Stenographisches Protokoll

113. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 26. März 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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113. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 26. März 1998

 

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 26. März 1998: 9.01 – 21.00 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1996

2. Punkt: Kulturbericht 1996 der Bundesregierung

3. Punkt: Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern

4. Punkt: Erste Lesung des Antrages 679/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz 1998

5. Punkt: Erste Lesung des Antrages 696/A der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalverkehrsteuergesetz geändert wird

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 10

Ordnungsrufe 102, 112

Geschäftsbehandlung

Wortmeldungen des Abgeordneten Peter Schieder betreffend tatsächliche Berichtigung im Rahmen einer Aktuellen Stunde 27

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zu den Ausführungen des Abgeordneten Schieder 27

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller betreffend die Ausführungen des Abgeordneten Schieder 29

Antrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 549/A (E) betreffend Ver


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sagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 14. April 1998 zu setzen 30

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 31

Redner:

Andreas Wabl 146

Dr. Karl Maitz 148

Ing. Gerald Tychtl 149

Wolfgang Jung 150

Hans Helmut Moser 151

Mag. Doris Kammerlander 153

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 154

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 31

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Voraussetzungen für eine persönliche Erwiderung 38

Antrag des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler, der Nationalrat möge im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Anwesenheit des Bundeskanzlers verlangen, sowie Ersuchen, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen beziehungsweise eine "Präsidiale" anzuberaumen – Ablehnung des Antrages 113, 114

Wortmeldungen in diesem Zusammenhang:

Dr. Peter Kostelka 113

Dr. Andreas Khol 113

Aktuelle Stunde (23.)

Thema: "Totalüberwachung der ÖsterreicherInnen trotz Datenschutz"

Redner:

Mag. Dr. Heide Schmidt 10

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 12

Dr. Volker Kier 15

Dr. Johannes Jarolim 16

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 18

Dr. Harald Ofner 19

Mag. Terezija Stoisits 20

Mag. Thomas Barmüller 21

Günter Kiermaier 23

Paul Kiss 24

Dr. Brigitte Povysil 26

Andreas Wabl 27

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 10

Ausschüsse

Zuweisungen 29, 179, 183


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Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundeskanzler betreffend arbeitsplatz- und lehrplatzvernichtende Politik der Bundesregierung (3956/J) 92

Begründung: Reinhart Gaugg 99

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 103

Debatte:

Dr. Jörg Haider 110

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 114

Franz Hums 115

Mag. Dr. Josef Trinkl 117

Edith Haller (tatsächliche Berichtigung) 119

Mag. Helmut Peter 119

Ingrid Tichy-Schreder (tatsächliche Berichtigung) 122

Karl Öllinger 122

Sigisbert Dolinschek 125

Franz Riepl 128

Walter Murauer 130

Dr. Martina Gredler 133

Edith Haller 135

Brigitte Tegischer 136

Mag. Doris Kammerlander 138

Helmut Haigermoser 140

Doris Bures 142

Maria Schaffenrath 142

Theresia Haidlmayr 144

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre – Ablehnung 127, 145

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend EU-Erweiterung – Ablehnung 133, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend EU-Osterweiterung – Ablehnung 135, 146

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes (III-106 d. B.) über das Verwaltungsjahr 1996 (1106 d. B.) 31

Redner:

Ute Apfelbeck 31

Otmar Brix 33

Mag. Thomas Barmüller 35

Otmar Brix (tatsächliche Berichtigung) 38

Georg Wurmitzer 38

Andreas Wabl 41

Dr. Günther Kräuter 45

Mag. Gilbert Trattner 46

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 49

Andreas Wabl (tatsächliche Berichtigung) 51

Maria Schaffenrath 51


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Erhard Koppler 52

Dr. Gabriela Moser 53

Mag. Franz Steindl 55

Dr. Gabriela Moser (tatsächliche Berichtigung) 56

Peter Rosenstingl 56

Josef Edler 58

Mag. Dr. Udo Grollitsch 61

Georg Wurmitzer (tatsächliche Berichtigung) 62

Franz Stampler 63

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 6


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4

Gabriele Binder 65

Ing. Walter Meischberger 67

Heidrun Silhavy 68

Ing. Wolfgang Nußbaumer 69

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 70

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 71

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 73

Mag. Kurt Gaßner 76

Dr. Volker Kier 77

Kurt Wallner 78

Mag. Reinhard Firlinger 79

Mag. Terezija Stoisits 80

Kenntnisnahme des Berichtes III-106 d. B. 82

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend staatliche Finanzierung des Wahlkampfbüros des Bundespräsidentschaftskandidaten Dr. Klestil – Ablehnung 74, 82

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Kulturbericht 1996 der Bundesregierung (III-110/1082 d. B.) 82

3. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (690 d. B.): Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern (1104 d. B.) 82

Redner:

Mag. Dr. Udo Grollitsch 82

Franz Morak 84


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Klara Motter 86

Dr. Josef Cap 89

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 91

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 154

Dr. Günther Leiner 157

Dr. Helene Partik-Pablé 158

Dr. Helga Konrad 160

Dr. Gertrude Brinek 161

Inge Jäger 162

Johannes Zweytick 163

Dr. Johann Stippel 164

Sonja Ablinger 166

Mag. Gisela Wurm 167

Kenntnisnahme des Berichtes III-110 d. B. 168

Annahme des Gesetzentwurfes in 1104 d. B. 168

4. Punkt: Erste Lesung des Antrages 679/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz 1998 168

Redner:

Mag. Helmut Peter 169

Rudolf Nürnberger 172

Ing. Wolfgang Nußbaumer 174

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 176

Ingrid Tichy-Schreder 177

Zuweisung des Antrages 679/A an den Wirtschaftsausschuß 179

5. Punkt: Erste Lesung des Antrages 696/A der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalverkehrsteuergesetz geändert wird 179

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 179

Dr. Alfred Gusenbauer 180

Mag. Cordula Frieser 181

Mag. Helmut Peter 182

Zuweisung des Antrages 696/A an den Finanzausschuß 183

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Andreas Wabl und Genossen betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung (723/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend erhöhte steuerliche Absetzbarkeit von Betriebskindergärten (724/A) (E)

Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Verstaatlichung der Oesterreichischen Nationalbank (725/A) (E)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Kostentragung für Verfahren zur nachträglichen Auflagenerteilung (726/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Waffenbesitz und -handel (727/A) (E)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Alternative zum Semmering-Basistunnel (728/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines einheitlichen, bundesweit gültigen Pensionistenausweises (729/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Aufhebung der neuen Einstufungskriterien für die Pflegegeldstufen 5, 6 und 7 in der Novelle zum Bundespflegegeldgesetz (730/A) (E)

DDr. Erwin Niederwieser, Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG) geändert wird (731/A)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 (BGBl. Nr. 76/1985) idgF geändert wird (732/A)

Klara Motter und Genossen betreffend Vereinfachung des Rechtszuganges für den Bürger (733/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Anhebung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (734/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Auflösung des Vereins "Dichterstein" in Offenhausen (735/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Vorsorgemaßnahmen im Bereich der flächendeckenden Installation von Mobilfunksendeanlagen (736/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Forschungsprogramm über Auswirkungen von GSM-Emissionen (737/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (738/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten (739/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten


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Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundeskanzler betreffend arbeitsplatz- und lehrplatzvernichtende Politik der Bundesregierung (3956/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Umgehung des Behinderteneinstellungsgesetzes durch die Gemeinde Wien (3957/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verschlechterung der steuerlichen Situation für Kraftwagenlenker (3958/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Zwangsernährung für Schubhäftlinge (3959/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Einstellung der Stadtbusse in Krems (3960/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Bewilligung eines Kustodiates für den Schwerpunkt Koedukation (3961/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ermahnung von Bezirksinspektor Robert Rauter vom Hauptzollamt Klagenfurt gemäß § 9 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz (3962/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend offene Fragen zur positiven Gebarung der Krankenversicherung (3963/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Stellenabbau und Personalreduktion in der Verbundgesellschaft (3964/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Ausbildung von Milizsoldaten und personelle Bedeckung der Einsatzorganisation des Heeres (3965/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Ausschreibung der Funktion eines Erhebungsgruppenführers beim Hauptzollamt Klagenfurt (3966/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Laserpointer (3967/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Laserpointer (3968/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Laserpointer (3969/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Laserpointer (3970/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Konsultationsmechanismus und Stabilitätspakt (3971/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Gefährdung heimischer Arbeitsplätze durch die gesetzwidrige freihändige Vergabe von Aufträgen in Zusammenhang mit der Tagung des Europäischen Rates in Wien (3972/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Altlastensanierung und Strukturmängel der Verwaltungsvollstreckung (3973/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausbildungsberechtigung nach § 30 Berufsausbildungsgesetz (3974/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend beschränkte Aufstockung der Lehrlingsausbildungsquote durch Karenzurlaub (3975/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Vergabe einer 4. Mobilfunkkonzession (3976/J)

Dr. Günther Leiner und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Schließung von Bundeshebammenakademien (3977/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Mitwirkung Österreichs an den Verhandlungen zur Ausarbeitung einer internationalen Charta für Telekommunikation (3978/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Regelung des Alpentransits (3979/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Schulverbund Mittelschule Wien 22 (3980/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Verordnung zum Fortpflanzungsmedizingesetz (3981/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Mehrzweckgürtel (3982/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Aufnahmestopp für Militärpersonal auf Zeit (3983/J)


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Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Frage, ob für die Freimaurer in Österreich ein besonderes Recht (Urteil ohne Beweisverfahren) angewendet wird (3984/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Sicherung der Einsatzbereitschaft der freiwilligen Feuerwehren (3985/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Bautätigkeit im Bereich BMLV (3986/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Anfragebeantwortung 1410/AB vom 18. 8. 1995 sowie Vorwürfe des Buchautors Wolfgang Purtscheller gegen den ehemaligen Bundesminister für Inneres Caspar Einem u. a. (3987/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Situation bei der Simulatorenausstattung des Bundesheeres (3988/J)

Elfriede Madl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grenzsicherung in Oberösterreich (3989/J)

Karlheinz Kopf und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Europäische Jugendsporttage in Wien (3990/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend ungesicherte Bahnübergänge (3991/J)

Franz Stampler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Fahrtauglichkeitsuntersuchung für Lenker von Feuerwehrfahrzeugen über 7,5 Tonnen (3992/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Förderung der Österreichischen Kinderfreunde (3993/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Förderung der Österreichischen Kinderfreunde (3994/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Förderung der Österreichischen Kinderfreunde (3995/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Förderung der Österreichischen Kinderfreunde (3996/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Förderung der Österreichischen Kinderfreunde (3997/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Förderung der Österreichischen Kinderfreunde (3998/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Förderung der Österreichischen Kinderfreunde (3999/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Förderung der Österreichischen Kinderfreunde (4000/J)

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113. Sitzung / Seite 9

Dr. Martin Graf und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Konsultationsmechanismus und Stabilitätspakt (28/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (3573/AB zu 3637/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (3574/AB zu 3670/J)

 


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113. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 113. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Scheibner, Mag. Haupt, Wenitsch und Dr. Haselsteiner.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Bundeskanzleramt hat Mitteilung gemacht über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt:

Der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Schüssel wird durch Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein vertreten.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde. Als Thema wurde vorgeschlagen:

"Totalüberwachung der ÖsterreicherInnen trotz Datenschutz"

Zur Begründung des Themas der Aktuellen Stunde gelangt nun mit einer Redezeit von 10 Minuten Frau Abgeordnete Dr. Schmidt zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.02

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Einen schönen guten Morgen! Es ist schon wahr, daß das Plenum insgesamt schwach besetzt ist, zugegebenermaßen bei allen Fraktionen. (Abg. Kiss: Ihr seid die wenigsten!) Die wenigsten? – In der Relation nicht. Aber Sie hören mir nicht zu. Ich habe gesagt: zugegebenermaßen bei allen Fraktionen. (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich weiß nicht, woraus Sie Ihre Freude schöpfen. Vor allem frage ich mich, wie Sie die Dinge so locker nehmen können, wie Sie in einer so lockeren Art und Weise agieren können, wenn es sich um ein Thema handelt, das wirklich ins Mark des Rechtsstaates geht. (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Es ist dies ein Thema, das ins Mark des Rechtsstaates geht. Die Warnungen der Liberalen vor Einführung des Lauschangriffes und der Rasterfahndung sind bekannt. Wir sind uns damals oft so vorgekommen, als würden wir uns in einem Kampf gegen Windmühlen befinden, vor allem auch deswegen, weil immer wieder die "Keulen"-Argumente eingesetzt wurden, es ginge ja um den Kampf gegen die organisierte Kriminalität, und es ginge vor allem darum, Waffengleichheit zwischen Kriminellen und dem Staat, der sie verfolgt, herzustellen.

Beide Argumente sind deswegen so unsinnig, weil man ja uns oder auch anderen Kritikern von Lauschangriff und Rasterfahndung doch nicht unterstellen wird wollen, daß wir nicht Instrumente gegen die organisierte Kriminalität suchen wollen, daß wir nicht interessiert sind an einer effizienten Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Es kommt unserer Meinung nach nur


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darauf an, jedenfalls in einem Rechtsstaat, mit welchen Mitteln das geschieht. Und wenn Sie tatsächlich der Meinung sind, man müsse Waffengleichheit herstellen zwischen Verbrechern und jenen, die sie verfolgen, muß ich Ihnen entgegenhalten, daß das nur auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit gehen kann.

Es ist dann bei der Beschlußfassung über Rasterfahndung, über Lauschangriff ein bißchen etwas erreicht worden, ein bißchen etwas – möglicherweise auch ein Erfolg unseres ständigen Warnens. Das hat dazu geführt, daß man so getan hat, als könne man die Situation im Moment einmal beruhigen.

Jetzt geht es darum, daß ein nächster Schritt gesetzt wird, und zwar aus den Reihen der Polizei; von dieser Seite her war ja auch dazu gedrängt worden, die Instrumente Rasterfahndung und Lauschangriff in die Hände zu bekommen. Und wieder ist das Argument der Waffengleichheit zu hören. Der Kriminalpsychologe des Innenministeriums, der wörtlich erklärte, daß Waffengleichheit die Voraussetzung sei, um die Kriminalität bekämpfen zu können, ist mit seiner Meinung gar nicht allein, sondern reiht sich damit in eine Reihe von Politikern dieses Hauses ein. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Diskussion mit Herrn Klubobmann Khol, der dieses Wort ebenfalls gebraucht hat, und ich erinnere mich an viele andere Aussagen in dieser Richtung. Man ist also wirklich der Meinung, der Rechtsstaat dürfe sich in vielen Dingen auf eine Stufe mit Verbrechern stellen, weil es ja einem guten Zweck dient. (Unruhe im Saal.)

Wenn man derartige Dinge tatsächlich für möglich hält, muß man sich einmal vor Augen führen, was es in unserem Land schon alles gibt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Darf ich ganz kurz unterbrechen? – Meine Damen und Herren! Ich habe am Beginn der Sitzung gebeten, die Plätze einzunehmen, und ich halte diese Bitte aufrecht.

Frau Abgeordnete, ich bitte, fortzusetzen!

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): Es ist bekannt, daß die Sozialversicherungsträger, daß die Krankenhäuser die Gesundheitsdaten von Patientinnen und Patienten sammeln. Es ist bekannt, daß Banken die finanziellen Daten ihrer Kundinnen und Kunden sammeln. Es ist bekannt, daß Versandhäuser die Einkaufsgewohnheiten ihrer Konsumentinnen und Konsumenten feststellen. Es ist bekannt, daß Essensgewohnheiten über Kreditkarten überprüft und nachvollzogen werden können. (Abg. Dr. Stummvoll: Wer macht das?) Es ist bekannt, daß das gesammelt wird. (Abg. Dr. Stummvoll: Wer macht das?) Die Versandhäuser selber, denn es gibt entsprechende Listen! Sie wissen, daß die Banken das haben, Sie wissen, daß die Sozialversicherungen das haben. Sie wissen, daß die Krankenhäuser das haben. (Abg. Dr. Stummvoll: Und die Essensgewohnheiten?) Was die Essensgewohnheiten betrifft, so reicht offenbar Ihre Phantasie nicht aus, sich vorzustellen, daß, wenn man Aufstellungen über die Rechnungen hat, die über Kreditkarten bezahlt werden, Restaurants, die immer wieder vorkommen, selbstverständlich das Bild einer Person dahin gehend zeichnen können, welche Essensgewohnheiten sie hat, in welche Lokale sie essen zu gehen pflegt. Da den Kopf zu wiegen, halte ich für eine Realitätsverweigerung.

Was man dann damit macht, ist eine Frage der Zukunft. Da haben Sie recht. Mir geht es nur darum, aufzuzeigen, was heute in diesem Zusammenhang schon alles möglich ist. Das als Politikerin oder Politiker nicht zu realisieren, halte ich für verantwortungslos. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wir gehen weiter bei all dem, was an Gewohnheiten festgestellt werden kann: Wenn man sich die Verleihungsgewohnheiten in Videotheken anschaut, welche Filme, ja sogar welche Schauspieler bevorzugt werden von der Konsumentin, von dem Konsumenten – und diese Listen gibt es –, dann brauche ich gar nicht mehr von den amtlichen Daten zu reden, die da sind: Führerschein, Meldezettel inklusive Religionsbekenntnis, wie wir wissen, Strafregisterauskunft und all das, was notwendig ist, und damit habe ich jetzt nicht den Meldezettel in seinem vollen Umfang gemeint.


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Ich halte es für notwendig, sich vor Augen zu führen, was heute bereits möglich ist, aufzuzeigen, was heute festgehalten wird und was daher mit einer Vernetzung dieser Daten, mit einer Weitergabe dieser Daten angestellt werden kann. Wenn man jetzt noch die technische Revolution auf dem Telephonmarkt in Betracht zieht, wenn man weiß, daß es heute möglich ist, Reisebilder von jemandem zu erstellen, und zwar ohne sein Wissen, weil ein eingeschaltetes Handy ständig Frequenzen hat, die festgehalten werden können, und man daher genau weiß, wann sich wer wohin bewegt hat, muß das doch zu denken geben. Es ist nämlich technische Realität, daß das möglich ist.

Wenn man dann noch weiß, daß sämtliche Daten von Gesprächen an die sechs Monate – in Österreich oftmals sogar noch länger – aufgehoben werden, und zwar einerseits, um Reklamationen begegnen zu können, aber andererseits auch, um Aufträgen der Polizei nachkommen zu können, muß man doch zur Erkenntnis gelangen, daß es geradezu ein Horrorszenario ist, wenn es aus den Reihen der Polizei die öffentliche Forderung gibt, nun eine Überwachungsmöglichkeit mittels Word-scanners zu schaffen. Das würde bedeuten, daß sämtliche Telephongespräche überwacht werden können, weil eingeschaltet wird, wenn irgendein Codewort fällt, und dann verwertet werden können.

Das eröffnet eine Dimension, die mir deswegen kalte Schauer über den Rücken jagt, weil damit das deutlich geworden ist, was wir von Anfang an gesagt haben: daß dieser erste Schritt, den diese beiden Koalitionsparteien da gesetzt haben, eine Schleuse öffnet, die überhaupt nicht mehr geschlossen werden kann. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Noch schlimmer, wenn Sie, noch dazu aus Ihrem Ressort, sagen, daß das passiert und für Sie etwas ganz Normales ist. Das ist ja der Grund, warum der Heeresnachrichtendienst dringend einer ordentlichen Kontrolle, bis hin zur Abschaffung, bedarf. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist offenbar nicht realisiert worden, auch wenn wir davor gewarnt haben, daß mit der Einführung von Lauschangriff und Rasterfahndung die Unschuldsvermutung umgedreht wird. Jetzt werden hoffentlich alle begreifen, daß alle Bürger in unserem Land von diesem Staat, von diesem Innenminister als Verdächtige behandelt werden, mit der Begründung: Wir machen ja nachher ohnehin einen Unterschied zwischen Schuldigen und Unschuldigen. (Abg. Dr.  Maitz: So ein Unsinn!)

Sie müssen einmal unterscheiden zwischen den Dimensionen "verdächtig" und "unverdächtig" und "schuldig" und "unschuldig". Das wäre ja noch schöner, wenn Schuldige und Unschuldige auch noch gleich behandelt werden würden! Aber daß Sie Verdächtige und Unverdächtige gleich behandeln, indem Sie alle einmal potentiell überwachen, das ist für mich unerträglich! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Daher sage ich: Mit unserem derzeitigen Datenschutzrecht haben wir ein zahnloses Instrument, um derartigem Überwachungswahnsinn auch wirklich Einhalt zu gebieten. Ich fordere Sie daher auf, nicht die Augen zu verschließen und nicht mit Argumenten zu kommen, man müsse sich gegen Verbrecher zur Wehr setzen. Denn wenn Sie einmal wirklich akzeptieren, daß Sie eine Waffengleichheit herstellen wollen, dann haben wir den Rechtsstaat aufgegeben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

9.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand der Aktuellen Stunde gelangt der Herr Innenminister zu Wort. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

9.12

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, es geht hier nicht darum, daß der österreichische Innenminister oder die österreichische Exekutive vor Realitäten die Augen verschließt, sondern es geht darum, daß wir gemeinsam dieses Problem sehr sensibel angehen. Sie haben heute hier ja auch sehr differenziert argumentiert. Sie haben nicht nur argumentiert in Richtung Gefahr durch Exekutive und Gefahr durch andere öffentliche Institutionen, sondern Sie haben sehr wohl auch aufgezeigt, welche Gefahren es im Bereich von


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privaten und halböffentlichen Institutionen gibt. Ich glaube, es ist der richtige Weg, daß wir uns auch auf diese zweite Ebene sehr stark konzentrieren.

Zu dem, was Sie gesagt haben, aber auch zur prinzipiellen Diskussion möchte ich feststellen, daß dieses Szenario, das von manchen an die Wand gemalt wird, nämlich einer totalen Überwachung der Österreicherinnen und Österreicher, ein Szenario ist, das, zumindest was die österreichische Exekutive betrifft, in keiner Weise der Realität entspricht und auch jeder Grundlage entbehrt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die österreichische Exekutive und das Innenministerium schaffen durch die neuen Ermittlungsmethoden keinen "Staat im Staat" und keinen "gläsernen Menschen", sondern wir operieren, wenn wir diese neuen Ermittlungsmethoden einsetzen – und wir werden sie erst ab 1. Juli 1998 einsetzen können –, auf den Grundlagen des Rechtsstaates, auf der Grundlage einer vorbildlichen österreichischen Datenschutzgesetzgebung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bei der Beschlußfassung im Parlament im vergangenen Jahr sehr viele Kontrollmechanismen eingezogen, und ich möchte sehr offen zugeben, daß sich bezüglich dieser Kontrollmechanismen alle drei Oppositionsparteien in der Diskussion sehr stark eingebracht haben. Es ist von den beiden Regierungsparteien, aber auch von den zuständigen Ministerien alles getan worden, um auch die Wünsche, die Befürchtungen und die Ängste der Oppositionsparteien zu berücksichtigen.

Wir haben deshalb zusätzlich eine zeitliche Befristung der neuen Ermittlungsmethoden eingeführt. Im Bereich des Innenministeriums werden wir eine Geheimschutzordnung erlassen, die größtmöglichen Schutz vor Weitergabe von geheimen Daten oder privaten Daten bieten soll. Wir haben zusätzlich einen Rechtsschutzbeauftragten eingeführt. Es wurde klargestellt, daß, wenn diese Methoden eingesetzt werden, eine Verhältnismäßigkeit zum Zweck der Maßnahme zu wahren ist. Es wurde klargestellt und auch gesetzlich fixiert, daß diese neuen Ermittlungsmethoden nur dann eingesetzt werden dürfen, wenn es um organisierte Kriminalität geht oder darum, Verbrechenstatbestände aufzuklären, die mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe belegt sind. Wir haben klargestellt, daß gewisse Berufsgeheimnisträger ausgenommen sind, und es gibt eine jährliche Berichtspflicht an das österreichische Parlament durch den Justizminister.

Ich glaube daher, wir haben die Umsetzung der neuen Ermittlungsmethoden sehr ernst genommen. Wir haben versucht, ein Netz zu schaffen, das doch einigermaßen gewährleisten kann, daß es hier zu keinen Mißgriffen und zu keinen Überschreitungen kommt.

Ich bin der Auffassung, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß jede Österreicherin und jeder Österreicher ein Grundrecht auf Datenschutz hat, ein gesetzliches Recht auf den Schutz seiner personenbezogenen Daten hat. Deshalb sollten wir uns auch Gedanken darüber machen, daß die moderne Kommunikationsgesellschaft den Menschen durchsichtiger gemacht hat. Eine eingehende Befassung mit dieser Problematik zeigt, daß die Gefahr und die Bedrohung der Intimsphäre durch private und halböffentliche Institutionen größer sind als die heraufbeschworene Gefahr der neuen Ermittlungsmethoden durch Gendarmerie und Exekutive.

Wie ich bereits ausgeführt habe, operiert die österreichische Exekutive unter strengen gesetzlichen Auflagen und unter Aufsicht der Justiz. Es werden aber Daten im privaten Bereich mehr oder minder unkontrolliert und mehr oder minder unkontrollierbar weitergegeben, teilweise verrastert oder miteinander verknüpft. Diesen quasi gesetzesfreien Raum nutzen unter anderem Privatdedektive, Handelsketten, Adressenhändler und andere Institutionen. In diesen Bereichen soll angeblich gerastert werden, sollen angeblich Lebensgewohnheiten, Kaufneigungen ermittelt werden, sollen angeblich Wegdiagramme gezeichnet werden und sollen, was offensichtlich ist, wenn man sich die Zusendungen ansieht, die jeder einzelne von uns bekommt, auch personenbezogene Daten gehandelt werden. Dies geschieht weitgehend ohne Reaktion all jener, die hinter jeder polizeilichen Ermittlung einen Anschlag auf die Bürgerrechte vermuten. (Abg.


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Dr.  Schmidt: Woher nehmen Sie das, daß das ohne Reaktion geschieht? Das ist doch nicht wahr!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem kürzlich erschienenen Buch und in einer Artikelserie wurde fälschlicherweise behauptet – und Sie haben das auch heute wieder gesagt, Frau Abgeordnete –, daß die Polizei das Abhören von GSM-Handies im Griff hat, und es wurde der Anschein erweckt, daß die Polizei wahllos Mobiltelephone unter Einsatz eines sogenannten Word-scanners abhört. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, entspricht nicht der Wahrheit. Die österreichische Exekutive tut das nicht. (Abg. Dr. Schmidt: Doch! Wollen sie’s oder nicht?)

Die Realität sieht so aus, daß eine Telephonüberwachung, um Ihnen das nur als Beispiel zu sagen, nur mit richterlicher Genehmigung möglich ist. Die Realität sieht so aus, daß wir derzeit auch gar nicht die technischen Voraussetzungen haben, diese GSM-Handies abzuhören. Und selbst wenn die österreichische Exekutive diese technischen Voraussetzungen hat, kann das nur mit richterlichem Auftrag geschehen.

Auch um die sogenannten Wertkartentelephone gab es vor nicht allzulanger Zeit eine sehr lange und intensive öffentliche Diskussion. Dabei wurden die Probleme, die die österreichische Exekutive mit diesen Wertkartentelephonen hat, meiner Ansicht nach verharmlost. Tatsächlich – und das kann ich jederzeit nachweisen – wird diese Art von Telephonen von Straftätern vor allem im Suchtgiftbereich immer häufiger verwendet. (Abg. Dr. Schmidt: Die schreiben auch Briefe! Wollen Sie das Briefgeheimnis aufgeben?) Dieses Problem betrifft nicht nur Österreich, sondern stellt auch in anderen europäischen Staaten die Exekutive bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität vor eine schwere Aufgabe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Rufdatenrückermittlung haben wir bereits in der Vergangenheit eine Fülle von Fahndungserfolgen gehabt, und ich glaube nicht, daß es in unserem Interesse sein kann, uns dieses wichtige Fahndungsmittel aus der Hand nehmen zu lassen. Deshalb bestehen Bestrebungen im Bereich der Europäischen Union, einheitliche Regelungen für Wertkartentelephone auszuarbeiten.

Frau Abgeordnete Schmidt, um das hier ganz klar zu sagen: Es geht mir und es geht dem österreichischen Innenministerium dabei nicht um ein Verbot dieser Wertkartentelephone.

Was wir wollen, ist, daß auch Wertkartentelephone registriert werden, daß wir wissen, wer der Eigentümer dieser Wertkartentelephone ist. Wir sehen diese Problematik europaweit und wollen deshalb, wenn es zu einer Regelung kommt, nur eine europaweite Regelung. Es wird keinen österreichischen Alleingang geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bestimmungen über das Abhören von Telephonen oder die der technischen Observation sind rechtlich sehr eng gefaßt, und die Auflagen für die österreichische Exekutive sind durch die Gesetzeslage zum Glück sehr streng. Das gilt auch, wie ich bereits erwähnt habe, für die neuen Ermittlungsmethoden, die ab 1. Juli dieses Jahres der österreichischen Exekutive zur Verfügung stehen.

Ich darf Ihnen sagen, daß wir derzeit eine entsprechende Sondereinheit aufstellen, die direkt dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit unterstellt ist, und daß wir sehr genau schauen werden, welche Personen in dieser Sondereinheit tätig sind, mit welcher Ausrüstung und mit welcher Ausbildung. Das professionelle Vorgehen unter Wahrung der absoluten Datenschutzsicherheit muß und wird auch gewährleistet sein. Diese Einheit wird sich aber nicht nur mit dem Abhören beschäftigen, sondern sich auch dem Abwehren von Lauschangriffen widmen, damit eventuellen Lauschangriffen von privaten Personen, aber auch von ausländischen Geheim- und Nachrichtendiensten ein Riegel vorgeschoben werden kann.

Telefonüberwachungen werden – das kann ich Ihnen bestätigen und versichern – nur bei ausreichender Verdachtslage eingesetzt und auch nur dann, wenn ein entsprechender Erfolg zu erwarten ist. (Abg. Dr. Schmidt: Genügt die Verwendung eines Wortes für den Verdacht?)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahre 1996 wurden 319 Telefonüberwachungen durchgeführt. Im ganzen Jahr 1996 319! Allein diese Zahl zeigt schon, wie selten angesichts der hohen Zahl von Telephonanschlüssen dieses Mittel eingesetzt wird. Ich sehe da keine Gefahr, daß ein Unschuldiger in das Netz der österreichischen Exekutive gelangen könnte.

Zum Abschluß: Wir wollen nicht in den Wohnzimmern der österreichischen Bürger lauschen, sondern das, was wir wollen, ist, Schwerkriminalität und organisierte Kriminalität bekämpfen. Unsere Ermittlungsmethoden garantieren einen größtmöglichen Schutz der Intimsphäre unserer Bürger. Das veranschaulicht beispielsweise, wie ich bereits gesagt habe, die geringe Zahl von Telephonüberwachungen. Natürlich ist mir bewußt, daß Sicherheitspolitik allzuoft ein Balanceakt ist, bei dem darauf geachtet werden muß, daß die Integrität der Bürger in höchstem Maße gewährleistet ist und daß es ausschließlich darum geht, Straftaten aufzuklären und die Sicherheit aufrechtzuerhalten.

Ich bin überzeugt davon, daß dieser Balanceakt in Österreich aufgrund der datenschutzrechtlichen Bestimmungen für die österreichische Exekutive zu schaffen sein wird. Natürlich muß es unser gemeinsamer Auftrag sein, größtmögliche Sensibilität zu entwickeln. In unserem Land leben die Bürger zum Glück in großer Freizügigkeit. Die Eingriffsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden sind genau normiert und bestens kontrolliert und auf die Bedürfnisse der Bürger, aber auch auf die Bedürfnisse einer modernen Verbrechensbekämpfung abgestimmt. Ich werde alles daransetzen, daß dies auch in Zukunft mit Ihrer Unterstützung und Ihrer Kontrolle so bleiben wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

In der weiteren Debatte beträgt die Redezeit 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

9.24

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister Schlögl! Sie haben hier einiges verkündet, was schnell und prägnant zurückgewiesen werden muß. Sie haben von 319 genehmigten Telephonüberwachungen gesprochen, allerdings nicht die Dunkelziffer genannt. Sie wissen, daß Sie bei jedem Privatdetektiv ums Eck um 20 000 S jedes beliebige Telephonprotokoll kaufen können. Sie werden mir nicht einreden wollen, daß Ihre Exekutivbeamten von der technischen Möglichkeit nicht auch dann Gebrauch machen, wenn es keine richterliche Genehmigung gibt. Dazu ist die normale Telephonüberwachung technisch viel zu einfach.

Wenden wir uns den GSM-Telephonen zu, Herr Bundesminister. Sie sagen, die Wertkartentelephone seien ein Problem im Rahmen der Suchtgiftfahndung. Ihre Damen und Herren im Ministerium sollten sich einmal im Zusammenhang mit den Wertkartentelephonen technisch kundig machen und prüfen, ob sich ein Wertkartentelephon und ein anderes GSM-Telephon, das ebenfalls mit einem Chip arbeitet, in sicherheitspolizeilicher Hinsicht überhaupt voneinander unterscheiden. Beides sind kleine, leicht transportable Chips. Beim einen glauben Sie vielleicht, daß Sie den Namen identifizieren können, beim anderen ist von vornherein der Kauf anonym.

Das ist so wie bei der Telephonzelle, Herr Bundesminister. Ich hoffe, Sie haben nicht vor, Telephonzellen in diesem Land abtragen zu lassen, weil dort bekanntlich unter Einwurf einer Münze oder unter Verwendung einer Telephonwertkarte telephoniert werden kann, und das "bedauerlicherweise" anonym. Daß das Herrn Sika schmerzt, verstehe ich. Aber das ist seit Jahr und Tag in diesem Land üblich – es ist sicherlich auch ein polizeiliches Problem, das gebe ich zu. (Beifall beim Liberalen Forum.) Trotzdem werden Sie hoffentlich nicht so weit gehen, daß Sie ab sofort in jede Telephonzelle ein Gerät einbauen lassen, wodurch alle Gespräche mitgeschnitten werden können. (Abg. Rosenstingl: Videokameras!)

So etwas verlangen Sie nämlich jetzt im Bereich der GSM-Telephonie. Sie verlangen, daß von den Betreiberunternehmen – Telekom, max.mobil und wie sie alle heißen – Geräte in die


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Anlagen eingebaut werden, die Gefahren durch private und halböffentliche Institutionen überhaupt erst ermöglichen. Sie sagen, diese würden nur benützt, wenn das in richterlichem Auftrag geschieht. – Sie werden den richterlichen Auftrag gar nicht brauchen. Das wird technisch so einfach sein, daß Ihre Damen und Herren den richterlichen Auftrag gar nicht brauchen werden, denn sie werden einfach technisch davon Gebrauch machen.

Erzählen Sie mir doch nicht, daß ein Fahnder, wenn er glaubt, Gefahr sei im Verzug, den komplizierten Weg zum Rechtsschutzbeauftragten nimmt! Er denkt sich sicher, daß er ohnehin keine Spuren hinterläßt, wenn er abhört, und wird dies auch tun. Diese Schwachstelle ist nicht vom Tisch.

Erinnern Sie sich an den Einbruch in den Schengen-Computer. Das war ein Befugter, der allerdings gekauft wurde. Es gibt sozusagen Systeme, wo geradezu die Einladung gegeben ist, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am Ende der Front in der Sicherheitsexekutive arbeiten, mit diesem Ansinnen heranzutreten, wo geradezu der Nährboden für die Chance, sich Leute einzukaufen, gelegt wird. Jetzt sage ich nicht, daß das der Normalfall ist bei den Exekutivbeamten, aber es genügen ein, zwei, drei solcher Fälle. Sie wissen, daß kein System besser ist als das schwächste Glied in der Kette. Das wissen Sie ganz genau. Sie schaffen da menschliche Schnittstellen für die organisierte Kriminalität. Das kann ich nicht nachvollziehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie berufen sich auf die vorbildliche Datenschutzgesetzgebung in Österreich. Sie sind offenbar nicht über die letzten Gespräche im Datenschutzrat informiert, wo um ein neues, zeitgemäßes Datenschutzrecht gerungen wird und wo sich herausgestellt hat, daß wir keineswegs auf dem letzten Stand sind, was den Datenschutz anlangt. Durch eine Zusammenführung personeller Art im Rahmen der Betreuung des Datenschutzes sind dieselben Beamten für die Beschwerden, für die Entwicklung der Legistik und für die Beratung der Experten zuständig. Alles in einer Hand, weil wir nicht einmal das Geld zur Verfügung stellen, um dort die notwendigen Personalressourcen aufzubauen, damit das getrennt und entflochten werden kann.

Vor diesem Hintergrund sind Instrumente der Abhörung, wie sie jetzt vorgesehen sind, Lauschangriff und Rasterfahndung, sehr, sehr scharfe Skalpelle in den Händen nicht von Chirurgen, sondern von angelernten Krankenpflegern. Das ist schlecht. Der Beruf des Krankenpflegers ist ein ehrenwerter Beruf, aber er sollte nicht operieren dürfen, sondern nur der Chirurg sollte operieren.

Wenn Sie so leichtfertig Instrumente schaffen und aus der Hand geben, Herr Bundesminister, dann ist das, was Sie gesagt haben, zwar schön als Sonntagsrede anzuhören, aber leider in seiner Substanz nicht richtig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

9.30

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist für mich insofern etwas problematisch, als Kollegin Heide Schmidt zwar in der Einleitung ihrer Rede selbst gesagt hat, sie wolle bei dieser Gelegenheit auch auf technische Entwicklungen hinweisen, die alarmierend seien, und weiters auch technische Entwicklungen dargestellt hat – sie hat damit eigentlich in die Zukunft geblickt –, sie aber gleichermaßen hier in der Diskussion den Eindruck erweckt hat, daß aufgrund der Legistik, also aufgrund der gesetzlichen Regelungen, den Umständen, die sich hier abzeichnen, nicht entsprochen wird. (Abg. Dr. Schmidt: Wir wollen ja nicht im nachhinein darüber reden, sondern im vorhinein!) Ich meine, daß es gerade in einer Diskussion, die so hochsensibel ist wie jene über die Frage des Datenschutzes, notwendig ist, in der Öffentlichkeit darzulegen, was tatsächlich bereits geschehen ist, welche Möglichkeiten der Gefährdung bestehen und was man dagegen tun kann.


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Ich denke, es ist sicher so, daß der Datenschutz als Grundrecht eine der sensibelsten Materien ist. (Abg. Dr. Schmidt: Das sag ich doch!) Es ist weiters auch so – da stimme ich Ihnen völlig zu –, daß sich die Qualität einer Demokratie am Umgang mit Daten, also am Datenschutz, mißt. Das ist überhaupt keine Frage.

Es ist allerdings meines Erachtens nicht lauter, zu sagen, es gebe die Möglichkeit von Mißbrauch, daher wäre alleine schon deswegen der Innenminister in die Verantwortung zu nehmen, daher wäre mehr oder weniger der Mißbrauch, der erwiesenermaßen insbesondere im privaten Bereich vorliegt, etwas, was die Regierung zu vertreten habe. Ich glaube, Sie sollten auch das zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, was der Herr Bundesminister vorhin gesagt hat. (Weitere Zwischenrufe der Abg. Dr. Schmidt. ) Es ist bekannt, Frau Kollegin, daß im privaten Bereich Datenmißbrauch stattfindet, und das gilt es zu bekämpfen. Das ist überhaupt kein Thema, und in diesem Punkt werden Sie sicherlich die Sozialdemokratie immer auf Ihrer Seite haben. Es darf zu keinen Datenmißbräuchen kommen, und es müssen Instrumentarien eingerichtet werden, um sie zu verhindern.

Ich bin völlig Ihrer Meinung, wenn Sie sagen, man müsse dafür Sorge tragen, daß im Heeres-Nachrichtenamt eine effiziente Überwachung stattfindet – das ist keine Frage –, der Punkt ist nur folgender: Das, was wir bisher diskutiert und beschlossen haben – insbesondere in der Frage Rasterfahndung und Lauschangriff –, nimmt darauf bereits Rücksicht. Ich kann mich noch erinnern, daß wir hier über die Frage des Rechtsschutzbeauftragten, der ja wirklich ein starkes Kriterium sein soll, diskutiert haben. In dieser Debatte gab es Schmährufe wie: diese Einrichtung sei ineffizient, sie wäre bloß ein Scheinmäntelchen und so weiter.

Ich glaube, man muß wirklich die Punkte aufgreifen und fragen, wo Gefahren bestehen. (Abg. Dr. Schmidt: Die Gefahr besteht im Mißbrauch, das wissen Sie ganz genau!) Man muß auf der anderen Seite allerdings auch realistisch damit umgehen. Und die ehemalige Diskussion darüber, ob zum Beispiel der Rechtsschutzbeauftragte nur ein Scheinargument sei oder nicht, war sicherlich im Sinne des Datenschutzes und dessen notwendiger Entwicklung nicht sehr hilfreich. Das gilt jetzt auch in der gegenständlichen Diskussion.

Wir sollten nicht so tun, als gäbe es nicht bereits seit längerem in der Strafprozeßordnung die Möglichkeit einer Telephonüberwachung. Tatsache ist, daß sich die Technik – wie Sie das auch richtig dargelegt haben – in einer sehr schnellen Art und Weise weiterentwickelt und daß dieses Instrumentarium auch auf die technische Entwicklung transponiert werden muß. Und daher ist es auch legitim, die Frage zu stellen, ob nicht, wenn derzeit stationäre Telephoneinrichtungen überwacht werden können, die Entwicklung aber in zunehmendem Maße in Richtung tragbarer Einrichtungen geht, unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie derzeit beim stationären Netz vorgesehen sind, auch das GSM-Handynetz überwacht werden darf. (Abg. Dr. Schmidt: Aber nur unter den gleichen Voraussetzungen!) Und ich sage, das ist vergleichbar, das ist angemessen, und daher sollten auch hier entsprechende Möglichkeiten bestehen, und zwar auch nur unter Zuhilfenahme eines massiven Rechtsschutzes, nämlich nur mit richterlicher Genehmigung.

Frau Kollegin! Wenn Sie zu Recht sagen, daß es immer wieder die Möglichkeit des Mißbrauchs von Daten für Private geben wird (Abg. Dr. Schmidt: Auch für die Exekutive!), dann muß man unterscheiden, was einerseits amtlich möglich ist und was wir an Instrumenten der Exekutive in die Hand geben – was die Möglichkeit eines Mißbrauches nicht vorsieht und sehr prohibitiv gegen einen derartigen Mißbrauch ist – und welche Möglichkeiten von Mißbräuchen es auf der anderen Seite trotz der Gesetzeslage im privaten Bereich gibt und wie diesen vorzubeugen ist.

Ich meine, da muß man ganz einfach differenzieren und sagen, es ist notwendig, Mißbrauch zu verhindern und mit Nachdruck darauf zu achten, daß der Datenschutz gewahrt bleibt. Aber ich glaube, es ist nicht zulässig, daß man undifferenziert das bestehende Reglementarium kritisiert und es mit dem Hinweis auf privaten Mißbrauch, der mit diesem Reglementarium in gar keinem Zusammenhang steht, attackiert. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)


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9.34


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

9.34

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, die Sie heute so zahlreich da sind! Es ist unbestritten, daß mit der zunehmenden technologischen Entwicklung die Möglichkeiten der Überwachung, wie sie auch Frau Kollegin Schmidt angeführt hat, fast grenzenlos zu sein scheinen. (Abg. Dr. Schmidt: Das alleine ist es!) Und insbesondere die Dichte der Netze, die wir inzwischen schon kennen, die Verschiedenartigkeit und die mögliche Verknüpfung von Daten und deren mißbräuchliche Verwendung müssen uns natürlich sensibel machen. Da gebe ich Frau Kollegin Schmidt recht.

