmöglichkeiten, größere Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, als das bisher der Fall war.

Das heißt, es ist das eine Herausforderung für Lehrer und Eltern – und es ist eine Bereicherung für die Kinder. Es ist eine Herausforderung in der Bildungspolitik, die wir gemeinsam zu bewältigen haben werden, wofür sehr viel an Lehrerfortbildung notwendig sein wird und wo es zweifellos so ist – gerade im Ausschuß haben wir diese Feststellung getroffen –, daß natürlich nur im Ausnahmefall Lehrer ohne diese sonderpädagogische Ausbildung in diesen Unterricht integriert werden können, die Regel aber zweifellos sein muß, daß grundsätzlich nur für diesen besonderen Zweck ausgebildete Lehrer eingesetzt werden. Ich glaube, das ist ganz wichtig, weil das Prinzip der Freiwilligkeit seitens des einzelnen Lehrers festgelegt wird. Dazu stehen wir, das wollen wir weiterentwickeln, und das soll auch als Sicherheit allen sehr engagierten Lehrern gegenüber heute betont sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Frage der Kinder mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf anlangt, haben wir zweifellos noch etwas zu sehen: Wenn wir es – wie es manche tun – rein vom Volkswirtschaftlichen her betrachten würden und nicht nur vom Menschlichen, das im Vordergrund steht, so haben wir einen Aspekt in die Überlegung einzubeziehen: Was kostet Nachschulung, was kostet Betreuung geistig behinderter Kinder, die nicht gelernt haben, mit ihrer Behinderung selbständig zu leben? – Das kostet Unsummen!

Wenn es gelingt, nur einen kleinen Teil dieser geistig behinderten Kinder in diesem gemeinsamen Unterricht besser auf das spätere Leben vorzubereiten, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet das, daß weitaus höhere Kosten, als sie sonst entstünden, durch diese andere Möglichkeit reduziert werden. Auch diesen Aspekt sollen wir in sehr sensiblen Diskussionen durchaus verwenden können. Es ist ein menschlicher Aspekt, es ist durchaus auch ein volkswirtschaftlicher Aspekt, aber das Individuum, das einzelne Kind steht für uns im Vordergrund. Die Politik hat den Menschen zu dienen – auch jenen, die nicht von vornherein die guten Gaben, die Möglichkeiten der Begabung mitbekommen haben.


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Ich glaube, dies ist eine Verpflichtung einer menschlich orientierten Politik, einer menschlich orientierten Vorgangsweise in der Bildungspolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soweit zur Frage des großen Ansatzes dieser Integration geistig Behinderter in die fünfte bis achte Schulstufe.

Ich glaube, es ist durchaus noch als sehr wichtig zu betonen, daß wir mit diesem Schulreformpaket die Autonomie weiter geregelt, die Deregulierung weitergeführt haben. Wir bekennen uns zur weitgehenden Aufhebung des Werbeverbots. Es darf künftig für vieles geworben werden, nicht aber für Drogen, nicht für Sekten, nicht für Alkohol, nicht für Nikotin. Auch dazu ist eine grundsätzliche Feststellung im Ausschuß getroffen worden, die sich nun im Gesetz wiederfindet. Aber ansonsten soll der einzelnen Schule die Möglichkeit eingeräumt werden, mehr Mittel für die Erreichung des schulischen Zwecks zu erlangen. (Abg. Mag. Schweitzer: Auch für politische Parteien!) Herr Kollege Schweitzer, wenn es eine umfassende politische Information darstellt, ist es, glaube ich, durchaus sinnvoll. (Abg. Mag. Schweitzer: Das passiert aber nicht!)

Mitgestaltung für den einzelnen jungen Menschen durch den Hauptschulsprecher, durch den Sprecher für die AHS-Unterstufe – ich habe es erwähnt – und eine Vielfalt statt eines Eintopfs, das ist die Regel, die sich durch das ganze Schulreformpaket zieht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die Beratungen im Ausschuß und mit den einzelnen betroffenen Gruppen vieles an Schwierigkeiten in dieser letzten Phase der Diskussion beseitigt haben, und wir können durchaus sagen, daß Schulpolitik auch ein Prozeß, auch eine Entwicklung ist. Wir sind an jedweden Verbesserungen interessiert, und es ist damit sicherlich nicht das Ende erreicht, aber wir haben einen großen Schub nach vorne gemacht, zu dem wir sehr, sehr gerne ein Ja sagen, wobei ich mich als Obmann des Unterrichtsausschusses bei allen, die einen positiven Beitrag dazu geleistet haben – das gilt für alle Parteien –, herzlich bedanken möchte. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. Sie hat das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

10.35

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen zur Integration, diesem offensichtlichen Herzstück der vorliegenden Gesetzentwürfe, heute gerne mit zwei, wie ich glaube, unterschiedlichen Zitaten beginnen, und zwar zunächst mit einem Zitat aus der sogenannten Salamanca-Erklärung, einer Erklärung der UNESCO-Weltkonferenz im Zusammenhang mit Pädagogik für besondere Bedürfnisse aus dem Jahre 1994. Dort heißt es:

"Wir glauben und erklären, daß jedes Kind ein grundsätzliches Recht auf Bildung hat und daß ihm die Möglichkeit gegeben werden muß, ein akzeptables Lernniveau zu erreichen und zu erhalten."

Unter anderem steht in dieser Erklärung auch: "Wir glauben und erklären, daß jene mit besonderen Bedürfnissen Zugang zu regulären Schulen haben müssen, die sie mit einer kindzentrierten Pädagogik, die ihren Bedürfnissen gerecht werden kann, aufnehmen sollen." Weiters: "Wir glauben und erklären, daß Regelschulen mit dieser integrativen Orientierung das beste Mittel sind, um diskriminierende Haltungen zu bekämpfen, um Gemeinschaften zu schaffen, die alle willkommen heißen, um eine integrierende Gesellschaft aufzubauen und um Bildung für alle zu erreichen." (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

"Darüber hinaus gewährleisten integrative Schulen eine effektive Bildung für den Großteil aller Kinder und erhöhen die Effizienz sowie schließlich das Kosten-Nutzen-Verhältnis des gesamten Schulsystems."


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Und dann gibt es hier noch ein anderes Zitat. Es stammt aus dem gleichen Jahr. Es stammt aus der "Erfolgsbilanz 1994" des ÖVP-Parlamentsklubs zur XVIII. Legislaturperiode – ich zitiere –: "Der ÖVP-Erfolg: keine Integration geistig behinderter Kinder in die AHS, sinnvolle Integration geistig behinderter Kinder in die Volks- und Sonderschule."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Vergleich dieser beiden Zitate zeigt ganz deutlich, welcher Unterschied in der Weltanschauung zwischen den Verfassern dieser jeweiligen Aussage besteht. Die Salamanca-Erklärung, ein Beleg für Demokratie und Humanität – der sogenannte ÖVP-Erfolg, ein borniertes und selbstgerechtes Sich-auf-die-Schultern-Klopfen für eine schlimme Ausgrenzungsmentalität. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Ich muß mich ja eigentlich nur an das gestrige Stimmverhalten der ÖVP zur Aufrechterhaltung der diskriminierenden und beschämenden Homosexuellen-Paragraphen erinnern, um zu erkennen, daß diese Ausgrenzungsmentalität in den Reihen der ÖVP noch keineswegs überwunden ist. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Also bitte, Frau Kollegin Schaffenrath!)

Nun stimmt es zwar, daß sich die ÖVP seit dieser – wie ich glaube – schaurigen "Erfolgsmeldung" tatsächlich einen Schritt bewegt hat, und mit diesen vorliegenden Gesetzentwürfen gibt es zumindest ein grundsätzliches Bekenntnis zur Integration in den Sekundarbereich I. Man könnte also sagen: Die ÖVP bewegt sich doch. Aber wir müssen der Unterrichtsministerin zumindest in dieser Hinsicht – und eigentlich nur in dieser Hinsicht – unsere Anerkennung aussprechen, denn es ist sicherlich nur ihrem innerparteilichen Engagement zu verdanken, daß überhaupt Bewegung in diese Situation gekommen ist. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Fuchs. )

Die vorliegenden Gesetzentwürfe müssen wir dennoch scharf kritisieren. Es wird zwar auf formaler Ebene die Umsetzung von Integration angestrebt, aber in ihrem Geist und in ihrer Substanz merkt man hier etwas ganz deutlich:

Es geht gar nicht darum, den Ansprüchen und Bedürfnissen behinderter Kinder gerecht zu werden, und es geht gar nicht darum, ihnen die besten Voraussetzungen und Bedingungen für ein Gelingen dieser Integration auf ihren ohnehin schon sehr mühsamen Weg mitzugeben. Nein: Diese Gesetze sind ein bedauerlicher Kompromiß zwischen dem Anschein von Menschlichkeit, den Interessen des Finanzministers nach einer möglichst billigen Variante und dem brutalen Durchsetzungsvermögen bei gewerkschaftlichen Interessensvertretungen, so nach dem Motto: kein Handgriff eines Lehrers ohne besondere Bezahlung.

Meine Damen und Herren! Diese Gesetze sind für uns Liberale geprägt vom Geist der Ausgrenzung. Wir wollen das nur an drei Beispielen aufzeigen.

Für Liberale ist Integration ein Menschenrecht. Nach den vorliegenden Gesetzentwürfen besteht zwar die Möglichkeit zur Integration, aber in letzter Konsequenz ist jeder zu integrierende Schüler auf die Gnade des Schulleiters angewiesen. Es besteht kein Recht auf Integration, sondern Integration wird lediglich als eine Art sozialer Gnadenakt gewährt.

Das wird ganz besonders deutlich am § 5 Abs. 4 des Schulunterrichtsgesetzes, in dem festgelegt wird, daß bei Überfüllung einer Schule – ich zitiere – "die Aufnahmsbewerber nach ihrer Eignung, also dem Lernerfolg in den bisher zurückgelegten Schulstufen, und dem Ergebnis einer allfälligen Aufnahmsprüfung zu reihen sind".

Diese Reihung nach dem Lernerfolg soll also auch für behinderte Kinder gelten. Das ist doch nichts anderes, als würden wir gehbehinderte Schüler mit gesunden Schülern um die Aufnahme in einer Schule um die Wette laufen lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Passus stellt für uns eine klare Diskriminierung behinderter Schüler dar. Er widerspricht dem Recht auf Integration – und er widerspricht auch den Intentionen einer sozialen Einbindung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.


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Und ein zweites Beispiel: Integration braucht optimale Rahmenbedingungen; die Kollegin von der Freiheitlichen Partei hat bereits darauf hingewiesen. Integration darf nicht erschwert oder gar unmöglich gemacht werden, indem eine zu hohe Zahl von zu integrierenden Kindern in diese Klasse festgelegt wird. Dadurch werden nicht nur engagierte Lehrer und Lehrerinnen überfordert, sondern es wird unter Umständen eine ganze Klasse überfordert.

Bisher hat es in den Gesetzen für den Grundschulbereich eine – wie ich glaube – sehr gute Regelung gegeben. Dort hieß es, in der Regel soll die Anzahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse vier Kinder nicht übersteigen. Und nicht nur, daß diese bewährte Regelung in die vorliegenden Gesetze nicht aufgenommen wurde, es wurde auch die Situation an den Volksschulen verschlechtert. Wenn es jetzt heißt, daß in Klassen, in denen integrativer Unterricht stattfindet, im Durchschnitt mindestens fünf Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu unterrichten sind, dann bedeutet das eigentlich eine Verschlechterung.

Bisher wurde eine Obergrenze von vier Kindern empfohlen, nun wird eine durchschnittliche Mindestanzahl von fünf Kindern verordnet. Das steht für uns in einem eklatanten Widerspruch zu allen bisherigen Erfahrungen und Empfehlungen für eine sinnvolle und menschenwürdige Integration. Das ist vor allem ein deutliches Signal an die Eltern und an die Kinder, ein Signal, das nichts anderes heißt als: In Wirklichkeit wollen wir euch gar nicht in den Sekundarschulen, und wir sind auch gar nicht bereit, euch jene Rahmenbedingungen zu gewähren, die Voraussetzung für ein Funktionieren der Integration sind.

Meine Damen und Herren! Auch diese Regelung können wir Liberale nicht anders als diskriminierend bezeichnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ein drittes Beispiel für die diskrimierende Tendenz dieser Gesetze: In § 43 Abs. 1a findet sich die Regelung, daß die Führung von Integrationsklassen – ich zitiere – "kein Grund für die Überschreitung von Klassenschülerhöchstzahlen gemäß Abs. 1 sein darf". Es ist nicht einzusehen und schon gar nicht unbillig, wie es in der Begründung dieses Gesetzes heißt, daß Integration nicht ein zumindest gleich guter Grund sein kann für die Überschreitung von Klassenschülerhöchstzahlen, wie es eben andere, bereits jetzt in Anwendung befindliche Gründe sind, die sich zum Beispiel aus organisatorischen Überlegungen ergeben.

Der wirkliche Grund für diese Regelung ist wieder derselbe, und er steht ganz deutlich, wenn auch unausgesprochen dahinter: Wenn sich Integration schon nicht vermeiden läßt, dann sollten wenigstens keine Rücksichten eingefordert werden. Wenn sich diese Integration schon nicht vermeiden läßt, dann sollten alle daraus resultierenden Probleme gefälligst auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen werden.

Das ist für mich die Botschaft dieser Regelung, das ist aber keine Botschaft einer humanen, einen menschenwürdigen Integration. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier nur drei Beispiele genannt, weil sie die Situation besonders deutlich machen, aber auch an einigen weiteren Beispielen ließe sich dieser versteckte Ausgrenzungsgedanke deutlich machen. Wir haben deshalb eine Reihe von Abänderungsanträgen eingebracht. Ein Teil dieser Anträge wird Ihnen schriftlich vorliegen. Ein weiterer Antrag dazu wird in der Folge von meinem Kollegen Volker Kier eingebracht werden, und ich bitte Sie um Unterstützung dieser Anträge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme jetzt zu einem weiteren Bereich, einem Bereich, der nicht nur in den Medien diskutiert wird, sondern der vor allem den Schulalltag beherrscht, der trotz nachweislicher pädagogischer Sinnlosigkeit, trotz all dem damit verbundenen Schülerleid, trotz der damit verbundenen hohen Kosten für die Eltern und für die öffentliche Hand immer noch nicht geregelt werden konnte: Ich spreche hier von der für Österreich beschämenden Repetentenquote, die im europäischen Vergleich eine traurige und einsame Spitze darstellt.


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Wie sinnwidrig dieses Wiederholen von Klassen ist, geht auch aus einem neuen Paragraphen im Schulunterrichtsgesetz hervor – ich zitiere –:

"Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in einem Pflichtgegenstand die Note Nichtgenügend enthält und in diesem Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit Befriedigend beurteilt wurde."

Also trotz Wiederholens einer Klasse erwartet man sich nicht grundsätzlich eine Verbesserung der allgemeinen Leistungen, sondern es wird sozusagen von vornherein einkalkuliert, daß es in einem ehemals positiven Bereich trotz Wiederholens der Klasse eine negative Beurteilung gegeben kann. Im Entwurf der Ministerin stand statt des "Befriedigend" zumindest noch ein "Genügend". Die Frau Minister ist mir im Ausschuß die Antwort schuldig geblieben, wie aus diesem "Genügend" als Voraussetzung ein "Befriedigend" werden konnte. – Ich kann dabei allerdings sehr deutlich die Handschrift der Gewerkschafter erkennen.

Ein weiteres Beispiel, das die Sinnlosigkeit dieses Wiederholens so deutlich macht: Es gibt einen neuen Passus in diesem Gesetz, den wir grundsätzlich sehr begrüßen und den wir wirklich für überaus wichtig halten, da wir es ja mit einer Internationalisierung ernst meinen. Es ist nämlich vorgesehen, daß Schüler jedenfalls dann, wenn sie einen Schulbesuch von fünf Monaten im Ausland nachweisen können – unabhängig vom dort unterrichteten Lehrfächerkatalog, unabhängig von irgendeiner Leistungsbeurteilung – , in die nächsthöhere Klasse aufsteigen dürfen. Und da kann sich jetzt natürlich ohne weiteres folgendes zutragen:

7. Klasse AHS: Ein Schüler erhält in Geographie ein Nichtgenügend und muß aus diesem Grunde die Klasse wiederholen. Ein anderer Schüler, der im Ausland seine Schulzeit verbringt, hat gar nicht diesen Unterrichtsgegenstand Geographie, und er wird jedenfalls in die nächsthöhere Klasse aufsteigen.

Ich nenne dieses Beispiel nur deshalb, weil es deutlich macht, wie sinnlos, wie stur an überkommenen Bestimmungen festgehalten wird, wenn es um das Wiederholen von Klassen geht. Und daß natürlich für Eltern, die es sich leisten können, die Möglichkeit besteht, wenn so um die Weihnachtszeit eine Katastrophe droht, die Kinder noch schnell ins Ausland zu schicken, um ein Aufsteigen jedenfalls sicherzustellen, das sei hier nur nebenbei bemerkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab von seiten der Ministerin zahlreiche Ankündigungen, das Aufsteigen auch mit negativen Noten zu ermöglichen. – Außer Ankündigungen ist leider nichts übriggeblieben, wenn wir von diesem Frühwarnsystem absehen. Aber von diesem Frühwarnsystem wird ohne konkrete Begleitmaßnahmen – wie etwa eine differenzierte Förderung in der Schule – leider nichts übrigbleiben, als daß der vielgerühmte oder berüchtigte "blaue Brief" eben um einiges früher kommt.

Da wir alle wissen, daß das Aufsteigen oder Sitzenbleiben in einzelnen Gegenständen häufig von subjektiven Beurteilungen durch Lehrer abhängt, daß das häufig auch aus schulorganisatorischen Gründen geschieht, sind wir wirklich mit der Bundesministerin einer Meinung. Sie hat erst kürzlich in einem Interview für die Tageszeitung "Die Presse" gesagt – ich zitiere –:

Mir geht es im Prinzip nur darum, daß man nicht aufgrund eines zeitlich begrenzten Versagens – es gibt manchmal Probleme, wie die Scheidung der Eltern, oder es geht einem mies, oder aufgrund der Pubertät – ein ganzes Jahr verliert. Welchen Sinn macht es, wenn man 14 Fächer hat, in 13 Fächern positiv abschneidet, in einem Fach negativ und alle anderen Fächer auch wieder machen muß?

Das war die Ausgangsbasis der Diskussion. Dazu kam, daß sich viele beklagt haben, daß die Lehrerkonferenz nicht das bringt, was man meint, und daß oft nach der Klassenschülerzahl, nach der Teilungszahl im nächsten Jahr entschieden wird. – Zitatende.

Frau Ministerin! Wir teilen Ihre Meinung. Es ist schade, daß Sie sich hier nicht durchsetzen konnten. Durchgesetzt haben sich die Gewerkschafter als Bildungspolitiker.


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48. Sitzung / Seite 40

Folgendes ist aber auch klar: Was für die Lehrer gut ist, ist für die Kinder noch lange nicht gut – uns Liberalen geht es aber um die Interessen der Kinder. Wir stellen die Interessen der Kinder in den Mittelpunkt unserer Überlegungen, und darum haben wir auch einen Abänderungsantrag eingebracht, der unter bestimmten Voraussetzungen das Aufsteigen auch mit zwei Nichtgenügend auf Antrag der Eltern ermöglichen soll. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt noch auf einen letzten Punkt zu sprechen kommen, der sicherlich im Ausbildungsbereich nur eine Minderheit betrifft, aber es scheint Aufgabe der Liberalen zu sein, sich gerade auch am Rande des öffentlichen Schul- und Bildungssystems um Minderheiten zu kümmern. Es geht mir hier um jene Externisten, die Bildungsabschlüsse nachholen, häufig berufstätige Erwachsene, die durch bürokratische Schikanen, wie wir meinen, bevormundet werden. Es geht nicht an, daß im Jahr des lebensbegleitenden Lernens Bildungswilligen Abschlüsse erschwert werden, und es geht nicht an, daß auf eine bevormundende Art und Weise erwachsenen Menschen – bei Vorliegen aller Voraussetzungen – eine Vorbereitungszeit bis zum Antreten zur Reifeprüfung einfach von oben herab verordnet wird.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie wissen, welche Zeiten ich meine, und Sie wissen, wie schwach Ihre eigene Argumentation auf unserer Anfrage war. Mit diesem Gesetz haben Sie Ihre eigene Argumentation noch einmal widerlegt, denn wenn für eine schriftliche Reifeprüfung keine Vorbereitungszeit verpflichtend vorgesehen ist, für die häufig identischen Prüfungsgegenstände, für die mündliche Reifeprüfung aber schon, dann kann ich das nur als Bevormundung und als bürokratische Hürde bezeichnen.

Ich nehme fast an, hier geht es auch darum, unliebsame, effiziente private Konkurrenz im Schulbereich auszuschalten. Wir haben auch diesbezüglich einen entsprechenden Antrag eingebracht, und diesen möchte ich nun verlesen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Partnerinnen und Partner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes des Unterrichtsausschusses (448 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"1. Die Ziffer 16 entfällt."

*****

Es geht in diesem Antrag darum, daß Hauptschullehrer an Berufsschulen ohne entsprechende Zusatzprüfung unterrichten sollen. Wenn es die ÖVP mit einer optimalen Ausbildung der Lehrlinge ernst meint, kann sie das nicht zulassen, weil diese Hauptschullehrer den Anforderungen des Berufsschullehrplanes nicht gerecht werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Vielzahl von Schulgesetzen haben wir heute zu beschließen, und bei dieser Schwerfälligkeit der Zweidrittelgesetzgebungsmaterie werden diese Gesetze, wie wir meinen, wieder für zu lange Zeit den Bildungsweg unserer Kinder mitbestimmen. Wir bitten Sie deshalb, unsere Anträge zu unterstützen, die jedenfalls zu einer Verbesserung beitragen werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag auf Streichung der Ziffer 16 ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der von Frau Abgeordneter Schaffenrath angesprochene umfangreiche Antrag wird im Sinne unserer Praxis schriftlich verteilt werden. Auch dieser Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht worden.


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48. Sitzung / Seite 41

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Partnerinnen und Partner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes des Unterrichtsausschusses (442 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Ziffer 8 wird ersetzt:

Dem § 15 wird folgender Abs. 3 angefügt:

"(3) Die Aufgabe der Hauptschule umfaßt insbesondere auch die soziale Integration behinderter Schüler. Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist nach Möglichkeit eine der Hauptschule entsprechende Bildung zu vermitteln. Hierbei sind die Bildungsaufgaben der der Behinderung entsprechenden Sonderschulart zu berücksichtigen."

2. Die Ziffer 12 wird ersetzt:

(Grundsatzbestimmung) § 18 Abs. 3 lautet:

"(3) Die Schüler jeder Schulstufe sind in den Pflichtgegenständen Deutsch, Lebende Fremdsprache und Mathematik entsprechend der Einstufung in Leistungsgruppen nach Möglichkeit in Schülergruppen zusammenzufassen. Die Führung von Leistungsgruppen entfällt bei einem gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und Schülern ohne sonderpädagogischem Förderbedarf."

3. Die Ziffer 13 entfällt.

4. Die Ziffer 21 wird ersetzt:

(Verfassungsbestimmung) § 27a Abs. 1 und Abs. 3 lauten:

"(1) Sonderpädagogische Zentren sind Schulen, die die Aufgabe haben, durch Bereitstellung und Koordination sonderpädagogischer Maßnahmen in anderen Schulen dazu beizutragen, daß Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch in allgemeinen Schulen unterrichtet werden können."

"(3) Landeslehrer, die an allgemeinbildenden Schulen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zusätzlich eingesetzt werden, sind durch Sonderpädagogische Zentren zu betreuen."

5. Die Ziffer 30 wird ersetzt:

Im § 34 erhält der bisherige Text die Absatzbezeichnung "(1)" und wird folgender Abs. 2 angefügt:

"(2) Die Aufgabe der Unterstufe einer allgemeinbildenden höheren Schule umfaßt insbesondere auch die soziale Integration behinderter Schüler. Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist nach Möglichkeit eine der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schule entsprechende Bildung zu vermitteln. Hierbei sind die Bildungsaufgaben der der Behinderung entsprechenden Sonderschulart zu berücksichtigen."

6. Die Ziffer 31 entfällt.

7. Die Ziffer 37 wird ersetzt:

Im § 43 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:


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"(1a) Sofern in Klassen der allgemeinbildenden höheren Schulen ein integrativer Unterricht von Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgt, soll der Anteil an Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur jenes Ausmaß betragen, bei dem unter Bedachtnahme auf Art und Schweregrad der Behinderung die erforderliche sonderpädagogische Förderung erfolgen kann; in der Regel soll die Anzahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse vier Kinder nicht übersteigen. Bei der Feststellung der Klassenschülerzahl gemäß Abs. 1 zählt jeder Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf doppelt.

8. Die Ziffer 63 wird ersetzt:

Der § 131a Abs. 1 lautet:

"(1) Für die Erprobung von Maßnahmen zur Ermöglichung des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nichtbehinderter Schüler in Schulklassen können in Polytechnischen Schulen, in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen sowie in berufsbildenden Pflichtschulen Schulversuche durchgeführt werden."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dieter Antoni. – Bitte.

10.57

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Im Rahmen des zur Diskussion stehenden Schulpaketes werden Änderungen, Korrekturen und Novellierungen im Bereich einer ganzen Latte von Schulgesetzen vorgenommen: Wir greifen ein in das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Schulpflichtgesetz, das Pflichtschulerhaltungsgesetz, in das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz und in das Bundesgesetz für Leibeserzieher.

Nur ganz kurz einige Blitzlichter, was hier im Detail alles geändert wird. Selbstverständlich steht absolut im Vordergrund die Herausforderung und Fortsetzung schulischer Integration: hinein in die Oberstufe der Volksschule, hinein in Hauptschule und Unterstufe der AHS. Angepaßt an diese neuen Bestimmungen werden die Beratungs- und Betreuungsinstitute, sonderpädagogische Zentren. Der Polytechnische Lehrgang erhält eine neue Namensgebung und erhält die Möglichkeit – je nach regionalen Bedingungen – , Bedürfnisse der Berufsgrundausbildung zu vermitteln. Die herkömmliche Aufnahmeprüfung in die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen wird abgeschafft und wird in Hinkunft der Aufnahmsprüfung in die AHS entsprechen.

Zur Vermeidung von negativen Beurteilungen am Ende eines Schuljahres sind Fördermaßnahmen besonderer Art vorgesehen – mit einer zusätzlichen Informationspflicht für die Eltern. Wir bauen die Schuldemokratie weiter aus, wir reduzieren das Werbeverbot an Schulen. Wir durchbrechen – endlich, sage ich – das "Kasterldenken" vieler Lehrerorganisationen. Mit dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz wird es in Hinkunft möglich, daß Pflichtschullehrer, wenn es erforderlich ist, im AHS-Bereich unterrichten, daß BL-Lehrer im Bereich der Berufsschule unterrichten – und umgekehrt.

Ich meine, es ist in der Tat ein ziemlich großer, ein nicht zu übersehender Reformschub, der heute hier beschlossen wird.

Ich habe schon gesagt, daß im Mittelpunkt dieser Maßnahmen die Integration steht, und ich möchte dazu noch einiges anmerken.

Die Diskussion, sehr geehrte Damen und Herren, um die Gesetzwerdung der Integration behinderter Schüler im Bereich der Sekundarstufe I – wir haben das alle miterlebt – wurde in den letzten Wochen äußerst emotionell geführt. Was dem einen viel zuviel erschien, war dem anderen zuwenig, und die Diskussion hat sich auch heute ein bißchen in diese Richtung bewegt.


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Da war die Rede von – ich zitiere – "Depperten", die man jetzt in die AHS aufnehmen werde, und das ging bis hin zur durchaus nachvollziehbaren und verständlichen Frage und Sorge mancher Eltern: Wird jetzt mein Kind, wenn es gemeinsam mit geistig behinderten Kindern in der Klasse sitzt, in seinen Lernprozessen gestört werden, werden seine Lernprozesse nicht so wie üblich verlaufen?

Trotzdem haben eigentlich alle Redner, die bisher an diesem Rednerpult gestanden sind und sich zur Integration geäußert haben, ein grundsätzliches Ja zur Integration gesagt, und das erwarte ich mir auch von den Grünen, die ja noch zu Wort kommen werden.

Die Diskussion hat sich nach meinem Verständnis auf alle Fälle gelohnt. Auch wenn heute die eine oder andere politische Gruppierung zu diesem Gesetz nicht ja sagen wird, so ist ein Schritt in eine ganz wesentliche Richtung gelungen. Mich erinnert die Diskussion, die wir heute und in den vergangenen Wochen erlebt haben, ganz deutlich an jene, die wir vor etwa vier Jahren hier geführt haben, als wir den Beschluß gefaßt haben, Integration in der Grundschule umzusetzen.

Wenn man heute die Integrationsklassen der Grundschule näher betrachtet, kann man mit gutem Gewissen sagen, daß das Engagement der Lehrer, die Zusammenarbeit mit den Sonderpädagogen, die Förderung durch Schulaufsicht und Schulleitung und selbstverständlich das Engagement der Eltern die Integration im Grundschulbereich zu einem fixen Bestandteil unseres Schulwesens gemacht haben. Ich möchte hier und jetzt den Lehrerinnen und Lehrern und allen, die geholfen waren, diese Idee im Grundschulbereich umzusetzen, ein aufrichtiges Danke sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Selbstverständlich wird der weitere Weg im Bereich der Hauptschule und der Unterstufe der AHS wiederum steinig und mühselig sein. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, uns liegen – und das ist nicht zu übersehen – heute, nach mehr als zehnjähriger Versuchsarbeit in den Volksschulen und in den weiterführenden Schulen, herzeigbare Ergebnisse und Erkenntnisse vor, die deutlich nachweisen: Alle beteiligten Schülerinnen und Schüler, die in Integrationsklassen sitzen, profitieren davon, und das nicht nur im sozialen Bereich, sondern selbstverständlich auch im kognitiven Bereich, denn Nachahmungslernen und viele andere methodische Konzepte, die eingesetzt werden, sind beziehungsweise werden da wirksam.

Es gibt in allen Schularten und in allen Schultypen Lehrer, die Integration wollen und die Integration durchführen, aber es sind insbesondere diese Integrationslehrer, die erkannt haben, daß es nicht so sehr das Problem der Behinderung ist, das uns beschäftigt, sondern viel mehr das Problem, in welcher Qualität wir die Beziehungen zu behinderten Menschen aufbauen. Eine öffentliche und teilweise sehr oberflächlich geführte Abqualifizierung dieses Reformvorhabens nützt niemandem, am allerwenigsten nützt es den betroffenen Schülerinnen und Schülern.

Damit letztendlich wirklich alle betroffenen Schülergruppen von Integration profitieren können, müssen wir uns in der relativ kurzen Zeit, die bis zum September 1997 noch vor uns liegt, darum bemühen, möglichst günstige Startvoraussetzungen für den Herbst zu schaffen. Dazu gehört eine solide und umfassende Information über die breite Palette der Möglichkeiten sonderpädagogischer Betreuung und Integration. Ich weiß, daß seitens des Ministeriums diesbezüglich bereits Vorarbeiten in Angriff genommen werden.

Es ist ganz, ganz wichtig, ein starkes Signal in Richtung Lehreraus- und -fortbildung zu senden, denn da stellt sich ein Problem: Es ist natürlich erforderlich, Unterrichtsmaterialien rechtzeitig zu entwickeln und jenen Schulen, in denen Integration stattfinden wird, zu präsentieren, damit vom ersten Tag an – auch in der didaktischen Umsetzung dieses Vorhabens – entsprechende Möglichkeiten gegeben sind.

Frau Kollegin Schaffenrath und Frau Kollegin Partik-Pablé! Sie haben gemeint, daß unter den gegebenen Rahmenbedingungen, die das Gesetz hier vorsieht, Integration nicht richtig funktionieren kann. Ich weiß aus jahrzehntelangen Erfahrungen mit Schulentwicklung und mit Schulreformmaßnahmen, daß es wichtig ist, auch entsprechende Voraussetzungen zu schaffen – sowohl ressourcenartiger als auch personeller Natur –, und es ist gar keine Frage, daß ein Mindeststandard vorhanden sein muß.


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Aber glauben Sie mir eines: Weit wichtiger und bedeutsamer ist das soziale und das pädagogische Klima an der Schule, weit wichtiger ist, daß Lehrerinnen und Lehrer diesen Gedanken der Integration sehen, verstehen, akzeptieren und umsetzen wollen. Es ist wichtig, daß sie pädagogische Kompetenz haben, daß sie in der Lage sind, auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, auf die unterschiedlichen Lernsituationen und Lernfähigkeiten mit Methodik und mit Didaktik reagieren zu können, daß sie in der Lage sind, die individuellen Lerntypen der Kinder zu erkennen und die richtige Antwort zu finden. Darüber hinaus ist Teamverständnis sehr wichtig, das Sich-gegenseitig-Stützen und Helfen. Dem einen gelingt dies, dem anderen jenes, der Erfahrungsaustausch ist daher wichtig. (Abg. Schaffenrath: Auch Bedingungen!) Das habe ich bereits gesagt.

Selbstverständlich ist die motivierende Unterstützung durch Schulleitung und Schulaufsicht einzufordern. Wir wissen alle, daß die Eltern nicht ruhen werden. Sie werden fordern, die Bedingungen vielleicht noch zu verbessern, und das werden wir unterstützen.

Diese Bedingungen, die ich hier angesprochen habe, gibt es bereits in vielen Schulen. In jenen Schulen, wo dies noch nicht der Fall ist, werden wir beziehungsweise die Behörden dazu beitragen, sie zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Noch vor wenigen Jahren war Integration an unseren Schulen ein utopisches Ziel, ja oft wurde von der "Vision" gesprochen: Könnten wir nur Behinderte integrieren! Heute – das kann man mit Fug und Recht sagen – befinden wir uns auf einem guten Weg, Integration in schulische Praxis umzusetzen beziehungsweise sie weiter auszubauen.

Wenn wir diesen Prozeß gemeinsam und konsequent weiterentwickeln, wird sich auch unsere Qualität im Umgang mit den behinderten Menschen deutlich verbessern. Ich lade Sie daher alle sehr, sehr herzlich ein, diesen Integrationsprozeß mit uns mitzutragen und mitzugestalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten.

11.07

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde schon viel über Bildungsreform und über dieses gewaltige Werk gesprochen. Ich möchte diese "gewaltigen Anstrengungen" – unter Anführungszeichen – mit einem Zeitungszitat etwas zu erhellen versuchen. Es geht in diesem Artikel nicht um die österreichische Schulreform, sondern um die englische, und ich werde auch dieses Zitat, das ich Ihnen jetzt darbiete, dann noch interpretieren.

Es ist ein Artikel aus der "Wiener Zeitung", in dem es in der Überschrift heißt: Rätsel um Thatchers Bildungsreform gelüftet: Friseur und Putzfrau als Berater.

Die von der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher verwirklichte Bildungsreform, deren geistige Urheberschaft zahlreiche konservative Professoren für sich reklamieren, ist im wesentlichen auf das Dienstpersonal der "eisernen Lady" zurückgegangen. Wie der ehemalige Bildungsminister Kenneth Baker gegenüber dem "Time’s Educational Supplement" enthüllte, kamen die bei den Expertenrunden von der Regierungschefin geäußerten Bildungsideen von ihrem Friseur oder vielleicht auch von ihrer Putzfrau.

Bei der Reformdebatte 1988 ging es vor allem um nationale Lehrpläne. Laut Baker war Thatcher der Meinung, Schüler müßten eigentlich nur in Englisch, Mathematik und Naturwissenschaften unterrichtet werden. Oft hätten die Bildungsexperten bei den Beratungen fassungslos auf zerknitterte Zettel reagiert, die Thatcher unvermittelt aus ihrer Handtasche zog: Darauf seien Vorstellungen gekrakelt gewesen, die sich Gott-weiß-wer zuvor ausgedacht habe. Thatchers Friseur Paul Allen, dessen Dienste die Regierungschefin damals zweimal die Woche in Anspruch nahm: Ich wußte nicht, daß sie das alles so ernst nahm. – Ende des Zitats.


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Frau Ministerin! Mir ist schon klar: Sie sind nicht die "eiserne Lady", Sie haben auch keine Putzfrau und keine Friseurin, die Ihnen Ratschläge gibt. Das Problem, das ich oder wir mit Ihrer Bildungs- beziehungsweise Schulreform haben, ist folgendes: Sie haben einige konservative Gewerkschaftsfunktionäre im Nacken, die Ihnen offensichtlich bei den Zielen dieser Schulreform, um die es gegangen ist, das diktiert haben, was dann tatsächlich den Tenor dieser Schulreform ausgemacht hat. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Nicht die Lehrer, nicht die Eltern und nicht die Schüler haben die Schule beziehungsweise diese Schulreform in Geiselhaft genommen, sondern einige konservative Gewerkschaftsfunktionäre, die sich in ganz wesentlichen Punkten durchgesetzt haben. Ich erwähne nur: Aufsteigen mit Nichtgenügend und die Kernziele der Integration.

Ich erinnere daran, daß der Pflichtschulgewerkschafter Helm erklärt hat, Integration sei ein Verbrechen an den Kindern. Das ist ein Zitat, das man auf sich wirken lassen muß. Dementsprechend erklärt sich auch die verbissene Haltung und das Engagement dieser konservativen Truppe gegen die Integration beziehungsweise gegen wesentliche Ziele, die Sie im Zuge der Schulreform durchzusetzen versucht haben.

Frau Ministerin! Ich will Ihnen Ihr Engagement nicht absprechen. Es ist ja tatsächlich so, daß das, was jetzt noch in diese Schulreform hineingerettet werden konnte, wahrscheinlich nur auf Ihren Einsatz beziehungsweise auf den doch sehr massiven Einsatz und das Engagement von Integrationsverbänden und Behindertenvereinen und ein bißchen auch auf die öffentliche Debatte zurückzuführen ist. Ich möchte aber trotzdem festhalten: Mit dieser Reform wird Integration erschwert und behindert, und daher wird diese Reform auch Widerstände hervorrufen.

Einige Beispiele: Am Dienstag wurde in der Sendung "Report" ein Beitrag gebracht, der meiner Meinung nach das Problem der Integration sehr gut charakterisiert hat. Es war ein – würde ich sagen – ausgezeichneter Beitrag, da es gelungen ist – etwas, was für ein Medium wie das Fernsehen sehr schwierig ist –, dieses Thema sehr differenziert darzustellen. Mit Hilfe von einigen Bildern konnte man da mehr über Integration erfahren – sofern man das wollte –, als das sonst mit Hilfe von langen Aufsätzen möglich ist.

Man hat auf der einen Seite eine engagierte Klasse gesehen, in der Integration mit innerer Differenzierung des Unterrichts betrieben wird, engagierte Lehrer, engagierte Schüler, egal, ob behindert oder nichtbehindert, die offensichtlich fähig sind, miteinander zu kommunizieren. Das Gegenbeispiel war eine Klasse, in der ein ganz traditioneller Unterricht stattgefunden hat – also ein Modell, das Sie immer anpreisen, meine Damen und Herren vor allem von der ÖVP –, in der "Integration" so aussieht, daß man während der entscheidenden Schulgegenstände die behinderten Kinder vom Unterricht ausgeschlossen hat. – Das ist nicht das Modell von Integration, das wir uns vorstellen.

Die Schüler, egal, ob behindert oder nichtbehindert, erleben das genauso. Sie dürfen nicht glauben, daß die das anders empfinden. Die behinderten Schüler werden einfach aus der Klasse hinausgeführt.

Es gab noch sehr wichtige Stellungnahmen von den Betroffenen, vor allem von den Lehrern, die erklärt haben, im wesentlichen seien sie alleingelassen worden. Auch jene Lehrerin, die in traditioneller Form unterrichtet hat, hat das festgestellt, und auch der Volksschuldirektor hat erklärt, das sei eine Aufgabe gewesen, mit der er zuerst überhaupt nicht umzugehen wußte. Das – und es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt – ist eine Aufgabe, die im Zuge der Schulreform zu lösen wäre. Es wurde aber verabsäumt, das in den Diskussionen der letzten Wochen zu besprechen.

Meine Damen und Herren! Behinderung an den Schulen wird nicht durch die Behinderten oder durch den Umgang der Nichtbehinderten mit den Behinderten produziert, sondern die Behinderung an den Schulen, die Behinderung der Integration, wird von konservativen Gewerkschaftsfunktionären produziert – nicht von den Lehrern, deren Engagement unbestritten ist, nicht von den Schülern, deren Engagement unbestritten ist, und auch nicht von den Eltern, deren Engage


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ment in sehr vielen Fällen Integration an österreichischen Schulen überhaupt erst ermöglicht hat.

Mein Vorredner, Kollege Antoni, war gestern in der "ZIB 2" in einem Beitrag zu sehen. Ich habe mir diesen Beitrag angesehen, und ich muß Ihnen sagen, meine werten Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei, das war ein eher klägliches Bild. Sie haben Versprechen in bezug auf die Integration abgegeben – auch gegenüber Integrationsverbänden –, die sie nicht eingelöst haben.

Gestern konnte man eine Stellungnahme des Kollegen Antoni hören, mit der er auf die Einwendungen von Lehrern, die meinen, Integration werde durch diesen Entwurf eher behindert, antwortete: Mehr war und ist halt momentan nicht drinnen, es fehlt an Geld.

Wenn das alles ist, was Sie zu den Zielen und Perspektiven von Integration zu sagen haben, dann tut es mir wirklich leid! Wenn Ihnen Integration nicht mehr wert ist als einige Millionen, dann tut es mir wirklich leid! Wenn Integration nicht gegen einige Panzer aufgerechnet beziehungsweise abgerechnet wird, die ja offensichtlich derzeit angeschafft werden können, ohne daß es ein Problem mit der Finanzierung gibt, dann tut es mir wirklich leid!

Dann tut es mir auch um Sie leid, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Mit einem Schulterzucken ist die Integration verschwunden: Es war halt nicht mehr drinnen, wir können im Moment nicht mehr machen.

Integration braucht mehr als einige organisatorische Veränderungen. Sie braucht die Bereitschaft, das Engagement, den Mut, diese Maßnahmen auch durchzusetzen, und sie braucht darüber hinaus auch Geld. Dieses Geld ist durchaus vorhanden, zwar sicher nicht in den Töpfen des Unterrichtsministeriums, das ist mir schon klar, aber dieses Geld ist vorhanden.

Auf der anderen Seite wird in ungemein kleinlicher Weise mit den Lehrergewerkschaftern noch dahin gehend verhandelt, daß die Lehrmittel für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an den Hauptschulen von einen eigenen Kustos verwaltet werden dürfen, der dann natürlich auch noch eine entsprechende Abgeltung erhält, weil die Bücher und die sonstigen Lehrmittel nicht gemeinsam verwaltet werden können, sondern von einem eigenen Kustos, von einem Sonderpädagogenkustos – oder was weiß ich, welchen Titel der erhält – verwaltet werden müssen. Er erhält dafür extra zwar nicht viel, aber es müssen doch ein paar Millionen aufgebracht werden.

Einerseits also diese kleinliche Art, an das Thema heranzugehen, und andererseits wird das Engagement von vielen heruntergemacht, wird es durch das, was Sie mit dieser Reform produzieren, entwertet. Ich frage mich wirklich, wo wir im Zusammenhang mit der Integration in diesem Land tatsächlich stehen.

Das frage ich auch in bezug auf den Entwurf, denn das Problem mit diesem Entwurf ist beispielsweise, daß er sogar bei der Integration – "sogar" sage ich – im Volksschulbereich zurückbuchstabiert. Das ist doch das Problem, das wir in Wirklichkeit haben! Sie haben die Schlüsselzahlen auch für die Volksschulen elegant entsorgt, sie tauchen nicht mehr auf, und damit ist natürlich auch das denkbar und möglich, was als Integrationsschlüsselzahlen an den Hauptschulen und an den Mittelschulen angestrebt wird, nämlich pro Klasse mindestens fünf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Ich habe trotzdem die Hoffnung, daß diese Schulreform, die Integration, aber nicht nur sie, sondern alles, was an den einzelnen Schulen darüber hinaus bereits gemacht wird, stattfindet. Es findet aber nicht wegen dieser Reform statt, sondern neben dieser Reform und teilweise auch trotz dieser Reform, und das ist das Problem, auf das ich auch aufmerksam machen will.

Es sind in diesem Reformpaket sicher auch Punkte in bezug auf Integration enthalten, die einen kleinen Schritt nach vorne bedeuten. Ich möchte das auch würdigen, Frau Minister. Es sind solche Punkte enthalten, aber in Summe, in der Tendenz sind es leider nicht genug, um sagen zu können, wir wollen und können dem zustimmen.


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Ich erwähne die weiteren Punkte neben der Integration: Was die Reform des Polytechnikums betrifft, so sind diesbezüglich auch einige Punkte enthalten, die sinnvoll sind, in einigen Bereichen jedoch bleibt das Polytechnikum wiederum dort stehen, wo es jetzt ist: Es bleibt sozusagen Blinddarmfortsatz des Schulsystems.

Bei den Übertrittsbestimmungen von den Hauptschulen an die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen gibt es nach wie vor die Behinderung der Hauptschule. Sie ist nicht gleichwertig mit der AHS, obwohl nach denselben Lehrplänen unterrichtet wird. Die dritte und auch die zweite Leistungsgruppe haben enorme Behinderungen bei den Übergängen an die BMHS, und das ist ein Problem, das man nicht vernachlässigen darf. Dadurch wird es nämlich trotz der allgemeinen Abschaffung der Aufnahmeprüfung für bis zu einem Drittel der Schüler notwendig werden, noch eine Aufnahmeprüfung zu machen.

Das, sehr geehrte Frau Ministerin, ist eigentlich nicht das, was Sie tun sollten, um den Hauptschulabsolventen tatsächlich den Übergang in das weiterführende Schulsystem zu ermöglichen.

Zur Einschränkung der Schulpflicht: Wir haben das auch im Ausschuß diskutiert. Durch die Einschränkung der Schulpflicht, durch ihre zeitliche Begrenzung schaffen Sie Probleme vor allem für Kinder mit Behinderungen, denen es teilweise wegen Krankenhausaufenthalten, oft wegen mehrjährigen Krankenhausaufenthalten nur möglich ist, ihre Schulpflicht in längeren Zeiträumen zu absolvieren. Das wird jetzt erschwert möglich beziehungsweise eingeschränkt.

Kollege Höchtl von der ÖVP hat das Frühwarnsystem sehr angepriesen. Ich wünsche mir ein anderes Frühwarnsystem. Es sollten eigentlich alle Alarmglocken läuten, Frau Ministerin, wenn eine Studie besagt, daß an den Volksschulen schon Analphabetismus nicht nur nicht behandelt wird, sondern auch entsteht. Das ist das reale Problem, das wir an den Schulen haben: daß teilweise aufgrund des starken Drucks und teilweise aufgrund viel zu großer Klassen an den Schulen offensichtlich Analphabetismus entsteht. Da müßte ein Frühwarnsystem eigentlich zu klingeln beginnen.

Wie kann es geschehen, daß an unseren Schulen Analphabeten produziert werden? Da bräuchten wir ein reales Frühwarnsystem, meine Damen und Herren, auch wenn diese Gruppe nicht groß ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )

Kollege Posch, du kannst dir diese Untersuchung anschauen, es gibt sie. Das ist ja nicht ein besonderes Spezifikum österreichischer Schulen, sondern es ist das ein Problem, das alle Industrieländer haben, weil offensichtlich in die Schulen zu viel hineingepackt wird, weil es offensichtlich Schüler gibt, die sich irgendwann aus diesem Schulsystem ausklinken und nicht mehr mitkommen. Wir müßten viel mehr an die Ursachen herangehen, viel mehr in die innere Differenzierung hineingehen, um tatsächlich Möglichkeiten zu finden, die die Individualität, die der Kollege Höchtl so sehr betont, dieser Schüler tatsächlich berücksichtigen. Das ist doch das Problem.

Letzter Punkt: die Werbung an den Schulen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat viele Argumente gegeben, warum die Werbung an den Schulen stattfinden soll. Eines von denen, das ich am wenigsten akzeptieren kann, ist, die Werbung finde ja schon überall statt – warum solle sie nicht auch in den Schulen stattfinden? Meine Damen und Herren! Mit demselben Argument könnten wir im Fernsehen Unterbrecherwerbung einführen. Wir machen das aber nicht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl. ) Selbstverständlich ist dieses Argument verwendet worden! Und ich hoffe, daß es kein Grund ist, Werbung an den Schulen deshalb einzuführen, weil das Leben rundherum auch Werbung produziert. Selbstverständlich ist es ein Problem, ist es eine Aufgabe der Schule, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, aber deswegen brauchen wir doch nicht das Sponsoring oder die Werbung an den Schulen.

Frau Ministerin! Ich lese Ihnen einen Comic vor. Leider kann ich ihn Ihnen nicht jetzt schon geben, aber ich überreiche Ihnen dann später gerne diesen Comic zum Thema Werbung an den Schulen, aus dem Alltag eines Pädagogenehepaars:


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"Die Bahn wird privatisiert, die Post, paß auf, dann kommen die Schulen dran. Die Mercedes-Benz-Schule zum Beispiel mit drei Wochenstunden Automobilkunde unter besonderer Berücksichtigung der Erzeugnisse des Schulbesitzers. Und wer das Abitur haben will, muß sich verpflichten, lebenslang hinter dem guten Stern herzufahren. – Klaro, oder die Unilever-Schule mit der Milchschnittenpausenbrotspeisung. – ... das Camel-Gymnasium mit der großen Abenteuerabiturtrophy ... – ... die Farbwerke-Hoechst-Gesamtschule, Aufsatzthema: Mit welchen Argumenten spiele ich einen Störfall mit mindergiftigem Dampfaustritt herunter?"

Ich hoffe, daß es nicht soweit kommt. Noch gibt es Schranken, das ist mir auch klar. Aber immerhin ist die Werbung mit einem Fuß in den Schulen drinnen. Und es gibt wenig Regulierungen – mit Ausnahme dessen, was Sie in die Erläuternden Bemerkungen hineingeschrieben haben –, die tatsächlich verhindern, daß diese Werbung an den Schulen auch zu einer Behinderung mancher Schulen wird, indem Schulen in gut entwickelten Gebieten natürlich besser mit Werbemitteln, mit Sponsoring versorgt werden als Schulen, wo sich niemand dafür interessiert, daß Werbung stattfindet.

Deshalb haben wir auch einen entsprechenden Entschließungsantrag ausgearbeitet, mit dem wir immerhin sicherstellen möchten, daß die Werbung an den Schulen auch zwischen den Schulen verteilt wird. Ich lese Ihnen diesen Entschließungsantrag vor:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird aufgefordert, vor Inkrafttreten der Aufhebung des Werbeverbotes ein Fondsmodell zu entwickeln, das verhindert, daß es zu ungleichen Ausbildungsmöglichkeiten an Österreichs Schulen kommt.

*****

Ich lese Ihnen auch noch die anderen Abänderungsanträge vor, die wir eingebracht haben:


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Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Unterrichtsausschusses (448 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (422 der Beilagen)

Der Unterrichtsausschuß wolle beschließen:

1. ad Z 16 (des Ausschußberichtes):

In der Anlage lautet im Artikel II Abschnitt 2 (Verwendungsgruppe L 2a 2) in Z 2 in der rechten Spalte der zweite Absatz:

"2. bei Lehrern für andere allgemeinbildende Pflichtgegenstände durch eine Lehramtsprüfung für Polytechnische Schulen."

*****

Es gibt einen zweiten Abänderungsantrag zum Bericht des Unterrichtsausschusses, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Unterrichtsausschusses (445 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (419 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. ad Z 3 (des Ausschußberichts):

Der § 12 Abs. 1 Z 1 soll lauten:

"(1) Voraussetzung für die Aufnahme in eine höhere land- und forstwirtschaftliche Lehranstalt ist – soweit für Sonderformen nichts anderes bestimmt ist –

1. der erfolgreiche Abschluß der 8. Schulstufe, wobei das Jahreszeugnis für diese Schulstufe in den leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen in der zweiten Leistungsgruppe keine schlechtere Beurteilung als "Befriedigend" beziehungsweise in der dritten Leistungsgruppe keine schlechtere Beurteilung als "Gut" enthält. Sofern an einer Schule keine Einstufung in Leistungsgruppen erfolgt ist, gelten dieselben Bestimmungen wie für die 2. Leistungsgruppe. Aufnahmswerber mit erfolgreichem Abschluß der 8. Schulstufe, die die vorstehenden Voraussetzungen nicht erfüllen, haben aus jenen Pflichtgegenständen, in denen die Aufnahmsvoraussetzungen nicht erfüllt werden, eine Aufnahmsprüfung abzulegen, oder"

*****

Meine Damen und Herren! Das war der zweite Abänderungsantrag. Der dritte Abänderungsantrag die Schulorganisation betreffend, in dem Übertrittsbestimmungen, Integration als Ziel, die Lehrplanveränderung bei den Hauptschulen, die Schlüsselzahlen angesprochen werden, liegt Ihnen dann in schriftlicher Form vor. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte mein Referat mit einem Zitat des amerikanischen Wissenschafters Stephen Hawking, eines schwerstbehinderten Menschen, beenden: Es ist unglaublich wichtig, daß man behinderten Kindern ermöglicht, mit anderen gleichaltrigen Kindern zusammenzusein. Das ist entscheidend für ihr Selbstgefühl. Wie kann man sich als Mitglied der menschlichen Rasse fühlen, wenn man bereits im frühen Alter von ihr getrennt wird?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Es ist die 20minütige Redezeit abgelaufen. Ich bitte Sie, zum Schlußsatz zu kommen.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Das ist eine Form der Apartheid. – Stephen Hawking könnte wahrscheinlich an einer österreichischen Schule nicht unterrichtet werden, weil vermutlich seine Behinderung, seine schwere körperliche Behinderung nicht einmal als solche erkannt werden würde. (Beifall bei den Grünen.)

11.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Öllinger! Ich möchte folgendes festhalten: Sie haben einen Entschließungsantrag und zwei Abänderungsanträge vorgetragen. Die haben Sie auch verlesen, die sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung mit einbezogen. Sie haben einen dritten Abänderungsantrag erwähnt, der einen relativ umfangreichen Text hat, den Sie nicht vorgetragen haben. Es gibt zwei Möglichkeiten: daß wir den schriftlich verteilen lassen, dann muß ihn aber jemand in den Kernpunkten vortragen, oder daß ich ihn vom Schriftführer verlesen lasse. Ich bitte Sie zu entscheiden. (Abg. Öllinger: Vom Schriftführer verlesen lassen!)

Aber, meine Damen und Herren, wir haben sonst eine Praxis, die es ermöglicht, daß wir diese Dinge etwas schneller erledigen.


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48. Sitzung / Seite 50

Bitte, wer ist als Schriftführer hier? – Herr Abgeordneter Auer, wenn Sie bitte kommen und den dritten Abänderungsantrag hier vortragen.

Schriftführer Jakob Auer:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Unterrichtsausschusses (442 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (416 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. ad Z 5 (des Ausschußberichts):

Dem § 9 Abs. 3 werden folgende Sätze angefügt:

"Die Volksschuloberstufe hat unter Berücksichtigung der sozialen Integration eine für alle Schüler gemeinsame, den Bildungszielen der Volksschuloberstufe entsprechende Bildung zu vermitteln. Für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind die Bildungsaufgaben der der Behinderung entsprechenden Sonderschulart zu berücksichtigen."

2. ad Z 7:

Der letzte Satz § 14 Abs. 1 lautet:

"(1) Dabei ist auf die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die Art und das Ausmaß der Behinderung Rücksicht zu nehmen."

3. ad Z 8:

Dem § 15 wird folgender Abs. 3 angefügt:

"(3) Die Hauptschule hat unter Berücksichtigung der sozialen Integration eine für alle Schüler gemeinsame, der Hauptschule entsprechende Bildung zu vermitteln. Für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind die Bildungsaufgaben der der Behinderung entsprechenden Sonderschulart zu berücksichtigen."

4. ad Z 12:

(Grundsatzbestimmung) § 18 Abs. 3 lautet:

(3) Die Schüler jeder Schulstufe sind in den Pflichtgegenständen Deutsch, Lebende Fremdsprache und Mathematik entsprechend der Einstufung in Leistungsgruppen nach Möglichkeit in Schülergruppen zusammenzufassen. Die Zusammenfassung in Schülergruppen entfällt bei einem gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und Schülern ohne sonderpädagogischem Förderbedarf.

5. ad Z 13

Nach dem § 18 Abs. 3 wird Abs. 3a gestrichen.

6. ad Z 22:

Der § 28 samt Überschrift lautet:

"Aufgabe der Polytechnischen Schule

§ 28. (1) Die Polytechnische Schule schließt an die 8. Schulstufe an und umfaßt eine Schulstufe. Sie hat die Schüler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und auf das weitere Leben,


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insbesondere auf das Berufsleben dadurch vorzubereiten, indem sie die Allgemeinbildung der Schüler in angemessener Weise erweitert und vertieft, durch Berufsorientierung die Berufsentscheidung unterstützt sowie eine Berufsgrundbildung vermittelt. Die Schüler sind je nach Interesse, Neigung, Begabung und Fähigkeit für den Übertritt in Lehre und Berufsschule bestmöglich zu qualifizieren sowie für den Übertritt in weiterführende Schulen zu befähigen. Die Polytechnische Schule ist für Schüler, die die 8. Schulstufe erfolgreich abgeschlossen haben, die 9. Schulstufe.

(2) Die Schüler sind in den Pflichtgegenständen Deutsch, Lebende Fremdsprache und Mathematik durch Differenzierungsmaßnahmen (Interessensgruppen) sowie durch einen nach Wahl des Schülers erweiterten Unterricht im technischen, wirtschaftlichen oder sozialen oder in einem sonstigen den Interessen der Schüler und der Wirtschaftsstruktur der Region entsprechenden Bereich in besonderer Weise zu fördern.

(3) Schüler ohne erfolgreichen Abschluß der 8. Schulstufe können bei Vorliegen der entsprechenden organisatorischen Voraussetzungen in eigenen Lehrgängen aufgenommen werden und zu einem positiven Abschluß der 8. Schulstufe geführt werden."

8. ad Z 27:

Der § 31 Abs. 2 lautet:

"(2) Ist die Schüleranzahl für die Führung als selbständige Schule zu gering, so können Expositurklassen einer selbständigen Polytechnischen Schule geführt werden."

9. ad Z 30:

Im § 34 erhält der bisherige Text die Absatzbezeichnung "(1)" und wird folgender Abs. 2 angefügt:

"(2) Die Unterstufe einer allgemeinbildenden höheren Schule hat unter Berücksichtigung der sozialen Integration eine für alle Schüler gemeinsame, den Bildungszielen der Unterstufe entsprechende Bildung zu vermitteln. Für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind die Bildungsaufgaben der der Behinderung entsprechenden Sonderschulart zu berücksichtigen."

10. ad Z 31:

Nach dem § 35 Abs. 4 wird Abs. 4a gestrichen.

11. ad Z 34:

Der § 40 Abs. 3 soll lauten:

"(3) Schüler der Hauptschule, die die 8. Schulstufe erfolgreich abgeschlossen haben, sind berechtigt, in die 5. Klasse einer allgemeinbildenden höheren Schule überzutreten, wenn das Jahreszeugnis für die 8. Schulstufe in den leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen in der zweiten Leistungsgruppe keine schlechtere Beurteilung als "Befriedigend" und in der dritten Leistungsgruppe keine schlechtere Beurteilung als "Gut" enthält. Sofern an einer Schule keine Einstufung in Leistungsgruppen erfolgt ist, gelten dieselben Bestimmungen wie für die 2. Leistungsgruppe. Aufnahmswerber, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, haben aus jenen Pflichtgegenständen, in denen die Aufnahmsvoraussetzungen nicht erfüllt werden, eine Aufnahmsprüfung abzulegen. Wenn in der angestrebten Klasse der allgemeinbildenden höheren Schule eine Fremdsprache weiterführend unterrichtet wird, die der Schüler bisher nicht besucht hat, so ist jedenfalls eine Aufnahmsprüfung abzulegen."

12. ad Z 37:

Im § 43 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:


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"(1a) Sofern in Klassen der allgemeinbildenden höheren Schulen ein integrativer Unterricht von Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgt, soll der Anteil an Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur jenes Ausmaß betragen, bei dem unter Bedachtnahme auf Art und Schweregrad der Behinderung die erforderliche sonderpädagogische Förderung erfolgen kann; in der Regel soll die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse vier Schüler nicht übersteigen. Bei der Feststellung der Klassenschülerzahl gemäß Abs. 1 zählt jeder Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf doppelt."

13. ad Z 38:

Der § 55 Abs. 1 soll lauten:

"(1) Voraussetzung für die Aufnahme in eine berufsbildende mittlere Schule ist der erfolgreiche Abschluß der 8. Schulstufe. Wenn dabei das Jahreszeugnis für diese Schulstufe in den leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen in der dritten Leistungsgruppe eine Beurteilung mit "Genügend" enthält, ist im entsprechenden Pflichtgegenstand eine Aufnahmsprüfung abzulegen."

14. ad Z 47:

Der § 68 Abs. 1 Z 1 soll lauten:

"(1) Voraussetzung für die Aufnahme in eine berufsbildende höhere Schule ist

1. der erfolgreiche Abschluß der 8. Schulstufe, wobei das Jahreszeugnis für diese Schulstufe in den leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen in der zweiten Leistungsgruppe keine schlechtere Beurteilung als "Befriedigend" beziehungsweise in der dritten Leistungsgruppe keine schlechtere Beurteilung als "Gut" enthält. Sofern an einer Schule keine Einstufung in Leistungsgruppen erfolgt ist, gelten dieselben Bestimmungen wie für die 2. Leistungsgruppe. Aufnahmswerber mit erfolgreichem Abschluß der 8. Schulstufe, die die vorstehenden Voraussetzungen nicht erfüllen, haben aus jenen Pflichtgegenständen, in denen die Aufnahmsvoraussetzungen nicht erfüllt werden, eine Aufnahmsprüfung abzulegen, oder"

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Auer! Ich danke Ihnen vielmals für die Verlesung.

Meine Damen und Herren vom Grünen Klub! Ich möchte wirklich bitten, daß wir in Zukunft bei der Praxis bleiben, die möglichst zeitökonomisch ist, daß Sie entweder den Antrag selbst hier vortragen oder ihn verteilen lassen und in den Kernpunkten vortragen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

11.37

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! (Abg. Wabl: Es tut mir so leid wegen gestern! – Wolltest du das nicht sagen?) Das heutige Paket, das wir diskutieren, dieses Schulreformpaket, ist zweifelsohne – ich habe mir das doch ein bißchen genauer angeschaut – das umfassendste Reformpaket seit dem Beginn der sechziger Jahre.

Ich möchte einleitend schon sagen, daß es mich eigentlich gerade in einer bildungspolitischen Diskussion stört, wenn man versucht, hier Feindbilder aufzubauen, die als solche überhaupt nicht vorhanden sind. Ich denke etwa an die Argumentation von Ihnen, Herr Kollege Öllinger, wenn Sie im Zusammenhang mit der erweiterten Werbemöglichkeit an den Schulen sagen, daß hier Argumente verwendet worden wären, die niemand von uns verwendet hat. Sie sind auch die Antwort auf den Zwischenruf schuldig geblieben, von wem dieses Argument gekommen ist. – Ich werde dann zur Werbungsmöglichkeit an den Schulen ohnedies noch einige Worte sagen.


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Im Zusammenhang mit der Integration halte ich eigentlich auch nichts davon, wenn man Schulpartner von vornherein verteufelt, denn man kann eine so sensible Angelegenheit – und das ist zweifelsohne eine sensible Angelegenheit – wie die Integration Behinderter, geistig behinderter Menschen in die AHS-Unterstufe nicht ohne die Gesamtheit der Schulpartner durchführen.

Ich glaube, daß da das Einverständnis aller Schulpartner ganz wichtig ist. Daher darf man das nicht an den Lehrern vorbeischwindeln. Auf die Lehrer hinzuhauen ohne Begründung, weil man nicht ernst nimmt, daß es auch berechtigte Ängste gibt, das halte ich wirklich nicht für seriös, und ich halte es vor allem auch nicht für besonders liberal. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Reden Sie von gestern! Von der Abstimmung!)

Herr Kollege Wabl! Wir sind im Augenblick bei einer anderen Debatte. Wenn Sie wollen, können Sie sich ja an dieser Debatte beteiligen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den allgemeinen Schulen der Sekundarstufe I ist eines von mehreren Angeboten. Ich halte die Vielfalt des Schulangebotes für durchaus sinnvoll. Ich halte es für sinnvoll, daß es da gewissermaßen eine Wahlmöglichkeit gibt. Daß es diese Integration nunmehr auch an der AHS-Unterstufe geben wird, ist insbesondere das Verdienst der Frau Bundesministerin, die da mit großer Sensibilität, aber vor allem mit großer Beharrlichkeit vorgegangen ist. Dafür möchte ich ihr ganz herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube auch, daß die zunehmende Internationalisierung es rechtfertigt, daß wir Anrechnungen schaffen, wenn jemand eine gewisse Zeit im Ausland verbringt. Ich halte das für einen gewaltigen Fortschritt in der Bildungspolitik (Abg. Schaffenrath: Wir auch!) , auch wenn es möglicherweise in anderen Bereichen noch Probleme gibt. Das zu kritisieren, halte ich nicht für den richtigen Ansatz, denn ich halte den Umstand, daß jemand das Engagement aufbringt, für ein halbes oder für ein ganzes Jahr in eine fremdsprachige ausländische Schule zu gehen, für einen Fortschritt. Ich halte es eigentlich für richtig, daß ihm dann dieses Jahr zur Gänze angerechnet wird. (Abg. Schaffenrath: Wir auch!)

Ich freue mich über Ihre Zustimmung in diesem Zusammenhang und hoffe darauf auch bei der Abstimmung. Ich halte das für einen hundertprozentig richtigen Ansatz und verweise in diesem Zusammenhang auch auf den Bericht über den schulischen Teil der Berufsausbildung, den wir auch im Ausschuß diskutiert haben. (Abg. Schaffenrath: Wir sind gegen die Sinnlosigkeit des Wiederholens in Österreich!) Das fällt ja gerade dann weg. Wenn jemand eine gewisse Zeit im Ausland an einer Schule verbringt, erspart er sich ja das Wiederholen. Das ist zweifelsohne ein Fortschritt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir liegen auch bei den Lehrlingen und den Berufsschülern – wenn Sie sich den Bericht über den schulischen Teil der Berufsausbildung ansehen, dann werden Sie das feststellen können –, was die Austauschprogramme anlangt, im europäischen Vergleich sehr gut, wenn nicht sogar im Spitzenfeld, und das, obwohl wir erst im zweiten Jahr unseres EU-Beitrittes sind. Lesen Sie es im Bericht nach, es ist auf der vorletzten oder auf der letzten Seite angeführt. Dann werden Sie feststellen können, daß diese Aussage stimmt.

In diesem Zusammenhang ist auch die Reform des Polytechnischen Lehrgangs, der jetzt zur Polytechnischen Schule wird, zu erwähnen. Ich meine, daß wir auch in der Frage, die die Zugangsvoraussetzungen zu den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen betrifft, richtige Schritte gesetzt haben, denn wir haben natürlich schon erlebt, daß in manchen Bereichen der Polytechnische Lehrgang als verlorenes Jahr angesehen wurde. Daher haben sehr viele das 9. Schuljahr in der Weise absolviert, daß sie eben in eine berufsbildende mittlere oder höhere Schule gegangen sind, ohne sich dort in besonderer Weise einzubringen.

Die nunmehrige Reform des Polytechnischen Lehrgangs und die Möglichkeit der Anrechnungen auch für den Übertritt in andere Schulformen beziehungsweise für die Schaffung eines Freiraumes, um sich etwa für eine Berufsreifeprüfung vorzubereiten, halte ich im Sinne der Durchlässigkeit im Bildungssystem für ausgezeichnet.


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Besonders erwähnen möchte ich auch, daß eine Reihe von Forderungen der Schülervertretung durch dieses neue Schulreformpaket verwirklicht werden, beispielsweise Forderungen der Österreichischen Schülerunion. Ich denke da etwa an die Ausweitung der Vertretungsrechte in der 5. bis 8. Schulstufe oder an die Wiederholung der Nachtragsprüfung. Das sind eine Reihe von Punkten, die eine echte Verbesserung darstellen.

Abschließend: Ich bin der Meinung, daß wir mit diesem Schulreformpaket in die richtige Richtung gehen, nämlich insofern, als wir auf eine Schule zugehen, die sich wieder verstärkt darauf konzentriert, die Schüler auf das Leben vorzubereiten, und die Schüler sich nicht in einer Schule befinden, die ausschließlich für sich selbst da ist. Wir lernen in der Schule für das Leben und nicht für die Schule selbst, und ich meine, daß in diesem relativ umfassenden Reformpaket eine Reihe von Ansätzen und Fortschritten enthalten sind, die diesem Grundsatz gerecht werden. (Beifall bei der ÖVP.)

11.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Auch Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten angeboten.

11.45

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Kollegin Partik-Pablé hat die Haltung unserer Partei zur Integration behinderter Kinder bereits deutlich klargelegt und diesbezüglich auch einen Abänderungsantrag eingebracht, der die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen soll, daß diese Integration auch Sinn macht.

Frau Bundesministerin! Da Sie nach mir zu Wort gemeldet sind, möchte ich Sie auf eine wesentliche Frage, die bisher ungeklärt blieb, ansprechen: Wo werden Behinderte das 9. Schuljahr absolvieren können, zumal Sie sich festgelegt haben, daß es eine Integration Behinderter in der Oberstufe nicht geben wird? Das heißt doch mehr oder weniger, es bleibt dann nur mehr das Polytechnikum als Möglichkeit für Behinderte, das 9. Schuljahr zu absolvieren.

Ob damit der Übertritt der Behinderten aus der Schule in das Arbeitsleben gut vorbereitet wird, kann ich nicht beurteilen, aber darüber werden wir wohl noch diskutieren müssen, Frau Ministerin. Ich erwarte mir dazu Ihre Vorstellungen.

Die beste schulische Integration macht meines Erachtens wenig Sinn, wenn die Diskriminierung dann beginnt, wenn die Behinderten ins Arbeitsleben eintreten sollen. Darüber müßten wir noch gemeinsam Vorstellungen entwickeln. Es soll eine wirklich entscheidende, gemeinsam erarbeitete Position geben, daß diese Integration dann auch wirklich ein abgerundetes Bild ergibt.

Was das Bundesministerium im Hinblick darauf bis jetzt getan hat, ist allerdings zu kritisieren. Frau Bundesministerin! Ich habe mir kurz angesehen, wie das Behinderteneinstellungsgesetz in Ihrem Ministerium vollzogen wird. Ich hoffe, die Vorstellungen, die man mit diesem neuen Gesetz umzusetzen beabsichtigt, sind andere als jene, die Sie haben, wenn es um die Erfüllung eines Gesetzes in Ihrem ureigensten Aufgabenbereich geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Bundesminister! Was wir aber trotz der Diskussion um die Integration Behinderter auch nicht vergessen sollten, ist die Begabtenförderung. Sie sollte uns genauso ein Anliegen sein. Es gibt nämlich eine große Zahl österreichischer Schüler und Schülerinnen, die als außerordentlich begabt einzustufen sind, die spielerisch das in der Schule Geforderte bewältigen und für die die Schule, in der sie sich derzeit befinden, keine Herausforderung mehr darstellt. Oft passiert es, daß diese begabten Kinder in der Schule als nicht anpassungsfähig, als verhaltensgestört oder als lernunwillig bezeichnet werden, weil sie aufgrund der Unterforderung naturgemäß gelangweilt und unausgelastet sind.

Es wäre also richtig, neben der Förderung der Integration Behinderter endlich auch einmal ein Begabtenförderungskonzept auf den Tisch zu legen und für den Bereich der Schule zu realisieren.


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Frau Bundesministerin! Ich glaube, daß die praktizierte Förderung lernschwacher Kinder durchaus in Ordnung ist, daß aber die Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen genauso notwendig ist. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Krüger, Rossmann, Dipl.-Ing. Schöggl und Kollegen betreffend Begabtenförderung in der Schule


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Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Frau Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ersucht, entsprechende Maßnahmen und Zielvorgaben zu setzen, um die außerordentliche Begabung von Schülern und Schülerinnen im Rahmen des Unterrichts zu fördern."

*****

Frau Bundesminister! Ein weiterer Punkt, der von unserer Seite kritisiert wird, ist die Abschaffung der Aufnahmeverfahren für berufsbildende Schulen. Es kann doch nicht so sein, daß man glaubt, mit der Abschaffung eine Verbesserung zu erreichen, denn in der Weise, wie man sich diese Aufnahmeverfahren jetzt vorstellt, ist eine Möglichkeit zur Einflußnahme vor Ort gegeben, weil es zu einer sehr subjektiven Beurteilung und zur Bevorzugung beziehungsweise Benachteiligung von Aufnahmswerbern kommen kann, weil da Beziehungen eine sehr, sehr große Rolle spielen können.

Zudem glaube ich, daß es nicht einfach ist, daß Zeugnisse verschiedener Schulen mit gleicher Benotung eine geeignete Entscheidungsgrundlage für die Aufnahme oder Nichtaufnahme in eine berufsbildende höhere Schule sein können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor allem wird aber übersehen, daß die Abschaffung der Tests dazu führt, daß die Beurteilung der Eignung der Schüler für den jeweiligen Schultyp damit völlig außer acht gelassen wird.

Uns scheint eine sinnvolle Adaptierung der Aufnahmeverfahren die bessere Lösung zu sein als der von Ihnen vorgeschlagene Weg. Deshalb bringe ich in diesem Zusammenhang folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Krüger, Mag. Dr. Grollitsch, Rossmann, Dr. Partik-Pablé, Mag. Haupt und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

Z. 47 entfällt.

*****

Der zweite Abänderungsantrag betrifft die land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulen. Dieser lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Krüger, Mag. Dr. Grollitsch, Rossmann, Dr. Partik-Pablé, Mag. Haupt und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

Z. 3 entfällt.

*****

Frau Bundesministerin! Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Ziffer 65. Im § 46 Abs. 3 wird die Werbung für schulfremde Zwecke geregelt. Zum einen, Frau Bundesministerin, widerspricht die Werbung bei Kindern unter 14 Jahren der UNO-Kinderrechtskonvention – das soll hier einmal festgehalten werden –, und zum anderen sollte die Werbung für politische Gruppierungen unter Bedachtnahme auf eine Beeinflussung der Schüler ausdrücklich untersagt werden.

Sie sagen zwar immer, alle im Parlament vertretenen politischen Parteien haben die gleiche Möglichkeit, in den Schulen aufzutreten, die Praxis zeigt jedoch, daß das nicht der Fall ist. (Abg. Dr. Höchtl: Das ist etwas anderes, das ist nicht Werbung, sondern politische Bildung!) Ich kann Ihnen, Herr Kollege Höchtl, viele Beispiele, auch solche aus meinem Bundesland, auf den Tisch legen, die zeigen, daß immer wieder nur vier Parlamentsparteien eingeladen werden, in der Schule aufzutreten. Das hat es in der Bundeshandelsakademie in Oberpullendorf beispielsweise einmal gegeben. Es war Herr Präsident Fischer, der damals dort politische Werbung für seine Partei gemacht hat. Anwesend waren auch der Abgeordnete Kiss von der ÖVP, die Kollegin Stoisits von den Grünen und die Kollegin Schmidt vom Liberalen Forum.

Auf meine Frage, warum kein Politiker von den Freiheitlichen dort war, wurde mir geantwortet: Den haben wir halt vergessen einzuladen. So "vergessen" immer wieder die Schulen, Politiker der Freiheitlichen Partei zu diesen Veranstaltungen einzuladen. Deshalb ist diese Passage für uns untragbar. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Werbung und politische Diskussion sind zwei verschiedene Dinge!)

Deshalb bringe ich auch in diesem Zusammenhang einen Abänderungsantrag ein, der da lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Krüger, Mag. Dr. Grollitsch, Rossmann, Dr. Partik-Pablé, Mag. Haupt

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

Z. 65 wird wie folgt geändert:

§ 46 Abs. 3 lautet wie folgt:

"(3) In der Schule bei Schulveranstaltungen und bei schulbezogenen Veranstaltungen darf für schulfremde Zwecke nur dann geworben werden, wenn die Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schule (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes) hiedurch nicht beeinträchtigt wird. Parteipolitische Werbung ist ausdrücklich untersagt."

*****

Sie werden kein Problem haben, Herr Kollege Höchtl (Abg. Dr. Höchtl: Mit Ihnen habe ich ohnehin keines, aber mit Ihrer Auffassung manchmal!) , diesen Antrag mit zu unterstützen, weil Sie – davon bin ich überzeugt – für eine parteipolitisch freie Erziehung unserer Kinder in den Schulen sind. Ich glaube, diesbezüglich sind wir derselben Ansicht.


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Folgender Punkt – Herr Kollege Höchtl, dieser betrifft gerade Sie! – sollte auch noch zur Sprache kommen, und zwar steht er in einem Zusammenhang mit dem Schulzeitgesetz. In Vorarlberg besteht, wie Sie wissen, das Problem, daß die Semesterferien mit den Faschingsferien der benachbarten Länder zusammenfallen und dadurch für den Tourismus ein großes Problem entsteht. Das wurde von den Freiheitlichen rechtzeitig erkannt, die bereits im Jahre 1995 einen diesbezüglichen Abänderungsantrag eingebracht haben. (Abg. Dr. Höchtl: Es hat einen ÖVP-Antrag im Ausschuß gegeben!) Der Kollege Kopf ist mit einem Jahr Verspätung draufgekommen und hat auch einen Antrag eingebracht, und zwar desselben Inhalts. (Abg. Dr. Höchtl: Das ist nicht wahr!) – In Ordnung.

Aufgrund dieser Anträge wurde die Einsetzung eines Unterausschusses beschlossen, um dieses Problem zu lösen.

Herr Kollege Höchtl! Ich werfe Ihnen vor, daß Sie bis heute nicht fähig waren, einen Unterausschuß einzuberufen. Die Problematik ist also bis heute nicht gelöst ist, obwohl es bereits im Feber diese Ferien gibt. Es wird der Tourismus in Vorarlberg fürchterlichen Schaden nehmen, weil Sie nicht fähig sind, einen Termin für einen Unterausschuß festzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden einen diesbezüglichen Fristsetzungsantrag hier einbringen, und wir sind neugierig, wie Sie darauf reagieren werden. Sie geben sich als Vertreter der Wirtschaft aus – und sind nicht einmal in der Lage, einen Unterausschuß einzuberufen. So schaut es in Wirklichkeit aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Schweitzer! Sie haben drei Abänderungsanträge eingebracht, die sich auf Regierungsvorlagen beziehen, die hier behandelt werden. Diese drei Anträge sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Sie haben außerdem zu Beginn Ihrer Ausführungen einen Entschließungsantrag vorgetragen, der bis dato dem Präsidium nicht vorgelegt wurde. Ich kann daher die ordnungsgemäße Einbringung hier nicht feststellen. Ich bitte, das jetzt nachzuholen. Ich werde die entsprechende Feststellung nachher treffen.

Als nächste Rednerin ist Frau Bundesministerin Gehrer gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

11.55

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich freue mich, daß wir heute dieses umfangreiche Schulpaket diskutieren und beschließen können. Während in den achtziger Jahren eine sehr starke Zentralisierung im Schulwesen praktiziert wurde, versuche ich in meiner Amtszeit einen anderen Weg zu gehen, und zwar den Weg der Dezentralisierung, der Regionalisierung, der Entscheidungsfindung vor Ort.

Wir haben diesbezüglich bereits zahlreiche Maßnahmen getroffen. Ich erinnere beispielsweise an die Autonomie bei der Festlegung von Schulveranstaltungen, die neuen Lehr- und Lernformen, die Autonomie bei der Gestaltung der Stundentafel, die finanzielle Autonomie, zweckgebundene Gebarung und an unsere Modellschulen in ganz Österreich. Wir haben eine Arbeitsgruppe zur Neudefinition der Aufgabe der Schulaufsicht eingesetzt, und wir haben bereits Verwaltungsvorgänge ganz deutlich vereinfacht.

Mit diesem Schulpaket wird nun ein weiterer Schritt in Richtung Regionalisierung, selbständige Entscheidungsfindung und Eigenständigkeit an den Schulen vollzogen.

Die wichtigste Neuerung in diesem Bereich ist die Fortführung der Integration von behinderten Kindern, und zwar in den allgemeinen Schulen der Sekundarstufe I, also in der Hauptschule und in der AHS-Unterstufe.


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Mir ist aber genauso wichtig die Reform des Polytechnischen Lehrganges, der jetzt Polytechnische Schule heißt und eine wirkliche 9. Schulstufe zur Berufsvorbereitung darstellt.

Auch das Frühwarnsystem ist mir ein Anliegen. Ich meine, daß jedes Schulversagen eine negative Auswirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen hat, und daher möchte ich mithelfen, Schulversagen zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zu dem so heftig diskutierten Bereich der Integration behinderter Kinder.