Es ist unbestritten, daß Mißbrauch, Korruption und Delikte im Zusammenhang mit der Datenverwendung bekämpft werden müssen. Darüber herrscht doch hier in diesem Haus Konsens. Die Frage ist nur, mit welchem Mittel, und, Frau Kollegin Schmidt, genau da unterscheiden wir uns. Wir wollen der Exekutive die bestmöglichen Mittel, jene auf dem letzten technologischen Stand in die Hand geben. (Abg. Dr. Kier: Für den bestmöglichen Mißbrauch!) Wir verkennen aber dabei nicht, daß wir natürlich dem Rechtsschutzinteresse auf Datenschutz auch Rechnung tragen müssen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kiermaier. )

Gerade der Lauschangriff und das Gesetz über die modernen Ermittlungsmethoden haben genau gezeigt, wie sensibel wir hier in diesem Spannungsfeld vorgehen, wie hoch wir auch den Rechtsschutz bezüglich der privaten Sphäre angesetzt haben und wie viele Kontrollmechanismen wir eingebaut haben, um Mißbrauch möglichst hintanzuhalten. Ich bin kein Illusionist, ich weiß, er kann stattfinden, weil es immer wieder Kriminelle geben wird, aber es muß unser Ziel sein, diese Kriminellen aufzudecken und auch entsprechend zu bestrafen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kiermaier. )

Bei diesem Thema, Frau Kollegin Schmidt, sehe ich das Problem nicht in den gesetzlich geregelten Fällen, dort haben wir ja ein dichtes Netz an Kontrolle. Ich sehe das Problem vielmehr bei all den Netzen, die wir nicht gesetzlich geregelt haben. Das betrifft zum Beispiel den Bereich Elektronik in PKWs, mit deren Hilfe man unter Umständen sehr wohl Bewegungsprofile erstellen kann. Das sind weiters Firmendaten, die sehr wohl mißbräuchlich verwendet werden können. Sie haben die Kreditkarten erwähnt. Sie haben aber auch erwähnt, daß sich natürlich im Telephonbereich technologisch sehr, sehr viel tut.

Ich akzeptiere daher, daß wir darüber nachdenken müssen, wie wir den Datenschutz in bezug auf die modernen Methoden weiter ausbauen können. Das müssen wir berücksichtigen, wenn wir – gut gemeint – neue Netze installieren. Als Beispiel möchte ich den Wunsch, alle Fernsehapparate mit einem Chip auszustatten, um Gewaltsendungen selektieren zu können, nennen. Auch das ist etwas, wobei im nachhinein unter Umständen mit diesem Chip auch wieder Mißbrauch betrieben werden könnte. (Abg. Dr. Schmidt: Wer soll sie selektieren? – Abg. Dr. Khol: Hören Sie doch zu, Frau Kollegin! – Abg. Dr. Schmidt: Was heißt das? Wollen Sie überprüfen, wer was fernsieht?) Frau Kollegin Schmidt! Wenn Sie nicht auf dem letzten Stand der Debatte sind, gebe ich Ihnen nachher gerne ein Privatissimum und sage Ihnen, was gemeint ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Schmidt! Mich irritiert ein bißchen Ihr permanentes Aufzeigen mit dem Zeigefinger, Ihr ständiger Hinweis darauf, ohne Lösungen anzubieten. Es ist Realitätsverweigerung, zu glauben, daß nur mit dem Heben des Zeigefingers der Datenfluß gestoppt werden könnte. Wir nehmen es ernst, es ist unsere Aufgabe, dem Grundrecht Datenschutz Rechnung zu tragen, aber es ist auch unsere Aufgabe, die österreichische Bevölkerung vor der organisierten Kriminalität und vor sonstigen Kriminellen zu schützen. Von diesem Schutz ist in Ihren Ausführungen überhaupt nicht die Rede gewesen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: In Niederösterreich hat sie dafür die Quittung bekommen!)

Uns ist das Sicherheitsbedürfnis der Österreicher eben auch etwas wert (Abg. Mag. Barmüller: Und die Österreicherinnen? – Abg. Dr. Kier: Das der Österreicherinnen nicht?), und daher akzeptieren wir, daß die Exekutive unter gesetzlich geregelten Voraussetzungen die modernsten Ermittlungsmethoden bekommt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Bravo! Ausgezeichnet!)

9.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

9.41

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die wirksame Bekämpfung der organisierten Kriminalität – das wünscht sich jeder. Aber wie es dabei in der Praxis zugeht, darf ich ein bißchen erzählen.

Ein großes Strafverfahren – ich habe verteidigt –, der Richter – es heißt doch immer, es geht alles nur über richterlichen Auftrag – gibt der zuständigen Kriminalabteilung den Auftrag, nachträglich festzustellen, welche telephonischen Kontakte es von einem bestimmten Anschluß aus in sechs Wochen, die er nennt, gegeben hat; aber nur telephonische Kontakte mit bestimmten anderen Anschlüssen, sodaß Unschuldige nicht mit in die Malaise kommen können.

Vorgelegt wird von der Kriminalabteilung ein lückenloser Auszug aller Telephongespräche, die es während der Dauer von fast einem Jahr gegeben hat. Darauf angesprochen, warum das nicht sechs Wochen, sondern etliche Monate waren, sagt der leitende Kriminalbeamte, der dort gesessen ist: Das weiß ich leider nicht! Und dazu, daß man nicht nur jene Anschlüsse, die das Gericht genehmigt hat und die mögliche Verdächtige betroffen haben, abgehört oder rückwirkend festgestellt hat, sondern alle anderen auch, sagte er: Das kann ich schon erklären: Die Telekom hat gesagt, das geht nicht anders. Wir können nur alles ausdrucken oder gar nichts.

Auf die Idee, daß man vielleicht die Telekom anhalten könnte, aus den Listen nur das herauszusuchen, was bestimmte Anschlüsse betrifft, auf die Idee, daß die Kriminalbeamten sich hinsetzen und selbst herausschreiben hätten können, was das Gericht genehmigt hat, auf die Idee, daß man dann, wenn es wirklich gar nicht geht, daß man dem richterlichen Auftrag entspricht, es eben bleiben läßt oder zumindest rückfragt, weil doch der Rechtsstaat auch noch ein bißchen etwas wert sein soll, weil die Rechtskultur – wenn man sich wirklich ein bißchen damit auskennt, weiß man das – auch etwas wert sein soll, auf die ist niemand gekommen!

Das sage ich nur allen, die der Meinung sind: Wenn die Richter etwas anordnen, ist alles in Ordnung, und dann kann alles nur so geschehen, wie sie es glauben.

Ich will mich gar nicht mit den Richtern befassen, dazu reichen die 5 Minuten nicht aus, aber ich habe Ihnen, glaube ich, damit ein bißchen erläutert, was im Rahmen solcher Anordnungen oder über sie weit hinausgehend alles geschieht, was jeden von uns eines Tages treffen kann.

Irgend jemand – ich glaube, es war der Herr Bundesminister – hat in seiner Wortspende erklärt, es müsse ohnehin immer der ausreichende Verdacht vorhanden sein. Ich darf daran erinnern – und etliche Anwesende waren damals dabei –, daß es im Zusammenhang mit der Einführung des Lauschangriffes und der Rasterfahndung hier im Budgetsaal ein Hearing gegeben hat, an dem maßgebliche Exponenten des Rechtsstaates Österreich teilgenommen haben, unter anderem ein offizieller Repräsentant der Staatsanwaltschaft. Ich könnte den Namen nennen, aber er ist sehr lieb, und ich will ihn nicht nennen. Wer dabei war, weiß, wie er heißt. Er hat gesagt: Was reden wir immer von einem dringenden Tatverdacht? Wir praktizieren es doch auch beim Telephonabhören so, daß wir durch das Abhören den dringenden Tatverdacht erst schaffen wollen! – Das hat er wörtlich gesagt, ich habe es mitgeschrieben. Dem steht man doch fassungslos gegenüber. (Abg. Dr. Schmidt nickt.)

Das heißt, nicht, wenn der dringende Tatverdacht gegeben ist, wird abgehört, sondern man hört einmal ab, denn vielleicht gelingt es einem, den dringenden Tatverdacht zu schaffen (Abg. Mag. Barmüller: Und man verwendet es dann!), und wenn nicht, dann hat man eben Pech gehabt. Es war ein Repräsentant – im übrigen (in Richtung Bundesminister Mag. Schlögl) ein Angehöriger deiner Partei –, der staatsanwaltschaftlicher Funktionär in gehobener Funktion ist, der das erklärt hat: Was wollt ihr eigentlich mit dem Tatverdacht, den schaffen wir doch erst durch das Abhören!


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Das muß man nur wissen. Man kann sich dazu bekennen. Man kann sagen: Alles in Ordnung! Wir hören jeden ab, irgendeiner wird schon verdächtig sein, wenn wir Glück haben. Wenn nicht, dann hören wir morgen weiter ab. Aber so zu tun, als ob der dringende Tatverdacht Voraussetzung wäre, das ist blauäugig, um nicht härtere Ausdrücke zu verwenden.

Damit sind wir beim sogenannten großen Lauschangriff. Ich kann mich daran erinnern, wie man hier im Haus und vorher in den Ausschußberatungen die Leute damit unter Druck gesetzt hat, daß man gesagt hat, wir könnten etwas von unserem Musterschülerimage einbüßen, denn überall im Ausland sei das gang und gäbe, und die Deutschen schauten schon schmunzelnd auf den "Kameraden Schnürschuh", auf den Österreicher, weil er so zimperlich ist und Ausnahmen, die die Rechtskultur verlangt, zulassen möchte. Und mit wenigen Ausnahmen hat das Haus dann dem großen Lauschangriff zugestimmt. Nicht allerdings die Freiheitlichen, nicht drei Abgeordnete der ÖVP, nicht andere noch aus dem Oppositionsbereich, aber sonst alle.

Und was ist jetzt? – Nachträglich stellt sich heraus, daß die Deutschen die Ausnahmen geschaffen haben, die man uns vorenthalten hat, obwohl die Deutschen seinerzeit die Rute im Fenster waren, weshalb man gesagt hat: Blamieren wir uns nicht! Das müssen wir machen, denn die Deutschen haben das schon längst. – Nichts haben sie gehabt! Abgelehnt haben sie es, denn dort gilt der Rechtsstaat doch noch etwas mehr als bei uns, und die Rechtskultur wird hochgehalten. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie beim Liberalen Forum.)

9.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte sehr.

9.45

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobro jutro, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! "Operieren auf der Grundlage des Rechtsstaates" – das ist die Maxime, das sind die Worte, die der Herr Bundesminister in seinen Ausführungen bezüglich der Vorwürfe und bezüglich der Bedenken der Kollegin Schmidt, was die datenschutzrechtliche Situation in erster Linie im Zusammenhang mit dem Lauschangriff in Österreich angeht, gewählt hat, um damit seine Sicht der Dinge zu umschreiben.

"Operieren auf der Grundlage des Rechtsstaates." – Herr Bundesminister, no na net werden Sie als Innenminister hier sagen, daß Sie auf Grundlage des Rechtsstaates operieren. Es wäre doch geradezu grotesk, sich vorzustellen, daß Sie nicht auf Grundlage des Rechtsstaates operieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist der Kern dieser Aussage? – Der Kern dieser Aussage ist – so interpretiere ich die Diskussion, die wir ein dreiviertel Jahr lang im Zusammenhang mit der Einführung des sogenannten großen Lauschangriffes in Österreich hatten –, daß das Operieren auf Grundlage des Rechtsstaates nichts ist, was gefährlich ist, nichts ist, was jemanden einschränkt. Es ist nur die Frage: Wie ist dieser Rechtsstaat ausgestaltet? Wo wird dieser Rechtsstaat eingeschränkt? Wo werden die Bürgerinnen und Bürger in ihren Rechten beschnitten? – Alles operierend auf der Grundlage des Rechtsstaates.

Wenn wir den Rechtsstaat scheibchenweise beschneiden, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es brenzlig, dann ist es brenzlig, und in dieser Situation sind wir jetzt. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Es geht um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in Österreich, die vor allem im Hinblick auf ihre intimste Sphäre, auf personenbezogene Daten, die gesammelt werden, auf Telephonüberwachung, die durchgeführt wird, eingeschränkt werden, es geht um die Rechte, die im Zusammenhang mit dem großen Lauschangriff eingeschränkt werden, der doch in ein paar Monaten jede rechtsstaatliche Grundlage – um bei den Worten des Herrn Bundesministers zu bleiben – hat. All diese Rechte sind massiv eingeschränkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist die Situation, in der wir heute sind. Und wenn der oberste Hüter der Sicherheit des einzelnen Bürgers und der einzelnen Bürgerin Österreichs


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sagt, daß durch diese Maßnahmen keine Gefahr – das hat er vor 10 Minuten wörtlich gesagt – für einen unschuldigen Bürger besteht, in dieses Netz des Sicherheitsapparates zu kommen, dann kann ich nur lachen.

Herr Bundesminister! Ich weiß nicht, ob Sie die Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger kennen, ernst nehmen Sie sie keinesfalls, denn sonst könnten Sie nicht hier im Parlament die Behauptung aufstellen, daß es keine Gefahr gibt, in das Netz – Sie haben das Wort "Netz" verwendet, nicht wir und auch nicht die Frau Kollegin Schmidt, wenn ich mich recht erinnere –, in die Fänge der Sicherheitsbehörden zu kommen.

Wir haben doch zahlreiche Fälle – nicht wir Grüne, sondern die Öffentlichkeit – aufgelistet, es wurden Diskussionssendungen im ORF dazu veranstaltet, wie Bürger und Bürgerinnen unschuldig in dieses Netz geraten und wie es keine Kompensation für das gibt, was ihnen vor allem an psychischem Leid, aber auch an finanziellem Schaden zugefügt wurde, wenn sie in die Fänge beziehungsweise in das Netz der Sicherheitsbehörden geraten sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr überrascht, daß Herr Kollege Jarolim bei seiner ersten Rede als neuer Justizsprecher der sozialdemokratischen Fraktion der Einschränkung der Bürgerrechte das Wort redet, daß er so wie noch keiner seiner Vorgänger als Justizsprecher – auch nicht Dr. Fuhrmann¸ das muß ich jetzt zu seiner Ehrenrettung sagen, nachdem er in dieser Funktion abgetreten ist – hier dem großen Lauschangriff das Wort redet. (Abg. Edler: Das ist eine Unterstellung!) Das ist etwas, was ich wirklich bemerkenswert finde. (Abg. Leikam: Sie reden der Kriminalität das Wort! Wollen Sie mehr Kriminalität im Lande?)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, zuletzt noch etwas – das hat nicht sosehr mit dem Herrn Bundesminister zu tun –, um Ihnen zu illustrieren, wie es wirklich um die Privatsphäre und um die Bürgerrechte in Österreich bestellt ist. Wenn man in Österreich einen Krankenschein will und zu seinem Arbeitgeber geht, dann zwingen die Gebietskrankenkassen – in dem Fall geht es um die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse – den Arbeitergeber, vom Dienstnehmer zu erfragen, für welchen Facharzt das ist. Da werden Profile über die Ausgabe von Krankenscheinen aufgezeichnet, und man meint, das klingt alles so harmlos. (Abg. Kopf: Das ist auch harmlos!) Das klingt alles so harmlos, man gibt da ja nur den Facharzt an. (Abg. Dr. Khol: Das ist absolut harmlos!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich: Wo kommen wir hin, wenn diese Vorgangsweise fortgesetzt wird? (Abg. Dr. Khol: Ihr habt einen Verfolgungswahn!)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Das, sehr geehrter Herr Präsident, ist etwas, was scheinbar so harmlos klingt, womit aber der Orwellsche Überwachungsstaat in einem Bereich, der nichts mit der Polizei zu tun hat, sondern wo es um die Gesundheit respektive Krankheit von Menschen geht, schon in die Realität umgesetzt wird. (Abg. Dr. Khol: Die haben einen Verfolgungswahn!) Und damit sollten wir uns auch auseinandersetzen. (Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Ihr habt einen Verfolgungswahn!)

9.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

9.52

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Fekter hat ein Privatissimum angeboten. Ich muß ihr leider sagen, ich möchte bei ihr kein Privatissimum nehmen, denn mich interessiert das Thema der positiven Auswirkung inquisitorischer Methoden im österreichischen Rechtsstaat wirklich nicht. Das ist aber das einzige, was man bei der Frau Abgeordneten Fekter lernen kann. Sie zeigt einem, wie man in diesem Bereich zwar der Überwachung die


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modernsten Mittel in die Hand gibt, aber wenn es um die demokratische Kontrolle in diesem Haus geht, dann steckt sie immer noch in Metternichschen Zeiten.

Denn eine demokratische Kontrolle in diesem Haus – etwa von Heeresnachrichtendiensten, von der Staatspolizei –, das ist etwas, was man von der Frau Abgeordneten Fekter nicht haben kann. Und genau das ist das Mißverhältnis, das hier auf Seite der ÖVP aufgezeigt werden muß und das so eklatant klarlegt, wie Sie in Wahrheit zum Rechtsstaat stehen. Wo es um die Überwachung der Bürgerinnen und Bürger geht, da wollen Sie die modernsten Mittel, dort, wo es um grundlegende demokratische Kontrollmechanismen geht, mauern Sie ab. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Das ist ein Verständnis, dem wir in diesem Hause selbstverständlich den Kampf ansagen, meine Damen und Herren, aber wir tun das, wie es schon eingangs auch vom Herrn Bundesminister gesagt worden ist, dennoch differenziert. Wir unterstellen nicht, daß sich der Herr Bundesminister in Wahrheit nicht nur mit dem Abgeordneten Höchtl (der genannte Abgeordnete spricht mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Schlögl, kehrt aber nun zu seinem Platz zurück) unterhalten möchte, sondern alle überwachen will. Nein, das will er ganz bestimmt nicht. Aber wahr ist, meine Damen und Herren, daß es mittlerweile nicht bloß um den Datenschutz geht, sondern es geht sowohl im staatlichen Bereich wie auch im Bereich von privaten Firmen um die Wahrung der Privatsphäre von einzelnen Menschen. Und die Wahrung der Privatsphäre ist in Österreich nicht mehr gewährleistet, und zwar deshalb nicht mehr gewährleistet, weil man mittlerweile auch von staatlicher Seite den großen Lauschangriff eingeführt hat und ihn auch nutzen wird und nutzen will.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist klarzulegen – das ist auch Herrn Abgeordnetem Jarolim zu sagen –, daß man nicht nur sagen kann: Wir operieren ohnehin nur auf der Grundlage des Rechtsstaates. Macht euch keine Sorgen! Es geht nur gegen das organisierte Verbrechen und gegen sonst niemanden! – Aber ich wundere mich, in diesem Buch (der Redner hält ein Buch in die Höhe) zu lesen, daß die SPÖ als Parlamentsklub einen Online-Zugriff auf den Zentralcomputer der Sozialversicherungen in Österreich hat. Da frage ich mich: Wozu braucht die SPÖ als Parlamentsklub einen Online-Zugriff auf den Zentralcomputer der Sozialversicherungen?

Da hat sich natürlich gleich Herr Sallmutter zu Wort gemeldet und gesagt: Nein, bitte, das stimmt nicht, die haben gar keinen Online-Zugriff. Die können ohnehin nur einen Teil dieser Daten lesen. – Das darf doch nicht wahr sein! Es darf doch nicht wahr sein, daß man als Dementi erklärt: Macht euch keine Sorgen! Die können keine Daten herausholen, bearbeiten und verwenden, sie können sie nur lesen, sie können sie nur auf dem Bildschirm aufrufen und lesen.

Jetzt möchte ich wissen, Herr Abgeordneter Wabl: Haben die Grünen einen Online-Zugriff, sodaß sie einen Teil lesen können? (Abg. Wabl: Ja, selbstverständlich!) Also wenn Sie sagen, ja, selbstverständlich, so ist das offenbar etwas, was gerade in der linken Reichshälfte verbreitet ist. Oder wie? Das glaube ich weniger. (Bundesminister Mag. Schlögl: Jetzt kenne ich unsere undichte Stelle! Der Wabl ist es!) Wahr ist, daß Herr Abgeordneter Wabl nicht die undichte Stelle ist, sondern daß er hier offenbar – ebenso wie die Liberalen – in einen Bereich hineinstoßen will, in dem die Privatsphäre, Herr Bundesminister, eklatant gefährdet ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich bitte Sie, sich an die Diskussion über den großen Lauschangriff zurückzuerinnern. Da hat es doch auch von den Regierungsfraktionen geheißen: Nein, es gibt bisher keine Erfahrungen mit dem großen Lauschangriff – das kam auch von seiten der Polizei; es war auch Herr Sika, der das gesagt hat –, daher können wir das Parlament und auch zum Beispiel das Justizministerium nicht darüber informieren, wie das geht, wie oft das angewendet werden wird und und und.

Es war interessant, daß dann, nachdem die ganze Debatte vorbei war, nachdem alles beschlossen worden war, herausgekommen ist, daß man im Bereich der U-Häftlinge selbstverständlich mit Wanzen die Gespräche zwischen den Verteidigern und den Beschuldigten abgehört hat.


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Darüber hat sich das Justizministerium natürlich sehr geärgert, meine Damen und Herren, denn zuerst hat man gesagt, das wird nicht gemacht, und dann kam heraus, das wird sehr wohl gemacht.

Es waren in Leoben Funktionäre der AUF – also den Freiheitlichen nahestehende Personalvertretungsfunktionäre –, die einen großen Lauschangriff gemacht haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.  – Bundesminister Mag. Schlögl: Sie haben es nicht ausgeführt!) Herr Bundesminister, er ist nicht gemacht worden, weil es so dilettantisch war. Es ist schon richtig, daß einer die Videokamera nicht bedienen konnte und daß es dadurch auch erst herausgekommen ist. Aber ich frage mich: Was tun Sie gegen diese Innentäter? Welche Konsequenzen gibt es für Leute aus dem Bereich der Polizei, die Gesetze brechen? (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Das ist nicht die Regel, aber es passiert, und dann muß man erkennen, daß, obwohl es passiert, in Wahrheit keine disziplinären Konsequenzen gezogen werden. Und das ist das Erschreckende daran. Es darf doch nicht so sein, daß die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land dem großen Lauschangriff ausgesetzt werden, daß aber dann in Wien in irgendwelchen Kommissariaten Koksparties gefeiert werden, und es gibt keine Konsequenzen aus dem Ganzen. Und da soll nicht jemand ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (fortsetzend): Und da soll nicht jemand Sorge haben, daß die Privatsphäre in diesem Land durch das, was diese Regierung gemacht hat, bereits in einem Ausmaß unterhöhlt ist, das nicht mehr hinzunehmen ist?! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

9.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster gelangt Herr Abgeordneter Kiermaier zu Wort. – Bitte.

9.57

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man den Verlauf der Debatte verfolgt, müßte man glauben, die Datenjäger sind unter uns (Abg. Wabl: Das ist richtig!), und wer denn sonst als die Exekutive ist diejenige, die das veranstaltet, und der gläserne Überwachungsstaat ist schon längst ausgebrochen. (Abg. Wabl: Das ist genau richtig! Das ist genau richtig, wie Sie das sehen!) Ich glaube, wir sollten die Kirche im Dorf lassen und diese Thematik nüchterner betrachten, als dies geschieht. (Abg. Mag. Barmüller: Nein, überwachen, Herr Kiermaier!)

Natürlich ist es so, daß es eine Ebene gibt – das ist heute schon angeklungen, der Herr Bundesminister hat es schon gesagt –, und auf dieser Ebene stellen etwa die Versandhäuser, die Firmen, die Adressenhändler – letztere ganz besonders – ein großes Risiko dar. Es ist jedoch nicht wahr, daß der Herr Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit voll auf den GSM-Handies drauf ist und daß diese Wortscanner, wie das heute schon angeführt worden ist, gang und gäbe sind. Im Gegenteil! Nur in ganz speziellen Ausnahmefällen – hauptsächlich im Suchtgiftbereich – sind sie einfach notwendig. Man muß sie einfach, wenn man Erfolg haben will, anwenden.

Mit dem richterlichen Befehl, der schon angezweifelt wurde – ich gebe schon zu, weder Richter noch Staatsanwälte sind der liebe Gott, bei beiden gibt es natürlich auch Fehlentscheidungen, wie es sie überall bei Menschen gibt –, ist eine Linie eingezogen, die man, glaube ich, akzeptieren kann. Außerdem: Weder die Telekom noch andere private Firmen lassen in ihren Apparaturen herumschnüffeln, wenn nicht eine entsprechende richterliche Basis geschaffen ist. (Abg. Dr. Schmidt: Aber Sie wollen sie ja dazu zwingen! Darum geht es ja!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was den Lauschangriff und den Aufbau dieser Überwachungssondereinheit betrifft, muß man auch einmal sagen, daß es sich hierbei um einen


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kleinen Kreis, um einen ganz kleinen Kreis von ausgesuchten Leuten handelt. Es ist ja nicht so, daß einfach auf jedem Gendarmerieposten oder auf jedem Polizeikommissariat die große Lauschstation errichtet werden soll.

Was das Wertkartentelephon betrifft, hat man dem Herrn Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit unterstellt, er sei für ein völliges Verbot dieser Geräte, was gar nicht stimmt. Aber leider hat er damit recht und stimmt es, daß sich gerade die internationalen Verbrechersyndikate und Drogenbosse dieser besonderen Technik ganz besonders gerne bedienen. Das muß man eben soweit wie möglich verhindern.

Unsere Exekutive hat keine krankhafte Neugierde und möchte sich nicht – wie es heute schon gesagt wurde – in jede Privatsphäre einklinken. Das kann man unseren Polizisten und Gendarmen nicht unterstellen. Es ist auch so, daß jeder Beamte einiges riskiert, wenn man ihm nachweisen kann, daß er einen Amtsmißbrauch begangen hat.

Das, glaube ich, wird sich jeder sehr gut überlegen und es nicht tun. Aber wenn die immer schwieriger werdende Tätigkeit zum Wohle des Bürgers ausgeführt werden soll, dann muß man den hohen Stellenwert der Sicherheit akzeptieren.

Ich bin der festen Überzeugung, daß – angefangen vom Bundesminister bis zum Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, bis zu den betroffenen Beamten – diesbezüglich sensibel vorgegangen wird und der Geheimschutz, die Geheimschutzordnung, die heute bereits vom Herrn Bundesminister angesprochen wurde, sicherlich einiges bringen wird. Die Zahl von 319 Telephonüberwachungen stellt auch klar, um welche Quantität es sich dabei eigentlich handelt.

Was die gesetzliche Grundlage betrifft, können Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, glauben, daß gerade wir Sozialdemokraten diesbezüglich mehr als sensibel sind, weil wir wissen, was ein Polizeistaat bedeuten würde. Und daß gerade wir keinen wollen, das können Sie mir glauben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluß kommend: Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß die Regierungskoalition und die Exekutive gemeinsam sehr gewissenhaft und sehr sorgsam mit diesen Instrumentarien umgehen werden – zum Wohle des Bürgers.

Nun eine kleine Zwischenbemerkung zu Herrn Kollegen Dr. Kier, den ich sehr schätze und dessen Redebeiträge ich immer sehr aufmerksam verfolge: Der Vergleich mit dem Krankenpfleger heute war nicht gut. (Abg. Dr. Khol: Das war jetzt die Unwahrheit, denn niemand kann die Redebeiträge des Kier verfolgen, weil er redet am Tag fünfzehnmal und mehr!)  – Ja, in Ordnung. Aber jene, die ich höre, gefallen mir, das muß ich unumwunden zugeben und aus Fairneß dazusagen. Aber der Vergleich mit dem Krankenpfleger, der das Skalpell nimmt, war meiner Meinung nach nicht richtig, denn die zur Debatte stehenden Beamten sind gut geschult (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), sind Spitzenbeamte, und denen möchte ich diesen Vergleich nicht zumuten. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

10.02

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Schmidt! Man kann natürlich sehr hehre Absichten haben, wenn man etwas thematisiert, dennoch haben Sie heute – ich unterstelle Ihnen nichts – kraß überzeichnet, so wie in der gesamten Diskussion, als es um die Einführung der modernen Ermittlungsmethoden gegangen ist. (Abg. Mag. Barmüller: Sie haben nicht einmal das, Herr Abgeordneter!) Sie zeichnen – ich zitiere zwei Ihrer Worte – ein "Horrorszenario", und Sie sprechen unter anderem davon, daß dies ins "Mark des Rechtsstaates" zielen würde, wenn man den Datenschutz in Österreich heute beurteilt. – Ich kann Ihr Urteil nicht nur nicht nachvollziehen, sondern ich


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komme zu einem ganz anderen Urteil, und ich möchte es auch argumentieren, Frau Kollegin Schmidt. Glauben Sie es mir!

Frau Kollegin Schmidt! Wenn ich jetzt besonders boshaft wäre, würde ich sagen, am 19. April sind Bundespräsidentenwahlen, und Sie versuchen jetzt krampfhaft, noch schnell eine Möglichkeit zu finden, um ins Fernsehen zu gelangen, um eine Position einzubringen. (Abg. Dr. Schmidt: Ein ganz neues Thema!)

Diese Bundespräsidentenwahl wird Ihnen dann auch das entsprechende Ergebnis, wie schon am vorigen Sonntag, ins Haus bringen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits. ) Ich bin überzeugt davon, Sie werden auch dort eine glatte Abfuhr erleben. Glauben Sie mir das! (Beifall bei der ÖVP.)

Mir hat gefallen, was Ihr Kollege Moser gesagt hat, als er zum Ergebnis der niederösterreichischen Landtagswahlen befragt wurde. Das gehört zwar jetzt nicht hierher, aber ich zitiere Hans Helmut Moser. Er hat gesagt, er habe in Niederösterreich mit Ihren Positionen, Frau Kollegin Schmidt, die Sie einnehmen, alle Hände und Füße voll zu tun gehabt. Seine Begründung: Sie argumentieren für die Giftler, für die Homosexuellen und gegen Kruzifixe. – Das versteht die Bevölkerung nicht. Auch in dieser Sache betreffend den Datenschutz argumentieren Sie eindeutig gegen die Interessen der Bevölkerung. Glauben Sie mir das! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wollten, um es jetzt einmal so zu sagen, "Patrona Austriae" werden. Sie werden es nicht werden. Fast scheint mir, Sie wollen Schutzpatronin der organisierten Kriminalität werden, Frau Kollegin Schmidt! Glauben Sie es mir! So haben Sie hier argumentiert. Wenn Sie sagen, die Exekutive sollte keine Waffengleichheit haben, also nur die Kriminellen, die Schwerstkriminellen sollen technische Mittel, sollen den Schutz des Rechtsstaates genießen können, dann muß ich Ihnen sagen, da finden wir uns nicht, Frau Kollegin Schmidt! Da haben Sie überzeichnet. Da haben Sie jenes Horrorszenario gezeichnet, von dem Sie geredet haben. Glauben Sie mir es! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir – und Kollegin Fekter hat die Position der ÖVP bereits deponiert –, die ÖVP, sind in der Angelegenheit der modernen Ermittlungsmethoden stets jenen Weg gegangen, daß wir gesagt haben: Schutz des Bürgers vor der Kriminalität, vor der Schwerstkriminalität, und zwar unter Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien. Die entsprechenden Maßnahmen sind im Gesetz enthalten. Wenn in drei Monaten diese neue Gruppe mit den Möglichkeiten, die der Gesetzgeber geschaffen hat, die gesamte Problematik in der Tagesaktualität ausübt, dann bin ich überzeugt davon, daß wir den richtigen Weg gehen.

Sie haben einen Trost: Sie können noch so laut schreien, Sie können noch so Ihre Szenarien skizzieren, die Bevölkerung wird es nicht verstehen. Möglicherweise ist das wirklich zu kopflastig und geht, wie Kollege Peter gesagt hat, zu wenig auf’s Herz und zu wenig auf’s Gefühl. Dies ist nun wahrlich kein Thema, mit dem Sie punkten werden, weil Sie vor allem das nicht berücksichtigen, was sowieso Rechtssicherheit ist, was rechtsstaatlichen Prinzipien – wie es der Herr Minister gesagt hat – in unserer Gesetzgebung zum Durchbruch verhilft. Ich bin überzeugt davon, daß wir der Exekutive mit den neuen Methoden die richtigen Möglichkeiten geben.

Aber die ÖVP geht auch sensibel an die Problematik heran. Wir sind uns bewußt, daß das Telefonieren mit Handies mit Wertkarten, wie es beispielsweise Maria Fekter und auch Generaldirektor Sika gesagt haben, in einem europäischen Kontext zu prüfen ist. Wir sind uns dessen bewußt, daß natürlich auch Bewegungsprofile von Handies in einer sensiblen Art und Weise überlegt werden müssen, wie es unseren Intentionen entspricht. Wir glauben aber, daß es dazu bereits eine Einrichtung gibt. Wir haben den Datenschutzrat. Beschäftigen wir ihn! Überlegen wir, welche Möglichkeiten es gibt. Wer will denn schon mit einer Ho-ruck-Partie alle Möglichkeiten ausloten, wenn es um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität geht und möglicherweise dabei der eine oder andere, der ein ordnungsliebender Bürger ist, unter die Räder kommen könnte? – Das wollen auch wir nicht.

Da treffen wir uns, das ist der Konsens, das ist der Handschlag. Wenn es Probleme gibt, die beispielsweise bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität auftreten, und es Möglichkei


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ten der Telekommunikation gibt, dann gibt es auch den Datenschutzrat (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), der sich mit dieser Materie in einer sehr sorgfältigen, sensiblen Art und Weise beschäftigt. Dafür sind wir, dafür ist die ÖVP! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Aber es gibt keine Konsequenzen, Herr Abgeordneter!)

10.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

10.08

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Als erstes begrüße ich heute einmal alle Abgeordneten, die noch nicht im Parlament weilen, vor allem dann, wenn sie ihre Handies eingeschaltet haben. Wir könnten nämlich, da diese Handies wie Peilsender funktionieren, ganz genau sagen und jederzeit feststellen, wo im städtischen Bereich sie sich zur Zeit befinden, und zwar sogar bis auf eine Distanz von 20 bis 30 Metern.

Meine Damen und Herren! Ob Handy, ob Telefon, ob Anrufbeantworter, ob Fax, ob Pager, ob Bankomatkarte, Kreditkarte, PC, Internet, GPS – alles ist abhörbar. Die wirkliche Gefahr jedoch droht in der Verknüpfung der einzelnen Daten, die Verknüpfung dieser einzelnen Daten ergibt den "gläsernen Menschen". Unser Datenschutzgesetz ist insgesamt so löchrig wie Schweizer Käse – zu viele Verordnungen, zu viele Gesetze, die teilweise, vor allem im medizinischen Bereich, widersprüchlich sind und einander widersprechen. Der Schutz für den Bürger kann nur so gut sein wie die Umsetzung und die Kontrollmöglichkeit dieser Gesetze, und diese Möglichkeiten sind einfach nur bedingt gegeben.

Ein höchst sensibler Bereich ist der Umgang mit Daten im Gesundheitsbereich. In vielen großen Krankenhäusern existiert schon ein sogenanntes KIS, ein Krankenhausinformationssystem, eine Datenbank mit Großrechnern, Dateien und Betriebssystemen.

In digitalen Krankenhäusern läuft die gesamte Kommunikation auf elektronischem Weg ab. Ärzte, Labors und andere Spitäler schicken die Gesundheitsdaten via Gesundheitsdatenautobahn auf die Reise. Es können auch zwischen den einzelnen Spitälern ISDN-Leitungen von Unikliniken zu kleineren Spitälern gelegt werden und diese damit verbunden werden, sodaß mir jederzeit ein Röntgenbild geschickt werden kann, zu dem ich Stellung nehmen kann, sodaß Ferndiagnosen, Videokonferenzen oder auch Fernoperationen möglich sind. Wirksamer Schutz in solchen offenen Systemen sind keine passwords, sondern dieser Schutz ist nur mit Hilfe kryptographischer, also verschlüsselungstechnischer Methoden möglich.

Weitaus problematischer, meine Damen und Herren, ist aber der administrative Bereich im Gesundheitswesen. Wenn zum Beispiel ein Datenaustausch zwischen Ärzten und Spitälern oder zwischen Ärzten und Sozialversicherungen erfolgt, wenn Befunde über Fax oder E-Mail weiterübermittelt werden, sind sie für jedermann zugänglich. Hier ist die elektronische Datenvernetzung, also die Vernetzung des gesamten Gesundheitssystems, die einzige Möglichkeit einer sicheren Datenvermittlung.

Heute wurde schon einmal das Buch "Im Visier der Datenjäger" von Gerald Reischl zitiert. Dieser Gerald Reischl nimmt darin wieder einmal den Hauptverband der Sozialversicherungsträger ins Visier. 60 Millionen Datensätze sind im Speicher der Sozialversicherungen, im Rechner gespeichert. Und darauf haben nicht nur Finanz und Justiz Zugriff, sondern – man höre und staune! – auch der SPÖ-Parlamentsklub, auch die Rechtsanwaltskanzlei in der Taborstraße, auch ein gewisser Dr. Peter Schütz – so sagt Herr Reischl, das müssen Sie ihm widerlegen –, auch die Wirtschaftsuni in Wien, auch eine EDV-GesmbH und auch die Post und Telekom in Wien. Angeblich – so heißt es – haben diese verschiedenen Organisationen, wie zum Beispiel der Parlamentsklub, eigene Zugriffsberechtigungen. – Das steht hier drinnen! Herr Reischl hat ja seine Informationen schließlich irgendwo hergenommen. Es gibt da verschiedene Zugriffsberechtigungen.

Wenn Sie jetzt aber wissen, daß in diesem Rechner der Sozialversicherungen eine Datenanalyse sämtlicher verschriebenen Medikamente beinhaltet ist, dann muß Ihnen auch klar sein,


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daß der Weg von der Sozialversicherungsnummer zu dem Rezept, zu dem Medikament, zu dem Namen des Patienten und auch wiederum zur Krankheit des Patienten bei Gott kein weiter, sondern für jeden, der sich nur einigermaßen in diesem System auskennt, leicht zugänglich ist.

Meine Damen und Herren! Der beste Datenschutz – das muß uns allen klar sein, das ist endlich einmal ein ehrliches Aufzeigen dieser Problematik – wäre die Vermeidung von Daten, aber dann hätten wir natürlich auch wesentlich weniger Informationen. Die zweite Möglichkeit ist eine klare, praktikable, kontrollierbare Datenschutzgebung, die aber auch Konsequenzen bei Mißbrauch haben muß – diese Konsequenzen fehlen hier. Oder man macht es wie in Schweden und sagt, man hat das Öffentlichkeitsprinzip. Das heißt, jeder im Verwaltungsbereich weiß über jeden genau Bescheid. – Über eines, meine Damen und Herren, sind sich aber alle Experten einig: Zurzeit ist bei uns in Österreich der Datenschutz unterm Hund! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Schieder gemeldet. – Bitte.

10.13

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Fraktion hat eine Wortmeldung für eine tatsächliche Berichtigung abgegeben, die aber aufgrund der Bestimmungen der Geschäftsordnung, obwohl es in diesem Hause auch schon anders gehandhabt wurde, abgelehnt wurde. Grund dafür war, daß Herr Abgeordneter Barmüller eine Behauptung, die von uns schon richtiggestellt wurde, die also entgegnet und bestritten wurde, daß nämlich ein Online-Zugang des SPÖ-Klubs zum Computer der Sozialversicherung bestehe, hier unter Hinweis auf ein Buch wiederholt und damit unter dem Schutz der Immunität hier noch einmal präsentiert hat.

10.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Schieder! Wenn die Geschäftsordnung eine tatsächliche Berichtigung ausdrücklich nicht vorsieht – laut § 97a letzer Satz ist eine tatsächliche Berichtigung nicht möglich –, dann möchte ich nicht jetzt ein Präjudiz neu einführen, daß man sich zur Geschäftsordnung meldet, dagegen protestiert, daß es keine tatsächliche Berichtigung gibt, und eine solche anbringt. Ich kann das nicht akzeptieren, Herr Abgeordneter!

10.14

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe das zur Kenntnis zu nehmen und frage Sie: Welche Möglichkeit besteht laut Geschäftsordnung für meine Fraktion, sich gegen diesen Untergriff des Abgeordneten Barmüller zu wehren?

10.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich stehe Ihnen in dieser Frage für ein Gespräch zur Verfügung, aber die Geschäftsordnung habe ich ordnungsgemäß zu handhaben. (Abg. Mag. Barmüller: Zur Geschäftsordnung!)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wabl.

10.15

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Was Kollege Kiss hier geboten hat, war bemerkenswert. Zuerst einmal hat er die Antragsteller dieser Aktuellen Stunde in einer Art und Weise heruntergemacht, die immerhin für den Sicherheitssprecher der ÖVP beachtlich ist. Er hat hier nämlich festgestellt, daß ein Mitglied dieses Hauses für die Kriminellen, für die Giftler ist und Gefahr läuft, Schutzpatronin der Schwerstkriminellen zu werden. (Abg. Kiss: Ich habe Moser zitiert! Ich habe Hans Helmut Moser zitiert!)

Herr Abgeordneter Kiss! Selbst wenn Frau Kollegin Schmidt das Thema für diese Aktuelle Stunde auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen gewählt hat, so muß ich sagen, ich bin ihr trotzdem dankbar dafür. Sie hat zu dieser Frage wenigstens eine klare Haltung – im Gegensatz zu Ihrem Kandidaten Klestil. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. –


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Abg. Schwarzenberger: Warum hat Ihr Bruder eine Rasterfahndung in der Rennbahnweg-Siedlung betrieben?)

Meine Damen und Herren! Dieses Spiel hier in diesem Hause im Zusammenhang mit dem Lauschangriff und mit der Rasterfahndung, daß hier die Guten sind, die alles gegen die Schwerstkriminellen einsetzen wollen, und dort die Behinderer, die sogenannten Träumer, die Liberalen und Grünen, die Freidenker und möglicherweise Freimaurer, geht nicht auf.

Herr Minister! Sie können hier selbstverständlich betonen – ich nehme Ihnen das auch ab –, daß Sie eine gute Ausrüstung für die Polizei haben wollen, daß Sie gute Gesetze für die Polizei und für die Sicherheitsexekutive haben wollen, und all das sollen Sie auch bekommen. Aber es gibt in einem Rechtsstaat Grenzen, wo der Private in seinen Rechten beschnitten wird, und diese Grenzen sind nicht zu überschreiten, und das übersehen Sie bei dieser Diskussion. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar für die Ausführungen des Kollegen Ofner. Ich bin sehr selten einer Meinung mit Herrn Kollegen Ofner, aber er spricht aus der Praxis, wie mit diesem heiklen Thema umgegangen wird. Ich sage Ihnen folgendes: Ich hoffe bei dieser ganzen Datengeschichte, daß die Entwicklung so rasant ist, daß die Datenflut überhaupt nicht mehr beherrschbar wird und Sie mit Ihrer Datenflut, mit Ihren Informationen überhaupt nicht mehr umgehen können werden, Herr Innenminister, und daß Sie nämlich dann, wenn Sie es brauchen, nicht mehr jeden einzelnen Bürger überwachen können werden. Aber was mich beunruhigt, meine Damen und Herren, ist, daß die ganz einfachen Möglichkeiten, die die Sicherheitsexekutive hat, schon jetzt von der Staatspolizei gegen den Bürger und gegen die Bürgerin eingesetzt werden. Ich sage Ihnen ein Beispiel dazu.

Ich war am Freitag vergangener Woche in Kärnten bei einer Demonstration. Dabei ist es darum gegangen, daß sich Bürger und Bürgerinnen im Zusammenhang mit der Kanalisierung ihrer Dörfer dagegen wehren, daß sie angesichts eines an sich klugen Instrumentes der Förderung, der Umweltförderung für Kanalbauten und Kläranlagen, gezwungen werden, Dinge zu tun, die unökologisch und unökonomisch sind. Dagegen wehren sich die Menschen dort.

Und was passiert jetzt? Wie reagiert unser Rechtsstaat, meine Damen und Herren? – Es wurde dort eine Demonstration angekündigt, eine Straße sollte für drei Stunden blockiert werden. Selbstverständlich muß die Exekutive hin, das ist auch richtig so, völlig korrekt. Es war auch ausreichend Exekutive dort. Aber, meine Damen und Herren, was hat das mit Sicherheit zu tun, was hat das mit Schwerstkriminalität zu tun, Herr Kiss, wenn dort Menschen von der Bürgerinitiative aus Bleiburg, wenn dort die Bürgerinitiative aus Feistritz, wenn dort die Bürgerinitiative aus Globasnitz, wenn das Komitee der Gast- und Beherbergungsbetriebe in Unterkärnten, wenn die Bürgerinitiative und Vertretung für Lifte, Wirtschaft, Sport und Freizeit aus Ruden gegen den Großkanal und für eine dezentrale Abwasserentsorgung demonstrieren?