Meine Damen und Herren! Die Forderung der Salamanca-Erklärung, die hier von der Kollegin Schaffenrath verlesen wurde, nämlich daß jedes Kind ein Recht auf Bildung hat, haben wir erfüllt. Bei uns hat jedes Kind ein Recht auf Bildung. Ich bitte Sie zur Kenntnis zu nehmen, daß die Sonderschule eine Regelschule ist. Noch einmal: Die Sonderschule ist eine Regelschule! Jede Schule, die im Schulorganisationsgesetz festgehalten ist, ist eine Regelschule. Und bei uns haben alle Kinder das Anrecht, in eine Regelschule zu gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Mein Anliegen beziehungsweise meine Zielsetzung ist: Ein geistig behindertes Kind muß jene Bildung bekommen, die es am besten befähigt, eigenständig, selbstbestimmt zu leben und am Gesellschafts- und Arbeitsleben teilzunehmen. (Beifall der Abg. Buder. ) Da müssen wir vor Ort entscheiden, was im jeweiligen Fall der Behinderung die beste Möglichkeit ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine immer noch, daß es Spezialschulen mit besonderen Förderungen geben muß, wo bei Behinderungen besondere Fähigkeiten erlernt werden, denn es ist dafür zu sorgen, daß das Kind auch später kommunizieren kann.

Nun zu unserem Gesetzentwurf: Es wurde bemängelt, daß die Zahl zu hoch ist. Aus bisherigen Erfahrungen zeigt sich, daß sich in Österreich die Zahl im Bereich der Integration auf etwa 4,9 eingependelt hat. Diese Durchschnittszahl ist also etwas bereits Erprobtes.

Ich meine auch, daß es wichtig ist, daß vor Ort die Entscheidung getroffen wird, welches der Schulangebote angenommen wird: die Sonderschule, das Sonderpädagogische Zentrum, eine Förderklasse, die Möglichkeiten von Kooperationsklassen oder die Möglichkeiten einer Integrationsklasse.

(Bedienstete des Hauses stehen an der Präsidiumsbank und sprechen mit dem Präsidenten.) – Herr Präsident! Ich kann mich kaum konzentrieren, weil da so laut diskutiert wird.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Entschuldigen Sie, wir mußten nur etwas klären. Bitte, fahren Sie fort.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer (fortsetzend) : Ich meine, daß wir im Bereich der Integration etwas mehr Vertrauen zu den Eltern, Schulen und Regionen haben sollten und ihnen zutrauen sollten, daß sie wirklich eine gute Entscheidung treffen. Wir sollten nicht ständig alle zentral bevormunden und für jeden Bereich eine zentrale Regelung und Vorschreibung bis ins kleinste Detail fordern.

Auf die meiner Meinung nach verächtlich machenden persönlichen Eingangsbemerkungen des Herrn Abgeordneten Öllinger will ich nicht näher eingehen.

Ich meine, daß Bildungspolitik von einem Konsens aller politischen Fraktionen getragen sein muß. An dieser Stelle möchte ich mich wirklich bei all jenen bedanken, die im Unterrichtsausschuß konstruktiv mitgearbeitet haben!

Auf drei Bereiche, die hier erwähnt wurden, möchte ich noch eingehen. Ich stelle zunächst einmal ganz klar fest, daß an unseren Schulen kein Analphabetismus entsteht! An unseren Schulen erhalten die Kinder vielmehr eine gute, grundlegende Bildung. Was durch das Gesetz ermöglicht werden soll, ist Sponsoring, und ich meine, daß das eine gute Möglichkeit ist, den


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Kindern über die Angebote, die der Schule gesetzlich vorgeschrieben sind, hinaus weitere Angebote machen zu können.

Dazu möchte ich auch noch folgendes feststellen: Im Bereich der Begabtenförderung wäre gar keine eigene Antragstellung notwendig gewesen. Ich habe bereits vor drei Monaten ein Referat für die Begabtenförderung eingerichtet. Demnächst wird die erste Konzeption zur besonderen Förderung für Begabte von mir vorgestellt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Daß wir die Integration sehr ernst nehmen und sie wirklich als Möglichkeit, als Angebot an unseren Schulen etablieren wollen, zeigt sich darin, daß von meinen Mitarbeitern im Ministerium bereits unterstützende Maßnahmen ausgearbeitet wurden.

Es wird im Sommersemester an den Pädagogischen Instituten Ausbildungsschwerpunkte geben. Jede Hauptschule und jede AHS soll sich mit einer Veranstaltung über die Integration informieren. Für Schulen, die im Schuljahr 1997/1998 damit beginnen, gibt es ein umfangreiches Informationspaket. Wir machen zusätzlich zum bereits geplanten Programm Veranstaltungsangebote. Wir schlagen einen Integrationstag auf Schul- oder Bezirksebene vor. Didaktische Veranstaltungen für Lehrer und Lehrerinnen werden geplant. Es wird Möglichkeiten zur Hospitation geben, und den Lehrern wird auch die Möglichkeit der Nachbesprechung geboten.

All diese Maßnahmen werden vom Ministerium gesondert gefördert und zusätzlich zum bereits bestehenden Programm angeboten. Wir werden den Pädagogischen Instituten etwa 1 Million Schilling zusätzlich dafür zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren! Ich denke, mit diesem Schulpaket hat sich ganz klar erwiesen, daß unsere Schule innovativ ist und daß auch unsere Lehrer innovativ sind. Daher möchte ich auch noch ein Wort zur derzeitigen Diskussion um die Beurteilung der Lehrerarbeit sagen. Ich meine, daß man es sich nicht so leicht machen darf, wie viele es tun! Ich meine, daß es sehr schwer ist, objektiv festzustellen, welche Lehrerarbeit, welcher Unterrichtsertrag gut ist. Ich meine, daß die Lehrer auch einen gewissen Schutz brauchen, weil nicht jede Elternbeschwerde auch objektiv berechtigt ist.

Natürlich ist es mir ein Anliegen, zu einer Qualität des Unterrichts und zu einer Möglichkeit, diese Qualität objektiv festzustellen, zu kommen. Ich habe daher eine Arbeitsgruppe beauftragt, Evaluationskriterien, moderne Kriterien für die Evaluierung von Leistungen der Lehrer im Unterricht festzulegen.

Ich meine, wir sollten wirklich sehr vorsichtig in der Beurteilung sein. Wir sollten auch berücksichtigen, daß sich jene Lehrer und Lehrerinnen, die eventuell keinen richtigen Unterrichtsertrag haben, wahrscheinlich auch selbst an dieser Schule nicht wohl fühlen. Das heißt, wir sollten ein Bündel von Maßnahmen machen, damit Einsteigen, Umsteigen und Aussteigen auch im Lehrerbereich leichter wird, und wir sollten es den Lehrern auch erleichtern, eventuell einen anderen Weg einzuschlagen. Wir dürfen nicht so vorschnell urteilen, daß schlechte Lehrer einfach entlassen werden müssen. Das ist eine grobe Vereinfachung, die unzulässig ist! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. )

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß immer mehr Aufgaben der Schule und den Lehrern aufgeladen werden. Das sollten wir auch einmal sehen. Der Lehrer muß Aufgaben übernehmen, die bisher vielleicht das Elternhaus und die Gesellschaft übernommen haben. Das geht nicht! Wir müssen wieder zu einer Aufgabenteilung kommen! (Beifall bei der ÖVP.)

Daß wir gute Lehrer haben, hat im Vorjahr eine OECD-Studie gezeigt. In Österreich, so sagten 78 Prozent der Befragten, wird in den wichtigen Fächern gut unterrichtet. Daß unsere Schüler insgesamt gut ausgebildet wurden, wurde ebenfalls in einer internationalen Studie festgestellt. In den naturwissenschaftlichen Fächern ist Österreich mit seinen 13- und 14jährigen Buben und Mädchen bei einer Beurteilung von 41 Ländern unter den zehn besten. Das ist doch ein Qualitätszeugnis für unsere Schule, für unsere Lehrer! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )


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Bei der Führung von Betrieben ist es wichtig, die Mitarbeiter zu motivieren. Ich meine, das ist im Schulbereich sogar besonders wichtig. Daher möchte ich allen Lehrern sehr herzlich für ihre engagierte Arbeit danken und möchte sie bitten, mit mir auf dem Weg, den diese Schulgesetznovelle beschreitet, weiterzugehen – zum Wohle unserer Schulen und zum Wohle der Schüler! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Stippel. )

12.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Bundesministerin. – Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.07

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Im vorliegenden Schulpaket hat meiner Ansicht nach der Bereich Integration eine besondere Bedeutung, und ich denke, daß dieses heute zu beschließende Gesamtpaket einen Reformschub darstellen muß und auch darstellen wird.

Integration in der Schule ist auch ein wichtiger Schritt zur gesellschaftlichen Integration. Wir Abgeordneten sind in den letzten Tagen mit Briefen überhäuft worden, in denen sowohl das Für als auch das Wider bei der Integration, vor allem der Integration geistig Behinderter, zur Sprache gekommen ist. Das zeigt, daß ein breiter Diskussionsprozeß in Gang gebracht wurde. Auch Presseaussendungen sind erfolgt, auf die ich noch zurückkommen werde.

Aus meiner Sicht hat Behindertenintegration in der Schule und die Diskussion darüber jedoch nichts mit Budgetumschichtungen, Quoten, verhinderter Elitenbildung – wie wir das auch heute wieder gehört haben –, Ausgrenzung, Zwangsbeglückung, Kindern zweiter Klasse, Herbergssuche oder sonstigem Kampfvokabular zu tun, wie es leider in Presseaussendungen der letzten Tage zu finden war.

Die soziale Integration geistig Behinderter ist eine rein politische Frage, und wenn man diese Frage mit ja beantwortet, dann ist es nur logische Konsequenz, daß man auch die formalen Rahmenbedingungen dafür einführt, die eine sinnvolle Integration erst möglich machen.

Zu diesen Rahmenbedingungen gehören die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl in den Integrationsklassen, Beratung, Information und Unterstützung von Lehrerinnen und Lehrern, neue Lehr- und Lernformen und dazu passende Unterrichtsmaterialen, verpflichtende Lehrerfortbildung und Supervisionsangebote, und dazu gehört auch weiterhin die Möglichkeit, den optimalen Bildungsweg für ein geistig behindertes Kind zu finden, der seinen Ansprüchen am ehesten genügt. Ziel muß in allen Fällen die soziale Integration und das Schaffen der Voraussetzungen dafür sein, daß alle Menschen ein möglichst selbstbestimmtes und eigenständiges Leben führen können.

Schulversuche in 600 Volksschulklassen, 363 Hauptschulklassen und 14 AHS-Klassen haben gezeigt, daß der Weg der Integrationsklassen ein guter ist. Daneben gibt es natürlich auch weiterhin die derzeit bestehenden Sonderschulen, die Sonderpädagogischen Zentren, die Kooperationsmodelle und Stützlehrersysteme. Das ist die Vielfalt des Angebotes.

Eine Studie über die Evaluierung von Integrations-Schulversuchen in Hauptschulen zeigt ganz klar, daß sich die Integration geistig Behinderter auf die Situation in den jeweiligen Klassen und Schulen ausgesprochen positiv auswirkt. Das sei allen Kritikern und all jenen, die diesem Integrationsmodell negativ gegenüberstehen, sehr deutlich gesagt! Ich kann Ihnen dazu auch einige Beispiele nennen.

In jenen Schulen, in denen Integration praktiziert wurde. gab es mehr pädagogische Aktivitäten und eine größere Zufriedenheit der Eltern mit der Schule. Die Eltern berichteten über größeres Förderbemühen sowohl für schwächere als auch für begabtere Schülerinnen und Schüler, und die Schulfreude der Kinder stieg. Außerdem zeigte sich ein stärkeres Bemühen in Richtung Lebensnähe, Zusammenarbeit und schülerzentriertem Unterricht. Schließlich gab es auch verstärkte Kooperation und Teamarbeit bei den Lehrern.


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All das sind Effekte, die ich als durchaus wünschenswert erachte und die allen am Schulleben Beteiligten etwas bringen, und zwar sowohl jenen, die behindert sind, als auch jenen, die die Schule als Schülerinnen und Schüler oder als Eltern oder Lehrende erleben.

Im nächsten Schuljahr sollten etwa 800 Hauptschulklassen und 60 AHS-Unterstufenklassen das Integrationsmodell anbieten. Dies wird auf freiwilliger Basis erfolgen, niemand wird zu irgend etwas gezwungen werden.

Kindern den Umgang mit "anderen" – unter Anführungszeichen – schon so früh wie möglich erlebbar zu machen, ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiges Unterrichtsziel, das auch dem § 2 SchOG, dem Zielparagraphen des österreichischen Schulsystems, Rechnung trägt.

Integration aus diesem Blickwinkel heraus hat aber auch etwas mit dem Einbeziehen von anderen, gesellschaftlich schwachen Gruppen zu tun. Dabei denke ich vor allem an Schülerinnen und Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache. Auch in diesem Bereich die Integrationsbemühungen zu verstärken, sollte unser nächster wichtiger politischer Schritt sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.13

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte am Beginn meiner Ausführungen zunächst den folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Partnerinnen und Partner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes des Unterrichtsausschusses (443 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Nach Ziffer 5 wird folgende Ziffer 5a eingefügt:

5a. Dem § 5 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt: "Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten nicht für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf."

2. Die Ziffer 6 wird ersetzt:

§ 9 Abs. 1:

"(1) Die Schüler sind vom Schulleiter unter Beachtung der Vorschriften über die Schulorganisation in Klassen (Jahrgänge) einzuteilen (Klassenbildung). In Klassen, in denen Schüler ohne und mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden, soll der Anteil an Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur jenes Ausmaß betragen, bei dem unter Bedachtnahme auf Art und Schweregrad der Behinderung die erforderliche sonderpädagogische Förderung erfolgen kann; in der Regel soll die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse vier Kinder nicht übersteigen. In den lehrgangsmäßigen Berufschulen hat der Schulleiter im Zusammenhang mit der Klassenbildung die Einteilung in die einzelnen Lehrgänge vorzunehmen, wobei nach Möglichkeit auf eine gleichmäßige Verteilung der Schüler auf die einzelnen Lehrgänge und auf rücksichtswürdige Umstände in sozialer und betrieblicher Hinsicht Bedacht zu nehmen ist."

3. Die Ziffer 31 wird ersetzt:

Dem § 25 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:


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"Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in einem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit "Genügend" beurteilt wurde."

4. Nach Ziffer 31 wird folgende Ziffer 31a eingefügt:

31a. § 25 Abs. 2 lautet:

"(2) Ein Schüler ist ferner zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis in nicht mehr als zwei Pflichtgegenständen die Note "Nicht genügend" enthält und

a) der Schüler nicht bereits im Jahreszeugnis des vorhergehenden Schuljahres in einem derselben oder beiden Pflichtgegenständen die Note "Nicht genügend" erhalten hat,

b) die betreffenden Pfichtgegenstände – ausgenommen an Berufsschulen – in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen sind,

c) die Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten des Schülers dies beantragen."

5. In Ziffer 60 (§ 42 Abs. 6) entfällt der letzte Halbsatz nach dem Strichpunkt.

6. Die Ziffer 65 entfällt.

*****

Nach dieser formellen Einbringung möchte ich mich jetzt drei Schwerpunkten zuwenden, und zwar den Schwerpunkten Integration, Werbung an Schulen und dem Umgang mit den Lehrern. Ich meine, daß gerade der dritte Punkt ein wichtiger Aspekt ist, und ich möchte hiezu auf die Ausführungen der Frau Bundesministerin noch näher eingehen.

Zur Integration: Ich meine – auch einige der Vorrednerinnen und Vorredner haben das schon betont, schon im ersten Debattenbeitrag war davon die Rede –, daß es hier nicht darum geht, daß wir geistig Behinderten, die wir als solche benennen, die Schulen öffnen. Dabei ist für mich schon die Bezeichnung "Behinderte" ziemlich problematisch. Man muß sich vorstellen, daß wir Menschen deswegen als geistig behindert bezeichnen, weil die Kommunikationsmöglichkeit mit ihnen offenbar teilweise unterbrochen oder erschwert ist, weil nicht alle Entfaltungsmöglichkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation in vollem Umfang zur Verfügung stehen, und daß wir nur aus unserer Position, die wir als "Normalität" bezeichnen, in selbstgefälliger Weise andere als "behindert" einstufen, und zwar im negativen Sinn des Wortes, nämlich als jemanden, der sozusagen "nicht mitkommt", der behindert ist. Daher gibt es auch gelegentlich Analogien zu "langsamer" oder "schneller". – Aber das ist nicht das Thema der Integration.

Das Thema der Integration lautet: Wie gehen wir mit Menschen um, die erkennbar Probleme haben, sich in unseren üblichen Kommunikationssystemen, unserer normalen Form der Interaktion, die wir im Regelfall üben, im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicher zu bewegen? – Das ist aber ein Problem der Beziehungsfelder und kein Problem von Schulzielerreichungen im traditionellen Sinn, von Zeugnissen, von Noten, von quantifizierbaren Lerninhalten. Das ist eine Frage der Beziehungsfelder zu diesen Menschen, von denen wir in einer an und für sich – man muß sich das bewußt machen! – wirklich unglaublichen Arroganz behaupten, sie seien behindert, obwohl wir mangels Kommunikation das gar nicht wirklich feststellen können.

Wir wissen nicht, was in diesen Menschen vorgeht. Wir wissen auch nicht, was in einem Menschen vorgeht, der im sogenannten Koma liegt. Wir wissen nicht, welche Wahrnehmungen er wirklich hat, was er möglicherweise alles erlebt und mitbekommt. Wir behandeln ihn eigentlich sehr eigenartig. – Und genau diese Muster verwenden wir vielfach auch im Bereich der geistig Behinderten.


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Einige von Ihnen haben am 29. Oktober 1996 in diesem Hohen Hause den Vortrag miterlebt, den Herr Professor Feuser von der Universität Bremen gehalten hat. Den Vortrag haben viele gehört, aber leider zu wenige von denen, die heute hier abstimmen werden. Er hat die These aufgestellt und auch schlüssig ausgeführt, daß es geistig Behinderte nicht gibt. Wer das gehört und dann auch die Diskussion von Betroffenen und Eltern miterlebt hat und trotzdem noch auf dem Standpunkt dessen bleibt, was heute hier beschlossen werden soll, handelt im menschenrechtlichen Sinn wider bessere Erkenntnis! (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Haidlmayr. )

Möglicherweise ist er gefesselt durch pragmatische Zwänge. Aber es wäre mir einfach lieber, wenn sich die verantwortliche Bundesministerin nicht hier heraus stellen und das als positiv beschreiben würde, ohne dazuzusagen, daß es eigentlich nicht positiv genug ist.

Wir haben Verständnis für pragmatische Zwänge, die vielleicht manchmal die schnelle Umsetzung von etwas erschweren. Wenn man zum Beispiel sagt: Das ist mein eigentliches Ziel, aber ich kann es jetzt nur teilweise erreichen!, dann ist das klar, ehrlich, deutlich und präzise. Wenn man aber so tut, als ob das, was man jetzt macht, bereits die Erreichung des Ziels ist, obwohl man, wenn man sich damit beschäftigt, weiß, daß es das nicht ist, dann ist das nicht klar und präzise, sondern schönfärberisch – und das ist nicht gut.

Das ist deshalb nicht gut, weil nämlich dann langsam bei dem, der diese Darstellungsform wählt, Selbsttäuschung entsteht, daß es wirklich so sei, wie er es aus Gründen der Opportunität darstellt.

Also er beginnt dann zu glauben, daß das, was er aus Werbegründen behauptet, wirklich so ist. Das koppelt auf ihn zurück. Damit behindert er sich übrigens selber in der Erkenntnis. Das ist vielleicht dann ein inverser Ansatz von Integration. Aber das wird es wohl nicht gewesen sein.

Daher bitte ich wirklich: Wenn schon nicht mehr möglich ist als das, was jetzt kommt, dann nehmen Sie bitte auch aus dem Munde der Fachleute – zu diesen zähle ich mich jetzt nicht – die fachliche Kritik an dem halben Schritt ernst, die Kritik, daß Sie dann, wenn Sie ausschließlich die Schulleiter bestimmen lassen, noch nicht einmal den halben richtigen Schritt machen. Also ein halber Schritt, und dieser ist noch dazu nicht richtig – Sie werden sich nicht wundern, daß wir das ablehnen.

Ich meine, wenn man diese Anliegen hat, dann soll man sie auch so umsetzen, daß sie glaubwürdig bleiben. Ich sehe aber, welche Resolutionen die Lehrergewerkschaft verfaßt, und da hat mich jene der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, höhere Schulen, Landessektion Oberösterreich, besonders schwer getroffen. Die Unterschrift auf diesem Zettel habe ich gekannt, sie war nämlich vom ehemaligen Klassenvorstand meines Sohnes. Ich hatte damals den Eindruck, daß dieser Mann vernünftiger ist. Mittlerweile ist er offenbar schon zu lange Lehrergewerkschafter.

Er hat den Standesaspekt so weit in den Vordergrund gerückt, daß die Kinder in den Hintergrund getreten sind. Und das ist wirklich schade, denn genau das ist der Grund, warum wir gelegentlich Probleme mit den Lehrern haben. Wir haben dann Probleme mit den Lehrern, wenn sie sich keineswegs so verhalten, wie man es erwarten könnte, nämlich offen gegenüber den Kindern und so weiter und so fort.

Daher begrüße ich, wenn die Frau Bundesminister meint, da müsse man Konzeptionen entwickeln, da müsse man Evaluationsmöglichkeiten schaffen. Nur bitte ich Sie: Lassen Sie das nicht die Lehrer ganz alleine machen! Wenn ich jemanden dazu einlade, über sich selber zu befinden, dann wird er in seiner Selbstbefangenheit dabei nicht das leisten, was er leisten sollte. Es wird sich kein Dialog entwickeln, sondern es wird dies ein Insidergespräch werden. Und Insidergespräche sind in diesem Fall nicht gut, wie auch Insidergeschäfte in anderen Bereichen nicht gut sind.

Das hat seine guten Gründe. Wenn sich zwei Betroffene gemeinsam überlegen, wie sie ein Problem überwinden können, dann wählen sie nicht den schweren Weg, sondern den leichten Weg.


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Es vergeht viel Zeit, bis wir das Problem gelöst haben, und in dieser Zeit werden sehr viele Kinder geschädigt, weil sie nicht jene Schule haben, die sie haben sollten. Da wird es eben auch an das Dienstrecht gehen müssen.

Sie sagen so salopp, Frau Bundesminister, es werde nicht gehen, daß man schlechte Lehrer entläßt. Das ist von Ihnen zu kurz gedacht! Natürlich ist es nicht das Ziel, diese Leute auf die Straße zu schicken, aber man muß sie aus dem System herausnehmen können, man muß sie als Lehrer herausnehmen können. Wenn dann Umstiegsmöglichkeiten vorgesehen sind, welcher Art auch immer, werden Sie uns ganz auf Ihrer Seite finden. Aber das Ziel dabei muß sein: Schlechte Lehrer dürfen nicht an der Schule bleiben! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn jemand das mit der Begründung ablehnt, daß derjenige, der das sagt, offenbar verlangt, daß der schlechte Lehrer unter die Reichsbrücke geschickt wird, dann ist das polemisch. Wenn ich sage, er soll nicht an der Schule bleiben, heißt das, daß ich ein zusätzliches Problem habe, nämlich daß ich mir außerdem dann einfallen lassen sollte, was ich ihm als Alternative anbieten kann, wenn ich ein fürsorglicher Dienstgeber bin. Hoffentlich sind die öffentlichen Hände, die das ja meistens betrifft, fürsorgliche Dienstgeber. Das unterstelle ich.

Nur: Viel Zeit haben wir nicht, denn jedes Schuljahr, das verlorengeht, bedeutet für Hunderte, ja Tausende Kinder und deren mit betroffene Familien schweres Leid und schwere Nachteile in der emanzipatorischen Entwicklung. Da haben eben die vielen Kinder, wenn Sie schon den menschlichen Aspekt nicht im Vordergrund sehen, mit ihren menschlichen Anliegen Vorrang vor den wenigeren Lehrern mit ihren auch menschlichen Anliegen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber beide Aspekte sind beachtenswert. Das möchte ich deutlich sagen. Ich bin völlig fern von jeder Lehrerhatz, ich habe kein gestörtes Verhältnis zu den Lehrern. Ich habe als jemand, der jetzt nur mehr ein, aber vorübergehend auch zwei Kinder gleichzeitig in Schulen hatte, vielleicht nur manchmal einen etwas klareren Blick.

Der nächster Aspekt, den ich hier noch vortragen möchte, ist jener der Werbung. Der Antrag, den ich hier eingebracht habe, hat sich damit beschäftigt. Er ist, wenn man ihn studiert, klar erkennbar in der Tendenz. In der Begründung wird ausgeführt, warum wir der Meinung sind, daß das, was dieses Gesetz vorsieht, ein Spiel mit unredlichen Argumenten ist.

Natürlich wäre es interessant und innovativ, wenn man Möglichkeiten eröffnet, wie sich Partnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen herausbilden können, die dann unter Umständen unter dem Aspekt Sponsoring oder Werbung laufen. Das ist sicherlich richtig. Nur, das, was Sie jetzt hier machen, ist der schnelle Versuch – die Abkürzung, die Direttissima –, Werbemittel zum Stopfen von Löchern zu gewinnen, die eigentlich deswegen da sind, weil die öffentliche Aufgabe Schule von uns nicht ernst genug genommen wird. Da wir unter dem Titel: Die Kassen sind leer, das Budget ist eng! jetzt bemerken, daß wir eben bestimmte Reformen zu spät gemacht haben, daß hier und dort Geld fehlt, und damit das nicht so deutlich sichtbar wird, wird im Bypass jetzt ein Abkürzer genommen und direkt Werbung in die Schule geleitet.

Das einzige Hindernis, das Sie in Ihren Argumenten dieser Werbung entgegenstellen, ist: Es darf dann nicht geworben werden, wenn es den grundsätzlichen Schulzielen widerspricht. Dazu kann ich nur sagen: Ich hoffe, daß das eine überflüssige Tautologie ist, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie in diesem Hohen Haus irgend etwas beschließen lassen wollen, was den Schulzielen widerspricht. Daher ist dies eine Scheinbegründung und entlarvt den Vorschlag, den Sie hier machen, als einen untauglichen Versuch, ans schnelle Geld heranzukommen.

Sponsoring und Werbung in der Schule setzen eine handlungsfähige, autonome Schule voraus, ein Konzept dahinter und nicht nur ein Taferl an der Klassenzimmertür: Diese Klasse hat die Raiffeisenkasse Ampfelwang gesponsert!, damit sich das Kind bis ans Ende seiner Tage merkt: Die einzige Bank, der man vertrauen kann, ist die Raiffeisenkasse. – Das ist nicht gut! (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine gute Bank!) Auch wenn ein anderer Bankenname dort steht, ist das nicht gut.


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Wenn wir Mittel aus dem, was man Werbung oder Sponsoring nennt, für Schulen gewinnen wollen, dann müssen wir intelligente Konzepte haben und dürfen nicht wie ein Ertrinkender den Strohhalm des schnellen Geldes der Werbung ergreifen. Das ist nicht pädagogisch, das ist schlecht, und das ist hilflos. Offenbar ist die österreichische Bundesregierung in Fragen der Schulpolitik recht hilflos. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte, Frau Abgeordnete. Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

Bevor ich Sie bitte, mit Ihren Ausführungen zu beginnen, möchte ich noch nachtragen, daß der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Kier am Beginn seiner Rede verlesen hat, ausreichend unterstützt ist und mit in Behandlung steht.

12.28

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Danke, Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Lassen Sie mich auf ein paar Dinge besonders Bezug nehmen und ein kleines Faktum in Erinnerung rufen.

Das große Schulgesetzwerk 1962 hat mit der Regelung der Sonderschulen einer besonderen Erkenntnis Rechnung getragen. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts hat man Bildsamkeit für alle als evidente Erkenntnis festgeschrieben und 1962 schließlich die Konsequenzen gezogen.

Was ist danach weiter geschehen? – Wir können von einer "Medizinierung der Sonderpädagogik" sprechen. Das heißt, mit dem Fortschritt der medizinischen Erkenntnisse hat man sich auch Fortschritte in der Betreuung, in der Förderung behinderter Menschen erwartet. Dieser Fortschritt war natürlich auch von der Hoffnung genährt, daß Lehrer, indem sie als Sonderpädagogen stärker mit der Medizin zu tun haben, in ihrem Prestige steigen werden; es wurde damit also ein zu steigerndes Ansehen verknüpft.

Auf diese Erkenntnis hin hat man dann – auch wieder als kleine Erinnerung – bis in die Nachkriegsjahre herein vor allem in der Pionierstadt Wien sonderpädagogische Einrichtungen geschaffen: für Sehbehinderte, für Hörbehinderte, für Mehrfachbehinderte; Galileigasse, Waltergasse, Zinkgasse – wie immer diese Institutionen im einzelnen geheißen haben. Man hat die Schulen auf dem flachen Lande, die faktisch Integration betrieben haben, die nicht separiert haben, gescholten und geschimpft und gesagt, diese würden nicht auf der Höhe der Zeit fördern.

Ich bringe das nur in Erinnerung, weil wir heute – zumindest manchmal habe ich diesen den Eindruck – ein bißchen in Verkennung dieser Geschichte diesen Aspekt mißachten.

Ich erinnere auch – und das sei besonders an die Grünen gerichtet, die offenbar nicht mehr an der Debatte teilnehmen – an folgendes Faktum: In den frühen siebziger Jahren wurde das interfakultäre Institut für Sonder- und Heilpädagogik in Wien gegründet, das sich aus Medizinern und Pädagogen zusammengesetzt hat und auch von zwei Personen aus diesen Fakultäten geleitet wurde. Im Zuge der Entwicklung weg von der Medizin hin zur Pädagogik – man konnte das "Fach" ja auch nur als Fächerkombination mit Pädagogik studieren – gab es Aufregung und Proteste von den Grünen. Also nicht zuviel Pädagogik und nicht zuviel spezifische Förderung, sondern mehr Medizin war offenbar die Konsequenz. Heute wissen Sie anscheinend nichts mehr von diesen Dingen.

Der Erkenntnisfortschritt lag darin, daß Bedingungen genannt werden konnten, welche fördernd und welche hemmend, und zwar für Integration und Förderung, sind.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, halte ich den Beitrag von Professor Feuser – ich konnte ihn nur nachlesen und nicht selber hören, weil ich verhindert war – gewissermaßen für einen sehr akademischen Beitrag, wenn er dem Sinne nach sagt, Behinderung gebe es nicht; das würde ich auch gerne mit Kollegen Kier ausdiskutieren.


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Jetzt kann ich mich differenztheoretisch auf die dahinter liegende philosophische Diskussion einlassen, jetzt kann ich differenztheoretisch argumentieren und bei Foucault, Lacan und Deleuze anschließen und sagen: Na, damit erspare ich mir eigentlich das Reden für die Pragmatik. Was mache ich damit? Behinderung gibt es nicht. Ich kann dann in der Spielerei verharren und keine Antworten auf die Fragen geben: Was tue ich am konkreten Ort? Wie fördere ich? Welche Angebote soll es geben?

Dieses heutige Gesetz gibt Antworten darauf. Wir sollten ein bißchen Vertrauen haben und nicht in akademische Spielereien verfallen. (Beifall bei der ÖVP .) Ich stehe zur Weiterentwicklung der Diskussion bereit.

Also von einer "inversen Integration" zu reden mit der Begründung, daß man nicht Feuser gefolgt wäre, ist ein bißchen weit hergeholt.

Ich bringe in Erinnerung, meine Damen und Herren, daß sich die Schule verändert, weiterentwickelt und die Bildungs- und Unterrichtsziele modifiziert hat. Das kann aber nicht heißen, daß eben gemachte Erkenntnisse, ein Erkenntnisfortschritt durch politisches Moralisieren ersetzt werden kann. Ich beobachte das aber vielfach. Der vorgeschlagene Weg ist jedoch die größtmögliche Chance, den Erkenntnissen und den sozialen und politischen Bemühungen Rechnung zu tragen.

Ich verweise wieder auf den Einwand des Kollegen Öllinger, der nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben soll. Abgeordneter Öllinger hat sinngemäß gesagt, die wirkliche, die entscheidende Motivation liege in der Integrationsfrage jenseits der finanziellen Ebene. Da stimme ich ihm völlig zu. Es braucht natürlich eine finanzielle Basis zur Ausstattung, aber das, was Ethos und Verantwortung des Lehrers ist, kann ich nicht durch Schilling und durch Überstunden garantieren. Das muß im Herzen der Lehrer liegen, und da glaube ich auch an die Motivation.

Noch eine Anmerkung zum Analphabetismus. Die Studie kennen wir alle, sie ist nicht neu. Sie sagt auch, wo die Versäumnisse liegen; wir müssen uns dem Problem stellen. Also: In den Kulturtechniken liegen die Versäumnissse. Man spricht ja präziser vom partiellen Analphabetismus, von der mangelnden Fähigkeit, sinnerfassend zu lesen. Da müssen wir unsere didaktischen Moden und praktischen Spielereien überprüfen. Vielleicht haben uns diese vom eigentlichen Ziel abgelenkt. Das ist in Wirklichkeit die Konsequenz, die wir daraus zu ziehen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine auch, daß in diesem Zusammenhang der Erlaß von Präsident Scholz aus dem Vorjahr oder davor zur Begrenzung der Hausübungen genau gezeigt hat, wo das Problem liegt, nämlich in dem Umstand, daß wir in der Schule die alte Stufenlehre nach Herbart, oder wer immer es in der Nachfolge war, ignoriert haben. Den Weg des logischen Aufbaus, des Darstellens, des Erprobens, des Übens haben wir verlassen. Das Üben ist dann systematisch in die Hausübung gewandert. Damit waren Schüler, Eltern und letztlich Lehrer überfordert und sind oft stundenlang damit beschäftigt gewesen. Dann kam der Erlaß betreffend die Begrenzung der Hausübungen. Aber wir brauchen keine Symptomkur, sondern Schadensbehebung an der Wurzel ist gefragt!

Nun ein Punkt zur Werbung, meine Damen und Herren. Die Frau Minister hat dankenswerterweise richtiggestellt, daß es dabei um Sponsoring geht. Hier im Raum sitzen vor allem Politikerinnen, die gute Erfahrung mit Sponsoring im Non-profit-Bereich gemacht haben, in sogenannten gemeinnützigen Organisationen, in sozialen Einrichtungen, Betreuungs- und Bildungsorganisationen. Meine Damen und Herren! Nützen wir diese guten Erfahrungen! Sie sind meines Wissens zum Nutzen der Betroffenen gewesen.

Noch ein Wort an den Kollegen Schweitzer. Wenn er Angst hat vor politischer Manipulation, dann kann ich nur sagen: Wie der Schelm ist, so denkt er offenbar vom Nächsten. Ich habe mich immer sehr geprüft, wenn ich in Schulen in Diskussionen gegangen bin und mit den Schülern diskutiert habe. Das heißt, ich habe mit Sorgfalt begründet und argumentiert und nicht polemisiert und nicht politisch manipuliert.


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Meine Damen und Herren! Wir stehen hier vor einer Entscheidung, wo wir zu wichtigen Schritten im Schulwesen ja sagen können. Bedenken wir doch abschließend noch einiges dazu, das uns Auftrag für die Zukunft sein sollte.

Immer mehr und immer stärker ausdifferenziertes Wissen hat uns mit einer Unübersichtlichkeit konfrontiert, vor der wir gerne mittels einfacher Antworten zu fliehen versuchen. Das Ende der Verläßlichkeit von Systemen, Strukturen, klassischen Konfigurationen hat aber die Sehnsucht nach Idyllen vergrößert und nach einfachen Antworten suchen lassen und letztlich in einer Neigung, die dann Total-Pädagogisierung heißt, gemündet. Infotainment, Edutainment ist an die Stelle von Anstrengung und Disziplin getreten. Schließlich haben wir das individuelle Schuldig-werden überhaupt verbannt. Wir haben dafür das gesellschaftliche Schuldigwerden eingeführt.

Wenn Integration – so abschließend – nicht nur ein modisches Codewort für Gewissensbetäubung sein soll, so muß es im pädagogischen Ethos verankert sein. Integration darf daher weder auf stumpfe Eingliederung reduziert, noch auf Gleichschaltung ausgerichtet werden. Das ist nämlich auch die Konsequenz aus einer Anpassung an die bestehenden Verhältnisse. Das heißt, die in der Schule pädagogisch tätigen, also Bildungshilfe leistenden Personen stehen in einer unaufhebbaren Verantwortung, aus der sie keine zeitgeistige Mode, keine politische Vorgabe und auch kein legistischer Beschluß verabschieden können. Gehen wir an die Arbeit, die Weichen sind gestellt! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

12.37

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen, um nicht dann mit der Zeit ins Trudeln zu kommen, einen Abänderungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Unterrichtsausschusses (443 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (417 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. ad Z 5 (des Ausschußberichts):

Dem § 5 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt:

"Abweichend von den vorstehenden Bestimmungen setzt die Aufnahme von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf den Besuch der 4. Stufe der Volksschule oder der entsprechenden Stufe der Sonderschule für die Aufnahme in die 1. Klasse einer allgemeinbildenden höheren Schule voraus."

2. ad Z 6:

Der § 9 Abs. 1 lautet:

"(1) Die Schüler sind vom Schulleiter unter Beachtung der Vorschriften über die Schulorganisation in Klassen (Jahrgänge) einzuteilen (Klassenbildung). In Volksschulklassen, in denen Schüler ohne und mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden, soll der Anteil an Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur jenes Ausmaß betragen, bei dem unter Bedachtnahme auf Art und Schweregrad der Behinderung die erforderliche sonderpädagogische Förderung erfolgen kann; in der Regel soll die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse vier Schüler nicht übersteigen. In den lehrgangs


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mäßigen Berufsschulen hat der Schulleiter im Zusammenhang mit der Klassenbildung die Einteilung in die einzelnen Lehrgänge vorzunehmen, wobei nach Möglichkeit auf die gleichmäßige Verteilung der Schüler auf die einzelnen Lehrgänge und rücksichtswürdige Umstände in sozialer und betrieblicher Hinsicht Bedacht zu nehmen ist."

3. ad Z 10:

Der § 11 Abs. 7 lautet:

"(7) Der Schulleiter hat aufgrund der Zeugnisfeststellung über die Gleichwertigkeit eines Pflichtgegenstandes entsprechend dem Lehrplan von der Teilnahme eines solchen Pflichtgegenstandes zu befreien. In diesem Zusammenhang haben berufsschulpflichtige Absolventen der Polytechnischen Schule alternative Unterrichtsangebote zum Erwerb zusätzlicher beziehungsweise höherer Qualifikationen zu besuchen. Durch Verordnung des Landesschulrates können für einzelne Schulen oder für den Bereich des betreffenden Bundeslandes aufgrund der Lehrplanvergleiche nähere Bestimmungen für die Entscheidung des Schulleiters erlassen werden. Ferner hat der Schulleiter einen Schüler einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule, der eine Lehrabschlußprüfung erfolgreich abgelegt hat, auf dessen Antrag im praktischen Unterricht vom Unterricht in jenen Werkstätten zu befreien, deren Lehrstoff durch die Ausbildung im Lehrberuf nachgewiesen wird."

4. ad Z. 31:

Dem § 25 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

"Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in einem oder mehreren Pflichtgegenständen die Note ,Nicht genügend’ enthält und diese Pflichtgegenstände vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit ,Genügend’ beurteilt wurden."

5. ad Z. 43:

§ 32 Abs. 2 lautet:

"(2) Schüler von Sonderschulen sind mit Zustimmung des Schulerhalters und mit Bewilligung der Schulbehörde erster Instanz berechtigt, eine Sonderschule über den im Abs. 1 genannten Zeitraum hinaus zu besuchen."

*****

Jetzt zur eigentlichen Diskussion: Schwerpunkt meines Beitrages ist, wie zu erwarten war, der Bereich der schulischen Integration.

Frau Ministerin! Der Entwurf, der uns vorgelegt wurde und der heute als Gesetz beschlossen werden soll, bringt uns zwar ein kleines Stück weiter, haut uns aber gleichzeitig auch um Jahre zurück. Allein die Tatsache, daß in diesem Gesetz festgeschrieben wird, daß mindestens fünf behinderte Kinder vorhanden sein müssen, um eine Integrationsklasse einrichten zu können, zeigt, daß versucht wird, Integration weiterhin zu verhindern.

Ich habe mich gewundert, daß man auf die Zahl "fünf" kommt, und habe versucht, das zu hinterfragen. Frau Abgeordnete Moser konnte mir helfen, Sie hat mir erklärt: "Fünf" komme deshalb zustande, weil derzeit durchschnittlich 4,9 behinderte Kinder in Integrationsklassen sind. – Das kann nicht stimmen (Zwischenruf der Abg. Dr. Sonja Moser ) , denn wenn bis jetzt festgeschrieben war, daß maximal vier behinderte Kinder in einer Integrationsklasse sein dürfen, dann kann der Durchschnitt nicht bei 4,9 liegen. Ihr Rechenfehler – und diesen haben Sie bewußt gemacht – zeigt, daß Sie die Kooperationsklassen miteingerechnet haben!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie auch nur ein bißchen Verständnis für Integration haben und sich im Bereich der schulischen Integration ein bißchen auskennen, dann müßte Ihnen


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schon lange klar sein, daß Kooperationsklassen keinesfalls Integrationsklassen sind, sondern nach wie vor Sonderschulklassen. Wer die Eltern belügen oder irreführen will, indem er versucht, ihnen weiszumachen, daß sie das Kind in eine Kooperationsklasse geben sollen, dem muß klar sein, daß er dieses behinderte Kind damit nach wie vor in die Sonderschule schickt. – Kooperationsklassen sind Sonderschulen. Das kann nicht laut und oft genug gesagt werden!

Es ist unzumutbar, menschenunwürdig und entspricht keinesfalls dem Gleichheitsgrundsatz, wenn behinderte Kinder nur deshalb, weil sie behindert sind, in Unterrichtsfächern aus der Klasse geschmissen werden, weil sie dort vielleicht stören könnten. – Es ist so! In Kooperationsklassen werden zum Beispiel in Deutsch oder in anderen wichtigen Fächern behinderte Kinder aus der Klasse gewiesen. Jene, die das nicht glauben, mögen sich eine Kopie der gestrigen "Zeit im Bild" oder eine Kopie der Sendung vom Dienstag holen. Es ist so in der Praxis!

Wenn man heute sagt, diese Novelle sei ein Fortschritt, dann lügt man sich selbst an. Diese Novelle ist hinsichtlich der Integration kein Fortschritt, denn die Erhöhung der Zahl auf fünf macht Integration in Zukunft unmöglich, außer man will – das habe ich auch der Wahrnehmung von Frau Moser entnommen –, daß auch sozial schwache Kinder als behindert deklariert werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. )

Mir wurde erklärt, bei den fünf Kindern gehe es gar nicht um rein geistig oder körperlich behinderte Kinder, darunter fielen auch sozial schwache Kinder. (Abg. Mag. Mühlbachler: Wovon reden Sie denn?) Wenn man heute sozial schwache Kinder stigmatisiert, indem man ihnen den Stempel der Behinderung aufdrückt, dann hört sich alles auf! (Abg. Steibl: Das tut ja kein Mensch!)

Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann frage ich mich, wie es in Zukunft möglich sein soll, fünf stark behinderte Kinder in einer Integrationsklasse qualitativ gut und hochwertig zu unterrichten. Das ist nicht möglich! Sie alle wissen, daß nicht einmal jetzt, wo nur vier Kinder in den Integrationsklassen sind, sichergestellt ist, daß die gewünschte Qualität erreicht wird. Es ist bis heute weder sichergestellt, daß für die Lehrer entsprechendes Lehrmaterial vorhanden ist, noch ist dafür gesorgt, daß in den Integrationsklassen Zweitlehrer vorhanden sind. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das hängt ja nicht von "vier" oder "fünf" ab! Der Schluß ist nicht logisch!)

Sie brauchen sich nicht so aufzuregen, Sie können dann hierher kommen und Ihren Unmut von diesem Podium aus kundtun.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, wie die Situation der Integrationslehrer in Österreich ist, ich kenne genug. Ich weiß auch, wie schwer es Lehrern gemacht wird, wenn sie in der Schule Integration haben wollen. Ich weiß noch viel besser, wie schwierig es ist, wenn engagierte Sonderschullehrer von der Sonderschule weg und in Integrationsklassen wollen: Die haben keine Chance! – Es wird versucht, Integration in der Schule nach allen Regeln der Kunst zu verhindern. Und Lehrern, die engagiert sind und Integration wollen, wird dies nicht ermöglicht! (Rufe bei der ÖVP: Wo? – Abg. Mag. Mühlbachler: Von wem reden Sie denn?) – Ich werde Ihnen das, wenn Sie wollen, später erzählen, aber unterbrechen Sie mich bitte nicht in meiner Rede! (Abg. Kiss: Behaupten Sie nicht etwas, was Sie nicht beweisen können! – Das ist ja unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Sie wissen, Österreich hat die Salamanca-Erklärung unterschrieben, aber davon wollen Sie nichts mehr wissen. (Abg. Kiss: Bei jeder Ihrer Rede kommen Sie heraus und behaupten Dinge, die Sie nie beweisen können! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Frau Ministerin Gehrer behauptet, die Sonderschule sei eine Regelschule so wie die Volksschule. Frau Ministerin Gehrer: Wozu brauchen wir dann die Sonderschule, wenn sie ohnehin eine Regelschule ist? – Dann hören wir doch auf mit diesem System, dann besteht doch überhaupt keine Notwendigkeit mehr dafür!

Wenn Sie glauben, daß die beste Möglichkeit für behinderte Kinder noch immer die Sonderschule ist, dann muß ich Ihnen sagen: In diesem Fall sind Sie schlecht beraten!


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Sie alle, die Sie hier herinnen sitzen, hätten, wenn Sie Abgänger oder Abgängerinnen einer Sonderschule wären, wahrscheinlich nie die Möglichkeit gehabt – schon allein aufgrund des Stigmas einer Sonderschule –, hier herinnen zu sitzen.

Ich war Sonderschülerin, und es war für mich nicht einfach, mein Leben so zu gestalten, daß ich dieses Stigma ausmerzen konnte. Ich habe 200 Prozent Nerven gehabt, daß ich es schaffte, mich durchzusetzen und wieder in die Gesellschaft zu kommen. Wer sie aber nicht hat, schafft es nicht. Ich bin nicht gut und nicht besser als alle anderen behinderten Kinder, ich habe nur mehr Glück gehabt, daß ich es schaffte, in die Gesellschaft integriert zu werden.

Sie, die Sie hier sitzen, können niemals behaupten, daß die Sonderschule für behinderte Kinder in vielen oder in einigen Fällen die beste Schule ist. Ich kann aufgrund meiner eigenen Erfahrung mitreden, sehen Sie mich als Expertin in dieser Sache, und lassen Sie sich von behinderten Menschen und deren Vertretern, also von jenen, die Integration wirklich haben wollen, beraten! Tun Sie nicht immer so, als wären Sie die Experten und als wüßten Sie, was gut für behinderte Menschen ist. Sie sind keine Experten! (Abg. Mag. Mühlbachler: Aber Sie sind die einzige Expertin!) Sie können sich aufgrund unserer Erfahrung weiterbilden!

Nehmen Sie es endlich zur Kenntnis: Dieses Schulgesetz ist ein Rückschritt und wird auch in Zukunft verhindern, daß behinderte Menschen in die Regelschule kommen! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Ich möchte meine Rede mit einem Zitat von Dr. Feuser abschließen und bitte Sie – jeden einzelnen von Ihnen –, dieses Zitat genau zu überdenken, bevor Sie über diese Novelle abstimmen.

Ich zitiere Dr. Feuser: Wenn ich einem behinderten Menschen begegne, ihn anschaue und denke, wie er denn sein könnte, beschreibe ich mich selbst: meine Wahrnehmung des anderen. Ob ich die daraus entstehende Chance nutze, mich selbst zu erkennen, steht auf einem anderen Blatt. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Bitte nehmen Sie dieses Zitat zur Kenntnis und überlegen Sie noch einmal, ob es nicht besser wäre, wenn dieses Schulgesetz nicht beschlossen werden und man sich Zeit nehmen würde, ein ordentliches, anständiges Gesetz zu schaffen, das den behinderten Menschen wirklich zugute käme. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

12.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Haidlmayr am Beginn Ihrer Ausführungen vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.50

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Frau Bundesministerin, zunächst einmal ein herzliches Dankeschön für das Lob, das Sie Lehrern ausgesprochen haben. Und da ich auch dieser Klientel angehöre, möchte ich hinzufügen: umso mehr ein herzliches Dankeschön.

Ich stimme voll mit Ihnen darin überein, daß den Lehrern immer wieder etwas aufgebürdet wird. Unter diesem Gesichtspunkt und aufgrund der Lösungsansätze, die die Lehrer in ihrer gewaltigen Aufgabenstellung immer wieder bewerkstelligt haben, kann ich Verständnis auch dafür aufbringen, daß sich die Lehrergewerkschaft so mancher Sorgen und Ängste annimmt und dabei gelegentlich etwas übers Ziel schießt, wenn es darum geht, entsprechende Anträge zu artikulieren, was eben Aufgabe einer Gewerkschaft ist.

Ich freue mich auch darüber – im Unterschied zur Abgeordneten Haidlmayr –, daß wir die Integrations-Novelle diesmal so rechtzeitig beschließen, daß die einzelnen Bundesländer die notwendigen Landesgesetze bis zum Eintritt in das Schuljahr 1997/98 bewerkstelligen können.


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Denn die Integration in der Sekundarstufe 1 ist ja nichts anderes als die logische Fortsetzung eines Gesetzeswerkes der frühen neunziger Jahre mit dem Regelbeginn im Schuljahr 1993/94.

Unter dem Aspekt, daß nicht genügend hervorragend ausgebildete Lehrer zur Verfügung standen, muß man den Lehrern gratulieren, daß sie trotzdem Integration durchgeführt und diese nicht verhindert haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich gebe schon zu, daß, wie Abgeordneter Öllinger gesagt hat, der Bericht im "Report" vom Dienstag kein ermutigender für die Integration gewesen ist, denn es kann nicht Sinn einer guten Integration sein, daß Schüler, die integriert sind, bei bestimmten Unterrichtsabläufen in einen Nebenraum gebracht werden, wie das in der genannten Fernsehsendung zu sehen war.

Man muß aber auch sehen, unter welchen Aspekten Unterricht bei dem gezeigten Beispiel stattgefunden hat. Es ist in dem genannten Fall schon so viel falsch gelaufen, daß man der betreffenden Lehrerin eigentlich nur dazu gratulieren kann, daß sie überhaupt Integration betreibt.

Ich stimme völlig zu, daß dann, wenn jemand, nämlich die genannte Lehrerin, das Unterrichtsgeschehen in der heutigen Zeit in der Grundschule so ablaufen läßt, daß die Schüler wohlgeordnet zur Tafel gehen und darauf "Ansage" schreiben und alle, die dieses nicht bewerkstelligen, aus dem Raum geführt werden, sicher sehr viel falsch ist. Aber trotzdem glaube ich, daß diese Lehrerin das Beste für die Integration versucht hat. Ich meine, es ist besser, daß sie in diesen Bereich eingestiegen ist, als daß sie Integration von vornherein abgelehnt hätte.

Sehr wichtig ist daher, sehr geschätzte Frau Ministerin – und darum bitte ich –, eine Offensive einer gezielten, umfassenden Lehrerfort- und -weiterbildung. Wir werden damit den Lehrern die Ängste nehmen können, und es werden dann auch nicht mehr Dinge, die heute zitiert worden sind, passieren.

Ich habe aber bei diesem Gesetzeswerk bezüglich so mancher Regelung meine Bedenken. Es sind in dieser Novelle Bestimmungen enthalten, die meiner Meinung nach zuwenig weitreichend sind, wie zum Beispiel die Bestimmung, die da heißt, daß in Schulen mit Leistungsdifferenzierung bei Schülergruppen keine Leistungsdifferenzierung durchgeführt werden muß, wenn Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden. Das ist meiner Ansicht nach zuwenig klar, denn es könnte im Extremfall so sein, daß Leistungsgruppen geführt werden und dann – das fürchte ich – unter Umständen Integrationskinder in solchen Leistungsgruppen sitzen würden, in die sie bei Gott nicht gehören. – Ich glaube, Sie wissen, was ich damit meine. Da würde eine umfassendere, klarere Regelung vielleicht so manches im Schulalltag erleichtern.

Ich habe auch meine Probleme mit den Leistungsgruppen, wenn bei den Übertrittsmöglichkeiten festgeschrieben ist, daß keine Aufnahmsprüfung in das berufsbildende Schulwesen gemacht werden muß, wenn man die zweite Leistungsgruppe mit einem "Gut" abschließt. Diesbezüglich finde ich verschiedene Auffassungen.

Im § 22 SchOG ist nämlich für den "ausgezeichneten Schulerfolg" eine Notenabstufung innerhalb der Leistungsgruppen von einer Stufe vorgesehen. Als logische Konsequenz würde sich ergeben, daß die Note "Drei" in der zweiten Leistungsgruppe sehr wohl noch einem "Genügend" in der ersten Leistungsgruppe und damit den Leistungen einer AHS-Unterstufe entspricht.

Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich habe es bereits im Ausschuß gesagt: Auch für den Polytechnischen Lehrgang hätte ich mir bei der Umbenennung in "Polytechnische Schule" einige markantere Darlegungen gewünscht, damit nicht wieder so viele Umgehungsmöglichkeiten hinsichtlich des Angeschlossenseins und somit der Nichterfüllung der neuen und zu erwartenden Lehrplanziele gegeben wären.

Abschließend: Abgeordneter Schweitzer hat heute bemängelt, daß bei der Lockerung des Werbeverbots nicht dezidiert das Verbot der politischen Werbung angesprochen wurde. Er hat Präsidenten Fischer zitiert, der angeblich in Oberpullendorf solche betrieben hat. – Dazu fallen mir nur Medienaussagen ein, nach denen der Turnlehrer Schweitzer auch in einer Schule


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Schüler zu seiner Überzeugung gebracht hat. – Ich glaube, Sie wissen, welche Medien ich meine, und Sie wissen auch, welche Schüler ich meine. (Beifall bei der SPÖ.)

12.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

12.58

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Vorweg möchte ich Kollegen Rada etwas mit auf den Weg geben: Er hat hier Kollegen Schweizer und unseren Antrag, in der Schule politische Werbung zu verbieten, mit Zeitungsmeldungen in Zusammenhang gebracht. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage Ihnen ganz offen: Die in den Zeitungsmeldungen genannten Schüler haben auch Elternhäuser, und vielleicht haben sie ihre Gesinnung von dort. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sollten das auch berücksichtigen, denn noch sind die Schüler länger im Elternhaus als in den Turnstunden in der Schule.

Ich glaube deshalb, daß es die Sozialdemokraten mit dem Verbieten der politischen Werbung in Schulen nicht so ernst nehmen, weil sie gerade daran sind, die Schulen in einer neuen Offensive noch mehr in das Zwangskorsett der politischen Werbung zu pressen, als das ohnehin schon der Fall ist.

Im Ausschuß ist blauäugig gesagt worden, daß die heutige Gesetzgebung ausreichend wäre, um so etwas in den Griff zu bekommen. In der täglichen Schulpraxis kann das allerdings mit Sicherheit nicht beobachtet werden. Es ist vielleicht dann so zu sehen, wie dies bei der Replik im Ausschuß von seiten der Sozialdemokraten zum Ausdruck kam, nämlich folgendermaßen: Die Sozialdemokraten betrachten die Schulen als ihren Besitz und ihr dortiges politisches Agieren fällt ihnen schon gar nicht mehr auf und sie merken nicht, daß es politische Werbung ist.

Wir Freiheitlichen werden an unserem Antrag und unseren Intentionen festhalten, weil wir daran interessiert sind, daß die Kinder im Schulbereich unbeeinflußt sind und sich im Laufe ihres Lebens ihre eigene Meinung bilden können, um dann, wenn sie mündige Bürger sind, von ihrer eigenen Überzeugung geprägt zu sein und nicht von den Werbemaßnahmen, die in der Schule durch Lehrpersonen auf sie niedergeprasselt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte noch etwas hinzufügen: Wenn in den Schulen Pädagogen tätig sind, die Kinder von Leuten aus technischen Berufen in Geiselhaft nehmen für technische Leistungen ihrer Väter – etwa im Straßenbau, im Eisenbahnbau, in der Architektur oder in anderen Dingen –, so muß ich sagen, ich habe kein Verständnis dafür, daß dann alternative politische Meinungen als Pression in der Auseinandersetzung mit den Kindern dieser Eltern eingesetzt werden. Das ist für mich als unpädagogisches Verhalten schärfstens zu verurteilen. Solche Pressionen sind jedoch in unseren Schulen gang und gäbe. Sie, Frau Bundesministerin, sind aufgefordert, solchen übersteigerten politischen Vorstellungen einzelner Lehrpersonen, die die Kinder in die Geiselhaft nehmen – ich möchte sagen, fast wie vor 50 Jahren –, in entsprechender Form energisch gegenüberzutreten! Ich halte das für keine Kavaliersdelikte, sondern für unpädagogische Pressionen, denen die Kinder ausgesetzt sind. Sie können erstens nichts dafür und sollten zweitens in der Schule nicht damit belästigt werden.

Aber das scheint ja überhaupt das Grundproblem unserer heutigen Regelschule zu sein: Die Schule ist schon lange nicht mehr das, was sie eigentlich sein sollte, sondern sie wird zur Vermittlung sehr vieler gesellschaftlicher Anliegen verwendet, die eigentlich in der Familie oder im privaten Bereich zu regeln, zu erlernen und in entsprechender Form zu perfektionieren wären.

Die Integration als soziale Integration von Behinderten – überhaupt im Bereich der Integration von geistig Behinderten – wurde und wird von mir immer unterstützt, aber man sollte gleichzeitig auch klar sagen, daß die soziale Integration geistig behinderter Schüler in der AHS mit Sicherheit nicht dazu führen wird, daß sie langfristig einen Maturaabschluß erlangen. Sie werden


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jedoch sozial integriert, und auch jene Schüler in der Klasse, die der normalen Regelschule unterworfen sind, werden ein soziales Verhalten mit auf den Weg bekommen, das sie hoffentlich zeitlebens im Interesse dieser Gesellschaft und der zu lösenden Sozialprobleme dieser Gesellschaft befähigen wird, unseren behinderten Mitbürgern gegenüber eine andere Einstellung zu haben, als sie heute weit verbreitet ist.

Ich möchte den Entschließungsantrag, den Kollege Schweitzer in seiner Rede erwähnt hat, noch einmal präzisieren. Sehr geehrter Herr Präsident! Dieser Entschließungsantrag ist als Selbständiger Antrag konzipiert, und ich ersuche, ihn in entsprechender Form dem zuständigen Ausschuß zuzuweisen, denn es ist mir selbstverständlich bewußt, daß mit der heutigen Abstimmung beziehungsweise Ablehnung noch nichts geschehen ist, sondern daß im Ausschuß noch ordnungsgemäß über die Zielintention dieses Antrags gesprochen werden muß.

Es wird nunmehr auf der einen Seite zu Recht die Integration in einem Ausmaß geregelt, wie es vorher nicht der Fall war. Ich glaube aber, daß auf der anderen Seite die Förderung von besonders begabten Schülern in unserem Schulsystem auch ein Problem darstellt und die Ressourcen dafür nicht oder nur spärlich angehoben werden. Und ich ersuche die Frau Bundesministerin, sich diesem Problem in Zukunft verstärkt zuzuwenden. Es ist zwar beruhigend, daß unsere Schüler im internationalen Vergleich im Spitzenfeld liegen, ich glaube aber, wir sollten nicht übersehen, daß sehr viele dieser Spitzenleistungen nur durch gesteigertes und oft in der Freizeit erbrachtes Engagement einiger weniger Lehrpersonen in Österreich möglich sind und nicht deswegen, weil die Begabtenförderung – ich meine die besondere Förderung von speziell begabten Kindern – in unserem Regelschulsystem so gut ausgebaut wäre. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

13.05

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Zu den Ausführungen von Frau Schaffenrath: Sie hat hier gesagt, in Wirklichkeit wollten wir die Integration nicht. – Das ist eine Unterstellung! Die Frau Minister hätte diesen Entwurf nicht eingebracht, wenn ihr nicht ernst wäre mit der Integration. Sie hat sehr darum gekämpft. (Beifall bei der ÖVP.) Sich immer noch mehr und noch bessere Rahmenbedingungen zu wünschen, ist aber absolut legitim.

Aufsteigen mit zwei "Fünfern" wurde angesprochen. Ich glaube, damit hätte das Zeugnis nicht mehr viel Sinn. Leistung muß schon Leistung bleiben. Man müßte sich in solchen Fällen vielleicht überlegen, ob das Kind in der richtigen Schule sitzt, ob es dort auch wirklich glücklich ist oder ob es nur – wie manchmal – der Ehrgeiz der Eltern ist, der ein Kind zwingt, eine bestimmte Schule zu besuchen.

Zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Öllinger möchte ich folgendes sagen: Er hat hier davon gesprochen, daß Frau Thatcher in England Friseur und Putzfrau gefragt hätte und Zettelchen von ihnen gehabt hätte, wie die Schulreform gemacht werden sollte. – Warum sind Sie denn so hochnäsig? – Er ist jetzt nicht da, aber ich werde ihn noch persönlich fragen. Glauben Sie wirklich, daß sogenannte einfache Menschen weit dümmer sind? Ich glaube, manchmal würden wir ihren Hausverstand auch hier brauchen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dunst. )

Es ist eben bei allen Oppositionsparteien immer wieder dasselbe: Entweder ist etwas zuwenig oder es ist falsch. Aber Sie haben ja auch keinerlei Sparpakete mitgetragen. Auch wir würden uns für manche Dinge mehr Geld wünschen, dann könnten wir einiges noch besser machen.

Eine wesentliche Verbesserung bei diesen Schulgesetzen ist für mich, daß das Frühwarnsystem eingeführt wird. Es müssen natürlich auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, denn für einen jungen Menschen ist es schon gravierend, wenn er das Klassenziel nicht erreicht. Manche Kinder werden dann ganz mutlos. Mutlosigkeit ist aber keine gute Voraussetzung, um ein Ziel zu


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erreichen. Ich glaube, diesbezüglich ist ein positiver Ansatz vorhanden. Es müssen natürlich Taten folgen, um die Leistung zu verbessern.

Ein wesentlicher Punkt der Gesetzesänderung ist die Möglichkeit der Integration geistig Behinderter in die Hauptschule und in die Unterstufe des Gymnasiums. Damit steht geistig Behinderten ein großes Angebot zur Verfügung: die Sonderschule, das Sonderpädagogische Zentrum, Förderklassen, das Stützlehrersystem, ein Kooperationsmodell und ein Integrationsmodell.

Ich bin der Meinung, daß die Integration viel zu sehr ideologisiert wird. Wichtig ist doch, daß in jedem einzelnen Fall der beste Weg für das betroffene Kind gesucht wird. Im Schulpflichtgesetz wurde vorgesehen, daß der Bezirksschulrat unter Einbindung von Schuldirektor, Lehrern und Experten, wie etwa Schulpsychologen, gemeinsam mit den Eltern die Art der Bildung für ein Kind festzulegen hat.

Daß diese Integration nun sowohl an Hauptschulen als auch an der Unterstufe des Gymnasiums möglich ist, ist ein Fortschritt. Ich bin der Meinung, daß es für gesunde Kinder gut ist, wenn sie auch diese Seite des menschlichen Lebens von jung auf kennenlernen. Der Mensch ist nach meiner Auffassung als Persönlichkeit an sich wertvoll – ganz unabhängig davon, ob er gesund oder krank, alt oder jung, behindert oder nicht behindert, leistungsfähig oder nicht leistungsfähig ist. Wer aber leistungsfähig ist, hat mit seiner Leistung auch jene zu erhalten, die das selbst nicht können.

Ein weiterer Punkt ist die Anrechnung des Auslandschulbesuches für das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe. Ich finde das sinnvoll, weil damit junge Menschen motiviert werden, diese Möglichkeit zu nützen.

Insgesamt sind diese Gesetze ausgewogen und vernünftig, und ich gratuliere Frau Minister Gehrer zu diesen doch umfassenden Erneuerungen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dunst. – Bitte.

13.09

Abgeordnete Verena Dunst (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Damen und Herren! Ich möchte in meinen Ausführungen zu einigen Veränderungen des Schulorganisationsgesetzes Stellung nehmen. Zur Integration haben schon etliche Kolleginnen und Kollegen Redebeiträge gebracht. Frau Minister, ich möchte Ihnen zu Ihrer Durchsetzungskraft, zu Ihrem Engagement in dieser Sache und zu Ihrem Einsatz gratulieren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zunächst möchte ich auf die Neuordnung des Polytechnischen Lehrganges eingehen. Eines steht außer Zweifel, nämlich daß die Polytechnische Schule, wie sie nunmehr heißen wird, mit all ihren praxisnahen Unterrichtsgegenständen als Jahr der Vorbereitung auf die Berufswelt von enormer Wichtigkeit ist.

Wir wissen aber auch über die Probleme Bescheid, die es in diesem letzten Schuljahr gibt. Daher begrüße ich die Versuche zur Steigerung der Attraktivität dieses Schultyps, zur Verbesserung der Chancen der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt, vor allem aber zur Verbesserung der Übertrittsmöglichkeiten in weiterführende Schulen, wenn dies gewünscht wird. Das alles sind wichtige Dinge; die vorliegende Novelle wird den Weg dafür ebnen. Frau Minister, zufrieden bin ich jedoch noch lange nicht, wenn es um diesen Punkt geht.

Zum ersten meiner drei Kritikpunkte. Die Übertrittsmöglichkeiten sind meiner Ansicht nach nicht klar genug definiert. Wenn jemand die Polytechnische Schule besucht und überlegt, danach eine weiterführende Schule zu besuchen, dann muß aus dem Gesetz ganz klar hervorgehen, in welcher Art und Weise und in welchem Ausmaß diese Schulform und die einzelnen Gegenstände angerechnet werden. Nur dann wird es uns gelingen, das große Problem der Polytechnischen Schule abzubauen und wieder mehr begabte Schülerinnen und Schüler in diese Schulform zu bringen.


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Mein zweiter Kritikpunkt, Frau Minister, betrifft den § 31 Abs. 1, der besagt, daß die Polytechnischen Schulen als selbständige Schulen zu führen sind. Das ist gut und sicherlich die beste Lösung für die Schüler wie auch für die Schulen selbst, vorausgesetzt, daß es genug Schüler an diesen Schulen gibt. Es ist aber schlecht, wenn diese Schulen zu wenig Schüler haben, denn Sie wissen wie ich, daß dann nicht die volle Qualität, das volle Angebot der Polytechnischen Schule von den Schülern wahrgenommen werden kann.

Zur Statistik: Zurzeit, also im Schuljahr 1996/97, gibt es 173 selbständige Polytechnische Schulen, aber 205 angeschlossene Polytechnische Lehrgänge. – Ich glaube, das gibt doch zu denken.

Frau Minister, Sie werden, so nehme ich an, daran denken, daß der Schulweg für manche Schüler dann, wenn man Schulen zusammenlegt, zu weit wird. Mir ist schon klar, daß darauf Rücksicht genommen werden muß.

Zum dritten, Frau Minister, hätte ich mir eine klare Festlegung darüber gewünscht, daß in der Berufsschule Gegenstände, die im Polytechnischen Lehrgang beziehungsweise in der neuen Polytechnischen Schule und der Berufsschule gleich sind, angerechnet werden. Auch das fehlt noch in dieser Novelle. Vor allem – das ist an die ÖVP gerichtet – kann es sicher nicht so sein – und ich bin sehr froh, daß wir eine diesbezügliche Ausschußfeststellung zusammengebracht haben –, daß die Zeit, die diese Schüler in der Polytechnischen Schule einbringen, dann von der Berufsschulzeit wieder abgezwickt wird. Im Gegenteil: Ich wünsche mir – und da weiß ich, daß die ganze Fraktion hinter mir steht –, daß diese zusätzliche Zeit, die die Berufsschüler dann nicht mehr brauchen, dazu genützt werden muß, neue Fähigkeiten, ob im handwerklichen oder im theoretischen Berufsschulunterricht, zu erlernen. Das bedeutet wiederum eine bessere Qualifikation für den Berufsweg. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Minister, ich weiß, daß Sie in dieser Sache auch denken, daß es auf keinen Fall zu einer zusätzlichen Berufsschulzeit kommen sollte; die Anordnung rund um die Polytechnische Schule und auch um die Berufsschule ist schwierig genug.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zur Ungleichbehandlung bei den Aufnahmsprüfungen. Ich empfinde es als Ungleichbehandlung, daß Schüler von der 4. Schulstufe AHS bei Übernahme in die Oberstufe keine Aufnahmsprüfung machen müssen, während Hauptschüler, die eine schlechtere Note als einen "Zweier" in der zweiten Leistungsgruppe haben – Herr Kollege Rada hat das angesprochen –, sehr wohl eine Aufnahmsprüfung machen müssen. Ich sehe das als Ungleichbehandlung an, und ich glaube, das ist für das Image der Hauptschulen nicht gut. Bedenken Sie, Frau Minister, sehr geehrte Damen und Herren, daß es gerade im ländlichen Raum überhaupt keine AHS-Unterstufen gibt und die Schüler der ersten Leistungsgruppe und auch die guten Schüler der zweiten Leistungsgruppe jederzeit mit den Schülern einer AHS konkurrieren können.

Ich denke, daß wir die Hauptschulen im ländlichen Bereich nicht herabwürdigen sollten. Ich fürchte jedoch, daß das durch diese Ungleichbehandlung passiert. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. ) Ich komme dann gerne zu Ihnen, aber ich muß mich jetzt kurz fassen und meinem Kollegen noch ein bißchen Redezeit übriglassen.

Abschließend: Ich bin davon überzeugt, Frau Minister, daß der bestmögliche Konsens gesucht wurde und daß die vorhandenen Problemkreise, die ich angesprochen habe, und auch viele andere sicherlich noch zu lösen sind. Ich weiß das bei Ihnen in guten Händen.

Herr Kollege Haupt, er ist leider im Moment nicht da, hat mich schon ein bißchen geärgert, weil er jetzt auf einmal wieder den Eltern die Schuld in die Schuhe schieben will. Er meint, daß die Eltern wahrscheinlich Schuld daran haben, daß diese Vorkommnisse im Burgenland passiert sind. – Das ist ein ganz neuer Gesichtspunkt für mich! Ich bin jedoch der Meinung – und das werden Sie hoffentlich Herrn Kollegen Haupt ausrichten –, daß es vielmehr die Turnstunden des Herrn Lehrer Schweitzer waren. Als Burgenländerin bin ich nicht sehr froh darüber, daß solche Sachen überhaupt durch die Medien gehen müssen. (Abg. Mag. Schweitzer: Was war das?)


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Bevor Ihr Blutdruck steigt, Herr Kollege Schweitzer: 84 Kollegen und Kolleginnen waren schon bei der Gesundenuntersuchung. Sie sind herzlich dazu eingeladen, damit es noch mehr werden! (Beifall bei der SPÖ.)

13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Stampler. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

13.17

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! In einer großen österreichischen Tageszeitung stand kürzlich zu lesen: Österreichs Schüler sind Spitze. Um diesen Leistungsstandard zu halten beziehungsweise neue Wege im Schulgeschehen zu beschreiten, ist es notwendig, sich an neue Gegebenheiten anzupassen und neue Chancen zu nützen.

Das Schulpaket, das heute hier in diesem Hohen Haus beschlossen werden soll, bietet viele Chancen. Ein wesentlicher Teil dieses Pakets ist sicherlich die Einführung der Integration auf der Sekundarstufe 1. Die Fortführung der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die derzeit in den Volksschulen bereits gesetzlich verankert ist, ist in der Sekundarstufe aufgrund der derzeitigen Rechtslage nur schulversuchsweise in beschränktem Ausmaße möglich. In Zukunft können die Erziehungsberechtigten von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf wählen, ob sie ihrem Kind an der HS, an der Sonderschule oder an der AHS eine dem Förderbedarf gerecht werdende Schulausbildung zukommen lassen.

Die Kosten für die stufenweise aufsteigende Fortführung der Integration im Regelschulwesen auf der fünften bis achten Schulstufe werden im Jahre 1997 einen Mehraufwand von zirka 26,5 Millionen Schilling und im Endausbau im Jahre 2001 einen Mehraufwand von zirka 350 Millionen Schilling erfordern.

Jedenfalls soll darauf hingewiesen werden, daß es sich bei der Integration auf der Sekundarstufe 1 nicht um eine Leistungsintegration, sondern um eine soziale Integration handelt. Ich glaube, daß die guten Erfahrungen, die in der Volksschule gemacht wurden, uns die Ängste nehmen sollten, diesen Weg weiter zu beschreiten.

Aus eigener Erfahrung – ich führe eine Volksschule mit einer Integrationsklasse – kann ich sagen, und es wurde heute bereits mehrfach erwähnt, daß jede Integration mit dem Einsatz der jeweiligen Lehrer steht und fällt. Hier gebührt, wie ich glaube, all jenen Lehrern ein Dank, die sich schon bisher voll und ganz in den Dienst dieser guten Sache gestellt und Pionierarbeit geleistet haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Es freut mich, daß in der Ausschußfeststellung des Unterrichtsausschusses auch festgelegt wurde, daß das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten besonderes Augenmerk auf die Aus- und Weiterbildung von Lehrern für die Aufgaben der Sonderpädagogik legen wird.

Mit 669 Klassen, der Großteil davon im Pflichtschulbereich, ist die Steiermark auch im heurigen Jahr wieder Spitzenreiter, wenn es um die Aufnahme physisch oder psychisch behinderter sowie lernschwacher Kinder in den Regelunterricht geht.

Mehr als die Hälfte aller österreichischen Integrationsgruppen wird in steirischen Klassenzimmern unterrichtet. Darauf sind wir stolz, und wir wollen diesen Weg so weitergehen.

So sind in diesem Schuljahr schon 52 Prozent der schulpflichtigen Kinder integriert. Bereits jetzt werden in der Steiermark 167 Klassen in den Hauptschulen schulversuchsweise mit Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf geführt.

Wie sehr sich die Erziehungsberechtigten eine Integration im Pflichtschulbereich vorstellen können, zeigt, daß die Zahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Volksschu


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len in diesem Schuljahr um 151 und an Hauptschulen um 147 stieg, während an der Sonderschule ein Rückgang um 127 zu verzeichnen war.

Der Anteil in der 5. bis 9. Schulstufe inklusive AHS und Sonderschule betrug 1995/96 29,28 Prozent und in diesem Schuljahr 35,91 Prozent, somit ist ein Anstieg von 6 Prozent zu verzeichnen.

Vergleicht man die 1. bis zur 9. Schulstufe, so ist festzustellen, daß der Prozentsatz von 43,9 auf 52,2 stieg. Man sieht, Integration im gemeinsamen Klassenverband wird nicht nur gewünscht, sondern auch angenommen.

Integrativer Unterricht bedeutet eine tiefgreifende Änderung des österreichischen Schulsystems. Die dabei auftretenden Probleme und Schwierigkeiten können nur durch das gemeinsame Bemühen aller Beteiligten zum Wohle der uns anvertrauten Kinder gelöst werden. Ein Weg, der vielversprechend begonnen hat, soll so weitergeführt werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte, Herr Abgeordneter. Ich habe wunschgemäß 8 Minuten eingestellt.

13.22

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dieses "Schulpaket 1996" – als solches ist es in die Diskussion bereits eingegangen – hat sehr viele Facetten, die Verbesserungen in den Schulen bringen sollen und auch bringen werden. Nur kursorisch möchte ich noch einmal wiederholen, daß es dabei unter anderem um wichtige Maßnahmen gegen das Schulversagen geht, mit denen frühzeitig versucht wird, Schüler davor zu bewahren, einen negativen Schulerfolg zu erzielen.

Es geht um eine Reform des 9. Schuljahres, es geht aber auch darum, in Zukunft aus unseren Berufsschulen in Kooperation mit den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen Zentren der beruflichen Bildung zu machen. Es geht um den Ausbau der Mitbestimmung – ein weiterer Schritt in der Schuldemokratie. Es geht um die Anrechnung ausländischen Schulbesuches, und es geht – sehr wesentlich – um die Fragen der Integration.

Da möchte ich gleich eines vorweg klarstellen: Es wurde immer wieder die Frage gestellt: Gibt es einen Rechtsanspruch auf Integration? – Da kann ich nur darauf verweisen, was das Schulpflichtgesetz dazu sagt. Das Schulpflichtgesetz, das wir heute ändern werden, sagt nämlich sehr klar, daß der Bezirksschulrat die Aufgabe hat, Eltern über die bestehenden Fördermöglichkeiten zu informieren und dem Wunsch der Eltern nach Möglichkeit auch Rechnung zu tragen. Das heißt, wenn Eltern sagen, wir möchten, daß unser Kind integriert wird, dann ist es die Aufgabe des Bezirksschulrates, alles zu unternehmen, daß dies auch möglich wird. Und es wird unsere Aufgabe sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf zu achten, daß dieses Anliegen in dieser Form auch durchgesetzt werden kann.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es geht dabei auch darum, daß Sie das, was Sie bei der Gesetzwerdung in wirklich dankenswerter Weise gemacht haben, nämlich dieses Anliegen massiv zu unterstützen – und wir wissen nur zu genau, daß das nicht leicht, sondern sehr schwierig gewesen ist –, konsequent weiter tun. Wir werden Sie voll unterstützen, wenn es darum geht, die Integration in unserem Schulwesen bei der Pflichtschule beginnend über die Sekundarstufe auch umzusetzen, weil es darum geht, Menschenrechte zu verwirklichen, weil es darum geht, eine UN-Konvention über die Rechte des Kindes und die Salamanca-Erklärung umzusetzen!

Es wird immer wieder die Frage nach den Kosten gestellt. Auch hiezu ein klares Wort. Die Integration ist ungefähr gleich teuer wie die sonderpädagogischen Maßnahmen. Wenn wir aber nicht nur Integration haben, sondern die sonderpädagogischen Einrichtungen in vollem Umfang bestehen bleiben, wenn die Reform nur dazu führt, daß wir die Zahl der Sonderschüler gleich belassen, daß die Zahl der Lehrer an den Sonderschulen gleich bleibt und zusätzlich welche in den anderen Schulen für integrative Maßnahmen dazukommen, dann wird das sicher nicht finanzierbar sein.


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Der Weg muß daher sein, diese Bereiche umzuschichten. Es ist auch gar nicht einzusehen, daß in Österreich plötzlich so viele Kinder mehr einen sonderpädagogischen Förderbedarf aufweisen sollen, als das noch vor drei oder vier Jahren der Fall gewesen ist. Da heißt es, steuernd einzugreifen, dann werden wir auch bei der Finanzierung dieses wichtigen Anliegens wenig Probleme haben.

Es wurde von den Ländern in der letzten Phase der Diskussion eingewendet, das kostet etwas. Die Länder meinten, daß sie nach dem in Aussicht stehenden Konsultationsmechanismus einen Anspruch darauf haben, die Kosten ersetzt zu bekommen. Daher ist es notwendig, in diesem Hohen Haus einmal darauf hinzuweisen, wie sich die Kosten in unserem Schulwesen in den letzten 20 Jahren in der Verteilung zwischen Ländern und Bund entwickelt haben.

1970 war es nämlich so, daß als Ausgabenanteil am Bruttoinlandsprodukt der Bund 2,8 Prozent für Bildung ausgegeben hat, während die Länder 1 Prozent ausgegeben haben. Heute wendet der Bund nicht mehr 2,8, sondern 3,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildung auf und die Länder nicht mehr 1 Prozent, sondern 0,6 Prozent. Das heißt, es hat durch den Besuch höherer Schulen, durch den Ausbau des berufsbildenden mittleren und höheren Schulwesens eine massive Verschiebung der Kosten von den Ländern zum Bund stattgefunden. In diesem Falle halten wir es für vertretbar, daß die Länder die verhältnismäßig geringen Kosten, die in ihrem Bereich für die Integration anfallen, auch selbst tragen und für die Kinder ihres Landes diesen Beitrag leisten.

Es wurde von der Opposition eine Reihe von Anträgen gestellt, und es wurde auch die Gewerkschaft kritisiert und daß wir zu sehr auf das Rücksicht genommen haben, was die Lehrervertretungen sagten. – Auch dazu ein klares Wort: Es entscheidet letztlich der Nationalrat. Nationalrat und Bundesrat sind der Gesetzgeber, und wir können und werden uns nicht über Gebühr dreinreden lassen. Aber es ist nur fair, daß wir versuchen, diejenigen, die das umzusetzen haben, für dieses Anliegen zu gewinnen. Das ist eben der Unterschied zwischen der Opposition und einer Regierungspartei, nämlich, daß wir das, was wir hineinschreiben, auch umsetzen müssen. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, müssen das, was Sie in Ihre Abänderungsanträge hineinschreiben, nicht umsetzen, sonst würden Sie sich nämlich überlegen, solche Anträge zu stellen.