Meine Damen und Herren! Was hat die Staatspolizei dort zu tun? – Die Herren von der Staatspolizei waren dort anwesend und haben alles aufgezeichnet. Jetzt frage ich Sie: Welcher Schutz wird denn dort durchgeführt? Wer wird denn da geschützt? Sind das die einfachen Bürger und Bürgerinnen, die vor der Schwerstkriminalität geschützt werden? – Schon da passieren Übergriffe, Herr Kiss!

Da brauchen Sie nicht wieder großartig den Retter der Sicherheit und der Ordnung zu spielen und für die Menschenrechte zu kämpfen. Die Bürgerrechte werden längst beschnitten – und zwar mit den einfachen Möglichkeiten, die die Staatspolizei bereits hat. Das ist unsere Befürchtung, meine Damen und Herren!

Das ist unsere Befürchtung, daß Sie mit Hilfe von neuen Gesetzen das legitimieren, was die Polizei und die Exekutive schon längst illegal machen. Und dagegen werden wir uns wehren, Herr Kiss! Da können Sie hundertmal sagen, Sie seien der Schutzpatron für die einfachen Bürgerinnen und Bürger! Wenn solche Dinge passieren, dann weiß ich, daß Sie auf der falschen Seite stehen! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

10.21


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113. Sitzung / Seite 29

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Kollege Barmüller gemeldet. Ich mache aber gleich aufmerksam: Gleiches Recht für alle! Ich werde auch jetzt eine persönliche Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung in Form einer Geschäftsordnungsmeldung nicht zulassen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.21

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich habe nicht vor, die Geschäftsordnung zu beugen, wie es andere vor mir getan haben, sondern ich möchte nur wissen, welche Möglichkeiten ich als Abgeordneter habe, mich gegen einen solchen Mißbrauch, wie er meiner Meinung nach von Herrn Abgeordneten Schieder erfolgt ist, zur Wehr zu setzen, und welche Möglichkeiten Sie empfehlen würden.

10.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich habe Herrn Kollegen Schieder gesagt, ich stehe ihm zur Verfügung. Das gilt auch für Sie. Ich werde Sie zu einem Gespräch einladen.

Ich erkläre die Aktuelle Stunde für beendet und danke dem Herrn Bundesminister.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 3573/AB und 3574/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (1105 der Beilagen),

Antrag 721/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird;

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 719/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend gründliche Vorbereitung der EU-Erweiterung,

Antrag 720/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Ratifikation des Vertrages von Amsterdam;

Budgetausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (BFG-Novelle 1998) (1096 der Beilagen),

Budgetüberschreitungsgesetz 1998 – BÜG 1998 (1097 der Beilagen),

Budgetbegleitgesetz 1998 (1099 der Beilagen);

Finanzausschuß:


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Antrag 711/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend die Privatisierung von in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen,

Antrag 715/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Bekämpfung der Schattenwirtschaft durch Einführung einer Mehrwertsteuerrückvergütung für private Bauherren,

Antrag 722/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Deckelung der Energieabgabe für Dienstleistungsunternehmen;

Gleichbehandlungsausschuß:

Antrag 716/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das B-VG geändert wird;

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Antrag 713/A der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird;

Umweltausschuß:

Antrag 718/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend die Schaffung einer europäischen Atomhaftungsrichtlinie;

Unterrichtsausschuß:

Antrag 712/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 45/1998, geändert wird;

Verkehrsausschuß:

Antrag 714/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG 1997), BGBl. Nr. 120/1997, i.d.F. BGBl. Nr. 2/1998, geändert wird;

Wirtschaftsausschuß:

Antrag 717/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Strategische Prüfung der potentiellen Effekte des Multilateralen Investitionsabkommens (MAI).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die freiheitliche Fraktion hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3956/J des Abgeordneten Gaugg an den Herrn Bundeskanzler betreffend arbeitsplatz- und lehrplatzvernichtende Politik der Bundesregierung dringlich zu behandeln.

Im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung wird der Aufruf dieser Dringlichen Anfrage für 15 Uhr in Aussicht genommen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Wabl beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 549/A (E) betreffend Ver


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sagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung eine Frist bis zum 14. April 1998 zu setzen.

Es liegt in diesem Zusammenhang das ordnungsgemäß unterfertigte Verlangen vor, eine Kurzdebatte über den Fristsetzungsantrag des Herrn Abgeordneten Wabl durchzuführen.

Da soeben bekanntgegeben wurde, daß eine Dringliche Anfrage für die heutige Sitzung vorliegt, wird die Kurzdebatte zum Antrag Wabl im Anschluß an die Beratung der Dringlichen Anfrage stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag erfolgt nach Ende der Debatte.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen, und ich gehe hiermit in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde in der Präsidialkonferenz beraten und Konsens erzielt über folgende Vorgangsweise: Es soll eine Tagesblockredezeit von 7 Stunden festgelegt werden, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 105 Minuten, ÖVP 98 Minuten, Freiheitliche 91 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden, und ich frage, ob es gegen diesen Vorschlag Einwendungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes (III-106 der Beilagen) über das Verwaltungsjahr 1996 (1106 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ein Verlangen auf mündliche Berichterstattung liegt nicht vor. Damit gehe ich in die Beratungen ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Apfelbeck. Es wurde mir mitgeteilt, daß ich die Redezeit auf 10 Minuten festlegen möge. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.25

Abgeordnete Ute Apfelbeck (Freiheitliche): Herr Präsident des Parlamentes! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ein Dank an das Präsidium – endlich bekommt dieser Rechnungshofbericht den Stellenwert, der ihm eigentlich zusteht. Sonst werden diese Berichte immer unter "ferner liefen" abgehandelt.

Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Der Rechnungshof mit seinen Beamtinnen und Beamten listet in jedem Bericht Verfehlungen wie Geldverschwendungen der Bundesregierung auf. Dafür bedanke ich mich im Namen meiner Fraktion, für diese unermüdliche und auch unbedankte Arbeit, aber auch dafür, daß die Beamten des Rechnungshofes den Mut noch nicht aufgegeben haben, denn Schlüsse für Verbesserungen zieht dieses Haus aus der Arbeit des Rechnungshofes nicht.

Im Gegenteil: Die politisch Verantwortlichen für die Fehlleistungen, diese Geldverschwendungen, entziehen sich ihrer Verantwortung dadurch, daß sie als Auskunftspersonen nicht geladen werden dürfen. Nur unwissende Beamte – nach dem Motto: nichts sehen, nichts hören und schon gar nichts reden – dürfen in den Rechnungshofausschuß – mit Zustimmung von SPÖ und ÖVP – geladen werden. Auskunftspersonen, bei denen man nicht sicher ist, ob sie auf Partei


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linie sind, werden abgelehnt. (Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Die Geladenen sind oft so unwissend, daß sie nicht einmal wissen, wer politisch verantwortlich war, oder sie dürfen es nicht wissen. Das wiederum spricht nicht für diese Politiker, sondern eher dafür, daß sie ihre Gagen umsonst bezogen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Beispiel: Tagesordnungspunkt Bundesstraßenverwaltung des Landes Steiermark. Rein zahlenmäßig sieht der Straßenbau in der Steiermark folgendermaßen aus: Rund 758,7 Millionen Schilling war der Auftragswert, 28,7 Millionen Schilling davon fehlerhaft, das heißt also: zu viel bezahlt, weil die Massen und die Leistungsreserven nicht stimmten, weil Behördenauflagen bei den Ausschreibungen erst gar nicht aufschienen, weil Behördenauflagen überhaupt nicht beachtet wurden – ich möchte nur wissen, was einem Privaten passiert, wenn er eine Behördenauflage nicht erfüllt –, weil Anhängeaufträge ohne Ausschreibung vergeben wurden, Baumaterialien zunächst kostenlos zur Verfügung gestellt, aber dann doch bezahlt wurden. – Die unrealistisch niedrigen Anbote wurden unkritisch akzeptiert und dann natürlich doch höher verrechnet.

Es gab fehlerhafte Berechnungen, fehlerhafte Aufmaßermittlungen, Rechenfehler – nur um einige Mängel zu nennen. Diesen 28,7 Millionen Schilling stehen 4,2 Millionen gegenüber, die erst über Anregung des Rechnungshofes abgezogen wurden. Außerdem macht die steirische Landesregierung dem Rechnungshof und damit dem Steuerzahler noch Hoffnung auf 0,7 Millionen, die noch nicht geklärt sind, und auf 1,1 Millionen Schilling, die strittig sind.

Allein die feine Unterscheidung bei der Rückforderung zwischen "strittig" und "noch nicht geklärt" macht dem Steuerzahler, der all das bezahlen muß, Hoffnung. Daß 4,2 Millionen und 0,7 Millionen und im günstigsten Fall noch weitere 1,1 Millionen noch lange nicht 28,7 Millionen Schilling ergeben, das, so hofft die steirische Landesregierung, wird der Steuerzahler und Wähler bis zur nächsten Wahl wohl vergessen.

Besonders zu denken gab mir eigentlich die Feststellung meiner steirischen Kollegen von ÖVP und SPÖ im Rechnungshofausschuß, die sinngemäß meinten, sie seien froh, daß dieser Bericht betreffend die Steiermärkische Landesregierung so positiv ausgefallen sei. – Was haben Sie denn erwartet, meine Damen und Herren? Daß der Rechnungshof noch mehr aufdecken könnte? Waren Ihnen diese Geldverschwendungen und diese Fehlleistungen nicht genug? – Mir jedenfalls haben sie gereicht!

Aber ich kann Sie schon verstehen, meine Kollegen von ÖVP und SPÖ aus der Steiermark. Wenn man sieht, wie diese Landesregierung mit dem Geld der Steuerzahler umgeht, dann wird man eben bescheiden und stellt keine Ansprüche mehr. Da wurden zum Beispiel 108 000 Quadratmeter Grund bei der Autobahn Abschnitt Ilz gekauft. Mehrere Auftragnehmer haben dann Schotter entnommen, und zwar ohne Vertrag darüber, wieviel Schotter sie entnehmen dürfen, und ohne Angabe des Verwendungszwecks, was mit dem entnommenen Schotter geschehen soll.

Ein Auftragnehmer hat einfach seine Baustelle dort errichtet, ohne daß es hierfür einen Vertrag gibt. Der Schotter wurde bis vier Meter unter den Grundwasserspiegel abgebaut, ohne daß es einem Verantwortlichen der steirischen Landesregierung beziehungsweise der Bauaufsicht aufgefallen wäre. Und die Sanierungsarbeiten wurden dann nicht vom Verursacher, sondern von der öffentlichen Hand bezahlt. Man hat es nicht einmal versucht, sie vom Verursacher einzutreiben! 4,2 Millionen Schilling wurden für diese Sanierung vom Steuerzahler aufgebracht. Das Grundstück wurde dann weiterverkauft – laut Auskunft der Beamten mit einem Gewinn von 3,5 Millionen Schilling.

Der Herr Präsident des Rechnungshofes sieht das aber nicht so. Er meinte im Ausschuß, es war ein Verlust. Die Beamten der Landesregierung wiederum meinten, es sei ein Gewinn, weil 157 000 Kubikmeter Schotter abgebaut wurden. Der Herr Präsident des Rechnungshofes war im Ausschuß anderer Meinung. Er meinte, es müßte viel mehr Schotter abgebaut worden sein, nämlich ungefähr 300 000 Kubikmeter . Und ich meine, dort sind wahrscheinlich 157 000 Kubikmeter Schotter in den Autobahnbau geflossen, und die Differenz auf 300 000 Kubikmeter Schotter hat die "Schwindsucht" bekommen.


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Ein Abgeordneter einer Regierungspartei meinte – allerdings außerhalb des Ausschusses –, dort hätten sich einige eine goldene Nase verdient. Dem kann ich mich nur anschließen: Gewinn bei den Privaten, Verlust beim Staat.

Dies aufzuklären, haben die Regierenden hier im Haus mit ihrer gegenseitigen Seilschaft abgelehnt. Unser Antrag, der anscheinend so gut war, daß er auch vom Kollegen Wabl übernommen und den Medien entsprechend verkauft wurde, dieser unser Antrag, daß die politisch Verantwortlichen, nämlich Landeshauptmann außer Dienst Dr. Josef Krainer und Frau Landeshauptfrau Klasnic, zwecks Klärung in den Rechnungsausschuß gebeten werden, wurde abgelehnt – frei nach dem Motto: Hilfst du mir, so helfe ich dir. – So funktioniert es ja immer. Aber der Steuerzahler, der das letztendlich alles bezahlen muß, hat das längst durchschaut, meine Damen und Herren, wie die letzten Wahlergebnisse in Graz gezeigt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie nur, meine Damen und Herren hier im Haus: Wann werden Sie endlich aufwachen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. – Bitte.

10.33

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Der heute vorliegende und zu diskutierende, 348 Seiten umfassende Bericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1996 ist nicht nur umfangreich. Ich möchte Ihnen, Herr Präsident, und Ihren Damen und Herren im Rechnungshof namens der sozialdemokratischen Fraktion herzlich danke dafür sagen, weil es ein Bericht ist, der sehr viel Aufschlußreiches über die Arbeit der geprüften Unternehmen und damit über die Arbeit in unserer Republik Österreich aussagt.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Kollegin Apfelbeck hat vor mir – sie ist nicht hier – Kritik daran geäußert, daß nicht jene Personen geladen werden, die sie sich vorstellt. (Abg. Wabl: Nicht nur die, die sie sich vorstellt!) – Ich halte dem entgegen, liebe Kollegin Apfelbeck, lieber Kollege Wabl und liebe vereinigte Opposition: Wir laden jene Damen und Herren in den Ausschuß, die in dieser Republik und in den Bundesländern dafür verantwortlich sind. Diese werden von uns geladen, und sie kommen auch. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber was Sie sich vorstellen, Frau Kollegin Apfelbeck, ist, daß wir sozusagen in die Kiste hineingreifen und ehemalige Verantwortliche laden. Aber nur deshalb, weil Sie das wollen, wird es das halt nicht spielen, denn wir laden die derzeit Verantwortlichen ein.

Ein Beispiel aus der Steiermark: Wir laden den Verantwortlichen für den Straßenbau, Landesrat Ressel, und wir werden nicht, nur weil es Ihnen nach der Landeshauptfrau gelüstet, diese ebenfalls laden. Besuchen Sie sie im Landhaus, Sie wird Ihnen wahrscheinlich auch Besuch gewähren, dort können Sie mit ihr sprechen! (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Auch Sie können dort Ihre Wünsche vortragen, Kollege Wabl, aber tragen Sie im Rechnungshofausschuß Ihre Kritik jenen Verantwortlichen vor, die derzeit die Verantwortung tragen. Daher glaube ich, das ist ... (Abg. Rosenstingl: Die Landeshauptfrau war verantwortlich in diesem Zeitraum! Sie war verantwortlich in dieser Zeit! Sie war verantwortlich zu diesem Zeitpunkt! Sie hat das zu verantworten!)

Hätten Sie mir zugehört, Kollege Rosenstingl! Ich habe gesagt, wir laden die derzeit Verantwortlichen und nicht jene, die einmal dafür verantwortlich waren. Darum geht es! Vermischen Sie nicht Birnen mit Salzgurken, sondern ordnen Sie das, dann werden Sie merken, daß wir richtig handeln!

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Dieser Rechnungshofbericht enthält auf seinen 348 Seiten natürlich auch kritische Anmerkungen zu verschiedensten Fragen. Nur ist dabei auch positiv herauszuheben, daß viele dieser Unternehmungen die vom Rechnungshof bereits in der


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Zeit der Prüfung geäußerten kritischen Anmerkungen und Anregungen sofort in die Tat umgesetzt haben. Das heißt, viele der geprüften Unternehmungen haben die kritischen Berichte in ihrem Unternehmen verwendet.

Es gibt Berichte, in denen sich der Rechnungshof besonders kritisch geäußert hat. Es gibt aber auch Unternehmungen, denen er ein ausgesprochen gutes Zeugnis ausgestellt hat, zum Beispiel den ÖBB, dem Wiener Hafen und der ÖIAG. Das waren positive Berichterstattungen.

Natürlich hat uns der Bericht über die Firma HTM geschmerzt. Aber was wäre bei HTM die Alternative gewesen? – Der Konkurs hätte bedeutet, daß Tausende Arbeitsplätze verlorengegangen wären. Deshalb war der Verkauf in diesem Fall wahrscheinlich die bessere Lösung. (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. )

Es gab auch einen kritischen Bericht über die Firma Wibeba. Kollege Trattner! Sie wissen, wir haben im Ausschuß lange darüber diskutiert, warum gerade die Firma Wibeba in ein großes Minus hineingeschlittert ist und daß diese Firma in den Jahren 1994 und 1995 schwere Verluste geschrieben hat. Dann hat sich aber gezeigt, daß es sozusagen mit einer "Infusion", mit einer Hilfeleistung durch ein anderes, sehr potentes Unternehmen, nämlich der Firma Porr und durch deren ausgesprochen guten Manager, Generaldirektor Pöchhacker, der dieser Firma in den entscheidenden, schwierigen Zeiten zu Hilfe gekommen ist, gelungen ist, die Wibeba wieder in schwarze Zahlen zu führen. Heute hat die Firma Wibeba wieder 18 Prozent Eigenkapital, meine Damen und Herren. Und heute schreibt sie nicht nur schwarze Zahlen, sondern ist Garant für Hunderte Arbeitsplätze und damit für die finanzielle Sicherstellung für Hunderte Familien. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch etwas anmerken, was ich für die heutige Debatte sehr wesentlich finde: Einer der geprüften Bereiche war die Schienenfahrzeugbeschaffung der ÖBB. Auch das ist wieder ein Beweis, liebe Kollegin Apfelbeck, daß Sie nicht ganz recht haben: Sie haben gesagt, wir laden nicht die, die Sie wollen. – Wir haben aber mit Zustimmung der Regierungsparteien, auf die Sie so hinhacken, einstimmig beschlossen, als an einem Tag der Generaldirektor der ÖBB nicht zur Rechnungshofausschußsitzung kommen konnte, daß wir ihn zusätzlich noch einmal laden, sodaß er an einem anderen Tag an einer Sitzung des Ausschusses teilgenommen hat. (Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Die ÖBB haben laut diesem Rechnungshofbericht, über den heute nachmittag diskutiert wird, durch konstruktive Leistungen nicht nur ihr Image verbessert, sondern auch zusätzliche Lehrplätze geschaffen. Sie haben zum Beispiel, wie wir den Angaben des Herrn Generaldirektors entnehmen konnten – und das steht auch im Bericht –, Bedarf an 30 bis 70 Lehrlingen. – Was machen aber die ÖBB? Sie nehmen 350 Lehrlinge auf!

Die ÖBB haben bei den Werken Simmering-Graz-Pauker 240 Doppelstockwaggons und 657 Waggons der üblichen Bauart bestellt. Aber es ist nicht das allein, sondern mit dieser Auftragsleistung, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren – und ich bitte, hier wirklich aufzupassen –, durch die ÖBB ist es gelungen, die österreichische Wertschöpfung von 60 bis 65 Prozent auf 92 Prozent zu erhöhen. Das ist österreichische Industrie- und Arbeitsmarktpolitik! Das brauchen wir gerade auf dem so sensiblen Arbeitsmarkt in Österreich, wo wir um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter Punkt, meine Damen und Herren – und damit möchte ich schließen –: Den ÖBB ist es gelungen, daß sich zum Beispiel bei Hochgeschwindigkeitslokomotiven die Kosten, die früher 70 Millionen Schilling ausgemacht haben, nun nur mehr auf 35 Millionen Schilling belaufen. Auch das ist wiederum eine Reduktion im Sinne des Sparens in diesem Staat. Was heißt das? – Viele Betriebe nehmen die Kritik des Rechnungshofes ernst, arbeiten sie ein, sichern damit Arbeitsplätze – mehr als je zuvor –, erhöhen die österreichische Wertschöpfung und sparen noch dabei. Das nenne ich effiziente Politik! (Beifall bei der SPÖ.)


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10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

10.41

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich freue mich ja darüber, daß Herr Abgeordneter Brix hier die PR-Arbeit für die ÖBB erledigt, aber einiges, Herr Abgeordneter Brix, kann ich Ihnen nicht ersparen.

Der Rechnungshof legt sehr umfangreiche Berichte vor, bietet viele Anregungen, wo man tatsächlich Verbesserungen machen könnte, die aber allesamt daran scheitern, daß sie von dieser Regierung einfach nicht umgesetzt werden. Es gibt alleine in diesem Bericht 129 unerledigte Anregungen des Rechnungshofes, und es datieren manche aus dem Jahre 1975, manche aus dem Jahre 1983. Das geht oft zehn, zwanzig Jahre zurück, wobei man sich einfach weigert, Anregungen des Rechnungshofes zur Kenntnis zu nehmen und umzusetzen.

Herr Abgeordneter Brix! Es wundert mich unter diesem Aspekt nicht, daß mittlerweile im Rechnungshof Sitten einreißen, daß Termine nicht mehr einvernehmlich gemacht werden, daß der Opposition nicht die Gelegenheit gegeben wird, an den Sitzungen teilzunehmen, sondern Sie setzen Termine just zu jenem Zeitpunkt an ... (Abg. Brix: Aber das stimmt doch nicht!) Na, selbstverständlich stimmt das!

Im Zusammenhang mit dem Ausschuß betreffend die Ennsnahe Trasse gab es von Ihrer Seite einfach nicht die Möglichkeit – es ging um eine Verschiebung um zehn Tage, damit man an der Ausschußsitzung teilnehmen könnte –, und die Bereitschaft, die Beratungen zu verschieben, damit die Opposition – und hier insbesondere die Liberalen – dabei sein können, sondern Sie haben gesagt: Das ist uns völlig Wurscht. – Sie wollen diesen Ausschuß ohnehin nicht vor dem Sommer abschließen, weil Sie an einer schnellen Behandlung nicht interessiert sind.

Ich muß mich ja darüber wundern, daß Sie sagen, der steirische Finanzlandesrat Ressel solle nach Wien kommen, um über diesen Bereich zu reden. (Abg. Edler: Der ist zuständig!) Aber daß jene Personen, die tatsächlich für die einzelnen Verfehlungen, die hier genannt worden sind, verantwortlich waren, aus dem Bereich der ÖVP kommen, das können Sie offenbar aus Koalitionsraison nicht sagen. Und daher veranstalten Sie im Rechnungshofausschuß nichts anderes als eine Show! Sie unternehmen irgend etwas, aber in Wirklichkeit setzen Sie nichts um. Das ist genau das, was uns alle so verdrossen macht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )

Herr Abgeordneter Kräuter! Ich weiß schon, daß Sie nachher dazu reden werden. Sie sollten aber vor allem etwas tun! Sie sind an der Regierung! ÖVP und SPÖ sind jene Fraktionen, die die Herren und Damen Minister dazu auffordern können, etwas zu unternehmen, aber das tun sie nicht! Das einzige, was Sie machen, ist, daß Sie durch Ihre Terminvereinbarungen die Opposition von den Sitzungen des Rechnungshofausschusses ausschließen (Abg. Edler: Das ist ja eine Unterstellung!), und wenn es nachher darum geht – und ich werde es Ihnen noch zitieren –, die einzelnen Punkte umzusetzen, kann man mit Ihnen nichts anfangen.

Es gibt 129 unerledigte Anregungen! Das geht vom BKA mit acht Anregungen über das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten mit sechs bis hin zum Herrn Wirtschaftsminister. Und es ist ja interessant, Herr Wirtschaftsminister, daß es bis heute nicht möglich war, eine Gebarungsrichtlinienverordnung gemäß dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zur Festlegung des Eigenmittelbedarfs gemeinnütziger Bauvereinigungen zu erlassen. Diese Anregung datiert aus dem Jahre 1993.

Es waren die Liberalen, die bei früheren Rechnungshofberichten schon andere Gelegenheiten im Bereich der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften aufgegriffen haben, die – Gott sei Dank – nach hartnäckigem Betreiben immerhin zur Rücküberweisung von 103 Millionen Schilling an jene Bauvereinigungen geführt haben, die zu Unrecht an den Bund ausgeschüttet haben. 103 Millionen Schilling! Um das zu erreichen, mußten wir hier im Hause über drei Jahre lang raufen, obwohl der Rechnungshof klar festgestellt hat, daß das, was da passiert ist, rechtswidrig ist.

Aber im Wege der Budgetsanierungen war es eben notwendig, noch irgendwo Mittel in das Budget zu transferieren, und man wollte offenbar so lange nicht rücküberweisen, bis man jene


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Kriterien erfüllt, die nach dem Maastricht-Vertrag notwendig sind. An allen Ecken und Enden wurde Geld zusammengekratzt, um das zu erreichen, was Sie in der Präsentation auf europäischer Ebene brauchen.

Jetzt sage ich folgendes: Wenn das nur Rechentricks gewesen wären, wäre es ja nicht schlimm. Aber wahr ist, daß gerade im Bereich der gemeinnützigen Bauvereinigungen die Mieterinnen und Mieter durch diese Machenschaften erhöhte Mieten zu zahlen haben, daß keine Vorsorge dafür getroffen wird, daß sich Gemeinnützigkeit auch wirklich positiv für die Menschen zu Buche schlägt, sondern daß man ganz bewußt Mittel ansammelt und Kredite aufnimmt, die dann von den Kosten her auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt werden, während die vorhandenen Eigenmittel in Wertpapieren angelegt werden.

Das, meine Damen und Herren, sind Beispiele, die jetzt wieder im Rechnungshofbericht angeführt werden, und wenn wir nun abermals zwei Jahre lang raufen müssen, damit ... (Abg. Wurmitzer: Du kennst dich nicht aus!) Herr Abgeordneter Wurmitzer! Ich weiß, das ist unangenehm, aber wahr ist: So schütter die ÖVP im Moment in ihren Reihen besetzt ist, so schüchtern ist sie und so schütter ist sie auch vertreten, wenn es darum geht, diese Dinge gegenüber ihrem Koalitionspartner vielleicht durchzusetzen. Da halten Sie ohnehin beide die Hand auf. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Herr Abgeordneter! Ich weiß, in Niederösterreich haben mittlerweile auch die Freiheitlichen eigene Wohnbaugenossenschaften gegründet, und sie betreiben dort ihre eigenen Machenschaften. Der Gratzer bedient sich dort genauso wie die anderen auch. Deswegen ist das für die Freiheitlichen inzwischen auch kein Thema mehr. Die Freiheitlichen betrachten diesen Bereich deshalb nicht, meine Damen und Herren, weil sie inzwischen selber mitkassieren.

Ganz besonders "lustig", Herr Abgeordneter, wird es natürlich dann, wenn man zur Kenntnis nehmen muß, daß es Anregungen von seiten des Rechnungshofes gibt, wie etwa jene, die auf Seite 218 des Berichtes zu finden ist, wo zu lesen steht, man solle doch endlich die Durchführung der nach dem Bundeshaushaltsgesetz ab 1. Jänner 1987 – ich betone: 1987! – vorgesehenen Trennung zwischen Anordnung und Vollzug machen.

Das ist also seit 1987 bereits Gesetz und wurde im Tätigkeitsbericht 1991 vom Rechnungshof moniert. Doch man hört vom Herrn Bundesminister für Inneres bloß, daß diese Anregung des Rechnungshofes in Salzburg probeweise umgesetzt worden sei und man dort sehr positive Erfahrungen damit gemacht habe. Eine Erweiterung dieses Systems auf andere Bundesländer sei zwar erforderlich, sagt der Herr Bundesminister für Inneres, aber – Zitat – "eine Umsetzung ist aufgrund der mit den Sparbemühungen einhergehenden Personalrestriktionen nicht möglich".

Jetzt gibt es Anregungen vom Rechnungshof, daß Gesetze einzuhalten sind, die 1987 beschlossen wurden; 1991 gab es die erste Anregung, aber Sie sagen: Es tut uns leid. Wir machen unser Budget auf eine Art und Weise, bei der wir die Gesetze in Österreich nicht einhalten können. – Das, Herr Abgeordneter Brix, ist etwas, was Sie hier vom Rednerpult aus verteidigen. Ich habe nicht gehört, daß Sie sagen: Um Gottes Willen, das darf doch nicht sein! Wir müssen ein Budget so machen, daß die Gesetze in Österreich eingehalten werden. – Nein, Sie reden nur davon, daß die ÖBB irgendwelche Aufträge vergeben, daß damit die Wertschöpfung in Österreich gestärkt wird – was zwar eine gute Sache, aber nicht Ihr Verdienst ist –, aber in jenen Bereichen, in denen Sie etwas machen könnten, schweigen Sie still.

Herr Abgeordneter Brix stellt sich hier heraus und sagt: Ich weiß nichts, ich mache nichts, ich tue nichts, ich möchte auch nichts davon hören. – Aber jetzt möchte ich von Ihnen, Herr Abgeordneter Brix, wissen: Wann werden Sie von der SPÖ die Einhaltung jener Gesetze, die Sie hier im Hause im Jahre 1987 beschlossen haben, auch wirklich umsetzen? Wann werden Sie denn ein Budget entwerfen, bei dem es nicht nur große Worte vom Herrn Bundesminister Edlinger gibt, sondern bei dem es dazu kommt, daß das, was in dem Budget festgehalten wird, auch tatsächlich gemacht wird? (Zwischenruf des Abg. Brix. )

Herr Abgeordneter! Es gibt noch eine Sache, und diese betrifft den Landwirtschaftsbereich. Lesen Sie in diesem Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes auf Seite 268 nach, wo klargelegt wird, daß es endlich zu einer Vereinfachung und Neuregelung der Bestimmungen des Bun


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desgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen kommen muß, um die bestehenden Auslegungsschwierigkeiten und die unterschiedliche Vollziehung zu beseitigen.

Sie wissen, daß es dabei um viel Geld geht. Das weiß auch der Herr Abgeordnete Lukesch. Aber in der Mitteilung jenes Bundesministers, der für diesen Bereich zuständig ist, nämlich Einem, steht, daß der Wunsch nach Vereinfachung ein solcher bleiben werde – unerfüllt bleiben –, weil sich entscheidenden Änderungen nicht nur der Widerstand der Dienstnehmerseite entgegenstelle, sondern auch der Sozialversicherungsbereich immer komplizierter werde.

Das ist gut! Der Rechnungshof sagt, man müsse in diesem Bereich der Prüfungstätigkeit endlich zu Vereinfachungen kommen, und Herr Bundesminister Einem sagt, es tue ihm leid, aber gegen die Dienstnehmerseite sei das einfach nicht durchzusetzen und darüber hinaus werde der Bereich der Sozialversicherung immer komplizierter, daher sei das nicht durchführbar. – Das sind genau jene bürokratischen Regelungen, die Sie Klein- und Mittelbetrieben jeden Tag aufbürden, und bei denen Sie nie nachgefragt haben, ob das überhaupt finanzierbar ist.

Da gibt es etwa auch das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – was oftmals von unserer Seite hier moniert worden ist –, das einfach eine Ungeheuerlichkeit an bürokratischen Auflagen für Klein- und Mittelbetriebe darstellt und bei dem Sie nie eingreifen. Aber in Ihrem Zuständigkeitsbereich, an dem Sie als politische Partei doch besonderes Interesse haben müßten, weil es ja Ihr Minister ist, der zuständig ist, tun Sie diesbezüglich nichts. Da schweigen Sie still. Sie stellen sich hier zum Rednerpult und loben die ÖBB, aber sonst verlieren Sie kein Wort darüber, daß man irgend etwas unternehmen müßte. Nichts! Das ist genau jene Doppelmoral, Herr Abgeordneter Brix, die in Österreich allen zum Hals heraushängt. (Abg. Brix: Das Lob verdienen die ÖBB! Wollen Sie sagen, das ist keine Leistung, daß Lehrlinge eingestellt werden?)

Herr Abgeordneter Brix! Die Lehrlinge in Österreich haben nicht Sie eingestellt. (Abg. Brix: Sie auch nicht!) Wir rühmen uns dessen auch nicht, Herr Abgeordneter Brix! Ich als Oppositionsabgeordneter sage Ihnen nur, in welchen Bereichen Sie tätig werden sollten, in denen Sie aber aus Parteiraison oder aus Rücksicht auf den Koalitionspartner – weil es einfach nicht genehm ist – nichts machen, während Sie all jenen in Österreich, die sich nicht an Bescheide halten, nicht nur Strafen aufbrummen lassen, weil das Rechtssystem so ist, sondern eventuell sogar Ersatzfreiheitsstrafen.

Wenn es etwa darum geht, daß in der Steiermark ein Naturschutzbescheid im Rahmen der Ennsnahen Trasse eingeholt wird, dann kann man locker in diesen Bericht hineinschreiben: Das war leider aus finanziellen Gründen nicht möglich. – Das wurde im Rechnungshofausschuß mehrmals diskutiert. Dazu sagt Herr Abgeordneter Brix nichts. (Abg. Wabl: Nichts sagt er, da schweigt er!) Er sitzt dort, hört sich alles an, wird mit einer sachlichen Kritik von seiten des Rechnungshofes konfrontiert, die da lautet: Hier sind Gesetze nicht eingehalten worden!, aber er sagt nichts dazu.

Herr Abgeordneter Brix! Wenn es darum geht, Frau Landeshauptmann Klasnic, die jetzt in diesem Zusammenhang die politische Verantwortung hat, oder den ehemaligen Landeshauptmann Krainer zu diesem Thema zu befragen, dann sagen Sie: Nein, von denen wollen wir nichts hören. – Das ist die Doppelbödigkeit, mit der Sie mit den Berichten des Rechnungshofes umgehen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Brix. )

Wahr ist, meine Damen und Herren von der Koalition, daß von Ihnen nicht nur die Arbeit des Rechnungshofes gelobt werden sollte, sondern es sollten insbesondere die darin gemachten Anregungen auch umgesetzt werden. Reden Sie sich nicht darauf aus, daß Sie ein Budget machen müssen, mit dem es Ihnen nicht möglich ist, die Gesetze einzuhalten und die Anregungen des Rechnungshofes umzusetzen! Reden Sie sich nicht darauf aus, daß Sie angeblich nicht diejenigen sind, die in diesem Land die Gesetze machen!


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Nehmen Sie diese Verantwortung auf Ihre Kappe! Hören Sie endlich auf, die Opposition durch geschicktes Manipulieren mit Terminen im Rechnungshofausschuß zu behindern! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brix gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden dem tatsächlichen Sachverhalt gegenüberzustellen. – Bitte.

10.53

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Barmüller hat hier behauptet, ich hätte einen Termin angesetzt, an dem er nicht teilnehmen konnte, und ich hätte somit Gepflogenheiten gebrochen. – Das ist nicht richtig.

Ich stelle fest: Richtig ist vielmehr, daß die Vorsitzende des Unterausschusses, Frau Kollegin Apfelbeck, freundlicherweise alle Fraktionen zu einem Termingespräch eingeladen hat, an jenem Tag die verschiedensten Termine diskutiert wurden, aber aufgrund der Situation – Budgetausschußsitzung et cetera –, auch durch einen Krankenhausaufenthalt der Frau Vorsitzenden, kein gemeinsamer Termin gefunden werden konnte. Dann wurde von allen fünf Fraktionen der kleinste gemeinsame Nenner – das war der besagte vorige Donnerstag – als Termin festgelegt und so beschlossen. – Das ist die Richtigstellung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Persönliche Erwiderung!)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Barmüller! Ich lese Ihnen § 58 Abs. 3 der Geschäftsordnung vor:

"Eine Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung ist nur durch einen Abgeordneten möglich, der in die Darlegung des berichtigten Sachverhaltes gemäß Abs. 2 persönlich einbezogen wurde".

Ich habe den berichtigten Sachverhalt mitgeschrieben: Abgeordneter Brix stellte fest, daß alle Fraktionen zu einem Termingespräch eingeladen wurden, et cetera, und daß dann mit vorigem Donnerstag eine einvernehmliche Lösung gefunden wurde.

Damit liegt keine Voraussetzung für eine persönliche Erwiderung vor. (Abg. Dr. Kier: Das ist der falsche Sachverhalt!)

Ich bitte Sie, mit Ihrer Klubvorsitzenden zu sprechen, weil bereits mehrfach in der Präsidialsitzung diskutiert wurde, wie wir das Thema persönliche Erwiderung handhaben. (Abg. Großruck: Wie ein kleines Kind!)

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Wurmitzer. – Bitte.

10.55

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Bevor ich zum Rechnungshofbericht des Jahres 1996 Stellung nehme, möchte ich zunächst einige Anmerkungen zu Ausführungen von Vorrednerinnen und -rednern machen.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Apfelbeck! Sie haben hier die Behauptung aufgestellt, nur unwissende Beamte würden vor den Ausschuß geladen werden. – Das ist ein Pauschalurteil, und jeder, der pauschal urteilt, liegt immer daneben. Ich stelle fest, daß sehr wohl maßgebliche Auskünfte von den Beamten, die vorgeladen wurden, eingeholt werden können, wenn die entsprechenden Fragen gestellt werden. – Das zum ersten.

Zum zweiten: Sie haben auch gemeint, Sie würden in Ihrer Arbeit im Ausschuß behindert, weil Auskunftspersonen nicht genehmigt würden. – Ich darf Ihnen sagen, es hat schon den Fall gegeben, daß neun Auskunftspersonen auf Wunsch der Oppositionsparteien geladen wurden, und keine einzige Person wurde befragt. Eine so exzessive Vorgangsweise wollen Sie hier kritisieren? (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Frau Abgeordnete Apfelbeck! Sie haben die steiermärkische Landesstraßenverwaltung massiv kritisiert, weil bei Abtragungsarbeiten von den Auftragnehmern keine entsprechenden Aufzeichnungen gemacht worden wären. Ich zitiere aus dem Rechnungshofbericht betreffend die Karawanken Autobahn:

"Die Verwendung von Material aus dem Baulos Rosegg durch den Auftragnehmer wurde von der Bauaufsicht nur ungenügend überwacht."

Und weiter heißt es hier: "Beim Baulos Winkl wurden durch unrichtiges Aufmaß der Böschungssicherungsmaßnahmen Rechnungskorrekturen in der Höhe von insgesamt 20 Millionen Schilling notwendig."

Ich zitiere weiters: "Beim Baulos Winkl widersprach die Abgeltung von Erschwernissen beim Abtrag von Konglomerat der Urkalkulation und den nachgewiesenen Sprengerschwernissen." – Der Unterschiedsbetrag macht 4,2 Millionen Schilling aus.

Weiteres Zitat: "Der Rechnungshof sprach sich im Baulos Rosegg gegen die Zuerkennung eines Zuschlages von rund 15,5 Millionen Schilling für den Abtrag anläßlich der Errichtung von Steinkeilen aus." – Zitatende.

Wissen Sie, wer die verantwortlichen Straßenbaureferenten waren? – Jeweils hohe und höchste Funktionäre der Freiheitlichen Partei. Einer davon sitzt hier in der ersten Bank: Dr. Haider war dafür zuständig. Also wenn Sie schon massiv kritisieren, dann sollten Sie auch den Balken im eigenen Auge nicht übersehen! Das möchte ich Ihnen dazu sagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nun aber zum Rechnungshofbericht: Der Rechnungshof hat seinen Bericht vorgelegt. Was bei vordergründiger Betrachtung wie Routinearbeit ausschaut, ist von sehr viel Fleiß, Arbeit, Sachkenntnis und sehr viel Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechnungshofes getragen. Ich möchte diesen daher herzlich dafür danken.

Ich weiß aber, daß der größte Dank an den Rechnungshof nicht verbal abgestattet werden kann, sondern daß es die beste Dankabstattung durch die Politik dann gibt, wenn es zu signifikanten Änderungen im kritisierten und beanstandeten Bereich kommt. Erst dadurch wird die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechnungshofes tatsächlich belohnt.

Es gibt solche Bereiche. Ich möchte einen davon herausgreifen, und zwar den Bereich Mehrdienstleistungen der Lehrer im Jahre 1996. Der höchste Undank an den Rechnungshof besteht darin, daß jahrelange Kritik nichts fruchtet und keine Veränderungen bei den kritisierten und betroffenen Stellen hervorruft. Das sind dann die sogenannten Ladenhüter der Politik, und einen solchen gibt es auch in diesem Bericht, nämlich das Beschaffungswesen der ÖBB. (Abg. Wabl: Bundesheer!) ÖBB, Kollege Wabl!

Ich möchte mich hier mit den beiden angesprochenen Bereichen exemplarisch befassen und nenne natürlich als Optimist das Positive zuerst, nämlich den Bereich "Mehrdienstleistungen der Lehrer". Dazu einige Vorbemerkungen.

Mehrdienstleistung im Schulwesen ist nicht gleich Überstunde. Die Mehrdienstleistung ist notwendig für die Erfüllung der Vorgaben der österreichischen Schulgesetze. Ich möchte es umgekehrt formulieren: Ohne Mehrdienstleistungen wären die Schulgesetze in Österreich nicht vollziehbar, denn der Unterricht und die Aufsicht der Schüler und Schülerinnen sind an fixe Zeiten gebunden und nicht variabel. Da besteht ein großer Unterschied zum Verwaltungsdienst. Ich bin überzeugt davon, daß man die Mehrdienstleistungen auch in Zukunft nicht zur Gänze wird beseitigen können.

Aber dennoch zu den Feststellungen des Rechnungshofes. Der Rechnungshof hat festgestellt, daß die Mehrdienstleistungen stark abgesunken sind. Ich darf die entsprechende Graphik zeigen (der Redner hält eine Graphik in die Höhe): Es hat von 1994 auf 1996 und 1997 eine Absenkung der Mehrdienstleistungen in Österreich um rund ein Drittel gegeben, nämlich von


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1 200 Millionen im Jahr 1994 auf rund 800 Millionen in den Jahren 1996 und 1997. Das ist eine absolut positive Bilanz. (Abg. Dr. Lukesch: Weil der Minister rasch reagiert hat! – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Der Rechnungshof berichtet, daß zum Zeitpunkt der Prüfung die Vorgaben noch nicht erreicht worden sind. Ich darf dazu sagen, daß diese Feststellung daraus resultiert, daß das Schuljahr ja nicht mit dem Budgetjahr übereinstimmt. Mittlerweile ist aber die Zielvorgabe von 400 Millionen Schilling pro Jahr erreicht. Ich stehe nicht an, Frau Bundesministerin Gehrer und ihrem Ministerium von dieser Stelle aus ein herzliches Dankeschön zu sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist die Durchsetzung dieser Absenkung kein leichtes Unterfangen, wie Sie alle wissen, weil es dabei auch um sogenannte wohlerworbene Rechte geht. Das Ziel wurde erreicht durch eine Verminderung der pauschalierten Mehrdienstleistungen, aber auch durch mehr Leistungsgerechtigkeit bei der Verrechnung, durch eine Verkürzung der Meldefristen von drei Tagen auf einen Tag, durch Stundenkürzungen in einem vertretbaren Ausmaß und durch die Berücksichtigung verkürzter Schuljahre in Maturaklassen.

Ab 1. September 1998 wird es eine weitere Absenkung geben, weil mit diesem Datum die Durchrechnung der Wochenstunden für Lehrer eingeführt wird. Das ist eine Maßnahme, bei der es verständlicherweise noch Widerstand der Kolleginnen und Kollegen gibt. Der Protest ist für mich verständlich, aber er ist nicht in allen Fällen gerechtfertigt.

Insgesamt stellt der Rechnungshof diesem Bereich ein positives Zeugnis aus, wenn er auch anmerkt, daß der Vollzug in manchen Bundesländern nachhinkt. Hierzu darf ich als Kärntner nicht ohne Stolz vermerken, daß das Bundesland Kärnten und das Bundesland Tirol in diesem Zusammenhang auch vom Rechnungshof als vorbildlich herausgestrichen wurden. (Abg. Dr. Graf: Weil da Jörg Haider Landeshauptmann war!) Es gibt also überall Verbesserungsmöglichkeiten, und diese sollten genützt werden.