Kollege Öllinger hat gefragt: Wo sind wir mit der Integration in diesem Land? – An Kollegen Öllinger und alle, die diese Frage auch stellen: Wir sind mit diesem Schritt weiter als nahezu alle anderen Länder Europas, sieht man von Italien einmal ab. Es gibt kein anderes Land, das in der Sekundarstufe die Integration als legale und völlig gleichberechtigte Möglichkeit verankert hat. (Abg. Schaffenrath: Gleichberechtigt stimmt nicht!) Da ist Österreich ein Vorbild, und diese vorbildliche Funktion lassen wir uns auch durch Kritik nicht nehmen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetzeswerk wird als Schlüsselgesetz in die Bildungspolitik dieser Gesetzgebungsperiode eingehen. Wir sind davon überzeugt, daß wir Bestmögliches geleistet haben. Wir sind auch davon überzeugt, daß wir in der Umsetzung sehr, sehr hart arbeiten müssen. Aber ich glaube, alle, die diesem Gesetz zustimmen, können es mit gutem Gewissen tun. Wir machen unsere Schule bereit für das nächste Jahrtausend! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir treten daher in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen. Ich bitte auch Vorsorge dafür zu treffen, daß sich in den Zwischengängen nur Abgeordnete aufhalten.


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Wir kommen nun zur Abstimmung, und zwar lasse ich über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.

Wir gelangen daher vorerst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 442 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner hat Abgeordneter Öllinger ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich mehrerer Ziffern gestellt.

Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen haben zwei Abänderungsanträge vorgelegt.

Schließlich haben die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher über die von den Abänderungsanträgen beziehungsweise dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile der Systematik des Gesetzentwurfes nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Der vorliegende Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, enthält Verfassungsbestimmungen. Weiters kann er gemäß Artikel 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Somit stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Anzahl von Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 5 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über die Ziffer 5, nun in der Fassung des Ausschußberichtes, abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend die Ziffer 7 des Gesetzentwurfes.

Die Abgeordneten, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen daher sogleich zur Abstimmung über die Ziffer 7, nunmehr in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßige Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 8 eingebracht.

Jene Abgeordneten, die hiefür sind, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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48. Sitzung / Seite 80

Ferner haben die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 8 eingebracht.

Ich bitte um ein Zeichen Ihrer Zustimmung. – Das ist gleichfalls die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Daher gelangen wir nunmehr zur Abstimmung über die Ziffer 8 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit, und zwar mit dem verfassungsmäßig vorgesehenen Quorum.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend die Ziffer 12 des Gesetzentwurfes.

Ich bitte um ein entsprechendes Zustimmungszeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Schaffenrath betreffend die Ziffer 12 des Gesetzentwurfes.

Ich ersuche um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist gleichfalls die Minderheit, daher abgelehnt.

Ich lasse nun über die Ziffer 12 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen im Falle der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit, und zwar mit verfassungsmäßig vorgesehenem Quorum.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen sowie die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, mit dem die Streichung der Ziffer 13 beantragt wird.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen im Falle der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen damit zur Abstimmung über die Ziffer 13 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit, und zwar die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit. Angenommen.

Ich lasse nunmehr über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend die Ziffer 14 des Gesetzentwurfes abstimmen.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Ziffer 14 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist abermals die verfassungsmäßige Mehrheit, was ich ausdrücklich hiemit feststelle. Der Antrag ist angenommen.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen bezieht sich nunmehr auf die Ziffer 15 des Gesetzentwurfes.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über die Ziffer 15, jetzt in der Fassung des Ausschußberichtes, abstimmen.


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48. Sitzung / Seite 81

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen im Falle der Zustimmung. – Dies geschieht durch die Mehrheit, und zwar mit dem verfassungsmäßig vorgesehenen Quorum. Ich stelle dies sowie die Annahme ausdrücklich fest.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 21 eingebracht.

Ich ersuche im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die Ziffer 21 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit, und zwar mit dem verfassungsmäßig vorgesehenen Quorum. Ich stelle dies sowie die Annahme ausdrücklich fest.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 22 § 28 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um das entsprechende Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher über die Ziffer 22 § 28 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zustimmungszeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit, und ich stelle das verfassungsmäßig vorgesehene Quorum ausdrücklich fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 22 § 28 Abs. 2 und 3 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen daher nunmehr ab über die Ziffer 22 § 28 Abs. 2 und 3 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zustimmungszeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit, und zwar inklusive des verfassungsmäßig vorgesehenen Quorums. Dies stelle ich ausdrücklich fest und daher auch die Annahme dieses Antrags.

Ein weiterer Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen bezieht sich auf die Ziffer 27 des Gesetzentwurfes.

Ich ersuche bei Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Wir stimmen über diese Ziffer 27, nunmehr in der Fassung des Ausschußberichtes, ab.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit, und zwar die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit. Dies stelle ich ausdrücklich fest. Der Antrag ist damit mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 30 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zustimmungszeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit und ist damit abgelehnt.


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48. Sitzung / Seite 82

Wir stimmen daher ab über die Ziffer 30, nunmehr in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit, und ich stelle das Vorliegen des verfassungsmäßig vorgesehenen Quorums ausdrücklich fest. Der Antrag ist damit angenommen. (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!)

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Im Croquis ist ein Antrag Öllinger und Genossen betreffend Ziffer 30 zur Abstimmung vorgesehen! Ich möchte nicht, daß wir die ganze Abstimmung wiederholen müssen!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich setze das Abstimmungsverfahren fort, und zwar mit dem Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen, der sich auf die Ziffer 27 bezieht. War das der Gegenstand der Kritik vorhin? (Abg. Dr. Khol: Nein! – Abg. Dr. Kostelka: Nein! Seite 12 "n" wie Nordpol! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich unterbreche kurz die Sitzung, um das Croquis zu überprüfen. (Die Sitzung wird um 13.41 Uhr unterbrochen und um 13.42 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir fahren im Abstimmungsverfahren fort. Ich lasse jetzt abstimmen – für jene, die es haben: im Croquis auf Seite 12n – über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Schaffenrath und Genossen, der die Ziffer 30 des Gesetzentwurfes betrifft.

Ich wiederhole: Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 30 des Gesetzentwurfes eingebracht. (Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandlung!)

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich glaube nicht, daß es notwendig und sinnvoll ist, daß wir einen Abänderungsantrag, den wir bereits abgestimmt haben, noch einmal abstimmen.

Nicht abgestimmt wurde der Antrag Öllinger.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Danke. Es ist der Antrag Öllinger auf der Seite 12n des Croquis.

Ferner haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Abänderungsantrag ebenfalls betreffend die Ziffer 30 eingebracht. Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich fahre fort mit der Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Schaffenrath und Genossen sowie der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Streichung der Ziffer 31.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Somit bringe ich die Ziffer 31 in der Fassung des Ausschußberichtes zur Abstimmung.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Der Antrag ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend die Ziffer 34.

Ich ersuche Sie um ein Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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48. Sitzung / Seite 83

Ich bringe daher die Ziffer 34 in der Fassung des Ausschußberichtes zur Abstimmung.

Ich ersuche Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit, und zwar die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit. Ich stelle diese sowie auch die Annahme des Antrages ausdrücklich fest.

Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 36 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir stimmen daher nun über die Ziffer 36 in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit, und zwar die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit. Ich stelle das ausdrücklich fest. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 37 eingebracht.

Ich ersuche Sie um ein Zeichen Ihrer Zustimmung im Falle, daß Sie dies tun wollen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen einen Abänderungsantrag gleichfalls zu Ziffer 37 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein Zeichen. – Das ist gleichfalls die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen einen Abänderungsantrag gleichfalls zu Ziffer 37 eingebracht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls die Minderheit. Auch dieser Abänderungsantrag ist damit abgelehnt.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über die Ziffer 37 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Das verfassungsmäßige Quorum ist gegeben. Ich stelle dies ausdrücklich fest. Der Antrag ist angenommen.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen bezieht sich auf die Ziffer 38 des Gesetzentwurfes.

Ich bitte Sie um ein Zeichen der Zustimmung, so Sie dies tun wollen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Ziffer 38 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit, und zwar die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit. Ich stelle das ausdrücklich fest. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen haben die Streichung der Ziffer 47 des Gesetzentwurfes beantragt.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle der Zustimmung. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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48. Sitzung / Seite 84

Ferner haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Abänderungsantrag zu dieser Ziffer 47 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Daher lasse ich nun über die Ziffer 47 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Fall der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit, und zwar die verfassungsmäßig vorgesehene. Ich stelle dies ausdrücklich fest. Der Antrag ist damit mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ziffern 49 § 69 Abs. 1 und 2, 57 § 98 sowie 60 § 106 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche Sie um ein Zeichen der Zustimmung, so Sie dies tun wollen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle ausdrücklich das verfassungsmäßig vorgesehene Quorum fest. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 63 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher nun über die Ziffer 63 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit. Ich stelle dies ausdrücklich fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit, was ich ausdrücklich feststelle. Der Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit, was ich ausdrücklich feststelle.

Der Gesetzentwurf ist daher auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 443 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht. Weiters hat der Abgeordnete Öllinger hinsichtlich mehrerer Ziffern getrennte Abstimmung verlangt.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen Zusatz- sowie Abänderungsanträge eingebracht.


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48. Sitzung / Seite 85

Ich werde zunächst über die von den Zusatz- sowie Abänderungsanträgen betroffenen Teile, und zwar der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend und unter der Berücksichtigung des Verlangens auf getrennte Abstimmung, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da auch dieser Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, hinsichtlich mehrerer Ziffern gemäß Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder beschlossen werden kann, stelle ich diese Mehrheit hiemit ausdrücklich fest.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Ziffer 5 § 5 Abs. 4 bezieht.

Ich ersuche Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse daher jetzt über Ziffer 5 § 5 Abs. 4 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig vorgesehene Zweidrittelmehrheit fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf eine neue Ziffer 5a bezieht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 6 § 9 Abs. 1 eingebracht.

Die Mitglieder, die sich dafür aussprechen, ersuche ich um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 6 § 9 Abs. 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen. – Auch dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Daher stimmen wir nun über die Ziffer 6 § 9 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit. Ich stelle dies ausdrücklich fest. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Ziffer 10 § 11 Abs. 7 bezieht.

Ich bitte jene Mitglieder, die dafür stimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen daher über die Ziffer 10 § 11 Abs. 7 in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit, einschließlich des verfassungsmäßigen Quorums. Ich stelle dies ausdrücklich fest. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 31 § 25 Abs. 1 eingebracht.


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48. Sitzung / Seite 86

Ich ersuche im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffer 31 § 25 Abs. 1 bezieht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher nunmehr über die Ziffer 31 § 25 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle der Zustimmung. – Dies ist die verfassungsmäßige Mehrheit. Ich stelle das verfassungsmäßig vorgesehene Quorum ausdrücklich fest. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer 31a bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse jetzt über die Ziffer 33 § 25 Abs. 9 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich ersuche Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmenmehrheit angenommen. Ich stelle das Vorliegen des verfassungsmäßigen Quorums ausdrücklich fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Weiters lasse ich über Ziffer 37 § 28 Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist mehrheitlich der Fall.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Ziffer 43 § 32 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich werde daher sogleich über die Ziffer 43 § 32 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen lassen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 60 § 42 Abs. 6 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse daher über die Ziffer 60 § 42 Abs. 6 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung der Ziffer 65 bezieht.


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48. Sitzung / Seite 87

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist nur die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 65 § 46 Abs. 3 eingebracht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über die Ziffer 65 § 46 Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Ziffer 69 § 59 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle ausdrücklich die erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über Ziffer 70 § 59a Abs. 2 Ziffer 1a, Ziffer 71 § 59a Abs. 3 Ziffer 1a, Ziffer 72 § 59a Abs. 5 und 6, Ziffer 73 § 59a Abs. 9 sowie Ziffer 74 § 59a Abs. 11 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist stimmenmehrheitlich der Fall. Ich stelle ausdrücklich das verfassungsmäßig erforderliche Quorum fest. Der Antrag ist angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über Ziffer 81 § 63a Abs. 14 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie um ein Zeichen Ihrer Zustimmung. – Dies ist wieder stimmenmehrheitlich der Fall – einschließlich des verfassungsmäßigen Quorums, was ich ausdrücklich feststelle. Der Antrag ist angenommen.

Des weiteren kommen wir zur Abstimmung über Ziffer 87 § 64 Abs. 7 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle abermals ausdrücklich das verfassungsmäßig vorgesehene Quorum fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über die Ziffer 89 § 64 Abs. 13 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle ausdrücklich das verfassungsmäßige Quorum fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Antrag ist daher angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung dem vorliegenden Entwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist abermals die verfassungs


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48. Sitzung / Seite 88

mäßig vorgesehene Mehrheit mit dem entsprechenden Quorum. Der Antrag ist daher auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 444 der Beilagen.

Dieser Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz geändert wird, kann ebenfalls gemäß Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder beschlossen werden. Ich stelle dieses Quorum hiemit ausdrücklich fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist mit allen Stimmen, somit einhellig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung auch in dritter Lesung um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies geschieht gleichfalls mit Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 445 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Abänderungsanträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der Ziffer 3 § 12 zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 3 § 12 Abs. 1 Z 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über die Ziffer 3 § 12 in der Fassung des Ausschußberichtes.


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48. Sitzung / Seite 89

Im Falle der Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Entwurf ihre Zustimmung geben möchten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls die Mehrheit. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist daher in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 446 der Beilagen.

Der vorliegende Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird, kann im Sinne des Artikels 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz wieder nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder beschlossen werden. Ich stelle das dafür vorliegende Quorum ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen damit zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht mehrheitlich. Ich stelle abermals das Vorliegen des verfassungsmäßig vorgesehenen Quorums ausdrücklich fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 421 der Beilagen.

Auch dieser Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird, ist gemäß Artikel 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder zu beschließen. Ich stelle das Vorliegen des erforderlichen Quorums ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich das Vorliegen des verfassungsmäßig erforderlichen Quorums fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist die Mehrheit. Ich stelle ausdrücklich wieder das Vorliegen des verfassungsmäßig vorgesehenen Quorums fest. Der Antrag ist damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 448 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Entwurf ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche Sie abermals im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit . Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen. (Abg. Dr. Khol: Zur


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48. Sitzung / Seite 90

Geschäftsbehandlung! – Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandlung!) – Bitte, zuerst Dr. Khol und dann Dr. Kostelka.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (zur Geschäftsbehandlung): Wir haben einen Abänderungsantrag Öllinger und einen Abänderungsantrag Schaffenrath hier bei uns in den Büchern. (Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsbehandlung!)


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48. Sitzung / Seite 91

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Ich bitte um Entschuldigung. Das mir vorliegende Croquis enthält offenkundig zwei doppelte Seiten. Ich unterbreche kurz, um das zu überprüfen.

(Die Sitzung wird um 14.04 Uhr unterbrochen und um 14.11 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme die Verhandlung wieder auf. Anhand des nun richtigen Croquis und aufgrund der Besprechung, die wir hatten, sind wir übereingekommen, daß wir die Abstimmung sozusagen als Restitutio in integrum beginnen lassen mit der Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf – und zwar ohne Präjudizwirkung, das wurde ausdrücklich festgestellt – betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 448 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Abänderungsantrag gestellt.

Ferner haben die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen einen Abänderungsantrag gestellt.

Ich werde daher über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der Ziffer 16 zum Inhalt hat.

Jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 16 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über die Ziffer 16 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich ersuche Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzesentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

8. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 149/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Karl Öllinger und Genossen betreffend die Einführung der Teilrechtsfähigkeit von Schulen und der Schulbuchautonomie (441 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum Punkt 8 der Tagesordnung: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 149/A (E) der Abgeordneten Schaffenrath, Öllinger und Genossen betreffend die Einführung der Teilrechtsfähigkeit von Schulen und der Schulbuchautonomie (441 der Beilagen).

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 7 Minuten wird angezeigt.

14.14

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es geht in dieser Debatte um einen Antrag der Liberalen. Der Titel "Einführung der Teilrechtsfähigkeit von Schulen und der Schulbuchautonomie" könnte zwar dazu führen, daß wir Freiheitlichen dafür sind, wenn man aber auf die Begründung, auf die Ausführungen, auf die Zielrichtung dieses Antrages eingeht, dann muß ich sagen, wir müssen dagegen stimmen. Denn erstens ist es doch so, daß ein Teil dieses Antrages, und zwar der, in dem es um die Aufnahme neuer Medien im Bereich der Schulbücher geht, überholt ist, und zweitens stimmt für uns Freiheitlichen die Grundtendenz dieses Antrages deshalb nicht, weil danach Schulbücher weiterhin aus dem Familienlastenausgleichsfonds finanziert werden sollen.

Zur Situation des Familienlastenausgleichsfonds liegt mir aus dem Jahr 1992 eine schöne Graphik vor – es gibt leider keine neuere, zumindest besitze ich keine –, die ganz anschaulich demonstriert, warum wir Freiheitlichen dieser Entwicklung nicht zustimmen können. Es sind im Jahr 1983 noch drei Viertel der Leistungen dieses Fonds für echte Familienleistungen erbracht worden; die sonstigen Leistungen, wie Schulbücher, Freifahrten et cetera, machten den Rest aus. Im Jahr 1992 hat es sich dann schon so verschoben, daß nur mehr etwa zwei Drittel des Fonds für echte Familienleistungen zur Verfügung standen.

Jetzt haben wir das Jahr 1996. Wir haben zwei Sparpakete hinter uns, die diese Situation noch verschlechtert haben, die den Anteil der sonstigen Leistungen im Verhältnis zu den echten Familienleistungen noch erhöht haben. Ich denke nur daran, daß der Anteil des Karenzgeldes und die dazugehörigen Pensionszahlungen im FLAF erhöht wurden. Man hat zwar die Schulbücher gedeckelt, aber man hat die Geburtenbeihilfe ganz gestrichen. Man versucht, das Finanzierungsdebakel des Familienlastenausgleichsfonds, auf das wir Freiheitlichen jahrelang hingewiesen haben, dadurch in den Griff zu bekommen, daß man die Familienleistungen zu Lasten der Familien kürzt, und zwar um 20 Prozent.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang sehr gerne an die Debatten der Jahre 1994 und 1995, als diese bedrohliche Entwicklung auch durch die sogenannte Badelt-Studie unterstrichen worden ist, die im Auftrag des Familienministeriums durchgeführt wurde. Diese Studie hat einer Neuordnung dieses Fonds ganz vehement das Wort geredet und hat im Zusammenhang mit der Leistung der Schulbücher aus diesem Fonds auch von fondsfremden Leistungen gesprochen, die den entsprechenden Ressorts – in diesem Fall dem Unterrichtsministerium – zuzuordnen wären. Dies würde es auch erleichtern, die reibungslose Abwicklung und eine echte Reform im Bereich der Schulbücher zu gewährleisten. Ich könnte mir vorstellen, daß sich die Frau Unterrichtsministerin bei einer von uns Freiheitlichen schon lange verlangten generellen Reform der Schulbuchaktion, die sich auch auf die Inhalte der Schulbücher bezieht, leichter tun würde, wenn die gesamte Kompetenz in ihrem Bereich wäre. Wir sind deshalb für eine grundsätzliche Reform und nicht nur für eine Ausweitung der Autonomie.

Leider sind die Bestrebungen einer interministeriellen Arbeitsgruppe zur Reform dieses Fonds im Sande verlaufen, und die langjährigen Versprechungen von insgesamt drei Familienministerinnen haben sich in Luft aufgelöst, wie so viele andere auch. Der jetzige Familienminister Bartenstein erweckt mir eher den Anschein, daß er weiterhin bereit ist, den Puffer für die Finanzpolitik zu machen – um wieder einen Ausdruck aus der Badelt-Studie zu verwenden –, und daß er eher mithilft, die für 1997 prognostizierten Überschüsse des FLAF wieder zum Stopfen von Budgetlöchern zu verwenden.


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Wir können aus diesen grundsätzlichen Überlegungen heraus diesem liberalen Antrag nicht zustimmen, weil wir glauben, daß dieser Antrag den Bestrebungen, die derzeit im Bereich des FLAF im Gang sind, nur Vorschub leistet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.20

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der von Ihnen, Frau Abgeordnete Haller, für 1997 prognostizierte Überschuß des FLAF wäre zwar wunderschön, aber leider wird es ihn nicht geben, nicht für 1997 und nicht für 1998.

Zum Thema wäre zu sagen: Teilrechtsfähigkeit ist zwar das Endziel, aber der Weg dorthin geht ganz sicher über die Deregulierung als Teil der Autonomie für die Schulen. Die Schulen waren bisher im wesentlichen monokratisch organisiert. Die Universitäten haben im Gegensatz dazu eine jahrhundertealte Tradition der Selbstorganisation und -verwaltung, verfügen deshalb auch über weitreichende Erfahrung und darüber hinaus über einen ausgeprägten, teilweise sicher auch schon aufgeblähten, Verwaltungsapparat.

Für die Teilrechtsfähigkeit der Schulen, die unterschiedliche Größe und unterschiedliche Humanressourcen aufweisen, müssen unter Umständen verschiedene Lösungen geschaffen beziehungsweise ermöglicht werden.

Wie begann diese Autonomie für Schulen? – Als es im Jänner 1993 hieß, daß ab Herbst 1993 den österreichischen Schulen große Veränderungen ins Haus stehen, herrschte auf der einen Seite Freude und Aufbruchsstimmung über mehr Mobilität und eine dezentrale Entwicklung an den Schulen, auf der anderen Seite aber leider Gottes auch Angst und Verunsicherung. Die Schulen sollten weitergehende Möglichkeiten in der pädagogischen Gestaltung der Stundentafel erhalten. Freiere Hand als bisher konzedierte der Gesetzgeber den Schulen auch hinsichtlich der Eröffnungs- und Teilungszahlen. Die Entscheidungen darüber lagen nunmehr bei den schulpartnerschaftlichen Gremien, also bei den Schul- und Klassenforen, wobei für alle Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit erreicht werden muß. Das Autonomieausmaß brachte in der 14. SchOG-Novelle für die AHS acht Stunden und für die Hauptschule 16 Stunden zur freien Disposition.

Der zweite Schritt bewegte sich dann zum Transfer finanzieller Mittel. Angst und Euphorie griffen wieder um sich: Wie sollte man dem erweiterten Spielraum begegnen? – Die Schulversuche an der Hauptschule hatten zwar gute Erfahrungen gebracht, aber lieber sich zuerst einmal fürchten! Schulautonomie – eigentlich ja, aber wie? Ein Kongreß über Schulautonomie fand statt und brachte den reformpädagogischen Erneuerungsschub. Dr. Bernd Schilcher, der engagierte Präsident des steirischen Landesschulrates, präsentierte dazu ein willkommenes Nachschlagewerk.

Für das Schuljahr 1995/96 bekamen 24 Modellschulen größere Freiräume in pädagogischer, finanzieller und organisatorischer Hinsicht. Eine Unternehmensberatungsfirma unterstützt die Schulen mit modernen Managementmethoden.

Einzelne Wiener AHS-Direktoren aber setzten sich vehement gegen die finanzielle Schulautonomie zur Wehr. Die Sorge hinsichtlich Mehrbelastung und vor allem Sorgen um das Budgetauslangen fanden ihr Echo in den Medien. Der Wiener Stadtschulratspräsident glaubte sogar, die Schulen nicht mehr heizen zu können, vor allem jene, die mit Fernwärme versorgt werden. Wiener Freunde erzählten mir, daß Fernwärme zukunftsorientiert und kostengünstiger sei, aber vielleicht glaubte er, daß die Schulen einen teureren und die Gemeindebauten einen günstigeren Tarif zu zahlen hätten.

Die meisten Pädagogen aber forderten und beschritten weiter den Weg der Autonomie. Im April 1996 hatten 64 Prozent der Hauptschulen und 43 Prozent der AHS schulautonome Maßnahmen gesetzt. Sehr positiv wurde die Öffnung nach außen, besonders im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft, die stärkere Betonung fächerübergreifender Unter


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richtsformen sowie eine aktivere Beteiligung von Lehrern und Eltern an der Schulentwicklung bewertet und gesehen.

Für 1996/97 gibt es nun sogar einen Modell-Landesschulrat, und Schulen können durch Vermieten von Räumlichkeiten oder durch Sponsoren Gelder einnehmen und diese auch wieder selbständig ausgeben. Wirtschaftliches Denken und Handeln zieht in die Schulen ein!

Zur Schulbuchautonomie sei noch so viel gesagt: Das Gratisschulbuch wurde ja bekanntlich auf der ideologischen Grundlage des Rechtes auf Bildung installiert, denn niemand sollte durch ein dürftigeres Familieneinkommen daran gehindert werden, eine gute Schulbildung zu erwerben. Kein Kind soll durch die Armut seiner Eltern daran gehindert werden, die besten Schulbücher zu benützen. Unsere Gesellschaft ist aber nicht unendlich reich, und ein gewisses Wiederverwendungsprinzip muß einfach möglich sein! Ich stehe zur Modernisierung, aber nicht in jedem Jahr. Der Eiserne Vorhang ist auch nur einmal gefallen, und Armstrong und Aldrin sind auch nur einmal auf dem Mond gelandet. Niemand kann sinnvolles Ausborgen und Wiederverwenden in Frage stellen. Im Zuge der Schulbuchautonomie wurde also für das Schuljahr 1997/98 die Möglichkeit geschaffen, 5 Prozent des Schulbuchbudgets für Lernspiele und automatisationsunterstützte Datenträger zu verwenden. Im folgenden Schuljahr wird sogar für 10 Prozent der Erwerb anderer Lernmittel ermöglicht.

Ich darf mit den Worten der Frau Bundesministerin Gehrer schließen: Ich halte es für besonders wichtig, daß man den Schülerinnen und Schülern Freude vermittelt, Engagement beweist, daß man ihnen lebenslanges Weiterlernen schmackhaft macht, ihnen ein gewisses Maß an Solidarität und an Gemeinschaftssinn mitgibt, Leistungen fordert, sich aber dessen bewußt ist, daß diese nicht immer an materiellen Werten gemessen werden können. – In diesem Sinn wünsche ich unserer Bundesministerin weiterhin gute Nerven für die Sensibilität und den Spürsinn für den richtigen Weg! (Beifall bei der ÖVP.)

14.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.26

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! – Frau Kollegin Haller! Ich glaube schon, daß die grundsätzliche Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien eine Leistung für die Familie ist, auch wenn ich Ihnen recht gebe, daß es sinnvoller wäre, diese Mittel auszugliedern und dem Unterrichtsministerium zuzuordnen.

Frau Ministerin! Sie haben in Ihrer heutigen Rede zu den Schulgesetzen einen Punkt deutlich gemacht: Sie haben gesagt, Sie wollen sich von den Zentralisierungstendenzen der achtziger Jahre deutlich unterscheiden, und Sie haben weiters gesagt, daß Ihre Amtszeit von Entscheidungsfindung vor Ort, neuen Lehr- und Lernformen, Lehrplanautonomie und Deregulierung geprägt sein soll. Wir anerkennen gerne, daß es einige, wenn auch, wie wir glauben, zu kleine Schrittchen in diese Richtung gibt, aber etwas, das mich derzeit wirklich hoffen läßt, ist das im Entwurf vorliegende Lehrplanreformprojekt, das Weißbuch zum Lehrplan 1999 "Schule macht Lehrplan". Ich glaube, daß es dadurch zum ersten Mal jene Entwicklung geben wird, die Schulen tatsächlich ermöglicht, ein eigenes Profil zu entwickeln, und die es tatsächlich ermöglicht, neue Lernformen, neue Unterrichtsformen an den Schulen zuzulassen. Ich kann Ihnen daher heute schon gerne zusichern, daß Sie bei der Umsetzung dieses Reformprojektes auf unsere Unterstützung zählen können.

Aber gerade deshalb, weil sozusagen ein Drittel des Lehrstoffes in die autonome Gestaltung fällt, wäre es so unwahrscheinlich wichtig, auch in der Frage der Organisation der Unterrichtsmaterialien die notwendige Flexibilität zu beweisen. Da wir gerade heute über Integration diskutiert haben, muß doch allen klar sein, daß speziell diese Integration ganz individuelle Unterrichtsmaterialien braucht, die tatsächlich nur von jenen ausgewählt werden können, die von Integration, von Schule betroffen sind – und das sind nun einmal die Lehrer, das sind die Schüler und das sind die Eltern.


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Die Geschichte der Schulbuchaktion ist eigentlich eine unendlich lange. Auf die Vorschläge der Ex-Ex-Familienministerin möchte ich gar nicht mehr zurückgreifen. Selbstbehalte wurden eingeführt und als Übergangslösung angekündigt. Sie, Frau Minister, haben eine Expertenkommission eingesetzt und am 20. Oktober 1995 noch gemeint, die Neustrukturierung der Schulbuchaktion sei für Sie ein Knackpunkt. Im Budgetausschuß zum Strukturanpassungsgesetz gibt es eine Ausschußfeststellung, daß im Laufe des Jahres 1996 eine grundsätzliche Neuordnung der Regelungen im Familienlastenausgleichsfonds für Schulbehelfe und Lehrmittel durchgeführt werden soll. Der Vorsitzende des Unterrichtsausschusses hat im Mai angekündigt, daß Österreichs Schulen für die Anschaffung von Büchern ein jährliches Budget aus dem Familienlastenausgleichsfonds bekommen werden. Setzen die Schulen diese Mittel effizienter ein, sodaß ihnen ein Restbetrag verbleibt, dann sollen sie diesen individuell für die Anschaffung anderer Lehrmittel verwenden können.

Tatsächlich übriggeblieben ist im Ministerrat vom 11. Juni 1996 statt vieler und lange verkündeter Reformen, daß die Schulen ab diesem Herbst 5 Prozent und ab nächstem Herbst 10 Prozent Freirahmen für ihre Entscheidung haben.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Genau aus diesem Grund haben wir unseren Entschließungsantrag eingebracht. Schulen finden derzeit eben nicht den notwendigen Handlungsspielraum vor. Dieser wäre aber dringend notwendig, um die zumindest im Ansatz vorhandene Schulautonomie besser umsetzen zu können und um auch der kommenden Lehrplanreform in besserem Maße gerecht werden zu können. Die Entwicklung neuer Medien zeigt schon lange, daß Schulbücher nicht mehr die einzigen Unterrichtsbehelfe sind, und gerade in Zeiten einer Informationsgesellschaft müßten mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, mit neuen Informationstechnologien umgehen zu lernen, Informationen auswählen und bewerten zu lernen, um eben dann letztendlich nicht in dieser Informationsflut zu ertrinken.

Wenn ich angesichts dieser Tatsachen bei meinen Vorrednerinnen Tendenzen zurück zur Schulbuchlade bemerke, dann glaube ich schon, daß das genau in die andere Richtung geht, obwohl durch eine autonome Verwaltung an den Schulen die Mittel für Unterrichtsmaterialien ganz individuell eingesetzt werden könnten, nämlich wirtschaftlicher und effizienter, und letztendlich vor Ort entschieden werden sollte, welche Mittel man für welchen Zweck zuordnet.

Wir glauben, daß es unbedingt notwendig ist, den Schulen die Möglichkeiten zu einer selbständigen Mittelverwaltung, zu einer jahresübergreifenden Veranlagung und zur selbständigen Budgetierung des Sachaufwandes zu geben. Nur darin könnten wir wesentliche Schritte in Richtung Autonomie erkennen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Autonomie muß man nicht nur wollen, sondern auch wirklich zulassen! Wir bitten Sie daher, unseren Antrag zu unterstützen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger. )

14.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Antoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.33

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wort "Autonomie" fällt heute sehr oft, aber glauben Sie mir eines: Autonomie alleine heißt noch nicht Schulentwicklung, heißt noch nicht Schulreform. Da gehört schon ein bißchen mehr dazu, denn den Unterricht umzustellen, die Einstellung der Lehrer in den Griff zu bekommen oder zu verbessern, das kann Schulautonomie allein nicht leisten.

Ich möchte trotzdem sagen, daß wir an und für sich dem Antrag der Frau Kollegin Schaffenrath durchaus positiv gegenüberstehen und daß wir selbstverständlich für mehr Eigenverantwortung, für mehr Flexibilität und für eine stärkere Einbindung der Schulgremien in den Schulen sind. Ich glaube auch, daß wir auf dem Weg dorthin sind. Aber ich glaube wirklich, daß es der sicherere und planbarere Weg ist, wenn das Schritt für Schritt abläuft, als wenn man Teilautonomie und totale Integration verlangt, wie Sie das für richtig halten. Das würde zwar sicherlich an vielen


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Schulen funktionieren, aber ich habe die Sorge, daß es an der Mehrzahl der Schulen nicht so funktionieren würde, wie man sich das in diesem Antrag vorstellt.

Lassen Sie mich noch ein paar kurze Bemerkungen zur Schulbuchentwicklung machen. Auch ich glaube, daß diesbezüglich eine sinnvolle Weiterentwicklung not tut, aber gerade, was die Schulbuchentwicklung anlangt, liegt ja schon sehr viel auf dem Tisch. Es gibt da zwei interessante Untersuchungen, eine vom Gallup-Institut und die andere von Herrn Universitätsprofessor Egger, der der Sache wirklich auf den Grund gegangen ist und uns sehr brauchbare Vorschläge übermittelt hat. Es liegen darüber hinaus eine Positionierung, aber auch Vorschläge der Schulbuchverlage vor, über die man ebenfalls reden muß, die man ebenfalls in die Diskussion einbeziehen muß. Auch die Ziele der Reformkonzepte, die uns die Schulbuchverlage vorgelegt haben, sind durchaus interessant.

Weiters darf ich daran erinnern, daß wir – das ist sicherlich schon zwei Jahre her – bereits eine intensive Diskussion über unterschiedliche Vorstellungen zur Schulbuchaktion geführt haben. Darüber gibt es Unterlagen aus dem Bereich der Arbeiterkammer, Unterlagen aus dem Bereich der Gewerkschaft und Unterlagen direkt aus dem Unterrichtsministerium. Ich darf darauf verweisen, daß meine Kollegin Dr. Mertel ein Konzept entwickelt hat, das über Sponsoring eine Schulbuchoffensive ermöglichen kann und soll, um weitere Geldquellen zu erschließen. Das kann man in einen Zusammenhang stellen mit der heute getroffenen Entscheidung der Reduzierung des Werbeverbots an den Schulen.

Lassen Sie mich letztlich noch darauf hinweisen, daß ich selbst ebenfalls einen Vorschlag unterbreitet habe, der sich allerdings stark in den pädagogischen und lerntheoretischen Bereich hineinbewegt hat, mit dem Ziel, Unterrichtsmittel und Lernmittel so zu gestalten, daß sie eigenständiges und selbstveranwortliches Lernen bei den Schülerinnen und Schülern stimulieren.

Ich glaube auch, daß sich an der Schule, am Einsatz der Unterrichtsmittel sehr deutlich etwas zu ändern beginnt. Mir liegt eine Statistik vor, aus der ich ablesen kann, daß im Schuljahr 1996/97, also im laufenden Schuljahr, im Grundschulbereich nur noch 43 Prozent der Volksschülerinnen und -schüler Lesebücher über die Schulbuchaktion bestellt haben. Das ist doch ein unglaubliches Signal hin in Richtung Eigenverantwortung der Lehrer. Da sind Eigenfibeln erstellt worden, da sind alternative Texte herangezogen worden, da schreiben Kinder für Kinder. Und genau das ist der Weg, der zu beschreiten ist: daß man eben noch mehr, als das bisher der Fall war, auf Lernverhältnisse, Lernvoraussetzungen, Lernmöglichkeiten, Lerntempo der Kinder und vieles andere mehr eingeht.

Abschließend meine ich: Die intensive Diskussion über die Weiterentwicklung der Schulbücher ist notwendig und sinnvoll, aber all das, was schon auf dem Tisch liegt, sollte nicht beiseite gewischt werden. Daher können wir seitens unserer Fraktion diesem Antrag nicht die Zustimmung geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.37

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Ich habe Ihnen, Herr Abgeordneter Antoni, genauso wie Ihren Vorrednerinnen und Vorrednern, wie ich glaube, einigermaßen aufmerksam zugehört. Ich kann das schon akzeptieren, wenn Sie – so wie einige andere auch – meinen, das kann nicht sofort geschehen. Aber das haben wir eigentlich auch nicht verlangt. Wir haben in einem Entschließungsantrag verlangt, daß die Regierung die Voraussetzungen dafür schafft. Es geht nicht darum, daß wir hier und heute die Teilautonomie beschließen. Es gibt kein fertiges Konzept dafür. Man muß und wird sicher, wenn dieses Konzept vorliegt, sehr intensiv darüber beraten müssen. Ich hoffe doch, daß es dann möglich sein wird, darüber zu beraten, aber unser Anliegen war es, diesen Prozeß etwas zu intensivieren.


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Wenn Sie, Herr Kollege Antoni, sagen, das dauert noch eine Weile, das ist zwar das Ziel, aber momentan sind wir noch nicht dort, dann ist meine Antwort: Wir sollten aber versuchen, diesen Prozeß etwas zu beschleunigen. Es ist richtig und gefällt mir auch gut, wenn Sie sagen: An den Schulen findet schon etwas außerhalb der traditionellen Schulbuchproduktion und -verteilung statt. Es werden Eigenfibeln gemacht, es gibt andere Möglichkeiten, sich Lehr- und Lernmittel zu organisieren. – Das Problem dabei ist nur, daß das derzeit in der Regel die Eltern oder die Elternvereine selbst finanzieren müssen. Aber so kann es nicht sein, daß man die Schulbuchaktion, deren Sinn ich nicht bezweifeln möchte, einerseits durch die Einführung einer Schulbuchlade und andererseits durch das Anwachsen von Elternbeiträgen kalt entsorgt. Das ist nicht der Sinn, das sollte nicht die Perspektive werden! Darum meine ich, daß es Sinn gemacht hätte, auf dem begonnenen Weg etwas schneller voranzugehen, bevor dieser Bereich der Lehr- und Lernmittel sozusagen völlig privatisiert und in Form von Selbstbehalten für die Eltern geregelt ist.

Natürlich ist es so, daß die Teilautonomie nur dann und vor allem dann Sinn macht, wenn die anderen Teile der Autonomie ebenfalls sehr klar diskutiert und geregelt sind, wenn klar ist, was zum Beispiel mit den Lehrplänen geschieht, wenn klar ist, wie pädagogische Entscheidungen an den Schulen gefällt werden. Aber das sollte und dürfte uns nicht daran hindern, den Weg in Richtung Teilautonomie weiterzugehen.

Von Ihrer Seite beziehungsweise von der Regierung – das war unser Anliegen in der Entschließung – ist eingefordert, ein Konzept zu entwickeln, und dieses Konzept sollte meiner Ansicht nach sinnvoll mit den anderen Maßnahmen zur Autonomisierung verbunden sein.

Eine abschließende Bemerkung, um das noch einmal klarzustellen: Es geht niemandem von uns darum, das Schulbuch – und es sind in vielen Fällen gute Schulbücher – kaputtzumachen, im Gegenteil: Ich bin absolut skeptisch beim Konzept Schülerladen, ich bin absolut skeptisch demgegenüber, daß es notwendig sein sollte, das Schulbuch durch eine CD-ROM zu ersetzen. Ich glaube, daß eine CD-ROM in vielen Fällen eine wichtige Funktion haben kann, je nach Schultyp und je nach Vorbereitung und je nach Konzept, wie unterrichtet wird, aber ich sehe nicht die Perspektive darin, das Schulbuch durch die CD-ROM oder irgendein anderes modernes Medium zu ersetzen.

Aber ich würde mir wünschen, daß man das Problem, das viele Eltern jetzt schon haben, daß sie nämlich sehr hohe und noch steigende Aufwendungen tätigen müssen, um ihren Kindern die entsprechenden Lernmittel zu beschaffen, ernst nimmt. Die Umleitung der Mittel aus dem FLAF in das Unterrichtsministerium und die Dezentralisierung wären meiner Ansicht nach sinnvolle Voraussetzungen dafür, einen Schritt in die richtige Richtung zu machen.

Der Einstieg in die Teilautonomie könnte natürlich nur so erfolgen, daß die Mittel von den Schulen selbständig verwaltet werden. Ich denke, es trennt uns in der Sache nicht allzu viel, außer vielleicht, daß bei dem einen oder anderen von Ihnen die Hoffnung mitschwingt, das Problem Schulbuchaktion generell auf diesem Weg "entsorgen" zu können.

Ich hoffe nicht, daß wir in diese Richtung gehen, und unter diesem Aspekt ist auch unser Antrag zu verstehen. (Beifall bei den Grünen.)

14.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Schuster. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.43

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag wird heute von der Volkspartei abgelehnt, weil wir meinen, daß die wesentlichen Inhalte dieses Antrages im Reformpaket unserer Frau Bundesministerin enthalten und zum großen Teil bereits verwirklicht sind. Die Frau Bundesministerin deckt ja mit dem Schulreformpaket eine Reihe von Forderungen nach anstehenden Verbesserungen im Schulbereich ab, und darunter fallen eben auch diese von den Abgeordneten Schaffenrath und Öllinger vorgetragenen Bereiche.


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Meine Damen und Herren! Die Vorteile der Autonomie sind uns ja allen bekannt und bleiben auch weitgehend unwidersprochen. Schulautonomie bietet die Möglichkeit, pädagogische Angebote in den Schulen zu erweitern. Autonomie fördert das Engagement und die Einsatzbereitschaft der Lehrerinnen und Lehrer. Autonomie aktiviert auch Eltern und Schüler, gemeinsam am Schulablauf teilzunehmen und mitzubestimmen. Schulautonomie ist ein wichtiger Beitrag, die Verwaltungskosten im Schulsystem zu senken. Und so könnte man noch eine Reihe weiterer Vorteile der Autonomie erwähnen.

Meine Damen und Herren! Es existieren aber auch Untersuchungen aus der Praxis, die belegen, wie sehr sich Schulautonomie bewährt. Die Frau Ministerin hat vom Zentrum für Schulentwicklung untersuchen lassen, wie die Schulautonomie angenommen wird. Diese Untersuchung ergab, daß drei Viertel aller berufsbildenden höheren Schulen, zwei Drittel der Hauptschulen und etwa ein Drittel der AHS bereits von den autonomen Gestaltungsmöglichkeiten in ihren Schulen Gebrauch machen.

An einigen Lehranstalten sorgt die Autonomie – und das sei bitte auch gesagt – aber auch für handfeste Konflikte im Lehrerkollegium. Ich finde aber, das darf man nicht überbewerten, denn – und ich schließe mich hier der Meinung der Frau Bundesminister an – Schulautonomie ist nichts Endgültiges, ist nichts Fertiges, sondern Schulautonomie ist ein Diskussions- und Entwicklungsprozeß.

Die Autonomie-Studie zeigt auch, daß etwa die Hälfte der Schulprojekte von den Lehrern selbst und etwa 30 bis 35 Prozent von der Schulleitung initiiert wurden.

Was sich meiner Meinung nach ganz besonders motivierend für die Schulen auswirken wird, ist die finanzielle Selbstgestaltung. Bisher wurden ja sparsame Schulen "bestraft", wenn sie Gelder nicht ausgegeben haben. Diese Mittel wurden dem Finanzminister wieder zurückgegeben. In Zukunft ist das anders, die Schulen können diese sogenannten eingesparten Gelder optimal nach ihrem Gutdünken einsetzen.

Das fördert die Selbständigkeit und vor allem das selbständige Denken bei den Lehrerinnen und Lehrern.

Das ist etwas, was wir in Zukunft dringend notwendig haben werden, wenn man bedenkt, wie schnell sich die Situation in der Wirtschaft, in der Politik und im gesellschaftlichen Zusammenleben verändert. Wir brauchen flexible, teamfähige und sozial kompetente Arbeitskräfte, und dazu bedarf es dieser flexiblen Schuleinrichtungen. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne begrüße ich es sehr, Frau Bundesminister, daß Sie sich dafür entschieden haben, als Ziel eine große Lehrplanreform im Jahre 1999 anzupeilen. Ich glaube, daß wir mit diesem Reformpaket auf dem richtigen Weg sind und einen weiteren Schritt zu mehr Selbständigkeit und mehr Flexibilität der Schulen setzen.

Es wurde heute schon die Frage aufgeworfen, ob die Lehrer gut sind, ob sie schlecht sind, ob sie besser sein könnten. Ich darf doch bei diesem Tagesordnungspunkt anmerken, daß wir Abgeordneten in diesem Haus es zum Großteil unseren Eltern und auch zu einem wesentlichen Teil unseren Lehrern zu verdanken haben, daß wir diesen Ausbildungsstand erreicht haben. Dafür sei ihnen an dieser Stelle gedankt.

Die Volkspartei wird diesem Antrag der Abgeordneten Schaffenrath, Öllinger und Genossen nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

14.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.48

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Verehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Vielleicht sind noch ein paar kritische Worte zum Abschluß dieser De


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batte erforderlich, um das Schulterklopfen der letzten Redner doch etwas zu relativieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Hand aufs Herz: Not macht erfinderisch! Die Sparpakete sind der eigentliche Vater der Autonomiebemühungen und der Teilrechtsfähigkeitstendenzen. So, wie schon an den Universitäten die leere Kassa oder das weniger werdende Geld für diesen Bereich – bedauerlicherweise, das sei dazugesagt – Auslöser für die Autonomie war, ist das natürlich auch jetzt im Bereich der Schulen so.

Die Deregulierung und Dezentralisierung, die Sie vorhaben, wird von unserer Seite in jeder Hinsicht unterstützt. Es wurde ja zum Teil bereits erwähnt: Die Teilrechtsfähigkeit hat wirklich nur dann Sinn, wenn die Begleitmaßnahmen stimmen.

Schauen wir uns die Schulleiterbestellung der Vergangenheit und der Gegenwart an: Wo wird darauf Bezug genommen, daß das, was Frau Kollegin Moser so malerisch und schönfärberisch in der Märchenstunde erzählt hat – "wirtschaftliches Denken" –, in die Schulen einkehrt? – Oder: "Bestens vorbereitete Schulleiter sind mit der Verwaltung der überantworteten Gelder beschäftigt." – Stimmt ja nicht! So findet Teilrechtsfähigkeit und Finanzgebarung derzeit in den Schulen nicht statt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß, wovon ich rede, Frau Bundesminister; Sie kennen mein diesbezügliches Steckenpferd. Die Schulen sind aufgefordert, und heute haben wir es erweiternd beschlossen, ihre Turnsäle an die Sportvereine zu verkaufen. Das Ergebnis dieses Sporthallenmanagements, meine Damen und Herren: Die Turnsäle leeren sich, die Sportvereine können sich die vorgegebenen Kosten nicht leisten, die Hallenwarte sind nicht mehr bereit, am Abend aufzusperren. Dieser Anschlag auf die Volksgesundheit ist das Resultat dieser Bemühungen.

Frau Bundesminister! In der ASKÖ-Zeitung von vergangener Woche heißt es: Nur die sture Haltung der Frau Bundesminister in dieser Frage führt dazu, daß die Sportvereine an den Grenzen ihrer Existenz stehen.

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß die Umsetzung dieser durchaus nachvollziehbaren Bemühungen es erforderlich macht, daß die Schulleiter eine entsprechende Ausbildung in diesen Bereichen erhalten, daß man künftig bei der Bestellung der Schulleiter weniger auf ihre Parteibücher, sondern mehr auf ihre Qualifikationen in diesem Bereich achtet, und daß man schlußendlich schadensbegrenzend die Frage des Verkaufes der Turnsaaleinrichtungen noch einmal überprüft.

Es war das sicherlich keine gute Idee. Das von Ihnen im Ausschuß mit einer Handbewegung weggewischte Argument, es ginge hier nur um Budgetwahrheit, ist für uns nach wie vor aktuell. Sie haben Ihre Vorstellungen zu Lasten der Volksgesundheit umgesetzt.

Teilrechtsfähigkeit: ja, Begleitmaßnahmen: dringendst erforderlich. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort wird von der Berichterstatterin nicht gewünscht.

Wir treten daher in das Abstimmungsverfahren ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht in 441 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Jene Damen und Herren, die diesem Bericht die Zustimmung erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.


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Meine Damen und Herren! Mir ist gerade gesagt worden, daß es Klagen über einen Geruch gibt, der durch die Entlüftung einströmt. Das ist die Folge von Lackierarbeiten, die allerdings schon eingestellt worden sind, sodaß die Schlußfolgerung die wäre, daß in Kürze mit einer Verbesserung der Luft gerechnet werden kann. (Heiterkeit und Beifall.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten in 7 Minuten die Dringliche Anfrage aufrufen. Als erster Redner zu Wort gemeldet wäre jetzt beim nächsten Tagesordnungspunkt der Herr Abgeordnete Rosenstingl. Aus praktikablen Gründen frage ich, ob er mit einer Redezeit von etwa 5 Minuten das Auslangen finden will. (Abg. Rosenstingl verneint.) – Da das nicht der Fall ist, unterbreche ich die Sitzung bis zum Aufruf der Dringlichen Anfrage.

(Die Sitzung wird um 14.53 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller, Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Reform des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) (1523/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Sinne der Ankündigung vor Eingang in die Tagesordnung der heutigen Sitzung gelangen wir nunmehr zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1523/J an den Herrn Bundeskanzler.

Diese Anfrage ist inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden, es erübrigt sich dadurch eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die Energiepolitik der Europäischen Union stützt sich auf folgende drei Verträge: Vertrag der Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), Vertrag der Atomgemeinschaft (EURATOM) und Vertrag der Europäischen Gemeinschaft (EG). Diese Zersplitterung schafft zahlreiche rechtliche Probleme. Darüber hinaus widersprechen der EURATOM- und der EGKS-Vertrag der von der Europäischen Union formulierten umwelt- und wirtschaftspolitischen Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung. Insbesondere ist die nach wie vor bevorzugte Behandlung der Atomenergie weder ökologisch noch ökonomisch oder sozial zu rechtfertigen.

Während der EGKS-Vertrag ohne Verlängerung vertragsgemäß am 23. Juli 2002 auslaufen wird, haben alle Bemühungen, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung eine Änderung des EURATOM-Vertrages oder gar seine Einbeziehung in den EG-Vertrag zu erreichen, noch nicht zum Erfolg geführt. Derartige Reformschritte liegen aber zweifellos im österreichischen Interesse.

Aufgrund dieses österreichischen Interesses ist es unverständlich, daß in einer Abstimmung des Europäischen Parlaments die Forderung "Einstellung der Förderung der Kernenergie und Änderung des EURATOM-Vertrages im Jahr 2002 dahin gehend, daß einzige Aufgabe von EURATOM der sichere Abbau der Kernreaktoren und die sichere Lagerung der Nuklearabfälle wird" lediglich an der Ablehnung der ÖVP-Abgeordneten Flemming, Habsburg-Lothringen, Pirker, Rack, Rübig und Stenzel scheiterte. Die Forderung, ab dem Jahr 2002 die Förderungen für die Kernenergie einzustellen und EURATOM auf den sicheren Abbau der Kernreaktoren und die sichere Lagerung der Nuklearabfälle zu reduzieren, fand sich im Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments über das Programm der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung. (Bericht vom 3. Oktober 1996, Berichterstatterin: Dybkjær, PE 217.883, Änderungsantrag 37, Art. 2 Abs. 4 Buchstabe h, abgestimmt am 13. November 1996.) Sie wurde mit 244 Gegen-Stimmen zu 237 Pro-Stimmen in der Plenarsit


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zung des Europäischen Parlaments am 13. November 1996 abgelehnt. Hätten die sechs Europaabgeordneten der ÖVP für diese Forderung votiert, wäre sie beschlossen worden.

Diese Ablehnung, die nicht von allen konservativen Abgeordneten des Europäischen Parlaments mitgetragen wurde (zwei Abgeordnete der Europäischen Volkspartei stimmten dem Änderungsantrag zu; MEP Schierhuber (ÖVP) enthielt sich der Stimme), steht in Widerspruch zu österreichischen Interessen und zu der bisher von Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung im Ausland vertretenen Ablehnung der Atomenergienutzung. Erst anläßlich des österreichischen Engagements gegen die Fertigstellung des AKW Mochovce wurde am 9. Februar 1995 im Nationalrat einstimmig eine Entschließung aller fünf Parteien angenommen und die Bundesregierung aufgefordert, "ihre Bemühungen im Sinne der Politik für ein kernenergiefreies Mitteleuropa zu intensivieren" und "sich zu bemühen, die Zielsetzungen von EURATOM dahin gehend zu ändern, daß die Förderung der Kernenergie unterbleibt".

Das Stimmverhalten widerspricht auch dem im Koalitionsübereinkommen 1996 gegebenen Versprechen, daß die Regierungsparteien sich insbesondere dafür einsetzen werden, auf Ebene der Europäischen Union die Zielsetzung des langfristigen Ausstiegs aus der Atomkraft weiter zu verfolgen. (Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996, Kapitel "Österreich als EU-Mitglied", Seite 22.)

Weiters widerspricht die Ablehnung der Forderung nach Einstellung der Subventionen für die Atomenergienutzung und die Ablehnung einer Reform des EURATOM-Vertrages den im Nationalen Umweltplan festgelegten ökologischen Leitlinien. Dieser empfiehlt eine aktive Mitgestaltung bei der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der Europäischen Union (NUP, Kapitel 2.1.2. "Österreichs internationaler Beitrag", Unterkapitel "Aktivitäten Österreichs im europäischen und regionalen Kontext", Seite 21), die zumindest nach österreichweit gängiger politischer Meinung mit einer derart risiko- und abfallreichen Technologie wie der Atomenergienutzung unvereinbar ist. Im Koalitionsübereinkommen 1996 hat sich die Bundesregierung selbst zur Realisierung der im Nationalen Umweltplan formulierten ökologischen Leitlinien verpflichtet. ("Die im Nationalen Umweltplan festgelegten Leitlinien sind zu realisieren.", siehe Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996, Kapitel X "Umwelt", Seite 46.)

Schließlich wird die im Energiebericht 1996 der österreichischen Bundesregierung dargestellte Schrittmacherfunktion bei der Schaffung eines kernenergiefreien Mitteleuropas (Energiebericht 1996 der österreichischen Bundesregierung, Kapitel 2.2.2. "Kernenergiepolitik", Seite 63) durch das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten der ÖVP im Europäischen Parlament konterkariert.

Indem die ÖVP-Parlamentarier Flemming, Habsburg-Lothringen, Pirker, Rack, Rübig und Stenzel eine Resolution für den Ausstieg aus der Förderung der Kernenergie sowie für die Reform des EURATOM-Vertrages mit ihren Stimmen verhinderten, stellten sie aber auch die viel weiter gehenden seit dem Jahr 1992 geltenden und im Jahr 1995 wiederholten Forderungen des Europäischen Parlaments (Entschließung zur Einberufung von Regierungskonferenzen im Hinblick auf die Änderung des EGKS- und des EURATOM-Vertrages, 16. Jänner 1992, Abl. Nr. C 39/101; Bericht über die Funktionsweise des Vertrags über die Europäische Union im Hinblick auf die Regierungskonferenz 1996 – Verwirklichung und Entwicklung der Union, Institutioneller Ausschuß, 12. Mai 1995, Berichterstatter: Bourlanges/Martin, PE 214.450, Teil I.B2) nach einer Reform des EURATOM-Vertrages und einer Einbeziehung in den EG-Vertrag in Frage und brachten die jahrelange atomenergiekritische Haltung des Europäischen Parlaments zu Fall.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage:

1. Gibt es unterschiedliche Auffassungen oder unterschiedliche Prioritätensetzungen der Regierungsparteien in Fragen der Atomenergienutzung?


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2. Wie vermeiden Sie den Eindruck, daß sich mit der Ablehnung der Forderung nach einem Ausstieg aus der Atomenergieförderung eine Wende in der Kernenergiepolitik der Bundesregierung beziehungsweise einer der Regierungsparteien abzeichnet?

3. Was werden Sie unternehmen, um die Glaubwürdigkeit des österreichischen Eintretens für ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa zu erhalten?

4. Welche Maßnahmen werden Sie unter dem Eindruck des unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens der Abgeordneten der Regierungsparteien im Europäischen Parlament hinsichtlich einer Reform des EURATOM-Vertrages setzen, nachdem es zuvor schon nicht gelungen ist, diesen Verhandlungsgegenstand in die Agenda der Regierungskonferenz aufzunehmen?

5. Welches Arbeitsprogramm wurde für die Zeit des österreichischen Ministerratsvorsitzes vorbereitet, um eine Reform des EURATOM-Vertrages voranzutreiben?

In formaler Hinsicht wird vor Eingang in die Tagesordnung die dringliche Behandlung der Anfrage zum frühestmöglichen Zeitpunkt verlangt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erster Fragesteller erhält Herr Abgeordneter Mag. Barmüller das Wort. Nach § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung ist die Redezeit mit 20 Minuten begrenzt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.03

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage des Liberalen Forums beschäftigt sich mit einer EU-Angelegenheit, mit einer Abstimmung des Europäischen Parlaments vor zwei Wochen, und zwar am 13. November 1996, bei der es darum gegangen ist, einen Stopp der Kernenergieförderung auf EU-Ebene ab sofort und eine Reform des EURATOM-Vertrages ab dem Jahr 2002 zu fordern. Diese Forderung wurde im Europäischen Parlament abgelehnt, allerdings sehr knapp abgelehnt.

Interessanterweise ist die Differenz der Stimmen, die letztlich zur Ablehnung geführt hat, genau identisch mit der Zahl der ÖVP-Europaabgeordneten: Es hat 244 Kontra-Stimmen und 237 Pro-Stimmen gegeben. Wenn Sie sich das Abstimmungsprotokoll des Europäischen Parlaments ansehen, dann werden Sie bemerken, daß sechs ÖVP-Abgeordnete des Europaparlaments dagegengestimmt haben und einer sich der Stimme enthalten hat.

Herr Abgeordneter Kopf, Sie schütteln den Kopf. (Abg. Rosemarie Bauer: Eine Abgeordnete ! – Abg. Dr. Krüger: Der Abgeordnete Kopf schüttelt den Kopf!) Wir haben das Protokoll der Dringlichen Anfrage beigelegt, es ist dort nachzulesen.

Faktum ist – ich glaube, das ist unbestritten –, daß, hätten die österreichischen Abgeordneten der ÖVP im Europäischen Parlament für diese Forderung gestimmt, sie auch angenommen worden wäre. So aber wurde sie abgelehnt.

Das hat innenpolitisch bestimmte Auswirkungen. Zum einen geht es um den Bruch von Wahlversprechen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß alle, die letztlich für die Europäische Union geworben haben, versprochen haben, in der Union österreichische Interessen zu vertreten. Aber, meine Damen und Herren: Ich darf an die Diskussionen erinnern, die wir führten, als es um den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gegangen ist, als wir immer wieder gesagt haben: Wir müssen in die Gremien der Europäischen Union, damit wir dort die österreichischen Interessen vertreten und ihnen zum Durchbruch verhelfen können. Das war ein wesentliches Argument und letztlich auch für viele Personen ausschlaggebend, ja zu sagen: Wenn wir schon den Auswirkungen der Europäischen Union unterworfen sind – einerseits durch die räumliche Nähe, andererseits durch den EWR –, dann setzen wir auch den letzten Schritt, dann treten wir bei und bringen uns in diese Gremien ein.


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Genau dieses Versprechen ist damit aber mit sehr drastischen Auswirkungen gebrochen worden, denn außenpolitisch gibt es zwei wesentliche Auswirkungen: Auf der einen Seite ist die Linie des Europäischen Parlaments, das immer sehr atomkritisch war, das sich in Oppositionshaltung zur Kommission befand, gebrochen, zu Fall gebracht, konterkariert und ins Gegenteil verkehrt worden. Es ist letztlich jedoch auch die österreichische Außenpolitik und insbesondere auch die österreichische EU-Politik konterkariert und in Mißkredit gebracht worden.

Zum Bruch der Linie des Europäischen Parlaments – dies wird in der Regel nicht so beobachtet – darf ich folgendes ausführen: Es gab bereits im Jänner 1992 von seiten des Europäischen Parlaments im Vorausblick auf die Regierungskonferenz das Bestreben, die Energieverträge, die für die Europäische Union gültig sind, zusammenzufassen und damit die Stellung des Europäischen Parlaments im Rahmen der Energiepolitik zu stärken. Das Europäische Parlament stand einer Förderung der Kernenergienutzung bereits damals sehr zurückhaltend gegenüber. Das war 1992.

Es ist dann in Fortsetzung dieser Linie im Jahr 1995 sogar zu einem Bericht mit einem in der Folge ausgearbeiteten und auch publizierten – man kann es daher auch nachlesen – Textvorschlag für die Revision der Energieverträge der Europäischen Union gekommen.

Jetzt, im Jahr 1996, da es leider nicht gelungen ist, es auch der österreichischen Bundesregierung nicht gelungen ist, die Revision dieser Energieverträge, des EURATOM-Vertrages auf die Agenda der Regierungskonferenz zu bringen, wurde im Zuge der Revision des fünften Umweltprogramms vom Europäischen Parlament festgehalten, Atomenergienutzung entspreche nicht einer nachhaltigen Entwicklung. Da dies so ist, darf ab sofort – so die Forderung des Europäischen Parlaments – kein Geld für den Kernenergieausbau zur Verfügung gestellt werden.

Es ist daher sehr problematisch, daß ausgerechnet Österreich, das als relativ kleines Land im europäischen Kontext immer sehr mutig agiert, das sich auf europäischer Ebene gegen die Nutzung der Kernenergie ausgesprochen hat, mit eigenen Abgeordneten diese Forderung zu Fall gebracht hat.

Ich meine, daß damit die Glaubwürdigkeit der österreichischen Politik in dieser Frage sehr großen Schaden erlitten hat, daß es in Wahrheit auch eine 180-Grad-Wendung ist und ein Bruch dessen, was man noch im Wahlkampf zum Europäischen Parlament, den wir jüngst erlebt haben, versprochen hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist vor allem auch deshalb ein Problem, weil wir in Österreich selbst immer eine klare Anti-Atompolitik vertreten haben, die auch innenpolitisch sowohl von seiten der Bundesregierung als auch hier im Hause immer wieder bekräftigt wurde.

Ich darf in diesem Zusammenhang – um das Gedächtnis aufzufrischen – einen Bericht des Umweltausschusses in Erinnerung rufen, in dem es darum gegangen ist, in der außenpolitischen Diskussion der Bundesregierung den Rücken zu stärken, daß es bei der Fertigstellung des Kernkraftwerkes Mochovce nicht zu Finanzierungsunterstützungen kommt.

Dieser Antrag wurde am 1. Februar 1995 ausgearbeitet. Es war ein Antrag, dem alle fünf Parteien hier im Hause ihre Zustimmung gegeben haben und der auch gemeinsam ausgearbeitet wurde. Ich erinnere mich noch gut daran, als Herr Abgeordneter Kopf, Abgeordneter Oberhaidinger, Abgeordneter Schweitzer, Abgeordneter Anschober und auch ich um den Text dieser Entschließung, die mit diesem Bericht gemacht wurde, gerungen haben. Wir haben uns letztlich darauf geeinigt, folgende Entschließung dem Hause vorzulegen – sie ist auch einstimmig angenommen worden, und ich zitiere nun die wesentlichen Passagen:

Die österreichische Bundesregierung soll ihre Bemühungen im Sinne der Politik für ein kernenergiefreies Mitteleuropa intensivieren, um damit das Risiko für die österreichische Bevölkerung zu minimieren und gleichzeitig einen Schritt in Richtung nachhaltige Energiewirtschaft zu setzen. Insbesondere – im folgenden werden mehrere Maßnahmen aufgezählt – wird die Bundesregierung ersucht, sich zu bemühen, die Zielsetzungen von EURATOM dahin gehend zu ändern, daß die Förderung der Kernenergie unterbleibt.


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Das ist der Originaltext der von allen fünf Parteien hier im Hause ausgearbeiteten und von allen fünf Parteien einstimmig beschlossenen Forderung des österreichischen Parlaments.

Interessanterweise zielt jener Antrag, der jetzt im Europäischen Parlament abgelehnt worden ist, darauf ab, daß die Einstellung der Förderung der Kernenergie sowie eine Änderung des EURATOM-Vertrages im Jahre 2002 dahin gehend erfolgen soll, daß EURATOM nur noch für den sicheren Abbau der Kernreaktoren und die sichere Lagerung der Nuklearabfälle zuständig ist. (Abg. Rauch-Kallat: Das ist die einzige Aufgabe, genau das ist das Problem!)

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! Das ist genau das, was – auch mit Ihrer Stimme – hier im Hause beschlossen worden ist, aber offenbar rücken Sie jetzt davon ab. Das ist auch unsere Sorge! Es ist unsere Sorge, daß innerhalb der Bundesregierung mittlerweile verschiedene Auffassungen über das Eintreten gegen die Nutzung der Kernenergie bestehen. Deshalb haben wir dieses Thema heute zum Gegenstand einer Dringlichen Anfrage gemacht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich weiß schon, daß es angeblich viele formale Argumente gibt, warum man dem nicht zustimmen konnte, was nicht gepaßt hat. Man hat als erste Reaktion gesagt, das war ein Antrag von den "chaotischen Grünen". Das war leider nicht wahr, er war von den Liberalen. (Abg. Anschober: Von den chaotischen Liberalen!) Ja es war sogar so, daß es bei der Abstimmung des Europäischen Parlaments, meine Damen und Herren, nicht einmal zu einem fraktionseinheitlichen Abstimmungsverhalten gekommen ist.

Es mag spaßig klingen, aber es ist wirklich ein Problem, nämlich deshalb, weil in Wirklichkeit – wie Sie mir zugestehen werden – unsere Linie damit konterkariert wird.

Es haben ja nicht einmal innerhalb der europäischen Konservativen alle geschlossen gegen diesen Antrag gestimmt, sondern es hat zwei Pro-Stimmen und sogar Enthaltungen gegeben. Nur waren leider die österreichischen Abgeordneten der Volkspartei nicht in der Lage, sich hier daran zu erinnern, was etwa auch im Arbeitsübereinkommen vom 11. März 1996 festgehalten wurde. Im Arbeitsübereinkommen vom 11. März 1996 – es ist also noch gar nicht so lange her, jedenfalls nicht so lange wie diese Entschließung vom 1. Februar 1995 – wurde im Kapitel "Österreich als EU-Mitglied" klar und deutlich festgehalten, daß die Zielsetzung des langfristigen Ausstiegs aus der Atomkraft weiter verfolgt werde. – Das haben Sie als Regierungsfraktion in einem Arbeitsübereinkommen festgeschrieben.

Meine Damen und Herren! Sie haben dies auch dadurch verstärkt, daß im Kapitel 10 des Arbeitsübereinkommens, im Kapitel "Umwelt", festgehalten wurde, daß die im Nationalen Umweltplan festgelegten ökologischen Leitlinien zu realisieren sind. Ich habe diese ökologischen Leitlinien mitgebracht und mir den Nationalen Umweltplan noch einmal angesehen, von dem wir übrigens meinen, daß er nicht nur in zwei Sitzungen hier im Hause abgewickelt werden sollte, sondern daß er längerfristig Maßstab für die gesetzliche Entwicklung in Österreich sein muß.

In diesem Nationalen Umweltplan haben Sie als EU-Mitglied neben dem Bekenntnis, gegen die Nutzung der Kernenergie einzutreten, folgendes festgehalten – ich zitiere –:

Österreich wird schließlich auch als neues Mitglied der Europäischen Union bemüht sein, in der Gemeinschaft und im Rahmen der gemeinschaftlichen Politik die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung im europäischen und globalen Kontext aktiv mitzugestalten.

Das kann natürlich nur heißen, daß jene Linie, die wir eingeschlagen haben, die auch hier versprochen wurde – etwa von Personen, die gesagt haben, sie werden der Anwalt österreichischer Interessen in Brüssel sein –, natürlich weiter verfolgt wird – auch im Europäischen Parlament.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie auch noch darauf verweisen – nur um keine Unklarheit aufkommen zu lassen –, daß im Energiebericht 1996 dieser Bundesregierung im Kapitel zur Kernenergienutzung klar festgehalten wurde – ich zitiere aus dem Kapitel "Kernenergienutzung" auf Seite 63 des Energieberichts 1996 der österreichischen Bundesregierung:


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Im Streben nach größtmöglichem Schutz der österreichischen Bevölkerung setzte sich die österreichische Bundesregierung zum Ziel, bei der Schaffung eines kernenergiefreien Mitteleuropa eine Schrittmacherfunktion einzunehmen.

Die österreichische Entscheidung, gegen die energetische Nutzung der Kernenergie einzutreten, wurde durch die Einsicht wesentlich mitbestimmt, daß die Kernenergie als Symbol für risikoreiche und potentiell extrem teure Technologien steht, die nicht mit den Prinzipien und Prioritäten einer nachhaltigen und aufrechterhaltbaren Entwicklung in Einklang zu bringen sind.

Es kann also niemand behaupten, daß irgend jemand im politischen Feld im unklaren darüber hätte sein können, was die offizielle österreichische politische Linie ist.

Meine Damen und Herren! Die Liberalen haben echte Sorge, daß durch ein solches Abstimmungsverhalten – ich möchte jetzt nicht den Begriff "Verrat" verwenden, weil er so furchtbar martialisch ist –, durch solche Inkonsequenz der Integrationsgedanke in Österreich noch stärker in Mißkredit geraten wird, als dies ohnehin in der letzten Zeit schon geschehen ist, und zwar deshalb, weil man sich einfach nicht daran hält, was man a) verspricht und b) festschreibt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wir haben aber auch die Sorge, daß die österreichische Position im außenpolitischen Raum im Auftreten gegen die Nutzung der Kernenergie durch ein solches Verhalten wesentlich geschwächt wird. Wir meinen, daß es in irgendeiner Weise eine stärkere Abstimmung zwischen den Koalitionsparteien geben muß. Wir hoffen nicht – wir fragen in der Dringlichen Anfrage danach –, daß es Ausdruck einer unterschiedlichen Haltung der Koalitionsparteien ist, die diese Bundesregierung bestimmt.

Meine Damen und Herren! Ein letzter Punkt: Wir meinen, daß der Vorsitz Österreichs im Ministerrat für eine Offensive gegen die Kernenergienutzung auf europäischem Feld genutzt werden sollte. Aber wenn man das will, dann muß man auch konsequent und nachhaltig über die Jahre hinweg solche Entscheidungen tragen. Sie dürfen nicht dann, wenn es darauf ankommt, knapp vor dem Ziel die Linie brechen und Hand in Hand mit der Atomlobby in Brüssel spazierengehen, während man in Österreich sagt: Wir sind der Anwalt österreichischer Interessen. – Das kann nicht gehen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wir haben aus diesem Grunde auch unsere Dringliche Anfrage an den Herrn Bundeskanzler gerichtet, weil wir meinen, es ist Chefsache, jetzt darüber Klarheit zu geben, wie denn die Bundesregierung zu dieser Frage steht und wie, besonders auf europäischem Feld und letztlich auch, wenn wir den Vorsitz auf europäischer Ebene haben werden, mit diesem Thema umgegangen wird. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.17

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Eines möchte ich gleich zu Beginn meiner Beantwortung klarstellen: Was immer einzelne Politiker, die nicht der Bundesregierung angehören, im Inland oder im Ausland sagen: Die Politik der österreichischen Bundesregierung in Sachen Atomenergie ist unverändert und klar: Wir wollen keine Atomkraftwerke, weil die mit Betrieb und Abfallagerung verbundenen Risiken noch immer nicht gelöst sind und – davon gehe ich aus – auch nicht gelöst werden können.

Wir sind außerdem davon überzeugt, daß Atomenergie, wenn man den Grundsätzen der Kostenwahrheit folgt und daher Stillegungskosten und Lagerkosten der AKWs mit einbezieht, die Atomenergie keinesfalls wirtschaftlicher ist als andere Energieformen. Diesen Standpunkt vertreten wir bei unseren unmittelbaren Nachbarn, diesen Standpunkt vertreten wir als Regierung natürlich auch weiterhin auf der Ebene der Europäischen Union und verwandter Organisationen.


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Ich sage das deshalb hier mit so tiefer Überzeugung, weil ich selbst in dieser Frage den Kurs der Bundesregierung definiert habe, sodaß ich Ihnen versichern kann: Es wird in der Bundesregierung keine Änderung der Linie gegen die Atomenergie geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nach dem Grundsatz der Gewaltentrennung müßte ich die Anfragesteller ersuchen, die Damen und Herren Abgeordneten der Volkspartei im Europäischen Parlament, die gegen den Antrag gestimmt haben, direkt zu fragen, was sie sich bei ihrem Stimmverhalten gedacht haben. Aber ich gebe zu, daß auch ich mir Gedanken darüber gemacht habe, als ich zum ersten Mal davon gehört habe, da sich dieses Abstimmungsverhalten der genannten Kolleginnen und Kollegen doch so deutlich von dem unterschied, was sie nur kurz vorher während ihrer eigenen Kampagne in dem zu Ende gegangenen Wahlkampf erklärt haben.

Aber selbstverständlich wird die Politik in Sachen Atomenergie in der Bundesregierung gemacht. Natürlich hat sich unsere Position – wie schon dargelegt – nicht geändert. Ich nehme aber die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Barmüller und die Anfrage zum Anlaß für einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Thema, zumal die Interpretationen über Erfolg oder Mißerfolg dieses Projektes weit auseinandergehen. Eine wichtige Bestimmungsgröße ist der Zeitfaktor.

Ich erinnere Sie daran, meine Damen und Herren, daß wir stets einen mittelfristigen Planungshorizont vor Augen hatten und der Anspruch nicht war, heute oder morgen eine Abschaltung oder Verhinderung grenznaher Kernkraftwerke bewirken zu können.

Aber selbst wenn diese "Verhinderung" als Maßstab herangezogen werden sollte, so muß doch mit großer Deutlichkeit gesagt werden, daß auch der westlichen Staatengemeinschaft unter der Führung der USA, auch der Europäischen Kommission beziehungsweise der G7 mit ihrer Strategie, durch massive westliche Finanzhilfe eine vorzeitige Stillegung besonders gefährlicher Anlagen zu erreichen, kein Erfolg beschieden war. Die Kontroverse um den Block 1 des Kernkraftwerkes Kosloduj in Bulgarien im Herbst 1995 möge nur als besonders markantes Beispiel dafür in Erinnerung gerufen werden.

Ein weiterer Maßstab der Erfolgskontrolle ist die Frage, ob das österreichische Engagement den Sicherheitsstatus benachbarter Kernkraftwerke erhöht habe. Die Antwort heißt ja und sei mit dem Beispiel des slowakischen AKW Bohunice untermauert, bei dem sich seit unserer Intervention im Gefolge einer österreichischen Expertenkommission und persönlicher Verhandlungen mit den jeweiligen Ministerpräsidenten seit 1990 die Wahrscheinlichkeit eines Unfalles um den Faktor 5 bis 10 reduziert hat.

Auch beim slowenischen Kernkraftwerk Krško hat eine internationale Expertengruppe auf Basis einer österreichischen Initiative quasi den Finger auf die Wunden und damit die Grundlage für die fast abgeschlossenen Sanierungsmaßnahmen gelegt.

Es verbliebe also, die österreichische Kernenergiepolitik daran zu messen, ob sie ihrem Anspruch, eine Schrittmacherfunktion einzunehmen, gerecht geworden ist. Diesbezüglich wurde jedoch auch von den schärfsten Kritikern der österreichischen Kernenergiepolitik noch keine Klage laut.

Österreich ist heute – je nach Standpunkt – ein Hoffnungsträger und Orientierungspunkt für kernenergiekritische Menschen im Inland und im Ausland – auch ein unbequemer, aber fachlich meist geachteter Verhandlungspartner.

Darüber hinaus hat Österreich einigen internationalen Diskussionen seinen Stempel aufgedrückt und wesentlich dazu beigetragen, daß internationale Finanzinstitutionen, allen voran die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in Zukunft bei der Behandlung von Projektanträgen für kerntechnische Anlagen besondere Sorgfalt walten lassen würden. Manche Beobachter meinen auch, daß das österreichische Engagement im Fall des Kernkraftwerkes Mochovce langfristig den Einstieg der Weltbank in die Finanzierung von Nuklearprojekten hintangehalten hat.


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Hohes Haus! Auch wenn fast zwei Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union einen relativ kurzen Zeitraum darstellen, sei dennoch eine vorläufige Bilanz versucht. Zunächst ist wohl einzuräumen, daß uns deutlich vor Augen geführt wurde, wie ambitioniert unser Anliegen ist. Das Bilden von "kritischen" Koalitionen auch mit Staaten, welche die österreichischen Intentionen weitgehend teilen, hat sich als außerordentlich schwierig und aufwendig herausgestellt. Dazu kommt, daß sich Österreich als neues Mitglied und als kleiner Staat auf informeller Ebene im Vergleich zu großen Mitgliedstaaten in einer ungünstigeren Position befindet. Es erscheint jedoch berechtigt – und ich halte das nochmals fest –, daß sich Österreich substantielle Anerkennung als fachlich kompetenter und konsequenter Verhandlungspartner erworben hat.

Dies bedeutet natürlich nicht, daß Österreich seine Standpunkte mehrheitlich umsetzen konnte, da sich andere Mitgliedstaaten nicht scheuen, die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente zur Umsetzung ihrer Interessen auch mit gebührendem Nachdruck einzusetzen.

Dennoch konnte Österreich so manche Diskussionen und Entscheidungen auf europäischer Ebene nachhaltig beeinflussen. Erwähnt seien hier – ohne Gewichtung – die Verabschiedung der neuen TACIS-Verordnung, die Berücksichtigung von nuklearer Sicherheit als einem wesentlichen Aspekt der Vor- und Beitrittsstrategien für die mittel- und osteuropäischen Länder, die Diskussion um Art und Ausmaß einer Mitwirkung der Europäischen Union an KEDO, die Diskussion hinsichtlich der gemeinschaftlichen Nuklearforschung sowohl bezüglich der geplanten Aufstockung des 4. Rahmenprogrammes für Forschung und technologische Entwicklung als auch bezüglich der Konzeption des 5. Rahmenprogrammes, der Bereich technischer Hilfe im Nuklearsektor, insbesondere im Rahmen von PHARE und TACIS, und vor allem die Auswirkungen der österreichischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der geplanten Finanzierung der Fertigstellung des AKW Mochovce.

Gerade in diesem Fall war Österreich gefordert, als "Neuling" – noch ohne tiefgreifende Kenntnisse der informellen Strukturen und Entscheidungsprozesse der Europäischen Union – seinem Standpunkt angemessenes Gehör zu verschaffen. Dies ist wohl in einem unerwartet hohen Maße gelungen.

Die einzelnen Fragen, meine Damen und Herren, beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Ich habe in meiner Funktion als Bundeskanzler der Republik den Kampf gegen die Atomkraft in Europa – sowohl im Westen als auch im Osten – seit Beginn meiner Amtstätigkeit zu einem auch persönlichen Anliegen gemacht. Wenngleich der Zugang zu diesem Thema und das Engagement, mit dem es verfolgt wird, bei unserem Koalitionspartner einer "Aufwärmphase" bedurften (Heiterkeit bei den Freiheitlichen) – ich entsinne mich einer wenig schmeichelhaften Kommentierung der Washington-Reise von Universitätsprofessor Dr. Heindler bezüglich des AKW Temelin durch den damaligen Vizekanzler Dr. Busek –, so habe ich heute doch keine Zweifel an der Einheitlichkeit der Regierungslinie.

Die Anfragesteller haben in ihrer Begründung selbst auf die gemeinsamen Beschlußfassungen und Willenskundgebungen der Bundesregierung hingewiesen, vom Regierungsübereinkommen bis zum Energiebericht. Wie ich bereits einleitend ausgeführt habe, sehe ich keine Anzeichen dafür, daß sich der Koalitionspartner von diesem Konsens zu entfernen wünscht.

Zur Frage 3:

Ich bin überzeugt davon, daß diese Glaubwürdigkeit angesichts der vielfältigen Aktivitäten der Bundesregierung in hohem Maße gegeben ist und durch das Abstimmungsverhalten der genannten Abgeordneten zum Europäischen Parlament, die – ich betone es nochmals – in Ausübung ihres freien Mandats handelten, keinen Abbruch erlitten hat.

Zur Frage 4:

Zunächst ist richtigzustellen, daß der österreichische Vorschlag im Sinne einer umweltverträglichen Entwicklung, wie sie im Artikel 2 des EG-Vertrages genannt wird, auch den langfristigen


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Ausstieg aus der energetischen Nutzung der Kernenergie als Zielbestimmung im Gemeinschaftsrecht zu verankern, nach wie vor Gegenstand der Beratungen der Regierungskonferenz ist.

Es ist jedoch – und ich habe das bereits wiederholt getan – darauf zu verweisen, daß die Realisierung einer Änderung, Auflösung oder des Ersatzes des EURATOM-Vertrages die Zustimmung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfordert.

Unbeschadet dessen werden wir selbstverständlich auch weiterhin konsequent im Sinne unserer grundsätzlichen Zielsetzungen tätig werden.

Zur Frage 5:

Es geht in erster Linie nicht darum, den EURATOM-Vertrag abzuändern oder, wie manche meinen, gleich gänzlich abzuschaffen, sondern es geht zuallererst darum, im konkreten Alltag der Europäischen Union, das heißt in der Umsetzung des bestehenden Gemeinschaftsrechts, österreichische Interessen zu vertreten.

Ich habe bereits in meinen allgemeinen Ausführungen Beispiele dafür gebracht, daß Österreich bereits jetzt in allen in Frage kommenden Integrationsbereichen seine kernenergiepolitische Grundsatzposition mit Nachdruck einbringt. Diese Beispiele haben auch gezeigt, daß wir diesbezüglich nicht erfolglos waren. Die Änderung des EURATOM-Vertrages selber ist nur im Rahmen einer Regierungskonferenz der Europäischen Union möglich.

Zusammenfassend ist also festzuhalten, daß sich die Bundesregierung auch bei der Vorbereitung der österreichischen Präsidentschaft von diesen Überlegungen leiten lassen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

15.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich darf daran erinnern: Redezeiten 10 Minuten maximal pro Redner, 25 Minuten maximal pro Klub.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte sehr.

15.29

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage meiner Fraktion beschäftigt sich aus guten Gründen mit der Regierungsposition in Angelegenheiten internationaler Atompolitik. Wenn der Herr Bundeskanzler auch noch so staatsmännisch versucht hat, hier den Anschein der unveränderten Glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten, so muß ich Ihnen sagen: Das geschlossene Stimmverhalten eines gesamten Fraktionsteiles im Europäischen Parlament – bis auf eine Ausnahme: Stimmenthaltung –, sämtlicher ÖVP-Mitglieder des Europäischen Parlamentes ist vollkommen konträr zur einheitlichen Auffassung dieses Hohen Hauses und auch der Bundesregierung. Das ist ein politisches Signal. Da können Sie mir sagen, was Sie wollen.

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sie haben nicht begriffen, was sie tun, dann ist es ein politisches Signal. Das meine ich aber nicht, denn ich kenne die Damen und Herren, und ich weiß, daß sie wissen, was sie tun. Und wenn sie gewußt haben, was sie tun, dann ist zu untersuchen, was das Motiv dafür war. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Jetzt nehme ich noch nicht einmal an, es war ein innenpolitisches Motiv, denn ich meine, in dieser EU-Fraktion befinden sich Leute, die von der österreichischen Innenpolitik wesentlich weiter entfernt sind, als es für die Vertretung österreichischer Interessen in Europa gut wäre. Manche bereisen den Kontinent in unterschiedlichen Funktionen – einmal als das, einmal als jenes, manchmal als Abgeordneter – und treffen dort auf eigene Verwandte in anderen Fraktionen, in derselben Bank im Europäischen Parlament. Da stehen sie auch bei der Abstimmung hintereinander. Einmal steht dort: von Habsburg, und einmal steht dort: Habsburg-Lothringen. Das sind die verschiedenen Zugänge zum Adelsrecht. Aber mit Österreich haben sie relativ


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wenig zu tun. (Beifall der Abg. Dr. Schmidt. – Heiterkeit bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.) Wir sind in einer Republik. Ich lege Wert darauf.

Jetzt frage ich mich: Was ist in solche Leute gefahren, die Flemming, Habsburg-Lothringen, Pirker, Rack, Stenzel und Rübig heißen, daß sie sehenden Auges dagegen stimmen? Dafür muß es ein Motiv geben.

Worum ist es gegangen in diesem Antrag? – Um die Möglichkeit, die Förderung von Kernenergie zu unterbinden. Jetzt überlegen Sie sich einmal: Was macht es für einen Sinn, in so einer Frage plötzlich die österreichische Position aufzuweichen, wenn es nicht irgendeine wirtschaftliche Implikation hat?

Man muß sich dessen bewußt sein, daß der berühmte und immer wieder so hochgepriesene günstige französische Atomstrom deswegen so günstig ist, weil er a) hoch subventioniert ist, b) mit dem militärischen Komplex in Zusammenhang steht und c) natürlich aus diesem Grund eigentlich wettbewerbswidrig angeboten wird, weil gefördert. Daher braucht man jetzt natürlich im EURATOM-Vertrag den Anspruch auf Förderung von Kernenergie, denn ein Streichen dieser Klausel im EURATOM-Vertrag würde allein schon aus Gründen des Wettbewerbsrechtes in der EU verhindern, daß dieser Strom zu diesen Schleuderpreisen weiterhin exportiert werden darf. Und das ist ein ganz gutes Motiv, das Abstimmungsverhalten zu ändern. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Möglicherweise haben die Damen und Herren gar nicht begriffen, daß sie hier plötzlich in ihrer konservativen Fraktion in den Sog von Geschäftemachereiinteressen geraten sind. Aber das ist das Motiv. Es handelt sich vielleicht um eine falsch verstandene Fraktionsdisziplin innerhalb der konservativen Fraktion im Europaparlament, wobei ich dazusagen möchte, daß nicht alle von dieser Fraktion so abgestimmt haben. Die Kollegin Gredler wird dazu vielleicht noch ein paar Anmerkungen machen können.

Es ist ganz logisch, wenn man sich überlegt: Cui bono? Was ist das Motiv? Was kann der Grund dafür sein? – Wenn man kenntnisreich ist auf dem Gebiet der Energiestrukturen in Europa, dann erkennt man, daß das natürlich geeignet ist zur Förderung französischer Interessen.

Ich bin sehr dafür, daß sich europäische Fraktionen europäisch verhalten sollen und sich nicht immer nur ausschließlich auf Österreich beziehen sollen, aber das gilt umso mehr dann auch andersrum: Sie sollen sich dann auch nicht ausschließlich auf französische Interessen beziehen.

Und wenn österreichische Abgeordnete in einer übernationalen Fraktion plötzlich französische nationale Interessen vertreten, die noch dazu das Gegenteil sind von dem, was Regierungspolitik in Österreich und einstimmige Auffassung dieses Hauses ist, dann ist das politisch hoch bedenklich und kann bestenfalls noch entschuldigt werden mit Unerfahrenheit. Aber das glaube ich gar nicht, denn nicht alle Namen, die ich Ihnen vorgelesen habe, stehen für Unerfahrenheit. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Aus diesem Grund, so meine ich, ist es nützlich, die Dinge rechtzeitig auszusprechen. Die angesprochenen Kolleginnen und Kollegen haben ihr freies Mandat ausgeübt – das habe ich nie in Zweifel gezogen –, aber gerade dieses freie Mandat haben sie hier vielleicht verführerisch ausgeübt. Sie haben sich dazu verführen lassen, es frei zu benützen im Interesse anderer. Das Mandat ist nicht verantwortungsbewußt wahrgenommen worden.

Und wenn die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP hier hauptsächlich abwesend beziehungsweise mit anderen Dingen befaßt sind, dann spricht das für sich selbst, denn an und für sich war das ein sehr harter Angriff, und ich hätte fast befürchtet, er wird durch Zwischenrufe unterbrochen werden. Aber betretenes Schweigen ist auch eine Möglichkeit zu antworten. Und wer schweigt, stimmt zu. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

15.35


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48. Sitzung / Seite 109

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Er hat das Wort.

15.35

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat bereits darauf hingewiesen, daß die Haltung der österreichischen Bundesregierung völlig klar und unverändert ist und daß Österreich natürlich in den Beratungen zur Regierungskonferenz einen langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie fordern wird.

Es stellt sich aber die Frage – berechtigterweise –: Mit welchen Mitteln ist diese Zielsetzung am besten erreichbar? Wir sind gemeinsam zur Auffassung gelangt, daß auch aufgrund der Sichtweise vieler anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union der EURATOM-Vertrag in vielen Bereichen totes Recht ist und daß es daher vernünftiger ist, den langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie über eine Veränderung des EU-Vertrages zu erreichen, und da im besonderen über das Umweltkapitel.

Konsequenterweise hat die österreichische Bundesregierung daher in ihrer Stellungnahme zur Regierungskonferenz auch einen Vorschlag unterbreitet.

Es wäre wahrscheinlich falsch, eine Reform von EURATOM zu fordern und damit totes Recht wiederzubeleben, weil man damit andere EU-Staaten auf den Plan ruft, die ganz prominente und prononcierte Befürworter der friedlichen Nutzung der Kernenergie sind. Das heißt, der Weg geht über das Umweltkapitel des EU-Vertrages.

Und nun hat sich das Europäische Parlament mit einer Revision des Umweltrahmenprogramms auseinandergesetzt. Diese Revision des Umweltrahmenprogramms gibt natürlich eine ausgezeichnete Möglichkeit, diese Frage des Ausstiegs aus der Kernenergie zu verankern und zu monieren.

Es hat auf Basis eines Antrags der Grünen im Ausschuß einen Ausschußbeschluß im Europäischen Parlament gegeben, der dort dann im Plenum zur Abstimmung gekommen ist. Und dieser Abänderungsantrag, der dort vorgeschlagen wurde, entspricht exakt den Intentionen der österreichischen Anti-Atompolitik.

Man muß aber auch dazusagen, daß das Verfahren, im Rahmen dessen diese Auseinandersetzung des Europäischen Parlaments stattfindet, das sogenannte Mitentscheidungsverfahren ist – die stärkste Waffe, die das Europäische Parlament besitzt.

Hätte das Europäische Parlament diesen Antrag, wie vorgeschlagen, beschlossen, wäre diese Stellungnahme an den Rat gegangen; damit hätte man im Rat die österreichische Position vehement gestärkt und uns zusätzliche Möglichkeiten gegeben, die wir jetzt leider aufgrund des Abstimmungsverhaltens einzelner Kollegen nicht haben werden. Durch diese Nichtbeschlußfassung im Europäischen Parlament ist in der Anti-AKW-Politik ein schwerer Rückschlag eingetreten. (Abg. Mag. Stadler: Wieder einmal hat sich die FPÖ-Politik bewahrheitet! Sagen Sie es einfach: Die Fraktionslosigkeit bewährt sich!)

Wie haben sich die einzelnen Fraktionen im Europäischen Parlament verhalten? Ich glaube, es ist zum einen einmal festzustellen, daß es eigentlich sonderbar ist, wenn die Abgeordnete zum Europäischen Parlament Stenzel in einer Aussendung am 14. November meint, daß diese Frage der Kernenergie mit dem Umweltkapitel nichts zu tun hätte. Ich glaube, es ist eine gewisse Verhöhnung zu sagen, Kernkraftpolitik hat mit Umweltfragen nichts zu tun. Ich glaube, wir sind uns einig darüber, daß gerade die österreichische Position und die Überzeugung der österreichischen Bevölkerung gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie in erster Linie umweltpolitisch motiviert sind, und daher hat sie genau dort ihren Platz. (Beifall bei der SPÖ.)

Festzustellen ist in diesem Zusammenhang auch, daß die österreichischen sozialdemokratischen Abgeordneten im Europäischen Parlament neben vielen anderen genau das gemacht


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haben, was wir immer wieder versprochen haben. Wir haben gesagt, wir werden versuchen, in unserer Fraktion in Straßburg dafür zu sorgen, daß es Mehrheiten gegen eine Pro-AKW-Politik gibt, und genau diese Mehrheit haben wir auch innerhalb der eigenen Fraktion auch bei dieser Abstimmung wieder erreicht – ebenso wie in der gesamten Geschichte der Diskussion seit der Mochovce-Abstimmung. Das heißt, die österreichischen Sozialdemokraten in Straßburg haben ihre Versprechungen gegenüber der österreichischen Bevölkerung gehalten – zum Unterschied von einzelnen anderen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen – und das ist das einzige, was mich an dieser Dringlichen Anfrage stört –, daß es natürlich neben der österreichischen Bundesregierung mehrere Akteure der österreichischen Außenpolitik gibt, Abgeordnete zum Europäischen Parlament, und daß Aussagen und Stimmverhalten dieser Persönlichkeiten natürlich auch in der Europäischen Union wahrgenommen und zur Kenntnis genommen werden.

Nun fragt man sich in der Europäische Union: Was ist los – nicht gleich in ganz Österreich, aber zumindest innerhalb der ÖVP –, wenn der Herr Vizekanzler und Außenminister klarerweise und sonnenklar die Position der österreichischen Bundesregierung bei den Beratungen zur Veränderung des EU-Vertrages vertritt und auf der anderen Seite die Abgeordneten seiner eigenen Partei ein konträres Auftreten im Europäischen Parlament an den Tag legen? Irritationen über diesen Kurs sind in jedem Fall angesagt.

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren vom Liberalen Forum, wäre es eigentlich angebrachter gewesen, nicht nur aus formalen Gründen, sondern auch aufgrund der Irritationen über den außenpolitischen Kurs der Republik Österreich, diese Dringliche Anfrage nicht an den Herrn Bundeskanzler, sondern an den Herrn Außenminister zu richten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte sehr. (Abg. Dr. Fuhrmann: Die hat es jetzt schwer! – Abg. Rauch-Kallat – auf dem Weg zum Rednerpult –: Die hat es gar nicht schwer!)

15.42

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß die heutige Debatte wieder einmal Gelegenheit gibt, über Anti-Atomfragen zu diskutieren. Das, wogegen ich mich verwahre, ist der Umstand, daß man versucht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, die Wirksamkeit von Anträgen, von denen behauptet wird, daß sie in anderen Bereichen eingebracht sind, als sie es in Wirklichkeit sind, in Bereichen, die keine rechtlichen Auswirkungen haben, jetzt plötzlich zur nationalen Katastrophe zu erklären, wie das soeben Herr Abgeordneter Gusenbauer getan hat.

Herr Bundeskanzler! Sie haben vorhin Zweifel an der Linie der ÖVP gehegt. Ich kann Ihnen sagen, daß die Österreichische Volkspartei ganz klar einen Anti-Atomkurs fährt. Sie hat das in den letzten Jahren – nicht zuletzt in meiner Person und mit meinen Bemühungen als damalige Umweltministerin beim Ausstieg aus Mochovce – bewiesen.

An dieser Haltung hat sich überhaupt nichts geändert. Wir haben uns im Regierungsübereinkommen ganz klar zum Punkt Umwelt bekannt. Wir haben das im Punkt Umwelt auch eingebracht – in der Europäischen Kommission ist das im Bereich Energie angesiedelt –: Den langjährigen Bemühungen der Bundesregierung für ein kernkraftfreies Europa entsprechend wird sich Österreich auch weiterhin für das Ziel des langfristigen Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie einsetzen. – Das steht im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung, und dazu bekennt sich die Österreichische Volkspartei voll und ganz. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben kritisiert, daß in der Frage der Delegation der österreichischen Bundesregierung in Sachen Temelin keine schmeichelhaften Bemerkungen des damaligen Vizekanzlers Busek gekommen sind. Dazu muß ich Ihnen sagen: Das waren keine Bemerkungen in der Sache selbst, denn darin waren wir uns einig, sondern das wenig Schmeichelhafte bezog sich darauf, daß die Delegation, die damals nach Washington geschickt wurde, viel zu


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spät losgeschickt wurde, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung praktisch vor der Tür stand, zu dem eine Beeinflussung der dortigen Behörden praktisch auch nicht mehr möglich war, was ja dann auch das Ergebnis gezeigt hat. Davon abgesehen wurde die Delegation nicht mit der notwendigen politischen Gewichtung ausgestattet.

Ein Jahr später hat sich bei der Delegation nach Mochovce, in der dankenswerterweise auch die Wissenschaftler des österreichischen Atomforums vertreten waren, gezeigt, daß wir im Entscheidungsbildungsprozeß zeitgerecht gekommen sind, als die amerikanische Regierung ihr Stimmverhalten in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung festgelegt hat und daher noch beeinflußbar war. Und das Ergebnis war, daß der Kredit für Mochovce gar nicht auf die Tagesordnung der EBRD kam, was in dieser Frage sicher auch mitentscheidend war.

Nun ganz kurz zu Ihnen, Herr Gusenbauer. Wo ist dieser Antrag eingebracht worden? – Dieser Antrag wurde im Rahmen der Diskussion des sogenannten Dybkjaer-Berichtes, der der Überprüfung des 5. Umweltprogramms der Europäischen Gemeinschaft für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung dient, eingebracht. Er ist in Form einer legislativen Entschließung als politische Willenskundgebung des Europäischen Parlaments ergangen und hat keinerlei rechtliche Auswirkungen. – Soweit, Herr Gusenbauer, zu Ihrer Behauptung, daß das die stärkste Waffe, die Österreich hätte, gewesen wäre.

Aber nun zum Inhalt dieses Antrages. Dieser Antrag beschäftigt sich vor allem mit der Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaftspolitik, der Stabilisierung von CO2-Emissionen, der Abfallvermeidung sowie der Kontrolle von Pestiziden im Grundwasser und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz.

Der Europaparlamentarier Rübig hat im übrigen in seiner Rede anläßlich der Überprüfung dieses Rahmenprogramms vor dem Plenum in Straßburg die Hebung der EU-Umweltstandards auf österreichisches Niveau verlangt, was ja auch in unserem Sinne ist und was wir auch in den Verhandlungen zum Beitritt zur Europäischen Union verlangt haben. Die unzulässige Abstimmung, meine Damen und Herren, die unzulässige Verknüpfung des Antrages des Kollegen Voggenhuber hätte ja dazu geführt, daß die entsprechende Hebung der Standards beziehungsweise die Überprüfung des Rahmenprogramms nicht hätte erfolgen können. (Abg. Anschober: Wieso nicht? – Abg. Wabl: Völliger Unsinn!)

Aber wesentlich ist für mich die Frage der Formulierung dieses Antrages. Der Antrag hat zwei Teile. Der erste Teil betrifft die Einstellung der Förderung der Kernenergie. In diesem Punkt sind wir voll d’accord. Da hätten wir ohne weiteres mitgehen können, Herr Abgeordneter. (Abg. Wabl: Warum sind Sie dann nicht mitgegangen? – Abg. Anschober: Warum sind Sie umgefallen?)

Der zweite Teil lautet: Änderung des EURATOM-Vertrages im Jahre 2002 dahin gehend, daß die einzige Aufgabe von EURATOM der sichere Abbau der Kernreaktoren und die sichere Lagerung der Nuklearabfälle ist.

Wenn Sie, Herr Abgeordneter Anschober, den EURATOM-Vertrag kennen – und davon gehe ich aus –, dann wissen Sie, daß dieser EURATOM-Vertrag sieben wesentliche Punkte enthält, von denen der erste die Forschung ist und der zweite folgendermaßen lautet: Zur Erfüllung ihrer Aufgabe hat die Gemeinschaft nach Maßgabe des Vertrages einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte aufzustellen und für ihre Anwendung zu sorgen. (Zwischenrufe der Abg. Anschober und Wabl. )

Verehrter Herr Anschober! Verehrter Herr Wabl! Ich verstehe alle Ihre idealistischen Vorstellungen. Auch ich bin Optimistin. Ich bin aber nicht eine so hoffnungsvolle Optimistin, daß ich glaube, daß die Kernkraftwerke in Europa – ich meine damit nur die in der Europäische Union, ich zähle dazu noch gar nicht jene in Osteuropa – im Jahre 2002 mit einem Schlag wegen des Antrags des Herrn Voggenhuber abgeschaltet werden. Ich glaube, so naiv und so dumm können Sie nicht sein. (Beifall bei der ÖVP.)


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Das würde aber bedeuten – und da können wir sogar mitgehen –, daß eine der Aufgaben eines neuen EURATOM-Vertrages sein könnte und sollte, daß ein derartiger Antrag ... (Abg. Anschober: Hätten Sie auch so abgestimmt wie die Frau Stenzel?)

Herr Anschober! Ich sitze ja nicht im Europäischen Parlament, daher können Sie diese Frage an mich nicht richten. Wissen Sie, was ich gemacht hätte? – Ich hätte anstelle des Herrn Voggenhuber versucht, statt mit einem Trick über irgendeinen Antrag ein aktionistisches und populistisches Abstimmungsverfahren einzuleiten, eine sinnvolle Formulierung zu finden, bei der alle österreichischen Abgeordneten mitgehen können. Das wäre nämlich im Sinne einer konstruktiven Politik richtig gewesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Aufgaben des sicheren Abbaus und der sicheren Lagerung ein Ja. Aber so lange in Europa Kernkraftwerke in Betrieb sind, so lange muß EURATOM sicherstellen, Herr Anschober und Herr Wabl, daß auch die rechtliche Kontrolle, die dieser EURATOM-Vertrag garantiert, gegeben ist. Aber wenn die einzige Aufgabe im Abbau und im Ausstieg und in der Lagerung besteht, dann können wir nicht bei diesem Antrag mitgehen, denn wir sind keine hoffnungslosen Optimisten, sondern realistische Politiker. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde ganz gerne – ich sehe die Lampe leuchten (Abg. Mag. Barmüller: Das kommt Ihnen gelegen!); nein, es kommt mir nicht gelegen, denn ich habe noch etwas sehr Interessantes –, ich würde ganz gerne noch aus dem wissenschaftlichen Bericht der Generaldirektion für Forschung zitieren, und zwar eine Zusammenfassung über die Revision der europäischen Verträge im Energiebereich, die ganz wesentliche Punkte enthält. Zitat: Zum Punkt 2.2, inhaltliche Divergenzen: Die Europäische Atomgemeinschaft wurde mit dem Ziel der Förderung der Kernenergie gegründet. Da die Kernenergie – das ist ein Bericht von der EU – ihren wirtschaftlichen Durchbruch bereits hinter sich hat, erscheint diese Zielsetzung nicht nur überholt, sondern sie führt auch zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber anderen Energieträgern, insbesondere den regenerativen Energien und der Kohle. Dies steht im Konflikt mit der Energiepolitik der anderen beiden Gemeinschaften.

Zur praktischen Bedeutung: Im Rahmen der Untersuchung wurde geprüft, inwieweit die Vorschriften von EGKS und EURATOM heute noch von praktischer Bedeutung sind. Für den EURATOM-Vertrag ist festzuhalten (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), daß der im Vertrag verankerte Förderzweck nur noch von begrenzter praktischer Bedeutung ist. Lediglich den Regelungen, die auch eine finanzielle Förderung ermöglichen, kommt heute noch eine wichtige Funktion auf ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz. Das ist jetzt keine freiwillige Redezeit mehr.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (fortsetzend): ...der Basis von Artikel 4, der Finanzierung der Sicherung von osteuropäischen Reaktoren durch PHARE und TACIS auf der Basis von Artikel 203, zu.

Es gibt noch eine Reihe von Punkten, die wichtig sind. Ich werde den Herrn Abgeordneten Kopf bitten, daß er diese Punkte dann hier auch noch vorträgt.

Ich glaube, daß eines wesentlich ist: daß wir versuchen, mit sinnvollen Anträgen – und das wäre, eine Überprüfung und eine Änderung von EURATOM in einer realistischen Weise zu verlangen – gemeinsam etwas in Europa zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Gusenbauer gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. 2 Minuten Redezeit. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung sind einzuhalten.

15.53

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Danke schön, Herr Präsident. – Die Frau Abgeordnete Rauch-Kallat hat behauptet, ich hätte gesagt, der Beschluß des Europäischen Parlaments wäre die stärkste Waffe Österreichs gewesen.


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Richtig und dem Protokoll entnehmbar ist vielmehr, daß ich gesagt habe, daß das Mitentscheidungsverfahren die stärkste Waffe des Europäischen Parlaments ist. Sein Beschluß wäre in den Europäischen Rat gekommen und hätte dort die österreichische Position eminent gestärkt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

15.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.54

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Rauch-Kallat hat wahrscheinlich selbst gemerkt, daß trotz deutlicher Überzeit, die sie eingeräumt bekommen hat, der Rechtfertigungsversuch eines eben anti-österreichischen Verhaltens auf EU-Ebene deutlich mißlungen ist, und hat deshalb auch gleich das Weite gesucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, meine Damen und Herren, meine lieben Kollegen Abgeordneten von den anderen in diesem Haus vertretenen Parteien, so einfach ist es auch für Sie nicht, sich aus der Verantwortung zu stehlen, was die Verpflichtung Österreichs betrifft, die nicht verständliche Atomförderung auf europäischer Ebene mittragen zu müssen, waren es doch Sie, die in diesem Haus den Beitritt zur Europäischen Union, der ohne Wenn und Aber – so war Ihr Wollen – stattgefunden hat, ratifiziert haben und somit auch Mitverantwortung dafür tragen, daß wir die Inhalte des EURATOM-Vertrages zu vollziehen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Österreich muß sich aufgrund dieses Vertrages gegenüber der Europäischen Atomgemeinschaft mit ihrem Ziel der Förderung der Kernenergie loyal verhalten. Das haben Sie ja alle mitbestimmt – Herr Kollege Wabl, bis auf dich! Deshalb spreche ich dich auch an. Er war dagegen, alle anderen Grünen waren dafür.

Österreich muß also die Kernenergieforschung der Europäischen Union unterstützen, und Österreich muß prinzipiell den Transit von Atommüll gestatten. Auch der Transit von Atomstrom durch Österreich – das wissen wir mittlerweile alle – kann nicht verhindert werden, und selbst die Möglichkeit der Errichtung von Kernkraftwerken in Österreich – darüber gibt es eine wissenschaftliche Erkenntnis – kann rechtlich nicht absolut ausgeschlossen werden; das entnehme ich der Studie betreffend Optionen für eine Position Österreichs bei der Regierungskonferenz der Europäischen Union 1996 zur Frage der Revision von EURATOM.

Das zeigt, meine Damen und Herren, daß sich der Beitritt zur Europäischen Union ohne Wenn und Aber doch immer wieder als Fehler erweist, und heute wurde dies wieder einmal bewiesen. Nirgendwo ist die Atomlobby so mächtig, so stark wie in Brüssel, und nirgendwo gibt es so viel Forschungsgelder für die Nutzung der Kernenergie wie in Brüssel.

In den Jahren von 1994 bis 1998 stellte die Europäische Union allein 1,254 Milliarden ECU inklusive österreichischer Beiträge – das heißt, Österreich ist trotz Atomsperrgesetz Mitfinanzierer der Atomforschung – zur Verfügung.

Herr Bundeskanzler! Trotz zahlreicher Ankündigungen, ein AKW-freies Mitteleuropa zu schaffen, und trotz zahlreicher Versprechungen in diversen Regierungserklärungen, die Kollege Barmüller bereits aufgezeigt hat, finanzieren wir die Forschung zur Nutzung der Atomenergie. Nach wie vor sind wir also Förderer der Nutzung der Atomenergie, weil wir durch den EU-Beitritt im Widerspruch – und das ist paradox – zur innerösterreichischen Gesetzeslage auch die EURATOM-Verträge akzeptieren mußten.

Der Artikel 192 im EURATOM-Vertrag setzt fest, die Mitgliedsstaaten treffen geeignete Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgaben. Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrages gefährden könnten.


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Herr Bundeskanzler! Zu den Aufgaben der Gemeinschaft – einige davon habe ich ja schon aufgezählt – gehört unter anderem auch, ausgedehnte Absatzmärkte und den Zugang zu den besten technischen Mitteln sicherzustellen. Dazu gehört auch, zu den anderen Ländern und zu den zwischenstaatlichen Einrichtungen alle Verbindungen herzustellen, die geeignet sind, den Fortschritt bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie zu fördern.

Herr Bundeskanzler! All das haben wir vertraglich verpflichtet übernommen. Zudem fließen österreichische Gelder für die Kernforschung, wie wir alle hier wissen. Österreich muß als Nettozahler auch die Atomenergieforschungsprogramme der EU mit einem 10-Prozent-Anteil unterstützen. Das kostet uns bis zu 200 Millionen Schilling.

Im Rahmen der EU-Zielsetzung ist ein Europäischer Stromverbund zu schaffen, und auch diesen muß Österreich unterstützen und muß als Atomstromtransitland herhalten.

Herr Bundeskanzler! Im Artikel 1 des Atomprotokolls zur Europäischen Energie lese ich, Ziel dieses Protokolls ist es, Rahmenbedingungen für eine verstärkte Kooperation zwischen den Vertragspartnern zu schaffen, um die Vorteile der Nutzung der Kernenergie zu erhöhen.

Herr Bundeskanzler! All das haben Sie mitbeschlossen. Sie waren an vorderster Stelle zu finden, wenn es darum gegangen ist, die Nutzung der Kernenergie für Österreich verbindlich zu gestalten. Daher können Sie sich jetzt nicht aus der Verantwortung stehlen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt tut sich im Europäischen Parlament eine Chance auf, diesen Widersinn à la longue zu beseitigen und damit den permanenten Bruch österreichischer Gesetze zu stoppen. Aber wer verhindert das? – Die ÖVP – und an der Spitze steht eine Marilies Flemming, die in Wackersdorf am Zaun "gehängt" ist. Also ich kann nicht glauben, daß ihre Absichten damals ernst waren, wenn sie heute gegen österreichische Interessen stimmt.

Die Pro-Atom-Linie der EU hätte vielleicht gestoppt werden können, meine lieben Kollegen von der ÖVP, wenn Ihre Fraktion im österreichischen Interesse entschieden hätte! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Österreich hätte sich jährlich Unsummen an Geld erspart, und Kredite in Höhe von mehreren Milliarden wären nicht mehr für die Ost-AKWs geflossen.

Die ÖVP hat jedoch – aus welchen Gründen auch immer – das Geschäft der Atom-Lobby erledigt. – Sie werden der Bevölkerung selbst erzählen müssen, warum. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler zu Wort. – Bitte sehr.

16.01

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Reihen von Schülerinnen und Schülern auf der Galerie sehe, dann muß ich sagen: Es ist wirklich erschütternd, was Ignoranz eigentlich bewirken kann. Ich nehme an, daß es von den Abgeordneten Flemming, Habsburg-Lothringen, Rack, Pirker, Stenzel und Rübig nicht so gewollt wurde. Ich glaube, daß sie sich dessen nicht bewußt waren, daß man, wenn ein einziges Wort in einem Änderungsantrag nicht korrekt ist und einem nicht paßt, durchaus die Möglichkeit hat, eine Abstimmung zu erwirken, wobei dann dieses eine Wort herausgenommen und separat abgestimmt wird. Das ist ein Procedere, das im Europäischen Parlament üblich ist. Hätten sie das gemacht, hätten sie dem ganzen Antrag zustimmen können und hätten dadurch nicht dieses Chaos, das jetzt durch sie in der Atompolitik in Europa bewirkt worden ist, herbeigeführt. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Anschober. )

Ich glaube, daß man es Neulingen nicht vorwerfen kann, aber man kann es einem Herrn Rack vorwerfen, man kann es einem Herrn Rübig vorwerfen, die sich dessen durchaus bewußt waren. Frau Schierhuber hat Gott sei Dank anscheinend erkannt, wie schwierig die Situation ist, und hat


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sich der Stimme enthalten. Ich nehme an, daß das nicht aus Feigheit geschah, sondern daß sie sehr wohl gewußt hat, woran sie sich halten muß und was in Österreich gilt.

Herr Kollege Gusenbauer – er ist leider jetzt nicht da – hat gesagt, wir hätten in dieser Angelegenheit nicht den Herrn Bundeskanzler befragen sollen. – Ich glaube schon, daß man diese Angelegenheit, die Atompolitik in Europa – eine Chefsache – dazu verwenden soll, um endlich von dieser unseligen Politik, wie sie derzeit hauptsächlich von Deutschland und Frankreich betrieben wird, wegzukommen. Ich habe Vertrauen in den Bundeskanzler und glaube, daß er in dieser Angelegenheit mehr Gewicht einbringt und wahrscheinlich die effektiveren Mittel in der Hand hat. Deswegen richteten wir diese Dringliche Anfrage an den Herrn Bundeskanzler.

Ich weiß auch, daß ihm der Vorwurf gemacht wurde, das zum Hobby erklärt zu haben. Herr Bundeskanzler! Ich nehme an, daß Sie sich in dieser Angelegenheit nicht beirren lassen, sondern weitermachen.

Folgendes muß ich sagen: Atompolitik ist ein heikler Punkt im Europäischen Parlament. Sie ist deshalb ein heikler Punkt, weil die französische Atomlobby bis in die Sekretariate der Abgeordneten hinein Personal zur Verfügung stellt. Das ist nachgewiesen worden, und das muß man einmal sagen! Daher glaube ich, daß sämtliche Abgeordnete in dieser Angelegenheit durchaus nicht frei entschieden haben, sondern sehr wohl durch finanzielle Lockungen und Verwicklungen, die dort passiert sind, gelenkt worden sind. Das ist etwas, was ich in diesem Zusammenhang nicht den Österreichern, sondern den Franzosen durchaus vorwerfen möchte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Weiters ist die Atompolitik deshalb ein heikler Punkt, weil die Diskrepanz zwischen den Mitteln für die Kernenergieförderung beziehungsweise -forschung auf der einen Seite und den Mitteln, die für erneuerbare Energieträger zur Verfügung gestellt werden, eine dermaßen große ist, daß die erneuerbaren Energieträger überhaupt keine Chance haben, sich durchzusetzen. Das gehört korrigiert, und da sind wir Österreicher aufgerufen, uns aktiv zu zeigen!

Was ich nicht verstehe, ist, daß der EURATOM-Vertrag so "toll" sein soll. Wenn man etwa liest, was in der Präambel dieses Vertrages steht, dann muß man doch feststellen, daß das eigentlich eine Lobpreisung der Atomenergie ist! (Abg. Rauch-Kallat: Das kennen wir!) Bitte, Frau Rauch-Kallat, lesen Sie diesen ersten Teil! Da bekommt man wirklich eine Gänsehaut!

Ich meine daher, daß wir sehr prononciert vorgehen sollten, und daß die Möglichkeit, das Konzept, das von Lone Dybkjaer eingeleitet worden ist – sie war meine Fraktionskollegin –, durchaus Sinn gemacht hat.

Es geht darum, daß man, wenn bei der Atomenergie ein Störfall passiert, die Milch nicht mehr trinken, die Schwammerln nicht mehr essen und dies und jenes nicht mehr machen kann, wenn man vom radioaktiven Fallout getroffen wird. Deshalb ist es nicht nur ein energetisches Problem, sondern auch ein Umweltproblem, ein konsumentenpolitisches Problem und ein Gesundheitsproblem!

Daher hat es mit diesem Ausschuß sehr wohl etwas zu tun, weil dieser Ausschuß alle drei Bereiche abdeckt. Deshalb hat der Präsident des Europäischen Parlaments, der ja auch nicht auf den Kopf gefallen ist, dieses Papier sehr wohl in diesem Ausschuß beraten lassen und nicht anderswo. Die Inhalte passen dorthin, deshalb ist das auch akzeptiert worden. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Anschober. )

Als ich noch im Haushaltsausschuß war, gab es eine Diskussion, als Rußland beschlossen hatte, Gelder für den Ausbau von Mochovce zur Verfügung zu stellen. Ich glaube mich daran zu erinnern, daß die damals vorherrschende Meinung im Ausschuß war, daß Österreich dann, wenn Rußland so viel Geld für Mochovce erübrigen kann, durchaus die Förderungen, die an Rußland ergehen, anteilsmäßig reduzieren könnte. Soviel ich weiß, gab es darüber auch Konsens mit der EVP.


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Ich meine, daß wir, was den finanziellen Aspekt der Atomförderung anlangt, jetzt den richtigen Weg einschlagen sollten. Es hätte die Möglichkeit gegeben, über den Änderungsantrag dorthin zu gelangen.

Ich wollte zur Präzisierung meiner Ausführungen noch auf die Diskrepanz zwischen den Mitteln für Kernenergie und jenen für andere Energieformen verweisen: Für Kernenergie sind 1995 insgesamt 8,93 Millionen ECU vorgesehen gewesen, für nicht-nukleare Energie 130 Millionen ECU, für nukleare Sicherheit 44 Millionen ECU, für kontrollierte Kernfusionen – ein Bereich, der eigentlich bis jetzt noch kein Ergebnis gebracht hat – 201 Millionen ECU. – Man sieht also, daß 130 Millionen ECU für nicht-nukleare Energie insgesamt rund 246 Millionen ECU für nukleare Energie gegenüberstehen. Daher wäre es für jene Länder, die eine Änderung erwirken wollen, durchaus notwendig gewesen, die Unterstützung vom Europäischen Parlament zu erlangen.

Wenn Sie sich den Bericht ansehen, dann sehen Sie, daß auf der ersten Seite immer der Name des Berichterstatters plus ein kleines Kasterl mit drei Sternchen und einer römischen Eins stehen, und darunter steht: Verfahren der Mitentscheidung (erste Lesung: einfache Mehrheit). – Ich glaube, daß das eigentlich recht deutlich ist, was darunter zu verstehen ist. Es ist durchaus so, daß das Europäische Parlament im Bereich der Umwelt Kompetenzen hat, die sowohl von der Kommission als auch vom Rat ernst genommen werden. Daher glaube ich, daß Ihre Fraktion entweder dieses Sternchen und die römische Eins nicht verstanden oder die Diskussion in Österreich nicht angenommen hat oder aber sich bewußt nicht an das gehalten hat, was vorher im Wahlkampf erzählt wurde.

Frau Rauch-Kallat! Ich würde Sie bitten, in Hinkunft persönlich dafür zu sorgen, daß ein solches Abstimmungsverhalten nicht mehr vorkommt, weil das nämlich auch eine Schande ist! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anschober. – Er hat das Wort. Redezeit: 10 Minuten.

16.10

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beinahe hätte einem die Frau Exministerin Rauch-Kallat ja leid tun können, denn diesen Umfaller in Brüssel – beziehungsweise im Europaparlament insgesamt; das hat sich ja seit dem Ausschuß dahingezogen – zu rechtfertigen, ist ein Ding der Unmöglichkeit! Da hat nichts anderes herauskommen können als ein Slalom von sehr durchsichtigen Rechtfertigungen und der Versuch, die zehn Minuten und damit die Dringliche irgendwie über die Bühne zu kriegen.

Frau Kollegin Rauch-Kallat! Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Ich nehme Ihnen Ihr persönliches Engagement vollinhaltlich ab. Mein Problem dabei ist nur, daß das keine Kleinigkeit war, daß das nicht irgendeine nebensächliche Abstimmung war, sondern daß es dabei wirklich um Lebensinteressen gegangen ist, daß es eine historische Chance genau in dem Sinn, wie es die Frau Kollegin Gredler und der Kollege Gusenbauer hier geschildert haben, gewesen ist, und zwar eine Chance, die wir im Sinne einer Umsetzung der österreichischen Regierungspolitik so schnell, so fürchte ich, nicht mehr erhalten werden. – Das ist das Dilemma bei dieser Situation!

Mich hat es persönlich sehr enttäuscht, wie Sie nach diesem Debakel der ÖVP-Fraktion im Europaparlament reagiert haben, daß Sie zunächst einmal mit einer Unwahrheit reagiert haben, nämlich mit der Behauptung, daß der Kollege Voggenhuber bei der Abstimmung nicht dabeigewesen sei. – Sie wissen genauso gut wie ich, wie das Abstimmungsprotokoll aussieht und daß er natürlich nicht nur den Antrag in wesentlichen Bereichen initiiert hat, sondern selbstverständlich – wie alle Grünen, wie alle Liberalen, wie alle Sozialdemokraten – dort das richtige Abstimmungsverhalten an den Tag gelegt hat. (Abg. Rauch-Kallat: Ich habe gesagt, er war bei der Debatte nicht dabei!)

Frau Kollegin Rauch-Kallat! Ich muß auch sagen, daß mich Ihre Formulierung sehr gewundert hat, als Sie – ich hoffe, ich gebe es jetzt richtig wieder – an meine Adresse gerichtet gemeint


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haben: So dumm und naiv können Sie doch nicht sein, zu glauben, Sie hätten mit diesem Antrag etwas erreichen können! – Da muß ich Sie schon fragen: Wie "dumm" muß dann erst die gesamte sozialdemokratische Fraktion sein? Wie "dumm" müssen dann 238 Europa-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier sein? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Rauch-Kallat: Tatsächliche Berichtigung!) Wie "dumm" muß dann eigentlich eine Bundesregierung sein, deren Bundeskanzler dankenswerterweise heute klar bestätigt hat, daß dieser Antrag genau auf der Linie der Regierungspolitik gewesen ist? – Ich glaube, so einfach kann man es sich nicht machen, vor allem auch nicht, indem man sagt: Es gibt im EURATOM-Vertrag richtigerweise auch noch einen Passus, der sich mit Gesundheitsschutz auseinandersetzt.

Frau Kollegin Rauch-Kallat! Sie und ich und wir alle wissen doch ganz genau: Das sicherste AKW, bei dem man keinen Gesundheitsschutz mehr braucht, ist das stillgelegte AKW. (Abg. Wurmitzer: Irrtum! – Abg. Dr. Fuhrmann: Das sicherste AKW ist das nicht aufgesperrte!) – Richtig! Das nicht aufgesperrte AKW Zwentendorf.

Das war die Intention dieses Antrages in Richtung EURATOM-Umbau. Daß das AKW Zwentendorf nicht aufgesperrt wurde, das haben wir ja geschafft, und das war eine Leistung der Österreicherinnen und Österreicher! Das sollte ein "Exportgut" sein, und zwar ein ideelles.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Blamage der ÖVP-Fraktion in Brüssel war ja nur ein Höhepunkt einer Entwicklung in der österreichischen Anti-Atompolitik, die zum Teil – ich betone sehr laut und deutlich: zum Teil! – merklich leiser, merklich vorsichtiger, merklich ruhiger geworden ist, und zwar dann, wenn es um Wirtschaftsinteressen geht.

Da gibt es einen Teil der Bundesregierung, der nach wie vor engagiert in diesem Bereich unterwegs ist und kämpft – Stichwort EBRD. Da hat der österreichische Vertreter volle Unterstützung von Wien, von seinem Ministerium, und, wie ich annehme, auch von seiten des Bundeskanzlers, und da wird couragierte Politik gemacht, genauso, wie es sein sollte. Das kann sich sehen lassen! Das ist genau das, was Österreich im Bereich der EBRD braucht.

Wie schaut es in anderen Bereichen aus? Beispiel: Internationale Atomenergie-Organisation – nichts gehört von Österreich in Richtung Umbau der IAEO.

Oder: EURATOM – wir kennen diese letzte Geschichte, das Debakel der ÖVP.

Nächster Bereich: alle anderen internationalen Organisationen, oder: Verhandlungen mit Bundeskanzler Kohl in Deutschland, was die Mochovce-Finanzierung betrifft. – Ich muß sagen, um all diese Vorhaben ist es sehr, sehr still geworden.

Ich war vor drei Wochen in Washington und habe mit Miss Belada, der Direktorin der ExIm-Bank, bezüglich der Frage der Temelin-Finanzierung über die ExIm-Bank in Höhe von vier Milliarden Schilling gesprochen. Sie hat zu mir gesagt, es war für sie verblüffend, daß einerseits vor zweieinhalb Jahren eine österreichische Regierungsdelegation in Washington war und engagiert gegen diese Finanzierung gekämpft hat. Es war für sie aber andererseits auch verblüffend, daß seitens der österreichischen Bundesregierung seit dem damaligen Zeitpunkt kein Engagement mehr vorhanden war und niemand mehr interveniert hat. – Das muß ich sagen, ist halbherzig. Das ist nicht die Offensive, die wir zur Entsorgung einer Lebensbedrohung brauchen würden!

Das ist nicht die Qualität, die Überzeugung und die Energie, die wir brauchen würden, um ein derartiges Problem zu lösen!

Nächstes Beispiel: Prag. Bei Gesprächen im Prager Parlament ist die häufigste Antwort, die ich immer wieder höre: Von österreichischer Seite hört man seit zwei, drei Jahren diesbezüglich nur mehr sehr wenig.

Dieser Eindruck gehört verändert, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe allerdings das Gefühl, daß es, was das Engagement und die Energie betrifft, mit der Anti-Atompolitik betrieben wird, einen Riß in der Bundesregierung gibt. Es gibt zwar in dieser Frage einen verbalen Konsens, und ich glaube, daß auch der Außenminister diesen Konsens mitträgt, was jedoch das


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Engagement betrifft, so gibt es einen Riß quer durch die Regierung. Ich muß sagen, in einem Teil dieser Bundesregierung gibt es bereits den Beginn eines Anti-Atomtiefschlafes, den sich Österreich nicht leisten kann, und den Beginn einer Resignation, die man sich bei diesem Thema erst recht nicht leisten kann und nicht leisten darf! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war vor eineinhalb Jahren wirklich stolz darauf, daß wir in diesem Parlament einen Fünf-Parteien-Beschluß gefaßt haben, der wirklich von allererster Qualität war und ist, der in wesentlichen Bereichen – bei den internationalen Organisationen durch ein offensives österreichischen Auftreten in diesem Bereich, durch Verhandlungsangebote an die AKW-Nachbarländer und so weiter – einiges gebracht hat, sogar fast alles von dem gebracht hat, von dem wir und viele andere in diesem Saal glauben, daß es erfolgversprechend wäre. Was ist mittlerweile passiert? – Der größte Teil dieser Forderungen und Beschlüsse des Parlaments ist bisher noch nicht umgesetzt – wiewohl mir klar ist, da das keine Sachen sind, die man von heute auf morgen realisieren kann. Das ist auch selbstverständlich. (Abg. Kopf: Das war auch nicht so angelegt!) – Kollege Kopf sagt richtig, das war auch nicht so angelegt. Absoluter Konsens!

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, da gibt es Schreiben des Außenministers beziehungsweise des Außenministeriums dieser Republik, die besagen, daß sich das Außenministerium nicht mehr an diesen Fünfparteienbeschluß gebunden fühle, weil dieser nur bis zum Ende der damaligen Legislaturperiode gegolten habe. – Da werde ich nachdenklich! Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder der Außenminister Schüssel will sich von diesen klaren Fünf-Parteien-Vorgaben des Parlaments langsam absentieren oder – ich weiß es nicht – er ist in diesem Zusammenhang ein Formaljurist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher wollen wir – und wir werden nach den nächsten Redebeiträgen entscheiden, in welcher Form, ob mittels selbständigem oder unselbständigem Antrag – diese Punkte, die wir im Februar 1995 gemeinsam beschlossen haben, zum Gegenstand eines Entschließungsantrages der Grünen machen, und zwar wortidentisch mit dem Vorjahresbeschluß und mit dem Ziel, diesen Beschluß zum Auftrag für den Außenminister dieser Republik auch für diese Legislaturperiode zu machen, damit er keine Ausrede mehr hat, damit er wirklich weiß, daß die fünf Parlamentsparteien darauf beharren! Wir wollen trotz dieses Umfallers weiterhin eine engagierte, offensive Anti-Atompolitik dieser Bundesregierung in allen Bereichen sehen.

Ich würde Sie ersuchen, zu signalisieren, ob Sie mit dieser Vorgangsweise einverstanden sind. Ich meine, daß es einen breiten Konsens darüber geben könnte.

Letzter Punkt: Temelin. Ich habe schon erwähnt, daß die Temelin-Finanzierung in Höhe von 4 Milliarden Schilling durch die ExIm-Bank bevorsteht. Die ExIm-Direktorin sagte mir, daß diese Kredite – und das ist ein Meilenstein in Richtung Fertigstellung – mit Jahresbeginn 1997 freigegeben werden sollen.

Wir starten jetzt gemeinsam mit allen NGOs, allen Anti-Atomplattformen, eine Einwendungskampagne, um massenweise Protestpostkarten vorzulegen, weil es noch eine letzte Überprüfung dieses Kredites und seiner Voraussetzungen geben soll.

Mein Ersuchen an die Bundesregierung wäre, daß auch sie sich hier klar und eindeutig positioniert, damit möglicherweise doch noch eine letzte Chance in Sachen Temelin genützt werden kann, damit wir diesen Meilenstein in Richtung Fertigstellung vielleicht doch noch abwenden können! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend: Ich wünsche mir, daß wir in diesem Parlament bekräftigen, daß der Fünf-Parteien-Beschluß aus dem Jahre 1995 aufrecht bleibt und nach wie vor die Auflage für die Handlungen dieser Bundesregierung ist. Und ich ersuche Sie, sich auch nach diesem Umfaller der ÖVP im Europaparlament weiterhin zu engagieren und weiterhin dafür zu sorgen, daß wir die Chancen, die es im Bereich der Anti-Atompolitik zu nutzen


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gibt, tatsächlich erkennen und ergreifen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Gredler. )

16.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Rauch-Kallat gemeldet. Ich verweise auf die Geschäftsordnung.

16.21

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Abgeordneter Anschober hat behauptet, ich hätte gesagt: So naiv und so dumm können Sie nicht sein, daß Sie glauben, daß dieser Antrag etwas bewirkt hätte. – Das ist nicht richtig.

Tatsächlich habe ich gesagt: So naiv und so dumm können Sie nicht sein, daß Sie glauben, daß im Jahre 2002 in allen europäischen Ländern alle Kernkraftwerke mit einem Schlag zugesperrt würden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. Er hat das Wort.

16.21

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Mir ist es vor etwa eineinhalb Jahren, konkret im Februar 1995, genauso ergangen wie einigen meiner Vorredner: Wir durften in einer gemeinsamen Pressekonferenz der Öffentlichkeit mitteilen, daß wir uns nach beileibe nicht sehr leichten Verhandlungen und Gesprächen im Umweltausschuß auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag bezüglich Ausstieg aus der Kernenergie geeinigt haben. Unter anderem – es war ja wirklich nicht leicht, diese Formulierung gemeinsam zustande zu bringen – haben wir damals die Bundesregierung ersucht, die Frage der Sinnhaftigkeit einer EBRD-Mitgliedschaft zu stellen, sollte tatsächlich Mochovce finanziert werden, und sich darüber hinaus – ein weiterer wesentlicher Punkt in diesem Entschließungsantrag, der auch zeigt, daß wir mit dem, was im EURATOM-Vertrag steht, nicht einverstanden waren und nach wie vor nicht sind – zu bemühen, die Zielsetzungen von IAEO und EURATOM dahin gehend zu ändern, daß die Förderung der Kernenergie unterbleibt.

Zum Entschließungsantrag und zum Vorhaben meines Vorredners, Kollegen Anschober, darf ich für meine Fraktion sagen: Sollte es beim Koalitionspartner tatsächlich Schwierigkeiten und Probleme dahin gehend geben, ob der Antrag jetzt noch Gültigkeit hat oder nicht, bin ich natürlich gerne bereit, das Ansinnen zu unterstützen und diesen Antrag neuerlich im Umweltausschuß zu diskutieren. Und ich hoffe, daß wir übereinstimmend wortidentisch zum selben Ergebnis kommen, wie uns dies vor eineinhalb Jahren gelungen ist.

Meine Damen und Herren! Ich darf die Pressemeldung der damaligen Frau Umweltministerin Rauch-Kallat vom selben Tag kurz zitieren: Umweltministerin Maria Rauch-Kallat begrüßt diesen gemeinsamen Antrag aller fünf Parlamentsfraktionen. Er beweist, daß in der Anti-Atomfrage alle Parteien an einem Strang ziehen. Österreichs einhelliger Anti-Atomkurs wird damit eindrucksvoll bestätigt. (Abg. Hans Helmut Moser: Nur die EU-Abgeordneten der ÖVP nicht!)

Weiters heißt es ebenfalls in dieser Presseaussendung: Man darf nicht übersehen, daß immer mehr EU-Länder einen Anti-Atomkurs steuern, betonte Rauch-Kallat. Sechs Staaten verzichten gänzlich auf die Atomenergie, die meisten anderen haben mittlerweile ihre Ausbauprogramme gestoppt. Ich rechne daher damit, daß der klare Anti-Atomkurs Österreichs und das Nein zum Ausbau der Nuklearenergie in Osteuropa bei meinen Kollegen auf offene Ohren stoßen werden.

Das waren Ihre Worte im Februar 1995. Wir alle haben das sehr begrüßt. Ich würde Sie nun ersuchen, Ihre Kolleginnen und Kollegen in Brüssel ebenfalls in diese Richtung hin zu informieren, wenn wir wirklich eine einhellige Anti-Atompolitik nicht nur in Österreich, nicht nur in unserem Land, sondern auch in Brüssel vertreten wollen, und zwar glaubwürdig vertreten wollen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Was mich freut, ist, daß ich in allen Reden, die der jetzige Umweltminister Bartenstein dazu hielt, im Grunde genommen dieselbe Linie wiederfinden kann. Ich verstehe daher das Abstimmungsverhalten der VP-Abgeordneten in Brüssel wirklich nicht.

Das Eintreten für ein kernkraftwerkfreies Europa ist nach wie vor – und ich sehe keinen Grund, warum das angezweifelt werden sollte – Teil des Regierungsabkommens.

Unser Bundeskanzler hat in seiner Antwort bereits eine Vielzahl von Aktivitäten vorgestellt, die in dieser Richtung bisher gesetzt wurden. Erlauben Sie mir, noch einige hinzuzufügen, die nicht angesprochen wurden. Er selbst – das wissen wir aus vielen Berichten in der Öffentlichkeit – nimmt jede Gelegenheit wahr, im Gespräch mit Repräsentanten unserer Nachbarstaaten die Atomfrage kritisch zu thematisieren. Er spannt wirklich, wie es der Geschäftsführer der Energieverwertungsagentur, Professor Dr. Heindler, so schön genannt hat, den Schirm entsprechend weit auf, damit alle, die damit befaßt sind, entsprechend konkret und durchschlagskräftig auftreten können.

Aber auch wir im Hohen Haus haben uns in dieser Frage bemüht. Ich möchte noch einmal an die Parlamentsreise nach Slowenien unter Vorsitz des Nationalratspräsidenten Fischer erinnern. In deren Folge hat es dann eine Reihe von Kooperationsgesprächen zwischen slowenischen und österreichischen Stellen hinsichtlich der Substitutionsmöglichkeiten von Krško und anderen Werken gegeben.

Die wichtigste Maßnahme stellt meiner Meinung nach aber das partnerschaftliche Zusammenwirken der Energiepolitik der Bundesregierung und der österreichischen EVUs nach der Ostöffnung dar. Es muß ja auch im operativen Bereich unsere Politik weitergetragen werden. So wurde die wirtschaftliche und politische Integration der osteuropäischen Reformländer durch den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere durch den synchronen Anschluß der Elektrizitätsnetze Polens, Tschechiens, der Slowakei und Ungarns an das Netz der UCPTE, das heißt des westeuropäischen EU-Kontinentalnetzes, vorangetrieben. Wir haben dabei gerade wegen unserer exponierten Lage eine besonders aktive Rolle eingenommen.

Die österreichischen EVUs sind voll in die Reformpolitik eingebunden, meine Damen und Herren. So hatte der Verbund von 1993 bis 1995 seine Exporte in die osteuropäischen Reformländer versechzehnfacht. Mit dem österreichischen Wasserkraftstrom konnte Strom aus Atom- und umweltschädlichen kalorischen Ostkraftwerken in einer echten Energiekooperation ersetzt werden. Gleichzeitig wurde in diesem Zeitraum der Atomstromanteil bei den Importen von ohnehin nicht sehr hohen 2,5 Prozent auf nunmehr 0,98 Prozent gesenkt.

Meine Damen und Herren! Derzeit ist in der Slowakei ein größerer Energielieferungsvertrag in Diskussion. Auch Tschechien hat, wie wir wissen, einen zusätzlichen Strombedarf. Nur dann, wenn wir den Reformstaaten helfen, ihre aktuellen Bedarfslücken umweltfreundlich abzudecken, besteht eine Chance, den forcierten Ausbau von Temelin und Mochovce zu vermeiden. Das ökologische Bewußtsein der Bevölkerung in den osteuropäischen Staaten wächst ständig. Die Zeit arbeitet für uns, und das ist unsere große Chance für ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa.

Die Unternehmungen haben im Auftrag der Bundesregierung und des Parlaments eine Reihe von Engineering-Projekten übernommen. Ich möchte an die Sanierung von Šoštanj oder Nováky erinnern, wodurch die Immissionsbelastung Ostösterreichs erheblich gemindert werden konnte. Die Verbund-Engineering bemüht sich um den Ausbau der Sava in Slowenien, ein 7-Milliarden-Projekt, und hat gute Chancen, diesen Zuschlag zu erhalten.

Energiepolitisch möchte ich aber auch auf das Bedrohungspotential aus Osteuropa hinweisen. Strom aus Kraftwerken mit fehlenden Umwelt-, Sicherheits- und Sozialstandards darf nicht nach Österreich. Ich verlange daher immer, wenn es um Importe geht, die Dokumentation der Stromimporte.

Meine Damen und Herren! Wir forcieren mit ganzer Kraft ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa in partnerschaftlicher Kooperation.


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Zum Schluß etwas an die Adresse von Frau Stenzel, die im EU-Wahlkampf geworben hat: Mit ganzem Herzen für Österreich! Uns Österreichern liegt ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa sehr am Herzen. Daher sollte sie in Brüssel nicht halbherzig, sondern mit ganzem Herzen agieren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.31

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Drei kurze Bemerkungen zu diesem Thema.

Zum ersten erlauben Sie mir eine persönliche Anmerkung. Ich bilde mir ein, persönlich über ein doch recht hohes Maß an Lernwilligkeit zu verfügen. Ich bin jetzt zwei Jahre in diesem Hohen Haus, und ich sage Ihnen: Eines möchte ich hier herinnen nicht lernen und werde es auch nicht lernen, nämlich jenen Politikstil, der hier von mehreren meiner Vorredner, und zwar nahezu aller Parteien hier im Hause, außer der eigenen (Heiterkeit bei der SPÖ und der Abg. Aumayr ) , an den Tag gelegt worden ist, nämlich nur zu agitieren, manipulativ Aussagen aus dem Zusammenhang zu reißen, Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen und so darzustellen, wie sie in Wirklichkeit nicht gelaufen sind, zu skandalisieren. (Ruf bei der SPÖ: Hat der Oberhaidinger skandalisiert?)

Das geschah hier herinnen von verschiedenen Kollegen und auch in den Medien. Meine Kollegin Rauch-Kallat war sehr vornehm und hat eine Äußerung eines Vorredners als "idealistisch" bezeichnet. Ich würde es ganz anders charakterisieren, nämlich als unseriös, was hier vom Kollegen Barmüller genauso wie vom Kollegen Kier und anderen gesagt wurde. Leider muß ich auch Sie, Herr Bundeskanzler, in diese Einschätzung miteinbeziehen – das möchte ich hier ganz klar betonen –, weil Sie nichts anderes getan haben als die anderen Vorredner auch. (Ruf bei der ÖVP: Die Wahlniederlage! – Zwischenruf bei der SPÖ.) Leider nicht! Manipulativ dargestellt, aus dem Zusammenhang gerissen: in dieser Art und Weise.

Zweiter Punkt: der EURATOM-Vertrag. Der EURATOM-Vertrag ist zweifellos problematisch. Er bedarf einer Änderung, und zwar nicht nur deshalb, weil er zum Teil totes Recht ist, sondern auch deswegen, weil er österreichische Grundsatzpositionen verletzt. (Abg. Aumayr: Totes Recht ist der EURATOM-Vertrag!) Zum Teil totes Recht, habe ich gesagt. Bitte zuhören, Frau Kollegin!

Aber er enthält auch sehr wichtige Teile, zum Beispiel die Festlegung von Sicherheitsnormen und auch deren Anwendung. Dieser Abänderungsantrag zum Umweltaktionsprogramm enthält einen sehr positiven Teil, in dem er die Einstellung der Förderungen der Atomenergie fordert. (Abg. Dr. Fuhrmann: Herr Kollege! Erlauben Sie einen Zwischenruf! Warum haben Sie nicht ein Amendement versucht?) Aber er hat auch einen problematischen Teil enthalten, in dem gefordert wird, die einzige Aufgabe von EURATOM solle künftig der sichere Abbau der Kernenergie sein. Herr Kollege, das ist der problematische Teil! (Abg. Dr. Fuhrmann: Aber das Amendement haben Sie nicht einmal probiert!) Jetzt das Ganze uminterpretieren zu wollen als eine abweichende Stellungnahme der ÖVP, von Leuten wie Flemming, von der immer dezidiert und klar geäußerten Antiatomhaltung, das ist absurd, das ist manipulativ, das ist unseriös! (Beifall bei der ÖVP.)

Dritter Punkt: nochmals zur ÖVP-Haltung zur Atomenergie. (Abg. Anschober: Kollege Kopf! Wie hättest du jetzt gestimmt?) Abseits dieser Manipulationen und dieser Skandalisierung ist doch eines klar – und das ist durch konkrete Handlungen vielfach belegt –, nämlich unser Kampf gegen Mochovce, der Kampf unserer damaligen Umweltministerin Rauch-Kallat gegen Mochovce und die Entschließung vom 9. Feber 1995, Herr Kollege Anschober, das Koalitionsübereinkommen mit seinen Aussagen zur Atompolitik, der Nationale Umweltplan, der zwar noch nicht verabschiedet wurde, aber in seinen Aussagen doch schon vorliegt, die österreichischen Grundsatzpositionen zur EU-Regierungskonferenz. Das sind doch bitte alles klare Beweise dafür, welche Partei in diesem Hause, zu der auch das Umweltministerium Gott sei Dank


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richtigerweise ressortiert, eine deutliche Anti-Atompolitik verfolgt; eine Politik, wie sie klarer nicht sein könnte. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Anschober! Wenn wir uns zu dem von Ihnen vorhin zitierten Entschließungsantrag, dem Wunsch nach einer Bekräftigung der damaligen Haltung, entschließen können, wenn wir uns zu einer Vorgangsweise wie damals entschließen können, daß wir diese Sache im Umweltausschuß eingehend beraten und versuchen, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, dann bin ich dabei. Wenn Sie die andere Vorgangsweise wählen, jene Ihres Kollegen Voggenhuber in Brüssel, nämlich überfallsartig etwas durchdrücken zu wollen, das auch in den Formulierungen nicht abgesprochen ist, dann wird dieser Antrag dasselbe Schicksal erleiden wie jener Ihres Kollegen in Brüssel. (Beifall bei der ÖVP.)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.36

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Kollege Kopf, ich bin weit davon entfernt, mich zur Verteidigerin von Bundeskanzler Vranitzky zu machen, aber eines kann ich Ihnen schon sagen: Für diese Abstimmungspanne Ihrer Fraktion im Europäischen Parlament kann der Herr Bundeskanzler wirklich nichts. Das haben Sie schon selber zu verantworten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kopf: Das habe ich nicht gesagt! Das war erstens keine Panne, und zum zweiten habe ich das nicht gesagt!) Dann haben Sie es absichtlich gemacht, Herr Kollege Kopf. (Ruf bei den Freiheitlichen: Absichtlich – noch schlimmer! – Abg. Mag. Stadler: Ich habe geglaubt, das war eine Panne! – Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. )

Ich möchte wirklich wissen, Frau Kollegin Rauch-Kallat, wie Ihr Pressedienst ausgesehen hätte, wenn die freiheitliche Fraktion in Straßburg für den EURATOM-Vertrag gestimmt hätte. Ich möchte wirklich gerne wissen, Frau Kollegin Rauch-Kallat, ob Sie dann auch gesagt hätten, der EURATOM-Vertrag ist ja zum Teil totes Recht. (Abg. Rauch-Kallat: Aber es stimmt ja!) Sie haben mir das in der Bankreihe so bestätigt. Warum machen Sie sich denn zur Pflichtverteidigerin für eine Abstimmungspanne? Geben Sie doch zu, daß das passiert ist, aber machen Sie sich doch nicht zur Verteidigerin, sonst werden Sie wirklich noch unglaubwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Ihr Wahlkampfthema bei der EU-Wahl war ja: Wir sind in einer großen Fraktion. Die Freiheitlichen kann man auf keinen Fall wählen, denn sie sind in keiner Fraktion, sie haben nichts mitzubestimmen. – Und was haben Sie jetzt davon, daß Sie in einer großen Fraktion sind? Wenn es keine Abstimmungspanne war, dann war es eine Zwangsabstimmung, dann war es ein Maulkorberlaß, Frau Kollegin Rauch-Kallat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Atomlobby!)

Zur Frau Kollegin Gredler: Ich bin in weiten Bereichen mit Ihnen völlig d’accord. Nur, Sie haben gesagt: Wenn man den EURATOM-Vertrag liest, bekommt man die Gänsehaut. Jetzt frage ich Sie, Frau Kollegin Gredler: Haben Sie den EURATOM-Vertrag vor dem EU-Beitritt gelesen? Warum waren Sie dann – genauso wie die SPÖ, die Liberalen, die ÖVP, und danach haben die Grünen auch dafür gestimmt – für einen EU-Beitritt ohne Wenn und Aber? Jetzt ist es auch ein wenig doppelbödig, von einem Vertrag, wo man die Gänsehaut bekommt, zu sprechen. Und trotzdem haben Sie dafür gestimmt, nicht wahr? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gredler: Wir können jetzt mitgestalten!)

Eine sehr mächtige Lobby in Brüssel kämpft nämlich mit allen Mitteln dafür, daß der EURATOM-Vertrag aufrechterhalten bleibt und weiterbesteht. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Als Überbrückungsargumente werden zwar die Sicherheit der Atomkraftwerke, Frau Kollegin Rauch-Kallat, oder die Problematik mit dem Atommüll herangezogen, in Wirklichkeit geht es aber um etwas ganz anderes: Es geht darum, daß die Kernfusionsforschung weiterbesteht beziehungsweise weiterentwickelt wird.


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Man muß sich das einmal vorstellen: Die Fusionsenergie wurde innerhalb von zehn Jahren von den westlichen Hauptmotorländern, wie Deutschland, Großbritannien, Italien, mit 10 Milliarden Dollar gefördert. Das bedeutet, der EURATOM-Vertrag muß auf alle Fälle am Leben erhalten werden. Das alleine war der Grund für das Abstimmungsverhalten der ÖVP-Fraktion in Brüssel. Einzig und allein Frau Schierhuber hat sich der Stimme enthalten.

Man muß sich einmal vorstellen, wie die Energiepolitik in der Europäischen Union läuft: Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren zwanzigmal mehr für die Kernfusionsforschung ausgegeben als für die Forschung im Bereich der erneuerbaren Energie. Da wird eine Energiepolitik völlig vorbei an den Bürgern gemacht. Da werden unsere Gelder verwendet, obwohl sich die Österreicher ganz deutlich gegen die Atomenergie ausgesprochen haben.

Es wurde den Österreichern verschwiegen, daß mit dem Beitritt zur Europäischen Union auch der Beitritt zu EURATOM erfolgt. Es wurde bezüglich Atomenergie genauso eine Verschleierungspolitik betrieben wie zum Beispiel bezüglich Euro. Die ÖVP hat im Europawahlkampf 1994 gesagt, der Schilling bleibt erhalten. Im Wahlkampf zur Nationalratswahl 1995 hat Herr Vizekanzler Schüssel den Schilling plakatiert – als Sparefroh ist er plakatiert gewesen. Jetzt ist er aber für dessen Abschaffung. (Abg. Dr. Khol: Schüssel – Ditz!) Und der Herr Bundeskanzler hat in der "Pressestunde" gesagt, das Volk brauche man nicht mehr zu fragen, das habe am 12. Juni darüber abgestimmt. – Sie haben es dem Volk aber davor nicht gesagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Milliardenbeträge werden von der EU in eine völlig falsche Energiepolitik investiert, und damit werden die neuen Wege wie Sonnenenergie, erneuerbare Energie aus Biomasse einfach blockiert. Und Sie von der ÖVP setzen in der Fraktion der Europäischen Volkspartei die gleiche Betonpolitik fort, die Sie bei der Energiepolitik in Österreich machen – gegen alle Versprechen vor dem EU-Beitritt, gegen alle Versprechen vor der Nationalratswahl, gegen alle Versprechen vor den Europawahlen, gegen den Willen aller Österreicher und gegen berechtigte, lebenswichtige Anliegen der kommenden Generationen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat. – Bitte sehr.

16.42

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ich habe hier nicht behauptet, daß der EURATOM-Vertrag totes Recht ist, sondern ich habe bloß aus dem Bericht der Forschungssektion der Generaldirektion folgendes zitiert: Für den EURATOM-Vertrag ist festzuhalten, daß der im Vertrag verankerte Förderzweck nur noch von begrenzter praktischer Bedeutung ist. Und darüber hinaus hat sich gezeigt, daß EURATOM und EGKS viele Regelungen enthalten, die heute keine praktische Relevanz mehr haben. – Zitat aus dem wissenschaftlichen Bericht über die Energieverträge in der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP.)

16.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist nun Frau Abgeordnete Kammerlander.

16.43

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie kommen wir nicht darum herum, ebenfalls das festzustellen, was heute schon öfters gesagt worden ist, nämlich daß das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten der ÖVP unerklärlich ist. Ich drücke das, Herr Klubobmann Khol, im ersten Anlauf sehr vornehm aus. (Abg. Schwarzenberger: Aber noch unerklärlicher ist Ihr gestriges Abstimmungsverhalten bei Unzucht mit Tieren!)

Es ist wirklich unerklärlich, was wohl in die ehemalige Umweltministerin Flemming gefahren ist, als sie diesem Antrag ihre Zustimmung verweigert und damit einer Energiepolitik Tür und Tor geöffnet hat, die Sie hier, wenn man Ihren Worten und auch ihrem Abstimmungsverhalten Glauben schenken darf, nicht vertreten.


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Frau Kollegin Rauch-Kallat, Sie haben Ihre Aussage: So naiv und dumm können Sie nicht sein, daß Sie glauben, daß im Jahr 2002 alle Atomkraftwerke stillstehen und alle Hebel sozusagen abgeschaltet sind, hier ja schon einmal wiederholt. – So naiv und so dumm ist ja wirklich niemand! Aber das war ja auch nicht die Intention des Antrages. Sie scheinen den Antrag immer noch nicht gelesen zu haben. Die Intention des Antrages ist, daß die Förderung der Kernenergie eingestellt werden soll. Wenn die Förderung der Kernenergie nicht mehr gegeben ist, dann ist die Kernenergie als solche beziehungsweise die Stromproduktion aus dieser ja lange nicht mehr so attraktiv, und daß das zu entsprechenden Konsequenzen führt, scheint ja wohl jedem hier klar zu sein.

Aber da liegt ja sozusagen der Hund begraben: Solange diese Form der Stromerzeugung und der Energiegewinnung gefördert und unterstützt wird, so lange wird sie auch attraktiv sein und so lange wird zumindest der nationale Konsens, den wir haben, zu nicht viel mehr führen als zu einem Lippenbekenntnis – keinesfall jedoch zu einer Durchsetzung.

Aber Sie sind noch eine Antwort schuldig geblieben, und zwar auf die Frage – und das ist mir nach wie vor unerklärlich –, warum Ihre Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament so abgestimmt haben. Ich glaube nicht, daß sie Analphabeten sind, sie werden gelesen haben, worüber sie da abstimmen. Also müssen wohl andere Argumente sie im letzten Augenblick überzeugt haben, sodaß sie gegen diesen Antrag gestimmt haben, oder es müssen andere Interessen überwogen haben als der diesbezügliche nationale Konsens.

Da gibt es dann nur eine Antwort, nämlich die, daß ganz klare wirtschaftliche Interessen in Straßburg offensichtlich den Ausschlag dafür gegeben haben, daß Ihre Kolleginnen und Kollegen anders gestimmt haben. Diese Antwort mit den wirtschaftlichen Interessen ist ja nicht weit hergeholt, denn wenn man sich die Situation anschaut, so sieht man, daß es ja so etwas wie einen Stillstand, was die Vorzeigeprojekte und die Bemühungen in der Anti-Atompolitik im Rahmen der Europäischen Union betrifft, gibt. Sowohl bei Mochovce wie auch bei Temelin sind alle Bemühungen eingestellt, und es gibt einen starken Druck der Sonderkommission, andere Projekte zu unterstützen und Firmen wie zum Beispiel auch das Konsortium Siemens und Framatome.

Es gibt natürlich auch ganz konkrete Projekte, das wissen wir. Hinter dem Beschluß der G 7, Tschernobyl bis zum Jahr 2000 stillzulegen, stehen ganz klare Interessen, nämlich daß die Ukraine weitere Ersatzkapazitäten braucht. Und obwohl taugliche Konzepte, taugliche Angebote, taugliche Umsetzungsangebote auch westlicher Unternehmen in Richtung einer Effizienzsteigerung, in Richtung von Gasdampfkraftwerken vorliegen, werden große Bemühungen in die entsprechende Adaptierung von zwei großen Kraftwerken, nämlich Rovno und Chmelnitsky, unternommen.

Wenn man sich das genauer anschaut – wofür mir jetzt hier die Zeit fehlt –, dann wird einem einiges an dieser Entscheidung klar, denn die Fertigstellung dieser Kraftwerke und die Adaptierung auf westlichen Standard – wahrscheinlich auch als Einstieg, um dann noch weitere Kraftwerke zu adaptieren und auf westlichen Standard zu bringen – kann nur dann funktionieren, wenn diese Regelung nicht ausläuft und wenn diese Bestimmung, daß es weiterhin eine Förderung von Kernenergie auch im Rahmen von EURATOM gibt, aufrechterhalten bleibt.

Offensichtlich – so sehe ich es – war das kein Irrtum und auch keine Panne, Frau Kollegin Aumayr. Man soll das nicht verniedlichen. Das war keine Panne, sondern meiner Meinung nach volle Absicht. (Abg. Kopf: Ein schlecht formulierter Antrag!) Und da stehen ganz klare wirtschaftliche Interessen dahinter.

Sie haben ja auch aufgezeigt, welche Differenz zwischen den Förderungen von alternativen Energien und den Förderungen von Atomenergie und vor allem von Kernfusion besteht. Daher lautet meine Schlußfolgerung: Das war ein ganz klares, bewußtes, gezieltes Abstimmungsverhalten. Die einzige Panne, die dabei passiert sein dürfte, war die Annahme, daß es in Österreich nicht bekannt wird, wie die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP in Straßburg abstimmen, was mit


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einem noch vorhandenen nationalen Konsens und einem noch vorhandenen Konsens in der Bundesregierung nicht vereinbar ist.

Aber wenn ich mir dieses Abstimmungsverhalten anschaue und die ganz klaren wirtschaftlichen Interessen, den sehr starken Druck großer Konsortien, die dahinter stehen, dann frage ich mich mit Sorge, wie lange denn dieser Konsens – zum Beispiel in der Bundesregierung – noch halten wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.51

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Den österreichischen Interessen, für eine nachhaltige energie- und umweltpolitische Entwicklung zu sorgen, ist durch einige österreichische Vertreter im Europäischen Parlament ein schlechter Dienst erwiesen worden.

Österreich hat seit 1978 ein Bundesgesetz, das es – wie es im Titel des Gesetzes heißt – verbietet, Energie aus Kernspaltung zu nutzen. Inhaltlich verbietet das Gesetz die Errichtung und die Inbetriebnahme von Anlagen hiefür.

Österreich hat im Jahre 1995 einen Fünfparteienbeschluß gefaßt – das heißt, es besteht Konsens der hier vertretenen Fraktionen –, für den Ausstieg aus der Kernenergie einzutreten. Es gibt darüber hinaus ein Koalitionsübereinkommen der Regierungsparteien, daß auf EU-Ebene der Ausstieg aus der Kernenergie verfolgt werden soll.

Befremdend, unverständlich und, wie ich meine, verantwortungslos ist jenes Verhalten, das die ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament an den Tag gelegt haben. Es ist ein Rückschlag für all jene, die den Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie befürworten und sich dafür einsetzen. Frau Kollegin Rauch-Kallat! Jene Klimmzüge, die Sie versucht haben, rechtfertigen die Verhaltensweise Ihrer Kollegen in Brüssel mit Sicherheit nicht.

Es gibt keinen schlüssigen Grund, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Und da nützt es auch nichts, wenn Kollege Kopf sagt, das sei so quasi übers Knie gebrochen worden, man hätte darüber nicht diskutieren können.

Das ist, Kollege Kopf, die Linie der Regierungsparteien, im speziellen auch der ÖVP. Ich erinnere in diesem Zusammenhang etwa an die Energieeinspeisevergütungsregelung, die mit 31. Dezember ausläuft. Bis heute wissen all jene, die bereit wären, im Bereich der erneuerbaren Energie Investitionen zu tätigen, nicht, wie es weitergehen soll. Das ist nichts anderes als eine Hinhaltetaktik seitens der Regierungsparteien. Nägel mit Köpfen werden tunlichst vermieden. (Abg. Kopf: Das stimmt doch nicht! Sie reihen sich würdig in die Reihe der Polemisierer von vorhin ein!)

Kollege Kopf! Es macht relativ wenig Sinn, das, was da deinen Kollegen passiert ist, auf diese Art und Weise zu rechtfertigen und unsere Kritik daran als Polemik hinzustellen.

Ich frage: Welche Intention stand tatsächlich dahinter? Frau Kollegin Aumayr hat gemeint, es könnte ja eine Abstimmungspanne gewesen sein. – Ich habe beobachtet, wie Sie, sehr geehrte Damen und Herren der ÖVP, darauf reagiert haben: Sie waren aufgebracht, Sie haben Zwischenrufe getätigt. Sie waren aufgebracht darüber, daß man dies als Abstimmungspanne hinstellen oder verstehen könnte.

Was war es dann aber? – Selbst Sie sind nicht in der Lage, dies auch nur annähernd schlüssig zu erklären.

Für mich ist es einfach unverständlich, daß sich die ehemalige Umweltministerin Flemming hiefür stark macht und sich gegen diesen Antrag ausspricht. Ich habe noch Verständnis dafür,


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wenn dies Abgeordneter Rübig macht, der ja einschätzbar ist. Es ist ja nicht zum ersten Mal, daß er im Europäischen Parlament gegen österreichische Interessen stimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Na hallo!)

Wenn Sie "hallo" sagen, dann darf ich Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Es war meines Wissens Kollege Rübig, der, obwohl wir uns hier alle einig sind oder einig sein sollten, was die Kennzeichnungspflicht genmanipulierter Lebensmittel anlangt ... (Abg. Schwarzenberger: Das ist durchgesetzt worden! – Abg. Wurmitzer: Wie hat Reichhold abgestimmt?) Wie hat Kollege Rübig gestimmt? – Er hat sich gegen die Kennzeichnungspflicht ausgesprochen. (Abg. Dr. Khol: Der Reichhold ist ja nie da! Wo ist denn der Reichhold?)

Es macht wenig Sinn, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, wenn Sie mit Ihrer Gallionsfigur des Europa-Wahlkampfes, mit der Abgeordneten Stenzel, in den Wahlkampf ziehen und plakatieren "Mit ganzem Herzen für Österreich". Ich frage mich, welches Herz für Österreich das ist: das Herz der Atomstrom-Lobby? Oder ist eine gefühlsmäßige Mutation bei ihr vonstatten gegangen? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ist es möglicherweise ein Herz für Frankreich, für die EdF oder für wen auch immer? Ich kann es nicht beurteilen. Ich nehme aber aufgrund Ihrer Ausführungen hier an, daß auch Sie selbst es nicht können.

Ich frage, wie Sie den österreichischen Bürgern diese Verhaltensweise verkaufen wollen. Ich bin betrübt darüber. Und wenn von Polemik gesprochen werden kann, dann nur über jene Ihrerseits.

Das, was Sie meine Damen und Herren von der ÖVP, geboten haben, ist absolut unverständlich, und das rechtfertigen auch nicht all die Bemühungen, die gemeinsam stattgefunden haben, nämlich als es um das Kernkraftwerk Mochovce gegangen ist, um das Kernkraftwerk Bohunice, darum, den Ausstieg beim Kernkraftwerk Krško zu ermöglichen. Das war glaubwürdig. Umso schockierender finde ich diese Ihre Verhaltensweise.

Ich hoffe, daß die Politik der ÖVP wieder etwas zukunftsweisender wird. Es ist rückschrittlich, wenn die Förderung der Kernenergie über diese Ihre Initiative, über diese Ihre Verhaltensweise im Europäischen Parlament beibehalten wird. Das ist ein Rückschritt, er verhindert den Durchbruch von erneuerbaren Energieträgern und unterbindet viele der Möglichkeiten, die wir ansonsten hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter. 9 Minuten Redezeit.

16.58

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemerkung des Kollegen Kopf ist mir persönlich richtig nahegegangen. Er hat das Parlament gegeißelt ob der Demagogie, er war persönlich betroffen, daß hier in diesem Hause die Abgeordneten so viel manipulieren – mit Ausnahme der der ÖVP –, so viel falsch darstellen – mit Ausnahme der ÖVP –, so gehässig sind – mit Ausnahme der ÖVP –, so Mißverständliches erzählen – mit Ausnahme der ÖVP – und überhaupt die Bemühungen der ÖVP einfach nicht wertschätzen. (Abg. Wurmitzer: Richtig!)

Meine Damen und Herren! Kollege Kopf hat zu allen eine sehr persönliche Anmerkung gemacht, ausgenommen war nur seine Kollegin Rauch-Kallat.

Meine Damen und Herren! Eine Tageszeitung hat getitelt: "Ausgerechnet Sie, Frau Flemming?". Da wird der Sachverhalt ausführlich dargestellt, daß die großartige Europaparlamentsfraktion der ÖVP unter der Führung der Frau Ursula Stenzel gegen diesen Antrag gestimmt hat.