Ich möchte mich zum zweiten auch mit dem Beschaffungswesen der Österreichischen Bundesbahnen beschäftigen. Ich bin nicht ganz der Auffassung meines Kollegen Brix. Mich schmerzt es, daß bei einem Beschaffungsvolumen von 18 Milliarden Schilling im Zeitraum von 1990 bis 1995 der Rechnungshof feststellt, daß die Vergabe meist ohne Ausschreibung durchgeführt wurde. Ich meine, daß das nicht vertretbar und nicht mit den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar ist.

Der Rechnungshof schreibt in seinem Bericht: "Keine einzige Neuentwicklung konnte termingerecht geliefert werden." – Auch das müßte nicht sein. Es habe vor allem auch keine gesicherten Markt- und Bedarfsanalysen gegeben, heißt es, sodaß die Güterwagenbeschaffung direkt am Transportbedarf vorbeigegangen sei.

Ich darf also feststellen: Wer so beschafft, hat sicher die höchsten Beschaffungskosten. Ich weiß schon, daß das nationale Interesse und das nationale Beschäftigungsinteresse hierbei eine große Rolle spielen. Ich bin aber dafür, daß man das Potential, das möglich ist, voll ausschöpft.

Ich möchte abschließend feststellen, daß, wenn man falsch beschafft, Geld für wichtige Bereiche fehlt. Als Kärntner darf ich anmerken, daß es einen eklatanten Unterschied zwischen der Ausstattung der Südbahn und der Westbahn gibt. (Abg. Edler: Semmering-Tunnel!) Als Benutzer der Südbahn muß ich darauf hinweisen, daß die Fahrzeit für 300 Kilometer mehr als fünf Stunden beträgt. (Abg. Wabl: Pröll verstopft das Loch! – Rufe: Pröll!) Das ist die gleiche Geschwindigkeit wie zu Zeiten von Freiherr von Ghega. Ich weiß auch, daß altes Material eingesetzt wird und daß vor allem die Gastronomie absolut nicht als zeitgemäß bezeichnet werden kann.

Mich trösten die Äußerungen von Herrn Generaldirektor Draxler nicht, wenn er sagt, die Südbahn hat für uns geringeres Interesse. Ich bin auch nicht einverstanden, wenn Herr Direktor Hainitz feststellt, die Südbahn wird keine Alternative zur Straße. Ganz besonders betroffen bin ich, wenn Herr Präsident Fiedler etwas sarkastisch sagt, es sollte nicht so weit gehen, daß auf der Südbahn auch die Heizung abgedreht wird.


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Das ist keine Bahnbedienung, die für das Jahr 2000 zeitgemäß ist. Ich stelle hier namens der südlichen Bundesländer folgende Forderung auf: Wir verlangen, daß Kärnten und die Steiermark sehr bald an das Hochleistungsbahnnetz Österreichs angebunden werden. Die italienischen Staatsbahnen sind mit ihrem Hochleistungsnetz bereits in Tarvis, und in Österreich ist dann Schluß damit. Ich trete auch dafür ein, daß es zu einer drastischen Verkürzung der Fahrtzeiten kommt und daß man bei uns modernes, attraktives Material einsetzt. Nur dann hat die Bahn, speziell auf der Südbahnstrecke, überhaupt eine Chance, ihren Auftrag als Transportmittel der Zukunft zu erfüllen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kiermaier: Pröll ist die Adresse, sonst niemand!)

11.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. (Abg. Kiermaier: Herr Landeshauptmann Pröll ist die Adresse! – Abg. Schwarzenberger: Heute ist nicht der 1. April!)

11.06

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute schon viel darüber geredet worden, wie wertvoll die Arbeit der Rechnungshofbeamtinnen und -beamten ist und wie gut die Leistung des Rechnungshofes ist. Unbedankt ist sie nicht, Frau Kollegin Apfelbeck, denn ich glaube doch, daß unsere Rechnungshofbeamten bezahlt werden.

Herr Kollege Wurmitzer hat völlig recht, wenn er sagt, der korrekte Dank für diese Arbeit ist eigentlich, wenn es politische Konsequenzen gibt. – Herr Kollege Wurmitzer, das ist goldrichtig. Sie haben hundertprozentig recht mit dieser Formulierung, denn es gibt nichts Deprimierenderes, als eine Arbeit zu machen – auch wenn man dafür bezahlt wird –, die an sich keine Wertschätzung genießt.

Ich glaube, daß die untersuchten Gegenstände – natürlich nur zum Teil, weil der Umfang sehr groß ist – sehr ausführlich verhandelt worden sind, daß es in weiten Bereichen Reaktionen und Änderungen gibt und selbst in den Verhandlungen noch Korrekturen des Verhaltens der betroffenen Stellen stattfinden. (Abg. Dr. Lukesch: Bravo!)

Meine Damen und Herren! Ich erwähne nur ein Beispiel: Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung hat in einem Fall eine nur sehr unzureichende Stellungnahme abgegeben, nämlich im Zusammenhang – Herr Kollege Barmüller hat es schon erwähnt – mit der Nichtbeachtung von naturschutzrechtlichen Auflagen. Es wurde einfach argumentiert: Wir haben das aus wirtschaftlichen Gründen nicht getan. Es konnte nicht ausführlich aufgeklärt werden, was tatsächlich der Hintergrund war. Wir haben nun zwei Seiten vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung nachgereicht bekommen, die hoffentlich auch bei den Fraktionskolleginnen und Fraktionskollegen eingelangt sind. (Ruf: Nein!)

Meine Damen und Herren! Das ist an die Parlamentsdirektion ergangen und auch zu meinen Handen. Ich habe meinem Büro den Auftrag gegeben, es zu kopieren und weiterzuschicken. Ich habe eine Kopie davon erhalten. Das Schriftstück ist erst gestern eingelangt, muß ich dazusagen. (Abg. Dr. Lukesch: Er hat einen Informationsvorsprung! Das ist gefährlich!)

Herr Abgeordneter Lukesch! Man hat mir das zukommen lassen. (Abg. Dr. Lukesch: Aha, "zukommen lassen"!) Auf dem Postweg, Herr Abgeordneter! (Abg. Schwarzenberger: Haben Sie das im Zuge der Rasterfahndung bekommen?) Der Rechnungshof ist mittlerweile auch informiert. Nun möchte ich aber eingehen auf ... (Abg. Dr. Lukesch: Wer ist der Absender?) Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung. (Abg. Dr. Lukesch: Vielleicht ist es der Bruder gewesen?) Ich würde Sie ersuchen, in der Parlamentsdirektion nachzufragen.

Meine Damen und Herren! Was ich im Rahmen der vorangegangenen Diskussion für besonders grotesk erachte, ist der Auftritt des Kollegen Brix. Er hat in einigen Fragen durchaus sehr seriös argumentiert, nicht aber im Zusammenhang mit der Terminfindung und im Zusammenhang mit der Ladung von Auskunftspersonen. Die Anträge der Kollegin Apfelbeck, die wir meist gemeinsam stellen, sind – das hat sie auch schon hier angemerkt – einfach niedergestimmt worden,


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weil man gesagt hat: Wir wollen nicht irgend jemanden laden und schon gar nicht diejenigen, die damals verantwortlich waren, wir laden nur die, die jetzt verantwortlich sind. (Abg. Brix: Gut aufgepaßt!)

Herr Abgeordneter Brix, mit diesem Trick können Sie vielleicht noch jene täuschen, die nicht in die Sache eingeweiht sind und die nicht das Glück haben, in diesem Ausschuß zu sein, aber all jene Abgeordneten, die in diesem Ausschuß sind, wissen sehr wohl, welche Strategie Sie dort fahren.

Ich bin auch der Meinung, daß selbstverständlich in erster Linie die zuständigen Beamten Auskunft geben sollen, und das tun auch viele. Manche gehen aber auch auf Urlaub, und wenn dann die Abgeordneten der Opposition verlangen, daß diese Beamten, die sich mit Urlaub entschuldigt haben, aber sehr wesentliche Beiträge leisten könnten für die nächste Sitzung, neuerlich geladen werden, lehnen Sie ab, weil Sie den Bericht endlich fertig machen und den Deckel drübergeben wollen, damit es vorbei ist.

Daß zusätzlich, Herr Kollege Brix, auch noch die politisch Verantwortlichen geladen werden müssen – das Parlament, der Ausschuß sind politische Gremien –, ist ja wohl selbstverständlich. Aber Sie haben sich, wenn ein politisch Verantwortlicher aus der Vergangenheit geladen werden soll, auf die Praxis eingeschworen, zu blockieren, zu mauern, abzubetonieren. Und das haben Sie auch mit Herrn Landesrat Ressel gemacht bei dem Fall, den Sie hier erwähnt haben. Ich habe es als taktischen Fehler empfunden, daß man Landesrat Ressel auf die Liste der zu ladenden Personen setzt, obwohl ich glaube, daß er in der Angelegenheit Ennsnahe Trasse sehr viel zu sagen hat. Aber Landesrat Ressel war überhaupt nicht verantwortlich für die Vorgänge, aufgrund derer es zum Desaster bei der Ennstrasse gekommen ist. (Abg. Brix: Aber jetzt ist er verantwortlich!)

Diese Politikerinnen und Politiker haben Sie abgelehnt, und jetzt sagen Sie, selbstverständlich laden wir die Landesräte und die politischen Verantwortlichen ein – diejenigen, die jetzt verantwortlich sind. Aber in bezug auf jene, die eigentlich für die Sache verantwortlich sind, da sagen Sie: Bitte schön, was wollen Sie denn? Wir haben schon einmal eine Sitzung gehabt, da waren neun da, und sie sind gar nicht gefragt worden! – Sie argumentieren damit, daß irgendwann einmal – ich glaube, das war vor vier oder fünf Jahren – Beamte geladen und nicht befragt worden sind. Na und? Es ist halt einmal vorgekommen, daß sie sich das anhören mußten, was die Abgeordneten über Sachverhalte erzählen. (Abg. Mag. Barmüller: Vielleicht hat das damit zu tun, daß zuwenig Zeit im Ausschuß ist! Sie setzen die Zeit ja auch schön kurz an!)

Das kommt auch noch dazu. In der Sache hat Kollege Barmüller recht: Es wurde ein Termin festgesetzt und von Ihnen durchgedrückt, an dem er nicht teilnehmen konnte, und das ist ein grundlegendes Abgehen vom Konsens in diesem Haus. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller.  – Abg. Brix: Das stimmt doch nicht!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brix und Herr Kollege Wurmitzer, Sie werden dieses Abmauern nicht durchhalten. Wir haben einen eklatanten Fall des Mißbrauchs – ich würde sagen: Diebstahls – gehabt. Wenn der Rechnungshof feststellt, daß in einer Schottergrube, die dem Bund gehört, nicht nur 150 000 oder 175 000 Kubikmeter abgebaut und verrechnet worden sind, sondern mehr als das Doppelte, dann ist das Amt der Steiermärkischen Landesregierung selbstverständlich verpflichtet, darüber Rechenschaft abzulegen. Wie soll ich es bezeichnen, wenn Sie, Herr Kollege Brix, einen Antrag, wonach die oder der politisch Zuständige in den Ausschuß kommen soll, ablehnen? (Abg. Mag. Barmüller: Beihilfe!) Es gibt darüber keine Auskunft. Die Beamten, die zum Ausschuß eingeladen waren, konnten keine Auskunft darüber geben, wo 150 000 Kubikmeter Schotter aus dem Bundeseigentum verblieben sind.

Wenn solche Dinge regelmäßig passieren, meine Damen und Herren, dann war es kein Fehler, sondern dann ist offensichtlich Betrug im Spiel. Und wenn Sie das nicht aufklären wollen, mit dem Argument, es würden ohnehin immer die Zuständigen geladen (Abg. Mag. Barmüller: Beihilfe!), dann ist das, meine Damen und Herren, politisch grob fahrlässig und demokratie


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schädigend – ich will nicht so weit gehen, daß ich sage: Beihilfe –, und die Kontrolle in diesem Haus wird unterbunden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller. )

Meine Damen und Herren! Das ist eigentlich genau der Punkt, um den es hier in diesem Haus geht: Kontrolle. Wie wird die Macht, die SPÖ und ÖVP sich in diesem Land feinsäuberlich teilen – brüderlich, wie wir von Herrn Wurmitzer gehört haben – kontrolliert? In Kärnten darf auch schon die FPÖ dabeisein bei den Straßenbauskandalen. (Abg. Mag. Stadler: Wurmitzer ist keine zitierbare Quelle!) Das hat Herr Kollege Wurmitzer hier berichtet; es kann ja falsch sein, Sie können sich dazu noch zu Wort melden. Aber wenn dem so ist, dann wird es notwendig sein, daß diese Macht kontrolliert wird. Wir haben einen Mann im Land, der direkt gewählt worden ist und der im Jahre 1992 behauptet hat, Macht braucht Kontrolle. (Abg. Brix: Es gibt einen Grünen in der Steiermark, der hat sich als Polizist ausgegeben! Heißt der nicht auch Wabl?)

Meine Damen und Herren! Dieser Mann, der davon redet, daß Macht Kontrolle braucht, tritt wieder zur Präsidentschaftswahl an. Er will wieder Präsident unserer Republik werden – als Bürgerinnen- und Bürgerkandidat, meine Damen und Herren. Und jetzt frage ich Sie: Was legitimiert diesen Mann, der gesagt hat, Macht braucht Kontrolle, wenn er selbst keine Bedenken hat, im Machtfilz auf diese Machtbereiche zuzugreifen, ohne sich kontrollieren zu lassen? – Meine Damen und Herren! Was ist von einem solchen Kandidaten zu halten? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Die Angelegenheit mit der Pension, daß er sich ertappen hat lassen und daß das "profil" getitelt hat: "Der ertappte Präsident", ist ja von der ÖVP und von den Bürgerinnen und Bürgern, die hundertprozentig hinter ihm stehen, im Laufschritt übergangen worden. Ich hoffe, daß sie auch weiterhin hinter ihm stehen, damit er keinen Fluchtweg hat bei der nächsten Causa, nämlich daß er auf Beamte zugreift und sich dort offensichtlich bedienen kann, ohne daß die vollen Kosten an die Republik zurückerstattet werden.

Meine Damen und Herren! Ich spreche vom Wahlkampf unseres Präsidenten Klestil. Bereits im Jahre 1992 hat er einen Beamten aus dem Kulturinstitut in New York abgezogen – mehr oder weniger von Freund zu Freund, nach einem kurzen Briefwechsel mit dem Außenamt –, und dann wurde dieser Beamte für den Wahlkampf des Herrn Bundespräsidenten eingesetzt: damals, im Jahre 1992, und jetzt wieder im Jahre 1998.

Meine Damen und Herren! Wenn dieser Sachverhalt nicht überprüft wird, weil der Herr Präsident offensichtlich zu feige ist, das überprüfen zu lassen, und in der Öffentlichkeit nicht klar dazu Stellung nimmt (Abg. Dr. Lukesch: Na, na! Mäßigen Sie sich, Herr Wabl!), dann erwarte ich mir, daß der Präsident des Rechnungshofes diesen Sachverhalt prüft. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Der Präsident des Rechnungshofes hat bereits die entsprechenden Unterlagen, und auch das Außenamt weiß, daß es sich da um eine krasse Fehlleistung handelt. Ich würde sagen, es handelt sich um den Verdacht des Amtsmißbrauches. Denn wäre es nur ein Fehler gewesen, daß die ÖVP damals nicht den vollen Betrag zurückgezahlt hat, hätte sie ja bereits sagen können: Meine Damen und Herren, hier ist ein Fehler passiert, wir zahlen diesen Fehlbetrag selbstverständlich nach, die ÖVP und Herr Klestil sind selbstverständlich bereit, diesen Fehlbetrag zu bezahlen. – Nein, meine Damen und Herren, die Kritik wird als Frechheit denunziert, als unglaubwürdig, als falsch, und weiterhin behaupten der Präsident und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Öffentlichkeit und vor der Presse, es sei alles in Ordnung.

Meine Damen und Herren! Das kann es nicht sein. Es kann nicht sein, daß jener Mann, der lautstark in unserer Republik verkündet: Macht braucht Kontrolle!, selber in diesem Machtfilz verfangen ist und keine klare Position bezieht. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Wie glaubwürdig, Herr Kollege Wurmitzer, ist denn die ÖVP, die beim ersten Angriff gesagt hat, es sei für diesen Wahlkampfleiter alles zurückbezahlt worden, aber beim zweiten Angriff, bei der Nachprüfung bereits einen Rückzieher macht und sagt: Wir haben alles zurückbezahlt, was uns


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in Rechnung gestellt wurde!? Das heißt, die ÖVP versucht bereits auf eine Schiene zu gehen, wonach der Schuldige im Außenamt gesucht werden muß.

Meine Damen und Herren! Wenn dieser Vorgang – ich sage das noch einmal mit allem Nachdruck – nicht vor der Wahl in der Öffentlichkeit klar und deutlich dargelegt wird, dann weiß ich nicht, wozu unsere Institutionen – das Parlament, der Rechnungshof, das Außenamt, die interne Revision – noch in der Lage sind. Die Öffentlichkeit muß erfahren, daß ihr oberster Kontrollor, ihr selbsternannter Kontrollor offensichtlich beliebig auf Beamte zugreifen kann und nach seinem Belieben Entschädigungszahlungen tätigt – ohne klare gesetzliche Grundlage. Man muß feststellen, daß überhaupt keine gesetzliche Grundlage für diesen Vorgang besteht. Das nächste Mal zieht die SPÖ einfach Beamte aus dem Sozialministerium, dem Außenamt, aus Wirtschaftsministerium und Wissenschaftsministerium ab und macht einen Wahlkampf. – Bitte, das kann es doch nicht sein, Herr Kollege Wurmitzer, das ist doch unglaublich! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Wurmitzer: Nur keine Unterstellungen!)

Herr Abgeordneter Wurmitzer! Wenn Sie sich als Mitglied des Rechnungshofausschusses ernst nehmen (Abg. Schwarzenberger: Da hilft im Grunde Rasterfahndung und Lauschangriff!) , dann müssen Sie ein Interesse daran haben, daß diese Causa lückenlos aufgeklärt wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurmitzer: Aufklären muß man anderes auch!) Es darf nicht sein, daß die Republik um zirka eine Viertelmillion Schilling geschädigt wird, nur weil ein Mitglied Ihrer Partei Präsident werden will. (Abg. Wurmitzer: Und wer noch?!) Das kann nicht sein, und das sollten Sie aufklären. (Abg. Wurmitzer: Was dein Bruder in Wien macht, muß man aufklären!)

Herr Abgeordneter Wurmitzer! Wir reden hier über den obersten Repräsentanten dieser Republik, der offensichtlich im Machtfilz verfangen ist und keine klare Sprache findet. Das ist der Gegenstand, um den es hier geht, und wenn Sie sich als Kontrollor in diesem Haus ernst nehmen ... (Abg. Wurmitzer: Und was ist damit, was ein Richter der Republik in Wien macht?)

Herr Abgeordneter Wurmitzer! Es ist in Ordnung, daß Sie die Freiheitlichen kritisieren. (Abg. Wurmitzer: Gar nicht wahr!) Selbstverständlich. Das sollen Sie auch. Es ist in Ordnung, wenn Sie die Sozialdemokraten kritisieren, wenn diese bei den ÖBB Dinge gemacht haben, die nicht korrekt sind. (Abg. Schwarzenberger: Aber es ist nicht in Ordnung, wenn der Wabl kritisiert wird!) Aber wenn es sich um Dinge handelt, die in Ihrem eigenen Bereich liegen – oh, da wollen Sie sich nicht die Finger verbrennen! Oje, da geht es um schwarze Belange, da geht es um meine Partei, da halte ich den Mund, denn sonst bin ich beim nächsten Mal nicht mehr auf der Liste! – Wenn das Ihr Selbstverständnis als Volksvertreter ist, dann sind Sie zu lange hier gesessen, Herr Abgeordneter Wurmitzer! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Van der Bellen wird Sie auch nicht mehr auf die Liste setzen!)

Herr Abgeordneter Wurmitzer! Ich habe Sie immer als einen derjenigen Abgeordneten geschätzt, die sich zumindest bemühen, der Sache auf den Grund zu gehen. Bemühen Sie sich auch in dieser Sache, denn wenn ... (Abg. Wurmitzer: Das ist mir aber neu! Soll ich zitieren, was du über mich da herinnen gesagt hast? Nachlesen!)

Herr Abgeordneter Wurmitzer! Ich kritisiere Sie dort hart, wo ich glaube, daß Sie eine falsche Meinung verbreiten. Das ist auch zulässig. Aber wenn sich der Herr Bundespräsident bei einer Wahlkampfrede hinstellt und sagt: "Ich bin niemand etwas schuldig!", dann darf ein Volksvertreter wohl nachfragen: Stimmt das? Ist er wirklich "niemand etwas schuldig"? (Abg. Dr. Lukesch: Das war eine Vorverurteilung, was Sie gemacht haben!)  – Ich rede jetzt nicht davon, ob die Grammatik stimmt, sondern ich rede davon, ob er tatsächlich niemandem etwas schuldig ist. Ich rede jetzt nicht von der parteipolitischen Schuld, die er der ÖVP gegenüber hat. Ich rede von einer Schuld gegenüber der Republik Österreich im Ausmaß von zirka einer Viertelmillion Schilling. Dieser Betrag wurde rechtswidrig angeeignet, und es wurde rechtswidrig über einen Beamten verfügt, und das werden wir nicht hinnehmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Ihr Bruder hat rechtswidrige Auftritte in Wien!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schwarzenberger! Sie können herauskommen und Ihren Bundespräsidenten verteidigen, den BürgerInnenkandidaten. Ich möchte darum bitten,


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denn ich schätze Herrn Präsidenten Klestil, wenn er vernünftige und klare Sätze über unsere Republik sagt. Aber ich kann es nicht hinnehmen, daß jener Mann, der behauptet hat: Macht braucht Kontrolle!, selbst dazu völlig unfähig ist. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

11.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.23

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Mir bleibt verschlossen, was die Scharmützel um die Bundespräsidentenwahl mit dem Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes zu tun haben. Es tut mir leid, darüber muß ich noch nachdenken. (Abg. Dr. Petrovic: Dann lesen Sie es bitte nach! – Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Meine Damen und Herren! Auch zum Kapitel Bundesstraßenverwaltung hat es viel künstliche Aufregung gegeben, viel taktische Empörung, nicht nur von Kollegin Apfelbeck, sondern auch von Kollegen Barmüller. Ein Meister des Faches der künstlichen Aufregung war der Vorredner, er hat hier wieder alle Erwartungen erfüllt. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, meine Damen und Herren: Diese Taktik geht nicht auf, dieses Spiel ist längst durchschaut.

Einige objektive Feststellungen: Weniger als 4 Prozent des Auftragswertes sind fehlerbehaftet. Das ist nicht das Ende aller Tage, das muß man schon feststellen. Selbstverständlich verdient jeder einzelne fehlerhaft eingesetzte Schilling die volle Aufmerksamkeit sowohl des Rechnungshofes als auch der geprüften Behörde und des Nationalrates, zumal systemimmanente Fehler geortet wurden, die im Straßenbau nicht nur in der Steiermark auftreten, sondern auch bundesweit. Also geht es um volle Anstrengung und volle Fehlerkorrektur.

Eine zweite Feststellung: Es gibt keinen Grund für eine Strafanzeige im Zusammenhang mit der Bundesstraßenverwaltung in der Steiermark. Wenn in steirischen Tageszeitungen zu lesen ist: "Die Sache stinkt. SPÖ und ÖVP breiten den Mantel des Schweigens über die Sache" und Kollege Wabl heute so weit geht, hier unter dem Schutz der Immunität von Betrug zu sprechen, dann möchte ich noch einmal festhalten: Kein Grund für eine Strafanzeige, und hier wird von Betrug gesprochen! Meine Damen und Herren, bitte machen Sie sich davon ein Bild. (Abg. Mag. Barmüller: Wie war das mit der Schottergrube in der Steiermark? – 150 000 Kubikmeter bezahlter und nicht gelieferter Schotter!)

Ein dritter Punkt: Es besteht Einigkeit darüber, daß Schulungsmaßnahmen verstärkt werden müssen. Das ist die beste Methode, diese systemimmanenten Fehler zu beseitigen. Es wird ja noch gestattet sein, daß man – sowohl im Ausschuß als auch hier – positiv erwähnt, daß das Amt der Steiermärkischen Landesregierung schon während der Gebarungsprüfung Maßnahmen eingeleitet hat, welche die Aus- und Weiterbildung von Bauaufsichtsorganen betreffen.

Wir werden also diesen Bericht zur Kenntnis nehmen und heute abschließen. Ein weiteres Kapital, das den steirischen Straßenbau – besser: die dortige Straßenbaugeschichte – betrifft, wird in den nächsten Monaten in einem Unterausschuß des Rechnungshofausschusses verhandelt werden: die Ennsnahe Trasse. Gestatten Sie mir dazu zwei grundsätzliche Feststellungen, meine Damen und Herren.

Erstens handelt es sich dabei um einen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses mit ganz klaren Spielregeln nach der Geschäftsordnung und nicht um einen Untersuchungsausschuß, auch nicht um einen kleinen Untersuchungsausschuß. Die Opposition und Teile der Berichterstattung wünschen sich ein Spektakel, und die SPÖ-Fraktion wird peinlichst genau darauf achten, wie dort mit der Geschäftsordnung umgegangen wird. Das beginnt beim Umgang mit Auskunftspersonen – niemand befindet sich dort auf der Anklagebank, keine Auskunftsperson ist der Inquisition unterworfen – und reicht bis zu Pressemitteilungen.


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Eine zweite Feststellung dazu: Welche Aufgabe hat der Unterausschuß? – Er hat die Aufgabe – das ist von den Antragstellern ein bißchen umständlich formuliert worden – der Prüfung rechtswidriger Vorgänge im Zusammenhang mit Genehmigung und teilweisem Bau der Ennsnahen Trasse und daraus resultierenden finanziellen Belastungen des Bundes sowie Klagsführungen des Bundes gegen Bürger. Darum geht es, meine Damen und Herren, und nicht um die Entscheidung, ob die Ennsnahe Trasse gebaut werden soll oder nicht. Interpretationen und Stilisierungen in diese Richtung wird die SPÖ-Fraktion nicht zulassen. Das bringt nichts, weckt aber falsche Erwartungen und Hoffnungen in der Bevölkerung.

Zu den Terminen: Kollege Barmüller, du widersprichst dir wirklich selbst. Wenn du einerseits den Vorwurf erhebst, daß die SPÖ verschleppen will, und zum anderen forderst, daß Termine verschoben werden – sei mir bitte nicht böse, lies es im Protokoll nach –, dann ist das ein glatter Widerspruch. Oder zu den Auskunftspersonen, über die Wabl grundsätzlich sagt ... (Abg. Mag. Barmüller: Ich habe festgehalten, daß ihr den Ausschuß ohnehin nicht vor dem Sommer abschließen wollt! Das ist kein Widerspruch!) Lies deinen Widerspruch im eigenen Redeprotokoll nach!

Ein anderer Widerspruch: Kollege Wabl äußert hier den Vorwurf, daß Auskunftspersonen, die sich entschuldigen, später abgelehnt werden. Im Zusammenhang mit den ÖBB haben wir vertagt, und ihr Chef, Draxler, ist gekommen – damit ist dieser vorhin erhobene Vorwurf eindrucksvoll widerlegt. (Abg. Wabl: In diesem Fall habe ich auch keinen Vorwurf erhoben, sondern im Fall des Beamten Mirus! Das ist nicht widersprechend! Warum haben Sie diesen Beamten abgelehnt? Warum haben Sie ihn abgelehnt?)

Kommen wir von den Scharmützeln zur Sache, reden wir von der Ennsnahen Trasse. (Abg. Wabl: Warum haben Sie ihn abgelehnt?) Ich verwahre mich gegen die grundsätzliche Feststellung, daß Auskunftspersonen, die sich entschuldigen, anschließend abgelehnt werden. Das stimmt nicht, Kollege Wabl, das stimmt so nicht, wie Sie es gesagt haben.

Zur Sache der Ennsnahen Trasse, meine Damen und Herren: Mit der Ressel-Tangente ist längst, wie Sie alle wissen, ein entscheidender Ansatz gelungen. (Abg. Apfelbeck: Herr Kollege! Wir behandeln den Tätigkeitsbericht!) Dem steirischen Finanz- und Verkehrslandesrat – Frau Kollegin, hören Sie zu – Ing. Joachim Ressel ist jetzt gelungen, woran die steirische ÖVP mehr als zwei Jahrzehnte lang gescheitert ist. Es gibt im Ennstal eine konkrete Lösung. Die steirische Landesregierung hat am Montag dieser Woche grünes Licht für die Ressel-Tangente gegeben. Es gibt dazu auch – das sollte man nicht vergessen – die Zustimmung der Grünen.

Meine Damen und Herren, zuletzt ein dringender Appell an Minister Molterer: Seit Monaten, ja seit Jahren liegt im Landwirtschaftsministerium ein Entwurf für einen wasserrechtlichen Bescheid über die Wanne Stainach. Vielfache Urgenzen sind dokumentiert, ja eine Landesbehörde geht sogar so weit, eine Säumnisbeschwerde gegen den Minister anzudrohen. Mein Appell an Sie, Herr Minister Molterer: Handeln Sie endlich, geben Sie diesen Bescheid hinaus, nehmen Sie sich kein schlechtes Beispiel an Krainer oder Klasnic! (Abg. Mag. Barmüller: Ihr habt ihn im Ausschuß nicht zu Wort kommen lassen!)

Zum Abschluß möchte ich sagen, daß eines für mich klar ist: Wenn bis 5. Juni – das ist der Tag, an dem wir uns im Rechnungshof-Unterausschuß mit dem Wasserrecht bezüglich der Ennsnahen Trasse beschäftigen werden – kein Bescheid vorliegen sollte, werden wir uns im Unterausschuß selbstverständlich mit Minister Molterer darüber unterhalten müssen.

Ich hoffe auf Einsicht für die Bevölkerung im Ennstal, für die Ressel-Tangente und für die Unterstützung dieser intelligenten Lösung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Mag. Trattner zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der


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Tätigkeitsbericht HTM beweist, wie innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren in Österreich, wenn entsprechend interveniert wird, dem Volksvermögen nahezu 4 Milliarden Schilling entzogen werden können.

Ich komme kurz auf die Entscheidung der ATW zum Kauf der HTM-Gruppe zurück. Da wird ein Investmenthaus beauftragt, das einer Bankengruppe gehört, die dem Unternehmen HTM Kredite in Milliardenhöhe zur Verfügung gestellt hat. Dann stellen sich zwei Interessenten heraus, zwei Kunden, die ihr Interesse bekanntgeben, die Firma zu übernehmen; der eine kommt aus dem Nahrungsmittelbereich, der andere aus der Skiindustrie. Dann gibt es Prüfungsunterlagen, aus denen hervorgeht, daß das Unternehmen einen Umsatz in der Höhe von 4,3 Milliarden Schilling und einen Fremdkapitalanteil von 99,5 Prozent aufweist sowie Zinszahlungen von jährlich 300 bis 400 Millionen Schilling zu leisten hat. Es geht also um ein Unternehmen, das im Grunde genommen insolvent war. Denn wenn ich die Zinszahlungen im Ausmaß von 300 bis 400 Millionen Schilling als Berechnungsbasis heranziehe und dem einen Zinssatz in der damals relevanten Größenordnung von 6 Prozent zugrunde lege, dann ergibt sich, daß dieses Unternehmen Schulden im Ausmaß von 5 Milliarden Schilling hatte.

Ein Unternehmen aus dem Produktionsbereich mit 5 Milliarden Schilling Schulden, mit einem Umsatz von 4,3 Milliarden Schilling und mit 99,5 Prozent Fremdkapital zu kaufen, das macht kein vernünftiges Wirtschaftsunternehmen. Somit wurde es damals nur gekauft, weil es heftigste politische Interventionen seitens zweier Großbanken in Österreich gab, die sich dort mit Krediten engagiert hatten, welche zum Großteil unbesichert waren. Bevor das Ganze den Bach hinunterging, bediente man sich eines Staatsbetriebes, um diese dubiosen Kredite zu sanieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lukesch: Das war nicht so!) Denn der Einzelwertberichtigungsbedarf dieser Großbanken war zum damaligen Zeitpunkt ohnedies schon sehr hoch, und einen HTM-Konkurs hätten diese zwei Banken damals sicherlich nicht sehr gut verdaut. – Das zu diesem Fall.

Der Geldfluß allein im Jahre 1993: Für ein insolventes Unternehmen waren 200 Millionen Schilling zu bezahlen und überdies 1,2 Milliarden Schilling Eigenkapitalzuschuß zu leisten. Im Jahre 1995 war ein Gesellschafterdarlehen von 600 Millionen Schilling in Eigenkapital umzuwandeln und noch einmal Eigenkapital von 400 Millionen Schilling zuzuschießen. Die Vorgangsweise war also dergestalt: Man kaufte ein Unternehmen und beließ den Vorstand unverändert, obwohl er das Unternehmen vorher in die Malaise geführt und nicht interveniert hat beziehungsweise sich nicht über Perspektiven für die Zukunft hat beraten lassen, obgleich er im eigenen Haus von diesen Produktionsbereichen keine Ahnung hatte – so steht es auch im Rechnungshofbericht –, steckte Schillingbeträge in Milliardenhöhe hinein, um dann zu dem Schluß zu kommen: Jetzt müssen wir irgend etwas tun und schauen, daß wir dieses Unternehmen sanieren, weil soundso viele österreichische Arbeitsplätze damit verbunden sind.

Dann kommt es zu einem Sanierungskonzept, von Czipin & Partner unter Einbeziehung von Warburg erarbeitet und im Aufsichtsrat abgesegnet, das einen Eigenkapitalzuschuß in Höhe von 1,5 Milliarden Schilling vorsieht.

Das wurde im Aufsichtsrat abgesegnet, aber es hat offensichtlich der Österreichischen Volkspartei nicht gar so gut gefallen. Denn im August 1995 wurde auf Intervention der Österreichischen Volkspartei der damalige Vorstand der ATW zum Finanzminister vorgeladen. Dr. Staribacher erklärte, er müsse die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und politischen Fragen treffen. Gegenüber unserer Arbeit als Vorstände – so die Auskunft der Vorstände – gebe es keine Vorwürfe. Das HTM-Sanierungskonzept sei überzeugend, für die Durchsetzung brauche er und wolle er die Zustimmung der ÖVP, und diese Zustimmung sei nur um den politischem Preis der Abberufung des gesamten Vorstandes zu erreichen. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her! – Abg. Dr. Lukesch: Dreistellige Millionenbeträge, von Jahr zu Jahr steigend!)  – Soweit diese Intervention seitens der Österreichischen Volkspartei.

Wo blieb denn die Österreichische Volkspartei damals, als es zu der Entscheidung gekommen war, dieses Unternehmen zu kaufen? – Da hörte man nur von einer Pressemitteilung der


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damaligen Staatssekretärin Fekter, daß dieser Deal nicht zustande kommen solle. Aber sonst hörte man nichts. Wo blieb denn da Ihre Regierungsbeteiligung, sodaß Sie als Eigentümervertreter interveniert hätten, damit dort keine Steuergelder vergeudet werden?

Jetzt liegt ein Sanierungskonzept vor, und dann kommt auf einmal der große Berater Treichl daher und sagt: Dieses Unternehmen können wir jetzt nicht mehr sanieren, sondern das Beste, das wir jetzt noch tun können, ist es, dieses Unternehmen zu verkaufen. Daraufhin zieht man einen Herrn Eliasch als Käufer hervor, dessen Bonitätsauskunft so ausgestattet ist, daß heute eine Leasinggesellschaft oder eine Bank, wenn sie ihm einen Mittelklassewagen verleast oder einen Kredit gibt, zumindest 30 Prozent Eigenmittelanteil verlangt. So war die Bonität dieses Herrn! Und dem gibt man dann noch eine "Mitgift" von 1,2 Milliarden Schilling, wobei es der Vorstand verabsäumt, die Banken rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen, daß dort ein Eigentümerwechsel stattfindet.

In der Vereinbarung der HTM mit dem zuständigen österreichischen Bankenkonsortium vom 7. Juni 1995 steht nämlich: Sie – die HTM beziehungsweise die ATW – verpflichten sich, Veränderungen in der Beteiligungsstruktur dem Konsortialführer CA rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen. Wenn das aber nicht geschieht, dann kommt es zu einem Durchgriffsrecht seitens der Banken CA und BA, nicht auf die HTM, sondern direkt auf die ATW, und dabei geht es um viele hundert Millionen Schilling.

Sie wissen überdies genau, daß das mit Auflagen verbunden ist. Die HTM war bis heute noch nicht in der Lage, eine Bilanz für 1995 oder 1996 zu legen. Das ist eine ganz gefährliche Geschichte. (Abg. Dr. Lukesch: Sehr gefährlich!) Wenn das den Bach hinuntergeht und diese Gruppe insolvent wird – das läßt sich unter Umständen annehmen –, kommt es zu einem Durchgriffsrecht seitens der Banken direkt auf die ATW, und zwar mit Riesenforderungen über 1,2 Milliarden Schilling, die man ihnen als sogenannte Mitgift für den Verkauf in Aussicht gestellt hat und worauf überhaupt keine Einflußnahme mehr möglich ist.

Wenn das Unternehmen insolvent wird, werden die Obligi fällig, und die Banken greifen auf die ATW durch. Da hat man nicht überlegt, ob das EU-konform ist. Man hat nur gesagt: Ja, es ist zu überlegen, ob die 1,5 Milliarden Schilling Sanierungsbeitrag EU-widrig sein könnten, aber über die 1,2 Milliarden Schilling "Mitgift" brauche ich mir keine Gedanken zu machen, daß sie EU-widrig sein könnten – wie es Herr Schram im Rechnungshofausschuß gesagt hat. Der Herr Rechnungshofpräsident aber hat ihn sehr strikt korrigiert.

Das nächste Gefahrenmoment, das auf uns zukommt, ist, daß die Tatbestände, die auferlegt worden sind, nicht erfüllt werden. Diese bestehen darin, daß die Jahresabschlüsse der HTM-Gruppe von 1995 bis 1999 jeweils spätestens Ende Juni des folgenden Jahres vorzulegen sind. Herr Eliasch hat 25 Millionen Schilling innerhalb eines Monats nach dem Tag der Entscheidung zu bezahlen, bis 31. Dezember 1998 275 Millionen Schilling und so weiter und so fort. (Abg. Haigermoser: Wo ist das Geld?) Man hat bis jetzt nichts davon gehört. Das ist auch der Grund, warum sie dort nicht bilanzieren können. Aber wo, bitte, ist die "Mitgift" geblieben, welche die ATW dieser Gruppe gegeben haben, wo ist diese geblieben? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist die Frage. Da geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern da geht es wirklich um große Beträge. Wenn diese Punkte nicht erfüllt werden, dann kommt der Durchgriff in Höhe dieses Zuschusses von 1,2 Milliarden Schilling auch auf den Finanzminister und damit auf den österreichischen Steuerzahler zu. Das steht ebenfalls im Rechnungshofbericht.

Sollte die HTM-Gruppe vor 1999 insolvent werden, könnte die überprüfte Unternehmung Ende 1997 bis 1998 fällige Zuschüsse einbehalten beziehungsweise bereits ausbezahlte Beträge im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zurückfordern. – Wenn diese insolvent werden, wie wollen Sie denn dann von denen das Geld zurückfordern? Da werden Sie keinen Schilling mehr sehen. Da ist nichts mehr vorhanden. Und das ist es, was wir kritisieren: Zuerst hat man einerseits den Kauf getätigt, andererseits sind politische Einflüsse geltend gemacht worden seitens der beteiligten Banken, um dubiose Kredite sicherzustellen, dann hat man, nachdem das Ganze schon verfahren war, ein Sanierungskonzept beschlossen, und letztlich hat man sich


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dann doch für einen Käufer entschieden, der keine entsprechende Bonität hat, der über Nacht vom damaligen Finanzminister geholt worden ist.

Und da kommen wir zum Punkt: Welche Provisionszahlungen sind da gelaufen? Es wäre interessant gewesen, was Warburg für diesen Deal kassiert hat, indem verkauft und nicht saniert worden ist. Und deswegen sind wir in dieser Angelegenheit so kritisch.

Die damalige Staatssekretärin Fekter (Abg. Haigermoser: War die auch bei dieser Geschichte dabei?) hat diese Sache ja kritisiert. (Abg. Haigermoser: Schon wieder!) Und diese HTM-Auseinandersetzung war ja auch Gegenstand einer Sondersitzung im Jahr 1995, als damals danach die Koalition auseinandergebrochen ist. Ich hätte mir erwartet, daß man, wenn man ein Sanierungskonzept beschließt, dieses Sanierungskonzept auch durchzieht, aber nicht jemandem Geldgeschenke macht, von dem man nicht weiß, was er hat und was man dafür bekommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.42

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Herren Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Wabl hat es in seiner Wortmeldung als notwendig empfunden, den amtierenden Bundespräsidenten auf das unsachlichste hier vom Rednerpult aus anzugreifen und mit Vorwürfen zu überschütten, die längst schon alle widerlegt sind. Ich weise diese Vorgangsweise auf das schärfste zurück. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Wo widerlegt?)

Herr Wabl! Ihre Äußerungen sind ausgesprochen unglaubwürdig, denn Sie sind ein Betroffener in Sachen Bundespräsidentenwahl. Ihr Bruder ist ja bekanntlich gewogen und für zu leicht befunden worden. (Abg. Schaffenrath: Sippenhaftung haben wir aber nicht, oder?) Er spielt den Polizisten hier in Wien, und Sie spielen hier im Hohen Haus den Richter über den amtierenden Bundespräsidenten. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) Sie haben damit jegliches Vertrauen als Obmann des Rechnungshofausschusses – bei mir jedenfalls – verspielt. (Abg. Wabl: Diese Präpotenz ist unbeschreiblich! Wo ist der Beweis? Was ist widerlegt? Sie decken Amtsmißbrauch offensichtlich! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Rechnungshofberichte haben es so an sich, daß wir Politiker in vielen Kapiteln – das wurde schon gesagt – sehr, sehr gute Anweisungen zur Erhöhung der Effizienz unserer Gesetze und unserer Verwaltung erhalten. Und diese werden auch, wo es geht, umgesetzt. Auf der anderen Seite – und da spreche ich jetzt als ein langjähriges Mitglied des Rechnungshofausschusses – kommt man sich manchmal so vor wie ein Pathologe, der in der Prosektur an einer Leiche steht, den Kopf schüttelt und sich fragt: Wie hat das alles passieren können? Ich meine – Kollege Trattner hat es ja angesprochen – das Abenteuer der Austria Tabak mit Head/Tyrolia/Mares.

Man steht vor einer "Leiche", die den staatlichen Monopolbetrieb ATW 3,6 Milliarden Schilling, so berichtet der Rechnungshof, insgesamt gekostet hat, und ich sage: den Steuerzahler gekostet hat, denn dieses Geld hätte ja den halben Bau des Semmering-Basistunnels – da spreche ich jetzt für die Steirer (Abg. Firlinger: Deinen Kollegen Pröll wird das nicht freuen!)  – oder ein Viertel des Baus der Unterinntalbahn finanzieren können – da spreche ich jetzt für die Tiroler. Die Pathologen trösten sich bei einem solchen Fall mit dem Satz: Mors auxilium vitae. (Abg. Schaffenrath: Gratuliere, Herr Lukesch! Das war Lateinisch!) Der Tod ist eine Hilfestellung für das Leben. Wir lernen also daraus, aber es war in diesem Fall tatsächlich ein sehr, sehr teures Lernen.

Kollege Trattner! Sie haben es ja schon erwähnt: Die Volkspartei war immer der Meinung, daß wir marktwirtschaftliche und nicht staatswirtschaftliche Kurse mit unseren Unternehmungen verfolgen sollen, daß wir privatisieren sollen und nicht eine Strategie verfolgen sollen, über den Aufbau eines staatlichen Mischkonzernes die wirtschaftliche Macht, den wirtschaftlichen Einfluß


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von verschiedenen Parteien oder Parteien ganz generell abzusichern. Das ist der falsche Weg, und um das zu lernen, haben wir sehr viel Lehrgeld im Fall ATW und HTM bezahlt.