Meine Damen und Herren! Es war nicht so, daß Frau Abgeordnete Rauch-Kallat als Umweltsprecherin der ÖVP versucht hätte, das irgendwie zu erklären. Es ist ja heute versucht worden, mehrere Angebote, mehrere Erklärungsversuche zu machen.


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Erstens: Es war ein schlechter Antrag (Abg. Rauch-Kallat: Schlecht formuliert!) , ganz schlecht formuliert. Die Frau Abgeordnete hat wahrscheinlich noch nie etwas von Abänderungsanträgen gehört. Aber das hat sie auch wahrscheinlich ihrer Kollegin Stenzel noch nicht ausreichend mitteilen können, weil das ja alles so schnell geht bei der ÖVP. Aber ich verstehe.

Die zweite Möglichkeit der Panne hat sie nicht strapaziert, denn für Pannen sind andere zuständig in der ÖVP, nicht die Frau Stenzel und nicht der Herr Rack. Die haben sich das sehr wohl überlegt, mit "Herz und Hirn" für Österreich aufzutreten.

Die dritte Möglichkeit wären Klubzwänge innerhalb der Fraktion, der konservativen und insbesondere der konservativen französischen Atomlobby, gewesen. – Das kann man auf keinen Fall strapazieren. Es wären nur die ersten zwei Erklärungsversuche möglich gewesen.

Meine Damen und Herren! Aber damit nicht genug, daß Frau Abgeordnete Rauch-Kallat den billigsten Weg sucht, nämlich den, daß der Antrag so schlecht formuliert war und die 237 Abgeordneten des Europäischen Parlaments einfach nicht in der Lage sind, einen korrekten Antrag zu machen. Dieser billige Erklärungsversuch hat ihr nicht gereicht. Nein, sie legt noch zu. Sie sagt – hier wird sie wörtlich zitiert –: "Sie ätzt in Richtung Grüne: Ihr Abgeordneter Voggenhuber war ja bei der Abstimmung nicht einmal anwesend." (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Das ist schlicht und ergreifend eine Diffamierung durch Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Sie sagte einfach die Unwahrheit. Denn wenn sie das Abstimmungsprotokoll gelesen hätte, hätte sie folgendes gesehen: Der begnadete, mit strahlenden Diademen herumreisende Habsburg-Lothringen, der als Strahlenexperte durch Europa zieht, ist sehr wohl angeführt als einer, der dagegengestimmt hat, aber Herr Abgeordneter Voggenhuber ist angeführt als klarer Befürworter dieses zugegebenermaßen nicht ganz zur Zufriedenheit der französischen Atomlobby formulierten Antrages. Das gebe ich schon zu. (Abg. Rauch-Kallat: Nicht alles, was in "täglich Alles" steht, muß stimmen! Er war bei der Debatte nicht anwesend!) Es waren sehr viele Menschen im Europäischen Parlament unzufrieden mit diesem wirklich untauglichen Antrag. Ich kann mir vorstellen, daß die französischen Atomlobbyisten richtig sauer waren und sich gefragt haben, wie man so etwas Billiges, Populistisches, Demagogisches vorlegen kann. Ich kann mir vorstellen, daß ein Adeliger, der immer nur das Gediegenste vorgelegt haben will und mit sich trägt, so einem Antrag nicht zustimmen kann.

Aber, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, was ich nicht verstehe, ist, daß Sie sich für diese Diffamierungen nicht entschuldigen.

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! Ich glaube, ich spare manchmal nicht mit bösen Bemerkungen gegenüber der Freiheitlichen Partei, und Sie sind mir ja hoffentlich dafür dankbar. Aber Abgeordneter Schweitzer, der sich bei seinen ersten Auftritten draußen beim Abstimmen so ungeschickt benommen hat und einige Male oder zumindest einmal falsch abgestimmt hat, hat zumindest den Mut gefunden, hier herunterzugehen und zu sagen: Es war ein Fehler! Ich habe mich bei den Knöpfen beim Abstimmen noch nicht so richtig ausgekannt.

Meine Damen und Herren! Offensichtlich ist dieser große Apparat nicht geeignet für so einfache Menschen mit einer so einfachen Ausbildung wie die eines Adeligen, einer Fernsehmoderatorin oder eines Hochschulprofessors, da sind die Menschen wahrscheinlich überfordert. Bei einem derart großen Apparat, wo Hunderte Menschen plötzlich mit Hunderten Anträgen und Abänderungsanträgen konfrontiert sind, kann das nicht gutgehen, meine Damen und Herren! Wir selber wissen aus Erfahrungen bei der gestrigen Abstimmung, wie schwierig das ist. Diese vielen Anträge, einmal hin und einmal her.

Da sitzen nur 183 Menschen, aber, Frau Rauch-Kallat, Sie werden verstehen, bei dieser Abstimmung waren fast 500 Menschen anwesend. Das ist eine Zahl, die ich mir gar nicht vorstellen kann. Da muß etwas schiefgehen. Da muß eine Panne passieren.

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! Kollege Rudi Anschober hat Ihnen Ihr Engagement nicht abgesprochen. Aber eines möchte ich Ihnen absprechen, nämlich daß Sie hier in dieser Frage allen Ernstes versucht haben, den Standpunkt Österreichs zu vertreten. Wir alle wissen, wie oft


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Fehler in diesen Maschinerien passieren und daß diese Maschinen oft ohne unser Zutun funktionieren und wir manchmal nur traurige Mitspieler sind.

Aber, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, diese Frage ist zu ernst, als daß man sich so billig herausreden könnte, und Sie sollten es wirklich hier nicht einfach dabei bewenden lassen, daß Sie mit dieser Unwahrheit in der Öffentlichkeit aufgetaucht sind, denn das würde Ihrer restlichen Glaubwürdigkeit schweren Schaden zufügen.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß der gute Antrag, den Kollege Rudi Anschober hier vorbereitet hat, die Zustimmung aller fünf Fraktionen finden wird und Sie hier rechtzeitig den Antrag bekommen und ihn für gut befinden. Sollte er Ihnen nicht ausreichend zusprechen, dann würde ich Sie bitten, einen Abänderungsantrag einzubringen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Rauch-Kallat zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.06

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Wabl hat behauptet, daß ich gesagt hätte, daß Herr Abgeordneter Voggenhuber bei der Abstimmung nicht anwesend war. Tatsache ist, daß ich gesagt habe – und das stimmt auch –, daß Herr Abgeordneter Voggenhuber bei der ausgiebigen Debatte über diesen Umweltantrag nicht anwesend war und daß nicht alles, was in "täglich Alles" steht, wahr ist. (Beifall bei der ÖVP.)

17.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wabl hat sich zu einer persönlichen Erwiderung gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.07

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Ich werde von der Frau Abgeordneten Rauch-Kallat geziehen, hier etwas Falsches dargestellt zu haben. Ich halte das für unglaublich. Sie stehen hier wörtlich zitiert in der Zeitung. Ich habe nur die Zeitung zitiert, und Sie haben es nicht berichtigt. Sie können einen Prozeß gegen "täglich Alles" anstrengen oder das dementieren, aber bitte nicht mich zu berichtigen, wenn ich zitiere. Das halte ich für einen Mißbrauch dieser Geschäftsordnung. Ich hoffe, Herr Präsident, Sie werden in Zukunft hier eingreifen. (Beifall bei den Grünen.)

17.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Barmüller. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. (Abg. Dr. Schwimmer: Mißbrauch der Geschäftsordnung! – Abg. Schieder: Beides war Mißbrauch!)

17.08

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich muß die Ausführungen des Abgeordneten Wabl tatsächlich berichtigen, denn er hat völlig falsch gesagt, daß dieser Antrag, der hier vorliegt, von seinem Kollegen Anschober vorbereitet wurde. Das ist leider nicht richtig, er kommt von den Liberalen. Aber ich freue mich, daß Abgeordneter Wabl mittlerweile so wenig Unterschied zwischen der Umweltpolitik der Liberalen und seiner eigenen sieht.

Meine Damen und Herren! Bei dieser Dringlichen Anfrage – und hier möchte ich mich noch einmal an den Abgeordneten Schweitzer wenden – muß auch eines klar sein: Solches Verhalten, wie es auf Ebene des Europäischen Parlaments gezeigt worden ist, wird immer wieder dazu benutzt werden, den Integrationsgedanken insgesamt in Verruf zu bringen, so wie es Abgeordneter Schweitzer auch getan hat. Er hat gesagt: Sie tragen mit Verantwortung, weil Sie der EU beitreten wollten.

Faktum ist: Es ist eine gute Entscheidung, der Europäischen Union anzugehören, bei diesem Willensprozeß dabeizusein und hier seine Stimme einzubringen, Kollege Schweitzer. Aber man


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muß es halt auch tun, wenn man es vorher verspricht. Das aufzuzeigen und auf das hinzuarbeiten, ist letztlich auch der Sinn unserer Dringlichen Anfrage gewesen.

Ich darf deshalb auch dem Herrn Bundeskanzler entgegenhalten, daß, wenn er sagt, man brauche hier eine Schrittmacherfunktion, und kein Problem in diesem Abstimmungsverhalten sieht, doch letztlich das Ziel einer Schrittmacherfunktion darin liegt, wirklich zu einem Ausstieg aus der Förderung der Kernenergie zu kommen. Es darf dann dieses Ziel nicht so quasi auf halbem Wege oder vielleicht sogar knapp vor dem Ziel vereitelt werden.

Es muß aber auch klar sein, meine Damen und Herren – das sage ich insbesondere auch in Richtung des Herrn Bundeskanzlers –, daß er mit seinem Koalitionspartner vorsichtig umgehen muß. Denn er hat schon einmal mit einem Verhalten nicht gerechnet, das dann eingetreten ist, und es wäre wert, in dieser Frage trotz allem und trotz aller Einhelligkeit, die wir doch noch mit einem Antrag erreicht haben, ein Gespräch zu führen, um sicherzustellen, daß auch alle Parteien und alle Parteibereiche diese Entschließungen hier im Hohen Haus mittragen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kukacka. )

Meine Damen und Herren! Das hat nichts mit Anbiederung zu tun, denn wenn hier, Herr Abgeordneter Kukacka, von seiten der ÖVP so widersprüchliches politisches Verhalten an den Tag gelegt wird, dann ist es notwendig, das aufzuzeigen, und es ist insbesondere notwendig, vorzusorgen, daß so etwas nicht wieder passiert. Und deshalb bin ich froh, daß wir zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag der Abgeordneten Oberhaidinger, Kopf, Schweitzer, Barmüller, Kier und Anschober gefunden haben, der sich an jenen Antrag anlehnt, der bereits am 5. Februar 1995 gefaßt wurde und noch einmal die Position des österreichischen Nationalrates bekräftigt. Und ich bitte, daß diese Position auch innerhalb der Parteien – jetzt nicht nur hier im Klub, sondern auch wirklich innerhalb der Parteien – weitergetragen wird, damit in Zukunft Mißverständnisse ausgeschlossen sind.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Karlheinz Kopf, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Thomas Barmüller, Dr. Volker Kier und Rudolf Anschober betreffend Reform des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Eingedenk der Entschließung des Nationalrats vom 9. Februar 1995 wird die österreichische Bundesregierung bekräftigend ersucht, ihre Bemühungen im Sinne der Politik für ein kernenergiefreies Mitteleuropa zu intensivieren und insbesondere sich zu bemühen, die Zielsetzungen von EURATOM dahin gehend zu ändern, daß die Förderung der Kernenergie unterbleibt."

*****

Meine Damen und Herren! Es ist dies jene Position, die hier bereits am 9. Februar 1995 von allen Fraktionen eingenommen wurde. Ich freue mich, daß wir als Ergebnis dieser Diskussion diese gemeinsame Entschließung präsentieren können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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17.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Mag. Barmüller vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort hat sich nunmehr noch Abgeordneter Ing. Nußbaumer gemeldet. – Herr Abgeordneter, 5 Minuten Redezeit. Das ist der Rest der Blockredezeit für Ihren Klub.

17.11

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Den Bundeskanzler sehe ich im Moment nicht! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Schwarzenberger: Der Herr Staatssekretär ist hier!) Entschuldigen Sie vielmals, Herr Staatssekretär. (Abg. Dr. Khol: Ist er kurzsichtig geworden in Europa?) Ich habe gerade die Brille gewechselt, ja. Ich mußte die Brille wechseln, weil die Fakten so klar sind, daß ich nicht bis dort hinauf sehen muß. (Abg. Dr. Khol: Bei Kästle waren sie nicht so klar!)

Die Fakten sind klar. Die Abgeordneten der ÖVP haben gegen eine Einstellung der Förderung der Kernenergie gestimmt, und das hat in Europa genauso wie hier in Österreich Irritationen über die österreichische Haltung zur Atompolitik hervorgerufen. (Abg. Dr. Khol: Wundert Sie das, Herr Kollege?) Da hilft weder die Argumentation der Frau Rauch-Kallat – es tut mir leid! – noch jene des Kollegen Kopf. Lieber Karlheinz, so ist es eben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Bericht war klar. Die Abstimmung war klar: ein Verfahren der Zustimmung. Die Formulierung des Berichtes war klar, aber die Lobby in Brüssel und Straßburg hat gewirkt, und der Fraktionszwang hat bei der ÖVP funktioniert.

Wie es zugeht, das habe ich fast zwei Jahre lang miterlebt. Man unter liegt oder man er liegt, wenn man keine eigene Überzeugung in diesem Europäischen Parlament hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Problem liegt daher tiefer, meine Damen und Herren. Der Kanzler hat gesagt, die Atompolitik sei nicht geändert. Wenn sie nicht geändert ist, dann ist sie aber nicht klar und gefestigt genug. Dazu möchte ich einige Beispiele anführen.

Der slowakische Präsident Ková% nahm an einer Anhörung im Europäischen Parlament teil. Niemand von den Koalitionsparteien hat ihn befragt. Er hat aber auf meine Anfrage hin festgehalten, daß Bohunice gebraucht werde, daher nicht stillgelegt werden könne, und Mohovce weitergebaut werde.

Da hat die österreichische Politik versagt, vor allem deshalb, weil man den Slowaken nicht ganz klar gesagt hat, daß sie nur dann eine Zustimmung von Österreich zu einer Aufnahme in die Europäische Union bekommen, wenn sie Mohovce nicht weiterbauen und Bohunice schrittweise geschlossen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gerade der Vorsitzende des Ausschusses für die Beziehungen der Europäischen Union zur Slowakei, der österreichische Sozialist Bösch, unternimmt alles, damit keine Atombedingungen an die Slowakei gestellt werden.

Das zweite Beispiel ist das Assoziierungsabkommen. Die Koalitionsabgeordneten haben diesem Assoziierungsabkommen zugestimmt und haben mich aufgrund meiner Ablehnung im Ausschuß fast gesteinigt, weil ich eben gesagt habe: Das ist ein Faustpfand Österreichs bei der Zustimmung zu einem Eintritt der Slowakei in die Europäische Union. Doch die Regierungskoalition beziehungsweise die Abgeordneten, die im Europäischen Parlament für die Regierungskoalition tätig waren, haben kläglich versagt.

Also weder SPÖ noch ÖVP haben eine klare Vorstellung von ihrer Atompolitik, wie eben in allen anderen Bereichen auch, ob dies die Wirtschaftspolitik, die Landwirtschaftspolitik oder die Technologiepolitik ist. Als Beispiel sei eben auch die Atompolitik genannt, die nicht klar und durchgängig ist. Und diese fehlende Strategie der Regierungspolitik, meine Damen und Herren, die fehlende Klarheit dieser Politik – sowohl der Innen- als auch der Außenpolitik – und die fehlende Entscheidungskraft der Führungsgarnitur sind das eigentlich Betrübliche dieser österreichischen Regierungspolitik und dieser heutigen Dringlichen Anfrage. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe die Debatte. – Bitte, die Plätze einzunehmen!


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Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Oberhaidinger, Kopf, Mag. Schweitzer, Mag. Barmüller sowie Anschober und Genossen betreffend Reform des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM).

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen worden. (E 30.)

9. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 322/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz BGBl. Nr. 58/1957, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 906/1993, und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, BGBl. Nr. 50, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 314/1994, geändert werden (494 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zur Behandlung des Punktes 9 der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Rosenstingl das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

17.18

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch das heute vorliegende Postgesetz ist wieder eine der unkoordinierten Maßnahmen der Regierungskoalition. Im Frühjahr wurde die Post ausgegliedert, der Börsengang beschlossen – wieder einmal ohne klare Rahmenbedingungen zu haben. Wie konzeptlos hier die Bundesregierung vorgegangen ist, zeigen deutlich die widersprüchlichen Aussagen der letzten Wochen zum Börsengang der Post.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen ein Zitat aus einer Anfragebeantwortung vom 4. November 1996 vorlesen, in dem Bundesminister Klima zum Börsengang der Post meinte:

"Wie mir berichtet wird, ist die Börseneinführung der PTA, die gemäß § 1 Abs. 2 des Poststrukturgesetzes bis zum 31. Dezember 1999 zu erfolgen hat, aus derzeitiger Sicht erreichbar, wenn für die dafür notwendigen Marktbedingungen, zum Beispiel entsprechende Börsensituation für die Aufnahme eines größeren Aktienpaketes, ausreichendes Interesse besteht."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundesminister Klima hat hier klar festgestellt, daß er meint, der Börsengang der Post sei erreichbar. Dagegen könnte nur eines sprechen, nämlich wenn im Jahr 1999 bei der Börse irgendeine Situation einträte, daß eben nicht genügend Interesse bestünde.

Es ist daher umso erstaunlicher, wenn am 26. November 1996 der Postfinanzvorstand Johannes Ditz meinte, es sei nicht sicher, ob der – von ihm selbst mitbeschlossene – Börsengang im Jahr 1999 geschafft werden kann.

Das sind widersprüchliche Aussagen. Ich glaube, daß entweder der Herr Bundesfinanzminister zu wenig über die Situation bei der Post informiert ist oder ein grenzenloser Optimist ist. Ich nehme an, daß der jetzige Postvorstand Ditz wissen müßte, wie die Situation bei der Post ausschaut. Er hat es zwar mitbeschlossen – auch in Unwissenheit, wie das so üblich ist bei der Regierungskoalition –, daß der Börsengang erfolgen soll. Jetzt hat er sich einmal die Bücher genauer angeschaut – das hat er ja als Politiker nie gemacht – und mußte zur Kenntnis nehmen, daß das Ganze nicht so einfach ist.

Erstaunlich ist auch, daß Ditz dann meint, eine Änderung des Poststrukturgesetzes, das den Börsengang vorschreibt, wolle er nicht anstreben, da er kein Politiker mehr sei.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was heißt denn das? Ist das nicht der Beweis dafür, daß sich Politiker, daß sich diese Regierungskoalition mit den Problemen in Wirklichkeit nicht beschäftigt? Ditz beschäftigt sich erst mit den Problemen der Post, seit er kein Politiker mehr ist. Da kommt er dann drauf, daß da einiges falsch gelaufen ist. Da kommt er drauf, daß da konzeptlos gehandelt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es zeigt das ganz klar und deutlich auf, wie schlecht Sie die Postpolitik angegangen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben Sie darauf hingewiesen, daß diese Probleme entstehen können, weil die Post stark verschuldet ist. Es liegt klar auf der Hand, daß Sie wenig Voraussicht in diesem Bereich hatten. Aber zu Ihrer fehlenden Voraussicht kommt noch, daß Sie auch politische Fragwürdigkeit in einem wirklich großen Maße haben.

Wir haben eine Anfrage zur Post gestellt. In der Anfragebeantwortung Nr. 453 schreibt der Verkehrsminister auf die Frage, welche Postämter in Oberösterreich von dieser Schließung betroffen sind, daß derzeit keine Listen von Postämtern existieren, die aufgrund bereits vorliegender Beschlüsse geschlossen werden sollen.

Umso erstaunlicher ist es dann, daß sehr wohl solche Listen existieren, wonach zumindest Teilschließungen erfolgen sollen. Diese Anfragebeantwortung erfolgte am 13. Mai 1996. Vom 15. Mai 1996 gibt es eine Liste der Direktion Linz, auf der steht: Schließung des Schalterdienstes am Samstag im Postamt Traun, im Postamt Pregarten und im Postamt Enns.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie verantworten Sie diese Politik? Wie verantwortet das der Herr Bundesminister vor den Abgeordneten, daß er unvollständige Auskünfte gibt?

Ein weiterer Beweis für Ihre Fragwürdigkeit ist aber der dauernde Hinweis des Herrn Bundesministers, daß er sich ja in der Post nicht mehr einmischen dürfe, daß die Post ein eigenes Unternehmen sei und er daher nichts mehr machen könne.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, insbesondere die Sozialdemokraten: Wenn das so ist, dann sagen Sie es auch Ihren Kollegen, damit sich diese bei der Post nicht einmischen, denn das gilt auch für den Personalbereich.

Ich bin sehr erstaunt darüber, daß ich hier ein Schreiben vom 17. Juli 1996 in der Hand halte, und zwar von Herrn Karl Stix, meines Wissens Landeshauptmann des Burgenlandes, der an Herrn Gerhard Martinek in der Generaldirektion der Post AG schreibt:

Lieber Gerhard! Nach unserem heutigen Telefongespräch darf ich Dich im Auftrag des Herrn Landeshauptmannes höflich ersuchen, bei der Vergabe der neu einzurichtenden Postservicestelle in Oslip Frau ... – den Namen gebe ich hier nicht bekannt – zu berücksichtigen. (Abg. Haigermoser: Aha! ) Unsere Freunde in Oslip haben uns gebeten, für Frau ... bei Dir zu intervenieren. Für eine entsprechende Nachricht zum gegebenen Zeitpunkt wäre ich Dir sehr dankbar.

Herr Vorsitzender des Verkehrsausschusses! Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihren Kollegen mitteilten, so etwas zu unterlassen. Aber vielleicht weiß es der Herr Landeshauptmann Stix nicht, da er nicht im Parlament sitzt, vielleicht weiß er gar nicht, daß die Post ausgegliedert ist.

Aber der Herr Vorsitzende des Verkehrsausschusses könnte in einer Fraktionssitzung hergehen und sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Post ist nicht mehr ein Staatsbetrieb in diesem Sinne wie früher, sie ist ausgegliedert worden. (Zwischenruf des Abg. Grabner. ) Der Minister sagt immer, er mischt sich da nicht mehr ein. Mischt euch daher hier auch nicht ein.

Aufpassen, Herr Kollege Parnigoni! Ihre Kollegin, Frau Annemarie Reitsamer, Abgeordnete zum Nationalrat (Abg. Haigermoser: Wer war das?) , schreibt an Herrn Dr. Sindelka:

Sehr geehrter Herr Generaldirektor! Lieber Genosse Sindelka! Wie letzte Woche im Parlament besprochen, darf ich Dir beiliegende Unterlagen in der Angelegenheit Franz Egersdorfer über


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mitteln und Dich bitten, die Angelegenheit einer Überprüfung zu unterziehen und nach Möglichkeit einer positiven Erledigung zuzuführen. (Abg. Grabner: Was machst du mit den Finanzämtern? Du versuchst, deinen Beruf auszuüben mit deinem Abgeordnetenmandat! Das kann ich nachweisen!)

Herr Kollege! Ich mische mich zum Unterschied von den Sozialdemokraten in ausgegliederte Betriebe nicht ein. Ich will nur Informationen über diese Betriebe, weil sie noch immer zu 100 Prozent im Eigentum des Staates sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die vorliegende Novelle eine übereilte Novelle ist. Sie haben das neue Postgesetz noch nicht vorgelegt. Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt die Tarifhoheit so schnell auszugliedern. Der einzige Grund ist politische Feigheit. Sie wollen die drohenden Postgebührenerhöhungen nicht mehr verantworten. Sie kommen aber nicht aus der Verantwortung, denn Sie haben die verfehlte Postpolitik betrieben. Sie sind schuld an einem neuen Belastungspaket und an den Tariferhöhungen bei der Post! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.26

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Hohes Haus! Darf ich dem Kollegen Rosenstingl – entschuldigen Sie meine Stimme, ich kann nichts dafür ... (Abg. Haigermoser: Gestern beim Herrn Präsidenten habe ich deine Stimme schon gehört!) Wahrscheinlich habe ich mich ein wenig zu überanstrengt, gar keine Frage. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Kollege Rosenstingl! Damit wir auf diesen Vorwurf der Intervention antworten. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Hören Sie mir einmal zu, lassen Sie mich ausreden!

Ich kann Ihnen durchaus sagen, daß ich jede Menge Interventionen mache und mich bemühe, jeden, der zu mir kommt, bei der Jobsuche zu unterstützen. Für mich ist das nicht nur ein politisches Spiel, sondern ein Anliegen. Ich sage Ihnen, Kollege Rosenstingl, da interveniere ich bei Gott und der Welt, damit ich jemandem eine Chance eröffne, auch beim Genossen Sindelka. Sie können sagen, was Sie wollen: Wenn es nützt und wenn er die Qualifikation erbringt, dann wird er drankommen, und damit hat sich die Geschichte. (Abg. Mag. Stadler: Da schauen Sie schon nach, welches Parteibüchel er hat!) Ja, das tun Sie vielleicht, aber ich nicht.

Herr Kollege Stadler! Ich bin seit 13 Jahren Abgeordneter, Sie können in meinem Wahlkreis fragen, wen Sie wollen: Sie werden hören, daß jeder zu mir kommen kann, und ich versuche, jedem zu helfen. Zu dieser Funktion und zu dieser Aufgabe als Abgeordneter bekenne ich mich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Ich schicke Ihnen einen Freiheitlichen vorbei!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einen kurzen Blick auf die Entwicklung im Bereich des Postgesetzes machen. Ich glaube, wir haben mit dem Gesetz über die Errichtung der Post- und Telekom AG einen wichtigen Schritt gesetzt, um die Post zu einem selbständigen Unternehmen zu machen, auf das die Rechte und die Pflichten der Post- und Telegraphenverwaltung übertragen worden sind. Dabei ist auch klar festgestellt worden, daß die Post AG nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen ist. Wir haben klar festgehalten, daß die Börseneinführung zum 31. Dezember 1999, Herr Kollege Rosenstingl, erfolgen soll. Jetzt haben wir 1996, es sind also noch drei Jahre Zeit, um hier die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, und ich bin überzeugt davon, daß die Postler das auch tun werden.

Wir haben das Unternehmen mit einer eigenständigen Geschäftsführung ausgestattet, und wir haben auch sichergestellt, daß es eine klare Trennung zwischen den Betriebssparten gibt.

Wir haben in der Folge mit der Fernmeldegesetznovelle die Trennung zwischen Unternehmensfunktion und Behördenfunktion im Telekombereich rechtlich festgelegt, und mit diesem Post


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gesetz, das heute in Verhandlung steht und worüber wir diskutieren, wird nun ein weiterer Schritt gesetzt. Auch im Bereich der "gelben Post" wird die Trennung der Behördenfunktion und der Unternehmensfunktion mit der Schaffung der Postbehörde im Bereich des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst sichergestellt. Damit ziehen wir mit dem Telekombereich gleich und erfüllen die notwendigen Voraussetzungen.

Dieses Postgesetz ermöglicht der PTA, die Eröffnungsbilanz und die notwendigen Bilanzvorschauen zu erstellen, und – Kollege Rosenstingl, Sie haben das auch angesprochen – es wird auch sichergestellt, daß die PTA in einem weitgehend liberalisierten Markt die notwendigen Wettbewerbsbedingungen vorfindet, ihre Chancen bekommt. Die notwendige Flexibilität und Handlungsfähigkeit sind gegeben. Ein effizientes Agieren der Post zum Vorteil der Postbenützer ist damit sichergestellt.

Meine Damen und Herren! Ich verhehle nicht, daß ein zweiter Schritt erforderlich ist. Wir haben noch die Frage der Universaldienste zu lösen. Da gibt es auch im Bereich der Europäische Union noch ganz massive Diskussionen über die genaue Definition darüber, und uns stellt sich die heikle Frage: Wie gehen wir mit den Gebühren im Bereich des Zeitungsversandes um? – Wir wissen 8 000 Zeitungstitel gibt es, das geht quer durch, von den normalen Zeitungen hin bis zur letzten Kulturzeitschrift oder Zeitschrift von irgendeinem Verein oder einer Organisation, und hier ist ein gordischer Knoten zu zerschlagen und eine Lösung zu suchen: Einerseits muß die Vielfalt dieser Zeitschriften sichergestellt werden, müssen diese Organisationen die Möglichkeit haben, auch in Zukunft ihre Meinungsäußerungen darzustellen. Zum zweiten muß sichergestellt sein, daß die Post natürlich die Kosten ihrer Dienstleistungen entsprechend abgegolten bekommt, und zum dritten ist natürlich auch klar, daß die Budgetschonung im Bereich der gemeinwirtschaftlichen Leistungen etwa für diesen Bereich auch im Auge behalten werden muß.

Tatsache ist für mich, daß natürlich die Post AG nicht Subventionsgeber sein kann, allerdings die Dienste so effizient wie möglich erbringen wird müssen. Ich weiß, mein Kollege Kukacka wird dann kommen, wird den Vorwurf erheben, wir hätten diese beiden Schritte gleich in einem erledigen sollen. Ich möchte darauf hinweisen: Diese Gesetzesvorlage ist im August in Begutachtung gegangen ... (Abg. Mag. Firlinger: Vorher gleich ein gescheites Poststrukturgesetz machen!)

Ich sage ja, wir hätten das schon machen sollen. Dieses Gesetz war bis in den Oktober in Begutachtung, die letzten Stellungnahmen sind Ende Oktober hereingekommen, und ich glaube, es ist eine Verpflichtung, daß wir alle Stellungnahmen, die diesbezüglich gekommen sind, ernsthaft bearbeiten, uns das sehr genau anschauen, auf alle Überlegungen eingehen, und dazu benötigt es eine gewisse Zeit.

Ich glaube daher – wir haben hier eine Entschließung vorliegen, die wir annehmen werden, so nehme ich doch an –, daß der Bundesminister im zweiten Schritt bis März 1997 das Postgesetz vorlegt, mit dem wir unter anderem auch diese beiden Fragen enderledigen werden.

Für die Sozialdemokraten ist es das Ziel, die Post als ein Unternehmen zu erhalten, und ich verwahre mich auch bei dieser Rede gegen die Zerschlagungstendenzen, die die einen oder anderen hegen. Ich glaube, daß die Post, daß die 60 000 Postler das Recht haben, daß wir hinter ihnen stehen, denn da geht es auch um Menschenschicksale, da geht es um Einzelschicksale. Uns geht es nicht sosehr darum, daß irgend jemand auf der Börse Spekulationsgewinne macht, sondern uns geht es in erster Linie um die 60 000 Postlerinnen und Postlern. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Es geht uns darüber hinaus, meine Damen und Herren, auch darum, daß es in allen Regionen – in allen Regionen, auch in den tiefsten Regionen etwa des Waldviertels – eine Versorgung mit Postdienstleistungen – auch im Finanzbereich, wie ich gestern schon gesagt habe, etwa bei der Postsparkasse – gibt und diese auch sichergestellt sind. Ich bin davon überzeugt, daß mit diesem Postgesetz ein richtiger Schritt gesetzt worden ist, und daher werden wir diesem Gesetz auch die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.34

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Parnigoni! Solange Interventionsbriefe, wie einer hier verlesen worden ist – ich nehme an, er ist vollständig zitiert worden, es dürften keine Qualitätsangaben bezüglich der betroffenen Person mit dabeigewesen sein –, eine solche Selbstverständlichkeit sind, meine ich, daß etwas insgesamt in der Struktur nicht stimmen kann, denn auch Sie wissen, daß solche Briefe selbstverständlich nicht dazu dienen, im Rahmen der Gleichqualifizierten etwas zu erreichen, sondern in der Regel ist es immer eine Bevorzugung, die da angeregt wird. Das ist etwas, was ich – ich sage es jetzt einmal so – als "gelernter Österreicher" schon mitbekommen habe. (Abg. Parnigoni: Das haben Sie falsch gelernt!) Nein, das ist nicht falsch gelernt, sondern das ist das, was einem in Österreich immer wieder begegnet, das ist auch etwas, was so viele in unserem Land verärgert. (Abg. Parnigoni: Das stimmt nicht! Informieren Sie sich doch einmal!)

Herr Abgeordneter Parnigoni! Ich weiß, daß es von Ihrer Seite nicht zugegeben werden wird, das ist auch nicht möglich. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Aber schauen Sie, es sind ja auch immer diese Halbheiten. Sie kommen auch hier herunter und sagen: Wir wissen schon, es ist ein erster Schritt, den wir machen, wir müssen noch einen zweiten machen. – Faktum ist, es bleiben immer Bereiche offen, wo solches möglich ist, und das ist etwas, was die Liberalen einfach nicht haben wollen.

Wir meinen daher, daß auch mit dieser Novelle, die hier zur Diskussion steht, die Fortsetzung einer illiberalen Politik im Bereich des Postwesens gemacht wird, und wir werden dieser illiberalen Politik nicht unsere Zustimmung geben.

Ein Punkt, meine Damen und Herren, sei noch herausgegriffen, und es sei besonders deshalb auf ihn hingewiesen, weil wir meinen, daß die Tarife genau wegen jener Strukturmängel, Herr Abgeordneter Parnigoni, die ich vorhin angesprochen habe, von seiten der Politik nicht einfach aus der Hand gegeben werden dürfen, weil damit die Frage verbunden ist, inwieweit es gerade bei unabhängigen Gruppierungen, gerade bei Zeitungen, dazu kommen kann, es ihnen zu erschweren, sich zu äußern.

Das ist etwas, was wir nicht haben wollen, und wir meinen, daß man hier auch von politischer Seite her ein Auge darauf haben muß, weil letztlich politische Einflußnahmen nach wie vor nicht ausgeschlossen sind.

Was den Entschließungsantrag angeht, der mit diesem Bericht abgestimmt werden wird, so kann ich sagen, wir werden ihm ebenfalls nicht die Zustimmung geben, und zwar deshalb, weil es ein Entschließungsantrag ist, der quasi eingesteht, daß das, was jetzt gemacht worden ist, unvollkommen ist und daß man überhaupt keine inhaltlichen Vorgaben macht, wie der zweite Schritt oder dieses Postgesetz dann aussehen sollen, obwohl es möglich gewesen wäre, das auch im Vorfeld zwischen den Fraktionen ein wenig abzuklären.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, gibt es von unserer Seite weder zur Vorlage noch zum Entschließungsantrag die Zustimmung. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte, Herr Abgeordneter. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

17.37

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte einleitend noch einmal betonen, um welche Punkte es denn eigentlich bei dieser Novelle des Postgesetzes geht.


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Es geht erstens einmal, so wie es die EU-Richtlinie vorschreibt, um die Trennung der hoheitlichen und der postbetrieblichen Agenden.

Es geht zweitens um die Schaffung von privatrechtlichen Rechtsverhältnissen zwischen den Kunden der Post und Telekom Aktiengesellschaft und der Post selbst, damit es eben nun einmal zur Gleichstellung mit anderen privaten Betrieben kommt, so insbesondere in Streitfällen vor ordentlichen Gerichten.

Es kommt drittens zu einer Tarif- und Entgeltfreiheit für die Post, die sie nun braucht, weil sie eben keine Behörde mehr ist, sondern ein eigenständiges marktwirtschaftliches Unternehmen.

Und es kommt viertens zum Verzicht des Nationalrates auf die Tarifhoheit bei der Post.

Aber ausgenommen davon sind die Universaldienste, also das, was man innerhalb der EU als persönlich adressierten Brief versteht, weil es auch in Zukunft eine generelle Versorgungspflicht der Post geben wird, und ausgenommen sind auch die Posttarife für den Zeitungsversand. Das gilt sowohl für die Kaufzeitungen als auch für Mitteilungs- und Informationsblätter etwa gemeinnütziger Vereine und Organisationen.

Das ist richtig so. Dazu bekennen wir uns auch. Das haben wir als Volkspartei auch von Anfang an gesagt: Wenn es zu einem solchen Initiativantrag kommt, dann muß das ausgeklammert werden, denn wir sind der Meinung, daß dieses Problem sozial verträglich behandelt werden muß und daß es zu einer Tarifgestaltung kommen muß, die auch in Zukunft diesen gemeinnützigen Vereinen eine entsprechende Tätigkeit ermöglicht. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

So war es. Kollege Parnigoni weiß das natürlich ganz genau, aber ansonsten möchte ich dem Herrn Minister gar keinen Vorwurf machen. Du regst mich direkt an, du bringst mich auf solche Ideen, ich hätte das von mir aus überhaupt nicht vorgehabt, aber du weißt, wir sind immer gerne bereit, dem Herrn Verkehrsminister aus der Verlegenheit zu helfen, wenn dies notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Der Verkehrsminister ist so fleißig, daß das eigentlich nie notwendig ist!)

Meine Damen und Herren! Nun zu einigen Ausführungen. Mit dem neuen Postgesetz, das jetzt mit diesem Initiativantrag kommen wird, ist sozusagen einmal eine Startrampe gelegt – Ende März kommt dann das gesamte Gesetz –- und wird ein wichtiges Element der Postreform weitergeführt. Aber das ist natürlich noch nicht alles: Wir wissen, daß viele Probleme der Post und der Postliberalisierung noch vor uns stehen.

Damit aber eines auch ganz klargestellt ist, Herr Kollege Rosenstingl: Es steht im Gesetz, bis zum 31. Dezember 1999 hat eine Börseneinführung zu erfolgen. Und wenn hier steht "hat", heißt das, daß selbstverständlich nur der Gesetzgeber diesen Termin ändern kann und niemand sonst – kein Vorstand und kein Aufsichtsrat, sondern ausschließlich der Gesetzgeber. (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. ) Und deshalb ist für uns klar, daß sich die Organe der Post und Telekom AG auch an diese festgesetzte Frist halten müssen – und, davon bin ich überzeugt, auch halten werden.

Natürlich wissen wir, daß die relativ hohe Verschuldung der Post ein Problem bei dieser Ausgliederung und bei dieser Privatisierung ist. Wir wissen auch, daß sich der Herr Finanzminister in den letzten Jahren und Jahrzehnten, möchte ich schon fast sagen, ein bißchen zu großzügig bei den Telefongebühren für die Budgetsanierung bedient hat, aber es ist auch kein Zweifel, daß die Konstruktion, die jetzt mit dieser Post und Telekom Beteiligungsgesellschaft gefunden wurde, eine gute und eine sinnvolle ist, und ich bin überzeugt davon, daß das Postmanagement aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben sehr wohl in der Lage sein wird, auch diese Schuldenfrage der Post zu lösen. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital bei der österreichischen Post noch immer deutlich besser ist als bei vielen anderen europäischen Postgesellschaften.

Natürlich wissen wir auch, daß das Unternehmen Post eine im internationalen Vergleich relativ geringe Produktivität hat und daß es sicherlich notwendig sein wird, zu rationalisieren, die


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Produktivität zu erhöhen. Selbstverständlich heißt das auch, daß es in den nächsten Jahren möglicherweise zu – wie der Herr Generaldirektor der Post selbst festgestellt hat – Personalabbau kommen muß, aber wir sind natürlich der Meinung, daß das sozial verträglich geschehen muß, daß das so geschehen muß, daß keine sozialen Härten für die einzelnen Mitarbeiter auftreten. Aber jedenfalls hat die Post in den letzten Jahren bereits rund 3 500 Mitarbeiter abgebaut, sie ist grundsätzlich auf dem richtigen Weg.

Aber das Problem muß ernstgenommen werden, weil wir doch auch alle wissen, daß die Post als Monopolunternehmen auch nie darauf angewiesen war, sich entsprechend an Produktivitäts- und Rationalisierungskriterien zu orientieren. Es ist viel Zeit verstrichen, und es muß rasch einiges auf diesem Sektor geschehen.

Wir erwarten jedenfalls, daß der Post klare Ziele vorgegeben werden – klare Kundenorientierung, klares Kostenbewußtsein, klare und eindeutige Rationalisierungen und Umstrukturierungen – und daß auch bald ein entsprechendes Privatisierungskonzept vorgelegt wird. Das Gesetz verlangt ja, daß es zumindest für die Gewinn- und Verlustrechnung entsprechende Teilbilanzen geben muß – also Teilbilanzen in den Bereichen "gelbe Post", Telekom-Sektor und Busdienste – und daß in Zukunft Quersubventionen zwischen diesen Bereichen verboten sein werden. Genau in diesem Sinn – das ist ja das, was wir seit vielen Jahren gefordert haben – sind auch entsprechende Strukturreformen und unternehmenspolitische Entscheidungen zu treffen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, daß ich das nicht so sehe wie Kollege Parnigoni, der gemeint hat, das müsse alles so bleiben: ein großes Gesamtunternehmen österreichische Post. – Nein, so sehe ich das nicht, und man darf auch nicht gleich wieder von Zerschlagung reden, sondern im Gegenteil: Man muß von der Zukunftssicherung der Post reden, und man muß sich überlegen, unter welchen Voraussetzungen denn diese österreichische Post Zukunft hat. Da soll man nicht sagen: Da darf nichts angerührt werden, und was immer verändert wird, ist eine Zerschlagung. – Das ist sicher ganz falsch! Wenn wir diesen Weg weitergehen, werden wir dort enden, wo viele Betriebe der verstaatlichten Industrie geendet haben. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne möchte ich insbesondere darauf hinweisen, daß der Erfolg der deutschen Telekom-Privatisierung zeigt, wohin auch in Österreich der Weg gehen muß, und daß wir hier stark ins Hintertreffen geraten sind. Wir brauchen also gerade auf dem Telekom-Sektor einen entsprechenden Aufholungsprozeß, der allerdings bisher nicht erkennbar ist, weil der Herr Verkehrsminister zögert. Etwa dürften Betreiber von alternativen Netzen – ich denke hier zum Beispiel auch an die Österreichischen Bundesbahnen, denen er nicht so fern steht, oder andere Energieversorger – laut EU-Richtlinien seit 1. Juli dieses Jahres der Post Konkurrenz machen. Die Umsetzung dieser Richtlinie ist bereits von der EU eingemahnt worden, aber es gibt noch keine entsprechenden Genehmigungen durch den Herrn Verkehrsminister, auch keine Ausnahmegenehmigungen.

Das heißt, es muß rascher und schneller gehandelt werden, Handlungsbedarf auch für den Verkehrsminister ist gegeben. Die Zeit drängt! Tun wir also alles und tun wir es gemeinsam, damit uns die internationale Telekom-Entwicklung nicht ins Abseits drängt! Handeln wir rasch, und handeln wir so, daß es zum Nutzen der österreichischen Post ist, aber auch zum Nutzen der österreichischen Wirtschaft und zum Nutzten der österreichischen Postkunden! (Beifall bei der ÖVP.)

17.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anschober. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Selbstgewünschte Redezeit: 8 Minuten.

17.47

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Langthaler: Servas die Madln, servas die Buam!) – Frau Kollegin Langthaler kann diese Ergänzung der Anrede im Heinz-Conrads-Stil selbstverständlich nachher bei ihren eigenen Reden anwenden. Ich werde mich dem enthalten, denn dies ist ein zu ernstes Thema.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich zunächst einmal ein Satz nur – ich werde mich insgesamt kurz halten – zur Novelle: Ich halte das für einen durchaus akzeptablen Teilschritt, der in die richtige Richtung geht, der aber nicht das ersetzen kann, was mir da zunehmend auffällt, wenn ich die Reden des Kollegen Kukacka und des Kollegen Parnigoni höre. Da gibt es ein Einvernehmen zwischen diesen beiden Koalitionsteilen, nämlich daß rasch etwas geschehen muß und daß man rasch agieren müsse. Aber in diesem Bereich ist es ganz offensichtlich, daß es in völlig entgegengesetzte Richtungen geht, was die beiden Fraktionen der Regierungskoalition hier anstreben.

Ich weiß nicht und bezweifle sehr, ob es im Sinne der Post ist, daß man seitens der Regierung möglichst rasch mit möglichst hohem Tempo und möglichst hohem Energieaufwand in die entgegengesetzte Richtung steuert. Ich glaube nicht, daß dies eine günstige Lösung ist, die da absehbar ist. Was richtig ist, ist ein kleiner, durchaus interessanter Teilschritt, der heute fixiert wird, aber das Gesamtkonzept, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht absehbar, liegt nicht auf dem Tisch und ist offensichtlich in dieser Regierung nicht realisierbar, weil man grundsätzlich unterschiedliche Positionierungen und Vorstellungen hat. (Abg. Mag. Firlinger: Kein Turbo!)

Einen Turbo gibt es schon, Kollege Firlinger! Einen Turbo gibt es schon, aber der Turbo fährt offensichtlich in einem Auto, das in zwei Richtungen unterwegs ist, in völlig unterschiedliche Richtungen, und so kann zumindest kein Konzept realisiert werden, das im Sinn der Post und deren Angestellten und im Sinne der Wettbewerbschancen dieses Gesamtunternehmens ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier nichts gehört, ich habe auch im Ausschuß nichts gehört, ich habe vom zuständigen Minister nichts gehört, wie diese Existenzabsicherung und dieses Gesamtkonzept für die 60 000 Postlerinnen und Postler aussehen soll.

Ich habe nichts darüber gehört, wie die Regionalsicherung aussehen soll, denn das ist ja auch eine Funktion der Post im ländlichen Raum, und es ist wichtig, daß die Infrastruktur gesichert ist. Mit einer Zerschlagung, wie sie hier vom Kollegen Kukacka angeregt wurde – Entschuldigung, daß ich das Wort "Zerschlagung" verwende, aber es geht in die Richtung, und man soll die Dinge auch beim Namen nennen –, ist diese Regionalsicherung gestorben, das muß man auch ganz klar sagen, weil sich diese Regionalsicherung dann nicht mehr rechnet.

Drittens: Mir fehlt das Gesamtkonzept, was die Absicherung der gesellschaftlichen Aufgaben betrifft. Wir haben, Herr Kollege Kukacka, offensichtlich eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung der Realität, was beispielsweise die Absicherung der kleinen Zeitungen und ihrer Zeitungstarife betrifft. Wenn Sie uns hier und heute erklären, daß die ÖVP die erste Kraft war, die sich in die Bresche geworfen hat, um die gestützten Tarife für Vereinszeitungen, Kulturzeitungen et cetera abzusichern, dann möchte ich mir lieber jeglichen Kommentar sparen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Sie wissen, Herr Kollege Kukacka, daß das Gegenteil der Fall gewesen ist. Wenn Sie Ihre Ankündigungen in Richtung Privatisierung, in Richtung Zerschlagung konsequent durchdenken, dann muß es ja die konsequente Fortentwicklung sein, daß Subventionstarife keinen Platz mehr haben.

Es fehlt das Gesamtkonzept, und das, was Sie hier machen, ist im wesentlichen ein Flickwerk. Ich bin froh darüber, daß Sie diese 6 000 Blätter zunächst einmal sicherstellen, denn wir alle wissen, was es für den kleinen Verein, für die kleine Kulturinitiative bedeuten würde, wenn plötzlich der Versandtarif für ihr Medium ein Vielfaches ausmachen würde. Ich hoffe, daß es niemanden in diesem Haus gibt, der in diese Vielfalt eingreifen würde und sie nicht absichern möchte.

Aber es ist dadurch, daß dieses Gesamtkonzept fehlt, eine Reihe von weiteren Aufgaben nicht geklärt – nicht nur die Sondertarife. Das zeigt auch der Streit um die Ortsgebühren in letzter Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren! Und es zeigt auch, wie wenig man – da, muß ich sagen, hat Kollege Rosenstingl durchaus recht, wenn er die Briefe zitiert – die Ausgliederung verstanden und den Sinn einer Ausgliederung begriffen hat, wenn hier nach wie vor die parteipolitische Interventionitis realisiert wird. Das paßt nicht zusammen! – Entweder so oder so!


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist schon klar, daß eine Fortentwicklung in ein modernes, zukunftsträchtiges Gesamtunternehmen ein steiniger Weg ist – keine Frage. Aber dieser steinige Weg kann nicht so sein, daß es in der Regierung zwei verschiedene Konzepte, zwei verschiedenen Intentionen gibt.

Ich wäre sehr dafür und appelliere in diese Richtung, daß man grundsätzlich einmal seitens der beiden Regierungsparteien die Vorstellungen auf den Tisch legt, daß man dann versucht, sich sehr rasch zu einigen – da hat auch der Bundesminister Erklärungsbedarf, denn er ist derzeit im Umsetzen der Konzeptionen auch nicht der Schnellste –, und daß man nach diesem wichtigen ersten Teilschritt, der heute – im übrigen mit grüner Stimme, weil ich ihn für einen richtigen Teilschritt halte – beschlossen wird, sehr, sehr rasch eine intensive öffentliche Diskussion führt über die Gesamtkonzeption in Richtung Bewahrung der Grundsubstanz des Unternehmens, in Richtung Bewahrung der Regionalversorgung des Unternehmens, auch in Richtung Bewahrung der Arbeitsplätze, die noch in einem hohen Maß vorhanden sind, und in Richtung Bewahrung der gesellschaftlichen Aufgaben bei gleichzeitiger Modernisierung und gleichzeitiger Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt.

Das wäre die eigentliche Aufgabe, und das müßte die eigentliche öffentliche Debatte im Augenblick sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als vorläufig letzter Redner dazu gemeldet ist Herr Abgeordneter Wallner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.54

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Debattenbeiträge zu diesem Postgesetz Revue passieren lassen darf und an die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kukacka denke, der sich Sorgen darüber macht, daß die Post eventuell den Weg gehen könnte, den viele verstaatlichte Betriebe gegangen sind, dann kann ich dazu nur sagen: Was den erfolgreichen Weg vieler verstaatlichter Betriebe betrifft, so kann ich mir diesen für die Post nur wünschen. Denken Sie an die VOEST ALPINE Stahl AG, denken Sie an Böhler-Uddeholm, denken Sie an die VOEST ALPINE Technologie und andere erfolgreiche Unternehmen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Die sind ausgegliedert und privatisiert worden!)

Da gebe ich Ihnen schon recht, aber eines, Herr Kukacka, wissen wir auch, und das macht uns Sozialdemokraten natürlich Sorge: Das hat einen sehr hohen Preis gehabt. (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege! Wenn man gewisse Betriebe vor zehn Jahren privatisiert hätte, hätten wir uns das gesamte Maßnahmenpaket ersparen können! Die Ära Kreisky hat uns in den Ruin getrieben mit dieser nicht erfolgten Privatisierung! Das muß einmal gesagt werden!) Da bin ich ja gespannt, was jetzt die Freiheitlichen sagen werden, wenn Sie die Ära Kreisky angreifen – aber das nur nebenbei. (Beifall bei der SPÖ.) Sie reagieren noch nicht. So ganz hat sich diese Ära Kreisky doch nicht fixiert. Das scheint eher vordergründige Polemik zu sein. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen nur noch einmal meine Sorge am Beispiel Donawitz darlegen, Herr Klubobmann Khol! (Abg. Dr. Khol: Was ist mit den Hunderten Milliarden, die wir für die Verstaatlichte zahlen?) Ich bitte Sie um einen Moment der Aufmerksamkeit, ich habe Ihnen auch zugehört. (Abg. Dr. Khol: Ich höre Ihnen gerne zu!) Wir hatten seinerzeit 7 000 Beschäftigte in Donawitz, und jetzt sind es nur mehr 2 000. Das ist unsere Sorge, die wir auch bei diesem Börsengang der Post sehen. (Abg. Ing. Reichhold: Wieso gehen Sie nicht auf die Vorwürfe des Herrn Khol ein?) Das ist, glaube ich, aus sozialdemokratischer Sicht und aus Arbeitnehmersicht legitim und richtig, und wir werden nicht müde werden, diesen Weg weiterhin zu verfolgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu Ihnen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Herr Verkehrssprecher Rosenstingl! Viel ist Ihnen nicht eingefallen. Wenn Sie irgend jemand haben, der Ihnen Briefe in Kopie zusendet, dann mag das schon so sein, Sie können sie auch hier vorlesen, aber ich bin überzeugt davon, daß Sie, wo Sie die Möglichkeit dazu haben, auch intervenieren werden, vielleicht


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sogar, Herr Haigermoser, das eine oder andere Mal bei Herrn Veit Schalle von der Firma Billa. Vielleicht gibt es den einen oder anderen, den du in deinem Betrieb abbauen mußt, den man vielleicht bei Billa unterbringen könnte. Sie werden vielleicht auch zum Telefonhörer greifen oder ein Fax an Herrn Prinzhorn schicken.

Meine Damen und Herren! Wenn es den Freiheitlichen um ihre persönlichen Interessen geht, dann sind ihnen sogar die Sozialdemokraten gleich. Da gibt es einige Beispiele, die ich Ihnen nennen könnte, wo auch an uns Interventionen herangetragen werden. Da geht es um günstige ehemalige Werkshäuser, billige Miete, billige Preise in nobler Gegend. Da versucht man über prominente Vertreter der Sozialdemokratie zu intervenieren, damit man vielleicht bei der Vergabe erfolgreich ist. (Abg. Ing. Reichhold: Nennen Sie Namen, nennen Sie Beispiele!)

Oder ein Beispiel für die Bauern: Ein langjähriger verdienter Bauernvertreter der Freiheitlichen Partei stürmte vor einiger Zeit mein Büro und sagte: Ich brauche rumänische Jagdgäste, denn wer würde sonst in meinen Stall gehen. (Abg. Ing. Reichhold: Sagen Sie das!)

Meine Damen und Herren! Das sind Dinge, die ich Ihnen sagen muß. Ich kann sie jederzeit belegen, auch namentlich, lieber Herr Reichhold!

Ganz kurz zurück zum eigentlichen Zweck dieses Postgesetzes. (Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine kollektive Anschüttung!) Geh, Herr Reichhold! (Abg. Ing. Reichhold: Nennen Sie doch Beispiele, lieber Freund!) Gerade Sie als ehemaliger Generalsekretär, der Sie mit dem Kübel aufgewachsen sind, brauchen mir das in diesem Haus nicht vorzuwerfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Post – ich möchte kurz die positiven Seiten herausstreichen – kundenfreundlicher wird. Bisher mußte ein Kunde den offiziellen Weg gehen und eine Ungereimtheit mit der Behörde Post austragen. Nun werden die offiziellen Gerichte dafür zur Verfügung stehen, und ich meine, daß das ein richtiger Weg ist, daß sich sowohl die Post als auch die Kunden auf derselben Ebene bewegen werden. Die Post wird also konsumentenfreundlicher sein.

Zum Schluß: Ich bin froh, daß dieser Vorschlag weiterhin ein Zusammenwirken der "gelben Post" und des Telekom-Bereiches vorsehen wird, denn ich glaube, eine Trennung würde eine Schwächung der Post bedeuten. Eine Schwächung bedeutet den Wegfall der Vorteile der Liberalisierung, lieber Kollege Kukacka, und das bedeutet wieder eine Senkung der Wettbewerbsfähigkeit.

Daher sage ich Ihnen klar und deutlich: Das wollen wir Sozialdemokraten nicht, und das werden wir auch in Zukunft bei der neuen Gesetzesbeschlußfassung vehement einbringen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 494 der Beilagen abstimmen.

Wer dafür stimmt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung zustimmt, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen worden.


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Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 494 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer für diese Entschließung ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen worden. (E 31.)

10. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 274/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend die organisatorische Neugestaltung des Bahninfrastrukturausbaues (495 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht gewünscht.

Wir gehen sofort in die Debatte ein.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Rosenstingl das Wort, der sich zu einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten bereitgefunden hat. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.01

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß die Regierungskoalition nicht erkennt, daß es im Bereich der Bahninfrastruktur Investitionen und auch im Bereich der Bahninfrastrukturgesellschaften Veränderungen geben muß. Früher war immer das Argument, für die zwei Gesellschaften beziehungsweise für den Baubereich der ÖBB habe der Minister keine Zuständigkeit, das sei alleine die Zuständigkeit der Unternehmen.

Dieses Argument gilt nicht mehr, die Situation hat sich geändert. Der Minister ist zuständig für den Baubereich und nicht mehr die Unternehmen. Die Unternehmen haben keine Entscheidungsgewalt über Infrastrukturinvestitionen. Daher haben wir nun die Situation zweier Bahninfrastrukturgesellschaften und den Infrastrukturunternehmensbereich der ÖBB. Alle drei Bereiche sind abhängig vom Minister.

Herr Bundesminister Scholten hat bei seinem Amtsantritt gemeint, es bestehe Handlungsbedarf. Er hat selbst in Frage gestellt, ob die drei Infrastrukturgesellschaften richtig seien. Das war seinerzeit eine richtige Anmerkung, nun muß man aber zur Kenntnis nehmen, daß Bundesminister Scholten glaubt, er könne durch personale Einheit eine Lösung herbeiführen. Das ist aber der falsche Weg. Bei der Finanzierungsgesellschaft ist Brenner Geschäftsführer, er soll nun auch Geschäftsführer bei der HL-AG werden, und er wird es wahrscheinlich auch werden. Ich glaube, das ist der falsche Weg.

Die Finanzierungsgesellschaft ist zuständig für alle Bahnbauten, das liegt auf der Hand und ist ganz klar – auch für die privaten Bahnbauten. Wenn Brenner sowohl bei der Finanzierungsgesellschaft als auch bei der HL-AG Chef ist, dann ist das ein Wettbewerbsvorteil für die HL-AG und ein Nachteil für die Privaten, und dagegen sprechen wir uns aus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, daß eine Zusammenlegung weiterhin sinnvoll wäre, es ist aber auch festzuhalten, daß die Studie über die Prioritätenreihung aufklärungsbedürftig ist. Der Herr Bundesminister hat uns in seiner Anfragebeantwortung 824/AB bekanntgegeben, daß es diese Studie gibt, und er hat auch bekanntgegeben, daß er gemeinsam mit den ÖBB die Studie in Auftrag gegeben hat. Im Verkehrsausschuß hat er sich geweigert, diese Studie vorzulegen, weil er gesagt hat, das sei keine Studie des Verkehrsministeriums. Das war eine Unwahrheit, weil diese Studie in seinem Auftrag erfolgt ist. Er selbst hat das in der Anfragebeantwortung 824/AB festgestellt.

Ich fordere daher den Herrn Bundesminister auf, diese Studie vorzulegen, weil in dieser Studie, wie mir zu Ohren gekommen ist, drinstehen soll, daß all die Lieblingsprojekte der Sozialdemo


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kraten gar nicht so wichtig seien wie andere Projekte, und darum soll sie jetzt ÖBB-intern verändert werden.

Ich möchte das wiederholen: Ich fordere den Herrn Bundesminister auf, dem Hohen Haus diese Studie zur Verfügung zu stellen, damit man ein klares Bild über die Investitionsprojekte bekommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend kurz zum Semmering-Basistunnel: Es ist höchste Zeit, daß hier ein Schlußstrich gezogen wird. Verkehrspolitisch ist dieser Tunnel nicht notwendig. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. ) Die prognostizierten Zuwächse treffen nicht ein, niemand, der sich ernsthaft mit dieser Angelegenheit beschäftigt, wird die seinerzeitigen Entscheidungsgrundlagen überhaupt noch ernst nehmen. Wir haben Zeit in diesem Bereich, wir haben soviel Zeit, daß die Südostspange gebaut werden kann. Der Semmering-Basistunnel hat keine Priorität. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Semmering-Basistunnel ist ein Grab für viele Steuermilliarden. Dieses Projekt ist aus Umweltgründen bedenklich. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Prognosen des Baubetreibers nicht eingetroffen sind: Der Wassereinbruch hat alles widerlegt, die Tunnelgegner haben das prophezeit, und sie haben recht behalten.

Genau die Quelle, Herr Kollege, wurde angezapft, vor der gewarnt wurde. Die HL-AG hat das ausgeschlossen – jetzt tritt das Wasser genau durch diese Quelle ein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, es geht nicht um technische Probleme, es geht um den Wasserhaushalt, es geht um unser Trinkwasser. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. ) Herr Kollege Seidinger! Sie haben gar keinen Grund zu lachen, weil ich war wirklich erschrocken über Ihre Aussage, man könne Schwierigeres bauen.

Ich darf Ihnen eines auf Ihrem Weg noch mitgeben: Es geht hier nicht um Schwierigkeiten beim Bau, es geht nicht darum, ob es technisch möglich ist, sondern es geht um die Umwelt. Und die Umwelt ist für uns immer vorrangig, meine sehr geehrten Damen und Herren, und nicht Ihre Monsterbauten! (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. ) Wenn Sie noch eine Spur von Verantwortung haben, dann machen Sie Schluß mit diesem Projekt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Seidinger. Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

18.06

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Herr Rosenstingl! Wenn Sie mich falsch zitieren, dann muß ich Ihnen darauf erwidern: Ich habe nicht von dem gesprochen, worüber Sie gesprochen haben, sondern ich sage nur zwei Dinge, bevor es um die Infrastruktur geht, mit der sich mein Kollege Sigl beschäftigen wird: Sie hätten soviel Zeit finden können, wenn Sie Herrn Brenner zitieren: Das ist der Herr Dipl.-Ing. Walter Brenner. Und ob er dann in beiden Funktionen nicht Synergie-Effekte bringen wird, das ist eine zweite Sache.

Es geht um eine Prioritätenliste, wie Sie gemeint haben, die der Herr Minister noch unter Verschluß hält, aber eines hat er im letzten Verkehrsausschuß sehr deutlich gesagt, nämlich daß gerade der Semmering-Tunnel in dieser Prioritätenliste ziemlich weit oben steht. Was Sie immer wieder bestreiten, ist, daß die Zuwächse, die die PROGNOS-Studie ergeben und prognostiziert hat, nicht stimmten. Da muß ich Sie eines anderen belehren. Es gibt sicher jedwede andere Statistik, die auch das Gegenteil behaupten kann. Sie wissen, welche Statistiken und welche Prognosen man ablegen kann.

Zur Quelle: Ich kenne das Gebiet sehr gut, ich wohne dort. Die Wallersbachquelle Edlach ist ein Problemfeld. Warum baut man einen Sondierungsstollen? – Damit man sondiert und schaut, wie die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse dort sind. Aber eines ist dort hinzugekom


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men: Von Mürzzuschlag aus in Richtung Semmering baut man den Sondierungsstollen bergab. Das heißt, der Vortrieb ist bei 2 300 Meter 28 Meter tiefer als das Tunnel-Portal. Hätte man von der anderen Seite angefangen, würde das ganz anders ausschauen. Wir sehen jedenfalls, der Semmering ist ein "Dauerbrenner" geworden, egal, ob auf der Straße oder auf der Schiene. Ich glaube, wir sollten mehr über Fakten reden. Wir sollten das Ganze seriöser diskutieren. Wir sollten nicht immer nur mit Ferndiagnosen arbeiten. Ich kenne viele hier in diesem Saal, die noch nie einen Tunnel von innen gesehen haben, aber sie reden davon. Ich glaube, das ist nicht das Richtige. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch etwas sagen: Es gibt in der letzten Zeit so viele Resolutionen, eine davon an Finanzminister Klima für die Errichtung des Semmering-Straßentunnels. Und gegen eine Junktimierung dieses Projekts mit dem Semmering-Basistunnel sprachen sich die "Initiative zum Bau des Semmering-Straßentunnels" und einige Abgeordnete aus. Es gibt eine Kundgebung vor dem Finanzministerium. Am nächsten Tag steht im "Kurier": Nicht die angekündigten 50, sondern nur etwa 20 Demonstranten aus der Semmeringregion zogen Dienstag vormittag mit den Abgeordneten Sowieso vor das Finanzminsterium. Die Kundgebungsteilnehmer forderten den raschen Bau des Semmering-Straßentunnels und wandten sich gegen die Junktimierung dieses Projekts mit dem Semmering-Basistunnel.

Dann hat Minister Klima darauf geantwortet, daß er sowohl von der Sinnhaftigkeit des Straßen- als auch des Bahntunnels überzeugt ist.

Oder: nächste Meldung heute im "Kurier". Da ist ein Herr Fally, der von einer Milliardenfalle redet. Ich weiß nicht, wie oft Herr Dkfm. Fally schon in diese Falle hineingetappt ist, daß ihm manche falsche Zahlen liefern. Aber was fordert er? – Eine neue Südosttrasse und die Sanierung der bestehenden Strecke, denn er sagt, das wäre billiger und sinnvoller. Er kennt also wirklich all die Studien nicht, die beweisen, daß das nicht sinnvoll ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Nennen Sie eine Studie!) Es gibt Studien, die sich damit beschäftigen, ob man die Ghega-Strecke in der jetzigen Form in kleiner Form, in einer maßvollen Art ... (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Haben Sie schon etwas von Knoflacher gehört? – Abg. Mag. Schweitzer: Nennen Sie eine Studie!) Alles, was mit PROGNOS und diesem dicken Band zusammenhängt: Dort wird zitiert, Sie brauchen es nur nachzulesen. (Abg. Mag. Schweitzer: Habe ich ja!) Schauen Sie, so viel Zeit habe ich wirklich nicht. Außerdem haben wir es Ihnen schon x-mal erzählt. Sie wollen es eben nicht begreifen. Das ist der ganze Unsinn dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

Dort steht auch drinnen, der Umbau der jetzigen Strecke würde letztendlich teurer kommen als der Neubau der Strecke. Vor allem würde sie – was Sie immer wieder so fordern – aufhören, ein technisches Kulturdenkmal Europas zu sein, denn sie könnte nicht mehr bestehen.

Lassen Sie mich zum Abschluß noch zwei Dinge sagen, bevor ich auf die interne Barwertrechnung der ÖBB zum Semmering-Tunnel eingehe. Wenn man sich die Zahlen vor Augen führt – und bei den ÖBB dürfen Sie ja nicht meinen, daß da Illusionisten am Werk sind – und auf 40 Jahre hochrechnet, ist man beim Szenario null, das heißt, es passiert nichts, außer daß Investitionen getätigt werden, die notwendig sind.

Reinvestitionen und die Erhaltung kommen auf 5 800 Millionen Schilling. – Szenario null. Baut man den Basistunnelteil aus, dann kommt man auf 7 600 Millionen Schilling. Die Mehrkosten betragen in Summe also 1 874 Millionen Schilling. Wenn Sie jetzt die Betriebsführungseinsparung abziehen im Szenario drei bis null, also bei konstanter Leistung, können Sie sogar weitere 2 000 Millionen Schilling abrechnen. Die Gesamteinsparung würde, berechnet auf Basis einer jährlichen Preissteigerung von 3 Prozent und einer Kapitalverzinsung von 7 Prozent, 232 Millionen Schilling ausmachen. – Das, bitte, ist auch eine Rechnung, die aufgestellt wird.

Zum Schluß: Man kann als umweltbewußter Grüner oder was immer man ist, nicht immer fordern, daß der Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert wird, wenn man dann im Gegenzug die Straße forciert.

Jetzt sage ich Ihnen etwas zum Teilstück Gloggnitz – Mürzzuschlag. Straße: 22 Kilometer, Basistunnel der Bahn ebenfalls 22 Kilometer. Tunnelanteil bei der Straße: 38 Prozent, bei der


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Bahn 97 Prozent. Streckenverkürzung gegenüber dem jetzigen Zustand bei der Straße 15 Prozent, bei der Bahn 41 Prozent. Baukosten inklusive der schon getätigten Vorarbeiten: 6 Milliarden Schilling auf Basis der Preise von 1995 bei der Straße und 6,5 Milliarden Schilling bei der Bahn.

Der bleibende Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet Rax/Schneeberg läßt sich nicht wegdiskutieren, aber noch etwas: Erdbewegungen bei der Straße: 4 Millionen Kubikmeter bei Einschnitten, 3,5 Millionen bei Dämmen. Ich rede jetzt gar nicht vom Talübergang und von allen anderen Dingen, die notwendig sind.

Meine Schlußfolgerung aus dem Ganzen: Auch wenn Sie immer wieder davon reden, wir sollten die Südostspange bauen, oder in Anfragen wissen wollen, warum wir denn überhaupt noch einen Tunnel brauchen, da der ganze Transitverkehr sowieso bald durch Slowenien und Ungarn an uns vorbeirollen wird, dann muß ich Ihnen als Antwort geben: So kann es nicht sein. Wir brauchen sowohl als auch: Wir brauchen die Straße, wir brauchen die Schiene, und wir werden beides nicht junktimieren lassen. Vor allem werden wir es uns als hinter dem Semmering liegende Bundesländer nicht gefallen lassen, daß man sagt, ihr bekommt entweder das eine oder das andere, während Wien, Niederösterreich, Oberösterreich alles verlangen und fordern können. Wir werden auch unseren gerechten Anteil einfordern, und wir glauben, daß das Resümee nur sein kann: Wir brauchen die Arbeit in unserem Gebiet. Deshalb heißt es für diese beiden Projekte: bauen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist der Abgeordnete Anschober. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.15

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Seidinger, ich werde dann gleich auf einige Argumente zu sprechen kommen, denn ich glaube, in einigen Bereichen sind wir ja durchaus einer Meinung, auch quer durch die Fraktionen. Es gibt da durchaus ein paar Positionen, die ich dann herauszuarbeiten versuchen möchte, die vom Großteil der Fraktionen getragen werden.

Aber zunächst einmal zur Infrastruktur selbst. Ich glaube, daß es insgesamt in Österreich in den letzten Jahren und Jahrzehnten eines der wesentlichsten Probleme war, daß die verschiedenen Infrastrukturbereiche auseinanderdividiert, zerteilt wurden, weswegen in manchen Bereichen eine Infrastrukturpolitik gemacht wurde, bei der es etwa zwischen Bahn und Straße und auch mit anderen Verkehrsträgern keine Koordinierung gab. (Abg. Edler: Jawohl!) Dazu haben wir seit drei Jahren die Erarbeitung des Bundes-Verkehrswegeplanes. Ich hoffe sehr darauf, daß dieser tatsächlich im kommenden Frühling vorliegt und daß dann tatsächlich nach diesen verkehrspolitischen Leitlinien auch die Infrastrukturpolitik der Zukunft realisiert wird. – Das ist der erste Punkt.

Im Gegensatz zu Herrn Kollegen Rosenstingl stoße ich mich an den Ernennungen, die absehbar sind, nämlich der bereits getätigten Ernennung von Herrn Brenner und der von mir persönlich erwarteten Berufung in den HL-AG-Vorstand, die die gleiche Person betrifft, nicht. Das kann, wenn die Kontrolle stimmt – das ist Voraussetzung bei all diesen Maßnahmen –, durchaus auch positive Synergieeffekte haben. Ich trete insgesamt aber – das muß ich mit aller Deutlichkeit sagen – sehr wohl für eine Vereinheitlichung in diesem Bereich ein. Ich glaube nicht, daß Österreich sehr viel davon hat, daß wir eine Aufblähung von verschiedensten Infrastruktureinrichtungen haben. Da meine ich jetzt vor allem die Straße, wenn wir uns anschauen, wie viele Sondergesellschaften wir in diesem Bereich hatten und welche Tendenz – auch auf Anraten des Rechnungshofes – nach den diversen Skandalen, die sich abzeichnen, notwendig ist.

Aber nun zu dem, was offensichtlich Gegenstand und Zentrum der Debatte werden wird. Da möchte ich einmal beim Kollegen Seidinger beginnen, bei seiner Argumentationslinie bezüglich der S 6. Ich muß sagen, das Land Niederösterreich macht es sich, was die S 6 und die Bewertung des Semmering-Basistunnels betrifft, schon sehr einfach, und ich würde jenen Bewertern recht geben, die meinen, daß da durchaus ein Schuß Unehrlichkeit dabei ist.


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Etwa Naturschutzgenehmigungen für ein reines Tunnelprojekt nicht zu geben, darüber kann man diskutieren, das ist jetzt nicht mein Thema, aber gleichzeitig für ein großteils oberirdisches Straßenbauprojekt ohne mit einer Wimper zu zucken die gleichen naturschutzrechtlichen Genehmigungen zu erteilen, das ist eine unehrliche Politik, das ist seitens des Landeshauptmannes von Niederösterreich eine Verkehrspolitik, die absolut nicht umweltorientiert ist. Das muß man auch klar feststellen. (Beifall bei den Grünen.)

Sich als der Umweltengel aufzuspielen, der meint, wenn eine Quelle austritt, hätte der liebe Gott mit dem Fingerzeig Natur gewunken, andererseits aber eine naturschutzrechtliche, eine naturschutzpolitische und eine verkehrspolitische Diskussion über die Auswirkungen der S 6 abzuwürgen, ist nicht ehrlich. – So viel dazu.

Ich glaube, daß diese 4,7 Milliarden Schilling für die S 6 absolut einsparbar sind. Ich glaube, daß hier ein Gesamtkonzept auf den Tisch gehört. Ich halte nichts von Parallelinfrastrukturinvestitionen. Ich glaube, daß wir das in den verschiedensten Bereichen haben – Kollege Wabl, ich denke etwa an die Pyhrn Autobahn mit der Pyhrnbahn daneben –, daß es aber um eindeutige verkehrspolitische Prioritätensetzungen gehen muß. Deswegen bin ich sehr gespannt darauf, welche Urteile der Bundesverkehrswegeplan auf den Tisch legt, und ich glaube, daß man nach diesen langwierigen dreijährigen Untersuchungen in Richtung koordinierter Verkehrspolitik entscheiden sollte.

Zweiter Punkt – das ist jetzt der kritische Aspekt in Richtung des Kollegen Seidinger –: Ich halte es auch nicht für seriös, muß ich ganz ehrlich sagen, wenn hier mit Gutachten – das tut nicht nur eure Seite, sondern das passiert insgesamt in der Debatte – herumgeworfen wird, wobei das tatsächliche Gutachten nicht auf den Tisch gelegt wird; Stichwort: das neue Kosten-Nutzen-Gutachten, die verkehrspolitische Bewertung, die wirtschaftliche Bewertung des Semmering-Basistunnels. Ich würde mir erwarten, daß das sauber auf den Tisch gelegt wird, damit jedes Mitglied des Verkehrsausschusses, sobald ein derartiges Gutachten da ist, dieses in die Hand bekommt. Vielleicht sind für mich zum Beispiel neue Aspekte darin enthalten. Das möchte ich mir ja anschauen, aber einfach so ins Blaue eine Geschichte aus zwei Tageszeitungen und aus drei Ministersätzen zu glauben, das ist zuviel verlangt. Ein derartiges Gutachten gehört in den nächsten Verkehrsausschuß. Dort gehört es diskutiert und bewertet, und dann schauen wir uns an, was wirklich dran ist.

Ein unverdächtiger Gutachtenproduzent ist allerdings ein Interessenpol, sprich ÖBB, nicht. Das muß ich auch sagen. Der Pol der Unabhängigkeit, der Hort der Unabhängigkeit sind die ÖBB im Bereich Semmering-Basistunnel nicht. Das ist etwa so, als würde ich eine Baufirma oder eine Sondergesellschaft, die sich im Straßenbau engagiert, ein Gutachten über die Notwendigkeit irgendeines Straßenstückes erstellen lassen. Also ich würde mir wirtschaftspolitische und verkehrspolitische Bewertungen tatsächlich von unabhängiger Stelle wünschen und nicht von einer durchaus befangenen. Ich will ja niemandem etwas unterstellen, aber da ist ein Interessenkonflikt gegeben.

Jetzt zum Semmering-Tunnel selbst. Ich glaube, daß es dem Hohen Haus hier gar nicht so sehr um einen Glaubenskrieg gehen darf, ob jetzt dieser Tunnel notwendig ist oder nicht. Ich glaube, daß dieses Haus zunächst einmal im Sinne des Steuerzahlers dafür sorgen muß, daß es einen möglichst effizienten Umgang mit Steuergeld gibt. Diesbezüglich sind wir ja bei der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses schon um einiges weitergekommen. Ich habe in der Zwischenzeit mit ein paar Aufsichtsräten geredet, und diese Meinung wird durchaus geteilt. Ich könnte mir deswegen vorstellen, daß es da eigentlich grundsätzlich einen breiten Konsens gibt.

Das Problemfeld, das wir derzeit haben, ist, daß es, wie Kollege Seidinger richtig gesagt hat, einen Sondierstollen gibt, und damit soll ja nichts anderes geschehen, als einmal die Geologie zu erkunden. Das ist seriös, das ist ein sauberes Vorgehen bei einem derartigen Projekt. (Abg. Ing. Reichhold: Kostenpunkt!) Sicher, Kostenpunkt – aber, Kollege, was wäre die Alternative? – Die Alternative wäre, entweder grundsätzlich auf das Bauprojekt zu verzichten (Abg. Ing. Reichhold: Südostspange!) – die Regierung hat aber anders entschieden – oder völlig ins


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Blaue hinein mit dem Haupttunnel zu beginnen. Das wäre doch verantwortungslos: Mit dem Bau zu beginnen, obwohl wir nicht wissen, wie die Geologie aussieht.

Daß die Prognosen nicht wirklich halten, zeigt sich ja, weil die Überdeckung in diesem Bereich sehr, sehr hoch ist: bis zu 600 Meter im Kammbereich, dort haben wir die problematischste Zone, aber insgesamt ist sie noch höher. Ins Blaue hineinzubauen – das wäre verantwortungslos! Das wäre absolut verantwortungslos!

Deswegen halte ich das bisherige Vorgehen mit dem Sondierstollen für richtig, aber dieser darf grundsätzlich noch nichts präjudizieren, sondern endgültige Entscheidungen sind dann zu treffen, wenn auf dem Tisch liegt, wie die Geologie dieses Berges tatsächlich aussieht, wenn dadurch auf dem Tisch liegt, wie hoch der tatsächliche Kostenrahmen ist, und wenn auf dem Tisch liegt, wie dann die Finanzierungsmodalitäten, die Errichtungszeiträume et cetera aussehen. – Das wäre ein seriöses Vorgehen.

Die Geschichte der letzten Wochen und Monate hat uns ja gezeigt, daß hier große Überraschungen auf alle warten. Da gibt es geologische Patentexperten wie jene, die auch von der HL-AG in diesem Bereich eingesetzt wurden, und diese haben sich, was den ersten Wassereinbruch, die 350-Liter-Sache vom 26. Oktober, betrifft, zumindest um das Fünffache getäuscht. Die Prognosen lagen bei bis zu 70 Litern. Das heißt, hier warten große Überraschungen auf uns. Deswegen haben wir ja den Sondierstollen realisiert.

Die große Unbekannte ist: Hat nun die Porr AG als bauausführendes Unternehmen bereits den größten Problembereich durchschritten und kann es nach einer Fortsetzung des Vorantriebes beim Sondierstollen weitergehen, oder treten jene Befürchtungen ein, die besagen, daß im Bereich der größten Überdeckungen, im Kammbereich – 600 Meter, prognostizierte schwere Störzonen –, der Wassereintritt noch bedeutend stärker wird? (Abg. Seidinger: Hinauf bohren!) Kollege Seidinger, absolut richtig, es ist auch eine Frage der Baurichtung, aber das ist derzeit politische Realität. Das müßt ihr euch in der Regierung ausmachen, das können Sie jetzt nicht mir vorwerfen. Natürlich ist es mit dem Wasser leichter, wenn ich bergab baue, aber die derzeitige politisch erzwungene Situation ist eben eine andere.

Tritt die Befürchtung von manchen Personen in der HL-AG und von manchen Bautechnikern ein, daß es bis zu 700 Liter Wassereinbruch im Bereich des Kammgebietes geben wird, dann stellt sich bei diesem Aufwärtsbau, bei diesem Bauen gegen das Wasser durchaus auch die Frage der technischen Machbarkeit. Dann stellt sich die Frage eines völlig anderen Kostenfaktors und eines völlig anderen Zeithorizonts.

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt es abzuwarten. Es ist nur schwer prognostizierbar, wann wir diese Situation in rund zwei bis zweieinhalb Kilometern erreichen werden. Mein Vorschlag wäre – ich glaube, das ist das einzig seriöse Vorgehen; diese Meinung wird durchaus von vielen Aufsichtsräten der HL-AG geteilt, ebenso von etlichen Verkehrsexperten und Bauexperten –, daß man zumindest garantiert, daß dieser Bereich der schwersten geologischen Probleme abgewartet wird – das wird rund zwei Jahre dauern –, ehe man eine endgültige Entscheidung über Finanzierungsmodelle trifft (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Scholten ) , denn meine Frage, Herr Minister, ist: Wie kann man im ersten Quartal 1997 tatsächlich Konkretisierungen treffen, wenn man die Detailinformationen über den tatsächlichen Kosten- und Zeitfaktor noch nicht wirklich auf dem Tisch hat? Das ist ein Problemfeld.

Zweitens wird man sich natürlich – abhängig von der Frage: Wie schaut die tatsächliche Kostensituation in der Realität des Haupttunnels dann aus? – auch noch einmal die Frage der Realisierung des Hauptunnels – ja oder nein? – stellen müssen. Ich halte das für eine legitime Frage. Denn es geht um öffentliche Gelder, es geht um Investitionen, die enorme Beträge binden, die wir in anderen Bahninfrastruktur-Ausbaubereichen absolut und dringend brauchen würden.