Kollege Koppler! Du schaust mich ein bißchen kritisch an. Aber irgendwie ist mir die Intertrading in den Kopf gekommen. Das war noch größer. Auch damals haben die verantwortlichen Direktoren gesagt: Hätte man uns nur weiterarbeiten lassen, dann wäre es nicht soweit gekommen. Auch Beppo Mauhart hat gesagt: Wäre man mir nicht in den Rücken gefallen, dann wäre eine Sanierung möglich gewesen. Aber es hatten sich Verluste in dreistelliger Millionenhöhe Jahr für Jahr aus diesem Engagement ergeben, sodaß ich anderer Meinung bin als der Kollege Trattner, der gemeint hat, man hätte in den letzten Jahren noch sanieren sollen. Ein Sanierungskurs im Einfluß eines staatlichen Unternehmens wäre sicherlich der falsche Weg gewesen. So wäre es nicht gegangen.

Wir müssen lernen. Der Staat ist ein schlechterer Unternehmer, denn die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen werden den politischen Einflußnahmen ausgesetzt. Das ist doch selbstverständlich. Wir sollen für Rahmenbedingungen sorgen, das ist unsere Aufgabe in der Politik, aber wir sollen nicht selbst Unternehmen betreiben.

Ich muß allerdings zur Entschuldigung auch unseres Koalitionspartners schon sagen: Nicht alle waren der Meinung, daß das Engagement der ATW bei HTM tatsächlich sinnvoll ist. Ich erinnere daran, daß der damalige Finanzminister Lacina weitere Gutachten verlangt hat, über jene Gutachten hinaus, die die federführende Consultatio für den Kauf der HTM vorgelegt hat. Die Consultatio war nicht die einzige, es waren auch das Managementinstitut St. Gallen und andere Beratungsinstitutionen beteiligt. Diese zusätzlichen Informationen sind offenbar nicht zu seiner Zufriedenheit beigebracht worden, aber das Wort des damaligen Bundeskanzlers hat offenbar entschieden. Auch das hat Herr Direktor Mauhart im Ausschuß gesagt: Er hatte in dieser Sache wesentlich öfter mit dem damaligen Bundeskanzler Vranitzky Kontakt als mit Ferdinand Lacina. Und dann ist es eben so gekommen, wie es gekommen ist, wobei auch noch – das sagt der Rechnungshof – das Kerngeschäft der Austria Tabak durch das Engagement gefährdet war.

Kollege Trattner hat es schon gesagt: Es könnte sein, daß durch die Übergabe an Eliasch und die notwendige Erfüllung der Bedingung, 900 Millionen bis 1999 einzubringen, die Republik noch weiter geschädigt werden könnte. Ich sage, da hilft nur noch beten, und das paßt eigentlich auch zu einer Leich’, wie ich eingangs gesagt habe.

Einen zweiten Bereich hier anzufügen ist mir wichtig: die Teilrechtsfähigkeit der Universitäten. Die waren auch Gegenstand der Prüfung des Rechnungshofes, und der Rechnungshof hat durchaus kritisch angemerkt, daß die kaufmännische Gestion dieser Drittmittel, die den Universitäten immerhin schon über eine Milliarde einbringen und für die Anstellung junger Forscher verwendet werden, durch die Wissenschafter nicht zufriedenstellend ist. Ja, aber was erwartet man von einem Wissenschafter? Der ist kein Buchhalter. Aber man soll auf keinen Fall das Kind mit dem Bade ausschütten, Herr Bundesminister. Wir sollen die Teilrechtsfähigkeit dort belassen, wo sie hingehört, nämlich bei den Instituten, die wissen, was sie tun können, und die wissen, was sie forschen wollen und wo es Chancen gibt. Wir sollen den Instituten allerdings bei der Bewältigung der kaufmännischen Aufgaben helfen. Da wären die Rektorate, die Universitäten als Ganzes richtig angesetzt. Und Sie haben ja auch schon gesagt, es gibt ein Handbuch, und Sie werden sich dafür verwenden, daß den Forschern die kaufmännische Gestion erleichtert wird.

Aber deshalb, weil es Probleme bei der kaufmännischen Abrechnung gibt, besteht kein Anlaß, das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Teilrechtsfähigkeit letztlich durch eine falsche Kompetenzverlagerung zu verhindern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wabl hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. – Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, die Geschäftsordnung zu beachten: Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.


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11.51

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Der Abgeordnete Lukesch hat hier die unwahre Behauptung aufgestellt, daß in der Causa Klestil alles widerlegt sei.

Ich berichtige: Weder der Bund noch die ÖVP, noch der Rechnungshof haben der Öffentlichkeit einen Beleg vorgelegt, wodurch diese Anschuldigung, die zu Recht besteht, widerlegt worden wäre. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Lukesch: Ich habe überhaupt keine Enunziation in diese Richtung gemacht!)

11.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte.

11.52

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Auch ich darf mich für diesen sehr informativen Bericht bedanken. Ich finde es natürlich besonders schade, daß eigentlich in so wenigen Bereichen Ihren Empfehlungen – und ich spreche hier besonders den Unterrichtsbereich an – tatsächlich Folge geleistet wird. Hier hätte die Koalition sehr wohl Handlungsbedarf.

Herr Kollege Wurmitzer! Sie waren bisher der einzige, der den Bereich Unterricht angesprochen hat und der sich bei der Frau Ministerin für die vorbildliche Regelung aller Angelegenheiten bedankt hat. Ich meine, Ihr Dank mag Ihnen innerhalb der Partei persönliche Vorteile bringen, nur: Differenziert war Ihr Lob nicht, weil gerade das Unterrichtsministerium nicht so vorbildlich war, wie Sie es darstellen. Ich darf Sie nur darauf verweisen, Herr Kollege Wurmitzer, daß das Unterrichtsministerium, wenn es um unerledigte Angelegenheiten geht, nur von einem einzigen anderen Ministerium übertroffen wurde: Immerhin ist noch immer die Erledigung von 19 – 19! – Kritikpunkten des Rechnungshofes aus den vergangenen Jahren ausständig.

Ich nenne Ihnen hier ein paar Kritikpunkte: Es wurde Kritik bezüglich des Schulverbundes geübt. Aber hier stehen ja ideologische Barrieren einer Lösung entgegen. Ein weiterer Kritikpunkt bezog sich auf die Verteilung der Förderungen im Bereich der Erwachsenenbildung. Hier tagt seit Jahren eine Kommission – Ergebnisse stehen aber aus. Ich nenne Ihnen noch einen Kritikpunkt: die Frage der Überstundenabgeltung bei den Schulaufsichtsbeamten. Das ist ein Thema, dem sich der Rechnungshof weiterhin sehr, sehr intensiv widmen sollte, weil es nicht angeht, daß Schulaufsichtsbeamte – und ich nenne hier ganz konkret zum Beispiel den Landesschulinspektor für Berufsschulen in Tirol – neben ihrer Tätigkeit über alle Maßen hinaus Unterrichtsarbeit leisten und so die ihnen per Gesetz auferlegte Verpflichtung nicht mehr erfüllen können.

Aber jetzt zu den aktuellen Punkten. Ich sage ganz deutlich, es war ein Teil einer populistischen Ankündigungspolitik der Unterrichtsministerin, wenn sie ein Einsparungspotential von 400 Millionen Schilling versprochen hat. Darauf nur zu antworten, da hätte man eben sehr ungenau geschätzt, läßt meiner Meinung nach den Schluß nicht zu, daß hier korrekt gearbeitet wird und konstruktive Ideen und Vorschläge eingebracht werden.

Und weil Sie, Herr Kollege Wurmitzer, heute Verständnis für die Haltung der Lehrergewerkschaft im Zusammenhang mit Überstunden gezeigt haben: Dieses Verständnis kann ich nicht teilen, denn es geht nur um den Teilabbau eines Privilegs, es geht nur darum, daß nicht geleistete Überstunden zumindest zum Teil nicht mehr gezahlt werden. Und wenn Sie Verständnis für eine Gewerkschaft haben, die Lehrerhetze betreibt, die zu einer Dienstpflichtverletzung auffordert und die Kinder dafür sozusagen in Geiselhaft nimmt und zuläßt, daß die Bildungsqualität an Österreichs Schulen leidet, dann haben Sie in meinen Augen Ihre Kompetenz hier jedenfalls verspielt.

Diese Diskussion ist ja auch noch gar nicht zu Ende. Wir wissen, die Frau Unterrichtsministerin hat heute im "Kurier" bereits Zugeständnisse gemacht. Sie wird zwar an der Einzelabrechnung, das heißt an dieser Wochenbetrachtung, festhalten, aber das wird nicht die Lösung sein. Der


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Rechnungshof wird sicherlich sehr, sehr genau beobachten, wie die Überstundenentwicklung trotz dieser Zugeständnisse in den Griff bekommen werden kann.

Das Thema Überstunden im Bereich der Lehrer und Lehrerinnen ist für mich erst dann ausdiskutiert, wenn die Überstundenregelung bei den Lehrern und Lehrerinnen drittvergleichsfähig ist mit der Überstundenregelung von allen anderen Dienstnehmern und Dienstnehmerinnen in Österreich, das heißt, wenn nur jede tatsächlich geleistete Mehrdienstleistung auch entsprechend finanziell abgegolten wird.

Herr Kollege Wurmitzer! Ich frage Sie: Haben Sie sich auch dafür bei der Frau Unterrichtsministerin bedankt, daß sie die 17 Millionen Schilling, die ungerechtfertigterweise zuviel an Überstunden an Lehrer und Lehrerinnen ausbezahlt wurden, nicht zurückfordern will? Ich finde, es ist ein Skandal, daß man dieser ausdrücklichen Empfehlung des Rechnungshofes nicht nachkommt. Ich halte das für unkorrekt. Ich halte das auch für unkorrekt gegenüber den Lehrern und Lehrerinnen in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Ich halte das für eine grobe Verfehlung, und ich glaube auch, das ist ein unkorrekter Umgang mit öffentlichen Mitteln. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn die Frau Unterrichtsministerin meint, das wäre zu aufwendig, das würde viele Verfahren nach sich ziehen, dann weiß jeder, der im Bereich der Lehrerschaft tätig war, daß das nicht stimmt. Ein Übergenuß ist sehr formlos und sehr einfach jederzeit rückforderbar, und das wird in der täglichen Praxis, wenn es zu Fehlern in der Abrechnung kommt, auch regelmäßig durchgeführt.

Daher – und damit möchte ich an und für sich auch schon schließen –, Herr Kollege Wurmitzer, richten Sie Ihren Dank an die Frau Unterrichtsministerin auch in dieser Richtung, daß sie 17 Millionen Schilling ungleich auf die Lehrerschaft in Österreich verteilt. Für mich ist das rechtswidrig, aber Sie sind ja sogar noch unpatriotisch gegenüber Ihren Kollegen und Kolleginnen in Kärnten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Koppler. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.58

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich möchte doch noch einmal eingehen auf die Kritik, die Frau Abgeordnete Apfelbeck und Kollege Wabl hinsichtlich der Auskunftspersonen, die im Rechnungshofausschuß zu laden sind, geäußert haben. Ich möchte noch einmal unterstreichen, daß wir von seiten der Regierungsparteien doch sehr tolerant sind bei der Bestellung der Auskunftspersonen, denn 99 Prozent der von Ihnen gewünschten Auskunftspersonen werden sicherlich berücksichtigt.

Wenn Herr Abgeordneter Wabl meint: Das kann doch vorkommen, daß neun Auskunftspersonen keine Fragen gestellt bekommen, das ist ja nicht so schlimm, es ist gut, wenn sie sich das anhören!, muß ich sagen, daß man bei der Auswahl der Auskunftspersonen doch etwas sorgfältiger vorgehen sollte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte aber ausschließlich zur ÖIAG-Bergbauholding Stellung nehmen. Ich sage gleich vorweg, daß es dazu natürlich auch unterschiedliche Auffassungen in meiner Fraktion geben kann – ich finde das demokratiepolitisch gar nicht so uneben –, weil die einzelnen Abgeordneten regionalpolitisch eine unterschiedliche Sicht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als die ÖBAG, die ÖIAG-Bergbauholding AG, 1988 gegründet wurde, hat man ihr den Auftrag gegeben, die Bergbauaktivitäten im ehemaligen Verstaatlichtenbereich zu bündeln und bestmöglich zu führen. Von Anfang an war damit auch eine planmäßige Redimensionierung der Bergbauaktivitäten in Österreich verbunden, weil Österreich zwar viele Lagerstätten hat, jedoch viele arme Lagerstätten, die oft eine wirtschaft


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liche Verwertung nicht mehr rechtfertigen. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, war und ist natürlich ein Problem.

Früher, zur Zeit des ÖIAG-Konzerns, hatte die Bergbauholding aber sehr wohl die Aufgabe, sowohl die Ressourcen als auch die Liegenschaften bestmöglich zu verwerten und nicht zu verkaufen. Die ÖBAG hat sich daher auch in Richtung Freizeitwirtschaft, Tourismus und Sport weiterzuentwickeln begonnen und weiterentwickelt, vor allem dort, wo der Bergbau aus wirtschaftlichen Gründen reduziert oder aufgegeben werden mußte.

Mit der ÖIAG-Neu, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem gesetzlichen Privatisierungsauftrag mußte die Bergbauholding von dieser Strategie Abschied nehmen, und obwohl im ÖIAG-Gesetz hinsichtlich des Bergbaus keine ausdrücklichen Privatisierungsaufträge enthalten sind, wurde der Druck zum Verkauf – um des Verkaufens willen, wie ich meine – auch dort deutlich spürbar.

Kritiker hatten gefordert, daß die ÖBAG aus wirtschaftspolitischen Gründen den ursprünglich geplanten Einstieg in den Kleinbergbau realisieren soll und daß sich der Staat aus diesen Bereichen endlich zurückziehen soll. Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Privatisieren um des Privatisierens willen, Verkaufen um des Verkaufens willen sind allgemein im Vordergrund gestanden.

Die Probleme der Bergbauholding bestanden von Anfang an darin, daß die Lagerstätten zuwenig ertragreich sind und daß die meisten Betriebe nur einen Abnehmer hatten beziehungsweise haben, dem sie ausgeliefert waren und sind. Ein freier Markt hat in diesem Bereich, wie ich meine, nie stattgefunden.

Wenn sich die ÖBAG in dieser Situation etwa beim Verkauf der WTK an deren ehemaligen Geschäftsführer tatsächlich nicht professionell verhalten hat, wie der Rechnungshof feststellt, darf dies aufgrund der besonderen Lage der Bergbauholding nicht verwundern. Außerdem waren es nicht viele, meine sehr verehrten Damen und Herren, die damals so wie ich versucht haben, ihren Verkauf zu verhindern. Wo waren damals all jene, die heute diese Verkäufe kritisieren, als es vielleicht noch möglich gewesen wäre, dem sterbenden Bergbau durch geeignete ergänzende, arbeitsplatzschaffende Maßnahmen zu helfen? (Ruf bei der SPÖ: An "vorderster" Front!) Die Rolle der OKA im Zusammenhang mit der Abnahme der WTK-Kohle ist ein Beispiel dafür.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dennoch ist es der Bergbauholding gelungen, die planmäßigen Redimensionierungen – so bedauerlich solche Redimensionierungen auch immer sind – und Bergbauaktivitäten im wesentlichen sozialverträglich zu gestalten. Im nachhinein ist es natürlich immer leichter, einzelne Entscheidungen zu kritisieren, ohne selbst die Verantwortung für die Betriebe tragen zu müssen, und zu behaupten, daß es anders besser gewesen wäre. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.05

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Politische Problemfelder werden hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Effizienz vom Rechnungshof kontrolliert. Und diese politischen Problemfelder möchte ich heute anhand zweier Themenbereiche zur Sprache bringen.

In dieser Stunde nimmt der Transitverkehr auf unseren Nord-Süd-, Ost-West-Routen wieder um einige tausend Tonnen zu. Andererseits liest man in diesem Rechnungshofbericht, was die ÖBB im Beschaffungsbereich gerade auf dem Gütersektor zustande bringen. Und heute ist in einer Illustrierten zu lesen, daß im Jahr 1997 die Zunahme des Straßengüterverkehrs auf 23,5 Millionen Tonnen stieg – die Bahn hat läppische 7,9 Millionen Tonnen.


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Man liest auch, daß die Steigerung des internationalen Gütertransits auf der Straße bis zum Jahr 2015 – ich glaube, das haben sogar Sie, Herr Minister, geäußert – 300 Prozent betragen wird. Um 300 Prozent mehr Gütertransport auf der Straße stehen uns bis zum Jahr 2015 bevor! Die Prognosen wurden bisher übertroffen, und man wird sie, wenn nicht gegengesteuert wird, auch bis zum Jahr 2015 übertreffen.

Gegengesteuert wird – man lese den Rechnungshofbericht – mit mangelhaften Ausschreibungen, mangelhaften Beschaffungsvorgängen, unkoordinierten und unstrukturierten Mechanismen, was die Fuhrparkbeschaffung, die Wagenbeschaffung et cetera bei den ÖBB anlangt. Ich werde im Detail gleich darauf eingehen.

Liest man diese Berichte über die Transithölle Tirol weiter, trifft man auf Einzelschicksale. Es gibt dort Männer und Frauen, die die Fenster ihrer Häuser nicht öffnen können, weil sich der Staub und Schmutz sofort auf alle Möbel, Teppiche et cetera legt. Es gibt dort Kinder, die an Allergien leiden, die durch Staub verursacht sind und auf den Straßengüterverkehr zurückzuführen sind. Es donnern dort wirklich die LKWs mehr oder weniger über das Leben der Leute hinweg!

Schaut man im Rechnungshofbericht das Beschaffungswesen der ÖBB betreffend nach, kommt man zu folgenden Detailerkenntnissen: Es wurden Dieselverschubloks angeschafft: 18 Millionen Schilling der Erstpreis, schließlich kosteten sie 28,5 Millionen, weil es keine internationalen Ausschreibungen gab.

Die Bahn hinkt nach, die Bahn ist zuwenig effizient, die Bahn bleibt auf der Strecke! Der Straßengüterverkehr "überrollt" die Leute!

Man liest im Rechnungshofbericht, daß elektrische Streckenverschubloks überausgestattet waren. Da wird Geld verpraßt, das uns für die Effizienzsteigerung des Kombiverkehrs, des Transitgütertransportes auf der Schiene fehlt. In diesem Bereich fehlt das Geld, auf der anderen Seite wurde es mehr oder weniger zum Fenster hinausgeworfen – ich sage absichtlich "mehr oder weniger", denn mehr davon hatte sehr wohl ein Industriezweig Österreichs, der auch beschäftigungsintensiv ist, nämlich der Wagenbau, die Betriebe, welche die Fahrzeuge herstellten, die die ÖBB dann teilweise zu überhöhten Preisen, teilweise mit überzogener Ausstattung ankaufte.

Ich zitiere, was im Rechnungshofbericht festgestellt wird: Das Beschaffungswesen der ÖBB ist teilweise eine Förderung für die Fahrzeugindustrie. An anderer Stelle heißt es: Der Stützungskauf ist mit beschränkter beschäftigungspolitischer Auswirkung versehen gewesen. (Abg. Edler: Sonst hätten wir zugesperrt!)

Man kann das auch an einem anderen Detail festmachen, nämlich an den dieselhydraulischen Nahverkehrsgüterzügen. Diese sind an sich auch fehl am Platz gewesen, stellt der Rechnungshofbericht fest. Da wurde Geld fehlinvestiert, das auf der anderen Seite fehlt, um im Konkurrenzkampf Straße – Schiene die Schiene auszubauen beziehungsweise besser auszustatten, auf Vordermann zu bringen. Da fließt Geld in die falsche Richtung, auf der anderen Seite werden Entwicklungen gefördert, die den Leuten, besonders jenen in Tirol, zusehends aber auch jenen im Gebiet der Ost-West-Autobahn – der Ost-West-Transit wird ja durch die Ostöffnung zunehmen –, schaden. Die Entlastungsmaßnahmen fehlen dann.

Es ist ein viel offensiveres güterverkehrspolitisches Konzept der Bahn erforderlich, weiters besser koordinierte Vorgangsweisen, vor allem aber auch flexiblere Beschaffungsmodelle beziehungsweise Leihmodelle bei der Güterwagenbeschaffung.

Ich möchte im Zusammenhang mit diesem Rechnungshofbericht noch kurz auf eine andere politische Fehlsteuerung Bezug nehmen, die im vorliegenden Bericht mit der Summe von 250 000 S eindeutig belegt ist. Es geht dabei auch um eine Staatsaktion, nämlich darum, daß der Bundespräsident, der amtiert, noch immer nicht das beglichen hat, was er notwendigerweise gleich im ersten Monat, in der ersten Woche nach seiner erstmaligen Wahl hätte begleichen müssen. Es fehlt diese Summe von 250 000 S jetzt noch immer; sechs Jahre, nachdem er


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praktisch Nutznießer dieser Investitionssumme wurde, die mehr oder weniger der österreichische Staat vorgestreckt hat, als er noch kein Staatsmann war, sondern Partei kandidat. Dieses Element, die staatliche Stützung eines Partei kandidaten, ist unbedingt auszumerzen. Diesbezüglich sind jedoch die meisten Funktionäre der ÖVP sprachlos. (Abg. Rosemarie Bauer: Wünschen Sie sich nicht, daß wir etwas dazu sagen!) Nur Sie, Herr Kollege Lukesch, haben sich zu der Bemerkung verstiegen, daß wir das unsachlich diskutieren. Dazu muß ich sagen: Wir diskutieren das völlig sachlich, wir nennen die Summe, wir verlangen die Belege, was jedoch ausbleibt, ist Ihre Leistung, Ihre Schuldenrückzahlung, Ihr korrektes Verhalten nach einem Manöver, das staatspolitisch sehr zweifelhaft ist.

Das bringen wir heute im Zusammenhang mit diesem Rechnungshofbericht auch vor, und ich bin neugierig, ob sich die ÖVP im Laufe der Debatte mit relativ schwacher Stimme – die ÖVP ist ja in diesem Zusammenhang beinahe stimmlos – zu einem Bekenntnis in der Richtung durchringt, daß diese Schuld endgültig beglichen wird, damit der Herr, der mit Parteigeld, mit Staatsgeld und als Parteikandidat zu diesem Amt kam, jetzt als Bürger präsident unbestritten in die nächste Runde gehen kann. Derzeit ist das sehr umstritten. (Beifall bei den Grünen.)

12.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.12

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Es ist ja ganz interessant in dieser Diskussion: Immer dann, wenn eine Rednerin oder ein Redner hier zum Rednerpult geht und über den Rechnungshofbericht spricht, aber nicht die entsprechenden Kenntnisse hat, weil sie beziehungsweise er den Bericht nicht gelesen hat, kommt das Thema Bundespräsident zur Sprache. Das muß man wirklich in aller Klarheit hier einmal feststellen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rosemarie Bauer: Sie war ja auch nicht im Ausschuß!)

Ich komme zum Rechnungshofbericht zurück: Zu diesem Bericht 1996 gibt es zwei allgemeine Feststellungen:

Erstens: Der Kurzbericht ist ausgezeichnet abgefaßt und vom Rechnungshof aufbereitet und bringt die Problemfälle genau auf den Punkt. Das ist natürlich nur möglich, weil dort ausgezeichnetes Fachpersonal tätig ist, und so soll es auch bleiben.

In Richtung des Herrn Staatssekretärs Ruttenstorfer: Man sollte in der Diskussion betreffend Besoldungsrecht, Pragmatisierung und so weiter das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Im Gegenteil: Bei derartigen Instanzen wie dem Rechnungshof sollte man zwar das System kritisch hinterfragen, aber an der Pragmatisierung dort, wo sie notwendig ist, nicht rütteln. Die ÖVP bekennt sich zu diesem Beamtenschutz vor allem im Bereich des Rechnungshofes. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Prüfer des Rechnungshofes werden derzeit wie Beamte der allgemeinen Verwaltung behandelt, und das ist beim derzeitigen Dienst- und Besoldungsrecht einfach zuwenig, wenn man auf die Eigenverantwortlichkeit und auf die unabhängige Finanzkontrolle Bedacht nimmt. Allein schon der Schimmer eines Anscheins, daß die Beamten mit Erfolg einem Druck ausgesetzt oder Interventionen zugänglich gemacht werden könnten, ist fatal. Daher ist es notwendig, daß an dieser Pragmatisierung nicht gerüttelt wird.

Eines muß im Zusammenhang mit dem Prüfungsbericht auch noch betont werden: Wir müssen auch feststellen, daß der Rechnungshof immer mehr Tätigkeiten, die wir ihm aufbürden, wahrnehmen muß. Diese Tätigkeiten haben mit der klassischen Tätigkeit, mit dem klassischen Prüfbericht und der Prüfung nichts mehr zu tun. Das muß an dieser Stelle auch einmal aufgezeigt werden.

Punkt zwei: Viele der Fälle, die in diesem Bericht aufgezeigt sind, erinnern mich an die Aussage von Qualtinger: "Ich weiß zwar nicht, wohin ich fahre, aber dafür bin ich umso schneller dort!"


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Vor allem in den Bereichen ÖIAG-Bergbauholding, HTM und Wibeba wurden Verfehlungen, die sich ähneln, exakt aufgezeigt, zum Beispiel die Verfehlung von Zielen. Die ÖIAG-Bergbauholding zum Beispiel hat es zustande gebracht, innerhalb von zehn Jahren viermal ihr Unternehmensleitbild zum Schaden des Unternehmens zu ändern.

Ein dritter Punkt, der festgestellt werden muß: Obwohl es nach dem AG-Recht oder GesmbH-Recht verschiedene Kontrollmöglichkeiten gibt, wurden diese von den Aufsichtspersonen oder vielleicht auch von der Geschäftsführung nicht im entsprechenden Umfang wahrgenommen.

Viertens: Für mich erhärtet sich der Verdacht, daß unter dem Deckmäntelchen der regionalen Interessen oder Nachhaltigkeit immer wieder politisch eingegriffen wurde. Als Beispiel dafür nenne ich die stille Beteiligung am "Robinson-Club Ampflwang", wo 100 Millionen Schilling den Bach hinuntergingen, oder die Beteiligungspolitik der Wibeba, wodurch in Summe über 80 Millionen den Bach hinuntergingen.

Die fünfte Feststellung betrifft die Personalpolitik – mit diesen vielen Sonderverträgen, mit diesen tausend Absicherungen. Ich könnte das einer burgenländischen Arbeiterin, die vielleicht 10 000 S brutto im Monat verdient, nicht erklären! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin wieder einmal zu der Erkenntnis gekommen, daß sich der Staat dort, wo man etwas privat machen kann, zurückziehen sollte. Es war ganz einfach die Politik der siebziger Jahre, die versucht hat, zu vereinnahmen. Wenn man sich die Verstaatlichte anschaut (der Redner zeigt zwei Grafiken): 1993 noch in diesem Umfang mit den vielen Mischkonzernen – die Handschrift der SPÖ! – und die ÖIAG-Struktur 1998, genau zergliedert – das trägt die Handschrift der ÖVP! (Abg. Edler: Jetzt hörst du aber auf!)  –, kann man feststellen: In dieser Zeitspanne hat eine erfolgreiche Privatisierungswelle stattgefunden! Und das ist der Weg, den wir befürworten und den wir auch in Zukunft einschlagen wollen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete, beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. (Abg. Rosemarie Bauer: Ist der Kandidat Wabl schon frei?)

12.18

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Ich möchte die Bemerkung meines Vorredners korrigieren und berichtigen. Ich habe den Bericht schon gelesen – Sie haben behauptet, ich hätte ihn nicht gelesen. Ich hatte aber – das gebe ich zu – gewisse Formulierungen falsch im Gedächtnis.

Im Rechnungshofbericht ist nicht – da haben Sie recht – die Summe von 250 000 S genannt – das war falsch von mir –, sondern die Causa, und insofern habe ich das falsch im Gedächtnis gehabt. (Abg. Dr. Lukesch: Sie berichtigen sich selbst! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Er spricht auf Seite 51 die Causa an, und zwar in dem Bereich, in dem es um die Anhebung der Wohnungsvergütung für Leiter von Vertretungsbehörden geht. Damit ist die Causa umschrieben, wenn auch kein konkreter Betrag im Bericht steht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurmitzer: Herr Präsident! Das ist eine Berichtigung in eigener Sache!)

12.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rosenstingl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.19

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Brix ist leider nicht im Saal ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Entschuldigen Sie, er ist hier. Ich habe dich weiter herunten vermutet. (Abg. Edler: Er hat ja gewartet, bis du redest!) Kollege Wurmitzer ist Gott sei Dank auch im Saal.


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Ich möchte kurz auf die Ladungen der Auskunftspersonen eingehen und muß sagen, ich erlebe das jetzt schon seit vielen Jahren, aber früher war es anders – das muß ich zugeben. Ich bin seit 1990 Abgeordneter zum Nationalrat und seither auch immer im Rechnungshofausschuß vertreten, aber früher war es anders. Jetzt ist es uns als Opposition unmöglich, einen politisch Verantwortlichen zu laden, weil die Regierungsparteien mauern.

Herr Kollege Wurmitzer! Wir haben nichts davon, wenn Sie sagen, Sie laden den derzeit verantwortlichen Landesrat in den Rechnungshofausschuß ein. Denn in der Zeit, die der Rechnungshofbericht behandelt, oder in der Zeit, in der es zum Beispiel um die Ennsnahe Trasse gegangen ist, war die jetzige Frau Landeshauptfrau Klasnic zuständig. Sie hat damals das Ressort geführt. Meiner Ansicht nach haben wir Parlamentarier ein Anrecht darauf, diejenigen Leute zu laden, die damals verantwortlich waren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte schon darauf hinweisen – und Sie wissen, daß das immer wieder passiert –, daß wir im Rechnungshofausschuß dann, wenn der amtierende Politiker zwar da ist, aber in der Zeit, in der das betreffende Ereignis stattgefunden hat, nicht verantwortlich war, immer wieder hören müssen: Tut mir leid, das war vor meiner Zeit. Ich weiß nichts davon, ich war damals nicht im Amt. (Abg. Dr. Lukesch: Das stimmt nicht!)

Herr Kollege Lukesch! Das hören wir immer wieder. Ich frage Sie daher: Warum wollen Sie die Verantwortlichen nicht laden? Haben diese Verantwortlichen etwas zu verbergen, oder haben Sie vielleicht Angst, daß sie uns Antworten geben könnten, die Ihnen nicht recht wären, daß sie im Rechnungshofausschuß etwas sagen könnten, was den Regierungsfraktionen nicht recht wäre? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lukesch: Das ist falsch!)

Ich stelle zwei mögliche Erklärungen in den Raum: Entweder es ist Feigheit von Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, oder Sie handeln total undemokratisch. – Ich kann Ihnen nur sagen: Lernen Sie Demokratie und laden Sie einmal jene Leute, die zu dem Zeitpunkt, den der Rechnungshofbericht behandelt, auch verantwortlich waren! Das wäre nämlich demokratisch, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte noch auf etwas anderes eingehen, was hier gesagt wurde. Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, aber es hieß: Sie laden Auskunftspersonen, und diese kommen dann gar nicht zum Antworten. (Abg. Wurmitzer  – neun Finger hochhaltend –: Neun!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien! Vielleicht sollten Sie Ihren Ministern einmal beibringen, auch andere Auskunftspersonen zu Wort kommen zu lassen. Denn wenn wir jemanden fragen, zum Beispiel eine Auskunftsperson, irgendeinen Beamten, wollen wir eigentlich nicht, daß der Minister antwortet, sondern wir wollen, daß der Beamte oder der Zuständige, der geladen ist, antwortet. Es hat sich bei Ihnen aber leider eingebürgert, daß der Minister alles weiß, alles beantwortet und seine eigenen Beamten oder auch andere Beamte, die auch geladen wurden, gar nicht zu Wort kommen läßt. Daher nochmals: Lernen Sie Demokratie! Lassen Sie die Leute reden, die wir fragen, und laden Sie diejenigen, die zum betreffenden Zeitpunkt verantwortlich waren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wurmitzer: Das stimmt doch nicht! Und Sie lernen Geschichte!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich noch mit einem Detail des Rechnungshofberichts beschäftigen, und zwar mit der Schienenfahrzeugbeschaffung der ÖBB, weil ich glaube, daß in diesem Bereich die Kritik des Rechnungshofes sehr berechtigt ist. In manchen Teilen ist die Vorgangsweise der Österreichischen Bundesbahnen zu diesem Zeitpunkt eher bedenklich gewesen. (Abg. Edler: Da warst du noch Verwaltungsrat!)

Es ist mir zum Beispiel unverständlich, daß bei Beschaffungen von Lokomotiven nicht festgestellt wurde, wie groß der tatsächliche Bedarf ist, sondern daß ohne Grundlagen irgendwelche Lokomotiven bestellt oder beschafft wurden. (Abg. Edler: Kollege Rosenstingl! Warst du damals im Verwaltungsrat?!) Herr Kollege! Es kam daher bei allen Beschaffungsvorgängen zu überhöhten Preisen. Es gibt in diesem Bereich keinen einzigen Beschaffungsvorgang, bei dem es nicht zu überhöhten Preisen gekommen ist.


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Es geht aus dem Rechnungshofbericht sogar hervor, daß Mitarbeiter des Einkaufs der ÖBB teilweise darauf hingewiesen und bei einzelnen Fahrzeugen gesagt haben, diese müßten eigentlich billiger sein, daß sich aber der damalige Vorstand über diese Hinweise des Einkaufs hinweggesetzt und diese Beschaffung trotzdem gemacht oder bewilligt hat.

Es ist manchmal schon berechtigt zu sagen: Das war eine Art Arbeitsplatzbeschaffung in Österreich, es war damals eine schwere Zeit, und man muß das berücksichtigen. – Aber ich fordere vom Vorstand der ÖBB und auch vom verantwortlichen Minister, einzusehen, daß man bei den ÖBB auch eine intelligente Einkaufspolitik in Österreich machen könnte. Das war damals zweifellos nicht gegeben. Man hätte doch sagen können: Wir wollen das in Österreich kaufen, aber ihr müßt halbwegs die Preise halten, die international üblich sind.

Interessant in diesem Zusammenhang war ja die Aussage des Generaldirektors Übleis, der gesagt hat, er hatte keine Zeit zu einer Bedarfsermittlung, weil erstens der Fuhrpark schon so miserabel war, daß man schnell nachbeschaffen mußte – okay, da muß man etwas machen –, und weil zweitens – das ist interessant! – der damalige Minister Streicher es einen Tag vor der Bestellung des neuen Vorstandes im Jahr 1987 als unbedingt notwendig empfunden hat, das Programm "Neue Bahn" vorzustellen. Damit hat er den Vorstand sozusagen in Zugzwang gebracht, in die Pflicht genommen und gesagt: Ihr müßt das jetzt sofort machen, was ich gesagt habe, denn ich habe das einen Tag, bevor ihr überhaupt bestellt worden seid, der Öffentlichkeit mitgeteilt.

Herr Kollege Edler! Das ist wirklich Parteipolitik auf Kosten der ÖBB – eine Politik, die ich ablehne. Nur weil damals der Herr Minister Streicher sich irgendwie wichtig machen und unbedingt etwas vorstellen wollte, hat er damit indirekt verursacht, daß diese Lokomotiven viel zu teuer angeschafft wurden. Diese Politik auf Kosten der ÖBB lehne ich ab.

Wie unsinnig das ist, was da gemacht wurde, zeigt das Beispiel Mariazellerbahn. Auch da wurden Triebwagen angeschafft, und zwar mit dem Ziel, die Fahrzeit der Mariazellerbahn zu beschleunigen. Erstens hat man statt zehn Triebwagen, die notwendig gewesen wären, nur zwei angeschafft, und zweitens – und das finde ich irgendwie kurios – ist man erst im nachhinein draufgekommen, daß diese Triebwagen letztlich doch keinen Zeitgewinn bewirken, und zwar deswegen, weil die Türschließungszeiten bei diesen Triebwagen so lange waren, daß die Zeit, die durch die Triebwagen gewonnen werden konnte, in den Stationen wieder verloren wurde. Da frage ich Sie schon: Wo war da die Planung bei den ÖBB? – Ich glaube, daß diese Türschließungszeiten bei Triebwagen durchaus nachvollziehbar gewesen wären, und dann hätte man anders handeln können.

Ich hoffe, daß in Zukunft eine derartige Verschwendungspolitik vermieden werden kann. Ich möchte aber dem – leider heute nicht anwesenden – Generaldirektor Draxler schon eines sagen: Da offensichtlich Fehler geschehen sind und der Rechnungshofbericht diese Fehler aufzeigt, hat es meiner Meinung nach keinen Sinn, daß der Herr Generaldirektor Draxler sich im Ausschuß hinsetzt, alles beschönigt, sagt, es sei sowieso alles in Ordnung, und glaubt, daß damit alle Fehler ungeschehen gemacht sind. Ich hoffe, daß er in Zukunft anders handeln wird, und daß diese Verschwendungspolitik nicht fortgeführt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Edler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.27

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Ein umfassender Bericht über das Verwaltungsjahr 1996 liegt vor, und wir haben ihn, wie ich meine, ausführlich im Rechnungshofausschuß beraten.

Meine Damen und Herren! Ich konnte feststellen, daß erstens, was die Zuständigkeit der Minister betroffen hat, diese Minister immer im Ausschuß anwesend waren, und daß zweitens – jedenfalls aus meiner Sicht – auch die Beamtenschaft, die befragt wurde, immer kompetent war,


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sodaß sämtliche Fragen, die dort gestellt worden sind, beantwortet wurden, und zwar auch von seiten des Präsidenten des Rechnungshofes. – Das einmal zum Einstieg.

Meine Damen und Herren! Ich möchte zwei Kapitel ansprechen, und zwar erstens die ÖBB, die Schienenfahrzeugbeschaffungen, und zweitens die HTM.

Die ÖBB waren heute schon einige Male Thema der Diskussion. Ich glaube, man muß da zwei Dinge unterscheiden. Man muß den Bruch, der sich zwischen 1992 und 1993 dadurch ergeben hat, daß wir hier im Hohen Haus das ÖBB-Gesetz und somit auch die Auslagerung beschlossen haben, berücksichtigen und die Zeit davor und die Zeit danach unterschiedlich betrachten.

Weil besonders der Herr Rosenstingl zuletzt gemeint hat, es wurden 1987 von dem neuen Vorstand umfangreiche Anschaffungen getätigt und so weiter, darf ich heute nochmals betonen – ich habe das schon ein paar Mal hier im Hohen Haus getan –, daß ja in den Jahren davor in die ÖBB fast nichts investiert wurde. Erst mit dem Projekt "Neue Bahn" wurden ab Mitte der achtziger Jahre wesentliche Investitionen getätigt. Natürlich waren diese unbedingt notwendig, und es war damals rasch darüber zu entscheiden.

Laut Kritik des Rechnungshofes, die in seinen Schlußbemerkungen zu finden und nachzulesen ist, sollten die ÖBB lieber Serienprodukte im Rahmen internationaler Ausschreibungen ankaufen. Das wäre wesentlich billiger. – Das mag teilweise stimmen, aber das gilt nicht für alle Schienenfahrzeuge. Denn wenn damit Produkte aus Osteuropa gemeint sind, dann muß ich sagen, daß es dort Fahrzeuge gibt, besonders Lokomotiven, die nicht unseren Lärm- und Umweltauflagen entsprechen. Das wäre also kein gutes Projekt.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß wir von unserer Warte aus die ÖBB vielmehr als Auftraggeber für unsere Fahrzeugindustrie sehen müssen. Die ÖBB sind eigentlich die Chance für die österreichische Fahrzeugindustrie, überhaupt zu überleben! Das muß man hier auch sagen. Hätten die ÖBB nicht die entsprechenden Bestellungen getätigt, hätten wir heute in Österreich keine Fahrzeugindustrie mehr, und das wäre äußerst bedauerlich.

Wenn ich jetzt den Sprung zu Herrn Generaldirektor Draxler machen darf, dann kann ich berichten, daß er inzwischen internationale Ausschreibungen veranlaßt hat und daß wir mit Stolz feststellen können, daß die österreichische Industrie und besonders die Fahrzeugindustrie diesem Wettbewerb standgehalten hat. Ein sehr gutes österreichisches Produkt hat einem Weltmarktpreis standgehalten und heute praktisch schon den Zuschlag erhalten.

Besonders die neuen Lokomotiven – es sind E-Loks – mit dem Namen "Taurus" sind eine große Hoffnung für die österreichische Fahrzeugindustrie. Sie zählt dabei nicht nur auf die Aufträge der ÖBB, sondern hofft auch auf Nachfolgeaufträge von anderen Bahngesellschaften. Die Kosten dieses Beschaffungsprogramms der ÖBB werden in den nächsten Jahren rund 15 Milliarden Schilling ausmachen und damit zur Belebung der österreichischen Wirtschaft beitragen.

Meine Damen und Herren! Dieses Projekt wurde international ausgeschrieben. Ich möchte nochmals betonen, daß die österreichische Fahrzeugindustrie in der Lage ist, aus diesem Wettbewerb ihre Vorteile zu ziehen und somit österreichische Arbeitsplätze zu sichern. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde hier kritisch angemerkt – und dabei auch die Zeit unter Generaldirektor Übleis angesprochen –, daß die seinerzeitige Entwicklung der Prototypen et cetera Millionen verschlungen habe. Manche haben gesagt, daß diese Mittel verschwendet worden sind.

Dazu möchte ich sagen – und der Herr Bundesminister Caspar Einem hat das ja auch im Ausschuß sehr deutlich gesagt –, daß wir in Österreich vielfach auch von der österreichischen Wirtschaft und von der österreichischen Industrie erwarten, daß sie wesentliche Forschungsarbeiten und Entwicklungen durchführen. Auch diese Vorhaben kosten Geld, meine Damen und Herren!


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Als gestandener Eisenbahner weiß ich, daß wir mit den neuen Prototypen – seien es jetzt die Verschublokomotiven 2068-Diesel oder die 1163-E-Loks – zu Beginn ihres Einsatzes große Schwierigkeiten hatten. Ich weiß auch, daß unsere Kolleginnen und Kollegen Eisenbahner, die Ingenieure, wesentlich zur Mitgestaltung beigetragen und wesentliche Arbeiten durchgeführt haben. Und wir können auch heute sagen: Bei den neuen Entwicklungen sind wieder die ÖBB-Leute mit dabei, und ich möchte meine Wertschätzung für diese Leistungen ausdrücken, die die Kolleginnen und Kollegen von den ÖBB in dieses Projekt einbringen.

Zusammenfassend, meine Damen und Herren, möchte ich sagen: Sicherlich ist das eine oder andere kritisch anzumerken. Ich darf aber darauf hinweisen, daß Herr Generaldirektor Draxler im Rechnungshofausschuß unter Anwesenheit des Präsidenten Dr. Fiedler mit aller Deutlichkeit erklärt hat: Die ÖBB haben aus ihrer Sicht und Verantwortung heraus die Kritik des Rechnungshofes sehr wohl zur Kenntnis genommen und sind auch bereit, die konkreten Vorschläge, die eingebracht worden sind, umzusetzen. Ich meine, das ist eine erfreuliche Antwort auf die Frage, welche Handlungen gesetzt wurden.

Meine Damen und Herren! Nun auch einige Sätze zur HTM. Freilich: Wenn man die österreichische Wirtschaftsgeschichte schreiben würde, dann müßte man sagen, das ist in diesem Fall keine glückliche Entwicklung oder Handlungsweise gewesen. Die damalige Überlegung des Vorstandes der Austria Tabakwerke, sich – aufgrund des Druckes der EU in Richtung Liberalisierung – auf dem Markt auch nach anderen Produkten und nach Marktlücken umzusehen, mag zwar eine strategisch richtige gewesen sein, aber mit dem Ankauf der Firma HTM im Frühjahr 1993 ist sicherlich eine wirtschaftliche Situation entstanden, die 1995 Handlungsbedarf verursacht hat.

Damals ging es um die Entscheidung, die Firma HTM weiterzuführen oder nicht, und zwar vor der Entscheidung, die ja politisch eingefordert worden ist, die Austria Tabakwerke zu privatisieren. Die Entscheidung lautete damals: entweder einen Klotz am Bein zu behalten oder einen Konkurs anzumelden – letzteres wollten wir alle nicht, weil Tausende Arbeitsplätze gefährdet waren – oder zu versuchen, die Firma HTM zu verkaufen, man kann auch sagen, abzustoßen, wie Sie das nennen wollen.

Es wurde damals entschieden, die Firma HTM zu verkaufen. Herr Eliasch wurde damals bewertet. Ich will hier keine Bewertung abgeben, aber damals hat der amtierende Aufsichtsrat aufgrund intensiver Gespräche jedenfalls festgestellt, daß sehr wohl anzunehmen war, daß Herr Eliasch mit seinen internationalen Erfahrungen in der Lage wäre, HTM wieder auf Vordermann zu bringen. Die letzten Zahlen im Bericht über 1997 zeigen jedenfalls, daß HTM sich derzeit ganz gut auf dem Weltmarkt behauptet.

Nun zur Entscheidung der EU-Kommission. Es ist legitim – und die österreichische Bundesregierung war ja als Streitberater dabei –, daß die Kommission angerufen worden ist. Die Kommission hat nun entschieden – sehr wohl mit gewissen Auflagen –, daß diese Beiträge ohne weiteres auch bei privaten Gegebenheiten, das heißt bei privaten wirtschaftlichen Vorgängen, möglich sind, daß sie zustimmt und daß dies seitens der Bundesregierung zu überwachen ist. Herr Bundesminister Edlinger hat im Ausschuß deutlich erklärt, er werde alles tun, was möglich ist, damit diese Auflagen von Herrn Eliasch auch eingehalten werden. Wir werden das von unserer Finanzierungsgesellschaft überwachen lassen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir das Risiko betrachten, das hier im Bericht angesprochen worden ist, dann muß man sagen, daß es darüber auch im Rechnungshofausschuß eine Diskussion zwischen Präsidenten Dr. Fiedler und Minister Edlinger gegeben hat. In diesem Punkt gibt es verschiedene Auffassungen. Der Präsident des Rechnungshofes hat gemeint, es bestehe für die Republik weiterhin ein Risiko. Minister Edlinger hat das widerlegt, weil das zwar vertraglich noch mit den damals staatlichen Austria Tabakwerken abgehandelt worden ist, aber seiner Meinung nach auch für die privatisierten Austria Tabakwerke bindend ist. Er meint, eine Gefahr, ein Risiko für die Republik Österreich sei nicht zu sehen, wenn wir die Auflagen der Kommission erfüllen und wenn wir auch entsprechende Maßnahmen setzen. Damit würde dieses Risiko sicherlich wegfallen.


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Meine Damen und Herren! Natürlich müssen wir das überwachen. Der zuständige Bundesminister wird das, wie bereits gesagt, über die Finanzierungsgesellschaft durchführen lassen, damit wir die Entwicklung genau sehen, besonders hinsichtlich der noch anhängigen Klage von zwei Mitbewerbern in der ersten Instanz beim Europäischen Gerichtshof. Niemand kann heute sagen, was für eine Entscheidung dabei herauskommen wird. Sollte entschieden werden, daß das an die Kommission zurückverwiesen wird, so wird die Kommission vermutlich diese Beiträge, dieses Zubrot, nochmals verteidigen. Das ist anzunehmen. Aber daß es insgesamt, meine Damen und Herren, kein Risiko für die Republik Österreich gibt, das ist für uns sehr erfreulich! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leikam: 10 Minuten, aber eine gute Rede!)

12.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.36

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! (Der Redner blickt auf einige leere Sitzreihen.) Verbliebene Damen und Herren des Hohen Hauses! Dieses Konvolut des Prüfberichtes beinhaltet sehr viel Arbeit und sehr viel Hirnschmalz, auch seitens der Rechnungshofbeamten. Auch wenn Kollegin Apfelbeck sich einleitend bereits beim anwesenden Präsident Dr. Fiedler dafür bedankt hat, möchte ich das wiederholen und ihm gleichzeitig sagen, daß er es sich nicht verdient hat, daß die Behandlung einiger Bereiche im Ausschuß derart lapidar geführt wurde.

Es ist leider richtig, daß die geladenen Auskunftspersonen teilweise offenbar eine Schweigepflicht hatten, teilweise inkompetent waren, und immer dann, wenn es wie etwa im Zusammenhang mit der Bundesstraßenverwaltung Steiermark zur Sache und auf den Punkt kam, wurde gerne ein nicht anwesender Hofrat zitiert, der sich gerade auf Urlaub befindet, oder es wurden bereits in Pension befindliche oder auch schon verstorbene Verantwortliche zitiert. Die Anwesenden konnten jedenfalls nicht so recht zur Sache befragt werden. (Abg. Wurmitzer: Das ist die Unwahrheit!)

Ich finde, es ist wirklich nicht zumutbar, daß Personen, die mit dieser Arbeit befaßt sind, aber nicht ausreichend informiert sind oder nicht sprechen dürfen, der Opposition, aber auch dem Rechnungshof gegenübergesetzt werden. Es war daher völlig richtig, die Frau Landeshauptmann Klasnic als die damals zuständige politisch Verantwortliche zu laden, und wir bedauern zutiefst, daß diesem Ersuchen nicht stattgegeben wurde.

Immerhin geht es um 14 fehlerhaft verrechnete Baulose in der Steiermark. Das ist in der bisherigen Debatte untergegangen. Es ist auch untergegangen, daß die Steiermärkische Landesregierung zum Rechnungshofbericht in sieben Fällen keine Stellungnahme abzugeben hatte, also mit den 3,6 Prozent fehlerhaften Abrechnungen offensichtlich durchaus leben kann, ebenso wie Herr Kollege Kräuter. Er hat gemeint: Es gab keine Strafanzeigen, daher ist alles in Ordnung. Es gibt eben systemimmanente Fehler, mit denen man zu leben hat. – Ich muß Ihnen sagen: Wir denken nicht daran, damit zu leben, Herr Kollege Kräuter (der Redner blickt zu dem auf der Galerie sitzenden Abg. Dr. Kräuter)  – wo immer Sie sein mögen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herrn Kollegen Kräuter ist auch eine eigenwillige neue Wortschöpfung über die Lippen geschlüpft, als er von einer "Ressel-Tangente" gesprochen hat. Was meint er damit? – Er hat zum Rechnungshofunterausschuß und zur Ennsnahen Trasse eine Kurve gesucht. Der Landesrat Ressel hat vor einiger Zeit über die Medien erklärt, daß er die Lösung zur Ennsnahen Trasse im Kopf und auf dem Papier habe: Es müsse mit der sogenannten Ressel-Tangente die Stadt Stainach umfahren werden.

Er hat dabei völlig außer acht gelassen, daß der freiheitliche Landesrat Schmid bereits im Jänner 1995 in der Steiermärkischen Landesregierung den Antrag gestellt hatte, diese Tangente, diese Umfahrung von Stainach, endlich in Angriff zu nehmen. Damals hat der Herr Landesrat Ressel das als "unvernünftige Teillösung zum Großkonzept" abgelehnt. – Jetzt


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113. Sitzung / Seite 62

berichtet er uns über die Medien von der "Ressel-Tangente", und sein Parteifreund Kräuter tut das hier kund!

Die Ennsnahe Trasse, bei der 26 Jahre, die von den beiden Koalitionsparteien, in erster Linie von der ÖVP, versäumt wurden, versucht man jetzt über diese Tangente zu retten. Herr Kollege Wurmitzer ist sich nicht zu schade, mit seinem alten Komplex von der Kärntner Karawanken Autobahn all diese Fehler in der Steiermark zuzudecken, zu sagen: Damals ist unter der Verantwortung von Kollegen Haider ähnliches passiert. Daher ist alles gut und richtig, was hier in 14 Punkten aufgezählt wird und in die Millionen geht. (Abg. Wurmitzer  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Das habe ich nie gesagt!)

Herr Kollege Wurmitzer! Sie haben übersehen, daß die Freiheitlichen hier wiederholt einen Unterausschuß gefordert haben, um die Unregelmäßigkeiten dort aufzudecken. Wer war denn dagegen, Herr Wurmitzer? – Sie waren dagegen und haben die Aufklärung verhindert. Wir haben keine Probleme damit. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Wurmitzer. )

Noch ein paar Sätze zum Bereich der Mehrdienstleistungen in den Schulen. Es wurde auch von Herrn Kollegen Wurmitzer angesprochen, daß Mehrdienstleistungen notwendig sind und daß die Mehrdienstleistungen zurückgegangen sind. Herr Kollege Wurmitzer! Der Rechnungshof hatte nicht zu prüfen, wie stark die Mehrdienstleistungen zurückgegangen sind, sondern er hatte zu prüfen, welche Auswirkungen die Einführung des § 61 im Gehaltsgesetz hatte. Es wurden großspurig 400 Millionen Schilling Einsparungen in das Budget hineingeschrieben, wobei ich selbst in der Budgetdebatte die Frau Bundesminister darauf hingewiesen habe, daß das nicht erzielbar sei. Damals wurden wir dahin gehend belehrt, daß wir als Oppositionspartei keine ausreichenden Informationen hätten. In der Tat lag die Schätzung um etwa 300 Prozent fehl. Selbst das Ministerium gibt zu, daß seine eigenen Schätzungen zu ungenau waren.

Damit kann man einfach nicht leben. Es darf nicht passieren, daß Zahlen vorgegeben werden, Mehrdienstleistungen dann tatsächlich erfolgen und das eigentliche Einsparungsziel verfehlt wird, nämlich durch gut und teuer ausgebildete Junglehrer das zu ersetzen, was die teuren Altlehrer erbringen, die natürlich von ihren politisch eingesetzten Direktoren je nachdem, wie günstlinghaft sie sich benehmen, mit Mehrdienstleistungen beteilt werden. Ich habe jetzt auf meine Anfrage hin die Kopfzahl der Lehrer für 1996 von der Frau Bundesminister mitgeteilt bekommen, und ich mußte feststellen, daß die Erhöhung marginal ist. Die Junglehrer sitzen auf der Straße, und die Altlehrer beziehen weiterhin Mehrdienstleistungen. Nicht einmal eine Anpassung an das Gesetz und eine Rückzahlung von 17 Millionen Schilling, wie sie uns der Rechnungshof vorgerechnet hat, sind bewerkstelligt worden. Rundherum stinkt es! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wurmitzer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter! Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

12.43

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Grollitsch hat hier von dieser Stelle aus behauptet, die Beamten hätten im Rechnungshofausschuß Schweigepflicht. – Diese Behauptung ist unrichtig. Es gab keinen einzigen Beamten als Auskunftsperson, der sich auf das Amtsgeheimnis oder auf eine auferlegte Schweigepflicht berufen hätte.

Das Gegenteil ist richtig: Die Beamten waren sehr kooperativ und haben nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft erteilt. (Beifall bei der ÖVP.)


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12.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stampler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.44

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Der Bericht des Rechnungshofes über den Überprüfungszeitraum November 1995 bis 1996 befaßt sich in einem Teilbereich auch mit der Bundesstraßenverwaltung Steiermark. Dieser Teil gliedert sich in drei Unterabschnitte: Bundesstraßenverwaltung, Tunnelbau und Autobahn, wobei elf Projekte im Bereich Bundesstraßen, ein Projekt im Bereich Autobahn und zwei Projekte im Bereich Tunnelbau überprüft wurden.

In meinem Statement zum Rechnungshofbericht zur Bundesstraßenverwaltung möchte ich gleich zu Beginn festhalten, daß es für die Opposition überhaupt keinen Grund zur Skandalisierung gibt, auch wenn dies versucht wird. Das bestätigt auch der Präsident des Rechnungshofes, der feststellte, daß es keinen Fall gibt, bei dem man die Staatsanwaltschaft hätte einschreiten lassen müssen. Herr Hofrat Gobiet, der Verkehrskoordinator der Steiermark, betonte auch in der Ausschußsitzung, daß die Kritik des Rechnungshofes ernst genommen wird und daß man für zukünftige Projekte daraus gelernt hat.

Gerade im Straßenbau findet ein Wechselspiel zwischen Agieren und Reagieren – auf der einen Seite Bauherr, auf der anderen Seite Anrainerschaft – statt. Man muß feststellen, daß bei einem Gesamtauftragsvolumen von 758 Millionen Schilling vom Rechnungshof rund 3,7 Prozent der Auftragssumme beanstandet wurden. Diesbezüglich ist die Steiermark keine Ausnahme, sondern das liegt im Bereich der Mängel, wie sie auch sonst überall festgestellt werden.

Natürlich muß – da sind wir uns sicherlich einig – jeder beanstandete Mangel rasch behoben werden. Aber der Rechnungshof stellt in seinem Eingangsstatement ausdrücklich fest, daß die Bereitschaft des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung zur Mängelbereinigung weitergehende finanzielle Nachteile verhinderte. Es wurde auch festgestellt, daß es im Bereich der Auftragsvergaben nie zu politischen Einflußnahmen gekommen ist. Das ist das Entscheidende. Fehler macht jeder, schließlich sind wir alle nur Menschen, aber die Bereitschaft, sie zu bereinigen, ist das wichtigste, und das wurde jedenfalls getan.

So stellte der Rechnungshof auch fest, daß bis Mitte 1997 bereits Abzüge in der Höhe von rund 4,2 Millionen Schilling erreicht werden konnten. Mittlerweile sind noch einmal 0,96 Millionen aus dem Bauvorhaben Radlpaß und 0,32 Millionen aus dem Ankauf von Sprengmitteln rückgeflossen. Insgesamt sind das bereits rund 20 Prozent der bemängelten Summe.

Auch was die kritisierte Ausbildung der Bauleiter betrifft, finden bereits im Frühjahr 1998 entsprechende Ausbildungskurse und Vorträge für die Bauleiter statt. Ich glaube, das ist richtig und wichtig, denn gerade die Bauaufsicht vor Ort ist das Verbindungsglied zwischen Anrainern und Baufirmen. Wenn es oft ein gespanntes Verhältnis zwischen Anrainern, Straßenbauern und -errichtern gibt, müssen sie auch kurzfristig Entscheidungen treffen, die man nachher vielleicht nicht gerade als die besten ansieht.

Zum Bericht, der sich, wie gesagt, in die Kapitel Bundesstraßen, Tunnelbau und Autobahnen gliedert, möchte ich noch einige kurze Anmerkungen machen. Es sollte erwähnt werden, daß die Steiermärkische Landesregierung beim Tunnelbau auf jeden Fall an der Verwendung der Gebirgsklassenmatrix als Grundlage für die Ausschreibung festhält. Es hat vielleicht am Anfang Schwierigkeiten gegeben, die Mängel wurden aber beseitigt, und man wird an dieser Ausschreibungsgrundlage festhalten.

Daß die Gefahr der Manipulation von Baubüchern durch die Rückkehr zur händischen Führung nunmehr ausgeschaltet sei, nahm der Rechnungshof mit Genugtuung zur Kenntnis. Gerade aus meiner Erfahrung als Bürgermeister weiß ich, daß der Straßenbau ein sehr sensibler Bereich ist und dabei das Unerwartete zur Tagesordnung gehört. Jeder hätte gerne eine schöne Straße zum Fahren, nur nicht bei sich daheim. Während der Bauarbeiten ist es oft unumgänglich, geringfügige Veränderungen vorzunehmen. Gerade in der Steiermark sind die geologischen Verhältnisse sehr unterschiedlich und oft sehr schwer einzuschätzen.

Ich möchte, weil ich eben aus der Gemeinde komme und dieses Aufgabengebiet aus der Praxis kenne, noch einmal festhalten: Die örtliche Bauaufsicht ist ein Zwischenglied zwischen Anrai


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nern und Auftraggebern und muß sehr oft rasche Veränderungen vornehmen. Es freut mich, daß man in diesem Bereich viel getan hat. Man hat aus Fehlern gelernt und wird das in Zukunft auch beachten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann zu Wort. – Herr Abgeordneter, 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung? (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: 6 Minuten!) 6 Minuten. – Bitte.

12.49

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich spreche zum Kapitel ÖIAG/ÖBAG, im speziellen zum Verkauf der Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks-GesmbH, vormals -AG. Bei diesem Unternehmen wurde festgestellt, daß der Kohlebergbau unwirtschaftlich ist. Aus diesem Grunde wurde der langjährige Geschäftsführer Dr. Schabel zum Liquidator bestellt. Dr. Schabel ist in der Folge plötzlich, inspiriert durch seinen Hang zum Bergbau, als Käufer dieses Unternehmens aufgetreten. Er hat aber während seiner Zeit als Geschäftsführer dieses Unternehmens, der WTK-GmbH, bereits Vorbereitungen in diese Richtung getroffen.

Nunmehr stellt sich die Sache so dar, daß es ein Familienbetrieb ist, eine Familien-GmbH, eine Beteiligungsgesellschaft, die er gegründet hat, und diese 500 000-S-GmbH ist die nunmehrige Besitzerin der WTK-GmbH. Während der Liquidationsphase sind Interessenten, die durchaus in großer Zahl aufgetreten sind, verschreckt worden. Wie machte man das? – Man unterbreitete den Interessenten Gutachten mit allen möglichen Risiken, die nur vorstellbar sind, und hielt sie damit vom Kauf ab. Zu guter Letzt sind nur zwei Unternehmen übriggeblieben, die die WTK kaufen wollten, nämlich seine eigene Beteiligungs-GmbH und die Firma Niederndorfer. Den Zuschlag hat dann die Schabel-Beteiligungsgesellschaft erhalten.

Es kam zufälligerweise, als die Interessenten kaum mehr vom Kauf abzuhalten waren, die Weisung von seiten der ÖIAG/ÖBAG, daß nur mehr im Stück verkauft wird. Es wurde die Liquidation gestoppt. Der Rechnungshof hat auch in seinem Bericht durchaus kritisch festgestellt, daß es hiefür keinen Grund gab, daß das nicht sinnvoll war. Es gab, wie ich meine, sehr wohl Gründe dafür, nämlich persönliche des Liquidators Schabel, der sein Wissen nicht dem Unternehmen WTK zur Verfügung gestellt, sondern sein Insiderwissen dazu benutzt hat, um persönlich daraus Kapital zu schlagen.

Aber er hat diesen Kauf nicht getätigt, ohne sich vorher abzusichern, nämlich mit einer Bergbauförderung in der Höhe von 36 Millionen Schilling für die Jahre 1996 bis 1998, wobei sich für mich die Frage stellt, wer tatsächlich den sinnvollen Einsatz dieser Bergbauförderung, der aus dem Wirtschaftsministerium kommt, kontrolliert. Obwohl die Übernahme der Verpflichtungen dazu geführt hat, daß das Liquidationskapital des Unternehmens und damit natürlich der Kaufpreis des Unternehmens selbst sehr niedrig war, hat die Verpflichtung der Deputatslieferungen für die ehemaligen Beschäftigten der WTK nicht die WTK beziehungsweise die Schabel-GmbH übernommen, sondern die ÖIAG/ÖBAG. Schabel war beauftragt, mit seiner Beteiligungsgesellschaft zu liefern, eine, wie die Auskunftsperson Dipl.-Ing. Staska meinte, freiwillige soziale Leistung.

Nun, um eine Bergbauförderung in Anspruch nehmen zu können, muß man natürlich auch Bergbau betreiben. Wenn man dann eine Kohle fördert, die nicht verkaufbar ist, ist es gut, wenn man wenigstens Deputatskohlelieferungen durchführen kann und dafür noch einen guten Preis bezahlt bekommt – so geschehen in Ampflwang.

Und es gibt noch andere Ungereimtheiten, sehr geehrte Damen und Herren, nämlich daß zum Beispiel ein Areal der WTK unter Denkmalschutz gestellt wurde. Integriert in ein geplantes Bergbaumuseum war der sogenannte Nordfelsstollen. Ein Kohlebecher wurde unter Denkmalschutz gestellt, ein Teil des Schmitzberges. Unangenehmerweise ist das passiert, denn genau an jener Stelle, wo der Tagbau einigermaßen wirtschaftlich möglich war, war plötzlich der Mantel des Denkmalschutzes darübergebreitet und waren somit die Aktivitäten der Schabelschen GmbH eingeschränkt. Was ist passiert? – Über Nacht ist jener Stollen, der bei den Leuten der Region,


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bei den Bergleuten der WTK als besonders sicher, ja als der sichere Stollen schlechthin galt, eingestürzt. Damit ist das Museumsprojekt gestorben, der Denkmalschutz wurde aufgehoben, und Schabel konnte seine Aktivitäten hinsichtlich des Bergbaus dort entwickeln. Er hat die Produktionsnische Hausbrand aufgegriffen und beliefert nun auf Kosten der ÖIAG/ÖBAG die ehemaligen Beschäftigten der WTK mit dieser Kohle.

Das Kernareal, das heißt jenes Areal, auf dem das Direktionsgebäude, die Kohlewaschanlage und ähnliche Gebäude standen, wurde von Schabel nicht übernommen. Warum? – Dort gibt es Gleisanlagen, die hätten abgebaut werden müssen, wenn kein Bedarf mehr besteht. Geschätzte Abbaukosten: 17 Millionen Schilling. Der Verkauf dieses Areals in der Größe von 8 bis 9 Hektar erfolgte an die ÖGEG, die Österreichische Gesellschaft für Eisenbahngeschichte, um einen Schilling. Schabel hat aber das Nutzungsrecht auf Anlagen, Grundstücke, Maschinen, ja auf alles.

So geschah es auch, daß er im letzten Jahr die Kohlewaschanlage, in die vor Schließung der WTK noch 85 Millionen Schilling investiert wurden, an Ungarn verkauft hat. Mehr als 40 Ungarn standen dann an der Grenze und wurden nicht nach Österreich gelassen. Sie hatten keine Arbeitsbewilligung. Vertraglich war das so geregelt, daß zwar die Anzahlung seitens der Ungarn an Schabel erfolgt ist, aber das Geschäft nicht getätigt werden konnte, die Ungarn zurückgewiesen wurden, eine Frist gesetzt wurde, den Abbau bis August des Jahres 1997 zu tätigen, wenn nicht, fällt sie an Schabel zurück. Sie ist an Schabel zurückgefallen, er hat wohl Geld dafür bekommen, und er hat sie im Jahr 1998 ein zweites Mal, und zwar an die Japaner, verkauft. Eine kleine Ungereimtheit, wie ich meine, aber alles ganz gut eingefädelt.

Es wurden vor dem Verkauf der WTK Investitionen auf Kosten der ÖIAG beziehungsweise noch der WTK gemacht, in Radlader, in LKWs – für die Schabelsche Nischenproduktion im Anschluß an den Kauf. Das sind wahrscheinlich Peanuts. Erwähnt wurde bereits die Investition von 110 Millionen Schilling im Bereich des Tourismusprojektes "Robinson Club", die nun abgewertet wurde auf 10 Millionen, und so weiter.

Es zeigt dies ein gewisses Sittenbild auf. Der, wie ich meine, rote Staska, der mittlerweile in Ungnade gefallen ist, und der schwarze Schabel haben sich einige Dinge gerichtet. (Abg. Dr. Keppelmüller: Das hat mit Rot-Schwarz nichts zu tun!) Sehr geehrter Herr Präsident! Wenn die Auskunftsperson oder, wie ich meine, Nichtauskunftsperson Staska meint, daß er nicht involviert gewesen wäre in den Verkauf, sondern nur für den Gesamtverkauf zuständig gewesen wäre, dann ist das glattweg die Unwahrheit. Ich habe hier einen Zeitungsartikel, wonach er genau das Gegenteil behauptet im Zusammenhang mit den Verhandlungen, die Schabel nach Bekanntgabe seines Interesses an der WTK noch getätigt hat. Das ist somit unrichtig.

Es gäbe noch sehr viel dazu zu sagen. Tatsache ist: Das Geschäft war nur für Schabel ein gutes, es bedeutete eine Verbesserung seiner pekuniären Situation. Aber bekanntlich stinkt Geld nicht, allerdings die Geschäfte, die da am Rande getätigt wurden. Wie ich meine, wird das letztlich auf die öffentliche Hand zurückfallen. Die 500 000-S-GmbH ist keine Garantie für all die Bergschäden, für all die Verpflichtungen, die seitens der WTK bestehen. Ich kann dazu nur sagen: Glück auf! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Keppelmüller. )

12.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Gabriele Binder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.58

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Zurück zu einem Teilbereich des Rechnungshofberichtes, zur Schienenfahrzeugbeschaffung der ÖBB. Ein wesentlicher Kritikpunkt des Berichtes war die Beschaffung der ÖBB bis 1993, die zwar im Interesse der heimischen Industrie erfolgte, aber zum Nachteil der ÖBB, so der Rechnungshof, da sie zumeist ohne Ausschreibung im Inland vonstatten ging. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)


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Unternehmenszielorientierte Marktanalysen fanden bei der Bedarfsberechnung zuwenig Eingang. Auch das war ein Kritikpunkt.

Welche Veränderungen innerhalb der ÖBB gab es seit dieser Überprüfung, seit diesem Bericht, seit diesen Stellungnahmen?

Vom Jahre 1993 an hielt sich der neue ÖBB-Vorstand bei Neuanschaffungen zurück und wartete gesicherte Markt- und Bedarfsanalysen ab. Beim Einkauf wurden die Vorteile des Wettbewerbs effizienter als zuvor genutzt.

Der Personenverkehr war das stabilste Nachfrageelement. Diesem Umstand trugen die ÖBB mit der Beschaffung von Doppelstockwagen Rechnung.

Positiv äußerte sich der Rechnungshof zum Thema Personenbeförderung im Nahverkehr. Im Jahre 1996 reagierten die ÖBB auf den Bedarf beim Pendlerverkehr mit der Beschaffung von 60 Doppelstockwagen. Weitere 180 Doppelstockwagen bestellten die ÖBB im Juni 1996. Diese große Serie wurde international ausgeschrieben, und die ÖBB vermochten den Anschaffungspreis je Wagen im Vergleich zu dem Preis für die zuletzt im Jahre 1993 beschafften Reisezugwaggons um 18 Prozent zu senken und die Investition je Sitzplatz zu halbieren. Der Rechnungshof begrüßte in seiner Stellungnahme die Beschaffung von nahverkehrsspezifischem Rollmaterial zur Verbesserung des Komforts für die Kunden.

Zum Thema Beschaffung von Doppelstockwagen einige Details für Sie, meine Damen und Herren: Seit September 1997 sind Doppelstockwagen auf der Südbahn zwischen Wien und Payerbach-Reichenau im Einsatz. Wie schaut aber – und das ist für uns interessant – der weitere Plan für die Inbetriebnahme der Doppelstockwagen aus? – Vom September 1998 an werden Doppelstockwaggons auf der Ostbahn zwischen Wien und Parndorf eingesetzt, vom Mai 1999 an auf der Nordbahn zwischen Wien und Bernhardsthal, vom September 1999 an auf der Nordwestbahn zwischen Wien und Retz, vom Mai 2000 an auf der Westbahn – für mich als Niederösterreicherin sehr interessant – zwischen Wien und St. Valentin und vom September 2000 an auch auf der Franz-Josefs-Bahn zwischen Wien und Gmünd und zwischen Wien und Krems.

Meine Damen und Herren! Durch den Einsatz von Doppelstockwaggons kann man in einem Pendlerzug bei fast gleichen Kosten 1 200 statt 700 Fahrgäste befördern. Fast 70 Prozent der Pendler in Niederösterreich werden bis zum Jahr 2000 mit dem neuen rollenden Material unterwegs sein können. Der Ankauf von modernen und bequemen Doppelstockwaggons präsentiert sich somit als moderne und vor allem nahezu rein österreichische Lösung zur Attraktivierung des Nahverkehrs.

Als Niederösterreicherin möchte ich Ihnen auch einige Daten aus der Pendler-Studie, die die niederösterreichische Arbeiterkammer präsentiert hat, zur Kenntnis bringen. Laut dieser Studie muß ein Viertel der niederösterreichischen Arbeitnehmer täglich eine Stunde für den Weg zum Arbeitsplatz aufwenden. Von den 290 000 Tagespendlern müssen der Untersuchung zufolge 4 Prozent der Pendler eine Wegzeit von mehr als 90 Minuten in Kauf nehmen, 11 Prozent eine Wegzeit von 60 bis 90 Minuten, weitere 11 Prozent eine Wegzeit zwischen 45 und 60 Minuten, 18 Prozent eine Wegzeit zwischen 30 und 45 Minuten und 28 Prozent eine Wegzeit zwischen 15 und 30 Minuten.

Jeder vierte Pendler ist also insgesamt mehr als eineinhalb Stunden täglich unterwegs. Im Vergleich der Nettofahrzeiten schnitt die Bahn an gut ausgebauten Hauptstrecken – Süd- und Westbahn, Schnellbahn nach Hollabrunn und Gänserndorf – besser ab als die PKWs.

Meine Damen und Herren! Insgesamt ist die Anschaffung von Doppelstockwaggons zu begrüßen, da in diesem Zusammenhang die Wertschöpfung mit nahezu 100 Prozent in Österreich bleibt und damit österreichische Arbeitsplätze bei Produzenten und Zulieferbetrieben erhalten werden und somit auch der Ruf Österreichs im Eisenbahnbau gefestigt wird.


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Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch, daß es nicht nur wesentlich ist, hervorragendes Zugmaterial zur Verfügung zu stellen, sondern daß es auch wichtig ist, Lücken zu schließen, wenn es darum geht, den Ausbau eines attraktiven Fahrplanes für die Pendler zu garantieren.

Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang – und auch im Hinblick auf die Debatte über die Dringliche Anfrage um 15 Uhr – auch noch, daß die ÖBB derzeit mit über 300 Lehrlingen weit über den Bedarf Auszubildende eingestellt haben.

Meine Damen und Herren! Es ist wichtig, mit entsprechenden Angeboten den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen, dadurch auch die Umweltbelastungen, welche durch den Individualverkehr verursacht werden, zu senken und durch den Einsatz von modernen Verkehrsmitteln und mit einem attraktiven Fahrplan dafür zu sorgen, daß man pünktlich und rasch von einem Ort zum anderen kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

13.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Meischberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.05

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Mein Kollege Trattner hat im Zusammenhang mit diesem Bericht schon ausführlich auf die besondere Rolle des Herrn Eliasch und auf die politische Einflußnahme im Fall von HTM hingewiesen, und er hat auch genau dargelegt, worauf es der Freiheitlichen Partei bei der Untersuchung, bei der Beurteilung der Vorkommnisse in jener Zeit ankommt.

Wir haben im Ausschuß, um die damaligen Vorkommnisse aufzuklären, sehr viel Zeit damit verbracht, die aufklärungsbedürftigen Vorgänge im August 1995 näher zu untersuchen. Diese Vorkommnisse im August 1995 haben es jedenfalls ganz schön in sich gehabt, was den Verkauf der HTM zum einen und den Rücktritt des Vorstandes zum anderen betrifft. Sie haben auch gezeigt, welchen Schaden für die Steuerzahler ganz konkrete und ausgesprochene politische Einflußnahme in Staatsbetrieben letztlich verursachen kann.

Wir haben bis zum heutigen Tage nicht herausfinden können, was wirklich zwischen dem 4. und dem 11. August und auch noch bis zum 14. September 1995 geschah, in jener Zeit, als der unselige Verkauf der HTM unter den bekannten Bedingungen vollzogen wurde. Wir glauben, daß der Verkauf der HTM mehr als überhastet geschah. Bis heute ist es nicht gelungen, den damaligen Interessenten Eliasch in bezug auf seine Fähigkeiten, die HTM mit den vorgegebenen Bedingungen zu übernehmen, wirklich zu überprüfen.

Die Folgen davon sind, wie heute schon mehrmals bestätigt, bis jetzt nicht absehbar. Kollege Lukesch von der ÖVP hat gesagt: Da hilft nur noch das Beten! – Wir Freiheitlichen glauben, daß zwei Rollen besonders untersuchungswürdig sind: erstens die Rolle des Beraters Treichl – diese kann ich jetzt aufgrund meiner kurzen Redezeit nicht näher ausführen –, dessen Motivation für die Einflußnahme aufgrund der Provisionszahlung ziemlich klar auf der Hand liegt, und zweitens die Rolle des heutigen Vorstandes und damaligen Aufsichtsrates Schram. Dieser trägt auch für die Zukunft des Unternehmens Verantwortung. Deshalb ist das Ganze kein Schnee von gestern, denn es ist auch für die Zukunft wichtig, daß diese ungeklärten Dinge untersucht werden.

Der damalige Aufsichtsrat beziehungsweise der derzeitige Vorstand Dr. Schram hat durch sein Verhalten im Rechnungshofausschuß jeden Zweifel verstärkt, der seiner Person entgegengebracht wird, was die Führung dieses Unternehmens durch ihn betrifft.

Ich möchte nur kurz seine Rolle, die er gespielt hat, darlegen. Er war als Aufsichtsrat bei jeder einstimmigen Entscheidung im Aufsichtsrat dabei, als es um die Sanierung der HTM ging. Er war dabei, als entschieden wurde, daß 1,5 Milliarden Schilling an Sanierungskapital für die Sanierung zur Verfügung gestellt werden sollen. Er war aber dann in der heißen Phase plötzlich ein Umspringer und ist dafür eingetreten, daß nur mehr 300 Millionen Schilling für die Sanierung


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genehmigt werden, obwohl er ganz genau wußte, daß 1,5 Milliarden Schilling notwendig sind, damit die Sanierung sinnvoll ablaufen kann.

Er wurde dann am 11. August zum Interimsvorstand bestellt, und auf seine Empfehlung hin hat dann der Aufsichtsrat den dubiosen Verkauf der HTM an Herrn Eliasch beschlossen.

Im Ausschuß hat Herr Dr. Schram viele Fragen nicht beantworten können, wie zum Beispiel die konkrete Frage, warum er letztlich nur 300 Millionen Schilling für die Sanierung der HTM befürwortet hat, obwohl er genau wußte, daß es ein sinnloses Geldverschwenden ist, wenn nicht 1,5 Milliarden Schilling dafür eingesetzt werden. Herr Dr. Schram ist uns bis zum Schluß die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben.

Herr Dr. Schram hat uns aber auch keine Antwort auf die Frage geben können, warum die Ausgabe von 1,5 Milliarden Schilling sehr wohl einer EU-Überprüfung unterzogen wurde, man aber nicht untersuchen ließ, ob die 1,2 Milliarden Schilling Mitgift ihre Berechtigung haben. Wie schon gesagt: Auch auf diese Frage hat uns Dr. Schram im Ausschuß keine Antwort geben können!

Herr Dr. Schram war, wie er im Ausschuß selbst gesagt hat, aber auch jene Person, von welcher Herr Eliasch als Käufer präferiert und unterstützt wurde – jener Mann, der bis heute seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Das kann doch dem heutigen Vorstand Schram nicht egal sein!

Aber wirklich skandalös und verhöhnend für den Steuerzahler war Herrn Dr. Schrams Aufrechnung dahin gehend, daß durch die Entscheidung, 1,2 Milliarden Schilling Mitgift statt 1,5 Milliarden Schilling Sanierungspotential herzugeben, der Steuerzahler sich 300 Millionen Schilling erspart habe. Wahr ist vielmehr, daß der Steuerzahler dadurch mit einem Verlust von 3,6 Milliarden Schilling und mit dem Verlust des Unternehmens zu Schaden gekommen ist. Doch ein derartiger Mann sitzt heute noch im Vorstand der AT. Diesem Herrn Dr. Schram soll heuer wiederum sein Vorstandsvertrag verlängert werden.

Wir von den Freiheitlichen, Herr Staatssekretär, empfehlen Ihnen, alles zu unternehmen, daß dieser Verlängerung nicht zugestimmt wird. Wir werden sehr genau beobachten, ob all die Dinge, die auf eine Mitverantwortung des Herrn Dr. Schram bei diesem Desaster hindeuten, auch dementsprechend untersucht werden, bevor die Eigentümervertreter der Republik einer weiteren Verlängerung des Vorstandsvertrages des Herrn Dr. Schram im heurigen Jahr zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Silhavy. Gleichfalls 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.11

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Herr Präsident Dr. Fiedler! Hohes Haus! Kollege Wurmitzer ist in seinem Debattenbeitrag bereits auf das Kapitel "Mehrdienstleistungen für Lehrer und Lehrerinnen" eingegangen, und es trifft sich gut, daß Frau Bundesministerin Gehrer jetzt hier im Saal anwesend ist.

Es liegt mir fern, mich auf das Niveau einiger Debattenredner und -rednerinnen der Oppositionsfraktionen zu begeben und Dinge zu skandalisieren, die kein Skandal sind, aber, Herr Kollege Wurmitzer, ein wenig muß ich Ihren Schalmeientönen doch entgegentreten. Der Rechnungshof hat nämlich beanstandet, daß bereits bei der Vorlage eine nachvollziehbare Aussage bezüglich der Höhe der beabsichtigten Einsparungseffekte fehlte. Es ist daher nicht verwunderlich, daß der Rechnungshof entgegen den Einschätzungen des Ministeriums, das von 400 Millionen Schilling gesprochen hat, auf eine aus dieser Maßnahme resultierende Einsparung in der Höhe von 37 Millionen Schilling gekommen ist.


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Der Fairneß halber möchte ich aber schon anfügen, daß auch im Rechnungshofbericht festgehalten wird, daß diese 400 Millionen Schilling an Einsparung durch ein Bündel von verschiedenen Maßnahmen erzielt werden konnten.

Frau Ministerin! Was mich aber schon negativ berührt hat – und ich möchte es auch hier sagen –, ist die Tatsache, daß Sie im Ausschuß nicht in der Lage waren, zu sagen, inwieweit der Rückgang bei den Mehrdienstleistungen zu einer Mehrbeschäftigung bei Lehrerinnen und Lehrern geführt hat.

In allen Bereichen, in welchen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verantwortlich sind, ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oberstes Ziel. Es ist daher aus meiner Sicht als negativ zu beurteilen, daß Sie, Frau Ministerin, bezüglich des Wirkungsbereichs, für den Sie verantwortlich sind, nicht sagen können, inwieweit durch solch eine Maßnahme konkrete beschäftigungspolitische Effekte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Lehrerinnen und Lehrern gesetzt werden konnten.

Nun auch ein Wort zum Straßenbau in der Steiermark. Das Problem des Herrn Kollegen Grollitsch ist offensichtlich jenes, daß er sich mit seiner Meinung nahtlos in die Riege der freiheitlichen Abgeordneten einordnet. Entweder hat er den Ausführungen des Kollegen Kräuter nicht zugehört, oder er hat sie nicht verstanden. Tatsache ist jedenfalls, daß es Landesrat Ressel endlich gelungen ist, den gordischen Knoten, den wohlgemerkt andere geknüpft haben, endlich zu durchschlagen. Aufgrund seiner Initiative gibt es jetzt endlich konkrete Maßnahmen für die Lösung der Probleme der Bevölkerung in dieser Region.

Ich möchte auch einige Worte zur Beschäftigungspolitik sagen. Herr Dr. Fiedler! Ich habe bereits im Ausschuß eine Feststellung dahin gehend getroffen. Im Zusammenhang mit dem in Rechnungshofbericht auf den Seiten 19 bis 21 zitierten Problem der Vergabe nach dem Bestbieterprinzip haben Sie fünf konkrete Punkte – aber nur als Beispiele – angeführt, die zu beachten wären.

Wenn die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wirklich als höchstes politisches Ziel hier in diesem Hohen Haus definiert wird, wundert es mich, daß Sie nicht auch als Beispiel angeführt haben, inwieweit bei Ausschreibungen beziehungsweise bei Angeboten überprüft werden soll, ob Arbeitszeitregelungen überhaupt eingehalten werden können, ob in den Angeboten kollektivvertragliche Entlohnungen überhaupt fixiert werden können. Ich ersuche Sie daher – ich glaube, daß auch das eine Aufgabe des Rechnungshofes ist –, zu schauen, inwieweit Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte auch bei Anbotslegungen tatsächlich garantiert werden können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.15

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Rechnungshofpräsident! Herr Staatssekretär! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich habe mich deshalb jetzt zu Wort gemeldet, weil mir Antworten auf zwei Fragen bezüglich der Causa HTM fehlen.

Herr Rechnungshofpräsident! Sie kritisieren zu Recht den Mangel an Überprüfung und die unzureichende kritische Haltung der Organe. Wäre es aber nicht richtiger gewesen, festzuhalten, daß das HTM-Management unfähig war, daß der AT-Vorstand völlig unprofessionell an die Akquisition herangegangen ist, daß es fahrlässig war, gleichzeitig mit dem Verkauf nicht auch ein Sanierungskonzept vorzulegen, daß durch alle Handlungen des Finanzministers, des Aufsichtsrates und des Vorstandes und auch durch den Verkauf der HTM an Eliasch der österreichischen Volkswirtschaft großer Schaden zugefügt wurde?

Herr Rechnungshofpräsident! Kein Wort wird in diesem Bericht darüber verloren, welchen Einfluß der damalige Kanzler Vranitzky hatte, der mit einer Gesprächsunterstützung im De


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zember 1992, faktisch über Wunsch des Finanzministers, festlegen ließ, daß die allfällige Kaufentscheidung einstimmig sein müsse. Damit wurden die Aufsichtsräte genötigt. Herr Präsident, wußten Sie davon?

Es fehlt in diesem Bericht auch die Beurteilung, ob die handelnden Personen im Falle einer Beihilfenrückzahlung zu Amtshaftungs- oder Schadenersatzansprüchen verpflichtet werden. Es wird zwar kritisch die Beihilfe festgestellt, aber es fällt auf, daß der zu Beginn der Beihilfenprüfung mit der Sache betraute italienische Beamte in der Kommission, der mir gegenüber immer klar von einer Beihilfe gesprochen hat, dann plötzlich von einem österreichischen Beamten abgelöst wurde, der von da an zur Beurteilung dieser Causa herangezogen wurde und der dann mir gegenüber die Beihilfe als EU-konform bezeichnet hat – dies, obwohl klar war, daß die Förderungs- und Beihilfenmaßnahmen nicht notifiziert waren. Daher ist zu bezweifeln, ob die Kommissionsentscheidung auch richtig war.

Daher abschließend einige Fragen an Sie, Herr Rechnungshofpräsident: Wußten Sie davon? Wie beurteilen Sie eine eventuelle Amtshaftungs- und Schadenersatzklage? Welchen Personenkreis würde eine solche betreffen? Oder meinen Sie, daß dann wiederum der Steuerzahler zum Handkuß kommen würde? – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Keppelmüller. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.18

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Meine Herren Präsidenten! Meine Damen und Herren Minister und Staatssekretäre! Ich möchte auch auf jenen Punkt in diesem Rechnungshofbericht eingehen, den Kollege Hofmann bereits angesprochen und beleuchtet hat, und ich möchte seine Argumente noch verstärken. Es geht dabei um den Verkauf der Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks-GesmbH an einen früheren Geschäftsführer. Diesen Deal konnte der Rechnungshof leider nur mehr wenig durchleuchten, weil der Verkauf bereits durchgeführt war, aber allein die Aussagen des Rechnungshofes über das Ergebnis dieser Prüfung zeigen, daß es schade ist, daß man nicht mehr Licht in diesen – um einen Ausdruck aus dem Bergbau zu verwenden – finsteren Stollen bringen oder, besser gesagt, tiefer in diesen Sumpf vordringen konnte.

Es ist keine Frage, daß Geschäftsführer Schabel, der jetzige Besitzer der WTK, mit seinem profunden Insiderwissen das vorzeitige Ende der WTK mit herbeigeführt hat. Sicherlich ist es jetzt nur ein kostspieliges Hobby des Herrn Dr. Schabel, daß er, der die WTK um 20 Millionen Schilling – ihr Wert beläuft sich auf etwa 300 Millionen Schilling – kaufen konnte, nun den Kohleabbau wieder betreibt. Daß sich die Menschen in der Region darüber wundern, ist keine Frage: Kohleabbau wiederaufgenommen, Kaufpreis: 20 Millionen Schilling – bei einem Wert, der bei mindestens 300 Millionen Schilling liegt.