Das ist die Frage, und deswegen bringen wir heute hier zwei Anträge ein, die ich Ihnen kurz vortragen möchte. Der erste


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Antrag lautet:

Antrag

der Abgeordneten Rudolf Anschober, Freundinnen und Freunde betreffend Entscheidung über einen allfälligen Bau des Hauptstollens des Semmering-Basistunnels

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst wird aufgefordert, eine Entscheidung über einen allfälligen Bau des Hauptstollens des Semmering-Basistunnels erst nach Vorlage sämtlicher notwendigen geologischen Erkenntnisse, die durch den Bau des Sondierstollens gewonnen werden können, zu treffen."

*****

Das ist der erste Antrag.

Ich muß beim Präsidium um Entschuldigung bitten. Der Antrag wird sofort eingereicht. Es hat uns zuerst noch eine Unterschrift gefehlt.

Der zweite Antrag lautet:

Antrag

der Abgeordneten Rudolf Anschober, Freundinnen und Freunde betreffend Verschiebung der Interessentensuche für den privaten Finanzierungsanteil des Semmering-Basistunnels

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst wird aufgefordert, die für das erste Quartal 1997 geplante Interessentensuche für den privaten Finanzierungsanteil des Semmering-Basistunnels so lange aufzuschieben, bis auf Basis sämtlicher notwendigen geologischen Erkenntnisse, die durch den Bau des Sondierstollens gewonnen werden können, konkrete Kostenschätzungen für das Gesamtbauwerk erstellt werden können.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte das an und für sich für einen Minimalkonsens, der in diesem Zusammenhang erzielbar wäre. Mich würde interessieren, was der Verkehrsminister zu dieser Frage sagt, ab wann er meint, daß tatsächlich seriöse Aussagen über die Kostenstruktur und über die Details privater und privatwirtschaftlicher Finanzierungsmodelle zu erzielen sind, ob man nicht tatsächlich – wie der Tenor unseres Antrages – den Bereich Kammüberdeckung mit seinen 600 Metern abwarten müßte, bevor man seriöse Aussagen und endgültige Entscheidungen in diesem Zusammenhang trifft, die enorme Ressourcen an Steuerkapital binden.

Das ist Gegenstand unseres Antrages. Ich würde Sie ersuchen, im Sinne eines sorgsamen Umgangs mit Steuergeldern diesem Antrag beizutreten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Anschober! Die beiden von Ihnen erwähnten Anträge sind dem Präsidium nicht überreicht worden. Ich kann daher die geschäftsordnungsmäßige Feststellung nicht treffen und sie im Augenblick nicht in die Verhandlung mit- einbeziehen.

Ich möchte Sie aber ersuchen, in Zukunft bei der Praxis zu bleiben, Anträge, die vom Pult verlesen werden, vorher dem Präsidium vorzulegen, weil ich selbst sonst den Text nicht kontrollieren kann.


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Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Scholten. – Bitte, Herr Minister.

18.29

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte, wenn das Präsidium mir das gestattet, dennoch zu diesem Punkt reden, auch wenn das formell nicht in Behandlung ist.

Vor allem möchte ich mich bei Ihnen dafür bedanken, daß Sie in einer Diskussion, die für mich den großen Nachteil in sich birgt, daß sie, ob man jetzt für oder gegen dieses Projekt ist, nicht sachlich ausgetragen wird, sondern ständig in einer Form, die eigentlich jedes sachliche Argument anrennen läßt, heute hier einen ganz anderen Weg eingeschlagen haben. Das halte ich für sehr positiv und das möchte ich nicht verschweigen.

Nun zum Thema selbst. – Ich glaube, daß wir hier im Grunde durchaus auf einem gemeinsamen Boden stehen – mit einer Einschränkung, und ich möchte auch jetzt diesen sachlichen Ton nicht verlassen –: Aus meiner Sicht ist die Entscheidung für den Semmering-Tunnel gefallen, aber es gibt eine Reihe von Dingen, die man vor der Realisierung dieser Entscheidung zu überprüfen hat. Dazu gehört die Finanzierung, dazu gehören geologische Voraussetzungen, logistische Voraussetzungen et cetera.

Wenn wir uns sozusagen im Bereich der Semantik bewegen, sage ich: Die Entscheidung für den Semmering-Tunnel ist gefallen, und ein Teil der Realisierung dieser Entscheidung ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß dieser Tunnel auch konkret gebaut werden kann. Wie gesagt, dazu gehören Geologie, Finanzierung und Logistik et cetera.

Was ist nun am 26. Oktober passiert? Ich will jetzt gar nicht allzusehr ins Detail gehen, weil da immer die Gefahr besteht, daß fachliche Urteile von Geologen irgendwie laienhaft interpretiert werden, und dabei geht immer sehr viel verloren. Ich glaube aber, daß man, ohne irgend etwas zu verdrehen, folgendes feststellen kann: Die Stelle, an der dieser Wassereinbruch erfolgte, ist präzis vorhergesehen worden. Das Ausmaß des eintretenden Wassers aber ist unterschätzt worden. Das kann man aufgrund der Graphiken – die Sie ja auch kennen –, die der ursprünglichen Planung des Sondierstollens zugrunde lagen, feststellen.

Und jetzt geht es um die Bewertung, warum ein viel größerer Wassereinbruch erfolgte, als man ursprünglich angenommen hat.

Da gibt es – aber jetzt überschreite ich diese legitime Grenze und interpretiere sozusagen als Laie geologische Gutachten – die Ausnahme einer sogenannten Wasserglocke, wofür viel spricht, weil dieser immense Wassereinbruch ja auch nur sehr kurz gedauert hat.

In diesem Zusammenhang heißt es auch, daß es seit 70 Jahren nicht so viel geregnet hat wie in den Monaten zuvor, und es gibt strukturelle Erklärungen, wonach die Art des geologischen Vortriebs dieses Sondierstollens technische Reaktionen auslösen würde.

Nun zu bewerten, was tatsächlich die Ursachen dieses Wassereinbruchs sind, nicht des Wassereinbruchs, mit dem man ohnehin gerechnet hat, sondern des erhöhten Wassereinbruchs, und was die logischen oder konsequenten Schritte sind, die man daraus ableiten muß, das halte ich für legitim, und das geschieht auch. Im übrigen – das soll jetzt nicht zynisch klingen – muß es auch geschehen, weil derzeit der Stollen ohnedies voll Wasser ist.

Die Untersuchung der Ursache für den Umfang dieses Wassereinbruchs halte ich also für einen ganz wesentlichen Punkt.

Und jetzt kommt noch etwas, was ich immer wieder erklären muß: Der Stollen wird von oben nach unten gebaut, mit einem – wie ich einmal gesagt habe – negativen Gefälle, negativ aus der Sicht dessen, der von außen nach innen schaut, und daher staut sich das Wasser dort buchstäblich auf.


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Der nächste Punkt ist die Finanzierung, nämlich die Frage: Was geschieht da im 1. Quartal 1997? Im 1. Quartal 1997 schließen wir nicht Kreditverträge ab, sondern private Interessenten melden im Rahmen eines De-facto-Ausschreibungsverfahrens die Konditionen, unter denen sie bereit wären, dieses Projekt oder Teile des Projekts zu finanzieren. Und jetzt muß ich Ihnen ehrlicherweise sagen: Ich sehe keinen Sinn darin, daß man diese Meldungen aufhalten sollte. Wenn ich jetzt hier sagen würde: Ich unterschreibe am 1. Februar für die Republik einen Kreditvertrag über mehrere Milliarden Schilling, zu Konditionen, die ich im Jänner kennenlernen werde, Wurscht, was in der Zwischenzeit passiert, dann würde ich das nicht nur deswegen für kritisierenswert halten, weil es unsinnig wäre im Zeitablauf, wegen des Sondierstollens, sondern weil wir eine Reihe von Dingen zu diesem Zeitpunkt nicht in dem Ausmaß fertig haben können, um einen Kreditvertrag unterschreiben zu können.

Das heißt, im 1. Quartal 1997 bekommen wir de facto die Ausschreibungsergebnisse einer Ausschreibung für Finanzierungsofferte. Deswegen schließen wir noch keine Kreditvereinbarungen ab, aber wir eruieren auf der finanziellen Ebene genau das, was der Sondierstollen geologisch tut.

Der entscheidende Punkt – und das halte ich für eine einfache Entscheidung, obwohl es eine schwierige Frage ist – lautet: Wenn wir die geologischen Erkenntnisse über das Volumen des zusätzlichen Wassereinbruchs haben und wenn diese – ich nehme das jetzt einmal an, aber das ist noch nicht erwiesen – sich tatsächlich auf besondere Faktoren zurückführen lassen und nicht in der Struktur der Geologie liegen, dann sind, wie Sie selber sagen, die nächsten rund 2,5 Kilometer, glaube ich, relativ ungefährliches Gelände. Man hat sich ja, wie gesagt, nicht hinsichtlich der Stelle geirrt, sondern nur hinsichtlich des Volumens, der Prognose des Volumens. Das heißt, die nächsten 2,5 Kilometer sind relativ risikoloses Gelände, und dann stoßen wir wieder auf eine vorhersehbare Risikostelle.

Jetzt ist der entscheidende Punkt – und da kommen dann die Geologie und die Finanzierung zusammen –: Wie teuer sind die Vorkehrungsmaßnahmen, die man treffen muß, um die nächste Risikostelle abzusichern? Ich glaube, es wird mir niemand widersprechen, wenn ich sage, daß die Sicherheit derer, die in diesem Stollen arbeiten, garantiert werden muß. Da kann ich jetzt einmal alles andere vergessen, das muß auf jeden Fall garantiert sein.

Daher: Wie teuer ist die Vorkehrung, die buchstäblich prophylaktische Vorkehrung für die Absicherung der Bergleute, die in diesem Sondierstollen unweigerlich auf diese nächste Risikostelle zugehen?

In aller Kürze: Das ist der Zeitplan. Da jetzt irgend etwas aufzuhalten, hielte ich für absolut sinnlos, weil genau dieser Zeitplan beinhaltet, daß man Schritt für Schritt geologische, finanzielle, logistische, organisatorische Bedingungen erfüllt für eine Entscheidung, die bereits getroffen ist. Insofern bitte ich Sie um Verständnis dafür – ich stimme hier nicht ab, aber wenn ich meine Meinung äußern darf –, daß ich zwar das, was Sie hier gesagt haben, zum allergrößten Teil 1 : 1 unterschreiben kann, es aber für eine falsche Schlußfolgerung halte, zu sagen, wir vereinbaren jetzt den Stopp, weil man das alles abwarten muß.

Das, was uns vermutlich trennt, ist, daß Sie grundsätzlich dem Projekt skeptisch – um es freundlich zu sagen – gegenüberstehen, während ich ihm grundsätzlich positiv gegenüberstehe. Aber das ist jetzt nicht der wesentliche Punkt. Das, was derzeit geschehen muß, ist, Schritt für Schritt genau die Vorkehrungen zu treffen, die eine professionelle, eine ökonomisch effiziente, eine sichere, eine verkehrspolitisch sinnvolle und ökologisch vertretbare Realisierung dieses Tunnels zulassen.

Da kann gar nicht – selbst wenn das jemand wollte; es wäre dumm – der übernächste Schritt vor dem nächsten gesetzt werden. Ich meine, daß man jetzt die Ursachen für diesen Wassereinbruch sehr genau eruieren muß, daß man aber in dem ursprünglichen Zeitplan – spät genug ist es ohnedies – weiter vorangehen kann, weil das bedeutet, keinen Schritt vor der Absicherung des vorherigen gesetzt zu haben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.38


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48. Sitzung / Seite 150

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Barmüller gemeldet. – Bitte.

18.38

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Liberalen werden dem ablehnenden Ausschußbericht zustimmen. Ich möchte zum Entschließungsantrag, um den es im Ausschuß primär gegangen ist, nämlich betreffend die organisatorische Neugestaltung des Bahn-Infrastrukturausbaues, sagen, daß auch wir meinen, daß das notwendig ist. Wir sind aber der Überzeugung, daß der Abgeordnete Rosenstingl, wenn er einen solchen Vorschlag macht und dann von klaren Organisationsstrukturen im Bereich der Bahn-Infrastrukturinvestitionen spricht, die er gerne haben möchte, wenigstens ein paar Kriterien angeben könnte, wie er sich das vorstellt. So aber ist es ein Nullantrag. Man kann zwar heiße Luft drum herum produzieren, aber nicht wirklich über Inhalte reden.

Ich glaube, es sollte ein Mindestmaß an inhaltlicher Bestimmtheit in Zukunft Voraussetzung sein für eine ernsthaftere Behandlung solcher Anträge. – Das zum einen.

Zum Antrag, den der Abgeordnete Anschober schon im Ausschuß eingebracht hat und der sich damit beschäftigt, die Entscheidung über den Bau des Hauptstollens des Semmering-Basistunnels quasi erst nach Vorlage sämtlicher notwendiger geologischer Erkenntnisse zu fällen, ist folgendes zu sagen: Wir stehen dem Semmering-Basistunnel ablehnend gegenüber, weil wir aufgrund dessen, was bisher bekannt ist, klar sagen können, es werden keine neuen Kapazitäten geschaffen. Es ist damit eine extreme Belastung der Umwelt verbunden, Sie haben keine klare Aussage über die Entwicklung im Rahmen des Wasserhaushalts, und es ist auch klar, daß die Ghega-Bahn durch den Semmering-Basistunnel stillgelegt werden wird. Das sind einfach Fakten.

Wir meinen, daß angesichts der Gesamtsituation und insbesondere auch deshalb, weil ja die Finanzierung in keinster Weise sichergestellt ist, der Bau des Semmering-Basistunnels derzeit nicht in Angriff genommen werden sollte. Wir sind gegen dieses Projekt.

Der Herr Abgeordnete Seidinger hat gemeint, es gehe nicht an, daß alle Bundesländer nördlich des Semmerings ihre Infrastrukturmaßnahmen finanziert bekämen, die südlich liegenden Länder aber nichts bekämen.

Meine Damen und Herren! Da muß man schon klar festhalten: Es geht nicht darum, daß hier ein Kuchen verteilt wird, sondern es geht einfach darum, daß Defizite vergrößert werden. Es geht nicht darum, wer aus diesem Defizit sozusagen noch mehr herausschlagen kann, und je nach politischer Stärke wird das Defizit halt von den einen oder anderen extrem vergrößert, sondern Faktum ist – und das ist hier festzuhalten –: Das Geld dafür ist nicht da, und es ist auch überhaupt nicht klar, wie es aufgebracht werden soll. Daher ist es nach unserem Dafürhalten nicht sinnvoll, dem Antrag des Abgeordneten Anschober zuzustimmen. Aus der Ablehnung des grünen Antrages kann aber nicht gefolgert werden, daß wir dem Bau des Semmering-Basistunnels positiv gegenüberstehen.

Aber noch etwas sei festgehalten, weil es hier um die Diskussion gegangen ist, wie denn dieser Stollen gebaut wird: Es ist fahrlässig, es ist grob fahrlässig, in einer Situation, die eine politische Pattstellung bedeutet, da es der Regierung einfach nicht möglich war, mit den Ländern zu koordinieren ... (Bundesminister Dr. Scholten: Mit einem Land nicht!) – Okay, auch mit Niederösterreich, dort gibt es ja sogar einen Landeshauptmann, der zwar nicht Ihrer Partei, aber doch einer Koalitionspartei angehört.

Es ist also meines Erachtens grob fahrlässig, daß hier quasi erhöhte Risken für jene Personen in Kauf genommen werden, die diesen Tunnel bauen, die den Sondierstollen bauen. Mit dem fallenden Vortrieb werden Sie nämlich ein extremes Problem mit dem Wasser haben. Faktum ist auch, meine Damen und Herren, daß der erste Wassereinbruch im vorhinein bereits relativ


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genau lokalisiert werden konnte. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Lassen Sie mich einmal fertigreden, ich habe nicht viel Zeit, ich will es wirklich kurz machen.

Der Wassereinbruch war also relativ klar einzugrenzen, er war aber dreieinhalbmal so stark wie erwartet. Und der nächste Wassereinbruch kommt bestimmt. Das ist auch bei der aktuellen Aussprache im Verkehrsausschuß gesagt worden. Man vermutet wesentlich höhere Kapazitäten und Sekundenflüsse. Da Sie einen fallenden Vortrieb haben, würden, wenn die Wasserblase angestochen wird und sie sich plötzlich oder sehr schnell entleeren würde – das muß man ganz klar sagen –, die Leute, die da drinnen vorne stehen, einfach absaufen. Die werden dort nicht herauskommen.

Sie riskieren Todesopfer durch diese Art des Baues, weil Sie von seiten der Regierung stante pede, nachdem Sie sich mit einem Bundesland noch nicht einigen konnten, sagen: Jetzt muß angefangen werden, wir nehmen dieses erhöhte Risiko für jene Personen, die dort bauen, in Kauf!

Das, meine Damen und Herren, ist fahrlässig, an diesem Vorwurf gibt es überhaupt nichts zu rütteln. Es ist einfach notwendig, das vorher politisch abzuklären, und wenn, dann bauen Sie ihn steigend, aber nicht in die andere Richtung, nur weil Sie stante pede nicht von Ihrem Standpunkt abrücken wollen. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Das, Herr Bundesminister, das, Herr Abgeordneter Parnigoni, ist unsere Meinung, und ich bin gerne bereit, ohne Verbrauch der Redezeit mit Ihnen darüber eine Diskussion zu führen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich dem Abgeordneten Blünegger das Wort erteile, möchte ich festhalten, daß die beiden vom Herrn Abgeordneten Anschober vorgetragenen Entschließungsanträge dem Präsidium mit der ausreichenden Zahl von Unterschriften vorgelegt wurden und damit in die Beratung miteinbezogen werden. Es ist dies der Entschließungsantrag betreffend Verschiebung der Interessentensuche für den privaten Finanzierungsteil des Semmering-Basistunnels sowie der Antrag betreffend Entscheidung über einen allfälligen Bau des Hauptstollens des Semmering-Basistunnels.

Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Blünegger das Wort. – Herr Abgeordneter, Sie haben sich zu einer Redezeitbeschränkung von 4 Minuten verpflichtet.

18.44

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordnete! Es gibt sicher keinen sachlichen Grund, den Eisenbahnbau in Österreich unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu zersplittern. Das haben wir in den Ausschußberatungen gesehen, und das wissen Sie auch genau. Zersplitterung bedeutet neue Skandale, bedeutet Geldverschwendung, und Zersplitterung bedeutet auch, daß sich mehrere Personen mit dem gleichen Thema beschäftigen, und das wollen wir sicher nicht.

Die bestehenden staatlichen Bahn-Infrastrukturunternehmen sollen zusammengeführt und nicht neu gegründet werden. Das war es ja eigentlich, was Abgeordneter Peter Rosenstingl in seinem Antrag vorgeschlagen hat.

Ich frage mich: Warum ist die Koalition in diesem Fall nicht einsichtig, warum fällt sie keine Entscheidungen zum Wohle Österreichs, warum arbeitet sie auf diesem Gebiet nicht mit uns Freiheitlichen zusammen? – Ich sage Ihnen, warum: weil Sie mit uns keine Postenbeschaffungsaktion in Bahnbau-Sondergesellschaften betreiben können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihre Absichten offenbaren sich am Beispiel der Brenner Eisenbahngesellschaft. Werte Damen und Herren Abgeordnete! Glauben Sie wirklich, daß sie notwendig ist und daß der Brenner-Basistunnel verwirklicht wird? (Abg. Dr. Haselsteiner: Ja!) Ich glaube es nicht, denn man hat der Bevölkerung beim Brenner-Basistunnelprojekt eigentlich LKW-Ladungen voll Sand in die


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Augen gestreut, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Sie sagen, die EU finanziert, und deshalb brauchen wir diese Sondergesellschaften. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Kollege Parnigoni, ich kann leider auf deine Zwischenrufe nicht eingehen. Ich habe nur 4 Minuten Zeit, und dafür habe ich ein Konzept, das sicher sinnvoll ist. Wenn du ein bißchen aufpaßt, dann kannst du dir sicherlich etwas davon merken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie wußten schon damals, daß die EU keine Kreditzuschüsse gewährt, keine Förderungen gewährt, sondern maximal 10 Prozent der Gesamtkosten – und das von 175 Milliarden Schilling. Aber selbst diese Marke wird bei der derzeitigen EU-Budgetlage nicht erreicht. Es gibt maximal 4 Prozent, aber nicht für den Brenner-Basistunnel inklusive der Zulaufstrecken, sondern für alle 14 Projekte im transeuropäischen Raum in der EU. Kollege Parnigoni, diese Zahlen mußt du dir merken. (Abg. Parnigoni: Die kenne ich!)

Geschätzte Damen und Herren! Der damalige CSU-Staatssekretär im Bonner Verkehrsministerium, Wolfgang Gröbel, hat 1994 erklärt, das Projekt sei mit privaten Financiers zu verwirklichen. Wer an die Finanzierung der EU glaubt oder an Italien oder Deutschland, der irrt sich gewaltig – er träumt. Er bezeichnete damals dieses Projekt schon als "Flop". – Das hat sich als richtig herausgestellt. – Er würde weder als Regierungsmitglied in Deutschland noch als Privater eine einzige müde Mark lockermachen, um diesen Brenner-Basistunnel von seiner Seite aus zu finanzieren.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, trennen Sie sich von diesen Illusionen! Die Frage nach der Existenzberechtigung der Brenner-Eisenbahngesellschaft beantwortet sich in diesem Zusammenhang von selbst.

Wir verlangen, daß zur Verbesserung der Koordination und aus Gründen der Sparsamkeit die Aufsplitterung der Bauaktivitäten des Bundes beendet wird. Der Herr Bundesminister hat ja bei seinem Amtsantritt angekündigt, daß er das tun wird.

Derzeit wird weiterhin wahllos weitergeplant und bar jeder Vernunft alles in Angriff genommen. Das haben wir ja unter anderem auch bei den heutigen Redebeiträgen gehört.

Ein Beispiel: Die Bahn kostet jeden Österreicher, vom Baby bis zum Greis, jährlich 6 000 S, wobei keine einzige dieser Personen einen Zentimeter gefahren ist. Es wäre noch einiges zu sagen, aber nur noch eines in aller Kürze: Das Geld fließt in ein Konzept, das selbst ÖBB-Generaldirektor Draxler als überholt bezeichnet hat. Draxler sagte weiter, Hochgeschwindigkeit sei kein Thema mehr – doch die Streckenbegradigungen gehen weiter. Sie wurschteln weiter und schubladisieren die Entwicklung Österreichs. Daher werden wir Freiheitlichen diesen Bericht des Verkehrsausschusses nicht zur Kenntnis nehmen, wir lehnen ihn ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist der Abgeordnete Sigl. – Herr Abgeordneter, bitte.

18.48

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Europäische Union hat in der Verkehrspolitik schon längst die Zeichen der Zeit erkannt und deshalb dem Schienenverkehr höchste Priorität eingeräumt. Auch sagte die österreichische Bundesregierung schon vor einiger Zeit ein klares Ja zu einem österreichischen Eisenbahnhochleistungsnetz. So wurde 1989 die Hochleistungsstrecken-AG nicht gegründet, um außerbudgetäre Finanzierungen zu ermöglichen, wie das der Fraktionsführer der Freiheitlichen im Verkehrsausschuß, Abgeordneter Rosenstingl, phantasievoll beschrieben hat, sondern die Gründung der HL-AG wurde aus dem Grund vorgenommen, um Hochleistungsstrecken durch eine Gesellschaft errichten zu können, deren Management von den täglichen Sorgen der Betriebsführung des Eisenbahnverkehrs frei ist.

Aufgabe der HL-AG ist die Planung und der Bau von Hochleistungsstrecken, welche die Bundesregierung angeordnet hat. Offenbar haben das einige wenige noch nicht realisieren


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können. Anders sind mir Presseaussendungen, wie sie der Herr Abgeordnete Rosenstingl vorgestern tätigte, nicht erklärbar.

In dieser Presseaussendung des Herrn Rosenstingl wird der Semmering-Basistunnel verteufelt und gleichzeitig der Ausbau der S 6 gefordert. Dies ist für mich reinster Straßenlobbyismus, wo einige wenige ihre Interessen mit allen Mitteln verteidigen. Dabei verwenden sie fadenscheinige wie auch falsche Argumente, um ihre Interessen zu wahren.

Die Notwendigkeit des Semmering-Basistunnels als Teil eines europäischen Hochleistungsnetzes wurde dabei ganz außer acht gelassen, ebenso die Notwendigkeit einer modernen Semmeringstrecke, um die Erfordernisse der Zeit zu erfüllen: Schienenfahrzeuge neuester Technologie brauchen Streckenführungen auf höchstem Niveau. Dies garantieren die von der Bundesregierung beauftragten Planungs- und Schieneninfrastrukturgesellschaften, wie zum Beispiel die HL-AG und auch die Österreichischen Bundesbahnen, die über modernste Techniken für die Realisierung des Schienenausbaues in Österreich verfügen.

Ebenfalls falsch ist die Bezeichnung "Schuldengesellschaft" für das Finanzierungsinstrument der Eisenbahninfrastruktur. Kreditaufnahme für den Bahnbau ist kein Betrug, sondern dadurch werden Werte für viele Jahre und Generationen geschaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ebenso kritisierte Herr Abgeordneter Blünegger die Brenner Eisenbahngesellschaft. Zu dieser Gesellschaft möchte ich hier nur kurz bemerken, daß diese Gesellschaft deshalb gegründet wurde, um unter anderem von der Europäischen Union leichter Geldmittel für diese so wichtige Transitstrecke zu bekommen.

Meine Damen und Herren! Wenn die Abgeordneten der "F" hier heruntergehen und sich gegen den Semmering-Basistunnel äußern, wie zum Beispiel der Abgeordnete Rosenstingl, wenn sich der Tiroler "F"-Abgeordnete Blünegger gegen die Brennerbasisstrecke ausspricht, dann habe ich einen Verdacht: Sie wollen in Wirklichkeit gar keine Eisenbahn in Österreich! Das ist, glaube ich, die Wahrheit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin froh, daß nicht die Verkehrspolitik der Freiheitlichen für die zukünftige österreichische Verkehrspolitik ausschlaggebend ist, sondern die der Bundesregierung, vertreten durch Bundesminister Dr. Rudolf Scholten. (Beifall bei der SPÖ.)

Bundesminister Scholten führt – wie seine Vorgänger – den Weg einer innovativen Verkehrspolitik fort, die vor allem Alternativen zu vergangenen Verkehrskonzepten forciert.

Besonders erwähnenswert sind die Bemühungen des Ministers, eine Optimierung in der Kooperation zwischen den einzelnen Gesellschaften, die mit der Planung der Schieneninfrastruktur beauftragt wurden, zu erzielen, um so möglichst große Synergieeffekte zu erreichen.

Hohes Haus! Wenn Sie nicht nur eine einschränkende Sichtweise haben, sondern über Visionen für eine moderne, zukunftsträchtige Verkehrswegepolitik verfügen, die sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch vertretbar ist, so können Sie sicher diesen Entschließungsantrag der "F" nur ablehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. 4 Minuten Redezeit.

18.53

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Sigl! Natürlich wollen wir von den Freiheitlichen die Eisenbahn, aber vor allem dort, wo das Sinn macht. (Abg. Koppler: Das weißt du! )

Bis heute konnte kein wirklicher Grund genannt werden, wozu dieses Loch durch den Semmering tatsächlich gebraucht wird, wo die Vorteile dieses sehr, sehr teuren Loches tatsächlich liegen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Fakten werden von allen zur Kenntnis genommen. Herr


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Bundesminister! 160 Züge pro Tag bei einer Kapazität von 245! (Rufe bei der SPÖ: Landesrat Schmid! Was sagt der dazu?)

Das Güteraufkommen ist kontinuierlich rückläufig, und zudem wird mit dem Bau des Tunnels allein keine Hochleistungsbahn geschaffen. Das heißt also, die Probleme, die tatsächlich vorhanden sind, können mit dem Tunnelbau nicht gelöst werden.

Sie wissen, daß die Probleme in erster Linie – wenn das Ganze eine Hochleistungsbahn werden soll – zwischen Wiener Neustadt und Gloggnitz liegen. Die wirklich teuren Investitionen sind zwischen Mürzzuschlag und Bruck notwendig, es sind Unsummen vonnöten, um tatsächlich eine Hochleistungsbahn aus dieser Semmeringstrecke machen zu können.

Eine weitaus sinnvollere Variante würde sich ergeben – und das sagen wir schon seit Jahren –, wenn man endlich einmal an eine vernünftige Realisierung der Südostspange denken würde, denn: Können wir es uns in Österreich leisten, daß der einzig wichtige Flughafen Österreichs ohne vernünftige Eisenbahnanbindung ist? Können wir es uns wirklich leisten, daß Eisenstadt und Graz – zwei Landeshauptstädte – keine vernünftige Bahnverbindung haben, daß 500 000 Ostösterreicher ohne vernünftige Bahnverbindung leben müssen? Können und wollen wir uns das tatsächlich leisten – und das in Zeiten, in denen die Süd Autobahn zum größten Parkplatz Österreichs geworden ist?

Meine Damen und Herren! Ihr müßt schon einmal wirklich logisch überlegen, ob ihr euch diese Süd Autobahn als Parkplatz leisten wollt, nur weil ihr nicht in der Lage seid, ein vernünftiges Bahnprojekt wie die Südostspange zu realisieren, sondern an einem unvernünftigen Bahnprojekt, wie es der Semmering-Basistunnel ist, festhalten müßt, nur weil es die Sozialisten so beschlossen haben und die ÖVP offensichtlich zu keiner anderen Meinung gekommen ist, sonst würde sie heute in der Lage sein, diese hier zu artikulieren. (Zwischenruf des Abg. Zweytick. )

Ich finde es wirklich traurig, daß es die ÖVP nicht der Mühe wert findet ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Zweytick. ) Kollege Zweytick, du könntest einmal heruntergehen und das sagen, was du in deiner Region immer wieder erzählst: daß du gegen den Semmering-Basistunnel bist, daß du für die Realisierung der Südostspange bist! (Abg. Zweytick: Wer erzählt denn so etwas?) Sag das einmal so, wie du das in deinen Regionalpresseaussendungen immer wieder die Bevölkerung glauben machen willst!

Herr Bundesminister! Ich glaube, es wäre wirklich sinnvoll, noch einmal über diese Dinge nachzudenken, bevor man in dieses unsinnige Loch Milliarden investiert, das im Endeffekt für niemanden einen Nutzen, aber für viele einen Schaden bringt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. (Abg. Ing. Reichhold – in Richtung SPÖ –: Tut’s gut aufpassen jetzt da drüben! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

18.57

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Jetzt sage ich euch, wie es geht! (Abg. Ing. Reichhold: Er kennt sich schon aus! – Rufe bei der SPÖ: Hoffentlich! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn man dem Kollegen Seidinger aus Mürzzuschlag zuhört, dann erkennt man sehr schnell, daß er sich bei den wirtschaftlichen und auch bei den technischen Zusammenhängen, was das Semmering-Projekt betrifft, überhaupt nicht auskennt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dem Kollegen Sigl möchte ich sagen, er soll das Wort "Lobbyismus" nicht in den Mund nehmen – ich werde noch darauf zurückkommen –, denn der Lobbyist Nummer 1, meine Damen und Herren, ist der Herr Kollege Seidinger, denn wenn er kein Lobbyist wäre, dann würde er das ernst nehmen, was Gutachter außerhalb der PROGNOS AG über den Semmeringtunnel schreiben.


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Ich habe mich heute mit dem beschäftigt, was in der letzten Zeit über den Semmering geschrieben wurde, meine Damen und Herren. Professor Knoflacher kennen Sie, Kollege Seidinger. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Knoflacher schrieb am 31. 12. 1995 unter "Fazit": "Projekte wie der Semmeringtunnel erwecken bei Laien den Eindruck, es wird etwas für die Eisenbahn getan, also ist auch die Verwendung öffentlicher Mittel dafür sinnvoll." (Abg. Seidinger: Kennen Sie den Herrn Knoflacher?) "Der Bürger wird beruhigt. Gerade damit haben aber jene spekuliert, die Projekte dieser Art erfinden, vertreten und durchsetzen." (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) "Der Katzenjammer wird mit Sicherheit kommen, wenn die Eisenbahnverwaltung und die Bürger erkannt haben, daß sie genarrt worden sind." – Das schreibt Professor Knoflacher.

Meine Damen und Herren! Ich pflichte ihm bei! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Seidinger. )

Kollege Seidinger! Wollen Sie sagen, daß Knoflacher ein Narr ist? Wollen Sie das damit zum Ausdruck bringen? – Dann sagen Sie es bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Soweit Professor Knoflacher.

Aber in dieser Debatte wie auch in Zeitungsmeldungen und Äußerungen von berühmten und bekannten Lobbyisten werden immer wieder Dinge verwechselt. Herr Kollege Seidinger! Es handelt sich nicht um einen reinen Sondierstollen, sondern es ist auch der Rettungsstollen inkludiert. Auch das wissen Sie! Also bleiben wir doch bei den wahren Begriffen, und betreiben Sie doch nicht dauernd Etikettenschwindel! Denn was hier betrieben wird, ist Etikettenschwindel pur, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Tun Sie doch nicht immer so, als wolle man etwas präjudizieren.

Ich möchte die Kritik, die Kollege Rosenstingl schon angebracht hat, in einem zentralen Punkt noch ergänzen, meine Damen und Herren. Es gibt nicht nur in der Steuerung des Bahninfrastrukturbereiches enorme Defizite, sondern es gibt sie auf dem Infrastruktursektor insgesamt. Eine der wesentlichen Ursachen ist eben, daß es unterschiedliche Kompetenzen für Straße und Schiene gibt, auch hinsichtlich der Datenkommunikation. Da gibt es also gewaltige Entscheidungsdefizite, meine Damen und Herren.

Tun wir doch nicht immer so, als ob das Projekt des Finanzministers Klima, der in Wirklichkeit noch immer der wahre Verkehrsminister ist, das Projekt ist, mit dem Österreich steht und fällt. Denn wenn Wirtschaftsminister Farnleitner im Bautenausschuß ganz salopp sagt, er müsse auch mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, daß das S-6-Projekt ganz klar und deutlich und mit ziemlicher Entschlossenheit des Finanzministers junktimiert wurde und daß daher die "Mühle" jetzt eigentlich steht – er hat das zum Entsetzen der anwesenden sozialdemokratischen Funktionäre gesagt –, dann muß ich fragen: Wie geht es überhaupt mit der österreichischen Infrastruktur weiter? Blockieren wir uns jetzt zu Tode, nur weil Bundesminister Klima in der S-6-Finanzierung ein nicht so wichtiges Projekt sieht wie im Bahnprojekt. Da muß es, glaube ich, zu einem grundsätzlichen Umdenken kommen.

Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Kollegen Anschober noch ein Wort. Kollege Anschober war in seiner Kritik sanft wie noch nie. Ich erinnere mich, als Kollege Anschober vor eineinhalb Jahren im Ausschuß gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien ganz massiv dafür eingetreten ist, daß es einen sofortigen Baustopp am Semmering gibt.

Heute reduziert sich Kollege Anschober auf eine sehr weiche und vage formulierte Kritik: Man müsse eigentlich nur mehr die wasserrechtliche Frage abwarten, alles andere – der wirtschaftliche Wahnsinn, der dort betrieben wird – interessiert ihn nicht mehr. (Abg. Anschober: Antrag lesen!) Ich glaube, auch da muß ein Umdenken erfolgen.

Für uns Freiheitliche ist das eine Bestätigung, daß man solchen Projekten sicher nicht die Zustimmung geben kann, solange nicht bessere und verläßlichere Daten vorliegen, die eine Entscheidung erleichtern. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.04


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe die Debatte.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 495 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Bericht ist mehrheitlich angenommen .

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Anschober und Genossen betreffend Verschiebung der Interessentensuche für den privaten Finanzierungsanteil des Semmering-Basistunnels.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Das ist die Minderheit . Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt .

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Anschober und Genossen betreffend Entscheidung über einen allfälligen Bau des Hauptstollens des Semmering-Basistunnels.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt .

11. Punkt

Regierungsvorlage: Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen MSC.21 (59) und MSC.33 (63) über Änderungen des Übereinkommens (345 der Beilagen)

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Von der Vorberatung in einem Ausschuß wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Es liegt keine Wortmeldung vor, und wir kommen daher gleich zur Abstimmung .

Gegenstand der ersten Abstimmung ist die Genehmigung des Staatsvertrages: Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen MSC.21 (59) und MSC.33 (63) über Änderungen des Übereinkommens in 345 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Staatsvertrag die Genehmigung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig , die Genehmigung wurde einstimmig erteilt.

Ich lasse als nächstes darüber abstimmen, daß der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Jene Damen und Herren die dafür sind, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden.

Ich lasse nunmehr darüber abstimmen, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu beschließen, daß das gegenständliche Übereinkommen in allen authentischen Sprachfassungen sowie in der Übersetzung in die deutsche Sprache dadurch kundzu


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machen ist, daß es im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und im Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst zur öffentlichen Einsichtnahme aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Publikationsform stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen worden.

12. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (411 der Beilagen): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen (438 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht verlangt worden.

Als erster Redner in dieser Debatte hat sich Abgeordneter Mag. Schweitzer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

19.08

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß der Nationalpark in der Form realisiert wurde, wie er im Oktober eröffnet wurde: ohne Kraftwerke. Es ist außerdem kein gestylter Wasserpark, so wie es manche gerne gehabt hätten. Eine solche Form wäre als Nationalpark auch nicht zu verkaufen gewesen.

Offensichtlich hat die Nachdenkpause im Endeffekt auch ihr gutes gehabt. – Wir Freiheitlichen werden dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (den Vorsitz übernehmend) : Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schrefel. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

19.09

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ein Vierteljahrhundert nach den ersten Plänen und zwölf Jahre nach dem denkwürdigen Bürgerwiderstand auf dem Areal des damals geplanten Kraftwerkes Hainburg setzen Umweltminister Bartenstein, Landeshauptmann Pröll und Wiens Bürgermeister Häupl ihre Unterschrift unter die Gründungsurkunde eines Nationalparks. Es ist dies jene Gründungsurkunde, welche uns heute in Form einer Regierungsvorlage vorliegt und welche der Umweltausschuß in seiner Sitzung am 14. November 1996 in Verhandlung genommen und mehrheitlich verabschiedet hat.

Dieser Artikel-15a-Vertrag, der bereits am 13. April 1978 von den damaligen Landeshauptleuten Maurer, Leopold Gratz und Theodor Kery als Planungsgemeinschaft Ost zugrunde gelegt wurde, beinhaltet verschiedene Vereinbarungen.

Vier Umweltminister haben mit den Landespolitikern von Niederösterreich und Wien ihr politisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um dem Planungsteam entsprechende Rückendeckung zu geben.

Das Konzept für den Nationalpark Donau-Auen wurde mit viel Fachkompetenz und persönlichem Einsatz erstellt, obwohl übermächtige Interessen und oft unerfüllbare Vorgaben die Planungsarbeiten zu einem fast aussichtslosen Hindernislauf machten. Die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal hat gute Arbeit geleistet, wozu wir herzlich gratulieren und ein Dankeschön sagen wollen.


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Der Bund, vertreten durch die Bundesregierung, und die Länder Niederösterreich und Wien, jeweils durch den Landeshauptmann vertreten, haben die Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks im Bereich der Donau-Auen in und östlich von Wien unter Wahrung der Funktion der Donau als internationale Wasserstraße und der Sicherung der Grundwasservorkommen für die Trinkwasserversorgung vereinbart.

Die Verwaltung des Nationalparks Donau-Auen erfolgt durch die Nationalparkgesellschaft, an der sich der Bund mit 50 Prozent und die Länder Niederösterreich und Wien mit jeweils 25 Prozent beteiligen. Zur Umsetzung der ihr aufgetragenen Aufgaben hat die Nationalparkgesellschaft jährlich einen entsprechenden Wirtschafts- und Finanzplan für das kommende Jahr zu erstellen und weiters bis 30. Juni eines jeden Jahres einen Rechnungsabschluß und Geschäftsbericht vorzulegen, die Verwaltungsgeschäfte zu führen, die Entschädigungsleistungen festzulegen und Nutzungsentgänge sowie Wirtschaftserschwernisse, die den Grundeigentümern erwachsen, zu konstatieren. Außerdem hat die Nationalparkgesellschaft bis 30. April eines jeden Jahres einen Bericht über die Realisierung der im laufenden Jahresprogramm vorgesehenen Maßnahmen und deren Kosten zu erstellen.

Zur fachlichen Beratung der Verwaltung wird ein wissenschaftlicher Beirat eingerichtet, dem Fachleute für die Raum- und Landschaftsplanung, der Botanik, der Zoologie, der Limnologie und der Wasserwirtschaft angehören.

Im ersten Betriebsjahr, also 1997, erstreckt sich der Nationalpark vorerst über 9 300 Hektar. Nach Einbringung weiterer Flächen auf freiwilliger Basis kann in der Ausbauphase die Fläche bis auf 11 500 Meter anwachsen. Die laufenden Kosten werden im Jahre 1997 zirka 40 Millionen Schilling betragen. Im Endausbau werden sich die Kosten pro Jahr bis auf zirka 60 Millionen Schilling erhöhen. Darin sind die Kosten der Nationalparkgesellschaft, der Sach- und Personalaufwand für das Naturraummanagement durch die Bundesforste sowie die Forstverwaltung der Gemeinde Wien enthalten.

Des weiteren muß bemerkt werden, daß das Recht der Grundeigentümer auf Entschädigung für Ertragseinbußen und Nutzungsentgang für uns unteilbar ist. Dasselbe gilt auch für die Bundesforste und für die Gemeinde Wien.

Naturraummanagement bedeutet eine dem Nationalpark konforme Betreuung von Jagd, Fischerei sowie Land- und Forstwirtschaft.

Geschätzte Damen und Herren! Der Artikel-15a-Vertrag zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien regelt die Finanzierung und die Grenzen des Parks und leitet die Realisierung des Projektes ein. Auch massiven Gegnern ist es nicht gelungen, sachliche Mängel an diesem Konzept aufzuzeigen. Die Polemik in den Argumentationen der Gegner bestätigt die hohe Qualität des Konzeptes.

Besonders erfreulich ist für mich, daß auch die Fraktion der Grünen in Person der Abgeordneten Monika Langthaler in der letzten Debatte am 30. Oktober den Artikel-15a-Vertrag als positiv gewertet und ihre Zustimmung signalisiert hat.

Jetzt muß alles darangesetzt werden, das Vertrauen der Bevölkerung in dieser Region zu gewinnen und das Bewußtsein zur Natur in den Menschen zu wecken. Eines der schönsten Naturjuwele unseres Landes wird dadurch geschützt und erhalten. Unsere Fraktion wird daher gerne diesem Vertragswerk zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)


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19.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Würden Sie den Parteienverkehr an der Regierungsbank etwas einstellen!) Ja, danke für den Hinweis. Vielleicht könnte man wirklich die "Sprechstunde" an der Regierungsbank etwas kürzen. (Das Gespräch an der Regierungsbank wird abgebrochen.) Danke schön.

Sie sind am Wort, Frau Kollegin Langthaler.

19.14

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten in den letzten Wochen hier mehrmals die Gelegenheit, über das Thema Nationalpark Donau-Auen zu debattieren. Wir haben immer wieder dazu angemerkt, wie froh wir darüber sind, daß nach zehn Jahren Ringen um diesen Nationalpark endlich der Vertrag darüber geschlossen wurde, daß endlich auch die entsprechenden legistischen Regelwerke geschaffen wurden.

Wir werden diesem Artikel-15a-Vertrag sehr gerne unsere Zustimmung geben und hoffen, daß es bei künftigen Nationalparks etwas schneller gehen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Haselsteiner. )

19.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vom Abgeordneten Brix vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

19.15

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich freue mich, sagen zu können: Das Werk ist vollbracht, nun lobet man die Meister! (Abg. Dr. Kostelka: Die Bürgermeister!) Wir sind glücklich, endlich für die Bevölkerung diesen Nationalpark geschaffen zu haben, und dürfen heute hier in diesem Hohen Hause dem Artikel-15a-Vertrag zwischen Wien, Niederösterreich und der Republik Österreich, der am 27. Oktober feierlich unterzeichnet wurde, unsere Zustimmung geben. Österreich ist reicher um diesen Nationalpark! Wir freuen uns darüber. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

19.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

19.16

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Punkte beim Nationalpark Donau-Auen sind bereits geklärt, andere sind ungeklärt geblieben. Geklärt ist die Kostenaufteilung, geklärt ist die Verwaltung, und geklärt ist offensichtlich auch die Frage, wie die Posten in Zukunft politisch verteilt werden. Aber ungeklärt ist meiner Meinung nach noch immer die Sohlestabilisierung, von welcher der Grundwasserspiegel im Marchfeld und die Heilquellen in Bad Deutsch-Altenburg sehr wesentlich abhängen.

Es ist für das Marchfeld und für die Region dort äußerst wichtig, daß die Sohlestabilisierung möglichst bald erfolgt. Aber welche Art der Sohlestabilisierung gemacht werden soll, ist bis heute noch nicht sicher. Ich hätte mich gefreut, wenn diese Punkte, noch bevor wir die Zustimmung zu diesem Nationalpark geben, geklärt worden wären. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt wäre es an der Zeit – das wurde heute auch schon von Kollegen Schrefel angesprochen –, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, man hat ja nicht einmal versucht, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Man hat nicht einmal versucht, in den Gemeinderäten eindeutige Beschlüsse zu erzielen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß auf diese Art das Vertrauen oder die Akzeptanz der Bevölkerung gewonnen werden kann. Die Akzeptanz der Bevölkerung halte ich jedoch für eine wichtige Frage, denn die Zweifel der Betroffenen sind nicht ganz unberechtigt.

Ein Beispiel dazu: Der Grund und Boden eines Kärntner Bürgers wurde in einen Nationalpark eingegliedert beziehungsweise grenzt an diesen an. Ich habe hier ein Schreiben der Kärntner Landesregierung, in welchem diesem Mann, dessen Namen ich hier nicht nennen will, von einem Landesrat mitgeteilt wird ... (Abg. Dr. Haselsteiner: Der heißt Haider!) Der heißt nicht Haider, das schrieb Landesrat Robert Lutschounig. Dieser Landesrat schreibt also, daß er für diesen Bürger, eigentlich nicht nur für diesen einen Bürger, sondern für alle Grundbesitzer, die in


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diesem Nationalparkprojekt mit ihrem Grund eingetragen sind, die Entschädigung aufstocken wird.

Aber was ist denn wirklich geschehen, meine Damen und Herren? Dieser Bürger hat sich im vorhinein über die Erhöhung der Mittel zwar gefreut, aber dann bei der Abrechnung mußte er feststellen, daß die versprochenen Mittel mehr als halbiert wurden.

Meine Damen und Herren! Wieder einmal wurde – wie so oft von politischer Seite – sehr viel versprochen, aber sehr wenige dieser Versprechungen sind dann tatsächlich eingehalten worden.

Meine Damen und Herren! Solange die ungeklärten Punkte wie die Sohlestabilisierung und die Akzeptanz in den Anrainergemeinden nicht erledigt sind, so lange kann es von meiner Seite aus keine Zustimmung zu irgendeinem Projekt innerhalb dieses Nationalparks geben.

Herr Minister! Meine Damen und Herren, vor allem jene von der ÖVP! Sie spielen sich hier immer wieder als Umweltapostel auf, aber dieser Rolle werden Sie mit Sicherheit nicht gerecht. Für diese Rolle ist der Lobbyismus innerhalb der ÖVP zu tief verankert. Gerade die ÖVP, Kollege Kopf, hat bei wichtigen Umweltthemen in Österreich jämmerlich versagt.

Ich nenne als Beispiel nur die Atomstromfrage – EURATOM. Was geschah da? Allein mit der Hilfe der ÖVP-Vertreter hätte dieses Projekt verhindert werden können. (Abg. Rosemarie Bauer: Welches?) Das darf nicht vergessen werden!

Das geht aber noch weiter, meine Damen und Herren. Gerade die ehemalige Umweltministerin Flemming stimmte diesem Wahnsinn zu – gegen den Willen der österreichischen Bevölkerung! Das entsprach sicherlich nicht dem Willen der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung. Auch das darf nicht vergessen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder ein anderes Beispiel: Auch bei der Genmanipulation waren es die ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament, die die Produktkennzeichnung verhindert haben. Wozu streiten wir denn dann noch hier im Parlament um eine Kennzeichnung? Angeblich bekennen sich alle dazu, will sie jeder haben.

Alle bekennen sich hier auch dazu, daß wir mit Atomstrom nichts zu tun haben wollen. Aber die Abgeordneten der ÖVP im Europäischen Parlament machen uns jedesmal einen Strich durch die Rechnung. Wir sind innerhalb der Europäischen Union unglaubwürdig, meine Damen und Herren! So kann es nicht weitergehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Die ÖVP befürwortet noch immer die Berghauptmannschaften. Die Berghauptmannschaften haben noch immer so viel Macht, daß sie gegen den Willen der Anrainer, gegen den Willen der Grundbesitzer Narreteien, muß ich sagen, machen können. Auch dagegen gehört endlich einmal etwas unternommen! Ich rufe die umweltbewußten Leute in der ÖVP auf, sich um diese Fragen endlich einmal zu kümmern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es wird nicht genügen, wenn die ÖVP in den nächsten Wochen vielleicht einen Bußgang nach Mochovce unternimmt. Das wird zuwenig sein! Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP, nur eine Empfehlung geben: Ihr Herr Klubobmann soll einmal ein Wertepaket unter den Weihnachtsbaum legen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.23

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Da ich Herrn Abgeordneten Wenitsch auch im Umweltausschuß bei seiner Argumentation schon des öfteren erlebt habe, meine ich, daß es angemessen wäre, wenn er während der Abstimmung mit Abgeordnetem Firlinger auf einen Kaffee gehen würde. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das ist sicher spaßig, oder? (Abg. Wenitsch: Das ist


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meine Sache!) Genau! Deshalb gebe ich Ihnen auch eine sachliche Antwort, denn dieser Skandal, Herr Abgeordneter Wenitsch, kann nicht unwidersprochen bleiben. (Abg. Wenitsch: Sie brauchen sich nichts einzubilden! Unglaublich! Ein Skandal!)

Denn: Wenn Sie hier ausführen, daß die Eintiefung der Donau den Nationalpark Donau-Auen sehr massiv gefährdet, und wenn Sie richtigerweise sagen, daß es daher zu einer Sohlestabilisierung kommen muß, weil man sonst diesem Nationalparkprojekt nicht die Zustimmung geben kann (Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen), dann möchte ich Ihnen eines entgegenhalten: Den Nationalpark Donau-Auen zu wollen oder nicht zu wollen, ist eine Werteentscheidung. (Abg. Wenitsch: Das ist ein Skandal!) Es wird immer Leute geben, die dagegen sind, und ich bin deshalb sehr froh darüber, daß in dieser Artikel-15a-Vereinbarung im Artikel 3 Absatz 1 unter dem Titel "Zielsetzung" festgehalten ist, daß die Schaffung und der Betrieb dieses Nationalparks natürlich nur unter Bedachtnahme auf die Akzeptanz der Bevölkerung erfolgen können. Ich glaube, daß ist auch in Ihrem Sinne. Vielleicht haben Sie diese Passage noch nicht gelesen. Schauen Sie sich das einmal an! Das ist genau in Ihrem Sinne. Vielleicht können Sie dann doch dem Nationalpark Donau-Auen zustimmen.

Meine Damen und Herren! Es ist keine Frage: Der Nationalpark Donau-Auen ist ein sinnvolles Projekt. Gott sei Dank haben wir ihn endlich verwirklicht! Ich halte es für sinnvoll, diesem Nationalparkprojekt zuzustimmen. Ich freue mich, daß die liberale Fraktion das auch tun wird. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Petrovic. )

19.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

19.24

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn man eine so enge Betrachtungsweise an den Tag legt wie Kollege Wenitsch, dann kann man natürlich den Nationalpark Donau-Auen nur ablehnen. Sie haben aus Ihrer Sicht gar keine andere Wahl, Herr Abgeordneter. Ich darf Ihnen entgegenhalten: Aus Sicht der Österreichischen Volkspartei ist dieser Nationalpark ein Jahrtausendprojekt und auf jeden Fall zu befürworten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kollege Wenitsch! Ihre Argumente sind nicht haltbar. Sie haben hier die Postenbesetzung angesprochen. Mit einem Geschäftsführer und einem viergliedrigen Aufsichtsrat ist das die schlankeste Nationalparkverwaltung, die es überhaupt geben kann.

Sie haben auch die Frage der Sohlestabilisierung angesprochen: Das ist eine Aufgabe, die die Nationalparkverwaltung gemeinsam mit der Flußverwaltung zu regeln hat.

Des weiteren haben Sie ein Beispiel aus dem Nationalpark in Kärnten hier genannt. Dazu muß ich Ihnen sagen, daß Nationalparkprojekte im Einzelfall erst nach deren Fertigstellung abgerechnet werden, und da kann es ohne weiteres vorkommen, daß gegenüber der Zusage eine Halbierung der Förderung eintreten muß, weil vom tatsächlichen Aufwand ausgegangen wird.

Ich möchte aber jetzt auf einen Aspekt des Nationalparks Donau-Auen zu sprechen kommen, auf den hier noch zu wenig eingegangen wurde. In den Zielsetzungen des Nationalparks heißt es unter Punkt 5: Das Grundwasservorkommen der Donau-Auen ist zu sichern. Der Nationalpark Donau-Auen ist im Zentrum – dessen müssen wir uns bewußt sein – des größten Grundwasserkörpers Österreichs. Mit seinen 9 300 Hektar Aufläche ist dieser Nationalpark von einem der landwirtschaftlich ertragreichsten Gebiete Österreichs und einem der wertvollsten Agrargebiete, die wir überhaupt haben, umgeben: Im Norden ist es das Marchfeld, die Kornkammer Österreichs, im Süden das Wiener Becken, der Garten Österreichs.

Natürlich kennt das Grundwasser keine festgelegten Grenzen, auch nicht beim Nationalpark, es gehorcht ausschließlich den physikalischen Gesetzen. Daher ist es von enormer Bedeutung, was im Umfeld, was im Gesamteinzugsgebiet dieses Nationalparks geschieht. Seit dem Beitritt


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Österreichs zur EU hat es dort im Bereich der Bewirtschaftung durch das ÖPUL-Projekt gewaltige und beachtliche Verbesserungen gegeben. Ich darf sie hier anführen:

Es ist für 90 Prozent der heimischen Agrarfläche die Intensivlandwirtschaft ausgeschlossen worden. Wir haben auf 75 Prozent der Getreide- und Maisflächen eine Fruchtfolgevielfalt eingeführt. Es erfolgt auf insgesamt – und jetzt ist die Zahl auf ganz Österreich bezogen – 245 000 Hektar Herbst- und Winterbegrünung. Außerdem gibt es – und das ist entscheidend – eine rückläufige Handelsdüngeraufwendung beim Stickstoff um minus 8 Prozent, bei der Phosphordüngung um minus 12 Prozent und bei Kalium um minus 20 Prozent. Auch bei der Pflanzenschutzmittelaufwendung ist der Rückgang enorm. Ich nenne dazu nur eine Zahl: Bei den Wachstumsregulatoren gibt es ein Minus von 58 Prozent. Im gleichen Zeitraum hat es eine Zunahme des Bio-Landbaues um 37 Prozent gegeben.

Warum sage ich das? – Weil diese Änderung der Bewirtschaftung enorme Auswirkungen auf das Grundwasser des Marchfeldes und auch des Wiener Beckens hat, und die Summe dieser Maßnahmen wird in Kombination mit den Schutzbestimmungen des Nationalparks eine deutliche Verbesserung der Qualität des Grundwassers bringen.

Wenn es um Wasser geht, dann darf man nicht in erster Linie die Quantitätssicherung, sondern muß die Qualitätssicherung im Auge haben. Unser Ziel muß es sein, das Grundwasser im Nationalpark auf Trinkwasserqualitätsbasis zu erhalten.

Ich darf sagen: Österreich kann nicht genug Reserven an hochwertigem Trinkwasser haben. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Kombination von Nationalpark und Grundwasser-Schutzgebiet eine sehr sinnvolle Lösung. Vielleicht werden unsere Kinder und unsere Enkel noch einmal froh über diese Entscheidung sein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Ganz sicher!)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

19.29

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Nicht nur der Nationalpark Donau-Auen wird heute endverhandelt, sondern auch das Ende der Debatte zu diesem Thema ist absehbar. Ich habe mich mehrmals in dieser Frage kritisch und auch ablehnend geäußert. Ich möchte daher zusammenfassend darlegen, was mir an der gesamten Entstehungsgeschichte nicht gepaßt und mich zum Skeptiker gemacht hat.

Die Planung hat auf allen Ebenen versagt. Die Ablehnung der Anrainer ist nach wie vor gegeben, sie konnten nicht überzeugt werden. (Abg. Brix begibt sich in die vorderste Sitzreihe und hält dem Redner eine bunte Ansichtskarte entgegen.) Die Situation des Wassers in der Au und in der Donau, Herr Abgeordneter Brix, ist nach wie vor nicht gelöst: Die Au braucht Ruhe und keine Besucherströme, von nirgendwo. Das Verkehrsproblem in der Nordlage ist ungelöst.

Der wirtschaftliche Ausbau in der Region südöstliches Weinviertel scheint gefährdet zu sein. Die Frage bezüglich der Landwirte, die ihre Felder im künftigen Nationalpark haben, ist auch ungeklärt. Ich hoffe nur, daß die neue Nationalpark-Gesellschaft von Leuten geführt wird, die nicht jene Fehler wiederholen, die dazu geführt haben, daß dieser Nationalpark von der Bevölkerung vor Ort abgelehnt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

19.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters entfällt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.


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Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz samt Anlagen in 411 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmenmehrheit angenommen .

13. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (414 der Beilagen): Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996 (439 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Aumayr vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

19.32

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Bei dem Chemikaliengesetz, das wir heute beschließen, handelt es sich wieder einmal um ein eindeutiges EU-Anpassungsgesetz. Der Beitritt Österreichs zur EU erfordert die totale Anpassung des österreichischen Chemikalienrechts an die einschlägigen Rechtsakte der EU.

Positiv ist zu vermerken, daß das Wasch- und Reinigungsmittelgesetz bisher ein eigenes Bundesgesetz gewesen ist und jetzt Eingang in das Chemikaliengesetz gefunden hat.

Der Hauptgrund, warum wir Freiheitlichen dieses Gesetz ablehnen, ist, daß die Versprechungen der Bundesregierung und auch die Versprechungen des Bundesministers für Umweltschutz, wonach die höheren österreichischen Standards vier Jahre erhalten bleiben können und erst danach neu darüber verhandelt wird, mit diesem Gesetz ganz eindeutig gebrochen werden. Dies erfolgt durch den § 28, in dem es heißt, daß die höheren österreichischen Standards gegenüber der EU zwar erhalten bleiben, aber bei genau einem Punkt, und zwar beim Werbeverbot für Chemikalien, "bis zur Adaptierung einer eigenen Zubereitungslinie in ihrer Anwendbarkeit suspendiert werden". – Das ist ein besonders feiner Ausdruck, wie man ein strengeres österreichisches Umweltgesetz zwar außer Kraft setzt, es aber nicht sagt. Man sagt nicht, wir schaffen es ab oder es entfällt, sondern man sagt einfach, es wird "suspendiert".

Ich muß sagen, da sind eindeutig Versprechen gebrochen worden. Mich hat auch die Auskunft des Bundesministers für Umwelt auf meine diesbezügliche Anfrage im Ausschuß nicht beruhigt. Er sagte, daß es sich dabei um "totes Recht" handle. – Wenn es sich dabei aber um totes Recht handelt, dann frage ich mich: Warum ist es nicht schon längst außer Kraft gesetzt worden?

Herr Kollege Kopf! Das stimmt ganz einfach nicht! Der Grund für die Aufhebung des Werbeverbotes ist ein ganz anderer. In der Begründung dazu steht: Die Printmedien und TV-Programme seien international und vor allem mit Deutschland sehr stark vernetzt, und in Deutschland gebe es dieses Werbeverbot für Chemikalien nicht. Damit man nun die Zuseher, die Konsumenten nicht dadurch verwirrt, daß etwa Österreicher einen in Deutschland gedrehten Film oder Werbespot im deutschen Werbefernsehen sehen, um also die Konsumenten nicht dadurch zu verunsichern, suspendiert man das Gesetz. – Eine noch scheinheiligere Ausrede kann ich mir in diesem Zusammenhang nicht vorstellen!

Herr Kollege Kopf! Ich möchte noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Sie haben ja im Umweltausschuß einen wirklich legendären Entschließungsantrag eingebracht, in dem Sie und Herr Keppelmüller den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie aufgefordert haben, weiterhin aktiv die Absicherung der höheren österreichischen Standards nach Ablauf der Übergangsfristen, die aus dem Beitrittsvertrag hervorgehen, voranzutreiben. – Herr Kollege Kopf! Sie halten doch bereits jetzt die Vierjahresfrist nicht ein! Wie wollen Sie uns denn


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glaubhaft machen, daß Sie nach Ablauf dieser Frist noch für die höheren Umweltstandards kämpfen werden?

Es gab auch eine ganz bezeichnende Aussage von Ihnen, als Herr Kollege Barmüller Sie nach längerer Debatte im Ausschuß gefragt hat: Was passiert denn, Herr Kollege Kopf, wenn wir diesen Antrag nicht beschließen? – Darauf haben Sie geantwortet: nichts! (Abg. Kopf: Das habe ich nicht gesagt!) Doch! Ich habe mitgeschrieben. – Ja! Ich habe mitgeschrieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

19.36

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Frau Kollegin Aumayr! Sie haben vorhin den Herrn Umweltminister angesprochen. Er kann sich leider zu diesem Thema heute nicht äußern, weil er gerade in einer sehr wichtigen umweltpolitischen Angelegenheit mit den OPEC-Ölministern im Rahmen seiner Klimaschutzinitiative Gespräche führt, die sehr wichtig sind und die eine Terminverschiebung nicht zugelassen haben. Deshalb gehe ich an seiner Stelle kurz auf dieses Thema ein.

Zunächst zu dieser Vierjahresfrist. Sie beginnen hier, Dinge zu verdrehen, die so nicht darzustellen sind. Mit der Übergangsfrist hat dieses Werbeverbot überhaupt nichts zu tun. Die Standards sind im Beitrittsvertrag ganz klar erwähnt und geregelt. Damit hat dieser Punkt überhaupt nichts zu tun. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Es hat eines mit dem anderen nichts zu tun! Das hat mit dem Beitrittsvertrag und der Zusage der Aufrechterhaltung der Standards, die darin fixiert sind, nicht das geringste zu tun. Sie vermischen hier Äpfel und Birnen! (Ruf bei der ÖVP: Kompott! – Abg. Aumayr: Warum suspendieren Sie dann einen Paragraphen?) Ich meine, Sie vermischen ganz bewußt diese beiden Dinge. (Abg. Dr. Leiner: Das glaube ich nicht!)

Ich möchte noch darauf eingehen, wie Sie meine Antwort auf die Frage des Kollegen Barmüller kommentiert haben. Herr Barmüller hat gefragt, was denn der Herr Bundesminister tun wird, wenn dieser Entschließungsantrag nicht beschlossen wird. Darauf habe ich geantwortet, er wird genau dasselbe tun wie ohne diesen Antrag, nämlich intensiv für die Aufrechterhaltung der Standards kämpfen. – Kollege Barmüller nickt gerade. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Frau Kollegin, das war heute schon die zweite Verdrehung von Ihnen.

Noch ganz kurz zum Chemikaliengesetz. Das Chemikaliengesetz als solches ist wenig spektakulär. Es ist in der Tat die Umsetzung einer EU-Richtlinie, bei der zwei Prinzipien verfolgt wurden. Punkt eins ist die vorhin schon erwähnte Beibehaltung der höheren österreichischen Standards.

Frau Kollegin Aumayr! Tun Sie jetzt doch bitte nicht so, als ob es im politischen Alltag nicht üblich wäre, eine Absicht, die besteht, durch derartige Entschließungsanträge zu bekräftigen. Das ist nichts Ungewöhnliches, ganz im Gegenteil. Der Nationalrat bekräftigt ein Vorhaben, das der Herr Bundesminister ohnedies schon angekündigt hat, weil es unsere Überzeugung ist – und ich hoffe, Sie können dem zustimmen –, daß das getan werden soll. – Aber ich beschäftige mich eigentlich schon viel zu lange mit Ihren Aussagen, die inhaltlich kaum der Rede wert sind.

Wesentlich ist, daß im Beitrittsvertrag bereits das Ziel festgehalten ist, in den genau festgelegten Bereichen die höheren Standards der neuen Mitgliedsländer, insbesondere auch Österreichs – das wird explizit erwähnt –, beizubehalten.

Punkt zwei: Es laufen darüber bereits seit Juni konkreteste Verhandlungen mit der EU-Kommission.


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Punkt drei: Die Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard hat erst vor wenigen Monaten vor dem Europäischen Parlament erklärt, daß sie eindeutig klarstellen möchte, daß es innerhalb ihres Bereiches der Umweltpolitik immer ihre Ansicht war und ist, daß keiner der neuen Mitgliedstaaten gezwungen werden sollte, nach Ablauf der Übergangsfrist seine Umwelt- und Gesundheitsstandards zu senken. – Soviel dazu.

Zum zweiten Aspekt. Wichtig war uns auch, daß in diesem Zusammenhang keine bürokratischen Fleißaufgaben gemacht werden, und zwar sowohl was die Internationalisierung des Anmeldesystems als auch generell giftrechtliche Bestimmungen betrifft.

Wir wollen jetzt noch einen kleinen bürokratischen Zahn ziehen und folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Karlheinz Kopf und Kollegen betreffend die Regierungsvorlage: Bundesgesetz über den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien (Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996) in der Fassung des Ausschußberichtes in 439 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Ausschußbericht 439 der Beilagen angeschlossene Gesetzestext betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien (Chemikaliengesetz 1996) wird wie folgt geändert:

§ 4 Abs. 5 lautet:

"(5) Der III. Abschnitt dieses Bundesgesetzes findet keine Anwendung auf Heizöle. Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren sind von der Anwendung des III. Abschnittes dieses Bundesgesetzes dann ausgenommen, wenn sie nicht zum Betrieb von Modellen (Modellflugzeuge, Modellautos, etc.) bestimmt sind. Zum Betrieb von Modellen bestimmte giftige (§ 3 Abs. 1 Z 7) Kraftstoffe sind von der Anwendung der §§ 41 bis 44 ausgenommen, wobei volljährige eigenberechtigte Personen als zum Bezug Berechtigte gemäß § 41 gelten, minderjährige Personen jedoch nur dann, wenn eine schriftliche Bestätigung des Erziehungsberechtigten vorliegt, daß er dem Bezug dieser Gifte zustimmt."

*****

Die Begründung dafür ist einfach. Es ist davon auszugehen, daß diese Treibstoffe, wenn sie sehr giftig oder giftig sind, eine Gefahr darstellen, aber im Hinblick auf ihren begrenzten Einsatz und den speziellen Einsatzzweck keine bürokratischen Hürden aufgebaut werden sollen, die nicht gerechtfertigt sind.

Zum Abschluß noch einen ganz kleinen Vorgriff auf den nächsten Tagesordnungspunkt, in dem es um ein Gesetz geht, das die Verfahren im Anlagenbereich regelt. Es wurde im Rahmen einer Initiative der ÖVP schon angekündigt, daß wir in den Bereichen Betriebsanlagenrecht, Umweltverträglichkeitsprüfung, Wasserrecht und anderen Gesetzesmaterien ganz massiv überzogene verfahrensrechtliche Bestimmungen auf ein erträgliches Maß zurückführen wollen, und zwar ohne irgendwelche Standards dabei antasten zu wollen. Ich vermisse hier allerdings leider eine ähnliche Initiative von seiten des Bundeskanzleramtes, obwohl eine solche von Staatssekretär Schlögl angekündigt worden ist, was das Verfahrensrecht als solches, also das allgemeine Verfahrensgesetz betrifft. Ich würde mir wünschen, daß das mit einer ähnlichen Dynamik betrieben würde, wie es seitens der ÖVP-Minister der Fall ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.43


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Der eben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete. Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

19.43

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es wäre schon ganz gut, wenn bei einer Debatte über das Chemikalienrecht der Chemiker und Umweltminister Bartenstein anwesend wäre. Ich entnehme ja den morgigen Zeitungen, daß er heute mit dem Sozialminister bezüglich des Ärztezeitgesetzes verhandelt hat. Vielleicht haben die beiden Minister einen fliegenden Wechsel vorgenommen. Fest steht jedenfalls, daß der Umweltminister sich seit Monaten um andere Dinge kümmert als um den Umweltschutz. Vielleicht könnten Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, einmal einen Entschließungsantrag verfassen, der ähnlich "sinnig" wie jener ist, den Sie heute verabschieden wollen, etwa nach dem Motto: Der Bundesminister für Umwelt wird ersucht, sich um sein Ressort zu kümmern. (Abg. Dr. Mock: Friedlich, Frau Kollegin Langthaler!)

Das gleiche gilt auch für das Chemikalienrecht, wenn man sich die Politik insgesamt ansieht. Ich denke fast mit Wehmut zurück: Vor etwa acht Jahren gab es eine Debatte über die Zukunft der Chemiepolitik in diesem Land, darüber, ob es überhaupt eine gibt und, wenn ja, in welche Richtung. Da gab es eine Umweltministerin Flemming, die damals sehr vehement für den Ausstieg aus der Chlorchemie eintrat und Vorschläge für Verbote im Bereich von PVC präsentierte. All diese Vorschläge wurden damals von ihrer eigenen Partei niedergestimmt.

Heute machen Sie im wesentlichen nichts anderes als ein EU-Anpassungsgesetz. Dazu kann man nicht viel sagen. Das sind notwendige Anpassungen. Im Umweltbereich ist das Chemikalienrecht zweifellos eines, bei dem die Anpassung am weitesten in die Richtung geht, daß man wenig nationalen Spielraum hat.

Dort, wo man gewisse Kuriositäten des Gesetzes hätte vermeiden oder entfernen können, hat man es leider nicht gemacht. Ich sage nur ein Beispiel: Es ist völlig unlogisch, daß das Giftrecht nach wie vor im Ressort der SPÖ bleibt, in diesem Fall bei der Gesundheitsministerin, und das restliche Chemikalienrecht bei der ÖVP, nämlich beim Umweltminister. Das hat zwar historische Gründe, weil es das Giftgesetz einfach schon viel länger gibt als das Chemikaliengesetz, aber das hat inhaltlich überhaupt keine Logik.

Es wäre schön gewesen, wenn die Koalition wenigstens in diesem Bereich ein bißchen mehr zusammengearbeitet hätte. Der Umweltminister hat das im Umweltausschuß ja auch bestätigt. Dies hätte nicht nur eine Entbürokratisierung bedeutet, sondern hätte auch eine leichtere Kontrolle ermöglicht, wenn diese Materie endlich in einem Ressort zusammengefaßt worden wäre.

Es wurde schon angeführt, daß das Waschmittelrecht in das Chemikalienrecht integriert wird. Dagegen ist absolut nichts einzuwenden.

Was nach wie vor unklar ist – wir haben das im Ausschuß kurz diskutiert –, ist die Frage der Sicherheitsdatenblätter und ihrer derzeitigen Ausfolgung. Ich nehme an, daß Kollege Kummerer noch darauf eingehen wird, also erspare ich mir das.

Insgesamt fehlt mir eines völlig – es wäre schön gewesen, das im Rahmen der Debatte über eine Chemikaliengesetznovelle ein bißchen zu diskutieren, sowohl im Ausschuß als auch hier im Hohen Hause –, und zwar, ob es so etwas wie Ideen im Umweltressort, in Österreich, im Hohen Haus gibt, ob es Vorstellungen darüber gibt, in welche Richtung man nationale Spielräume im Rahmen der EU beim Chemikalienrecht noch nutzen könnte.

Ich erwähne hier nochmals das Stichwort "Ausstieg aus der Chlorchemie". – Warum gibt es da kein Konzept, warum gibt es dazu überhaupt keine Vorschläge von seiten des Umweltressorts? –


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Besonders seit ein Chemiker dieses Ressort verwaltet, muß man feststellen, daß sich auf diesem Gebiet überhaupt nichts tut. Das ist schade!

Wir hoffen, daß sich der Herr Umweltminister vielleicht in Zukunft doch nicht nur mehr darum kümmert, daß endlich die besseren österreichischen Standards im Bereich der EU umgesetzt werden, sondern daß er auch so etwas wie eine Idee und eine Vision im Chemikalienrecht entwickelt! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

19.48

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle bringt im wesentlichen administrative Vereinfachungen und die Anpassung an europäische Richtlinien. Österreich wird damit auch das europäische Anmeldesystem für Chemikalien übernehmen. Die Sonderstandards, die beim Beitritt vereinbart wurden, werden davon nicht berührt.

Nicht zuletzt waren Klagen der Wirtschaft und der Vollziehung für die Beschleunigung der Novelle verantwortlich, wie auch dafür, daß unlösbare Probleme für die Wirtschaft verhindert werden konnten.

Diskrepanzen zwischen dem österreichischen Chemikaliengesetz und der EU-Richtlinie konnten bereinigt werden. Diese Novelle stellt im wesentlichen eine gänzliche Neufassung des Chemikaliengesetzes dar – ein längst überfälliges Vorhaben, das Nachteile durch unterschiedliche Bestimmungen ausgleichen soll.

Dessen ungeachtet wurden bei den österreichischen Beitrittsverhandlungen Ausnahmen erreicht, und zwar – mit einer Übergangsfrist von vier Jahren – bei der Kennzeichnung, Einstufung und beim Verbot. Während dieser Zeit werden die österreichischen Bestimmungen durch die Europäische Union geprüft, mit dem Ziel, entweder die österreichischen Bestimmungen, wie wir hoffen, in europäisches Recht zu übernehmen oder die Anpassung der österreichischen Bestimmungen an die EU-Richtlinien vorzunehmen. Der Herr Bundesminister wurde im Ausschuß durch eine Entschließung ersucht, die Absicherung der höheren österreichischen Standards vor Ablauf dieser Frist aktiv voranzutreiben.

Durch den freien Warenverkehr in Europa gelten nunmehr andere Spielregeln, die unter anderem zur Folge hatten, daß Änderungen bei Vollzug und Kontrolle notwendig wurden, die nun umgesetzt werden können, wie auch die Verantwortlichkeiten für den Handel mit Chemikalien neu geregelt wurden.

Sinnvoll scheint auch die Einbindung des Zolls in die Vollziehung zu sein. Es konnten damit die Weichen für die Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes in Österreich gestellt werden.

Erfreulich ist auch, daß der Kreis der Verantwortlichen für die Einhaltung der Vorschriften ausgeweitet und die Überwachungsinstrumente für den Vollzug ausgebaut werden konnten.

Wesentliches Ziel dieser Novelle war die Vereinfachung bestehender Regeln, was, wie ich meine, auch im wesentlichen erreicht werden konnte.

So wird zum Beispiel das Waschmittelgesetz als eigener Abschnitt, wie wir vorhin schon gehört haben, in das Gesetz integriert.

Die Novelle sieht auch eine Reihe von Verordnungsermächtigungen vor, etwa zur Sicherstellung der Umweltverträglichkeit und auch der Registrierung. Es konnten damit zwölf bestehende Verordnungen zu einer einzigen zusammengefaßt werden.

Besonders wichtig scheint mir zu sein, daß damit auch der giftrechtliche Teil in mehreren Punkten vereinfacht und in bezug auf Schutzziele verbessert wird, daß die volle Anerkennung


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der Österreich-Anmeldungen in Europa sichergestellt ist, daß die rechtliche Grundlage zur Teilnahme Österreichs am Altstoffprüfungsprogramm der EU geschaffen wurde, daß den Vollzugsbehörden zeitliche Instrumente zur Verfügung stehen, um Vorschriften durchzusetzen, und daß beim Bundesminister für Gesundheit eine Datenbank für Giftinformationszentren eingerichtet wird.

Zu begrüßen ist auch im Sinne einer praxisorientierten Verwaltung, daß das Umweltministerium die bisherige Listenvielfalt durch eine einzige umfassende, elektronisch verfügbare Liste ersetzen will.

Abschließend: Ich glaube, daß die vorliegende Novelle ein Schritt in Richtung eines modernen, EU-konformen Chemikalienrechtes ist, dem aber bis zur Erzielung von völliger Konformität noch weitere folgen werden müssen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.51

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Meine Damen und Herren! Es ist so, daß mit diesem Gesetz, das ja hauptsächlich sehr technische Anpassungen an Regelungen der Europäischen Union enthält, etwas gemacht wird, was quasi im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Europäischen Union schon vorhersehbar gewesen ist. Faktum ist auch, daß mit der jetzigen Regelung, etwa mit der erhöhten Kontrolle, wesentliche Personalaufwendungen verbunden sein werden, die insbesondere von den Ländern zu tragen sind.

Es war interessanterweise nicht möglich, im Gesetz eine konkrete Abschätzung dieser Mehraufwendungen zu finden. So sagt man ja auch zum Beispiel im Antrag, den Herr Abgeordneter Khol schon hier im Hause eingebracht hat, es müsse sehr, sehr klar angegeben werden, welche Mehrkosten aufgrund von Anträgen entstehen. Das ist etwas sehr Wichtiges. Diese Regierungsvorlage enthält das nicht. Ich nehme daher an, daß diese Bestimmung, die Sie vorschlagen, Herr Abgeordneter Khol, und die interessanterweise nur mit Mehrheitsbeschluß möglich werden soll, der Opposition viele Schwierigkeiten machen wird, während sich die Regierung selbst – das ist an diesem Beispiel auch erkennbar – nicht daran halten wird. (Abg. Dr. Khol: Die Bestimmung gilt ja noch nicht!) Na ja, aber die Intention ist da.

Eines ist auch richtig: Sie wissen, bei Regierungsvorlagen und Initiativanträgen gerade von seiten... (Abg. Dr. Khol: Sie sind doch Politiker, um zu wissen, daß die Dinge gelten, wenn sie beschlossen sind!) Es gilt schon heute, daß Kostenabschätzungen für die Auswirkungen von Regierungsvorlagen zu machen sind. Ist das richtig oder ist das falsch? (Abg. Dr. Khol: Allgemein!) Das steht aber so im Bundeshaushaltsgesetz. (Abg. Dr. Khol: Ja, aber es ist so!) Gut, aber Sie haben es nicht drinnen, also halten Sie sich nicht an das Bundeshaushaltsgesetz. Mich wundert daher diese für meine Begriffe etwas eigentümliche doppelte Moral in der Sache. Aber nichtsdestoweniger wird das ein wichtiger Punkt sein. Man wird das berücksichtigen müssen, und man wird auch darüber zu reden haben, zumal es ja diesen Antrag gibt.

Faktum ist aber: Es wird wesentliche personelle Mehraufwendungen gerade auch im Bereich der Länder geben. Man hofft, sie durch personelle Umschichtungen abdecken zu können. Sie werden nicht in ihrer Größe klassifiziert und festgelegt. Ich nehme daher an, daß das, was im Vorwort geschrieben worden ist, nicht wirklich umgesetzt werden kann.

Meine Damen und Herren! Ich dachte, daß der Entschließungsantrag, der ja schon Gegenstand der Diskussion war und in dem es um die Absicherung der höheren österreichischen Standards geht, eigentlich nicht notwendig gewesen wäre. Denn das Parlament faßt, wie wir auch heute gesehen haben, solche Entschließungsanträge ja immer nur dann, wenn es Irritationen in diesem Zusammenhang gibt. Bisher meinte ich jedoch, daß es eigentlich gut laufen würde.

Wenn ich mir die Bestimmung des Artikels 100a Abs. 4 des EG-Vertrages ansehe, dann meine ich, daß eigentlich kein Problem für die Aufrechterhaltung der österreichischen Umweltstandards


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bestehen dürfte. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall, nur wagt man das nicht offen zu sagen.

Herr Abgeordneter Kopf! Ich habe jetzt auch ein Problem mit dem § 28, der angesprochen worden ist, denn den Inhalt des § 28 hätte man auch einfacher formulieren können, zumindest was die Absätze 2 und 3 anlangt. Man hätte sagen können: Es wird nur auf die Gefährlichkeit von Stoffen hingewiesen, wenn das von europäischer Seite vorgeschrieben wird. Das ist nämlich der Inhalt der etwas umständlicher formulierten Regelung. Ich meine, daß hier nicht so vorgegangen wird, wie wir uns das bei Gesetzestexten erwarten, nämlich daß klar und deutlich gesagt wird, was Sache ist. Wenn Sache ist, daß man nur dann über die Gefährlichkeit von Stoffen in der Werbung informieren will, wenn das von der Europäischen Union vorgeschrieben wird, dann soll man das auch klar so hineinschreiben.

Zusammenfassend, meine Damen und Herren: Wir werden daher aus jenen Gründen, die ich Ihnen eben genannt habe, dem Chemikaliengesetz nicht unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte, Herr Abgeordneter. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

19.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Abgeordneter Kopf hat gemeint, diese EU-Anpassung, die wir heute im Chemikalienrecht beschließen, sei wenig spektakulär. Vielleicht hat er recht. Sehr wohl spektakulär war aber die Entwicklung der Politik der Koalition auf dem Gebiet des Chemikalienrechtes in den letzten Jahren.