Dr. Schabel führt jetzt laufend Grundverkäufe durch, die ihm fettes Geld bringen. Wir werden uns in zwei, drei Jahren anschauen, was er tatsächlich eingenommen hat, denn das Hauptgeschäft dabei ist ja nicht die Kohle, die er pro forma weiter abbaut, obwohl da auch noch Speck im Berg ist – eine Kohle, die sich sehr billig fördern läßt –, sondern der darüberliegende Schotter. Das werden wir uns auch bei der Novelle des Berggesetzes näher ansehen, denn dabei hat er fast keine Auflagen zu erfüllen. Der Schotter muß ja, wenn man an die Kohle will, abgebaut werden. Nicht von ungefähr hat ja bereits eine im Bezirk ansässige Firma, die einer Kollegin von uns gehört, ein Grundstück erworben, dessen Verkehrswert, so höre ich vom Rechnungshof, 30 Millionen Schilling beträgt. Ich weiß nicht, was sie dafür bezahlt hat. Ich vergönne es ihr, aber ich vergönne das Geschäft nicht dem Herrn Schabel.

Da sind so viele Ungereimtheiten drinnen; Kollege Hofmann hat das bereits aufgezeigt. Man hat in einer Phase, in der es nur mehr 36 Beschäftigte gab, drei Geschäftsführer gehabt; den einen, Herrn Schabel, hat man drei Monate nach Anmeldung seines Kaufinteresses bei vollen Bezügen dienstfrei gestellt. Es gab also drei Geschäftsführer, obwohl man den Bergdirektor, Dipl.-Ing.


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Pepal, der schon einmal Geschäftsführer war, auch gehabt hätte, wenn es wirklich um das Vieraugenprinzip gegangen wäre. Für 36 Leute drei Geschäftsführer – eine abenteuerliche Geschichte!

Der Rechnungshof sagt ja sehr deutlich: " ... die Alternative der Abwicklung der Liquidation durch die überprüfte Unternehmung selbst wurde aber ohne ausreichend nachvollziehbare Begründung verworfen". – Gemeint ist die ÖBAG. – Der Rechnungshof sagt weiters, daß der Bund womöglich künftig ein hohes potentielles Risiko hat, wenn der Private in Konkurs geht und der Bund dann wieder einspringen muß – Stichwort Altlastensanierung.

Wenn es also keine besonderen Absprachen und Vereinbarungen gegeben hat – Stichwort Wirtschaftskriminalität –, dann kann man Dr. Schabel nur wenig Vorwürfe machen bei diesem Deal, denn er hat sein Insiderwissen und seine Geschäftsführertätigkeit eben als Kaufinteressent – wenn auch in Klammer: schamlos – ausgenützt. Anzuprangern ist aber die Vorgangsweise und das Unvermögen des sicherlich auch gut dotierten ÖBAG-Generaldirektors Dipl.-Ing. Erich Staska, der die WTK rasch und ohne besonderes Risiko für ihn verscherbeln wollte, und dem es offensichtlich egal war, daß der Republik Österreich dabei Erlöse von etwa 100 bis möglicherweise 200 Millionen Schilling entgangen sind. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich der wahre Skandal. Dieses Versagen bleibt offenbar ungeahndet, und es ist eine Schwäche in Nachfolge des Rechnungshofberichtes, daß sich wahrscheinlich niemand damit beschäftigen wird, daß Staska bis zum Ende der ÖBAG seine schönen Bezüge kassieren wird, vielleicht auch eine ordentliche Zusatzpension, aber der Republik zig Millionen Schilling entgehen.

Ich bitte die zuständigen Minister beziehungsweise Staatssekretäre, sich den Fall noch einmal anzuschauen, noch dazu, wo ich höre – auch von Staska bestätigt –, daß dieser Private für seine "Schnackerl"-Kohleförderung nach wie vor Bergbauförderung bekommt. Er hat um 20 Millionen Schilling gekauft – 11 Millionen aus seinen hochgerechneten Pensionsansprüchen aus der Zusatzpension –, dann hat er Kredite aufgenommen, und jetzt bekommt er offenbar Bergbauförderung. Vorher – Kollege Hofmann hat das bereits erwähnt – hat er noch kräftig eingekauft: Lastwägen, Geräte et cetera, alles mögliche. Ich halte das für einen Skandal, der durch eine nachträgliche Prüfung leider nur mehr zum Teil aufgedeckt beziehungsweise bestätigt werden könnte, und ich erwarte, daß die Verantwortlichen der ÖIAG, aber auch die verantwortlichen Politiker, die Verantwortlichen in der Regierung, sich diesen skandalösen Verkauf der Wolfsegg-Traunthaler noch einmal ganz genau anschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist der Herr Präsident des Rechnungshofes. – Bitte, Herr Dr. Fiedler.

13.24

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Nußbaumer hat eine ganze Reihe von Fragen im Zusammenhang mit dem Verkauf der HTM an mich gerichtet.

Herr Abgeordneter! Sie werden verstehen, daß es mir unmöglich ist, auf diese Fülle von Fragen im Detail einzugehen. Im wesentlichen gehen Ihre Fragen in die Richtung, wer letztlich für den entstandenen Schaden verantwortlich ist beziehungsweise wer allenfalls noch in Zukunft auch in anderer Weise in die Haftung genommen werden kann. Von Ihnen wurde diesbezüglich das Amtshaftungsgesetz im besonderen angesprochen.

Herr Abgeordneter! Ich darf Ihnen darauf folgendes sagen: Was die Verantwortlichkeit für den Kauf beziehungsweise für den Verkauf der HTM und alles, was damit zusammenhängt, betrifft, so ist das im Bericht sehr ausführlich dargestellt. Das, was dem Rechnungshof an Möglichkeiten zur Verfügung stand, was im Zuge der Prüfung ausgeschöpft werden konnte, wurde ausgeschöpft. Was darüber hinaus nicht in die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes fällt, weil es in die Bereiche des Zivil- oder Strafgerichtes fällt, mußte klarerweise ausgeklammert werden.


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Auch dort, wo es Ereignisse in einer Sphäre gegeben hat, die nicht der Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes unterliegt, mußte klarerweise eine Aussage des Rechnungshofes unterbleiben. Ich darf in diesem Zusammenhang beispielsweise nur an Ihren Hinweis erinnern, daß im Zusammenhang mit der Entscheidung der Kommission in Brüssel gewisse Ereignisse stattgefunden haben, die klarerweise auch nicht vom Rechnungshof geprüft werden konnten.

Soweit derzeit noch Ungewißheit im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung der HTM beziehungsweise der daraus resultierenden Folgen für die Republik Österreich besteht, darf ich darauf verweisen, daß ein Strafverfahren anhängig ist. Es ist daher diesbezüglich das letzte Wort, was die Sachverhaltsfeststellung anlangt, noch nicht gesprochen. Darüber hinaus – und darauf hat der Rechnungshof bereits des öfteren verwiesen – wird sich ja bei Ablauf der von seiten der Kommission vorgegebenen Fristen entscheiden, welche Maßnahmen von den Instanzen der Europäischen Union getroffen werden, die dann wiederum Auswirkungen in Österreich haben können; der Rechnungshof sagt nicht: haben werden, aber zumindest haben können.

All dies sind Unwägbarkeiten, die den Rechnungshof dazu bewogen haben, sich in der gegenwärtigen Situation und zum Zeitpunkt der Diskussion über diesen Bericht einer endgültigen Beurteilung, was den Verkauf der HTM anlangt, zu enthalten. Sehr wohl hat der Rechnungshof allerdings dort Kritik geübt, wo er vermeint hat, daß im Zuge des Verkaufes, der Verkaufsgespräche, der Verkaufsverhandlungen, der gescheiterten Sanierungsbemühungen Maßnahmen gesetzt worden sind, die seiner Ansicht nach nicht richtig waren und die es zu bemängeln galt. – Soviel, Herr Abgeordneter, zu Ihren Fragen.

Ganz generell darf ich, was die Behandlung des Tätigkeitsberichtes des Jahres 1996 hier im Plenum anlangt, sagen, daß ich mit großem Wohlgefallen vernommen habe, daß von allen Fraktionen dem Rechnungshof und vor allem seinen Bediensteten Dank dafür ausgesprochen wurde, daß dieser Bericht in dieser Form zustande gekommen ist und daß dieser Bericht auch in dieser Form abgehandelt wurde. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Ich habe auch mit Genugtuung registriert, daß im Zuge der Diskussion zum Ausdruck gebracht wurde, man möge den Rechnungshof nicht mit neuen, wesensfremden Aufgaben überfrachten, sondern man möge ihn seine eigentliche Tätigkeit mit den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen ausüben lassen. Und diese eigentliche Tätigkeit ist nun einmal die Prüfungstätigkeit: die Prüfungstätigkeit, die der Rechnungshof nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck betrachtet; die Prüfungstätigkeit, die er im Interesse der Verbesserung der öffentlichen Verwaltung beziehungsweise im verstaatlichten Unternehmensbereich zur Verbesserung der Unternehmensführung ausübt.

Es ist auch angeklungen, daß eine solche Prüfung für sich gesehen eine Prosektur an einer Leiche darstelle. Ich möchte allerdings ergänzen, damit soll es nicht sein Bewenden haben, sondern es sollen aus den Erkenntnissen, die dabei gewonnen werden, Zukunftsaspekte abgeleitet werden, die dann der öffentlichen Verwaltung und den Unternehmungen mit einer zukunftsorientierten Komponente zugute kommen sollen.

Wesentlich ist – und auch dies klang in der Diskussion sehr deutlich an –, daß es gilt, die Empfehlungen des Rechnungshofes umzusetzen, und zwar, wenn es geht, möglichst rasch umzusetzen. Wir haben in den vergangenen Jahren erreicht, daß eine ganze Reihe von Empfehlungen umgesetzt werden konnte, und es gab dabei auch regelmäßig Einsparungen. Es konnten nicht alle unsere Empfehlungen umgesetzt werden. Dessen ungeachtet listen wir sie immer wieder auf und sind bemüht, daß sie umgesetzt werden. Und wenn es Widerstände auf der einen oder anderen Seite geben mag, so ist all jenen Skeptikern und Zweiflern entgegenzuhalten, daß durch die Empfehlungen des Rechnungshofes viele Einsparungen erzielt werden konnten und daß noch niemand, der solchen Empfehlungen gefolgt ist, auch nur die Behauptung aufgestellt hätte, daß eine Empfehlung zum Nachteil der geprüften Stelle gewesen wäre.


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Auf der anderen Seite konnte aber der Beweis, daß, wenn man unseren Empfehlungen nicht folgt, ein kostengünstigeres Ergebnis zu erzielen ist, uns gegenüber jedenfalls nicht erbracht werden.

Die Verdienste, die im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbericht des Jahres 1996 zu verzeichnen sind, gebühren – ich habe es bereits erwähnt – den Beamten des Rechnungshofes. Es freut mich daher, daß in der Diskussion auch klar zum Ausdruck gebracht wurde, daß man den Beamten des Rechnungshofes nicht nur für ihre Tätigkeit dankt, sondern daß man darüber hinaus ihre Tätigkeit in der Weise respektiert, daß es gilt, ihr Berufsbeamtentum zu erhalten. Ich meine, man sollte noch etwas daran knüpfen: Man sollte daran auch den Wunsch der Bediensteten des Rechnungshofes knüpfen, ein neues, eigenständiges, modernes und leistungsgerechtes Dienst- und Besoldungsrecht zu erhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn die vielen Bekenntnisse, die heute zum Rechnungshof abgelegt wurden, nicht nur Lippenbekenntnisse sein sollen, dann gilt es auch, diese Bekenntnisse den Bediensteten des Rechnungshofes in klarer, eindeutiger Form, in Gesetzesform zu demonstrieren, um damit die Wertschätzung, die man gegenüber den Bediensteten des Rechnungshofes hegt, zum Ausdruck zu bringen. Ich meine, die vielen eingesparten Millionen, die sich allein aus diesem Tätigkeitsbericht des Jahres 1996 ergeben, sollten die Forderungen der Bediensteten des Rechnungshofes rechtfertigen können. (Beifall bei den Grünen.) Damit könnte man auch unter Beweis stellen, daß jeder Schilling, der den Bediensteten des Rechnungshofes zugute kommt, ein gut angelegter Schilling ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Präsident.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

13.32

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Präsident des Rechnungshofes hat sich soeben im Zusammenhang mit den öffentlich Bediensteten seines Hauses für ein modernes Dienst- und Besoldungsrecht ausgesprochen. Wir von den Grünen unterstützen diese Forderung nach einem modernen Dienst- und Besoldungsrechts sehr gerne. Das scheint aber irgendwie indirekt darauf hinzuweisen, daß auch der Präsident des Rechnungshofes der Meinung ist, daß das Dienst- und Besoldungsrecht, so wie es sich heute darstellt, seine Schwächen und Schwerfälligkeiten hat. Die scheint es aber in der Vergangenheit nicht in allen Fällen gehabt zu haben.

Wenn ich mir eine weitere Anregung aus dem vorliegenden Tätigkeitsbericht über das Jahr 1996 in bezug auf die unerledigten Anregungen aus den Vorjahren anschaue, so heißt es im Zusammenhang mit dem Bericht über das Außenamt auf der Seite 51 des vorliegenden Rechnungshofberichtes, daß die Erlassung einer Verordnung der Bundesregierung über die Besoldung der im Ausland verwendeten Beamten angeregt wird. Der Rechnungshof stellt in diesem Zusammenhang fest, daß das notwendige Einvernehmen zwischen Außenministerium und Finanzministerium nicht erzielt werden konnte. Es wird ferner auch bekrittelt, daß die Wohnungsvergütungen für die Leiter von Vertretungsbehörden im Ausland unzureichend geregelt sind.

Meine Damen und Herren! Es gibt also eine lange Liste von Anregungen des Rechnungshofes in diesem Bericht, und es stellt sich die Frage, wie das in konkreten Einzelfällen aussieht. Da stellen wir fest, daß es eine Reihe von ungeklärten Umständen im Zusammenhang mit dem Präsidentschaftswahlkampf des Kandidaten Dr. Klestil gibt.

Meine Damen und Herren! Es ist dies auch Gegenstand von Anfragen und wird in diesem Rechnungshofbericht einmal mehr erwähnt, und ich gehe davon aus, daß auch der Präsident des Rechnungshofes noch etwas dazu zu sagen hat. Ich hoffe doch, daß er da nicht einem


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Druck von seiten der ÖVP ausgesetzt ist. (Abg. Dr. Lukesch: Aber nein, Frau Petrovic!) Das würde mich sehr freuen!

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit medialen Ausführungen über Herrn Dr. Waldner, der als Person von mir in keiner Weise kritisiert wird, hieß es, er sei für diesen Wahlkampf des Bundespräsidentschaftskandidaten Dr. Klestil karenziert worden. Herr Dr. Waldner hat seinen Rechtsanwalt beauftragt und eine Zeitung geklagt, mit dem Hinweis, er sei gar nicht karenziert worden, sondern es handle sich um eine Personalleihe.

Meiner Meinung nach ist das rechtlich nicht gedeckt. Der Stellenplan, der Dienstpostenplan des Bundes wird von diesem Haus, vom Parlament, mit dem Budget, mit dem Fahrzeugplan, als Gesetz verabschiedet. Es bedürfen daher jegliche Ausnahmen davon einer gesetzlichen Ermächtigung, und die gesetzlichen Ermächtigungen sind in dem von Herrn Präsidenten Fiedler offenbar als nicht mehr ganz modern eingeschätzten Beamten-Dienstrecht taxativ aufgezählt. Das sind eben die Karenzierungen, das ist der unbezahlte Sonderurlaub aus persönlichen oder familiären Gründen, das ist die Dienstzuteilung oder die Außerdienststellung, wenn ein Beamter, eine Beamtin selbst als Kandidatin in einen Wahlkampf geht. – Das alles trifft hier nicht zu.

Ich frage mich und ich frage den Präsidenten des Rechnungshofes: Welche Rechtsgrundlage hat diese so bezeichnete Personalleihe? Und wenn es eine Leihe ist, wenn es ein Geschäft ist, wenn das überhaupt rechtlich möglich ist, so ein Geschäft abzuschließen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes – was ich bestreite und in Abrede stelle, denn sonst bräuchten wir das ganze Personalrecht nicht –, dann frage ich Sie: Wo liegt der Nutzen für die Republik Österreich? Müßte es da nicht zumindest so sein, daß die Republik Österreich und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler keinen Schaden aus der ganzen Angelegenheit haben?

Und wenn ich dann höre, es seien im Wahlkampf 1992 lediglich die direkten Personalkosten von der ÖVP getragen worden – jetzt sollen sie von der Industriellenvereinigung getragen werden –, dann muß ich schon fragen: Was ist mit den Sozialabgaben? Was ist mit den Lohnnebenkosten? Was ist mit einer Verzinsung? Was ist mit den Wohnungskosten? (Beifall bei den Grünen.)

Das ist ein "schönes" Geschäft für die Republik Österreich, wo der eine, nämlich die ÖVP und der schwarz-blaue Kandidat Klestil, alle Vorteile aus diesem Geschäft schöpft und alle Nachteile zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ausgehen. Das sind keine vollen Kosten, meine Damen und Herren! Und warum soll die öffentliche Hand, warum sollen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für einen von mehreren Kandidatinnen und Kandidaten einen Teil der Wahlkampfkosten zahlen? Nach welcher gesetzlichen Anordnung ist denn das gedeckt, meine Damen und Herren? Das ist rechtswidrig! (Beifall bei den Grünen.)

Unserer bescheidenen Schätzung nach handelt es sich zumindest – Daten werden uns ja nicht offengelegt – um eine Viertelmillion Schilling (Abg. Dr. Schwimmer: Wer zahlt die Polizei in Sachen Dr. Wabl?) , und ich meine, Sie hätten großen Handlungsbedarf, dieses Geld zurückzuzahlen, und zwar schleunigst!

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. Dr. Petrovic, Wabl, Freunde und Freundinnen betreffend staatliche Finanzierung des Wahlkampfbüros des Bundespräsidentschaftskandidaten Dr. Klestil

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten wird

1. aufgefordert, der ÖVP die im Jahre 1992 angelaufenen, noch nicht refundierten Gesamtkosten für Dr. Waldner nachträglich in Rechnung zu stellen;


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2. im Zuge der – noch nicht erfolgten – Refundierung der Wahlkampfkosten 1998 sind von vornherein die gesamten dem Bund entstandenen Kosten (inklusive der gesamten Kosten der Dienstwohnung und einer angemessenen Verzinsung) der Industriellenvereinigung in Rechnung zu stellen.

*****

Meine Damen und Herren! Wenn das Beispiel Schule macht, wenn es so ist, daß das Beamtendienstrecht etwas völlig Unverbindliches ist, wenn man jenseits der Institute des Beamtendienstrechts wie Karenzierung, zu genehmigender Sonderurlaub neue Institute schafft, wenn es so leicht ist, öffentlich Bedienstete zu – unter Anführungszeichen – "verleihen", dann frage ich Sie schon: Was sollen denn dann die öffentlichen Forderungen gerade der ÖVP nach Privatisierung, nach Ausgliederung, weil das Beamtendienstrecht so schwerfällig sei? Das haben Sie bei vielen öffentlichen Einrichtungen immer wieder argumentiert: Wir müssen sie ausgliedern, denn das Beamtendienstrecht ist so unflexibel – wir werden gleich dann im Rahmen der Kulturdebatte auch eine Debatte dazu durchführen –, aber bei Herrn Dr. Waldner, beim Präsidentschaftskandidaten Dr. Klestil hat das österreichische Beamtendienstrecht auf einmal eine ganz merkwürdige außergesetzliche Flexibilität entwickelt. Da geht das ganz leicht. Das war ja quasi eine Leihe zu Sondertarifen unter Freunden, ein Sonderangebot vom schwarzen Außenamt an den schwarz-blauen Kandidaten Dr. Klestil – jenseits der gesetzlichen Deckungen.

Und ich frage Sie schon, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, wie Sie mit diesem Umstand umgehen, nämlich gerade bei einem Kandidaten, der schon einmal mit dem Motto angetreten ist: "Macht braucht Kontrolle". Dieses Haus kontrolliert die Vollziehung, und ich möchte nicht hören, wie Abgeordnete der ÖVP argumentieren würden, wenn von irgendeinem sozialdemokratischen Ressortleiter oder einer Ressortleiterin einfach so Personal verliehen würde mit dem Argument: Vielleicht haben sie eh zuwenig zu tun, dann können sie auch als Wahlkampfleiter fungieren.

Meine Damen und Herren! Vielleicht sind sogar noch mehr Nebenkosten angefallen. Denn entweder ist das Kulturinstitut in New York personell überreichlich dotiert – dann stellt sich die Frage, ob der Stellenplan in dieser Form aufrechtzuerhalten ist –, oder der Stellenplan betreffend das Kulturinstitut in New York ist richtig bemessen – dann frage ich aber: Wer hat die Arbeit von Herrn Dr. Waldner gemacht, als er monatelang als Wahlkampfhelfer für Dr. Klestil im Einsatz war und jetzt als Wahlkampfleiter im Einsatz ist? Dann muß ja die vorhandene und zu erledigende Arbeit auf die verbleibenden Bediensteten aufgeteilt werden. Meine Frage an dieses Haus: Wer zahlt denn diese Überstunden? Wer zahlt denn die Mehrleistungsabgeltungen?

Dann lese ich im Bericht des Rechnungshofes, daß es offenbar auch Vergütungen für Hauspersonal in derartigen Auslandsvertretungen gibt. Wer hat denn das gezahlt in der Zeit, als diese Wohnung entweder leerstand oder anderweitig oder nicht genutzt wurde? Hat das die ÖVP gezahlt? Hat das die Industriellenvereinigung gezahlt? Oder haben das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlt?

Meine Damen und Herren! Wenn Sie hier und heute nicht die Bereitschaft haben, diese Angelegenheit lückenlos aufzuklären und die Schäden, die Sie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zugefügt haben, wiedergutzumachen, dann soll der Herr Kandidat Dr. Klestil nie wieder irgendein Wort von Kontrolle der Macht in den Mund nehmen (Abg. Dr. Maitz: Die Märchenstunde geht zu Ende!), dann soll er auch nicht medial erklären, daß er niemandem etwas schuldig ist. Er ist etwas schuldig: Er ist Aufklärung und er ist Geld schuldig! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

13.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.45

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Mein Thema ist vielleicht nicht ganz so öffentlichkeitswirksam, aber, wie ich meine, nicht minder wichtig, nämlich die Teilrechtsfähigkeit der Universitäten.

Der Rechnungshof hat in seinem Bericht 16 Universitätseinrichtungen, die die Möglichkeit der Teilrechtsfähigkeit zunehmend – wie er meinte – genutzt haben, geprüft. Von zirka 1 000 teilrechtsfähigen Universitätseinrichtungen haben laut Hochschulbericht des Jahres 1996 im Jahr 1994 707 Einheiten Rechnungsabschlüsse über Teilrechtsgeschäfte gelegt. Jüngere Zahlen gibt es für den Hochschulbericht 1996 nicht, was durchaus auch als Indiz dafür gewertet werden kann, was der Rechnungshof in seinem Bericht kritisiert, nämlich die Schwächen des Rechnungswesens bei diesen Teilrechtsgeschäften.

Wenn Herr Abgeordneter Lukesch meint, daß die Wissenschafter keine Buchhalter seien, so ist mir das ein bißchen zuwenig, denn es geht schlußendlich um eine Milliarde Schilling, die im Jahr 1994 – auf der Basis ist das berechnet – lukriert wurde. Diese Milliarde erscheint allerdings nicht mehr so mächtig, wenn man daran denkt, daß das Budget 1994 im Universitätsbereich 19,3 Milliarden betrug; davon sind es lediglich 5 Prozent.

Diese Drittmittelmilliarde verteilt sich auf die Universitäten wie folgt: 32 Prozent lukrierten die Technische Universität Graz und die Technische Universität Wien, 27 Prozent entfallen auf die medizinischen Fakultäten Wien, Graz und Innsbruck, am unteren Ende dieser Skala rangieren die Theologen und die Rechtswissenschafter mit zusammen 0,4 Prozent.

In diesem Zusammenhang stellen Bast und Vodrazka im Anwendungsbuch "Universitäten und Drittmittel" fest, "daß die Liberalität der gesetzlichen Rahmenbedingungen für universitäre Drittmittel-Aktivitäten in umgekehrter Proportionalität zu deren derzeitiger finanzieller Bedeutung steht, insbesondere wenn man die Kooperation mit dem privaten Sektor betrachtet ..." Und weiter heißt es dort: "Der bei weitem überwiegende Teil dieser Drittmittel stammt direkt oder indirekt aus Budgets der öffentlichen Hand, nur ein geringer Teil stammt von Privatpersonen und Wirtschaftsunternehmungen." – Soviel zu der Größenordnung der Drittmittel an Universitäten und dazu, woher die Mittel kommen.

Meine Damen und Herren! Neben der sehr mangelhaften Anwendung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Buchführung, auf die der Rechnungshof immer wieder hinweist, zieht sich durch diesen Rechnungshofbericht auch die Feststellung, daß ein unrichtiges Verständnis der Teilrechtsfähigkeit vorliegt. Dies beginnt bei Vertragsabschlüssen mit Projektpartnern und im Personalbereich, die von Abteilungsleitern und Projektleitern getätigt werden, obwohl nur Institutsvorstände mit dieser Vertretung nach außen befugt sind. Die unrichtige Auffassung geht insofern weiter, als häufig die Meinung vorherrscht, daß die Institutsmitglieder, die diese Förderquellen erschlossen haben, auch ausschließlich über diese lukrierten Mittel verfügen können.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, Beratungszentren an Universitäten einzuführen, die diese Rechnungswesenarbeiten wesentlich effizienter erledigen könnten, und es ist angesichts der Kritik des Rechnungshofes des weiteren die Frage zu diskutieren, ob die Teilrechtsfähigkeit weiterhin auf der Ebene der Institute angesiedelt sein soll oder eher auf Fakultäts- oder Gesamtuniversitätsebene gelegt werden soll.

Ein Problem noch zum Schluß, meine Damen und Herren: Der Rechnungshof zeigt auf, daß es eine unrichtige oder nicht richtige Zuordnung von Projekten, die den FWF, den Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung, und Projekten, die die teilrechtsfähigen Universitätseinrichtungen betreffen, gibt. Dieses Problem sehe ich darin, daß der FWF nur natürliche Personen, das heißt einzelne Wissenschafter, nicht aber juristische Personen, das heißt teilrechtsfähige Institute, fördert. Diese Gelder des Fonds können daher auch nicht in den Rechnungsabschluß dieser Institute hineinkommen, und es können diese Gelder auch nicht


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dazu verwendet werden, für teilrechtsfähige Universitätseinrichtungen Personal zu bestellen und zu bezahlen.

Durch eine Änderung des Forschungsförderungsgesetzes könnte der FWF in die Lage versetzt werden, teilrechtsfähige Universitätseinrichtungen zu fördern und somit auch eine ordnungsgemäße Zuordnung der Projekte und eine klare Zuteilung der damit erwirtschafteten Drittmittel ermöglichen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

13.51

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Dieser Themenwechsel in der Schlußphase war jetzt ein bisserl abrupt, denn Kollegin Petrovic hat eine wichtige Frage in den Raum gestellt, und der nachfolgende Redner ist zur Tagesordnung zurückgekehrt, als ob es überhaupt kein Problem gäbe, das hier zu diskutieren wäre. Es geht nämlich um die Frage, ob es nicht auch von seiten der Regierungsparteien – und ich nehme hier ganz bewußt beide Regierungsparteien in die Pflicht; die ÖVP steht vielleicht in diesem Fall etwas weiter vorne – zumindest aufklärungsbedürftig wäre, was hier auf den Tisch gelegt wurde im Zusammenhang mit der sogenannten Karenzierung des Wahlkampfhelfers von Herrn Dr. Klestil.

Es wurden ganz plausible Argumente in den Raum gestellt, es wurde eine Zahl an nicht geleisteten Refundierungen betreffend die Dienstwohnung des Herrn Dr. Waldner genannt, aber außer durch ein paar beleidigte Zwischenrufe ist man auf die Sache überhaupt nicht eingegangen. Ich meine, das ist dringend untersuchungsbedürftig, denn das öffentliche Dienstrecht ist hier ziemlich stringent. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Auf welcher Seite steht das? Auf welcher Seite steht das im Rechnungshofbericht? – Abg. Wabl: Die FPÖ schweigt hier auch verdächtig!)

Denn – Kollegin Petrovic hat es schon gesagt, ich wiederhole es noch einmal ausdrücklich – entweder ist Herr Dr. Waldner im eigentlichen Sinn des Wortes in New York entbehrlich – oder er ist nicht entbehrlich. Wenn er entbehrlich ist, dann frage ich mich, ob man nicht den Dienstposten zweckmäßigerweise gleich einziehen sollte. Er hat einen Stellvertreter. Vielleicht macht der das ausgezeichnet.

Oder wie verhält es sich zum Beispiel mit diesem Aspekt – das ist eine zusätzliche politische Frage –: Macht es Sinn, exponiert arbeitende Leiter im Ausland aus Wahlkampfgründen überhaupt freizustellen – unter welchem Titel auch immer? Beschädigt man nicht auch die Institution, die er zu vertreten hat, dadurch, daß man ihn von dort abzieht, wenn er dort auf dem richtigen Platz ist, was ich einmal unterstelle? Kann man das tatsächlich verantworten, daß hier eine Vakanz in diesem Ausmaß entsteht? Und wie verhält es sich mit der Refundierung der Aufwendungen?

Das muß man in diesem Fall tatsächlich mit wirtschaftlichen Maßstäben messen, nicht mit irgendwelchen Formalismen alleine, denn daß es sich hier um keinen öffentlichen Bereich handelt, für den Herr Dr. Waldner abgestellt worden ist, das ist mehr als eindeutig. Ich meine, ich räume schon ein, daß der Bundespräsidentschaftskandidat Klestil derzeit außerdem auch amtierender Bundespräsident ist, aber Dr. Waldner ist ja nicht zur Unterstützung des amtierenden Bundespräsidenten in die Heimat gerufen worden, sondern zur Verstärkung der Wahlkampftruppe des Kandidaten Dr. Klestil, der hofft, wieder Bundespräsident zu werden. Und das ist etwas ganz anderes, das ist keine öffentliche Aufgabe. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Daher würde ich mir erwarten, daß man das jetzt nicht einfach totschweigt und auszusitzen versucht, sondern daß man das ernst nimmt, zumal ja – und das ist ja im Rahmen der Rechnungshofdebatte nicht zufällig aufgetaucht – der Rechnungshof genau in diesem Punkt ausständige Erledigungen auf Seite 51 des Berichtes einmahnt. Es ist ja nicht so, daß da nichts


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ist. Lesen Sie es selber nach! Das ist eine offene Forderung, ein offener Anspruch des Rechnungshofes, der nicht eingelöst wird. Daß es sich außerdem mit einer nochmaligen Freistellung derselben Person, die schon der Anlaß für diese Feststellung hier war, verbindet, ist ja nur umso bedauerlicher. Da gibt es eine offene Frage im Rechnungshofbericht, die letztlich aus dem Jahr 1992 fortfolgende datiert, und jetzt schreiben wir das Jahr 1998, die offene Frage ist nicht gelöst, aber es wird dasselbe noch einmal gemacht; nur von anderen Leuten finanziert. – Ich halte das für hochbedenklich.

Daher stelle ich mir in meiner vielleicht naiven, heilen Welt der Bundespräsidentschaftskandidaten folgendes vor: Herr Dr. Klestil wird sich dieser Frage jenseits der formalen Rechtsordnung sicher stellen, denn es wird mit seinem Amtsverständnis wohl nicht in Einklang zu bringen sein, daß er sich von Beamten seines früheren Hauses unterstützen läßt – er war dort immerhin Generalsekretär, und das ist nicht irgend etwas, wie Sie hoffentlich wissen –, und das noch dazu teilweise zu Lasten der Republik Österreich. Also ich kann mir nicht vorstellen, daß das ein Kandidat Klestil auf sich sitzenlassen wird. Er wird sich öffentlich äußern. Sollte er sich dazu öffentlich nicht äußern und das nicht ins rechte Lot rücken, dann wird sein Schweigen eine ganz deutliche Antwort sein. In diesem Fall stimmt er nämlich dann der Kritik zu. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich meine, es ist die Sache dieses Hauses, in bestimmten Fragen dort für Öffentlichkeit zu sorgen, wo die sonstigen Akteure das Problem lieber unter der Decke halten. Ich meine, der Herr Bundespräsident und Kandidat Dr. Klestil wird gut beraten sein, in diesem Fall ausnahmsweise von der von ihm sonst gerne gepflogenen Praxis, Probleme unter der Decke zu halten, Abstand zu nehmen, denn diesmal geht es um sein Wahlkampfteam, unmittelbar um den Wahlkampf. Da sind es dann nicht "nur" ein paar ermordete Kurden, zu denen er auch schweigt. Ich meine, in dem Fall wird er vielleicht bekennen, vielleicht ist er beim Geld sensibler. In der Pensionsfrage hat er uns das ja vorgeführt, da war er auch sehr sensibel. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

13.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wallner. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.57

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Frau Bundesminister! Meine Herren Präsidenten! Meine Damen und Herren! Ich möchte in Hinblick auf den vorliegenden Rechnungshofbericht auf die Themen zurückkommen, die tatsächlich in den Ausschußsitzungen behandelt worden sind, namentlich auf den Bereich Bergbau. Ich möchte aber zunächst zu meinen Vorrednern von der Opposition sagen: Die Themenauswahl trifft in erster Linie die Opposition. Es ist also etwas verwunderlich, wenn Sie jetzt diesen Bereich hier in der Plenardebatte ansprechen. Im übrigen möchte ich als Vertreter der Sozialdemokratie sagen, daß sich unsere Partei in diesen laufenden Präsidentschaftswahlkampf nicht einmischt, da wir keinen Kandidaten aufgestellt haben und auch keinen unterstützen wollen. (Ironische Heiterkeit beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Es dürfte sich hier um ein Match Klestil – Schmidt – Knoll handeln, das uns nicht näher interessiert.

Nun zu den eigentlichen Themen, die auch in der Ausschußsitzung behandelt worden sind, so etwa der Bergbau. Ich möchte festhalten, daß ich etwas verwundert bin, wenn ich hier lese, daß schon Endzahlen für einzelne bedeutende Bergbaubetriebe im Rechnungshofbericht angeführt sind. Das klingt so, als wäre das bereits ein Abgesang für den österreichischen Bergbau, obwohl es Regionen gibt, die ökonomisch und sozial noch immer aufs engste mit den Betrieben verwoben sind.

Ich lehne auch die Forderung des Rechnungshofes ab, daß die Bergbauholding keinen Bestand mehr haben sollte. Ich bin dankbar, daß der Vertreter der ÖIAG, Generaldirektor Becker, im Ausschuß klar festgestellt hat, daß bei einer eventuellen Auflösung die sechs Bediensteten der Holding in die ÖIAG übernommen würden.


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Meine Damen und Herren! Es steht auch kein Wort zur weiteren Entwicklung des Bergbaues nach dem Jahr 2002 in diesem Rechnungshofbericht drinnen, kein Wort davon, daß es auf dem steirischen Erzberg einen Vorrat von 33 Millionen Tonnen Erz gibt, wobei die gegenwärtige Jahresproduktion 1,6 bis 1,8 Millionen Tonnen beträgt. Also es wäre theoretisch ein weiterer Abbau in den nächsten 20 Jahren möglich.

Ich möchte Sie darüber informieren, daß der Bergbau am steirischen Erzberg zurzeit sehr erfolgreich ist. Im Jahr 1997 wurden mehr als 300 Millionen Schilling Umsatz und ein Jahresüberschuß von 3,1 Millionen erzielt; im Vorjahr, also 1996, waren es 5 Millionen Schilling. Es werden laufend Modernisierungen vorgenommen und Investitionen in moderne Technik getätigt. Vor allen Dingen sind in einer sehr strukturschwachen Region 260 Menschen beschäftigt.

Ich betone das deshalb, weil gerade die Stadt Eisenerz, die Region Eisenerz, auch der Bezirk Leoben in der Obersteiermark jener Bezirk ist, der am stärksten von Abwanderung bedroht ist. Laut Prognosen wird damit gerechnet, daß bis zum Jahre 2031 von derzeit mehr als 70 000 Einwohnern im Jahre 2031 nur mehr 50 000 Menschen in dieser Region leben werden. Ich ersuche daher, bei derartigen Prüfungen auch diese Entwicklungen zumindest in Ansätzen zu berücksichtigen.

Ich möchte abschließend den Verantwortlichen der Bergbauholding dafür danken, daß diese in einer eindeutigen Stellungnahme festgehalten haben, daß es auch nach dem Jahre 2000, also nach dem Auslaufen des bisherigen Liefervertrages mit der StahlAG, weiterhin möglich sein wird, in Eisenerz Erzabbau zu betreiben. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

14.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Wabl: Was ist mit der Kontrolle des Rechnungshofes? – Abg. Dr. Petrovic: Was ist mit der Kontrolle?)

14.01

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Im Gegensatz zu den Rednern der liberalen und der grünen Fraktion möchte ich mich mit dem Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes für das Jahr 1996 auseinandersetzen – und von diesem "Ausflug" zum Bundespräsidentenwahlkampf wieder in die nüchterne Realität zurückkehren. (Abg. Dr. Petrovic: Wie war denn das bei der Nationalbank? – Abg. Wabl: Da braucht man keine Kontrolle, wenn es um die "Blauen" geht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Dinge möchte ich im folgenden ansprechen, nämlich den Wiener Hafen und die Wiener Betriebs- und BaugesmbH Wibeba. Der Rechnungshof hat in bezug auf den Wiener Hafen festgestellt beziehungsweise die Empfehlung abgegeben, man möge doch die drei ineinander gesellschaftsrechtlich verschachtelten Gesellschaften, die sich alle mit dem Geschäftszweig des Wiener Hafens beschäftigen, zusammenführen, fusionieren, um beträchtliche Kosteneinsparungen sowie eine effizientere Führung dieser drei Unternehmen zu ermöglichen.

Interessant war, daß die beiden Herren, die als Auskunftspersonen in die Rechnungshofausschußsitzung geladen waren, als Manager der Wiener Hafengesellschaft, nämlich Mag. Edinger und Dr. Stadler, nicht plausibel begründen konnten, warum man der Aufforderung beziehungsweise Empfehlung der Rechnungshofes nicht Folge geleistet hat. Es wurde dazu lediglich lapidar festgestellt, das dies weder notwendig noch zielführend sei, und man hat sich damit auch über ein Erkenntnis des Wiener Kontrollamtes hinweggesetzt, das zur gleichen Auffassung wie der Rechnungshof gelangt ist. Plausibel war diese Vorgangsweise nicht. Man hat damit zum Ausdruck gebracht, daß man ganz einfach nicht will. Der Rechnungshof kann schreiben, was er will: Es interessiert diese Herrschaften nicht.

Ich möchte von dieser Stelle aus an alle Verantwortlichen im Bund und in der Gemeinde Wien appellieren, das Management dazu zu zwingen und aufzufordern, zumindest nachträglich die Empfehlungen des Rechnungshofes ernst zu nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und Abgeordneten der ÖVP.)


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Denn wohin führt ein solches Vorgehen in letzter Konsequenz? – Der Rechnungshof schreibt irgendetwas, und es tangiert in der Folge niemanden mehr, niemand fühlt sich davon betroffen. Das kann es doch wohl nicht sein!

Weiters: Der Rechnungshof hat kritisch vermerkt, daß es bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder im Bereich des Wiener Hafens zu Problemen gekommen ist. Die bisherigen operativen Expansionsbestrebungen seien mangelhaft, dürftig in ihren Resultaten; weiters möge man sich in Zukunft auf das Kerngeschäft beschränken. Auch das ist von meiner Seite aus zu unterstreichen und zu begrüßen.

Es hätte noch eine Menge von Fragen gegeben, die insgesamt unbeantwortet blieben. Doch die wichtigste Frage, deren Beantwortung das Management schuldig geblieben ist, lautet: Wie ist eigentlich die Transaktion im Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaften an die DoKW gelaufen? Dazu hat es überhaupt keine Aussagen gegeben, gewissermaßen nur Schweigen im Walde.

Bezüglich eines weiteren Punktes, nämlich der Wibeba, war das Schweigen noch größer, meine Damen und Herren. Denn als wir im Ausschuß saßen, wollte keine der Auskunftspersonen irgendein Statement dazu abgeben. Jede von ihnen hat sich auf folgenden Standpunkt zurückgezogen: Ja, ich war eigentlich zu dieser Zeit noch nicht im Management der WIBEBA; ich kann zu den gravierenden Anschuldigungen, die der Rechnungshof vorgebracht hat, nichts sagen – solange, bis sich dann langsam der eine oder andere doch zu einer Aussage bereit gefunden hat.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Was seitens des Rechnungshofes in bezug auf die WIBEBA festgestellt wurde, ist Ausdruck eines negativen Sittenbildes, eines Sittenbildes von hemmungsloser Bereicherung und unzulässiger Einflußnahme, von Packelei und Dominanz des Staates über die Privatwirtschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Hemmungslos wurde in die Kassa gegriffen. Das ist ein Beweis für die Verfilzung, die in diesem Staat herrscht, meine Damen und Herren, denn im Grunde genommen bestätigt dieser Prüfungsbericht unsere mehrmals geäußerte Forderung, daß es einen Untersuchungsausschuß zur Überprüfung staatsnaher Banken geben muß. (Abg. Wabl: Warum sagen Sie nichts zum Präsidenten und zur Nationalbank?)

Meine Damen und Herren! Wir haben die Affäre Praschak nicht vergessen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Tochterunternehmen der Bank Austria, und daher wäre es sehr wohl angezeigt, die Sachlage gründlich zu prüfen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist dies eine wirklich unappetitliche Affäre, die bis hin zur versuchten Unterschriftenfälschung geht. Sie haben das ja alles gelesen. Ich meine, meine Damen und Herren, dieses Sittenbild spricht für sich.

Daher ist es aus unserer Sicht verständlich, wenn wir Freiheitlichen dem Rechnungshofbericht nicht zustimmen – aber nicht deshalb, weil wir glauben, daß der Rechnungshof schlecht gearbeitet hätte, sondern weil wir einfach die Zustände, die der Rechnungshof aufdeckt, nicht zur Kenntnis nehmen können und wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

14.06

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich war ursprünglich nicht zu Wort gemeldet, um in dieser Debatte Stellung zu nehmen, aber Kollege Firlinger hat mich sehr dazu motiviert, mich auch zum Tagesordnungspunkt Rechnungshofbericht zu Wort zu melden. Kollege Firlinger hat von der


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Verfilzung, von der Hemmungslosigkeit und von den Zuständen, die der Rechnungshof aufgedeckt hat, gesprochen und auch davon, wie korrupt dieser Staat ist, welche Verflechtungen es gibt. Da, Herr Kollege Firlinger, gebe ich Ihnen wirklich recht: Es gibt Verfilzung, Hemmungslosigkeit und gewissermaßen ein Kopf-in-den-Sand-Stecken. Das gibt es in vielen Bereichen, und die Grünen versuchen immer wieder, den Finger in diese Wunde zu legen, so wie es dankenswerterweise auch eine andere Oppositionspartei im Nationalrat tut, nämlich die Freiheitlichen. Sie, Herr Kollege Firlinger, haben es schon als Liberaler getan, und Sie tun es jetzt auch als Freiheitlicher.

Darum wundert es mich ganz besonders, daß Sie so schweigsam sind, Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, wenn es um Verfilzung, Hemmungslosigkeit und um das Aufdecken von Mißständen geht, um Schaden für die SteuerzahlerInnen im Zusammenhang mit der Kandidatur des blau-schwarzen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Dr. Klestil. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Da sind Sie plötzlich völlig still, sozusagen schmähstad und haben gar nichts zu sagen. Aber, meine Damen und Herren, mich wundert das überhaupt nicht. Ich habe noch die Bilder vor Augen, als Herr Bundespräsident Klestil den Oppositionsführer Dr. Haider empfangen hat, um sich von diesem in einer leidigen Angelegenheit reinwaschen zu lassen, und zwar bezüglich seines Verhaltens in der Causa Kurden-Morde. Das hat sich ja schon längst alles angekündigt – nicht nur angekündigt, sondern es ist bereits sichtbar geworden, wohin sich die Sache entwickelt. Der Kandidat von Haiders Gnaden, die heutige Diskussion und die berechtigten Aussagen, die es auch seitens des Rechnungshofes gibt, zeigen ja ganz deutlich, woher der Wind weht.