Kollegin Langthaler hat das ja auch kurz anklingen lassen. Wenn Sie, Frau Kollegin Langthaler, den Chemiker Bartenstein vermissen, so sind Sie vielleicht mit dem Chemiker Kummerer zufrieden. Ich habe es erlebt: Ich war in einem Labor beschäftigt und habe die Umsetzung dieses Chemikalienrechtes, dieser Chemikalienpolitik mitgemacht.

Es herrschte Skepsis, ich gebe das zu. Wir waren auf einmal mit vielem konfrontiert: mit Altstoffen, mit einer Stoffliste, mit einer Einstufung, mit einer Kennzeichnung, mit einer Informationspflicht, mit Piktogrammen, mit den R-Sätzen, mit den S-Sätzen und schließlich und endlich mit den Sicherheitsdatenblättern. Es hat auch in der Industrie, in den Labors, bei den Mitarbeitern eine Zeit gebraucht, bis das Allgemeingut wurde. Heute ist es Allgemeingut. Jeder Mitarbeiter, der mit Chemikalien zu tun hat, weiß, was ein R-Satz ist, weiß, was ein S-Satz ist, und weiß auch das Sicherheitsdatenblatt zu schätzen.

Auch da sieht man die Auswirkungen der Politik. Das Sicherheitsdatenblatt in den ersten Anfängen war nicht zu brauchen, es stand nichts drinnen: oben ein Sammelbegriff, unter dem man sich nichts vorstellen konnte, bei den einzelnen Punkten darunter: keine, keine, keine. Heute ist das Sicherheitsdatenblatt ein wertvolles Instrument. Wir haben Angaben, die wir brauchen, über Eigenschaften, über Verwendung, über Entsorgung, und schließlich stellt es eine wertvolle Unterstützung für den betriebsärztlichen Dienst, für die Feuerwehr und für den Arbeitnehmerschutz dar.

Bei diesem Umdenken hinsichtlich der Chemikalien sehe ich auch in die Zukunft: Es ist gut, daß das Waschmittelgesetz im Chemikalienrecht aufgeht. Denn ich erhoffe mir davon nicht nur eine Vereinfachung, sondern auch ein anderes Bewußtsein gegenüber den Waschmitteln, denn auch Waschmitteln sind Chemikalien. Vom Konsumenten her ist Sensibilität, das Bewußtsein notwendig, daß er da mit Chemikalien umgeht.

Durch Verordnungsermächtigungen wird es dem Minister sehr wohl möglich sein, auch weiterhin lenkend einzugreifen. Es werden immerhin 140 000 Tonnen Waschmittel jährlich verbraucht, für Textilien 70 000 Tonnen, für Weichspüler 20 000 Tonnen und für Reinigungsmittel 50 000 Ton


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nen. Es ist auch da nicht hoffnungslos, so wie es Kollegin Langthaler darstellt. Es erfolgte ein Ausstieg aus der Phosphatchemie. Phosphate in Waschmitteln sind heute kein Thema mehr.

Meine Damen und Herren! Mit diesem neuen Chemikaliengesetz – ich bin froh, daß es neu gefaßt und nicht nur in Form einer Novelle verabschiedet wurde – ist der Konsument gefordert. Es ist auch der Erzeuger gefordert, und es ist der Vertreiber gefordert. Eigenverantwortung wird großgeschrieben – mit der notwendigen Kontrolle und damit verbunden natürlich auch mit den notwendigen Strafen.

Zum Abschluß zu den Umweltstandards. Die Umweltstandards werden in diesem Gesetz fortgeschrieben, also aufrechterhalten. Politisch ist es unser aller Aufgabe, diese Standards zu europäischen Standards werden zu lassen. Die Sozialdemokratische Partei wird alles dazu beitragen, denn zurücknehmen werden wir unsere guten Standards sicherlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

20.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es gibt kein Schlußwort des Berichterstatters.

Wir treten daher sogleich in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 439 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Keppelmüller, Kopf und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht. Ich werde daher zunächst über diesen Abänderungsantrag und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Keppelmüller, Kopf und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 4 Abs. 5 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist angenommen.

Schließlich lasse ich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist gleichfalls die Mehrheit, daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist abermals die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir noch zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 439 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls die Mehrheit. Angenommen. (E 32.)

14. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 311/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird, und den Antrag 102/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit


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dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 1993 geändert wird, sowie den Antrag 209/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das UVP-Gesetz geändert wird (440 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Schweitzer vor. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten angezeigt.

20.02

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem Antrag der Abgeordneten Keppelmüller, Kopf, der das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz in einigen Teilen verändern soll, handelt es sich grundsätzlich um eine weitere Aufweichung des ohnedies unzulänglichen UVP-Gesetzes. Es gibt daher von unserer Seite überhaupt keinen Grund, dem zuzustimmen.

Hintergrund dieser Änderung des Gesetzes ist die gewünschte Verfahrensbeschleunigung für den Bahn- und Straßenbau. Es gibt in diesen beiden Bereichen in Österreich nach wie vor eine allgemeine Planlosigkeit. Bekanntlich existiert ja immer noch kein Bundesverkehrswegeplan zur längerfristigen Infrastrukturplanung, sondern es wird in Österreich weiterhin nach dem Gefälligkeitsprinzip beziehungsweise nach dem Prestigebedürfnis der Verantwortlichen gebaut, so wie wir das heute wieder sehen konnten anhand der Debatte rund um den Bau des Semmering-Basistunnels.

Die Hauptpunkte dieses Abänderungsantrages beziehen sich in erster Linie auf Straßenstücke bis fünf Kilometer, diese sollen nur mehr ausnahmsweise UVP-pflichtig sein. Man will so die Mitsprache der Anrainer völlig ausschalten. Man will mit der Straßenwalze über das Mitspracherecht der Betroffenen drüberfahren.

Es ist doch bemerkenswert, daß es eine Regelung gibt, Kollege Kopf, wonach festgestellt wird: Wenn mehr Bürger etwas von einer Baumaßnahme profitieren, dann ist auf jene, die darunter mehr zu leiden haben, wenn diese Baumaßnahme abgeschlossen ist, nicht mehr Rücksicht zu nehmen. – Allein diese Tatsache zeigt, daß hier eine Änderung des Gesetzes zu Lasten der Bürger beschlossen wird, und deshalb sind wir Freiheitlichen dagegen. Sie werden das zu verantworten haben. Wir können ja begründen, warum wir dagegen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Kopf. ) – Das ist ein Faktum, Kollege Kopf. Darüber kommen wir nicht hinweg!

Im § 24 zum Beispiel werden einzelne, nicht wesentlich betroffene Bürger zugunsten von Gemeinden, Bürgerinitiativen und so weiter vom Verfahren überhaupt ausgeschlossen. Besonders bemerkenswert ist, daß zum Teil die Ministerien darüber entscheiden werden, wer an einem Verfahren beteiligt sein darf und wer nicht. Ich meine, das ist eine Auffassung von Demokratie, die bei den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP zwar sehr wohl vertreten ist, wir hingegen vertreten diese Auffassung von Bürgerrecht und Bürgerbeteiligung nicht. Das sind Gründe, warum wir dagegen stimmen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Mühlbachler vor. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Angezeigt wird eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 6 Minuten.

20.05

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Juli 1994 ist das UVP-Gesetz in Kraft getreten. In der Zwischenzeit haben wir erkennen müssen, daß es diesbezüglich Korrekturbedarf gibt.


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Mein Vorredner, Herr Mag. Schweitzer, hat sich mit dieser Materie so gut wie überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern einfach nur Schlagworte in den Raum gestellt, ansonsten hätte er nicht so unqualifiziert hier reden können.

Herr Mag. Schweitzer! Ich darf Ihnen folgendes Beispiel darlegen: Ich gehe davon aus, daß beispielsweise 100 Prozent der Bewohner der Gemeinde A dafür sind, daß aufgrund einer besonderen Belästigung durch Verkehr eine Umfahrung gebaut wird. (Abg. Dr. Keppelmüller: Urfahr!) Nach derzeitiger Rechtslage würde allein das UVP-Verfahren mindestens 24 Monate in Anspruch nehmen – egal, ob jetzt jemand dagegen ist oder nicht. Und das, lieber Herr Kollege Schweitzer (Abg. Mag. Schweitzer: Ich höre!) , ist es, was wir reparieren wollen. Wir wollen nicht die Interessen einzelner ausschalten, sondern wir wollen reparieren, weil eben das Verfahren a priori zu lange dauert. (Abg. Mag. Schweitzer: Darf ich Sie etwas fragen?)

Dann kommt noch eines dazu: Nach Beendigung dieses 24monatigen Verfahrens könnte sich unter Umständen herausstellen, daß Bedenken wasserrechtlicher Natur gegen dieses Projekt angemeldet werden – und das Ganze müßte wieder von vorne beginnen. Dafür haben die Leute kein Verständnis! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Anschober: Das glauben Sie selber nicht!) Und daher muß es im Sinne der Bürger, die wir vertreten, eine Korrektur geben.

Wenn Sie jetzt sagen, es gibt keine ... (Abg. Mag. Schweitzer: Darf ich Sie etwas fragen?) Nachher! Nachher kann ich Ihre Frage durchaus beantworten, schlüssig sogar, davon bin ich überzeugt. (Abg. Anschober: Landtagswahl!)

Wenn Sie sagen, es gäbe keine Bürgerbeteiligung mehr, so ist das grundfalsch, denn Faktum ist, daß die Gemeinden ihre Bürger vertreten. Als Bürgermeister kann ich davon ein Zeugnis ablegen. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. ) – Kollege Meisinger, du kannst mir glauben: Wenn die Gemeindebürger zu mir kommen, dann erfülle ich auch diesen Auftrag. So halten es zumindest wir von der Österreichischen Volkspartei. Ich würde mir wünschen, daß es bei euch genauso wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, geht ihr tatsächlich am Willen der Bevölkerung vorbei. Das muß euch bewußt sein! Und ich glaube, ihr geht in der Gesamtheit deswegen vorbei, weil ihr von eurem Umweltsprecher Schweitzer falsch beraten wurdet! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muß sich einmal folgendes vor Augen halten: Nach derzeitiger Gesetzeslage wäre selbst ein Kreuzungsumbau UVP-pflichtig. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein! (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Wir waren, als das Gesetz geschaffen wurde, der Meinung, daß wir die Verfahren rasch abwickeln können, mußten aber feststellen, daß, als die einzelnen Verfahrensschritte aneinandergereiht wurden, die Verfahren einfach zu lange dauern. Gerade im Hinblick auf kleinere Projekte glaube ich, daß wir aufgrund der Wünsche, die die Menschen immer wieder an uns herantragen, dieser Änderung nicht nur zustimmen können, sondern zustimmen müssen! Diese Verpflichtung haben wir. (Beifall bei der ÖVP.)

20.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

20.11

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! – Herr Abgeordneter, bleiben Sie im Plenum und folgen Sie mir bei meinem Ausflug durch das UVP-Gesetz.

Meine Damen und Herren! Halten wir folgendes fest: Dieser Tagesordnungspunkt, der jetzt beraten wird, enthält auch einen Antrag der Liberalen – der aber leider im Ausschuß keine Zustimmung gefunden hat –, in dem es darum geht, die NGOs in den Umweltrat einzubeziehen. Sie wissen, daß der Umweltrat geschaffen wurde, um die Vollziehung des UVP-Gesetzes zu


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beobachten und dem Nationalrat Vorschläge zu machen, welche Änderungen man bei diesen Bestimmungen aufgrund der Erfahrungen durch die Vollziehung und der Beobachtungen des Umweltrates vornehmen kann.

Da im Umweltrat wirklich Gott und die Welt vertreten ist – was zumindest in Österreich "Gott und die Welt" ausmacht, also angefangen von den Sozialpartnern bis hin zum Gemeindebund alle, auch die politischen Parteien des Nationalrates –, wäre es doch sinnvoll gewesen, so quasi die andere Seite in diesem Verfahren auch miteinzubeziehen – etwa Global 2000, Öko-Büro. Wir haben konkret den Vorschlag gemacht, nur die beiden Dachorganisationen in den Umweltrat mithineinzunehmen. Es hat dazu aber leider keine Zustimmung im Umweltausschuß ... (Abg. Mag. Mühlbachler: Freistädter wollen nicht durch NGOs verteten sein, sondern durch ihre eigenen Vertreter! – Rufe bei der ÖVP: Genau!) Herr Abgeordneter! Das ist jetzt ein wenig abseits des Ziels gewesen, und zwar deshalb, weil es hiebei ja nicht um die Vertretung, sondern um die Erfahrung aus der Vollziehung geht. Sie werden mir doch zugestehen, daß im Bereich der UVP-Verfahren die Organisationen – Global 2000, Greenpeace und andere – natürlich eine wesentliche Rolle spielen.

Ich glaube, es ist nicht sinnvoll, im UVP-Gesetz, das ja primär ein Konfliktlösungsgesetz sein soll, eine Seite einfach auszusparen, wenn es darum geht, über Reformvorschläge zu reden. Das ist eines der entscheidenden Probleme, Herr Abgeordneter Mühlbacher. Insoferne – das muß ich Ihnen schon sagen – wäre es schon angemessen, wenn Sie sich mit der Grundproblematik mehr auseinandersetzen würden – und nicht einen Teil einfach ausblenden. (Abg. Mag. Mühlbachler: Habe ich!) Das glaube ich Ihnen, aber Sie blenden dennoch einen Teil aus. Sonst hätten Sie unserem diesbezüglichen Antrag zustimmen müssen. – Aber kehren wir zurück zum eigentlichen Antrag. (Abg. Dr. Maitz: Gegen österreichische Gesetze agieren diese Organisationen oft! Das geht eben nicht!)

Herr Abgeordneter Maitz! Jetzt werde ich Ihnen noch etwas sagen, wenn es darum geht, daß gegen österreichische Gesetze agiert wird. Sie wissen, daß im § 17 Abs. 2 des UVP-Gesetzes derzeit festgehalten ist, daß ein Vorhaben keine unzumutbaren Belästigungen für Anrainer entstehen lassen darf. Das ist derzeitiger Standard. Es darf durch ein neues Projekt keine unzumutbare Belästigung entstehen. – Faktum ist, daß Sie jetzt einen § 17 Abs. 2a einführen wollen, in dem Sie sehr umständlich eines umschreiben:

Wenn durch eine Maßnahme eine größere Zahl von Personen, die bisher etwa durch die Verkehrsentwicklung unzumutbar belästigt wurde, durch ein neu zu schaffendes Projekt entlastet wird (Abg. Mag. Kukacka: Zum Beispiel durch eine Umfahrung!), und es wird eine wesentlich geringere Zahl von Personen unzumutbar belästigt, dann darf diese Maßnahme genehmigt werden.

Das ist ein sehr pragmatischer Ansatz. Aber Sie machen damit folgendes: Sie schreiben in der österreichischen Rechtsordnung fest, daß es angemessen und zulässig ist, Personen unzumutbar zu belästigen, nur weil Sie als große Koalition nicht in der Lage sind, die Probleme an der Wurzel zu lösen. Das ist nämlich der eigentliche Grund! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Sie sehen sich nicht heraus und opfern eine Minderheit einer Mehrheit. Sie sagen nicht: Wir müssen uns überlegen, wie man das grundsätzliche Problem angeht.

Es kommt ja noch etwas dazu. Sie haben wohlweislich in diesem Antrag sehr, sehr differenziert von den Längen und von den Orten der Straßen her Ausführungen gemacht und ein unglaublich kompliziertes Verfahren entwickelt. Nur nebenbei angemerkt: Obwohl Sie meinen Einwendungen im Umweltausschuß sehr ablehnend gegenüber gestanden sind, mußte letztlich doch ein Abänderungsantrag eingebracht werden, eben weil ich recht hatte – und Sie nicht. – Soviel zu unserem gegenseitigen Verständnis, was das UVP-Gesetz anlangt. Sie mit Ihrem ganzen Rückhalt in Fraktionen und auch in Ministerien waren nicht in der Lage, das korrekt zu machen. Sie sagen aber zu mir so lässig: Wahrscheinlich haben Sie sich das nicht angeschaut.


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Ich habe mir das sehr genau angeschaut. Und ich sage Ihnen auch, Herr Abgeordneter Mühlbacher, daß das – wir sind diesbezüglich, glaube ich, einer Meinung – UVP-Gesetz kein Verhinderungsgesetz sein soll. Das ist überhaupt keine Frage. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das habe ich nicht gesagt!)

Faktum ist, daß mit diesem Gesetz folgendes möglich sein wird. Ich denke da zum Beispiel an das Ennstal: erste Ortsumfahrung – nicht länger als fünf Kilometer, zweite Ortsumfahrung – nicht länger als fünf Kilometer, dritte Ortsumfahrung – nicht länger als fünf Kilometer – nichts davon ist UVP-pflichtig. Und dann wird eine Verbindung zwischen erster Ortsumfahrung und zweiter Ortsumfahrung gemacht, eine Verbindung zwischen zweiter Ortsumfahrung und dritter Ortsumfahrung – und auf einmal haben wir eine ganze Straße, und zwar ohne UVP! – Das ist das Ergebnis, aber das war nicht der Sinn des UVP-Gesetzes.

Ich gebe Ihnen recht, daß es Reformbedarf gibt. Ich gebe Ihnen recht, daß wir im Umweltrat darüber reden müssen. Und Sie werden mir auch zugestehen, daß der Umweltrat bereits bezüglich der Massenverfahren sehr klar mit allen Fraktionen, die vertreten waren, mit dem Gemeindebund, mit dem Städtebund, mit den Ländern, mit den Vertretern der Behörden Vorschläge für die Massenverfahren gemacht hat, die interessanterweise nicht umfassend hier im Hause umgesetzt wurden, sondern im AWG nur sehr punktuell – und auch da nicht alles, sondern es wurde nur das herausgegriffen, was aus politischem Anlaß gerade gepaßt hat.

Das ist genau jene Mentalität, die dazu führen wird, daß wir konfliktträchtige Zonen durch das UVP-Gesetz nicht befrieden können. Und weil wir sie nicht befrieden können, werden diese Konflikte aufrecht bleiben. Es wird weiterhin Investitionshemmnisse geben, man wird einander weiterhin mit Mißtrauen gegenüberstehen, man wird sich weiter nicht schon im Vorfeld einbinden. Und dann haben wir genau dasselbe, was wir vorher auch gehabt haben – nur mit mehr Bürokratie.

Das ist kein sinnvoller Weg. Deshalb gibt es von unserer Seite zu diesem Antrag auch keine Zustimmung. Es darf doch nicht so sein, daß Sie vor den eigentlichen Problemen kapitulieren und einfach die geringere Zahl der unzumutbar Belästigten opfern. – Das, Herr Abgeordneter, ist nicht unsere Auffassung. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

20.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

20.17

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe das Vergnügen, meine Ausführungen mit einem Abänderungsantrag zu beginnen. Dieser betrifft redaktionelle Änderungen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.- Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Kollegen betreffend Antrag 311/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes in 440 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Ausschußbericht (440 der Beilagen) angeschlossene Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

1. Ziffer 7 lautet:

"§ 46 wird folgender Abs. 7 angefügt:


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,(7) Die §§ 17 Abs. 2a, 24, 30, 35 Abs. 1 und 47 Abs. 2 und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. .../1996 treten mit 1. Jänner 1997 in Kraft.’"

2. Es wird eine Ziffer 7a eingefügt:

"7a. § 47 Abs. 2 lautet:

,(2) Für die Vollziehung des § 24 Abs. 1 bis 10 ist hinsichtlich der in § 24 Abs. 1 Z 1 genannten Vorhaben der/die Bundesminister/in für wirtschaftliche Angelegenheiten und hinsichtlich der in § 24 Abs. 1 Z 2, Abs. 3 und Abs. 4 genannten Vorhaben der/die Bundesminister/in für Wissenschaft, Verkehr und Kunst zuständig.’"

*****

Soweit der Abänderungsantrag.

Nun zum Inhaltlichen: Wir von der SPÖ-Fraktion stimmen selbstverständlich dem Hiesl-Kukacka-Mühlbachler-Plan zu. Es ist dies eine Novelle des UVP-Gesetzes, die bewirkt, daß im Straßenbau wieder etwas weitergeht. Ich hoffe, daß das nicht unbedingt die Falkenstein-Landesstraße, sondern eher die Umfahrung Timelkam und die vierte Donaubrücke betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber schon folgendes anmerken: Der Herr Bundesminister hat uns versprochen, daß das UVP-Gesetz im Jahre 1997 eingehend diskutiert werden wird, weil offensichtlich auch er Ungereimtheiten festgestellt hat. Wir werden uns sehr genau die Auswirkungen des Hiesl-Kukacka-Mühlbachler-Planes anschauen und dann in einer umfassenden Novelle die Erfahrungen verarbeiten.

Ich möchte darauf hinweisen, daß es von der Bundeswirtschaftskammer erstmals eine diesbezügliche Studie gibt, Kurzfassung: Volkswirtschaftliche Schäden durch Investitionshemmnisse im Betriebsanlagenrecht, dringendster Reformbedarf beim UVP.

Obwohl ich damals sehr optimistisch war im Hinblick darauf, daß Fristen verkürzt werden, daß es möglich sein wird, Unternehmungen, die etwas bauen wollen, kurzfristig zu sagen, ihr könnt oder ihr könnt nicht, sind wir damit offensichtlich schiefgelegen. Tatsache ist: Es wird hier nachgewiesen, daß in Österreich UVP-Verfahren zwischen 24 und 60 Monate dauern – im Vergleich dazu: Deutschland 10 bis 12 Monate, Frankreich 10 bis 11 Monate – und daß tatsächlich beachtliche Investitionsverluste ins Ausland drohen. Das muß man sehen. Ich will die Studie der Wirtschaftskammer nicht unbedingt als bare Münze nehmen, aber man wird das zu diskutieren haben.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist, daß es seit Inkrafttreten des UVP-Gesetzes keinen einzigen Antrag seitens eines Industrieunternehmens gegeben hat, ein UVP-Verfahren durchzuführen, und ich habe den Verdacht, daß einige Anlagen ins Ausland verlegt wurden. Wir haben also, so glaube ich, hinsichtlich UVP absoluten Handlungsbedarf.

Ich schicke auch gleich voraus, daß meine Fraktion in die Diskussion zur Novelle des UVP-Gesetzes im Jahre 1997 auch die Frage der Behandlung der Gentechnikanlagen einbringen wird, was im Gentechnikgesetz für meine Begriffe unzureichend geregelt ist, und wir werden selbstverständlich auch die Frage der Konzept-UVP diskutieren.

Ich glaube, daß der Kukacka-Hiesl-Mühlbachler-Plan nur zu einem geringen Teil darauf zurückzuführen ist, daß eine Landtagswahl vor der Tür steht. Ich glaube, daß die Argumente im wesentlichen sachlich gerechtfertigt sind. Wir stimmen dem zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und entsprechend unterstützt; er steht daher mit in Verhandlung.


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Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Ing. Langthaler vor. – Bitte. 8 Minuten werden als freiwillige Redezeitbeschränkung angezeigt.

20.22

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist doch immer wieder eine Freude, den Umweltsprecher der SPÖ zu hören, vor allem wenn er als Umweltsprecher seiner Fraktion sagt: Im Straßenbau muß wieder etwas weitergehen, und deshalb müssen wir das UVP-Gesetz novellieren!

Ich vertrete schon seit langem die Meinung, daß der Umweltsprecher Keppelmüller in seiner Fraktion endlich wirklich das werden sollte, was er eigentlich ist: nämlich Industriesprecher und Lobbyist für verschiedene Lobbies, aber ganz sicher kein Umweltsprecher. Wenn ein Umweltsprecher seine Freude über eine Novelle im UVP-Gesetz mit den Worten ausdrückt: damit im Straßenbau wieder etwas weitergeht, dann muß ich sagen: Sie sollten sich vielleicht in Ihrer Fraktion überlegen, ob Sie diese Position nicht doch fehlbesetzt haben.

Natürlich gibt es vor allem einen Grund für diese Novelle. Nicht zufällig sind die Abgeordneten Mühlbachler, der sich sonst nie um Umweltbelange kümmert (Abg. Mag. Mühlbachler: Wieso? Ich kümmere mich darum!) , und Kukacka und Keppelmüller und wie sie alle heißen, die sich hier zu Wort melden, oberösterreichische Abgeordnete. Was wir hier heute beschließen, ist eine Lex Oberösterreich, denn Landtagswahlen stehen vor der Tür. Deshalb muß man jetzt schnell etwas beschließen, was Ihnen offensichtlich im Wahlkampf helfen soll. Anscheinend gewinnt man in Oberösterreich derzeit Stimmen, wenn man verschiedene Orte mit Ortsumfahrungen beglückt und keine UVP macht. (Abg. Gradwohl: Sagen Sie doch ein Argument gegen die Novelle!)

Vielleicht gewinnt man tatsächlich Stimmen, wenn man die UVP insgesamt ad absurdum führt, indem man, wie Abgeordneter Barmüller völlig richtig sagt, einzelne Ortsumfahrungen mit jeweils 4,9 Kilometer macht, die alle nicht der UVP unterliegen, diese später mit Strecken von 4,9 Kilometer Länge verbindet und so eine ganz wunderbare neue Bundesstraße erhält – und das ohne UVP. (Abg. Mag. Mühlbachler: Sie haben nicht zugehört!) Vielleicht gewinnt man damit Wahlen – Sie werden es nächste Woche ja sehen. (Abg. Gradwohl: Haben Sie ein sachliches Argument?)

Wie Sie Gesetze novellieren, das erschreckt mich immer wieder. Im Ausschuß präsentiert einmal Herr Keppelmüller und dann wieder ein ÖVP-Abgeordneter aus Oberösterreich Zeitungsartikel aus den "Oberösterreichischen Nachrichten" als Legitimation dafür, daß man das Gesetz ändern muß. Offenbar haben Sie keine bessere Legitimation dafür.

Vor allem weichen Sie im Bereich der UVP von einem ab, Herr Abgeordneter Mühlbachler: Es gab hinsichtlich UVP-Gesetz die Tradition in diesem Haus, daß man sich, weil es ein sehr umfassendes Umweltgesetz ist, zusammensetzt, sowohl die Regierungsparteien als auch die Opposition, und versucht, mit Sachargumenten die einzelnen Bereiche abzuwägen.

Ich kann mich noch gut an die Verhandlungen erinnern, die damals der jetzige Klubobmann Khol von seiten der ÖVP geführt hat und von seiten der SPÖ der jetzige Stadtrat Svihalek. Es waren dies sehr gute Verhandlungen, ich habe dabei sehr viel gelernt, und ich habe es sehr geschätzt, daß sowohl von ÖVP als auch von SPÖ auf die Argumente der Opposition eingegangen wurde – und vice versa.

Ich bin wirklich enttäuscht. Herr Abgeordneter Khol, mich wundert es sehr, daß Sie sich nicht ein bißchen erinnert haben an die damaligen Verhandlungen und vielleicht ein wenig aufgepaßt hätten, was hier heute geschieht. (Abg. Dr. Khol: Ich kann mich gut erinnern! Ich habe schon aufgepaßt!) Dann sind Sie offensichtlich heute anderer Meinung als damals vor zwei, drei Jahren. Es hat nämlich Sinn gemacht, sich Zeit zu nehmen und zu versuchen, die gegenseitigen Argumente zu diskutieren und abzuwägen. (Abg. Dr. Khol: Seien Sie doch nicht so oberlehrerhaft! Man muß doch aus der Praxis lernen!)

Sie haben uns da einen Antrag schnell, schnell auf den Tisch gelegt, wissend, daß es im Frühjahr sowieso zu einer umfassenden UVP-Gesetzesnovelle kommen muß, zum Teil aufgrund von


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EU-Anpassungen, und daß es natürlich sinnvoll wäre, alles insgesamt hier zu verhandeln, damit man auch die Erfahrungen einbringt, die man in den letzten zwei, drei Jahren in der Praxis gemacht hat. Warum macht man hier etwas völlig Sinnwidriges und wartet nicht eine vernünftige UVP-Gesetzesnovelle im Frühjahr ab?

Auf meinen Antrag, den Abgeordneter Keppelmüller hier auch zitiert hat, nämlich daß bis heute keine gentechnischen Anlagen in der Anlageliste der UVP drinnen sind, wurde im Ausschuß geantwortet: Das ist wichtig, aber das machen wir dann im Frühjahr, denn da gibt es eine große UVP-Gesetzesnovelle, und das tun wir da jetzt nicht hineinhudeln. Für einen einzigen Bereich, nämlich daß man in die Anlagenliste endlich auch jene Anlagen einbezieht, die gentechnisch veränderte Organismen bearbeiten, muß man lang verhandeln – monatelang –, vielleicht wird ein eigener Unterausschuß eingesetzt, da wird jedenfalls ganz lange verhandelt werden. – Aber bei Ihren Abänderungsanträgen und Ihrer heutigen Novelle war das überhaupt nicht notwendig. Ein Ausschuß, ruck-zuck, Landtagswahlen stehen vor der Tür, und das ist das einzige Argument. Das ist eine Anlaßgesetzgebung der besonders unangenehmen Art. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Gredler. ) Sie haben im Ausschuß kein einziges Sachargument gebracht, außer den Artikel aus den "Oberösterreichischen Nachrichten", den Herr Keppelmüller permanent zitiert hat, sonst ist ihm nichts eingefallen. (Abg. Gradwohl: Sie haben kein einziges sachliches Argument gesagt!) Bringen Sie ein Sachargument! Herr Abgeordneter, regen Sie sich nicht so auf, kommen Sie heraus und antworten Sie mir! Sagen Sie mir doch, warum Sie die UVP-Pflicht fallenlassen bei Bundesstraßen, die weniger als fünf Kilometer lang sind! (Abg. Mag. Mühlbachler: Lesen Sie die Begründung!) Ich will ja die Novelle nicht! Ich halte sogar das jetzige Regelwerk für zu wenig weitgehend. Sie müssen doch argumentieren, warum Sie dieses Gesetz ... (Abg. Dr. Keppelmüller: Weil Sie ja nur verhindern wollen!) Aha, jetzt kommen wir zum Verhindern und zur Dauer von Verfahren. (Abg. Dr. Keppelmüller: Selbstverständlich! Sie agieren ja nur politisch!)

Herr Abgeordneter Keppelmüller! Die Dauer der Verfahren ist in Österreich tatsächlich ein Problem. Das sagen wir ja nicht zum ersten Mal, das sagen wir seit mindestens sieben Jahren. Das war nämlich die Zeit, als Ihr damaliger Umweltstadtrat Ackerl einen Vorschlag gemacht hat für ein einheitliches Umweltanlagenrecht. – Bis heute haben wir das nicht. Bis heute ist das nicht einmal in Ihrer eigenen Fraktion umsetzbar.

Wenn Sie sich die Gutachten anschauen, die es in Österreich zur Frage der Dauer der Verfahren gibt, dann sehen Sie, daß das nicht so ist, weil die einzelnen Materiengesetze so streng sind – die Bestimmungen im UVP-Gesetz, im Wasserrecht, im Abfallrecht oder im Elektrizitätswirtschaftsgesetz –, sondern schuld sind die Behörden! Lesen Sie das Gutachten von Professor Haller durch, lesen Sie alle Stellungnahmen der Umweltanwälte, auch von Ihrem geschätzten Umweltanwalt Wimmer, durch. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Keppelmüller. )

Herr Keppelmüller, seien Sie einmal kurz ruhig und hören Sie zu! Lesen Sie sich das Gutachten von Umweltanwalt Wimmer durch – Umweltanwaltschaft Wien und Kollegen –, das genau aufzeigt: Es liegt nicht an den angeblich strengen Bestimmungen im UVP-Gesetz oder an den Materiengesetzen, daß die Verfahren lange dauern, sondern der Grund ist, daß nach wie vor die Behörden viel zu schlecht ausgestattet sind. Es gibt viel zu wenig Amtssachverständige, und vor allem ist das Anlagenrecht insgesamt in viel zu viele Materiengesetze aufgesplittert. Man braucht endlich ein Gesetz, ein Anlagenrecht mit einer Behörde, wo wirklich Kontrolle und Vollzug in einem möglich ist, aber das ist bis heute nicht möglich.

Ihre unsinnigen Materiengesetze sind der Grund, warum Verfahren 20 bis 60 Monate lang dauern. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben das nicht beschlossen, Sie haben das beschlossen! Und dann kommen Sie doch glatt heraus – das ist ja so unfaßbar! – und sagen: Da müssen wir uns etwas überlegen, das dauert 20 bis 60 Monate, und das müssen wir jetzt alles ändern – so, als hätten wir diese Gesetze beschlossen!


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Wir sagen Ihnen seit Jahren, daß das, was Sie beschließen, vollkommen sinnwidrig ist, daß die Anlagenverfahren länger dauern werden, weil es eben nicht gelingt, das endlich zu bündeln und zu konzentrieren. Und das UVP-Gesetz bietet ja gerade in diesem Bereich überhaupt keine Möglichkeit, daß man das konzentriert. Das, was Sie hier novellieren, wird überhaupt nicht dazu führen, daß Verfahren schneller abgewickelt werden.

Sie werden nach wie vor die Konflikte auf die Straße verlagern, Sie werden dann noch länger brauchen, um Anlagen oder auch Straßenbauprojekte durchzubringen. Indem Sie einfach sämtliche Berufungsmöglichkeiten abschaffen und indem Sie ganz einfach abschaffen, daß Berufungen aufschiebende Wirkungen haben, und indem Sie ganz einfach abschaffen, daß überhaupt noch Nachbarn irgendwo ernstgenommen werden – Nachbarn werden nicht mehr als Individuum, sondern sozusagen nur mehr in der Masse, so wie es hier geplant ist, zur Kenntnis genommen werden –, werden Sie das Problem nicht lösen. Sie werden es nur verlagern. (Zwischenruf des Abg. Dr. Keppelmüller. )

Herr Abgeordneter Keppelmüller! Werden Sie endlich das, was Sie sind: Industriesprecher und Lobbyist, aber quälen Sie uns nicht immer mit dem Titel "Umweltsprecher" hier heraußen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Das war wieder entlarvend!)

20.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Tegischer. – Bitte, Frau Abgeordnete. Angezeigt wird eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten.

20.31

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, in meinem Redebeitrag auf bestimmte Änderungsvorschläge des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes einzugehen. Vorausschicken möchte ich, daß ich einer Änderung des UVP-Gesetzes grundsätzlich positiv gegenüberstehe, jedoch finde ich einige Passagen problematisch.

Das UVP-Gesetz ist von seiner Konzeption her eher für punktuelle Anlagen geeignet, daher will man mit diesem Antrag die Bestimmungen des UVP-Gesetzes für Infrastrukturvorhaben wie Straße und Bahn ändern. Es soll in Hinkunft nicht mehr notwendig sein, den Bau kürzerer Trassenabschnitte mit einer Länge von unter fünf Kilometern, wenn eine Seehöhe von 1 200 Metern nicht überschritten wird und eine zusätzliche Verkehrsbelastung von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Bestand nicht zu erwarten ist, wie zum Beispiel Bahnunterführungen, Brücken, kleine Umfahrungen, Ortsumfahrungen und Kreuzungen, einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.

Mit dieser Regelung wird ein Schritt in eine bedenkliche Richtung gegangen, denn das UVP-Gesetz ist geschaffen worden zur Überprüfung, ob Bauvorhaben umweltverträglich sind oder nicht. Es ist daher meines Erachtens nicht relevant, wie groß oder wie klein ein Bauvorhaben ist, denn die Umweltverträglichkeit hat mit der Größe des Projekts meiner Meinung nach nichts zu tun.

Ich bin nicht gegen sinnvolle kleine kostengünstige Ortsumfahrungen und den Bau kürzerer Trassenabschnitte. Sie tragen, wenn sie nicht zu Monsterprojekten ausarten, zur Verkehrsberuhigung und zur Sicherheit der Bevölkerung bei. Diese Ortsumfahrungen dürfen aber nicht so gebaut werden, daß sie den Transitverkehr ermöglichen beziehungsweise vereinfachen. Wir haben in Osttirol ein "gutes" Beispiel, wie es meiner Meinung nach nicht sein darf, nämlich die Umfahrung Abfaltersbach. Es handelt sich um eine Ortsumfahrung, die kürzer als fünf Kilometer ist und unter 1 200 Meter Seehöhe liegt.

Meine Damen und Herren! Ich habe Sie vor einiger Zeit hier im Hohen Haus mittels eines Folders über diese Problematik informiert. Ich zeige ihn hier noch einmal. Wenn dieses Bauvorhaben trotz negativer Gutachten durchgeführt wird, setzen wir ein Zeichen in Richtung Ausbau des hochrangigen Straßennetzes. – Italien will den Bau der Alemagna, eine Verbindung zwischen Oberitalien und Deutschland.


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Ich verwahre mich gegen die Möglichkeit, durch den Bau von Umfahrungen die Realisierung von hochrangigen Straßen zu erleichtern. Wir wollen den Transitverkehr durch den Ausbau neuer, hochrangiger Straßennetze verhindern – und nicht forcieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade bei uns in Osttirol höre ich immer wieder das Argument: Wir müssen das Straßennetz ausbauen, um Arbeitsplätze zu schaffen. – Doch wir schaffen damit keine regionalen Arbeitsplätze, da es sich um ein Projekt handelt, das EU-weit ausgeschrieben werden muß.

Man will mit dem Antrag zur Änderung des UVP-Gesetzes eine effizientere und schnellere Abwicklung von Verwaltungsverfahren erreichen. Natürlich bin ich für die raschere Durchsetzung der Bauvorhaben. Trotz meiner Bedenken, die ich hege, beinhaltet der Antrag auch sinnvolle Reformen. Vor allem im Schienen- und Administrationsbereich werden ein Ausbau und eine Vereinfachung und damit eine Beschleunigung der Behördenwege erreicht. Aber: Ich werde auf das Versprechen unseres Umweltministers Bartenstein im Ausschuß, 1997 im Lichte der Erfahrungen mit dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz dieses zur Gänze eingehend zu diskutieren und, wenn notwendig, sinnvoll zu novellieren, zurückkommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl-Ing. Hofmann. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

20.35

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Bundesminister! Das UVP-Gesetz ist dem Inhalt nach sicherlich gut, wenn man die Intentionen betrachtet: die Feststellung der Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt, die Prüfung der Maßnahmen zur Verhinderung oder Verringerung von Emissionen und ähnliches mehr. Aber es gibt, wie wir wissen, Nachteile, und diese Nachteile bewirken offensichtlich, daß es zu einer Novellierung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes kommen soll und wird.

Kollege Kopf hat die überzogenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen aufgezeigt, die letztlich auf ein Minimum zurückgeführt werden sollen, ohne daß Umweltstandards zu reduzieren seien. Eine umfassende Behandlung dieses UVP-Gesetzes ist für das kommende Jahr angekündigt. Auch aus Gründen der Anpassung an EU-Richtlinien beziehungsweise -Gesetze scheint dies zweckmäßig zu sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind jedoch nicht bereit, diesem Antrag zuzustimmen und Maßnahmen mitzutragen, die einseitig zu Lasten der Bürger gehen. Hiefür sind wir nicht zu haben.

Herr Kollege Mühlbachler! Sie haben davon gesprochen, daß eine Reparatur erforderlich ist. Ich gebe Ihnen recht: Es sind wahrscheinlich sogar mehrere Reparaturen erforderlich. Aber, Herr Kollege Mühlbachler, es ist für uns nicht nachvollziehbar, wenn Kollege Keppelmüller und Kollege Kopf im Ausschuß bei zwei weiteren Anträgen betreffend das UVP-Gesetz sagen – ohne sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen –: Wir werden das heute nicht behandeln. Wir werden diese Anträge ablehnen, weil wir ohnedies eine umfassende Novellierung im Frühjahr 1997 vorhaben.

Mir erscheint es nahezu anmaßend, das eine so zu beurteilen und das andere so. Was hier geschieht, ist nichts anderes als ein Stückwerk. Einmal mehr wird es zur Gepflogenheit, Gesetze als Stückwerk zu behandeln. Das, was gerade genehm ist und paßt, wird beibehalten, und dort, wo es gerade gut und sinnvoll erscheint, wird eine sofortige Änderung herbeigeführt, ohne andere Auswirkungen zu berücksichtigen.

Wir werden diesem Antrag nicht unsere Zustimmung erteilen. Wir sehen, daß eine Novellierung sinnvoll ist, daß Reformbedarf gegeben ist. Wir anerkennen und vertreten den Standpunkt, daß das UVP-Gesetz kein Verhinderungsgesetz sein soll, aber: Kollege Keppelmüller hat ja gerade ein gutes Beispiel geliefert, wie dieses Gesetz behandelt wird. Er marschiert kurzfristig hier nach


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unten, bringt einen kleinen redaktionellen Abänderungsantrag ein – und niemand von Ihnen weiß, worum es dabei überhaupt geht, aber Sie werden wahrscheinlich zustimmen.

Das ist nicht die Art, wie wir Gesetze in diesem Hause behandelt wissen wollen. Wir werden deshalb unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.40

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist an sich das Wesentliche hiezu gesagt, aber ich möchte es noch einmal auf einen Punkt zuspitzen, weil es rechtspolitisch und rechtsstaatlich außerordentlich ist, was wir hier vorhaben.

Mögen die Befürworter dieses Antrages, die Kollegen Kopf, Keppelmüller und Kuckacka, das noch so wortreich argumentieren: Wenn in einem Gesetz vorgesehen wird, daß Unzumutbarkeit etwas ist, was ein Projekt nicht verhindert – also man definiert zuerst in der Gewerbeordnung den Begriff "Unzumutbarkeit", sagt, etwas ist unzumutbar und darf daher nicht sein; das ist die Philosophie –, und wenn man dann in diesem Zusammenhang eine Novelle beschließt, in der auf einmal steht: Wenn weniger Leute unzumutbar belastet werden und die Belästigung so niedrig gehalten werden kann, wie sie dem erzielbaren Zweck wirtschaftlich angemessen erscheint, dann baut man hier in Wirklichkeit eine endgültige Schleuse für beliebige Projekte. Da habe ich eine Schleuse, die fülle ich mit Wasser, und dann transportiere ich da ein Projekt nach dem anderen durch. Es wäre viel ehrlicher gewesen, wenn Sie gesagt hätten: Wir wollen das überhaupt alles nicht mehr, wir wollen zurückkehren zur Beliebigkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich meine, das ist eine Art und Weise, wie Sie mühsam aufgebautes Vertrauen in das Funktionieren von Rechtsstaat und Umweltverträglichkeitsprüfungen zerstören. (Abg. Großruck: Reden Sie mit den Bürgern draußen! Sie haben ja keine Ahnung!) Wir reden mit den Bürgern, glauben Sie mir das! Ich war auch schon vielfach Betroffener von solchen Verfahren.

Damit machen Sie eine Politik, die heißt: Der Zweck heiligt die Mittel, und wenn wir irgend etwas hier nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln durchbringen können, dann müssen wir eben die Rechtsordnung anpassen. (Abg. Dr. Maitz: Begnadeter Wiederkäuer!)

Wenn Sie meinen, Herr Kollege Maitz, daß ich keine Ahnung davon habe, so ist Ihnen das unbenommen, aber ich sage Ihnen: Ich verstehe wahrscheinlich mehr davon als Sie, denn ich muß gelegentlich solche Verfahren auch durchkämpfen. (Abg. Dr. Maitz: Die Arroganz steht Ihnen gar nicht! Begnadeter Wiederkäuer!) Wir sind unzufrieden mit dem, wie es jetzt ist, denn das ist nicht praxisnahe – aber das, das ist reiner Pfusch, glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Anschober. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung auf 5 Minuten wird angezeigt.

20.43

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal frägt man sich, ob man da im Parlament ist oder im Kabarett. (Abg. Dr. Maitz: Wo ist der Wabl? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Also einige hier fühlen sich sehr berufen, zu kommentieren, daß wir doch eher im Kabarett sind, bei manchen Wortmeldungen zumindest. – Kollege Keppelmüller, der Umweltsprecher der sozialdemokratischen Fraktion begründet die Entsorgung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei wesentlichen Projekten so – ich zitiere wörtlich –: Damit wieder was weitergeht im Straßenbau! – Das ist die Argumentation eines Umweltsprechers?


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Und was hat er dann weiters gesagt? Na und dann schauen wir halt einmal, was dann passiert! Bei der nächsten Novelle können wir ja eh wieder darüber reden. – Dann sind die Landtagswahlen in Oberösterreich vorbei, dann ist die Auftragsarbeit im Sinne der oberösterreichischen ÖVP erledigt. – Kuckacka lacht, er weiß, wovon ich rede. – Dann ist die Politik des Baulandesrates Hiesl in Oberösterreich erledigt, und dann schauen wir, daß nicht mehr soviel weitergeht. Dann bremsen wir wieder ein bißchen, und dann dürfen die Bürger wieder ein bißchen mitreden. Aber wir haben ein paar Umfahrungsprojekte durchgezogen, die Bürger überrollt und gebaut, was zu bauen ist, damit es hoffentlich ein paar Wählerstimmen mehr gibt und damit hoffentlich ein paar Millionen der Baufirmen in die Parteikassen fließen. Darum geht es doch auch, wenn wir ganz offen reden. (Abg. Dr. Höchtl: Das ist ja eine Frechheit, was Sie da sagen! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Das ist der erste Punkt.

Dagegen ist ja die Argumentationslinie des Kollegen Mühlbachler noch ganz offen und ehrlich, der sagt wenigstens, was dran ist: Er will ein paar Projekte durchsetzen. Im wesentlichen, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden durch diese Ausnahmeregelung Projekte unter fünf Kilometer nicht mehr UVP-pflichtig sein und alle entscheidenden, heiß umstrittenen Projekte in Oberösterreich realisiert. Und das geben ja Mandatare zu, das ist eine Lex Oberösterreich, das ist eine Lex Wahlkampf. Das ist doch viel billiger, als wenn die Bundespartei einer Landesorganisation Geld für einen Wahlkampf geben muß. Es ist doch viel gescheiter, für ein Jahr ein Ausnahmegesetz zu schaffen, damit der Rubel rollt, damit die Stimmen rollen, damit wir endlich wieder einmal etwas durchsetzen, und damit endlich wieder einmal etwas weitergeht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Die Bürger in diesem Land werden sich ein derartiges Entrechtetwerden, ein derartiges Drüberfahren über ihre Köpfe von Kuckackas, Mühlbachlers, Keppelmüllers, Hiesls und Konsorten nicht mehr bieten lassen! Der Schuß geht nach hinten los. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie entrechten Tausende Anrainer. Sie entrechten Tausende Betroffene. Sie wollen Tausende Bürger knebeln, damit sie ihre normalen Bürgerbeteiligungsrechte in diesem Land nicht mehr verwirklichen können. Das nennt sich Volkspartei? Das schimpft sich Volkspartei in diesem Haus? (Abg. Dr. Maitz: Jetzt reicht es aber! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Eine Partei, die die Bürgerbeteiligung ausschließen will, eine Partei, die die Bürger unmündig machen will, eine Partei, die die Bürger entrechten will, die nennt sich Volkspartei, meine sehr verehrten Damen und Herren? Also danke! Und das werden die Bürger in Oberösterreich auch sagen: Danke, ÖVP, so nicht, das ist Politik von vorgestern! (Abg. Dr. Maitz: Danke, setzen! – Abg. Dr. Schwimmer: Die Petrovic geht schon! Sie wendet sich mit Grausen ab!)

Sie wissen genau, was der Umweltanwalt von Oberösterreich zu dieser UVP-Gesetznovelle gesagt hat: Das ist das Ende für die Umweltverträglichkeitsprüfung. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie brauchen gar nicht so aufgeregt zu sein, Sie haben es ja durchgesetzt. Sie haben sich ja mit Ihrer steinzeitlichen Betonpolitik in diesem Haus durchgesetzt. Sie haben die SPÖ vorgeführt gegen den Widerstand vieler SPÖ-Mandatare, gegen den Widerstand vieler regionaler SPÖ-Initiativen. Sie haben die SPÖ vorgeführt und haben das, was Pühringer und Hiesl hier gewollt haben, tatsächlich durchgesetzt.

Zu guter Letzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, bringe ich hier noch einen Drei-Parteien-Entschließungsantrag bezüglich Genmanipulation ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Ing. Monika Langthaler, Klara Motter, Dr. Stefan Salzl, Freundinnen und Freunde betreffend Maßnahmen gemäß Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG


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48. Sitzung / Seite 182

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz werden ersucht, das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Sojabohnen (und Produkte, die diese enthalten) mit erhöhter Verträglichkeit des Herbizids Glyphosat (96/281/EWG) gemäß Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG zu unterbinden.

*****

Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit – und wahrscheinlich für Ihre Zustimmung. (Beifall bei den Grünen.)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich möchte folgendes festhalten: Herr Kollege Anschober, die Wortfolge "das schimpft sich Volkspartei" halte ich für nicht ganz mit der Würde dieses Hauses vereinbar.

Die Rednerliste ist damit erschöpft und die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort findet nicht statt.

Wir treten daher in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 440 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Kopf, Dr. Keppelmüller und Genossen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die erwähnten Anträge und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Kopf, Dr. Keppelmüller und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 7 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Kopf, Dr. Keppelmüller und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 7a betreffend § 47 Abs. 2 zum Inhalt hat.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang.

Die restlichen Teile des Gesetzentwurfes enthalten eine Verfassungsbestimmung. Ich stelle daher zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Abgeordneten fest.

Ich lasse jetzt über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Außerdem stelle ich das verfassungsmäßig erforderliche Quorum fest. Der Antrag ist daher angenommen.


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48. Sitzung / Seite 183

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist abermals die Mehrheit.

Das verfassungsmäßig erforderliche Quorum ist gegeben. Ich stelle dies ausdrücklich fest. Der Antrag ist daher auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 440 der Beilagen, und zwar hinsichtlich der Anträge 102/A und 209/A, zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist daher angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Petrovic, Motter, Dr. Salzl und Genossen betreffend Maßnahmen gemäß Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

15. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses betreffend den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1994, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und vom Bundesminister für Arbeit und Soziales (III-22/401 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses betreffend den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1995, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und vom Bundesminister für Arbeit und Soziales (III-37/402 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses betreffend den Gleichbehandlungsbericht (VII/1990 – VI/1995), vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemeinsam mit der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten (III-43/403 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 15 bis 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Haller. – Frau Abgeordnete! Ich erteile Ihnen das Wort.

20.52

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir behandeln zwei Berichte über die Vollziehung der Gleichbehandlungsgesetze in den Jahren 1994 und 1995, die auch Berichte der Gleichbehandlungsanwaltschaft beinhalten. Diese sind auch nach unserem Dafürhalten sehr informativ ausgefallen. Sie zeigen, daß es kleine, aber doch Fortschritte bei der Sensibilisierung in bezug auf Gleichbehandlung gibt und daß eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Frauenorganisationen im Gange ist. Deshalb werden wir Freiheitlichen diesen beiden Berichten zustimmen.


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Nicht zustimmen werden wir dem fünfjährigen und erstmaligen Gleichbehandlungsbericht. Er beinhaltet viel Papier, viele Doppelgleisigkeiten, aber spiegelt trotzdem kein umfassendes Bild über die tatsächlichen Frauenprobleme in Österreich wider.

Die Frau Bundesministerin hat im Ausschuß die Kritik positiv aufgenommen, und ich kann nur hoffen, daß die österreichische Frauenpolitik in Zukunft weniger Papier produziert, weniger Alibiforderungen aufstellt, sondern mehr Nägel mit Köpfen macht. Was ich damit meine, das möchte ich Ihnen sagen, denn das steht in der neuesten "profil"-Ausgabe: Es wird im nächsten Frühjahr ein Frauenvolksbegehren geben. Frauen begehren sozusagen das bereits Übliche: gleichen Lohn, das Recht, Beruf und Kinder zu vereinbaren, soziale Absicherung, Teilzeitarbeit und so weiter.

Das ist vernünftig, aber es ist kein Geheimnis, daß das dieselben Forderungen sind wie vor 15 Jahren. Aber daß mit Johanna Dohnal eine ehemalige, 17 Jahre lang mitregierende SPÖ-Ministerin als Mitorganisatorin eines Frauenvolksbegehrens auftritt, illustriert vor allem eines: Es gibt im Österreich des Jahres 1996 keine Frauenpolitik mehr. Der Marsch durch die Institutionen stockt. Das ist das, was ich meine, und das sind keine freiheitlichen Frauen, die das im "profil" geschrieben haben.

Dasselbe gilt für das, was in der "Presse" vom 12. August stand: Chancengleichheit gibt es nur auf dem Papier. Da geht es um die wirklich unverständlichen Verschlechterungen der Situation von arbeitslosen Frauen durch das Sparpaket. Dem hat die Bundesministerin zugestimmt. Sie hat das zwar im Gleichbehandlungsausschuß bedauert, aber trotzdem setzt sie keine parlamentarischen Initiativen, und sie ist auch nicht imstande, neue Verordnungen diesbezüglich zu veranlassen, sie berücksichtigt einfach nicht die unerträgliche Situation dieser sozial schwachen Frauen.

Ich komme noch kurz auf das Frauenvolksbegehren zu sprechen, das ich bereits angesprochen habe. Mich haben heute die panikartigen Reaktionen der Frauen schon etwas verwundert, als wir Freiheitlichen folgendes gemacht haben, nämlich unsere bisherigen Forderungen, die wir auf parlamentarischer Ebene vertreten haben, in einem Entschließungsantrag zusammenzufassen.

Was meint dieses Frauenvolksbegehren wirklich? (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ja, was Sie meinen, das werde ich Ihnen erklären. Wenn die Frau Kollegin Bauer meint, die FPÖ kille das Frauenvolksbegehren, und wir verhinderten mit diesem Antrag jegliche Basisdemokratie, so hat sie das wirklich mißverstanden. Nach 20 Jahren Basisdemokratie ist es wirklich an der Zeit, nicht mehr nur schöne Lippenbekenntnisse abzugeben, sondern daß sich auch diese österreichischen Frauenpolitikerinnen, die sonst immer das große Wort führen, einmal zu parlamentarischen Initiativen bekennen.

Dieses Frauenvolksbegehren ist wichtig, keine Frage, aber wir wollen nicht, daß die österreichischen Frauen mit Alibiforderungen weiter hinters Licht geführt werden.

Ich zitiere weiter aus diesen Reaktionen: Es spreche Bände, wenn die freiheitlichen Frauen als einzige nicht vom UFF eingeladen worden seien. – Ich glaube, daß es kein besonders gutes Zeugnis für Toleranz ist, wenn man eine doch relativ große politische Gruppe einfach ausschließt.

Eigenartig ist auch die Reaktion der Frau Kollegin Mertel, die von einer "Wendehalspolitik" spricht. Im Gegenteil dazu sagt das UFF: Das sind ja ohnehin nur altbekannte Forderungen der Freiheitlichen. Diese Forderungen hätten nichts mit dem Frauenvolksbegehren zu tun. – Das stimmt auch nicht.

In dem mir vorliegenden Text, der vielleicht nicht der endgültige ist, steht explizit, daß Kinderbetreuung und Pflegearbeit auf die Pension wie Erwerbsarbeit zu wirken hätte. Das ist eine Forderung, die wir Freiheitlichen bereits 1993 bei der Beschlußfassung der 51. ASVG-Novelle in einem Abänderungsantrag eingebracht haben. (Abg. Fuchs: Aber Sie haben damals gegen unsere Anträge gestimmt! Das ist nachzulesen!)


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48. Sitzung / Seite 185

Das sind parlamentarische Initiativen, meine Damen, und da können Sie sich jetzt nicht aus der Verantwortung stehlen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: die sozialrechtliche Absicherung von Tagesmüttern. Dazu habe ich schon zum vierten Mal einen Antrag eingebracht. Er steht morgen auf der Tagesordnung – zum vierten Mal – in erster Lesung. Warum wollen Sie das nicht akzeptieren, daß wir das auf parlamentarischer Ebene fordern? Sie machen nur Lippenbekenntnisse dazu. (Abg. Scheibner: So ist es!)

Wenn das keine frauenfreundlichen Forderungen sind, die wir aufstellen, wenn wir zum Beispiel für Frauen im öffentlichen Dienst eine sogenannte Teilzeitoffensive des Bundes fordern, flexiblere Arbeitszeiten – dieser Antrag ist bereits dreimal eingebracht worden, und die erste Lesung dieses Antrages steht heute noch als letzter Punkt auf der Tagesordnung –, wenn das nicht frauenfreundlich ist, dann weiß ich nicht, was frauenreundlich ist, und dann verstehe ich Ihre Frauenpolitik wirklich nicht. (Abg. Bures: Wie halten Sie es denn mit Gewalt in der Familie in Ihrer Fraktion?) Damit würden neue Arbeitsplätze geschaffen werden, und man könnte Beruf und Kindererziehung und -pflege besser unter einen Hut bringen und besser vereinbaren. (Abg. Bures: Sie sind unglaubwürdig!)

Ich glaube, daß nicht wir den Sinn des Volksbegehrens falsch verstanden haben, sondern die Frauenpolitikerinnen der Regierungsparteien, denn parlamentarische Arbeit, meine Damen, kann sich doch nicht im Dreschen von leeren Phrasen über Frauenpolitik erschöpfen. (Abg. Dr. Mertel: Da haben Sie recht! Da stimme ich Ihnen zu!)

Ich meine, die österreichischen Frauen haben es verdient, daß man hier einmal Nägel mit Köpfen macht, daß man realitäts- und sachbezogene Frauenpolitik macht. Und das beinhaltet unser Entschließungsantrag, der so viel Aufregung hier ausgelöst hat – vielleicht deshalb, weil es ja unübersehbar ist, daß die freiheitliche Frauenpolitik – gerade beim letzten Wahlergebnis sieht man das – immer mehr Zuspruch findet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Sie sind mit Blindheit geschlagen!)

21.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Silhavy vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.00

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der Gleichbehandlungsbericht 1990 bis 1995, dem, Frau Kollegin Haller, wie ich annehme, Ihre ganze Fraktion nicht zustimmen kann, beinhaltet unter anderem die 3. Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz, welche mit 1. 1. 1993 in Kraft getreten ist. Schwerpunkte sind: Verschärfung des Rechtsfolgenkataloges, Erfassung der mittelbaren Diskriminierung, Einbeziehung des Begriffes der Gleichwertigkeit der Arbeit, Aufnahme der sexuellen Belästigung als Diskriminierungstatbestand und anderes mehr.

Die angesprochene Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz ist Bestandteil einer Reihe von Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Verfassungsgerichtshoferkenntnis zum Pensionsanfallsalter.

Damit dieses Gesamtpaket überhaupt umgesetzt werden konnte, wurden die Forderungen von den Gewerkschafterinnen und von drei Fraktionen dieses Hauses vertreten. Die FPÖ, Frau Kollegin Haller, gehörte nicht dazu. – Liest man im "Stenographischen Protokoll" vom 1. 12. 1992 nach, so findet man im Debattenbeitrag der Frau Haller folgenden Satz: "Trotzdem haben ich und die anderen freiheitlichen Frauen es vorgezogen, dieser einheitlichen und quer durch die Parteien gehenden Phalanx von Frauen nicht beizutreten, nicht mit zu streiten bei diesem Paket." – Dementsprechend haben Sie auch dagegen gestimmt.

Genau das, was Sie gerade vorhin behauptet haben, trifft zu: Parlamentarische Arbeit darf nicht aus Phrasendreschen bestehen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn wir uns den Gleichbehandlungsbericht 1995 anschauen, dem Sie ja zustimmen, dann wünschen wir uns auch, daß viele Maßnahmen in vielen Bereichen stärker greifen würden, zum Beispiel, daß Arbeitgeber bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses Frauen nicht mehr diskriminieren oder es Entgeltbenachteiligungen, wie sie im Bericht aufgezeigt sind, endlich nicht mehr gibt. Zweifelsohne ist für uns der Inhalt der Anregungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft zur Weiterentwicklung dieses Gesetzes ein wichtiges Anliegen, zumindest für uns Sozialdemokratinnen.

Dies gilt jedoch offensichtlich nicht für die FPÖ. Denn, Frau Kollegin Haller, als wir im Vorjahr zum Jahresbericht 1993 gesprochen haben, haben Sie festgestellt: "Nicht konform gehen wir jedoch mit dem Großteil der Forderungen, die im Bericht zur Weiterentwicklung des Gleichbehandlungsgesetzes gestellt worden sind." Frau Haller! Wie meinen Sie es dann mit der Gleichbehandlung? – Sie hören ja nicht einmal mehr zu, so uninteressant ist für Sie diese Debatte! Das zeichnet Sie besonders aus! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Haller. – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Zur Situation in den Ländern hat Frau Haller im übrigen auch in diesem Debattenbeitrag im Vorjahr gemeint, daß politischer Druck ein bisserl in Richtung ÖVP einsetzen müßte. Frau Kollegin Haller! Im "Standard" vom 12. November dieses Jahres konnte man nachlesen, daß es in Vorarlberg das Gleichbehandlungsgesetz nicht geben wird, weil die ÖVP-Männer, die Gemeinden und die FPÖ sich durchsetzen konnten. Für die FPÖ stellt nämlich der Entwurf des Gleichbehandlungsgesetzes einen Angriff auf Ehe und Familie dar. (Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.) Das sind die Tatsachen, Frau Kollegin Haller! Sie sagen hier etwas anderes als in den Ländern. So ist Ihre Politik immer! (Beifall bei der SPÖ.) Sie reden so, wie Sie es für sich gerade als günstig erachten! (Abg. Fuchs: Das ist Wendehalspolitik!) Jawohl, Wendehalspolitik ist eine bekannte Bezeichnung dafür!

Es ist auf jeden Fall festzuhalten, daß die FPÖ bislang keinesfalls an einer positiven Politik für Frauen mitgewirkt hat, und sie hat es offensichtlich auch in Zukunft nicht vor. Einer APA-Meldung von heute entnehme ich, daß Frau Riess-Passer sich einerseits beleidigt beklagt, daß sie nicht zur Unterschriftenleistung beim Volksbegehren eingeladen worden ist, andererseits dann aber in einem Entschließungsantrag die Forderungen formuliert, die in dem Volksbegehren enthalten sind. – Sie haben jetzt gerade etwas anderes dazu gesagt, Frau Haller. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß es sich hiebei bloß um eine Polit-Show handelt, nach deren Enttarnung sich heute wieder einmal zeigt, wie unseriös die Freiheitlichen mit Frauen und deren Anliegen in Wahrheit umgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben durchaus recht, wenn Sie sagen, daß es sich bei dem Antrag, der inzwischen vorliegt, um alte FPÖ-Forderungen handelt. Dieser Antrag strotzt allerdings von Widersprüchlichkeiten und Verdrehungen. Das fängt damit an, daß Sie zunächst einmal die Situation der Frauen von heute beklagen. Sie vergessen aber, daß es in den letzten 20 Jahren de facto große Verbesserungen der Lebenssituation der Frauen gegeben hat, die von uns Sozialdemokratinnen umgesetzt wurden! Ich nenne zwei Beispiele: das Mutterschutzgesetz und die Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der Pensionsversicherung. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Frau Haller! Warum haben Sie dagegen gestimmt, als wir hier in diesem Haus darüber abgestimmt haben? Können Sie mir das erklären? (Beifall bei der SPÖ.)

In einem Punkt haben Sie recht: Federführend in der Frauenpolitik in diesem Staat war immer schon die SPÖ und nicht die FPÖ. (Beifall bei der SPÖ.)

Als besonders skandalös empfinde ich aber, daß Sie, unter dem vordergründigen Titel "Frauenangelegenheiten" in einem Antrag verpackt, die Abschaffung des Frauenministeriums fordern. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie werden es den Frauen abgewöhnen, die SPÖ zu wählen! Sie haben es ihnen schon abgewöhnt! ) Das wird die Leute aber freuen, und die Frauen werden sich dadurch sehr gut von Ihnen vertreten fühlen! Das ist ein sehr guter Aspekt! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)


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Es geht in dieser Tonart weiter: Ladenöffnungszeiten darf es ohne Rahmenbedingungen nicht geben! Frau Kollegin Haller! Darf ich Sie an etwas erinnern? – Vor mehr als einem Jahr haben Sie und die ÖVP mit Ihrem Stimmverhalten die Handelsangestellten um einen gesetzlichen Feiertag gebracht! Können Sie sich daran erinnern? Wir werden das den Verkäuferinnen auch überall sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schon allein Ihr Redeschwall ist ein negatives Beispiel für die Frauen!)

Sie haben durchaus recht: Ihr Antrag ist ein Sammelsurium veralteter FPÖ-Forderungen, der nur einen Zweck verfolgt: Besserverdienende besserzustellen und die Frauen zurück an den Herd zu schicken. Dieser Antrag hat jedenfalls mit den Forderungen des Frauenvolksbegehrens nichts gemeinsam. Im Gegenteil: Er ist ein antifrauenpolitisches Gegenstück zu diesem Frauenvolksbegehren.

Dazu möchte ich Ihnen sagen, was uns eine der Vertreterinnen dieses Frauenvolksbegehrens über die APA mitteilt. (Abg. Dr. Partik-Pablé : Wir können nicht einmal zuhören, weil Sie das so herunterratschen!) Es tut mir leid, wenn Sie überfordert sind! Vielleicht dauert Ihnen die heutige Plenarsitzung schon zu lange! Aber eine gewisse Qualität wird ja immer von Ihnen eingefordert! (Beifall bei der SPÖ.) Wenn Sie überfordert sind, kann ich Ihnen aber leider auch nicht helfen!

In der APA ist jedenfalls folgendes nachzulesen: ",Das Frauenvolksbegehren löst leider doch (noch) keine Kehrtwende in der FPÖ-Politik aus‘. So lautete das Resümee des ,UnabhängigenFrauenForums. [...] Eva Rossmann sprach von einem ,Flop‘: Solange Modelle wie der Kinderbetreuungsscheck beziehungsweise ein attraktives Steuersystem für Alleinverdiener verlangt, mit keinem Wort aber der Ausbau von öffentlichen Kinderbetreuungsplätzen, ein Mindesteinkommen von 15 000 S brutto oder bessere Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen erwähnt würden, ,handelt es sich um Frauenpolitik, die mit den Interessen des überparteilichen Frauenvolksbegehrens nicht vereinbar ist‘."

Als besonders schlimm empfinde ich es aber, daß gerade eine Frau sich dazu mißbrauchen läßt und versucht, politisches Kleingeld daraus zu schlagen und eine demokratische Willensbildung auf breitester Basis zu unterlaufen. – Das ist Ihnen aber nicht gelungen, weil Männer und Frauen in Österreich dank sozialdemokratischer Gesellschafts- und Frauenpolitik viel zu sensibel geworden sind, um sich von Ihnen auf solch eine plumpe Art vereinnahmen zu lassen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Noch ein paar solche Frauen, und die SPÖ ist auf Null! – Abg. Dr. Karlsson: Seien Sie doch nicht so nervös, Frau Partik-Pablé!)

21.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Klara Motter zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.08

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann Frauenpolitik auch ruhiger abhandeln. (Beifall beim Liberalen Forum.) Ich werde versuchen, mich mit den Berichten kurz auseinanderzusetzen, denn ich glaube, daß diese Berichte Augenmerk verdienen.

Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Berichte über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes sind sehr aufschlußreich und zeigen einen eindeutigen Handlungsbedarf auf. Gleich zu Beginn möchte ich vorwegnehmen, daß wir nicht Ihrer Auffassung sind, Frau Kollegin Haller, die Sie in bezug auf die Berichte im Ausschuß geäußert haben, wonach in diesen Berichten nicht auf die wirklichen Probleme der Frauen eingegangen wird. Ich meine, das Gegenteil ist der Fall: Es geht klar daraus hervor, daß es gerade die Erwerbstätigkeit ist, die den Frauen ihre Unabhängigkeit sichert und eine sozialrechtliche Absicherung ermöglicht. Durch die Arbeit der Gleichbehandlungsanwältin werden wir über die Probleme von diskriminierten Frauen in der Berufswelt informiert.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch gleich etwas sagen. Ich habe Sie angesprochen, Frau Kollegin Haller! Aber es interessiert Sie ja nicht, daß wir Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen werden.


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Meine Damen und Herren! Besonders informativ ist der Tätigkeitsbericht der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen. Dieser Bericht zeigt auf, daß sich die Zahl der Erstkontakte gegenüber dem Vorjahr wieder erhöht und seit der Einrichtung der Anwaltschaft fast verdoppelt hat. Außerdem hat sich die Tendenz, die schon in den vergangenen Jahren erkennbar war, nämlich zu einer West-Ost-Verlagerung mit Schwerpunkt Wien, weiter verstärkt.

Es zeigt sich auch, daß die Gleichbehandlungsanwältin aus Gründen der Überlastung in den Bundesländern ihre Sprechstunden kaum oder gar nicht mehr abhalten kann. Aus diesen Gründen fordern wir Liberalen, daß endlich eine Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft vorgenommen wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. )

Denn gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besteht angesichts steigender Arbeitslosigkeit gerade bei Frauen die Gefahr, daß Frauen am Arbeitsplatz nicht nur verstärkt Diskriminierungen ausgesetzt sind, sondern generell von den Arbeitsplätzen verdrängt werden.

Frau Ministerin Konrad! Glauben Sie nicht auch, daß es nahezu fahrlässig ist, im Hinblick auf unsere derzeitige Situation erst in zwei Jahren eine Gleichbehandlungsanwältin im westlichsten Bundesland einzusetzen? Die finanzielle Belastung von 1,5 Millionen darf doch kein schlagendes Argument sein!

Meine Damen und Herren! Weiters wird in den Berichten auch ein stark steigender Beratungs- und Begleitungsbedarf sexuell belästigter Frauen aufgezeigt. Es ist für mich erschütternd, daß Frauen, die sich trauen, dies öffentlich kundzumachen, fast zu 100 Prozent gekündigt werden. Deshalb fordern wir Liberalen einen Kündigungsschutz für Frauen im Falle der sexuellen Belästigung. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Kollegin Schaffenrath informierte mich, daß im Gleichbehandlungsausschuß auch über die Landesgleichbehandlungsgesetze gesprochen wurde. Zu meiner Verwunderung haben sich die Frauen von der ÖVP klar dafür ausgesprochen, daß diese Gesetze endlich erlassen werden. – Daher meine Fragen an Sie, sehr geehrte Damen von der ÖVP: Wissen Sie eigentlich, was sich in Vorarlberg zugetragen hat? Meine Vorrednerin nahm bereits darauf Bezug. Wenn Sie nicht zugehört haben, Frau Kollegin Bauer, möchte ich Sie daran erinnern: Sie haben sich doch im Ausschuß klar dafür ausgesprochen – so wurde es mir mitgeteilt –, daß in den Ländern endlich die Gleichbehandlungsgesetze eingeführt werden sollen! Jetzt frage ich Sie noch einmal: Wissen Sie, was in Vorarlberg geschehen ist?

Am 17. Oktober 1996 gab Landesrätin Eva Waibel, ungeachtet all ihrer früheren Aussagen und auch der ihrer Vorgängerin, der jetzigen Frau Ministerin Gehrer, das endgültige Aus für ein Gleichbehandlungsgesetz bekannt. Der Grund für die Ablehnung des Gesetzes war, daß im Kampf gegen Widerstände wenig zu erreichen sei und daß man besser mit dem Wind segeln soll. Ich frage Sie wirklich: Welchen Wind meinen Sie, den Wind der Männer oder der Frauen? Brauchen wir überhaupt einen Wind, wenn wir klar wissen, welche Ungleichheiten es bei uns noch gibt? (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich meine, diese Aussage ist absurd. Einer Frau, die sich die Frauenpolitik auf die Fahnen geheftet hat, ist dies unwürdig!

Vorarlberg hat jetzt ein in erstaunlicher Eile beschlossenes Gesetz, das die Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen zwar vorgibt, aber keine verpflichtende aktive Förderung zur Erhöhung der Frauenquote beinhaltet. Grund dafür ist die Angst vor dem Widerstand der Gemeinden, die dieses Gesetz gar nicht mehr mit einbeziehen. Es handelt sich hiebei um ein reines Alibigesetz. Sind Sie, meine Damen von der ÖVP, mit dieser Lösung, die keine ist, zufrieden? Und wenn nicht: Wo bleibt Ihr Aufschrei? Wir wissen doch alle, und wir vertreten es auch schon lange, daß ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern gerade im öffentlichen Dienst eine Vorbildwirkung für die Privatwirtschaft haben kann.

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen schlußendlich das Gleichbehandlungspaket der Frauenministerin und hoffen, daß die Weiterentwicklung des Gleichbehandlungsgesetzes schneller vorangeht, als dies bisher der Fall war.


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Keine Zustimmung findet der Fünfjahresbericht, weil er veraltet ist, auf das Sparpaket in keiner Weise eingeht und außerdem keine Maßnahmen vorgibt. Von wissenschaftlichen Theorien haben wir nichts, und sie führen auch zu nichts. Was wir in der Frauenpolitik brauchen, sind endlich zielführende und konkrete Vorschläge. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer zu Wort. – Bitte sehr.

21.15

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich jenen anschließen, die bei den Gleichbehandlungsberichten 1994 und 1995 gemeint haben, daß wir damit ein brauchbares Instrumentarium haben, unsere gesetzlichen Initiativen auf ihre Auswirkungen zu überprüfen, und gleichzeitig auch sehen, wo es neue Ansätze geben soll, um den Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen.

Frau Kollegin Motter! Selbstverständlich stehen ich persönlich und auch die Österreichische Volkspartei zu unserer Aussage und zu der auch im Koalitionspapier vereinbarten Erweiterung der Frauenanwaltschaft, zumindest als nächsten Schritt in Tirol eine Gleichbehandlungsanwaltschaft zu schaffen. Ich glaube auch, daß wir, wenn wir weiterkommen wollen, ohne die Landesgleichbehandlungsgesetze nicht auskommen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Motter. )

Frau Kollegin! Werfen Sie mir nicht vor, daß ich hier nicht schreie! Ich fordere vehement, aber wir brauchen in den Bundesländern wirklich den Wind und das Durchsetzungsvermögen. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. ) Herr Kollege Moser! Ich weiß nicht, ob du in Vorarlberg beim Liberalen Forum etwas zu reden hast! (Abg. Hans Helmut Moser: Frau Kollegin Motter hat aber etwas zu reden!) Ich bemühe mich, mit den Frauen zu reden, damit sie auch dort eine gemeinsame Frauenaktivität zustande bringen, um diese Gleichbehandlungsgesetze durchzusetzen. Und das ist nicht leicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.) Ich sage Ihnen: Wir kämpfen zurzeit in Niederösterreich, ein fertiges Gesetz überhaupt durchzusetzen.

Frau Kollegin Motter! Mir geht es nicht darum. Ich bin nicht unbedingt ein friedliebender Mensch, das gebe ich zu. Wenn ich zornig bin, dann streite ich ganz gern. Wenn es sinnvoll ist, mache ich das gerne. Wir sollten nur wirklich versuchen, dort, wo wir uns finden können, unsere gemeinsame Kraft einzusetzen und uns nicht gegenseitig zu bekriegen. Betreffend das Ziel sind wir ja vielfach einer Meinung; über die Wege können wir dann auch in den jeweiligen Ausschüssen oder in anderen Gremien reden.

Ich glaube, es ist sehr wichtig, die Gleichbehandlungsgesetze in den einzelnen Bundesländern zu bekommen, darüber hinaus aber auch Frauenförderpläne. Ich möchte gerne, daß auch die Lehrer miteinbezogen werden. Denn man ist weithin der Ansicht, daß es auf diesem Gebiet ohnedies keine Unterschiede mehr gibt, weil die Frauen gleich viel verdienen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. ) Mir ist die Zeit zu kostbar. Ich unterhalte mich gerne später draußen mit dir, um dir weitere Informationen in Sachen Frauenpolitik zu geben.

Ich glaube, es ist sehr wichtig, daß wir auch hier analysieren, wo die grundsätzlichen Probleme bei den Einkommensunterschieden liegen, warum die Karriere der Frau auf der Stufe zur nächsthöheren Etage beziehungsweise zum besser bezahlten Job, auf dem Weg zum Abteilungsleiter, aufhört. Wir müssen diesem Anliegen unsere besondere Aufmerksamkeit widmen, indem wir den Frauen tatsächlich bei gleicher Qualifikation zu gleichem Einkommen verhelfen, indem wir ihnen hinsichtlich ihrer Aufstiegsmöglichkeiten – in diesem Bereich gibt es immer subtilere Formen der Verhinderung – behilflich sind.

Die Studie der Frau Bundesministerin hat mich aus einem Grund sehr betroffen gemacht: Fast 20 Prozent der Frauen sind im Alter überhaupt nicht versorgt. Ursprünglich war ich der falschen


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Meinung, daß ihnen eine Witwenpension zusteht. Diese Gruppe hat jedoch wirklich gar nichts. Dieser Frauen müssen wir uns annehmen.

Ich habe heute gelesen, daß diese Studie fertig ist. Was ist mit diesen Frauen? – Sie hatten keinen Job, waren nur geringfügig beschäftigt, angelernt, ungelernt, Hilfsarbeiterinnen, Arbeiterinnen in der grauen Zone, hatten keine soziale Absicherung, aber oft viele Kinder: Altersarmut ist die Folge. Dort müssen wir ansetzen! Daher verstehe ich nicht ganz, daß Sie neue Formen der Beschäftigung gerade für diese Kräfte ablehnen, zum Beispiel den Dienstleistungsscheck. Das ist ein absolut vernünftiger Vorschlag von Gitti Ederer. Das wurde in Frankreich und Deutschland bereits erprobt. Wir wollen ähnlich den extramuralen Diensten Möglichkeiten zur sozialen Absicherung und Beschäftigungen für diese Frauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend noch ein Satz zum Frauenvolksbegehren: Ich glaube, daß man eine außerparlamentarische Initiative, eine gewisse Stärke und einen gewissen Aufwind sehr gut brauchen kann. Darum mein Vorwurf an die Frau Kollegin Haller, zu der ich gesagt habe, daß man in dem Moment, in dem man das mit aufnimmt, die Basisdemokratie verhindert. Vom Inhalt her habe ich mit mehreren Punkten, die darin enthalten sind, einige Probleme: Einiges halte ich für nicht durchführbar oder für nicht zielführend. Das andere geht mir zuwenig weit, zum Beispiel daß die Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten in der Familie nur pensionserhöhend und nicht pensionsbegründend sind – um nur ein Beispiel zu nennen.

Ich kann mir vorstellen, daß auch Initiativen aus dem Bereich der Freiheitlichen, über die ich gelesen habe – ich muß mich an die öffentlichen Meldungen halten –, die in diesem Antrag stehen, absolut diskussionswürdig sind. Einige kommen mir sehr bekannt vor, und ich frage mich, ob ich derartige Vorschläge nicht vielleicht doch vor 15 Jahren schon einmal eingebracht habe. Im Ausschuß wird es dann Gelegenheit geben, darüber zu reden. Wir sollten nicht von vornherein abblocken und sagen, das ist braune oder schwarze Ideologie, sondern wir sollten überprüfen, was für Frauen in dieser Situation zielführend ist, damit wir sie wirklich von dieser Armutsgefährdung befreien können. In diesem Zusammenhang sind wir wirklich in allen Bereichen gesprächsbereit, offen und dankbar für jede Initiative. (Beifall bei der ÖVP.)

21.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte sehr.

21.21

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Drei Berichte stehen zur Beratung an. Und die Diskriminierung beginnt eigentlich schon bei der Ansetzung der Berichte auf der Tagesordnung. Seit ich hier im Haus bin, ist es nicht das erste Mal, daß wir die Gleichbehandlungsberichte oder andere Frauenangelegenheiten so spät am Abend und zum Schluß der Tagesordnung beraten. Es wäre gut, wenn wir solche Materien einmal zu Beginn der Tagesordnung behandeln könnten und nicht am Schluß. Das ist nicht unwesentlich, denn um diese Zeit – das kann ich feststellen, wenn ich zu den Galerien hinaufschaue – ist die Öffentlichkeit nahezu ausgeschlossen von dieser Debatte.

Es liegt ein Fünfjahresbericht vor, der unserer Meinung nach schlecht ist und daher unsere Zustimmung nicht bekommt. Er ist deswegen schlecht, weil er nicht wirklich eine Zusammenschau dieser fünf Jahre in sich birgt und weil er vor allem – und das ist die Hauptkritik – nicht auf die wesentlichen Veränderungen aufgrund des Sparpakets 1 eingeht, was für den Berichtszeitraum sehr wohl noch möglich gewesen wäre.

Wenn man sich die wissenschaftlichen Teile, die diesem Bericht angegliedert sind, anschaut – was sehr interessant ist –, findet man allerdings immer wieder dasselbe Bild von den Frauen: In schlagwortartigen Zusammenfassungen wird festgestellt, daß Frauen nach wie vor die schlechtere Bildung und Ausbildung haben, daß es immer schwieriger wird, Beruf und Familie zu vereinen, auch aufgrund der drastischen Einsparungen. Es gibt trotz Gleichbehandlungsgesetz schwierigere Berufseinstiegsmöglichkeiten und Wiedereinstiegsmöglichkeiten nach Karenzzeit und Kinderpause. Es ist ein allgemeiner Rückgang der Erwerbsquote bei Frauen feststellbar,


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was für mich besonders alarmierend ist. Kinderbetreuungsmöglichkeiten fehlen nach wie vor beziehungsweise sind sie nur in völlig unzureichendem Maß vorhanden. Außerdem ist nach wie vor ein unterschiedliches Lohngefälle bei gleicher Tätigkeit vorhanden. Die Frauenanteile sind in den Parlamenten wie in den leitenden Positionen beschämend gering. Die Arbeitslosigkeit betrifft vor allem Frauen, speziell die Altersarbeitslosigkeit.

Die Schlußfolgerungen, die getroffen werden, sind für mich interessant. Analysen und Studien zeigen nämlich immer deutlicher, daß die Gleichbehandlungspolitik dort stärker einfließen muß, wo es auf den ersten Blick und vordergründig gar nicht sosehr um Frauenprobleme geht, nämlich zum Beispiel bei Fragen der Arbeitszeitflexibilisierung, der allgemeinen Lohnpolitik, der Gestaltung von Lohnzuschlägen, der Neugestaltung des Pensionsmodells und überhaupt bei der Reform des Sozialsystems. – Aber genau in diesen Bereichen hat das Sparpaket in den letzten zwei Jahren gegriffen. Gerade in diesen Bereichen sind Maßnahmen gesetzt worden, durch die sich die Situation der Frauen drastisch verschlechtert hat. Genau in jenen Bereichen, von denen die WissenschafterInnen sagen, um einigermaßen zu Erfolgen zu kommen, müßten dort entsprechende Maßnahmen und frauenpolitische Akzente gesetzt werden, wurde aufgrund der Handlungsweise der Bundesregierung und der Mehrheit hier im Haus das Gegenteil bewirkt. Das kann man wieder einmal feststellen, diese Bilanz läßt sich wieder einmal ziehen.

Zum Gleichbehandlungsbericht über die Jahre 1994 und 1995, der unsere Zustimmung bekommt, möchten wir ausdrücklich sagen, daß dieser wie immer einen sehr guten Überblick über die Probleme gibt, mit denen vor allem auch die Gleichbehandlungsanwältin und die -kommission konfrontiert sind, wenn es um Fragen der Gleichbehandlung in der Privatwirtschaft geht. Es werden vor allem wieder sehr, sehr genau die entsprechenden Lösungsmöglichkeiten und -ansätze aufgezeigt. Diese werden jedoch – und da setzt unsere Kritik an – entweder gar nicht oder zuwenig und viel zu schleppend ausgeführt.

Wir können beginnen beim Punkt Regionalisierung: Heute steht erfreulicherweise zumindest in der Zeitung, daß für 1998 nach sehr langem und zähem Ringen nun wahrscheinlich endlich die Regionalisierung in Tirol gesichert ist. Ich formuliere das so, denn ganz glauben werde ich es erst, wenn diese Stelle wirklich eröffnet wird. Dennoch ist uns das noch immer zuwenig. Denn wir wissen seit Jahren, daß geklagt wird, daß die Arbeitsbelastung der Gleichbehandlungsanwältin immer mehr zunimmt und daß es seit 1995 keine Sprechstunden in den Bundesländern mehr gibt. Das ist für uns eine unerträgliche Situation!

Wir haben das im Ausschuß diskutiert. Wir haben den Appell an Sie gerichtet, vor allem auch an die Kolleginnen von den großen Parteien, diesen Bericht nicht einfach schweigend zur Kenntnis zu nehmen und sich zurückzulehnen und einfach das Votum der Männer, die das Sagen in ihrer Partei haben, daß kein Geld vorhanden sei, zur Kenntnis zu nehmen. Denn es kann nicht wahr sein, daß 1,2 bis 1,5 Millionen Schilling, die eine erste Stelle erfordern würde, nicht auch schon im nächsten Jahr vorhanden sind, da es doch um ganz dringende, existentielle Probleme der Frauen geht.

Wir haben gerade im Budgetentwurf der Oberösterreicher für nächstes Jahr geblättert. Dieser ist bezeichnend für die Situation, mit der auch Sie als Frauen sich immer zufriedengeben, daß nämlich kein Geld für die Frauen da ist. Aus diesem Budgetentwurf – das kann man wahrscheinlich mit ähnlichen Beispielen auf den Bund übertragen – geht hervor: Für die Frauenförderung werden 1,5 Millionen aufgewendet, für die Fischerei 2,1 Millionen, für die Jagd 3,2 Millionen. Das ist endlos fortsetzbar. Das ist die Situation der Frauen in diesem Land! Sie geben sich damit zufrieden, daß kein Geld vorhanden ist, und nehmen das schweigend zur Kenntnis. Wir möchten daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander, Freunde und Freundinnen betreffend Einrichtung einer regionalen Gleichbehandlungsanwältin

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, die Einrichtung der ersten regionalen Gleichbehandlungsanwaltschaft in Tirol im Jahre 1997 sicherzustellen.

*****

Die Begründungen liegen auf dem Tisch: Sie sind im Gleichbehandlungsbericht enthalten. Es gibt deren viele, und es besteht dringender Handlungsbedarf.

Nun noch eine Ergänzung dazu: Wenn man vor allem berücksichtigt, daß in den letzten zwei Jahren die Mehrzahl der Beschwerden und die Mehrzahl der Kontakte zur Gleichbehandlungsanwältin immer das Faktum der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz und der sexuellen Diskriminierung betrafen, und bedenkt, daß auf diesem Gebiet die Rechtsinstrumente völlig ungenügend sind, dann wird klar, daß es dringend notwendig ist, daß zumindest einmal eine Anlaufstelle für die Frauen in den westlichen Bundesländern geschaffen wird, wo sie beraten und unterstützt werden. Denn immer häufiger kommen betroffene Frauen zu diesen Beratungsstunden bereits mit Klagen von Rechtsanwälten der Belästiger, in denen sie aufgefordert werden, wegen Verleumdung – also unter Androhung der Verleumdungsklage! – die Beschwerde wieder zurückzuziehen. Das sind unhaltbare Zustände, die, wie ich jetzt nur an einem Detail aufgezeigt habe, immer stärker offensichtlich werden. Abhilfe ist daher unserer Meinung nach dringend notwendig.

Wenn die sogenannte kleine Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz hier im Haus vorliegt, werden wir daher das schon lange von uns geforderte Recht der belästigten Frauen auf Beschwerde und vor allem auf absoluten Kündigungsschutz thematisieren. Denn alle diesbezüglichen Beschwerden führen früher oder später zur Kündigung der betroffenen Frau. Zumindest diese Rechte sollen in dieser kleinen Novelle verankert und nicht auch noch auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt werden! – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den die Frau Abgeordnete vorgetragen hat, entspricht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und steht zur Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. Ich erteile es ihr.

21.30

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad: Meine Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Die Berichte, die heute hier zur Debatte stehen – Sie haben es fast alle gesagt –, geben doch ein klares Bild vom Fortgang der Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen, und sie zeigen vor allem deutlich, daß ein großer Bedarf an der Gleichbehandlungsanwältin und auch der Gleichbehandlungskommission, ein steigender Bedarf, gegeben ist. Zu Recht fordern Sie ein, daß die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft endlich durchgeführt wird.

Das ist auch mein Anliegen. Das möchte ich hier noch einmal sehr deutlich sagen. Ich muß aber auch darauf hinweisen, daß mit dem Budget 1996/97 auch der Stellenplan mit beschlossen wurde, und es ist dies nicht so sehr ein finanzielles – obwohl es das auch ist – als ein Problem der Planstellen, die zur Verfügung gestellt werden müssen.

Ich bin froh, daß es endlich gelungen ist, eine klare Zusage für die Anwaltschaft, die wir im Westen Österreichs einrichten wollen, für 1998 zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jedenfalls wollen wir damit den ersten Schritt setzen. Sie wissen – und wir haben auch im Ausschuß darüber geredet –, daß ein Stufenplan meinerseits vorliegt, wie der Ausbau der Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft vor sich gehen soll.

Der nächste Schritt könnte sein, jetzt einmal im Westen eine einzurichten und dann vielleicht eine im Süden. Weiter fortsetzend wäre es sicher sinnvoll, in jedem Bundesland eine Gleichbe


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handlungsanwältin zu haben, denn die Berichte zeigen sehr deutlich, daß Frauen weniger mobil sind, daß Frauen Schwierigkeiten haben, lange Anreisen durchzuführen. Also wäre es sinnvoll, in jedem Bundesland solch eine Anlaufstelle zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Berichte zeigen auf der einen Seite sehr deutlich, was geschehen ist, und listen auf, mit welchen Beschwerden und Anliegen sich die Frauen an Kommission und Anwältin gewandt haben, und auf der anderen Seite sind die Berichte auch dazu da, daß wir klar auf den Tisch legen, was sich getan hat, was wo weitergegangen ist, und sie sind auch dazu da, daraus Schlüsse für eine weitere Entwicklung zu ziehen.

Angeschnitten wurde von Ihnen bereits, daß die sogenannte kleine Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz bereits in Begutachtung war, welche am 15. November abgeschlossen wurde, und demnächst dem Parlament zugehen wird. Diese Novelle enthält einen ganz wesentlichen Teil: die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Das ist ja notwendig, um sie überhaupt einrichten zu können.

Aus diesen Berichten ziehen wir Schlüsse für das, was weiter geschehen soll. Einiges ist angeschnitten worden. Wir haben es in Frauenkreisen und auch im Ausschuß bereits vordiskutiert. Aus meiner Sicht müßte es zu einer Neuerlassung des Gleichbehandlungsgesetzes kommen. Das wird durch die vielen Novellen notwendig; das Gesetz ist aber auch nur männlich abgefaßt. Also hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

Es muß zur Aufhebung der Schadenersatzobergrenzen kommen. Die Schadenersatzobergrenzen sind nicht EU-konform. Das muß also geschehen.

Es soll aus meiner Sicht zur Aufnahme eines Gebotes zur betrieblichen Frauenförderung kommen. Also es geht nicht nur darum, daß Frauenförderung zugelassen ist, sondern es geht um ein festgeschriebenes Gebot zur betrieblichen Frauenförderung.

Es soll aus meiner Sicht zur Ausweitung der Verwaltungsstrafen gegen Arbeitgeber kommen.

Es ist notwendig – das zeigen auch die Berichte –, daß der Handlungsspielraum der Gleichbehandlungsanwältin erweitert wird. Ich denke da an Nebenintervention beziehungsweise eigenständige Klagslegitimation der Anwältin in Arbeitsgerichtsprozessen.

Es muß die Beweislastverlagerung nicht nur weiter diskutiert, sondern auch festgeschrieben werden. Gerade bei der Bewerbung sind Frauen massiv benachteiligt, weil sie nicht im ausreichenden Maße über die entsprechenden Informationen verfügen. Und selbstverständlich – das ist von Frau Abgeordneter Kammerlander angeschnitten worden – ist ein Kündigungs-, Versetzungs- und Viktimierungsschutz notwendig. Das werden wir dringend verhandeln.

Nach wie vor denke ich an die Einrichtung eines Rechtsschutzfonds, der es möglich macht, wichtige Fälle auch bis zum EuGH hochzuziehen.

Sie haben auch angeschnitten, daß die Landesgleichbehandlungsgesetze ausständig sind. Das ist in der Tat richtig. Ich habe alle Länder, die die Landesgleichbehandlungsgesetze noch nicht erlassen haben, aufgefordert, dies raschest zu tun. Es wird bei der EU demnächst eine Kommission tätig werden, die auf Säumigkeit bei der Umsetzung dieser Gesetze überprüfen wird, und danach muß es entsprechende Maßnahmen geben, die dann möglicherweise nicht mehr im Bereich der Länder liegen.

Sie haben auch angeschnitten, daß es unbedingt notwendig ist – und ich bin schon einige Zeit in diesem Bereich aktiv –, Frauen im Alter abzusichern. Ich habe eine Studie zur eigenständigen Absicherung der Frauen im Alter in Auftrag gegeben. Diese Studie und die daraus resultierenden Projekte und Kombinationsmöglichkeiten werden wir gemeinsam diskutieren. Ich habe zuerst einmal, weil es die Frauen im besonderen Maße betrifft, die Frauen dieses Hauses eingeladen. Wir werden am 10. Dezember Gelegenheit haben, diese Module und ihre Zusammenstellung in sinnvoller Weise zu diskutieren und ein möglichst günstiges Modell für Frauen gemeinsam zu erarbeiten. Ich orte in diesem Zusammenhang sehr viel Interesse von allen


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Fraktionen und bin eher zuversichtlich, daß wir rasch eine entsprechende Lösung finden werden.

Sie haben auch angeschnitten, daß es dringend notwendig ist, qualifizierte Beschäftigungsangebote für Frauen zu machen. Hier versucht die Frauenministerin so initiativ zu sein, wie sie das mit ihren bescheidenen Mitteln kann, und Möglichkeiten in anderen Bereichen anzuregen. Als Beispiel möchte ich Ihnen sagen, daß ein Arbeitskreis tätig ist, der einen Problem- und Forderungskatalog zum Bereich Frauen und neue Technologien erarbeitet hat und auch gemeinsam mit Bundesbediensteten überlegt, wie eine konkrete Umsetzung im öffentlichen Bereich aussehen kann.

Es ist notwendig, Frauenarbeitsplätze in zukunftsträchtigen Wirtschaftssparten zu schaffen, etwa im Bereich der Telekommunikation, der Informationstechnologien, der Umwelttechnik und in anderen Bereichen mehr. Hier gibt es modellhafte Projekte und Überlegungen von uns. Ich darf an die große, österreichweite Konferenz erinnern, die wir vor zehn Tagen in Villach durchgeführt haben und die sich mit neuen Wegen auf dem Arbeitsmarkt für Frauen beschäftigt hat.

Ich erinnere Sie auch daran – ich werde demnächst Gelegenheit haben, das zu präsentieren –, daß wir eine Studie über Möglichkeiten für Existenzgründerinnen haben erstellen lassen und ich versuchen werde, ein Projekt, das wir "Business-center für Frauen" genannt haben und das sich schließlich einmal selbst tragen soll, zumindest anzuregen oder vorweg einmal zu initiieren.

Wir führen Projekte zur Frauenförderung im Betrieb durch. Ich möchte nicht zuletzt erwähnen, daß auch der Umstand, daß ich die Frauenservicestellen gesetzlich und auch finanziell entsprechend abzusichern plane, dazu beiträgt, qualifizierte Frauenarbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Hannelore Buder zu Wort. – Bitte sehr.

21.39

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich gebe meiner Vorrednerin hier am Pult recht, wenn Sie sagt, die Zeit, zu der wir die Gleichbehandlungsberichte diskutieren, ist immer eine nächtliche, obwohl ich meine, daß die Gleichbehandlungsberichte nicht zu verstecken sind und wir sie auch nicht zu verstecken brauchen.

Wenn wir heute wieder Gleichbehandlungsberichte diskutieren und zum Teil auch kritisieren, möchte ich doch vorerst einmal sagen, daß das Gleichbehandlungsgesetz ein wirkungsvolles Instrument zur Verbesserung der Situation der Frauen in der Arbeitswelt, aber auch zur Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Situation ist. Und ich möchte auch den Verfassern dieser Berichte danken, denn es ist ihnen wirklich ein umfangreiches und gutes Werk mit diesen Berichten gelungen.

Wir sprechen heute über die Gleichberechtigung, über die Gleichbehandlung und über die Gleichwertigkeit. Das Gleichbehandlungsgesetz ist bestrebt, daß diese drei Werte zur Realität werden, und sorgt durch seine Signalwirkung auch für ein Umdenken und für Veränderungen.

Es kann und darf nicht sein, daß Frauen aufgrund ihres Geschlechtes benachteiligt sind oder benachteiligt werden. Diese Berichte zeigen auf, daß es trotz vieler positiver Veränderungen für die Frauen nach wie vor so ist, daß Frauen bei gleicher Qualifikation noch immer bis zu einem Drittel weniger verdienen als die Männer.

Die Ungleichheit ist allerdings nur in Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen meßbar. Das mittlere Monatseinkommen männlicher Arbeiter betrug 1994 19 610 S, das der Arbeitnehmerinnen 12 762 S brutto. Was die Angestelltengehälter betrifft, erhielten die Männer


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im Durchschnitt 28 154 S brutto, die Frauen hingegen nur 17 280 S. Frauen sind nach wie vor in den unteren Einkommensklassen überrepräsentiert, denn noch 1993 zeigt uns die Statistik, daß bei den Arbeitern mit einem Monatseinkommen von weniger als 12 000 S zwar 80 000 Männer betroffen waren, aber noch viel mehr Frauen, nämlich 135 000.

Trotzdem wurden dank der Lohnpolitik der Gewerkschafter Fortschritte erzielt, auch dadurch, daß in den unteren Einkommensschichten Sockel- und Mindestbeträge eingezogen wurden. Und diese Verbesserungen kamen gerade den Frauen zugute, denn sie sind es ja, die im unteren Lohnbereich angesiedelt sind.

Natürlich findet diese Situation bei den Frauenpensionen ihre Fortsetzung, denn die durchschnittliche Alterspension von männlichen Erwerbstätigen liegt im Vergleich zu jener der Frauen um 6 000 S höher.

Unser Ziel muß es sein – und da gebe ich Ihnen, Frau Abgeordnete Bauer, schon recht –, daß für alle Frauen eine eigenständige Existenz- und Alterssicherung gewährleistet ist. Und die Frauenministerin hat ja gerade erzählt, daß sie Studien erarbeiten ließ, die dieses Ziel anstreben. Und ich glaube, im besonderen wir Frauen sollten unsere Ministerin in diesem Punkt tatkräftig unterstützen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es wirklich höchst an der Zeit, daß die tatsächliche Gleichstellung auch in der Verfassung verankert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, es müßte im Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes lauten: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Es ist Aufgabe des Staates, auf die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern hinzuwirken und Benachteiligungen zu beseitigen. Maßnahmen zur Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern sollen absolut zulässig sein.

Wir sozialdemokratischen Frauen wollen auch Änderungen in den §§ 90 und 91 des ABGB, denn es soll festgelegt werden, daß der Realisierung der Ehe auf partnerschaftlicher Basis entsprochen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir Frauen haben als Ziel Gleichbehandlung und Gleichwertigkeit. Dieses Ziel ist sicher kein unrealistischer Wunsch. Schon der Heilige und Kirchenlehrer Augustinus sagte: Hätte Gott gewollt, daß die Frau dem Manne diene, so hätte er sie aus seinen Füßen gemacht. Hätte Gott gewollt, daß die Frau über den Mann herrsche, hätte er sie aus dem Kopf des Mannes geschaffen. So aber nahm er sie aus seiner Seite und stellte sie gleichberechtigt neben ihn.

Diese Gleichberechtigung fordern wir in allen Belangen, denn wir sind nicht mehr bereit, hinter dem Mann – unter Umständen noch in gebückter Haltung – herzugehen, sondern wollen gleichberechtigt an seiner Seite gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu fehlen uns realistisch betrachtet noch viele Schritte. Wenn diese gemacht sind, dann, Frau Bundesministerin, Hohes Haus, brauchen wir nicht mehr über umfangreiche, sehr wertvolle und wichtige Gleichbehandlungsberichte hier im Hohen Haus zu diskutieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schöggl. Er hat das Wort.

21.46

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! (Abg. Dr. Haselsteiner: "Frau Ministerin" heißt das!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man braucht als Mann angesichts dieser Phalanx schon ein bisserl Mut, da herauszugehen. Ich werde mich bemühen, von der männlichen Seite her zum Thema Gleichberechtigung und Gleichbehandlung etwas beizutragen. Der zuständige Ausschuß heißt Gleichbehandlungsausschuß und nicht Frauenpolitischer Ausschuß, und ich bin der Meinung, zur


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Gleichbehandlung gehören beide Seiten, sowohl Männer als auch Frauen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn uns auch die Kollegin Silhavy in ihrer bekannt sympathischen Art die Angelegenheiten der Frauen so eindringlich vor Augen geführt hat – vor allem uns Männern ist das wirklich durch Mark und Bein gedrungen –, so weiß ich doch nicht, ob das die Angelegenheiten der Frauen tatsächlich weiterbringt. (Abg. Dr. Mertel: Ist das ein Vorrecht von der Frau Haller?) Auch Sie, Frau Dr. Mertel, sind ja eine ausgesprochen positive Vertreterin Ihres Geschlechts, aber ich denke, daß auch wir Männer eingebunden werden und mit den Frauen diesbezüglich reden und zusammenarbeiten müssen. Ich weiß schon, daß es vielleicht der einen oder anderen recht wäre, wenn man die Männer abschaffen könnte. Aber sie brauchen uns ja auch! (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Bei der Durchsicht der Rednerliste habe ich festgestellt, daß ich der einzige männliche Redner von 15 Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt bin, und ich bedauere es wirklich sehr, daß sich nicht mehr männliche Kollegen dem Thema Gleichbehandlung und Gleichberechtigung widmen und damit auseinandersetzen. (Abg. Dr. Graf: Deine Werbung wird Erfolg haben!)

Frau Kollegin Horngacher hat ja in der letzten Ausschußsitzung festgestellt, daß dieser Ausschuß eher als frauenpolitischer Ausschuß zu bewerten ist und vom Thema Gleichbehandlung und Gleichberechtigung, was die Männer betrifft, in diesem Ausschuß sehr wenig zu spüren ist. Und ich halte das für grundsätzlich falsch, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn Gleichbehandlungsfragen gehören partnerschaftlich gelöst, und dazu gehören eben Männer und Frauen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können nämlich nur gemeinsam am weiteren Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen arbeiten. Und hier sind zum Beispiel wieder die Familien gefordert. Auch wenn in diesem Haus manche Gruppierungen ein sehr, um nicht zu sagen, eigenartiges Familienbild haben, ist im Rahmen der Kindererziehung darauf hinzuarbeiten, daß für die Kinder partnerschaftliches Verhalten, Gleichberechtigung und Gleichbehandlung zur Selbstverständlichkeit werden. Und der Zug fährt in diese Richtung, allein wenn Sie in Betracht ziehen, daß zum Beispiel die Mehrzahl der Studierenden an den Universitäten bereits Mädchen sind. Ich finde das vollkommen in Ordnung, und wir Freiheitlichen bekennen uns auch zur Gleichberechtigung und Gleichbehandlung. Aber einseitige Diskriminierung lehnen wir ab. Und das muß für Männer und Frauen gelten.

Darum wenden wir uns ganz entschieden gegen die immer wieder erhobene Forderung, Frauen einseitig zu bevorzugen, bis gewisse Frauenquoten erreicht sind. Im freiheitlichen Klub zum Beispiel – ich habe mich da ein bißchen umgehört – möchte keine einzige der Kolleginnen eine sogenannte Quotenfrau sein. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir anerkennen unsere Kolleginnen und unsere Partnerinnen aufgrund ihrer Persönlichkeit und aufgrund ihrer Fähigkeiten und nicht deswegen, weil wir eine entsprechende Quote zu erfüllen hätten.

Wir treten auch zum Beispiel für die Öffnung des Bundesheeres für Frauen ein – es ist viel davon geredet worden, bisher gibt es aber wenig sichtbare Erfolge –, unterstützen aber auch die Forderung nach Abschaffung des für Frauen sehr diskriminierenden Nachtarbeitsverbotes. Da ist bisher nichts weitergegangen – bis auf die Bäckerinnen, die man davon ausgenommen hat und die jetzt auch in der Nacht die Brötchen backen dürfen – auch für uns Männer. Es hat sich bisher an dieser für Frauen sehr diskriminierenden Vorgangsweise nichts geändert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, und zwar auf die geplante und gewünschte Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Es gibt jetzt so einen Trend oder eine Tendenz, für alles spezielle Anwälte einzusetzen. Wir haben einen Volksanwalt, einen Patientenanwalt, einen Umweltanwalt, einen Konsumentenanwalt, einen Autofahreranwalt, Jugendanwälte und so weiter. Ich glaube, wir haben derzeit eine


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Fülle von Anwaltschaften, die wir uns irgendwann einmal gar nicht mehr werden leisten können. Und ich glaube, daß diese Entwicklung sehr, sehr kritikwürdig und nicht zielführend ist.

Wir haben zum Beispiel in Österreich ein sehr dichtes Netzwerk von freiberuflich tätigen, niedergelassenen hochqualifizierten Anwälten. Warum sollen denn diese nicht in ihrem dichten Netzwerk die Agenden der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung übernehmen? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir werden uns bemühen, diesbezüglich einen Antrag einzubringen, um diese Dienstleistung von niedergelassenen Anwälten durchführen zu lassen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zugang zum Recht soll für alle gleich möglich sein. Wir denken aber, diese Maßnahme, daß wir dieses dichte Netzwerk von rechtskundigen Anwälten zum Wohle der Gleichbehandlung einsetzen, wäre sehr zielführend. Denn wenn wir auf die Regionalisierung mit Hilfe von Budgetmitteln warten, dann warten wir wirklich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, und das würde ich den Frauen und uns allen, denen an der Gleichbehandlung etwas liegt, nicht wünschen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Sie hat das Wort.

21.52

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Nach der kleinen Werbeeinschaltung für die Anwaltschaftskammer hat der Mann vor mir gesagt, er wüßte, was die Frauen wünschen. Ich hingegen beziehe mich zum Beispiel auf das Linzer market-Institut, das aktuell zu den Haltungen von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft jüngst erhoben hat, daß sich 68 Prozent – also mehr als zwei Drittel – von der Regierung berufliche Chancengleichheitspolitik erwarten, daß sich 56 Prozent der Frauen mehr Teilzeitjobs wünschen, 55 Prozent kinderfreundliche Arbeitsplätze mit angeschlossenen Kindergärten und 52 Prozent bessere Chancen für alleinerziehende Mütter. (Abg. Dr. Mertel: Wie alt ist diese Umfrage?) Die Umfrage ist ganz aktuell.

Ein bißchen Sorgen macht mir das Ergebnis einer aktuellen Erhebung des Demographischen Instituts im Auftrag des Jugend- und Familienministeriums – und da gibt es Handlungsbedarf, da können wir nicht lange zuwarten –, nämlich: Wie schaut es mit den Kinderwünschen aus? Wie schaut es mit dem Mut für die Zukunft aus? Sechs von zehn Frauen wollen keine Kinder. Warum? – Weil sie mutlos in die Zukunft sehen, weil sie Beruf und Haushalt als Belastung empfinden und sich eigentlich alles um die zentrale Frage der Arbeit rankt. – Sechs von zehn Frauen wollen keine Kinder haben! Das macht mir in Wirklichkeit Sorgen.

Meine Damen und Herren! Es gibt Handlungsbedarf, und es gibt ihn aktueller, als man es sich vorstellen kann.

Ich mache in diesem Zusammenhang gerne einen Seitenverweis auf den diskutierten Entschließungsantrag der Kolleginnen Haller und Co. Ich frage mich, ob sie das ernst nimmt, wenn hier zum Beispiel Sätze vorkommen wie: Es ist gefordert die "volle Wahlfreiheit von Frauen zwischen Beruf und Familie oder Familie und Beruf". Noch einmal: "Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie oder Familie und Beruf". – Bitte, kann mir jemand sagen, wo der Unterschied liegt?

Begründet wird dieser schwer nachvollziehbare Satz damit, daß nach der jüngsten Metropolenforschung der Europäischen Union Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei den jungen Frauen besonders aktuell sei. Also dazu habe ich nicht den aktuellen Entschließungsantrag vom 28. 11. gebraucht!

In der Folge findet sich dann eine Ansammlung von Forderungen, die miteinander nichts zu tun haben und teilweise Wiederholungen sind. Also das war ein bißchen schnell geschossen. (Abg. Dr. Graf: Sie haben es nicht verstanden! Wir nehmen es zur Kenntnis! – Abg. Ing. Reichhold: Welche Vorschläge haben Sie?) Ich kann lesen, Herr Abgeordneter, ich muß dazu nicht vorher


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in die Überlegungen der Anwaltschaftskammer eingeführt werden. – Sie kennen unsere Vorschläge. Sie hätten sich in den Protokollen und in den Papieren darum bemühen können.

Warum meine ich, es sei Handlungsbedarf gegeben? Und worin liegt er besonders begründet? Längere Arbeitszeit ist ein Machtsymbol: Das ist bei der Frauenkonferenz in Villach sehr manifest und gut begründet gesagt worden. Und worin liegt das? Durch unsere jahrtausendealte Tradition, daß sich Männer über das "Leben draußen", über das öffentliche Amt, über den Beruf definieren, haben sie vergessen, daß es daneben auch noch interessante, reizvolle, dimensionenerweiternde Aufgaben gibt, und sie kommen gar nicht auf die Idee, zu sagen: Ich könnte mir meinen Tagesablauf anders vorstellen.

Also hier, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Handlungsbedarf in der Arbeitszeitpolitik gegeben. Ich verweise noch einmal auf das market-Institut, auf die demographische Untersuchung vom Jugend- und Familienministerium. Es geht um Teilzeitfragen; Länder wie die Niederlande oder Dänemark sind uns hier voraus. (Abg. Dr. Graf: Das wissen wir ja alles schon!) Dazu brauche ich keinen Antrag von der FPÖ! Das ist richtig.

Hier müssen wir ansetzen und radikale Einschnitte machen: in die Pensionspolitik, in die Sozialpolitik, in die Versichertenpolitik. Hier ist zu beginnen, sonst bleiben wir wieder nur in der bekenntnishaften Formel.

Ich schließe gerne mit einem Beispiel, das so signifikant dafür ist, daß wir ein Umdenken brauchen und daß Frauenpolitik, wie schon gesagt wurde, Männerpolitik ist. Ein Kollege aus dem Süden unseres Landes, mir sehr lieb und wert, sagte mir unlängst: Die Frau soll doch zufrieden sein. Sie hat 9 000 S, kann es sich leichtmachen, hat einen Garten, da kann sie das Gemüse ziehen, und mit der Nachbarin kann sie kooperieren. Einen gutverdienenden Mann hat sie auch, sie soll doch zufrieden sein.

Ich habe darauf gesagt: Bitte dreh das Beispiel um: Soll er doch zufrieden sein. (Abg. Dr. Graf: Der Mann muß ÖVP-Mitglied sein!) Er hat eine gutverdienende Gattin, einen Garten, den er ja auch bepflanzen kann, und er kann sich mit der Nachbarin oder dem Nachbarn kurzschließen in der Kinderbetreuung. Was will er denn? (Beifall bei der SPÖ.)

Daraufhin ist er aufgewacht und hat gesagt: Ich habe überhaupt nicht gesehen, was mit uns Männern passiert ist. – Dieses Aufwachen wünsche ich mir, dann können wir an die gemeinsame politische Umsetzung gehen! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte sehr.

21.57

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! – Frau Ministerin, 400 000 Frauen sind in Österreich ohne eigenen Pensionsanspruch. Ich freue mich wirklich, daß Sie diese Studie in Auftrag gegeben haben, und ich merke daran auch, daß es Ihnen wirklich auch persönlich ein Anliegen ist, an diesem Unrecht, an diesem sozialen Unrecht etwas zu verändern. Denn wenn man sich vorstellt, daß 400 000 Frauen – beinahe eine halbe Million Frauen! – ohne Absicherung in das Alter gehen, dann muß man wirklich sagen, daß das eine erschreckende Tatsache ist.

Warum sind 400 000 Frauen in Österreich ohne Pensionsabsicherung? – Frau Ministerin, dieser Trend wurde durch das Sparpaket verstärkt, und zwar massiv verstärkt. Ich kann Ihnen nur ein Beispiel von den Bäuerinnen bringen: 1991 wurde die Bäuerinnenpension eingeführt, und da hat man den Bäuerinnen, die über 45 Jahre alt waren, die Möglichkeit gegeben, sich entweder für die sogenannte alte Regelung – das heißt gemeinsame Pension – oder für die neue Regelung – sprich Bäuerinnenpension – zu entscheiden. Den Bäuerinnen ist versprochen worden, daß sie, wenn sie 60 Versicherungsmonate haben, ein Anrecht auf eine Pension haben.

Frau Ministerin! Und jetzt, im Jänner 1996, haben Sie diese Zeit, die fünf Jahre, auf zehn Jahre erhöht. (Abg. Dr. Graf: Unglaublich!) Sie haben die notwendige Versicherungszeit um 100 Pro


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zent erhöht, obwohl den Frauen vorher etwas ganz anderes versprochen worden ist. Da wäre eine Reparatur ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Mit den Stimmen der ÖVP!) Natürlich mit den Stimmen der ÖVP, na selbstverständlich! Man hat ganz einfach die Versicherungsmonate für die Bäuerinnen verdoppelt. (Abg. Dr. Graf: Das gibt es ja nirgends, in keiner Berufssparte! – Weiterer Zwischenruf der Abg. Hagenhofer. )

Selbstverständlich, Frau Kollegin! Da gebe ich Ihnen recht, Sie vergessen dabei aber etwas: Die Bäuerinnenpension ist erst 1991 eingeführt worden (Zwischenrufe bei der SPÖ), und zwar auch für Bäuerinnen, die schon 20 oder 30 Jahre als Bäuerin gearbeitet haben, Frau Kollegin! (Abg. Ing. Reichhold: Es geht um den Bruch eines Versprechens!) Ja. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht um den Bruch eines Versprechens und um die Änderung eines Vertrages, Frau Kollegin! Ich meine, daß das der Situation der Bäuerinnen absolut unwürdig ist. Ich würde mich selbstverständlich genauso dagegen wehren, wenn man das bei den Arbeitnehmerinnen machen würde, keine Frage! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Es handelt sich um den Bruch eines Versprechens!)

Es ist meine persönliche Meinung, daß die Tatsache, Kinder bekommen und Kinder erziehen zu können oder zu müssen, eine ganz entscheidende Entwicklung bei Frauen nach sich zieht. Die Frau ist sich dessen bewußt, welche Aufgabe sie übernimmt, wenn sie ein Kind bekommt. Die Politik in diesem Land macht es den Frauen jedoch immer schwerer, den Anforderungen der kommenden Generationen gerecht zu werden. Es ist da wirklich eine Fehlentwicklung im Gang. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Kind braucht die Mutter nicht nur zwei oder drei Jahre. Es braucht die Mutter, die Geborgenheit und die Familie viel länger. (Abg. Fuchs: Lebenslang, Frau Kollegin!) Wenn eine Frau aber länger bei ihren Kindern bleiben will, dann ist sie im Alter ohne Pensionsberechtigung. Ich meine, daß die Erziehungsarbeit eine der wichtigsten Arbeiten in dieser Republik ist, und sie muß sozial abgesichert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Fuchs: Dann hätten Sie dieser Novelle zugestimmt!)

22.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Brunhilde Fuchs. – Sie hat das Wort.

22.02

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es fällt mir jetzt ein bißchen schwer, meine vorbereitete Rede hier vorzutragen, ohne vorher zu den Ausführungen der Frau Kollegin Aumayr etwas zu sagen. (Abg. Ing. Reichhold: Sagen Sie doch etwas!)

Es ist wirklich so: Kurz vorher haben Sie eine Kollegin aus unseren Reihen beschuldigt, daß mit Doppelzüngigkeit – so möchte ich das jetzt ausdrücken – gesprochen wird. (Abg. Ing. Reichhold: Was wollen Sie denn sagen?) Sie widersprechen einander und sich selbst! Mancher Redner von Ihnen widerspricht sich selbst in einem Satz dreimal!

Zum Beispiel: Sie haben jetzt über die Anrechnungszeiten der Kindererziehung gesprochen. – Kollegin Silhavy hat Ihnen – meine ich – schon eine sehr deutliche Antwort darauf gegeben! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie hat etwas herumgestottert!)

Ich kann es Ihnen noch einmal sagen: Sie haben bei dieser Novelle dagegen gestimmt, daß die Anrechnungszeiten für Kindererziehung kommen! Sie waren mit Ihrer Fraktion dagegen. Das können Sie jetzt nicht bestreiten, denn Sie können überall nachlesen, daß es sich so verhält. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Ihnen gehen die Argumente gänzlich aus! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Eine Tatsache, die sogar im Protokoll vermerkt ist, nämlich das Stimmverhalten Ihrer Fraktion, wird nicht richtiger, wenn Sie es zehnmal anders sagen. (Abg. Haller: Reden Sie zur Sache!) Die Leute kennen mittlerweile Ihre unterschiedlichen Aussagen: Sie drehen sich immer gerade


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so, wie der Wind weht, und so antworten Sie auch! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Die Frauen wissen das! Glauben Sie mir: Ganz ohne Grund war es vielleicht doch nicht, daß Sie nicht eingeladen wurden, beim Frauenvolksbegehren mitzumachen! Irgendeinen Grund wird es schon gehabt haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme jetzt zum eigentlichen Thema: Wenn wir heute ... (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. ) Gestatten Sie, daß ich jetzt zum Thema etwas sage? (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich habe Ihnen die Antwort gegeben, und ich hoffe, Sie haben sie jetzt gehört. Ich kann das nicht fünfmal wiederholen! Ich habe es dreimal gesagt und hoffe, daß das genügt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Sie polemisieren, akzeptieren aber nicht, daß man kontert! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Ich hätte gerne zum Thema gesprochen. Also beruhigen Sie sich endlich ein bißchen!

Wir diskutieren heute den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes, und zwar vor dem ganz spezifischen Hintergrund der allgemein noch immer nicht wirklich erfreulichen Lage der Frauen, die immerhin 52 Prozent der österreichischen Bevölkerung darstellen. (Abg. Dr. Graf: Interessiert das Ihre Fraktion überhaupt? Es ist niemand da! Schauen Sie einmal! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich bin froh darüber, daß Sie mit Aufmerksamkeit dieser Rede folgen. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür! In unserer Fraktion gibt es in dieser Frage eine sehr einheitliche Meinung. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das hier Einander-Zuhören spielt daher jetzt keine große Rolle! Wir diskutieren nämlich schon vorher miteinander, und daher haben wir dann auch eine gemeinsame Meinung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die paar Frauen, die die Sozialisten haben, sind da!)

Ich erinnere mich noch ganz genau an die Diskussion zum Gleichbehandlungsgesetz im Vorjahr. Damals war ich nämlich Berichterstatterin, saß die ganze Zeit hier und habe gesehen, wer hier war und wie die Reaktionen waren. Es waren nur Ihr Kollege Bauer und eine Kollegin hier anwesend. (Zwischenruf des Abg. Ing. Meischberger. ) Und die Bemerkungen, die ich bis zu meinem Platz gehört habe, waren mir sehr peinlich. Es tut mir leid, daß ich damals dort oben gesessen bin und nicht dazwischenreden konnte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Sie können all das im Protokoll nachlesen! Ist ja kein Problem! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Hat Kollege Bauer mit sich allein gesprochen voriges Jahr?) Mit seiner Sitznachbarin! Das haben Sie schon wieder überhört! Es ist wirklich ein Problem: Kaum sagt man etwas, hören Sie nur die Hälfte und machen dann etwas völlig anderes daraus!

Abgeordneter Bauer hat mit einer Kollegin gesprochen, aber er war der einzige Mann von Ihrer Fraktion, der hier war. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Gestatten Sie, daß ich mich jetzt ein bißchen von Ihnen abwende und in die andere Richtung spreche. Das ist wahrscheinlich ein bißchen angenehmer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Es ist ja niemand da! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dort sitzt ja niemand! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Jetzt haben Sie schon Sehfehler! Sie sehen dort niemanden sitzen! Zuerst können Sie nicht hören, was wir hier sagen, dann können Sie nicht lesen, was im Protokoll steht, und jetzt sehen Sie die Kollegen Abgeordneten nicht! Es ist wirklich ein Jammer und schwer mit Ihnen! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist die Rednerin, und dann kommt eine andere dran und dann wieder eine andere: eine nach der anderen. (Allgemeine Heiterkeit.) – Bitte, Frau Fuchs.

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (fortsetzend): Es wird ein bißchen schwierig, die Redezeit einzuhalten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Hören Sie auf, jetzt zahlt es sich ohnedies nicht mehr aus!)


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Ich möchte jetzt doch noch über die Lage der Frauen, die wirklich nicht erfreulich ist, kurz berichten. Die Lage der Frauen ist in dem Bericht, den wir heute zu diskutieren haben, dargestellt.

Frauen haben noch immer nur 68 Prozent des Durchschnittseinkommens der Männer, Frauen sind nach wie vor die Mehrfachbelasteten im Familienverband durch Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuungspflichten und überwiegende Führung des Haushaltes. Immer noch sind es die Frauen, die die Pflege von älteren Angehörigen übernehmen. Frauen haben nach wie vor einen wesentlich geringeren Einfluß auf politische und wirtschaftliche Entscheidungen. (Abg. Dr. Graf: Wer regiert denn dieses Land?) Frauen sind immer noch kaum in führenden Positionen des öffentlichen Lebens vertreten. Kurzum: Frauen tragen in überdurchschnittlichem Maße volkswirtschaftliche Verantwortung, bekommen diese Verantwortung aber in einem unterdurchschnittlichen Maß honoriert. (Abg. Ing. Meischberger: Wovon wollen Sie uns überzeugen?) – Ich brauche Sie nicht zu überzeugen! Das sind Fakten, und diese Fakten müssen wir zur Kenntnis nehmen. So ist es! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Seit 26 Jahren sind die Sozialisten an der Macht!)

Weil es aber nicht so bleiben kann, daß Frauen, nur weil sie als Frauen zur Welt gekommen sind, diskriminiert werden, und weil unsere Gesellschaft nicht nach dem Recht der falschen Geburt funktionieren kann und darf, ist es notwendig, daß der Gleichbehandlungsgedanke in jede Art der Gesetzgebung einfließt.

Jetzt kommt wieder etwas für Sie Wichtiges (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir sind ohnedies da!): Bundesarbeitskammer und ÖGB stellen fest, daß es durch den Beitritt Österreichs zum EWR beziehungsweise zur EU zu einer Verstärkung des Gleichbehandlungsgedankens in der Gesetzgebung gekommen ist.

Für besonders wichtig ist das meiner Meinung nach in all jenen Bereichen, in denen die Gesetzgebung sehr sensibel vorgehen muß, weil intimste Belange der Frauen betroffen sind, etwa im Zusammenhang mit der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Der Gleichbehandlungsbericht zeigt auf, daß Beratungen in diesem Zusammenhang häufiger stattfinden. Ich hoffe, daß der Grund dafür nicht ist, daß die sexuellen Belästigungen im allgemeinen zunehmen, sondern daß die Frauen mutiger geworden sind, sich wehren und aufzeigen, in welcher Lage sie sich befinden, daß sie etwas gegen belästigende Männer unternehmen wollen, um andere Frauen vor diesen und deren Annäherungsversuchen zu bewahren. (Abg. Dr. Graf: Deshalb wählen auch immer mehr Frauen die Freiheitlichen!)

In jedem Fall aber ist der Arbeitsplatz einer sexuell belästigten Frau gefährdet, egal, ob sie die Belästigung duldet oder sich dagegen wehrt. Erschwerend kommt dabei hinzu – wie schon erwähnt –, daß sich Frauen als Praktikantinnen, ausländische Arbeitnehmerinnen oder Hilfskräfte oft in sehr schwachen Positionen auf dem Arbeitsmarkt befinden und somit umso mehr das Ziel von Übergriffen durch Männer sind. Gerade aus diesem Grund sind stärkere rechtliche Instrumentarien zur Durchsetzung der Interessen von belästigten Frauen, etwa die Kompetenzerweiterung der Gleichbehandlungsanwaltschaft in Richtung Klagslegitimation, und der stärkere rechtliche Schutz, wie etwa Kündigungs- oder Versetzungsschutz, dringend notwendig. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Ich meine, daß jene, auf die das Augenmerk gerichtet ist – damit meine ich jetzt beispielsweise auch uns Abgeordnete –, mit gutem Beispiel vorangehen sollten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

22.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edeltraud Gatterer. Sie hat das Wort.

22.12

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich weiß zwar nicht, was der Slogan "Wien ist anders" besagen soll, Sie werden mir vielleicht auch einmal erklären, was "Erst kommt die eine dran und dann die andere und dann die andere!" heißt. – Sicher ist, daß jede Frau in ihrer Erfahrung in einer anderen Welt lebt: Jede kann hier im


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Parlament eine andere Weltsicht, als Unternehmerin, als Berufstätige, als Hausfrau, als Mutter, als ältere oder jüngere Frau, einbringen.

Ich hatte gedacht, daß es an und für sich möglich sein sollte, die drei Berichte auf einer annähernd sachlichen Ebene zu diskutieren. Denn die Berichte, die nun schwarz auf weiß vorliegen, beruhen nicht auf Spekulationen in die Richtungen: Die Frauen sind ohnehin schon bevorzugt! Die Frauen sind noch extrem benachteiligt!, sondern zeigen wirklich Nachteile und Mängel auf.

Frau Kollegin Haller! Es freut mich sehr, daß Ihre Fraktion heute in so großer Zahl anwesend ist. Ich glaube, das hat auch ein bißchen damit zu tun, daß doch zwei Drittel Ihrer Wähler laut Umfragen nicht Frauen sind und daß Sie da eine Scharte auszuwetzen haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir haben aber dazugewonnen! – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Ich glaube, am besten beraten ist man damit, wenn man Frauenpolitik so macht, daß man Frauen eine Chance gibt, sie unterstützt, nicht nur eine Frau in den Vordergrund stellt, sondern einige Frauen fördert. Die ÖVP hat das bei der EU-Wahl gemacht, und es hat sich gezeigt, daß das der richtige Weg ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie viele Frauen wählen die ÖVP? 5 Prozent?)

Es gibt bei dieser Diskussion auch etwas sehr Positives, etwas, worüber ich mich sehr freue, Frau Ministerin: Ich habe vor vier Jahren den Vorschlag, der schon relativ detailliert ausgearbeitet war, ein Business-Center in Villach einzurichten, eingebracht. Damals wurde er auch von Ihren Kolleginnen als utopisch und als nicht durchführbar erachtet. Ich freue mich sehr, daß diesbezüglich – nicht nur von mir, sondern wahrscheinlich auch international – Überzeugungsarbeit geleistet wurde und daß Villach die erste Stadt sein wird, in der es ein Business-Center für Frauen geben wird. Das ist sehr erfreulich, das möchte ich hier von diesem Platz aus auch sagen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Manchmal dauert es etwas länger, aber wenn es dann verwirklicht wird, ist es sehr positiv.

Aktive Frauenpolitik besteht nicht darin, den Frauen die Möglichkeit zu geben, nur zu Hause zu bleiben oder nur zu arbeiten. Ich meine, die Frau ist eine mündige Bürgerin, die für sich selbst entscheiden soll, welche Lebensplanung sie für sich wählt. Aktive Frauenpolitik ist Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsplatzpolitik, die Frauen sollen die Chance haben, sich ausschließlich für den Beruf oder für sowohl Familie als auch Beruf zu entscheiden. (Abg. Dr. Mertel: Wenn sie einen Job bekommt!) Deswegen geht die Aufforderung sehr wohl auch in Ihre Richtung, denn die aktivste Frauenpolitik ist die Arbeitsmarktpolitik. Ich glaube, wir sind aufgerufen, auf diesem Gebiet aktiv zu sein und etwas zu machen.

Kollegin Silhavy hat gesagt, daß die Frauenpolitik in den letzten 20 Jahren von der SPÖ gemacht wurde. Erstens stimmt das überhaupt nicht, und zweitens wäre das nicht zielführend gewesen. Denn wir sollten es nicht nur einer Partei überlassen ... (Zwischenruf der Abg. Dunst. ) Ich glaube, wir hätten jetzt kein Frauenvolksbegehren machen müssen, wenn ohnedies alles eitel Wonne wäre! (Beifall bei der ÖVP.) Die Berichte zeigen auf, daß einiges im argen liegt.

Ich wollte die Gleichbehandlungsanwaltschaft in einigen Bereichen zitieren, aber jetzt sehe ich, daß das rote Licht blinkt, was in diesem Fall kein gutes Omen ist. – Dennoch: Es ist wichtig, daß wir nicht immer nur generell sagen: Die Frauen sind benachteiligt, sie verdienen um bis zu 42 Prozent weniger, sie haben geringere Aufstiegschancen, Bildungschancen, keine Möglichkeiten zum Wiedereinstieg. Dieser Bericht zeigt in erster Linie Einzelschicksale auf. Es wird schwarz auf weiß anhand von Einzelbeispielen gezeigt, inwiefern Benachteiligungen bestehen und wie diffizil diese sein können.

Ich möchte nur zwei Beispiele bringen: Eine Facharbeiterin im Metallbereich ist im Gegensatz zu den männlichen Facharbeitern automatisch als Hilfskraft eingestuft.

Oder: In einer Mensa wird eine Köchin eingestellt: Sie ist ausgelernte Köchin, wird jedoch nur als Küchenhilfe eingestellt, während ihr Kollege natürlich als Koch aufgenommen wird.


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Den Ärztinnen wird im Gegensatz zu den Ärzten bei der Gebührenverrechnung viel weniger ausbezahlt.

Wie gesagt: Es werden viele Einzelbeispiele aufgezählt. Es gibt viele offensichtliche, aber auch verdeckte Diskriminierungen. – Ein Beispiel: Ein Mann und eine Frau sind in einer Dienststelle gleichwertig angestellt, die Frau verdient weniger, hat natürlich auch keinen Dienstwagen, denn sie braucht ihn ja nicht.

Weiteres Beispiel: Weibliche Akademikerinnen verfügen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen selten über ein eigenes Arbeitszimmer und und und.

Es gibt also deutliche Diskriminierungen, für die man bei den Männern und bei den Frauen den Blick schärfen müßte. Es handelt sich nicht immer nur um vordergründige Diskriminierungen, sondern manchmal auch um sehr viele kleine – Stichwort: Mobbing –, die schmerzen und den Frauen schaden.

Ich glaube, daß es den Frauen generell schadet, wenn wir hier in der Debatte über Frauen, über Frauenpolitik und über Gleichbehandlung streiten und uns gegenseitig Schuld zuweisen. Eine Lösung werden wir nur finden und das Ziel werden wir nur erreichen, wenn wir versuchen, für die Frauen in unserem Land gemeinsam etwas zu erarbeiten! (Beifall bei der ÖVP.)

22.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte sehr.

22.19

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Als ich heute in der Früh die APA-Meldungen angeschaut habe, habe ich mir gedacht: Das ist ein starkes Stück! Es ist darin folgende Aussage der neuen Obfrau Riess-Passer zu lesen: "Die Frauen in der FPÖ bringen die im geplanten Frauenvolksbegehren formulierten Anliegen als Entschließungsantrag im Nationalrat ein." – So weit, so gut, wenn es so wäre! (Abg. Haigermoser: Es ist ein starkes Stück, wenn Sie falsch abstimmen! Das ist ein starkes Stück!)

Dann gibt es einen Vergleich zwischen diesen beiden, nämlich dem Frauenvolksbegehren und dem Entschließungsantrag. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Hören Sie doch einmal zu! Es gibt ein Frauenvolksbegehren und einen Entschließungsantrag! (Abg. Haigermoser: Sie sollten die Geschäftsordnung studieren!)

In diesem Frauenvolksbegehren sind wichtige Ziele aufgelistet. Im Frauenvolksbegehren findet sich sozusagen als Präambel, daß die Gleichstellung von Männern und Frauen – also die positive Diskriminierung – in Art. 7 B-VG zu verankern ist. Im Entschließungsantrag ist davon jedoch nichts zu lesen!

Was zum Beispiel im Entschließungsantrag auch fehlt: Im Volksbegehren werden zwei Jahre Karenzgeld für Alleinerzieherinnen gefordert. – Davon ist im Entschließungsantrag nichts zu finden!

Oder: In Punkt 10 des Frauenvolksbegehrens heißt es: "Wenn ein/e Lebenspartner/in nicht erwerbstätig ist, hat der/die andere dafür Pensionsbeiträge zu zahlen." – Das ist im Entschließungsantrag nicht zu finden! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Beschäftigen Sie sich mit dem Gleichbehandlungsgesetz!) Ich beschäftige mich jetzt mit Ihrem Entschließungsantrag.

Frauenpolitik, wie sie die Freiheitlichen meinen – dazu gibt es wirklich eine Skurrilität –, da steht: "Kindererziehung ist nicht nur Frauensache." – Das glaube ich auch. Dann heißt es aber im Text: "Wahlfreiheit der Frauen zwischen Beruf und Familie, ohne daß diese Entscheidung nach ideologischen Gesichtspunkten diskriminiert wird." – Es geht also um die Wahlfreiheit der Frauen zwischen Beruf und Familie. Die Männer kommen da gar nicht vor. Nur die Frauen wählen zwischen Beruf und Familie, die Väter kommen im Entschließungsantrag gar nicht vor! Das ist Frauenpolitik, wie sie die Freiheitlichen meinen! (Beifall bei der SPÖ.)


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48. Sitzung / Seite 204

Ich möchte mich nun den Berichten zuwenden, einem Thema, das es wirklich verdient, daß man ihm genaue Aufmerksamkeit zuwendet. Insbesondere habe ich mich mit den Berichten über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes 1994 und 1995 beschäftigt.

Eingehen möchte ich dabei besonders auf die Regionalanwältinnen. Die Berichte zeigen nämlich, daß es von außerordentlicher Wichtigkeit für die Durchsetzung, Kontrolle und Einhaltung des Gleichbehandlungsgesetzes ist – dessen Novellierung, nur nebenbei bemerkt, die Freiheitlichen 1993 nicht mitbeschlossen haben –, daß in den Bundesländern Regionalanwältinnen eingesetzt werden. Ein wesentlicher Grund dafür ist, daß die Entfernung von Wien, also dem Sitz der Gleichbehandlungsanwaltschaft – und nicht etwa fehlende Diskriminierungen im Westen –, dazu führt, daß Frauen aus dem Westen des Landes diese Serviceeinrichtung viel seltener in Anspruch nehmen. Die ständige Erfahrung zeigt, daß benachteiligte Frauen dieses Serviceangebot immer dann in Anspruch nehmen, wenn es nahe oder in zumutbarer Entfernung ist. (Abg. Dr. Graf: Jetzt sind zwar alle von der SPÖ da, aber es hört Ihnen niemand zu!)

Es ist daher notwendig, daß wir, wenn es uns als Gesetzgeber ernst ist mit der Durchsetzung, Durchsetzbarkeit und Einhaltung von Gesetzesmaterien, auch dafür sorgen, daß diese durchgesetzt werden können, damit in diesem Fall vor allem Frauen zu ihrem Recht kommen. Daß darf nicht daran scheitern, daß eine Frau zufällig in Innsbruck oder in Feldkirch wohnt. Das bloße Vorhandensein von Interventionsstellen, die genau überwachen, ob Gesetze eingehalten werden, nützt oft schon. Das Bestehen von Regionalbüros würde schon helfen, Diskriminierungen hintanzuhalten. Die Benachteiligungen würden auf diese Weise ins Bewußtsein der Bevölkerung gerückt werden.

Ich möchte die wichtigsten Tatbestände, die bisher bei der Gleichbehandlungsanwaltstelle zur Behandlung vorgebracht wurden, kurz aufzählen – gereiht nach der Häufigkeit –: sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Mehrfachdiskriminierungen, Diskriminierung bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen und natürlich auch die unterschiedliche Entgeltzahlung.

Es hat sich herausgestellt, daß die Anwaltschaft beim Zustandebringen von Vergleichen besonders erfolgreich ist, von Vergleichen, die dann für die betroffenen Frauen zu sehr zufriedenstellenden Lösungen führen. Dieses Ergebnis zeigt die Tendenz auf, daß Arbeitgeber erst unter dem Druck eines anhängigen Kommissions- oder Gerichtsverfahrens kompromißbereit sind. – Auch dieses Argument untermauert also die Wichtigkeit von Regionalanwaltstellen.

Diskriminierungen lassen sich nur schwer nachweisen. Es bedarf regelmäßiger Gesprächstermine und auch des Aufbaus eines Vertrauensverhältnisses. Bei sexueller Belästigung zum Beispiel ist es wichtig, daß ein Vertrauensverhältnis zwischen der beratenden Anwältin und der belästigten Frau aufgebaut wird. Ein solches Verhältnis ist eben nur schwer über Fax oder ein kurzes Telefonat aufzubauen. – Das ist ein weiteres Argument für regionale Anwaltstellen.

Auf einen weiteren triftigen Grund für die Schaffung von Regionalbüros in den Bundesländern möchte ich aufgrund der vorgeschrittenen Zeit nur noch ganz kurz eingehen: Die Gleichbehandlungsanwältin konnte aufgrund zu starker Arbeitsüberlastung seit 1995 keine festen Termine in den Bundesländern mehr anbieten. Daß das für uns in den Bundesländern eine unbefriedigende Lösung ist, brauche ich nicht weiter zu erläutern. Daher noch einmal: Wir fordern Regionalanwältinnen.

Zum Schluß: Wie im Gleichbehandlungsbericht zu lesen war, sind jetzt Regionalbüros geplant, zumindest einmal ein Regionalbüro in Innsbruck. Ich als Tirolerin bin natürlich froh darüber, glaube aber, daß das nur ein Anfang sein kann und daß möglichst schnell und zügig weitere folgen sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

22.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Sie wird über die Ausschußanträge getrennt vorgenommen.


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48. Sitzung / Seite 205

Zunächst stimmen wir ab über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1994 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diese Kenntnisnahme aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kammerlander und Genossen betreffend Einrichtung einer regionalen Gleichbehandlungsanwältin in Tirol.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1995 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Diese Kenntnisnahme ist einstimmig erfolgt.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, den Bericht III-43 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt.

18. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (323 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden (463 und Zu 463 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zum Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. – Bitte sehr.

22.30

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Novelle des Bundesvergabegesetzes ist sehr umfangreich und beinhaltet eine auf den ersten Blick trockene und sperrige Materie. Es wäre reizvoll, Ihnen aus dieser Gesetzesmaterie sehr wichtige Dinge vorzutragen. (Abg. Dr. Ofner: Gemma’s an!) Ich mache es aber nicht. (Abg. Dr. Ofner: Warum?) Weil ich die wirklich konstruktive und offene Behandlung dieser Novelle ohne Eingraben im Unterausschuß begrüßen möchte, wo wir zu einem einstimmigen Ergebnis gekommen sind; wir werden daher auch hier in diesem Haus das Bundesvergabegesetz einstimmig novellieren.

Ich begrüße auch das Versprechen von Staatssekretär Schlögl, das er im Unterausschuß, aber auch im Ausschuß abgegeben hat, nämlich daß er eine Neuverlautbarung dieser komplizierten Materie vorbereiten wird.

Auch wenn es trocken und kompliziert ausschaut, ist die öffentliche Vergabe doch ein wichtiger Wirtschaftsimpuls, und österreichische Unternehmen müssen wissen, nach welchen Richtlinien dieser Wirtschaftsimpuls vergeben wird.

Die vorliegende Novelle, die durch den Beitritt zur Europäischen Union notwendig wurde, gibt klare Richtlinien, gibt Rechtssicherheit, gibt eine größere Nachvollziehbarkeit des Verfahrens,


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48. Sitzung / Seite 206

auch bei Ablehnung, und zwar als Ansporn, das nächste Mal bessere Ausschreibungen zu machen, und wird dazu führen, daß es zu einer effizienten und kostengünstigen öffentlichen Ausschreibung und Auftragsabwicklung kommt.

Meine Fraktion gibt sehr gerne ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

22.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

22.32

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die vorliegende Gesetzesnovelle betreffend Bundesvergabegesetz und Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 ist deshalb notwendig geworden – das hat meine Vorrednerin bereits ausgeführt –, weil wir unser nationales Recht an das EU-Recht anpassen müssen. Es regelt nicht die Ausschreibung als solche, sondern die Vergabemodalitäten, die darin klar genormt und festgesetzt sind.

Dieses umfassende Gesetzeswerk hat selbstverständlich eine entsprechende Vorberatung erfordert. Es haben sich wochenlang Experten damit beschäftigt. Es hat der Unterausschuß wirklich sehr intensiv gearbeitet. Dies ist Grund genug für uns – das soll hervorgehoben werden –, den engagierten Mitarbeitern, sowohl von den Regierungsstellen als auch von den Interessenverbänden, unsere Anerkennung auszusprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe schon ausgeführt, daß die Novelle notwendig wurde, weil wir unseren Rechtsbestand an den EG-Rechtsbestand anpassen müssen. Entscheidend ist, daß es im neuen Gesetz Schwellenwertbestimmungen gibt. Das heißt, alles, was über einen Schwellenwert, der hier genau genormt ist, geht, hat eine EU-weite Ausschreibung zur Folge, und es besteht auch bei der Bearbeitung eine Benachrichtigungs- und Begründungspflicht für den Anbieter. Das ist etwas sehr Wesentliches.

In den Ausschußberatungen ist es uns auch gelungen, zu erreichen, die Benachrichtigungspflicht auch unterhalb der Schwellenwerte im Gesetz festzuschreiben und daß die Begründung auf Anfrage gegeben werden muß.

Die Vergaben unter den Schwellenwerten erfolgen nach wie vor nach der ÖNORM 2050, einer Normierung, die bei uns, glaube ich, allseits bekannt ist.

Im Zusammenhang mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ist es wichtig anzumerken, daß im neuen Gesetz vorgesehen ist, daß nicht mehr der Bieter nachweisen muß, daß er mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz Probleme hatte oder nicht hatte, sondern der Auftraggeber. Das bringt für unsere Wirtschaft bessere Bedingungen und weniger Bürokratie, und das ist es, worauf wir Wert gelegt haben. Das ist, so glaube ich, ein Vorteil für uns alle, aber insbesondere für unsere Wirtschaft.

Des weiteren wird festgeschrieben, daß die Bundesregierung per Verordnung den Rechtsschutz des Bundesvergabegesetzes auch für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte anordnen kann. Uns war es wichtig – das war ja eine sehr lange und intensive Diskussion –, § 43a dahin gehend zu normieren, daß bei Ausscheiden die vergebende Stelle unverzüglich diese Mitteilung machen muß. Somit kann der Benachrichtigte unverzüglich seine weiteren Entscheidungen treffen und auch die im Gesetz vorgegebenen Rechtsinstrumentarien für sich nützen. Das ist Neuland, stellt aber gerade für den Bieter eine sehr wichtige Verbesserung dar.

Weiters ist auch die Verbesserung des Rechtsschutzes für den Bieter mit suspensiver Wirkung in der Novelle enthalten.

Ich verweise nur noch darauf, daß § 66 uns alle sehr beschäftigt hat, nämlich das Diskriminierungsverbot. Wir haben das Problem derart gelöst, daß wir in einer Ausschußfeststellung festgehalten haben, daß die Auswahl von Wettbewerbsteilnehmern auf solche zu beschränken ist, die


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über eine besondere fachliche Qualifikation verfügen, soweit dies sachlich auch gerechtfertigt ist.

Ich finde, dieses Bundesvergabegesetz ist ein sehr modernes, für unsere Wirtschaft sehr wirkungsvolles Gesetz. Und das ist auch der Grund dafür, daß wir hart gearbeitet haben und nun auch die Zustimmung geben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

22.37

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird mir niemand verübeln, wenn ich mich angesichts der vorgeschrittenen Zeit sehr kurz fasse. (Beifall des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Danke für den Zwischenapplaus.

Es wurde ja von den beiden Vorrednern schon erwähnt, daß es sich bei dieser Gesetzesmaterie um eine Konsensmaterie handelt. Wir Freiheitlichen haben im Verfassungsausschuß Kritikpunkte angemerkt, aber gleichzeitig erkennen lassen, daß wir hier den Konsens nicht in Frage stellen und in dritter Lesung mitstimmen werden.

Lassen Sie mich nur ganz kurz zur Modifikation des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 Stellung nehmen.

Sinn dieser Gesetzesänderung ist es, die Tätigkeit von Schwarzarbeitern, also von ausländischen Fachkräften und Arbeitern, die keine Beschäftigungsbewilligung haben, so zu pönalisieren, daß die Bewerber beziehungsweise die Unternehmer bei einem entsprechenden rechtskräftigen Erkenntnis auf die schwarze Liste kommen und von öffentlichen Aufträgen temporär ausgeschlossen werden.

Ich glaube allerdings, meine Damen und Herren, daß diese Zielrichtung, die ich eben erwähnt habe, durch die Bestimmungen des geänderten Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht erreicht wird. Aus welchem Grund?

Zunächst einmal schreibt § 28b Abs. 1 des novellierten Ausländerbeschäftigungsgesetzes vor, daß der Bundesminister für Arbeit und Soziales öffentlichen Auftraggebern Auskunft zu erteilen hat, ob sich ein bestimmter Unternehmer, der sich an einer Ausschreibung beteiligt oder etwa den Zuschlag erhält, eine wesentliche Verletzung dieses Bundesgesetzes hat zuschulden kommen lassen. Dadurch fallen zunächst einmal jene schwarzen Schafe unter den Unternehmern durch, hinsichtlich deren Seriosität in bezug auf die Einhaltung dieses Gesetzes vom öffentlichen Auftraggeber gar nicht nachgefragt wird.

Wollte man der Zielrichtung des Gesetzes zum Durchbruch verhelfen, müßte man da eine Umkehr einführen, nämlich die Verpflichtung für öffentliche Auftraggeber, bei der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen eine Erkundigung beim Bundesminister für Arbeit und Soziales einzuholen, statt es den öffentlichen Auftraggebern zu überlassen, ob eine Auskunft eingeholt wird oder nicht.

Weiters besteht eine mangelnde Konsequenz darin, daß die Tilgungsfrist bereits nach einem Jahr eintritt, wenn ein Unternehmer zweimal gegen die Bestimmung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verstoßen hat. Wenn er nur einmal dagegen verstoßen hat, hat das überhaupt keine Auswirkungen für ihn, dann kommt er nicht auf die schwarze Liste.

Die Tatsache, daß er einmal völlig sanktionslos gegen die Bestimmungen des Ausländergesetzes verstoßen kann, drängt doch den Vergleich mit dem "Freibiß" nach allgemeinen Schadenersatzgrundsätzen des ABGB betreffend die Haftung von Tierhaltern auf.

Das heißt mit anderen Worten: Er darf einmal verstoßen und hat überhaupt keine Sanktion zu befürchten. Wenn er ein weiteres Mal verstößt, dann liegt eine wesentliche Verletzung vor, dann


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wird er ausgeschlossen. Nach einem Jahr erfolgt bereits wieder die Tilgung, und er ist wieder mit im Spiel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme bereits zum Schluß: Wir Freiheitlichen werden der Regierungsvorlage zustimmen, glauben aber, daß durch die halbherzige Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes der Schwarzarbeiterstrich nicht reduziert, geschweige denn beseitigt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

22.42

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch eine legistische Anmerkung machen. Wir beschließen also – erfreulicherweise einstimmig – eine umfangreiche Novellierung des Bundesvergabegesetzes. Die legistische Alternative – so ist das auch in der Regierungsvorlage angesprochen – wäre eine gänzliche Neufassung dieses Bundesvergabegesetzes. Das wäre auch aus meiner Sicht als Serviceleistung des Gesetzgebers für den Benutzer wünschenswert. Sinngemäß haben wir das im Verfassungsausschuß auch so diskutiert. Ich glaube, Kollege Kier hat auch von einer gewünschten Wiederverlautbarung gesprochen.

Es erhebt sich die Frage: Warum nicht gleich? Warum beschließen wir nicht bereits heute ein neugefaßtes Bundesvergabegesetz? – Meine Damen und Herren! Am Dienstag dieser Woche hat der Binnenmarktrat Änderungen der Vergaberichtlinien auf europäischer Ebene beschlossen – in Anlehnung an ein Übereinkommen der World Trade Organization. Das heißt, auf europäischer Ebene ist diesbezüglich ein Verfahren im Gang, sind Änderungen beschlossen. Aller Voraussicht nach wird diese Causa im Vermittlungsausschuß landen, und daher ist es auch schwierig, die endgültige Annahme der Richtlinienänderung zum jetzigen Zeitpunkt zu prognostizieren.

Daher mein Vorschlag: Bei der nächsten zwingenden Novellierung des Bundesvergabegesetzes sollten wir den legistischen Weg der Neuerlassung beschreiten – im Sinne des Benutzers, der Normadressaten. Ich bin überzeugt davon, daß wir dabei in Staatssekretär Schlögl einen Verbündeten finden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

22.43

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte hier eigentlich nur feststellen, daß es sehr angenehm war, an der Entstehung dieses Gesetzes mitzuarbeiten, daß es ein positives Erlebnis von parlamentarischer Arbeit war und daß wir auch über die Ausschußfeststellungen, die getroffen wurden, wirklich ernsthaft diskutiert haben. Eine war mir ein besonderes Anliegen, nämlich daß es auch in Zukunft möglich sein soll, ernsthaft echte Architekturwettbewerbe auszuschreiben, weil wir eben gemeinsam erkannt haben, daß, wenn solche Wettbewerbe ausgeschrieben werden, die Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer auf die Personengruppen eingeschränkt werden kann, die besondere Merkmale wie eben das Merkmal Architekt aufweisen, sodaß nicht alle, die befugt wären, Planung zu machen, einzuladen sind.

Da das europäische Dimension hat, war es doppelt wichtig. Versuchen Sie, sich einen Architekturwettbewerb vorzustellen, der nach den Regeln des von uns heute einstimmig zu beschließenden Gesetzes abläuft. Könnte jeder Planungsbefugte – und nicht nur der mit der im wesentlichen von der Ausbildung her bestimmten künstlerischen Legitimation – daran teilnehmen, würden sich solche Wettbewerbe ad absurdum führen.

Einen zweiten Aspekt möchte ich noch vortragen, weil sich auch meine Vorredner darauf bezogen haben: Es ist richtig, ich habe in der Sitzung des Verfassungsausschusses angeregt, das ganze Vergabegesetz durch Wiederverlautbarung für den Benützer wieder lesbar zu machen. Mir ist bewußt, daß das nur eine vorübergehende schmerzstillende Wirkung hätte, daher mein


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48. Sitzung / Seite 209

heutiger Appell an Herrn Staatssekretär Schlögl: Es ist hoch an der Zeit, daß wir uns einmal mit dem Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt selbst beschäftigen, denn die Art und Weise, wie wir unsere Bundesgesetze verlautbaren, erscheint mir antiquiert. Es wäre hoch an der Zeit, zum System der Loseblattsammlung zu kommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Spätestens bei solch einem Konvolut wird einem bewußt, hier gäbe es eine Möglichkeit zur Verwaltungsvereinfachung, zur modernen Gestaltung von Gesetzen.

Nehmen Sie diesen Fall zum Anlaß, legen Sie eine Initiative auf den Tisch, warten Sie nicht lange, denn sonst macht das die Opposition! Und das wäre schade, denn dann würde es vielleicht nur deshalb nicht angenommen werden in diesem Hohen Haus, aber wir bräuchten es wirklich. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.47


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48. Sitzung / Seite 210

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Wunsch des Berichterstatters auf ein Schlußwort liegt nicht vor.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 463 der Beilagen.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Vorlage ist in zweiter Lesung einstimmig beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig beschlossen.

Damit ist Punkt 18 der Tagesordnung erledigt.

19. Punkt

Erste Lesung des Antrages 273/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Wehrgesetz geändert werden

20. Punkt

Erste Lesung des Antrages 272/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert werden

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 19 und 20.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin. – Sie ist entschuldigt.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind diese ersten Lesungen beendet, mit der Maßgabe, daß ich sowohl den Antrag 273/A als auch den Antrag 272/A dem Verfassungsausschuß zuweise.

21. Punkt

Erste Lesung des Antrages 269/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Auch dazu erhält zunächst die Antragstellerin das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete Haller.

22.49

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es handelt sich beim Antrag 269/A um einen Antrag, der die sogenannte Teilzeitoffensive des Bundes zum Inhalt hat. Es wäre ein Signal, das man in Deutschland und auch in anderen europäischen Staaten schon lange gesetzt hat, eine Offensive, die auch ein Signal an die Wirtschaft sein sollte, mehr qualifizierte Teilzeitarbeitsmöglichkeiten zu schaffen.

Dieser Antrag ist ja nicht neu, und deswegen kann ich meine Ausführungen kurz halten. Der Inhalt ist dem Plenum und auch dem Herrn Staatssekretär bekannt. Ich habe die Vorteile der im Antrag vorgesehenen Regelungen bereits mehrere Male ausführlich geschildert. Es ist ja das dritte Mal ist, daß ich ihn eingebracht habe.

Es hat mich sehr gefreut, daß Herr Staatssekretär Schlögl bei der letzten Auflage dieses Antrages – er hatte die Nummer 104 in der XX. Gesetzgebungsperiode und wurde abgelehnt – die Inhalte desselben sehr positiv beurteilt hat. Letztlich hat die Ablehnung dieses freiheitlichen Antrages ja dazu geführt, daß es im Verfassungsausschuß einen gemeinsamen Antrag der Regierungsparteien dahin gehend gegeben hat, daß bis Jahresende eine Vorlage zu diesem Thema hier im Plenum vorliegen sollte.

Herr Staatssekretär! Wenn man die Medienberichte verfolgt hat, weiß man, daß Sie bemüht sind – ich gestehe das sehr gerne ein und billige Ihnen das sehr gerne zu –, dieses Versprechen einzuhalten. Ich weiß, daß Sie bereits einen sehr brauchbaren Entwurf – auch nach freiheitlichen Vorstellungen brauchbaren Entwurf – vorgelegt haben. Es hat vor ungefähr einem Monat auch eine öffentliche Debatte in den Medien darüber stattgefunden, doch jetzt ist es wieder ganz still geworden, denn die GÖD, die Gewerkschaft öffentlicher Dienst, blockiert dieses Ansinnen.

Die Gewerkschaft öffentlicher Dienst will Eingriffsrechte in die Möglichkeit der Teilzeitarbeit, sie will diese Eingriffsrechte im Gesetz fixiert haben, die so ausschauen sollen, daß die Gewerkschaft bestimmen kann, daß jede Karenzstelle verpflichtend nachbesetzt werden muß. Sie stellt damit dem Unternehmen Staat ein schlechtes Zeugnis aus. Sie bietet ihm keine Entscheidungsfreiheit – es könnte ja sein, daß im Beamtenbereich dadurch offensichtlich wird, daß einige Arbeitsplätze tatsächlich einsparbar sind.

Tatsache ist, daß im gesamten Bereich der EU qualifizierte, gute Teilzeitjobs gefragt sind. Das hat eine neue Studie wieder belegt. Und in der vorhergegangenen, sehr heftigen Debatte über die Gleichbehandlung der Frauen hat Frau Kollegin Brinek von der ÖVP gesagt, daß sich 56 Prozent der Frauen – da gibt es auch eine Studie – wirklich von Herzen wünschen, daß in diesem Bereich etwas geschieht, daß es mehr dieser qualifizierten Teilzeitjobs gibt. Das war ja auch immer ein Ansinnen von sozialistischer Seite.

Jetzt stellt sich für mich schon die Frage: Wer regiert in Österreich? – Das Parlament ist es nicht, wie man sieht. Der Herr Staatssekretär ist es anscheinend auch nicht. Es ist die Gewerkschaft öffentlicher Dienst, die da das Sagen hat! Dazu kann ich nur folgendes feststellen: Eine Arbeitnehmervertretung, die nur dafür eintritt, daß es nicht passiert, daß neue Arbeitsplätze geschaffen werden können, hat, glaube ich, ihren Sinn wirklich verloren. Wenn man dieses Verhalten, das wir bisher in Österreich gehabt haben und das dazu geführt hat, daß sich die politischen Verhältnisse in Österreich sehr gravierend verändern, weiterhin ermöglicht, kann ich nur sagen – auch in Anbetracht der vorgerückten Zeit –: Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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48. Sitzung / Seite 211

22.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Ich erteile es ihr.

22.54

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Haller! Mit dem Antrag der FPÖ wird selbstverständlich auch ein berechtigtes Anliegen der öffentlich Bediensteten zum Ausdruck gebracht, nämlich der Wunsch nach einer echten Teilzeitregelung, etwas, was derzeit nicht möglich ist.

Aber, Frau Haller, wenn Sie sagen, Arbeitsplätze seien einsparbar, so bedeutet das auch mehr Arbeitslose. Das muß uns auch klar sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ohne den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern – und noch ist das Gegenstand der Verhandlungen der Sozialpartner – vorgreifen zu wollen, ist Ihr Antrag aus heutiger Sicht überholt, denn Gegenstand der Verhandlungen ist seit einiger Zeit ein Reformpaket, ein Paket zur flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst.

Ich möchte hier festhalten, daß es sich nicht um Verschlechterungen für den öffentlichen Bereich und auch nicht um Regelungen zu Lasten der Beschäftigten handelt. Denn die Beschäftigten im öffentlichen Bereich haben in den letzten Jahren schon zahlreiche Einsparungen hinter sich gebracht.

Das wichtigste Vorhaben, das die Sozialpartner haben – auf der einen Seite die Gewerkschaft öffentlicher Dienst und auf der anderen Seite der Staatssekretär für Beamtenfragen –, ist die Erreichung einer echten Teilzeitarbeit. Und das ist, wie ich schon sagte, ein berechtigtes Anliegen, denn derzeit ist die Herabsetzung der Dienstzeit nur auf 50 Prozent möglich, jedoch nicht auf 60, 70 und 80 Prozent, und das nur bei der Pflege eines Kleinkindes oder eines Angehörigen. Daher ist die Teilzeitbeschäftigung neu zu regeln.

Die Teilzeitbeschäftigung soll aus beliebigen Gründen in Anspruch genommen werden können. Das Ausmaß soll flexibler gestaltet werden. Die Dauer wird von derzeit vier Jahren auf künftig zehn Jahre erhöht werden, und eine vorzeitige Beendigung der Herabsetzung der Dienstzeit soll auf Wunsch des Beamten auch möglich werden.

Ein wichtiger Punkt ist die Gestaltbarkeit der Arbeitszeit für den Dienstnehmer. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Teilzeitregelungen – angesichts der Arbeitslosenzahlen eine Notwendigkeit.

Im Rahmen des Arbeitszeitpaketes wird aber auch das Freijahr oder Sabbatical diskutiert – das können wir in den Medien nachlesen. Da soll ein dienstrechtlicher Rahmen geschaffen werden, und es soll erweiterte Teilzeitmodelle geben – wir kennen das ja aus der Zeitung –: fünf Jahre arbeiten: vier Jahre Vollzeit mit 80 Prozent des Bezuges, ein Jahr frei mit auch 80 Prozent des Bezuges, wobei aber auch andere Prozentsätze und Freirahmen denkbar sind.

Das entscheidende arbeitsmarktpolitische Moment, die Bedeutung liegt aber eindeutig darin, daß Planstellen, die ein Jahr frei sind, nachbesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.) Dazu sind aber noch Fragen zu klären, nämlich die Sicherung der Ersatzarbeitskräfte, die Einschulung der Ersatzarbeitskräfte und die Mitsprache der Personalvertretung bei der Besetzung freiwerdender Stellen.

Die Umsetzung dieses Teilzeitmodelles, das ohne Zweifel ein weitgehendes ist, stellt ein großes Vorhaben dar und macht einen radikalen Ausbau des Beamtendienstrechts notwendig. Allerdings muß klar sein: nicht ausschließlich zum Nachteil der Bediensteten.

Das Freijahr ist auch bildungspolitisch von enormer Bedeutung und hat durch die Chance, Qualifikationen nachzuholen, eine positive Wirkung auf den Arbeitsmarkt.

Die weiteren Vorhaben, die in diesem Paket enthalten sind, stehen im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinien, denn diese sehen einen Wochenarbeitszeitrahmen von 48 Stunden für den öffentlichen Dienst vor.


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48. Sitzung / Seite 212

Aus heutiger Sicht kann ich nur sagen, daß die generelle Einführung von Durchrechnungszeiträumen von einem Jahr, also Jahresdurchrechnung, nicht vorstellbar ist, schon gar nicht für den Bereich der Exekutive. Zu überlegen ist das für Einrichtungen mit sehr unregelmäßigem, aber kalkulierbarem Arbeitsanfall wie beispielsweise in der Land- und Forstwirtschaft, in den Bundesbetrieben und unter Umständen in Teilbereichen mit starken saisonalen Schwankungen, wie zum Beispiel in Bundessportheimen.

Dabei ist aber darauf zu achten, meine Damen und Herren, daß das nicht auf einen Überstundenabbau ohne Ausgleich hinausläuft.

Ich habe den Umfang der Reformen ungefähr skizziert, die weit über das hinausgehen, was der F-Antrag vorschlägt. Alle Vorstellungen, die jetzt unter den Sozialpartnern diskutiert werden, werden natürlich auch hier im Hohen Haus Gegenstand von Verhandlungen sein. Der F-Antrag rennt also bereits offene Türen ein. Daher kann er nicht mit der Zustimmung meiner Fraktion rechnen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der soeben diskutierte Antrag 269/A wird dem Verfassungsausschuß zugewiesen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Anträge 326/A bis 336/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1523/J bis 1553/J eingelangt.

Die nächste Sitzung wird für morgen, Freitag, 29. November 1996, 9 Uhr einberufen.

Die Sitzung beginnt mit einer Fragestunde.

Die Tagesordnung bitte ich der verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 23.01 Uhr