Meine Damen und Herren! Nicht daß Sie glauben, daß mich Kollege Firlinger wirklich reizen kann. (Heiterkeit.) Wer mich aber tatsächlich reizt, das sind die Kollegen von der Sozialdemokratie. Der von mir geschätzte Kollege Wallner geht zum Rednerpult und sagt dort: Nein, der Wahlkampf interessiert die SPÖ nicht; wir mischen uns nicht in den Wahlkampf ein. – Lieber Kollege Wallner, du bist Mitglied des Rechnungshofausschusses, im Gegensatz zu mir. Interessiert dich nicht, wo den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern Geld entgeht? Interessiert dich nicht, warum nicht lautstark eingefordert wird, daß Mißstände aufgedeckt werden, sodaß man zumindest Stellung nehmen und sagen kann: Nein, das Geld gehört den Bürgern und Bürgerinnen, und das wollen wir zumindest zurückgeben. Da ist doch nichts dabei! (Beifall bei den Grünen.)

Es kann ja einmal ein Fehler passieren, und es kann doch ein Fehler, der vor Jahren passiert ist, zugegeben werden. Man erkennt ihn und macht dann den Versuch der Wiedergutmachung. Manchmal gelingt es, manchmal gelingt es nicht.

Das, meine lieben Kollegen und Kolleginnen von der SPÖ, ist es, was jetzt Gebot der Stunde ist – nicht, wie Sie sich zum Präsidenten beziehungsweise zum wahlwerbenden Kandidaten Dr. Klestil stellen. Bitte schön, es gibt ja das Wahlgeheimnis in Österreich. Niemand wird Ihr Gewissen erforschen wollen, wie Sie zum Bundespräsidenten stehen. Gar nicht. Mir geht es darum, zu erfahren, was Sie zu diesen Machenschaften sagen. Das, was von Kollegen des Hohen Hauses in die Medien transportiert wurde – und nicht nur von Grünen recherchiert wurde –, riecht ja geradezu nach Amtsmißbrauch, wenn man sich anschaut, wer die Nutznießer sind.

Hier ist von einem Fall die Rede, bei dem es ausschließlich einen Nutznießer beziehungsweise eine Geschädigte gibt: Die Geschädigte ist die Republik Österreich, der Nutznießer ist der wahlwerbende amtierende Bundespräsident Dr. Klestil respektive die ÖVP in der Vergangenheit beziehungsweise die Industriellenvereinigung im Moment. Geschädigt sind die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Darum geht es!

Da kann man sich nicht mit dem lapidaren Satz: Wir mischen uns nicht in den Wahlkampf ein! aus der Affäre ziehen. Da muß auf den Tisch, wie man sich verhält, wenn sich der Koalitions


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partner die Finger schmutzig macht. – Das aber ist eine Nibelungentreue, die ich nicht akzeptieren kann! Und deshalb fordere ich Sie zur Stellungnahme auf. (Beifall bei den Grünen.)

14.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten damit in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihren Platz einzunehmen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-106 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend staatliche Finanzierung des Wahlkampfbüros des Bundespräsidentschaftskandidaten Dr. Klestil.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag beitreten wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

2. Punkt

Bericht  des  Kulturausschusses  über  den  Kulturbericht  1996  der  Bundesregierung (III-110/1082 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (690 der Beilagen): Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern (1104 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

14.13

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! "Der Kulturbericht ist erschienen: Lacht da jemand?", schrieb "Die Presse" im Dezember 1997 und meinte damit den fehlenden Aktualitätsbezug des Erscheinungstermines. Der Kulturbericht wird debattiert: Flüchtet hier jemand?, füge ich hinzu.

Dem aufwendigen Kulturkatalog, den wir in Händen halten, Frau Bundesminister, sind sozusagen die Scheußlichkeiten des Kulturberichtes erspart geblieben; er ist wirklich sehr repräsentativ. Er zeugt von durchaus wohlhabenden Herstellern. Wir sind dankbar, einen so schönen Katalog in Händen zu halten. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Aufwand im Verhältnis zum Ergebnis steht.


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Nichtsdestotrotz: Die darin enthaltenen Berichte und Zahlen sind positiv. Es ist zu respektieren, daß die Besucherfrequenz bei kulturellen Veranstaltungen im Jahre 1996 um 19 Prozent gestiegen ist; das ist erfreulich – auch wenn man weiß, daß zwei Drittel davon auf den großen Besucherandrang bei der Monet-Ausstellung zurückzuführen sind. Aber das tut der Erfreulichkeit insgesamt keinen Abbruch.

Daß das Budget um 1,9 Prozent angehoben wurde, ist zu akzeptieren. Die Frage, ob man dieses Budget aufbessert, indem man etwa auf Totomittel zurückgreift, wie dies von zwei Fraktionen angesprochen wurde, möchte ich als Sportsprecher der Freiheitlichen nur am Rande erwähnen und mich gleichzeitig dagegen aussprechen.

Die mangelnde Aktualität des Kulturkataloges führt dazu, daß im Ausschuß in erster Linie nicht dieser Bericht, sondern die Neukonstruktion der Bundesmuseen zur Debatte stand.

Wissenschaftliche Anstalten mit voller Rechtspersönlichkeit haben Sie uns versprochen, Frau Bundesminister. Der Fonds-Idee, die von einem niederländischen Vertreter durchaus positiv geschildert wurde, wurde nicht nachgegangen. Also: wissenschaftliche Anstalten mit voller Rechtspersönlichkeit. Warum wissenschaftliche Anstalten? – Vielleicht, um den Einwand von GÖD-"Boß" Stegmüller zu entkräften, der befürchtet, daß die Wissenschaftlichkeit künftig zugunsten von "Disneylandisierung", wie er es genannt hat, in den Hintergrund tritt.

Sei’s d’rum: Sie versprechen auch, daß in bestehende Dienstverhältnisse nicht eingegriffen wird. Das mag gut sein. Wie sich das allerdings mit der Vollrechtsfähigkeit vereinbaren läßt, ist eine andere Frage.

Die Sorge von 1 000 Beschäftigten wurde im Zuge der Vorarbeiten für diesen Entwurf nicht berücksichtigt. Das wurde beklagt, und die Skepsis der Direktoren durften wir im Ausschuß hautnah fühlen. Deren Skepsis, insbesondere bezüglich der Verträge – ich nehme nicht an, daß in erster Linie ihre eigenen Verträge oder Sonderverträge gemeint sind –, ist dort eine große Sorge.

Wenn wir von Sonderverträgen im Kulturbereich sprechen, dann fällt mir der geradezu unappetitliche Fall der selbsternannten österreichischen Kulturbotschafterin mit Diplomatenstatus in der Steiermark ein, nämlich Frau Annelie "Hoch-Konrad" – pardon, das ist ein Freudscher Versprecher, Hochkofler heißt die Dame. Aber bleiben wir vielleicht bei der passenderen Benennung "Hoch-Konrad"; die Botschafterin möge mir das verzeihen.

Wenn man jedenfalls deren Sonderverträge näher unter die Lupe nimmt und ins Kalkül zieht, daß auch die Erhaltung von Sonderverträgen bei den Direktoren der Bundesmuseen eine gewisse Rolle spielt, dann, so fürchte ich, wird die Umsetzung Ihres Willens nicht ganz unkompliziert erfolgen.

Wenn man fragt, warum ausgegliedert, warum eine neue Organisationsform geschaffen werden soll, erhält man folgende Antwort von Ihnen: Es handelt sich weder um Sparmaßnahmen noch um Privatisierung oder gewissermaßen um eine Kindesweglegung. – Wir Freiheitlichen hätten Sparmaßnahmen natürlich sehr wohl verstanden, wir würden auch die Privatisierung sehr wohl verstehen, und Sie hätten unsere Unterstützung, aber: Das ist ja nicht der Fall!

Was ist es dann, fragt man sich? – Vielleicht gibt ein Kommentar des Herrn Kollegen Cap in einem "Presse"-Interview, das dieser im Dezember vergangenen Jahres mit Hans Haider geführt hat, Auskunft. Dort wurde er gefragt, warum er bei Herrn Josef Kirchberger, dem stellvertretenden Bundestheater-Generalsekretär, der auch in leitender Funktion im SPÖ-Parteikulturverein tätig ist, eine Studie über eine Reform der Bundesmuseen in Auftrag gegeben habe, die nunmehr fertig sei. – Dazu nahm Kollege Cap folgendermaßen Stellung: Das Durcheinander, das fehlende Selbstverständnis, die Ausstellungsstrategien seien nicht in Ordnung. Es fehle ihm ein Plan, der alles ordnet.

Ja, Planwirtschaft, Herr Dr. Cap, Vierjahresplan. Wie das zu Teilautonomie und zur Vollrechtsfähigkeit paßt, sollten Sie uns schon erklären. Ein gewisses Licht geht uns in diesem


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Zusammenhang schon auf. Es hat die ÖVP, es hat Frau Bundesminister Gehrer – offensichtlich über einen Auftrag seitens der Sozialisten und einer uns nicht zugänglichen Studie – gehandelt und wieder einmal eine Form von Scheinprivatisierung in die Wege geleitet, wie wir sie aus dieser Richtung ja gewohnt sind. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Horak. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

14.20

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Präsident! Ich heiße noch nicht "Horak". Möglicherweise wird das der Fall sein, wenn die Freiheitlichen an die Regierung kommen. Aber im Augenblick es noch nicht soweit.

Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Das von meinem Vorredner erwähnte Erscheinungsdatum wurde auch im Kulturausschuß thematisiert. Ich muß sagen, daß dies natürlich ein Problem darstellt, und zwar ein Problem des Kulturberichtes und natürlich auch des Kunstberichtes. Für das Parlament wäre – sagen wir es einmal so – die Vorstellung verlockender, diese Berichte etwas früher zu erhalten. Die Daten liegen Ende Jänner vor. Ich könnte mir vorstellen, daß wir, wenn wir da etwas Druck machten, das alles früher bekommen könnten.

Die Zahlen wurden teilweise schon erwähnt. Der vorliegende Kulturbericht zeigt in durchaus nachvollziehbarer und optisch beeindruckender Weise für mich grundsätzlich – auch wenn mein Vorredner das anders sieht – die Erfolge, die den Museen aus der Teilrechtsfähigkeit erwachsen sind: Es gibt mehr Spielraum und mehr Eigeninitiative. Die Leute trauen sich mehr, und irgendwie wird dadurch das persönliche Ingenium zum Geschäft angeregt. Das ist Teilrechtsfähigkeit in diesem Zusammenhang und natürlich auch als Probegalopp für eine Vollrechtsfähigkeit zu sehen.

Erfreulich sind weiters die Steigerungen der Einnahmen, das haben wir alles schon gehört. Erwähnenswert wäre dabei auch noch, daß natürlich erst die Einkünfte, die aus der Teilrechtsfähigkeit kommen, den Museen einige Ausstellungen – und zwar wesentliche Ausstellungen – möglich gemacht haben, die ohne Teilrechtsfähigkeit nicht möglich gewesen wären.

Der einzig logische Schritt – das habe ich bereits gesagt – wäre die Vollrechtsfähigkeit. Wie wir im Kulturhearing gehört haben, gibt es diesbezüglich große Übereinstimmung. Mein Vorredner hat von einer Ablehnung der in Diskussion stehenden Vorschläge gehört, diese sogar hautnah gespürt. – Ich weiß nicht, wo er hautnah war, ich habe es anders erlebt. Ich habe durchaus Zustimmung bei den Direktoren erfahren. Eine einzige Ausnahme stellt dabei der Vertreter des Naturhistorischen Museums dar, der den jetzigen Zustand gerne so weitergehabt hätte.

Wichtig scheinen mir im Zusammenhang mit dieser Ausgliederung die unterschiedlichen Identitäten dieser Museen zu sein, die auf teilweise jahrhundertealten Sammlungsbeständen basieren. Sie unterscheiden sich natürlich auch sehr wesentlich von der Zielrichtung und der Zieldefinition. Natürlich werden der Reichtum der Ideenfindung der einzelnen Museumsdirektoren, der Kustoden, die Forschungsergebnisse und die Sammeltätigkeit, die durch die Belegschaft vorgenommen wird, diese einzelnen Identitäten tragen und in Ausstellungen und wissenschaftlichen Arbeiten dokumentiert.

Der im Kulturausschuß dokumentierte Gesetzentwurf leitet meiner Meinung nach sein Spezifikum genau daraus ab. Das Endziel ist die Selbstverwaltung, Befreiung von der staatlichen Kameralistik und – man sollte es auch hier sagen – ein mehrjähriges Budget für solche Einrichtungen, was in Wien bereits gelungen ist. Es wäre doch gelacht, wenn das beim Bund nicht auch zu schaffen wäre. Das betrifft natürlich nicht nur die Theater, sondern auch die Bundesmuseen. Ich meine, ein Bekenntnis zu einem mehrjährigen Arbeits- und Budgetprogramm für Veranstalter in diesem Bereich, in dem die Verträge weit über ein oder zwei Jahre hinausgehen, sollte auf die Beine gestellt werden und auch für die budgetäre Sicherheit dieser Institutionen sorgen.


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Richtig ist, daß es bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes nicht um Einsparungen gegangen ist. Es ging natürlich um größere Effizienz und auch um größere Handlungsspielräume.

In diesem Zusammenhang verweise ich noch auf das angekündigte Evaluierungsprogramm für die Bundesmuseen, das im wissenschaftlichen Bereich demnächst erstellt werden soll. Ich meine, man sollte der Frau Minister hier durchaus Mut machen und sagen, daß dies ruhig auch in anderen Bereichen fortgesetzt werden könnte, einerseits um Diskussionsstoff für das Parlament zu haben und andererseits auch Handlungsabläufe und Ergebnisse ablesen zu können.

Der Weg, den die Bundesmuseen beschreiten, hat seine Bestätigung auch in einem europaweit atypischen Besucherzuwachs gefunden. Ich erwähne in diesem Zusammenhang das MAK, die Österreichische Galerie – das wurde schon gesagt – mit der Monet-Ausstellung, aber auch das Naturhistorische Museum und das Völkerkundemuseum.

Der vorliegende Bericht zeigt auch, daß die Museen den neuen Entwicklungen im elektronischen Bereich Rechnung tragen. Ihre Darstellung im Internet finde ich ganz gut. Ich hätte im Bericht gerne mehr Publikumsresonanz über das Internet vorgefunden. Ich nehme an, dies wird im nächsten Bericht möglicherweise berücksichtigt werden.

Hervorzuheben ist die Albertina, die am Förderungsprogramm der Generaldirektion XIII, Industrie der EU zur Entwicklung neuer Software, teilnimmt, um Bestände digital aufzuarbeiten. Ebenso zu erwähnen ist die Österreichische Nationalbibliothek. Ich erinnere hier an die digitale Bibliothek, die gerade angelegt wird, um den BenützerInnen ein möglichst umfassendes Bibliotheksprogramm zu bieten.

Erwähnt soll allerdings auch – ich meine, das wäre eine Aufgabe für den Kulturausschuß – eine entsprechende Regelung werden. Diese gab es im Mediengesetz 1981 aus logischen Gründen – es gab damals noch keine Medien im elektronischen Bereich – noch nicht. Wenn die Nationalbibliothek das Gedächtnis der Nation sein soll, so ist gesetzlich zu veranlassen, daß es eine Möglichkeit über die freiwillige Abgabe der Belegexemplare hinaus gibt. Ich bin der Ansicht, in diesem Bereich gäbe es Handlungsbedarf und nicht nur Anlaß zur Freude für den zuständigen Direktor Marte über solch eine Gesetzesänderung.

100 Millionen Schilling mehr im Bereich Denkmalschutz sind eine Wiedergutmachung für die Kürzungen der letzten Jahre, die es gerade in einem sehr wesentlichen Bereich, nämlich dem des Denkmalschutzes, gegeben hat. Hier wäre noch auf die Beteiligung Österreichs am Förderprogramm für kulturelles Erbe der EU aufmerksam zu machen, die im Pilotprojekt zum Aktionsprogramm "Raphael" mit acht unterschiedlich regional verteilten Projekten stattfindet. Ein unerläßliches Ziel und eine wesentliche Aufgabe des neuen Präsidenten des Denkmalamtes wird es sein, diese Institution in die Teilrechtsfähigkeit zu führen. Ich kündige ihm jetzt schon dafür Gespräche von meiner Seite an. Ich hoffe, auch Kollege Cap wird an diesen teilnehmen, damit wir hier möglicherweise zu einem gemeinsamen Konsens kommen und das in irgendeiner Form vorantreiben können.

Unerläßlich scheint mir zu sein – speziell weil durch den Denkmalschutz eine Einschränkung der Eigentumsrechte stattfindet, und ein jeder, der ein altes Haus besitzt, weiß, was ihm da aufgebürdet wird und was er sich auch selber aufbürdet –, daß eine steuerliche Neubewertung diskutiert wird, und zwar ernsthaft. Auch das wäre eine Aufgabe für den Kulturausschuß. Man sollte sich wirklich einmal mit den Damen und Herren vom Finanzministerium zusammensetzen, um dieses Thema abzuhandeln. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Umsetzung der EU-Richtlinien noch ein paar Worte: Die Richtlinie 93/7/EWG sollte dahin gehend wirksam werden, daß Kulturgut, das widerrechtlich von einem EU-Staat in einen anderen ausgeführt wurde, wieder zurückgebracht werden muß. Voraussetzung dafür ist, daß es sich um Kulturgut handelt, das unter einer im Anhang des Gesetzes geführten Liste als nationales Kulturgut – das entspricht in Österreich dem öffentlichen Interesse – zu finden ist. Es handelt sich dabei um keine Handelsbeschränkung. Vielmehr wurde der widerrechtliche Akt gesetzt, bevor das EU-Recht gegriffen hat. Die EU-Richtlinie – und das sei noch dazu gesagt –


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stammt aus dem Jahre 1993. Sie wurde mit dem Beitritt Österreichs zur EU am 1. Jänner 1995, aber eigentlich mit dem Beitritt Österreichs zum EWR am 1. Jänner 1994 Teil der österreichischen Rechtsordnung.

Es wurde öfters erwähnt, daß andere Staaten damit zögern, unter anderem auch Luxemburg. Luxemburg hat die Richtlinien allerdings bereits genehmigt. Italien wird sie demnächst genehmigen, und Deutschland – ich habe hier die Klage der EU vorliegen – wird sie ebenfalls ändern. Die Standpunkte, die Deutschland dabei vertritt – unter anderem durch den Wahlkampf bedingt –, werden dort wahrscheinlich keinen "kratzen". Deswegen bitte ich Sie um Ihr Einverständnis zu diesem Gesetz. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Heindl. )

14.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

14.30

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Anlaß für die heutige Debatte rund um die Bundesmuseen ist der Kulturbericht 1996, der am 18. Februar, wie bereits von meinen Vorrednern erwähnt wurde, im Kulturausschuß behandelt wurde. Diese Ausschußsitzung bot auch den Rahmen für ein großangelegtes Expertenhearing mit dem Thema "Zur Lage der Bundesmuseen". (Abg. Dr. Khol: Wo ist die Vorsitzende des Kulturausschusses?) Herr Klubobmann Khol! Ich war auch bei dieser Ausschußsitzung anwesend. Es steht uns, wie ich meine, frei, zu entscheiden, wer hier ans Rednerpult tritt. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Wo ist die Vorsitzende?)

Nochmals zu diesem Expertenhearing "Zur Lage der Bundesmuseen". Ich halte es für sehr wichtig, auch heute aus unserer Sicht näher darauf einzugehen. Im Rahmen dieses Hearings wurde der erste Entwurf des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten äußerst kontroversiell diskutiert. Die meisten der geladenen Museumsdirektoren zeigten sich zwar mit der grundsätzlichen Richtung, die der Entwurf vorgibt, einverstanden, allerdings stellten sich viele wichtige Detailfragen, die nicht beantwortet werden konnten.

Herr Kollege Morak! Sie haben davon gesprochen, daß alle einverstanden waren. Dem muß ich entgegenhalten, ich habe diesen Eindruck nicht gewonnen. (Abg. Dr. Leiner: Ich schon!) Zumindest in der zweiten Wortmeldung der Direktoren hat ja nur noch einer für alle gesprochen. Ich saß ja auch dabei und habe auch ein gewisses Murren von einigen gehört, die nicht mit allem einverstanden waren. Bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis! (Abg. Dr. Brinek: Was waren die offenen Fragen?) Es gab sehr viele Detailfragen, ich werde sie Ihnen jetzt nennen.

Auch die Frau Ministerin hat nach mehrmaligem Nachfragen der Ausschußvorsitzenden betont, daß die Anregungen aus dem Kulturausschuß auf alle Fälle in den zweiten Entwurf einfließen werden müssen. (Abg. Dr. Leiner: Spricht für sie!) Also ganz klar war es nicht, wenn sogar die Frau Ministerin sagt, daß sie sich darüber Gedanken macht. Ich habe immer noch die berechtigte Hoffnung, Frau Ministerin, daß Sie das auch tun werden. (Abg. Dr. Puttinger: Ist positiv!) Warum sind Sie so nervös? – Ich weiß schon, warum. Ich werde es Ihnen auch noch sagen.

Als besonders wichtig erachte ich die Kritik des holländischen Museumsexperten, der als Managementdirektor im Van Gogh Museum in Amsterdam arbeitet – und das ist schon ein Punkt, bei dem Sie sicher sehr sensibel reagieren werden. Er meinte in seinem Statement unter anderem, daß in den Niederlanden – ich zitiere – die Möglichkeit einer öffentlichen Rechtsperson für die Museen ausgeschlossen wurde, da in diesem Fall die Verantwortung für die Betriebsführung weiterhin völlig bei dem Minister läge, was ja gerade nicht beabsichtigt wurde. – Zitatende.

Aus diesem Grund wählte man in Holland das Stiftungsmodell, wobei er betonte – und da gebe ich allen Zweiflern noch recht –, daß das holländische Stiftungsmodell nicht direkt mit den Möglichkeiten, die das österreichische Privatstiftungsmodell bietet, vergleichbar sei. (Abg.


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hacker: Wo sind da die Unterschiede?) Wären Sie in den Ausschuß gekommen, hätten Sie es gehört. Es wurde dort diskutiert. Es würde jetzt meine Redezeit sprengen, müßte ich Ihnen all das erklären.

Meine Damen und Herren! Weil die beabsichtigte Erlangung der Vollrechtsfähigkeit beziehungsweise die Ausgliederung der Bundesmuseen einen Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte der österreichischen Bundesmuseen bedeuten, ist es unserer Meinung nach besonders wichtig, sich international erfolgreiche Modelle, wie eben das holländische, genau anzusehen.

Nach sechsjähriger öffentlicher Diskussion hat man in den Niederlanden eine Stiftungsform mit Aufsichtsrat gewählt, dessen Befugnisse mit jenen des Aufsichtsrates einer AG vergleichbar sind. Der Direktor ist in der holländischen Konstruktion der Vorstand des Aufsichtsrates und somit für die Geschäftsführung der Stiftung verantwortlich. Er vertritt diese gerichtlich und außergerichtlich. Der Aufsichtsrat ernennt und entläßt den Direktor. Mit dem Aufsichtsrat hat das Museum seinen eigenen Vorgesetzten, der nur die Interessen des Museums vertritt, während nach der vorangegangenen Regelung der Minister die Interessen aller kulturellen Einrichtungen berücksichtigen mußte, wie es eben in Österreich noch der Fall ist. Dieser Weg ist nicht zielführend. Das haben wir ja gesehen und wollen deshalb etwas Neues.

Der Aufsichtsrat ist ein Organ des Museums. In der Satzung der Stiftung ist bestimmt, daß sich der Aufsichtsrat bei der Erfüllung seiner Aufgabe nach den Interessen der Stiftung und nicht nach den Interessen des Ministers zu richten hat. Um dieser Bestimmung Nachdruck zu verleihen, ist außerdem festgelegt, daß Beamte, für die der Minister politisch verantwortlich ist, nicht in den Aufsichtsrat berufen werden können.

Weiters: Um die ministerielle Verantwortung zu garantieren, hat der holländische Staat einige Befugnisse in den Satzungen der Stiftung festgelegt. Erstens bedürfen Satzungsänderungen, insbesondere solche über Zielsetzung und Verwaltungsstruktur, der Genehmigung des Ministers. Zweitens werden die Mitglieder des Aufsichtsrats vom Minister eingesetzt und abberufen. Drittens muß der Minister bei der Ernennung und Abberufung des Direktors gehört werden. Viertens bedarf die Auflösung der Stiftung der Genehmigung des Ministers. – Das sind meines Erachtens genug Möglichkeiten, um sich als erstes politisches Organ einzubringen. (Abg. Dr. Puttinger: Ist das der österreichische Weg?)

Meine Damen und Herren! Der erste große Unterschied zwischen dem holländischen Modell und dem Entwurf des Ministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten ist folgender: Während es in den Niederlanden zu einer tatsächlichen Ausgliederung kam, will man hier nur die Erlangung der Vollrechtsfähigkeit mit dem Ziel, weiterhin einen beträchtlichen Einfluß des Ministeriums zu sichern.

Dazu meint Andries Mulde in einem Zeitungsinterview: Der österreichische Staat will seinen Einfluß nicht aufgeben, man will auch zu schnell zu einer Lösung kommen. Das ist nicht gut, weil die Sammlungen zu unterschiedlich sind, und außerdem sollten keine Leute vom Ministerium im Kuratorium sitzen. – Zitatende dieses erfahrenen Fachmannes.

Die Vorstellung des holländischen Weges und die massive Kritik des Museumsexperten sind nach Meinung des Liberalen Forums die wichtigsten Ergebnisse des Hearings des parlamentarischen Kulturausschusses zur Ausgliederungsdebatte der Bundesmuseen.

Ein weiteres äußerst wichtiges Ergebnis ist anläßlich der Debatte die Position der ÖVP, des Regierungspartners der SPÖ. Während Sie, Frau Bundesministerin, nur die Erlangung der Vollrechtsfähigkeit erreichen wollen, besteht die SPÖ auf einer tatsächlichen Ausgliederung wie bei den Bundestheatern, also einer der GesmbH angeglicheneren Form. Dies ist offensichtlich der Grund dafür, warum die ÖVP die Ausgliederung der Bundestheater in der beabsichtigten Form zu blockieren versucht. Denn schlagende inhaltliche Argumente konnten Sie bisher nicht beisteuern. Sie wissen es nicht genau, ich weiß, worum es Ihnen geht – um Machterhaltung. (Abg. Dr. Puttinger: Was wollen die Liberalen?)


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Meine Damen und Herren! Wir stehen nun vor der Situation, daß anstatt einer ordentlichen Ausgliederung nur die Umwandlung in Anstalten des Bundes ermöglicht werden soll. Das scheint mir eine halbe und damit völlig unbefriedigende Lösung zu sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ein Gremium, das unter anderem auch aus den Kultursprecherinnen und Kultursprechern der im Hauptausschuß des Nationalrates vertretenen Parteien bestehen soll, macht wohl überhaupt keinen Sinn, schon gar nicht, wenn man sich die oftmals wiederholte Forderung nach Entparteipolitisierung der Kulturpolitik von ÖVP-Kulturstadtrat Peter Marboe vergegenwärtigt. Hier wird mit gespaltener Zunge gesprochen, denn die parteipolitische Einflußnahme um jeden Preis scheint wieder einmal das einzige politische Ziel der ÖVP unter der Führung von Klubobmann Khol zu sein.

Wir Liberalen sind der Ansicht, daß es in keiner Weise sinnvoll ist, die dringend notwendigen Reformen sowohl im Bundestheater- als auch im Bundesmuseumsbereich aus parteipolitisch motivierten Beweggründen zu blockieren. Da die gegenseitigen Reaktionen darauf hindeuten, rege ich als Vertreterin des Liberalen Forums die baldige Einberufung einer Kulturausschußsitzung an, deren Ziel es sein soll, die neu aufgetauchten Argumente beziehungsweise Modelle der ÖVP zum Thema Ausgliederung der Bundestheater genauer zu beleuchten beziehungsweise die Vor- und Nachteile gegenüber dem SPÖ-Modell abzuwägen.

Da der Bundestheaterbericht 1996/97 zur Behandlung ansteht (Abg. Zweytick: Wer ist Vorsitzender des Kulturausschusses?), ist eine ideale Plattform zur Diskussion gegeben. (Abg. Mag. Stadler: Wer ist denn die Obfrau des Kulturausschusses? Ist es nicht Schmidt? Dann kann sie ihn jederzeit einberufen! Sagen Sie es der Schmidt!) Aber es müssen alle anderen Parteien damit einverstanden sein. Das erscheint uns als der einzig sinnvolle Weg, diese verfahrene Situation wieder zu verlassen und den gemeinsam eingeschlagenen konstruktiven Weg weiterzugehen – nicht um irgendeiner Partei Wahlkampfmunition für die nächsten Nationalratswahlen zu liefern, sondern um die geeignete rechtliche Basis für den Weiterbestand unserer wichtigsten kulturellen Institutionen für die nächsten Jahrzehnte zu schaffen.

Herr Kollege Klubobmann Stadler! Gerade Ihre Mitarbeiterin kam vorhin mit der Bitte zu mir – Sie stellen doch den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses –, etwas zu unterstützen, damit es auf die Tagesordnung kommt. Sie wissen daher genau, was ein Vorsitzender bei einer großen Regierungskoalition zu sagen hat. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Wenn wir Ihre Unterstützung haben, kann nichts mehr passieren!)

Zum Kulturbericht 1996 ist zu sagen, daß dieser zwar eine Übersicht über die Besucher- und Budgetentwicklung der einzelnen Museen beziehungsweise der Nationalbibliothek bietet, daß allerdings nach wie vor keine museumspolitische Zielvorgabe vorhanden ist. (Abg. Mag. Stadler: Ihr schießt euch permanent ins Knie, wenn Schmidt nicht da ist!) Die zentrale Frage, was ein Museum der Zukunft eigentlich darstellen soll, also die Frage nach der zukünftigen Identität der einzelnen Museen, bleiben Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, auch in diesem Jahr schuldig.

Gerade als verantwortliche Ministerin muß man sich aber die Frage stellen: Wohin sollen sich unsere Bundesmuseen entwickeln? Sollen sie Tourismusattraktionen werden? Sollen sie Depots oder klassisch definierte Bildungsinstitutionen sein? – Diesen Fragen muß man sich stellen, und zwar für jedes einzelne Museum, denn ohne klar definierte Zielvorgaben kann es auch zu keiner sinnvollen Museumspolitik kommen. Sich nur auf das Budget, das zweifelsohne die Grundvoraussetzung darstellt, zu konzentrieren, ist nach Ansicht von uns Liberalen eindeutig zuwenig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nun komme ich noch zum Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der EG verbrachten Kulturgütern. Der Kulturausschuß hat sich auch mit dieser Materie intensiv auseinandergesetzt. Durch die Umsetzung dieser Richtlinie wird zwar das österreichische Ausfuhrverbotsgesetz noch perfektioniert, da nun unrechtmäßig ins EU-Ausland verbrachte nationale Kulturgüter zurückgefordert werden können, allerdings muß in Zukunft jede Käuferin und jeder Käufer, die oder der


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im EU-Ausland ein Kulturgut erworben hat, befürchten, daß dieses vom Ursprungsland zurückgefordert wird. Zwar wird der finanzielle Schaden, wenn die Sorgfaltspflicht nicht verletzt wurde, beglichen, nicht jedoch der ideelle Wert, was auch gar nicht möglich ist.

Ich halte diese Integration der EU-Richtlinie für eine Aufweichung des § 367 ABGB des Gutglaubensgrundsatzgesetzes. Das heißt, mit der Umsetzung dieser Richtlinie, die durchaus ihre Vorteile hat, wird massiv in unser Zivilrecht eingegriffen, und die sich daraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten sind noch gar nicht abzusehen.

Deshalb hält es das Liberale Forum für viel zweckmäßiger, mit einer möglichen Umsetzung der Richtlinie so lange zu warten, bis der Europäische Gerichtshof die Klage der Kommission gegen Deutschland bearbeitet und auch entschieden hat.

Weiters halten wir es für sinnvoll, eine ernsthafte Debatte über das bestehende Ausfuhrverbotsgesetz zu führen, denn uns erscheint die deutsche Listenregelung als ein viel transparenteres und moderneres Modell, das jede Art von Willkür von vornherein ausschließt. Für eine solche Debatte würde sich unserer Meinung nach ebenfalls der parlamentarische Kulturausschuß bestens eignen, und ich benütze diese Gelegenheit – auch im Sinne der Sprecherin des Ausschusses – dazu, alle Parteien einzuladen, einem diesbezüglichen Expertenhearing ihre Zustimmung zu erteilen.

Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es hat für kurze Zeit so ausgesehen, als ob endlich Bewegung in den Kunst- und Kulturbereich gekommen ist, als ob es möglich ist, auf einer inhaltlichen Ebene über veraltete Strukturen zu diskutieren und gemeinsam über neue Wege nachzudenken. – Seien dies nun die Bundestheater, die Bundesmuseen oder die verschiedenen Stiftungsmodelle, die die Vergabe von Projektförderungen transparenter und effektiver ermöglichen sollten.

Ich hatte tatsächlich den Eindruck, daß der typisch österreichische Weg des Darüber-Diskutierens und Zudeckens zumindest im Kunst- und Kulturbereich langsam, aber sicher verlassen wird. Die Ereignisse und Wortmeldungen, gerade von seiten der ÖVP und insbesondere von Klubobmann Khol, haben aber gezeigt, daß dies offensichtlich ein Irrglaube war. Anstatt dringend notwendige Reformen inhaltlich sinnvoll durchzuführen, wird jeder Ansatz nun doch wieder im Keim erstickt – nicht aufgrund inhaltlicher Bedenken, sondern aufgrund parteipolitisch motivierter Überlegungen und der Angst, der politische Gegner könnte sich gar einen Einfluß sichern, der nach den nächsten Wahlen nicht mehr korrigierbar ist.

Herr Kollege Morak ist leider nicht anwesend, aber ich nehme an, es wird ihm ausgerichtet. Ich halte ihn als Kultursprecher der ÖVP für einen guten Kultursprecher, aber wenn er diesen Kurs weiter mitträgt, dann meine ich, ist es ein falscher Weg. Er erweist diesem Land sicher keinen guten Dienst und führt unsere wichtigsten kulturellen Institutionen nicht zielführend ins nächste Jahrtausend. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

14.46

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich verhehle nicht, daß auch ich nicht ganz glücklich darüber bin, daß Herr Klubobmann Khol plötzlich eine Initiative gestartet hat und auf die Idee gekommen ist, daß man die Bundestheater ebenfalls in ein von ihm oder von Kollegen Morak entwickeltes Anstaltenmodell hineinpressen könnte. Von der Konstruktion her könnte es Gefahr laufen, daß es zu einer Reparteipolitisierung führt. Daß man das jetzt in der Diskussion so quasi als Druckmittel verwendet, nämlich ob die Museen in eine wissenschaftliche Anstalt oder als ein GesmbH-Modell ausgegliedert werden sollen oder ob man vielleicht gleich das holländische Stiftungsmodell übernehmen soll, hat sich auch die Frau Bundesministerin nicht verdient, die sich wirklich bemüht, in einer sachlichen Debatte nach einer Lösung zu suchen und die jetzt selbst, so wie wir alle, mit einer Art von Dynamisierung, mit einer


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Art von Junktimierung, die der Sache selbst nicht dient, konfrontiert ist. Mich würde interessieren, was die Frau Ministerin dazu meint.

Ich verstehe es auch nicht, daß der Sportsprecher der FPÖ, Kollege Grollitsch, meint, nur der Sport sollte die Lottomittel bekommen, Kunst und Kultur sollten jedoch aus diesem Bereich nichts erhalten. Das ist mir schleierhaft. In Großbritannien ist das ein ganz wesentlicher Aspekt im Kunst- und Kulturbereich. Wer den Umfang dieser Mittel kennt, sollte eigentlich, wenn er sich schon zum Bereich Kunst und Kultur zu Wort meldet, einen anderen Standpunkt vertreten. Ansonsten sollte er sich bei der Sportdebatte melden, dort kann er dann für eine Erhöhung des Sportbudgets – mit welchen Mitteln auch immer – eintreten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Bericht selbst: Wir haben das schon in der Debatte im Kulturausschuß eingebracht. Natürlich sollte hier eine Grundsatzdebatte, eine Zieldiskussion über die Identitäten der jeweiligen Museen geführt werden. Interessant wäre es auch – nicht um zu bevormunden –, die Meinung des Ministeriums zum Museumsbereich für die nächsten zehn Jahre genauer kennenzulernen, und zwar wie sich die Strategieabteilung des Ministeriums – soferne es eine solche Abteilung in diesem Sinn gibt – die Entwicklung der österreichischen Museen in Zukunft vorstellt.

Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, weil es dabei um Elemente der nationalen Identität geht. Das ist ein wesentlicher Aspekt, weil es auch zunehmend zu einem Wirtschaftsfaktor wird, und zwar nicht nur über die Umwegrentabilität. Das ist ein wesentlicher Aspekt, weil Konkurrenz zwar positiv ist, aber trotzdem eine gewisse Arbeitsteilung zwischen den Museen notwendig und sinnvoll ist. Das ist eine notwendige Forderung, weil auch der Betrieb der Museen moderner und erlebnisorientierter gestaltet werden muß. – Ich denke, daß die Debatte auch in diese Richtung gehen sollte und sich nicht nur um die Frage, die zwar wichtig genug ist, drehen sollte, wie man sich von der Teilrechtsfähigkeit zur Vollrechtsfähigkeit möglichst optimal weiterentwickeln kann.

Diese Fragen bleiben offen. Die Frau Ministerin hat versprochen, daß das Eingang finden soll. Das war das Ergebnis der Debatte im Kulturausschuß, und wir sind davon überzeugt, daß das auch in wesentlichen Bereichen stattfinden wird. Das betrifft zum Beispiel die Aufgabe des Kuratoriums oder die Gestaltung der zeitlichen Abfolge der Museumsordnungen mit der neuen Rechtsform. Es gibt aber auch viele offene Fragen, die schlicht und einfach das Personal betreffen. Es geht also nicht nur um die Frage, ob es ein GesmbH-Modell sein wird oder eine wissenschaftliche Anstalt, sondern auch darum, wie die Rechtsstellung jener, die dort arbeiten, in Zukunft aussehen wird. Viele andere Fragen sind noch offen, die in diesem Zusammenhang letztendlich noch zu klären sind.

Es ist in der Tat erfreulich – das haben einzelne Vorredner schon gesagt –, daß auch eine Evaluierung des wissenschaftlichen Erfolges stattfinden soll. Denn wenn das nun wissenschaftliche Anstalten sein sollen, dann wäre es auch wichtig, daß jene, die dieses Modell vorschlagen, mithelfen herauszufinden, was bisher der eigentliche wissenschaftliche Output war. Nach wie vor bin ich aber dafür, daß man diese drei Modelle, die in der Debatte im Kulturausschuß diskutiert wurden, weiter seriös vergleicht, sich damit auseinandersetzt und befaßt.

Zum Schluß, zum Bericht selbst: Ich finde, es ist grundsätzlich ein gut gelungener Bericht. Einzelne Berichtsteile sind sehr unterschiedlich hinsichtlich ihrer Aufgliederung und Aussagekraft; diese sollte man doch ein wenig stärker vereinheitlichen. Aber man kann durchaus einen Überblick gewinnen, und dieser ist sehr informativ.

Interessiert hätte mich noch folgendes: Auf Seite 20 steht unter "Museumsquartier" ein Hinweis darauf, wie man sich das künftig vorstellt. Es heißt hier: Kunst- und Kulturvermittlung für alle Altersstufen und gesellschaftlichen Zielgruppen statt kommerziellen Tourismus-Rummel. – Das ist Musik in meinen Ohren. Es gefällt mir, was hier zu lesen steht. Ich werde dann vielleicht bei einer der nächsten Gelegenheiten die Frage an Sie richten, was damit eigentlich gemeint sein könnte.


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Eine genauere Beschreibung hätte ich gerne noch darüber, was im Rahmen des Naturhistorischen Museums im Nationalparkinstitut Donauauen, in der Akademie mit Außenstützpunkt in Petronell, geschieht. Das empfinde ich auch als positiv und als gute Idee, aber mich würde folgendes interessieren: Was geschieht in dieser Hinsicht jetzt schon, was ist für ein Betrieb läuft dort, was geht da vor sich?

Zum Naturhistorischen Museum selbst: Wenn es so geplant ist, wie es hier steht, nämlich als kulturhistorisches Phänomen und Gesamtkunstwerk, dann ist es in der Tat richtig, wenn man es so beläßt, wie es ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Gehrer. Mit dem Hinweis, daß um 15 Uhr eine Dringliche Anfrage aufzurufen ist, erteile ich Ihnen sehr gerne das Wort. – Bitte.

14.52

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zur Frage der Rechtsform möchte ich folgendes klarstellen: Es geht uns bei dieser ganzen Diskussion darum, neue Ziele zu erreichen.

Die Ziele sind folgende: mehr Selbständigkeit, ein neues Denken, mehr Verantwortung, heraus aus der Kameralistik, über mehrere Jahre hinweg budgetieren zu können, über mehrere Jahre hinweg arbeiten zu können. Es geht auch darum, privatwirtschaftliche Erlöse haben zu können, es geht darum, eigenständiger über mehrere Jahre hinweg Planungen zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, diese Zielsetzungen sind auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Die Aufgabe von seriöser Politik ist es, alle Wege zu prüfen und dann denjenigen zu wählen, der mit dem kleinsten bürokratischen Aufwand auskommt, der am wenigsten Mittel für Bürokratien verschlingt. Ich halte es also nicht für besonders zielführend, GesmbHs zu gründen, darüber wieder eine Holding zu machen und alles zu verkomplizieren. Ich bin der Ansicht, wir müssen versuchen, unsere Ziele einfach zu erreichen, und zwar klar durchschaubar und mit klaren Verantwortlichkeiten.

Dazu stelle ich auch folgendes fest: Wenn uns immer Holland als Beispiel vor Augen gehalten wird, so wissen doch alle, die die Verhältnisse dort kennen, daß der Staat bedeutend weniger Mittel für die Museen aufwendet als Österreich und daß man dann, wenn man viele Steuergelder zu verwalten hat, seine Verantwortung nicht einfach abgeben kann. Die Verantwortung für 1,7 Milliarden Schilling an Steuergeldern für unsere Museen, für das Bundesdenkmalamt kann ich nicht einfach an irgend jemand anderen delegieren. Ich will auch weiterhin diese Verantwortung wahrnehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn sich bei einer sachlichen Diskussion herausstellt, daß das Modell der Anstalten ein geeignetes Modell ist, mit geringem bürokratischen Aufwand, mit Einsparungen im Verwaltungsbereich, ohne neue zusätzliche Verwaltungen, dann müssen wir alle gemeinsam alles daran setzen, dieses Anstaltenmodell umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zur Museumskonzeption: Ich meine nicht, daß es Aufgabe der Politik ist, jedem Museum zu sagen, was es tun und womit es sich befassen darf; das eine nur mit moderner Kunst, das andere nur mit alter Kunst. Es wird immer wieder gewisse Überschneidungen geben. Wenn man fragt, was ein Museum sein soll, Touristenattraktion oder verstaubtes Lokal, in dem ältere Dinge aufbewahrt werden, dann werde ich Ihnen sagen, daß die Antwort darauf ganz einfach ist. Im Gesetz steht: sammeln, bewahren, erschließen, forschen und ausstellen. – Die Qualität eines Museums wird sicher nicht an der Besucherzahl gemessen, aber es ist auch nicht verboten, viele Besucher zu haben. Das ist auch kein gegenteiliger Beweis. Ich bin daher der Meinung, daß eine Mischung in der Zielsetzung das richtige ist.

Darüber hinaus habe ich bereits erklärt, daß es mir als eine notwendige Herausforderung erscheint, eine Museumskonzeption 2010 zu erstellen. Wir haben uns bereits gemeinsam mit


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den Direktoren Gedanken über die Grundzüge gemacht. (Präsident Dr.  Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Diese Museumskonzeption 2010 wird folgendes enthalten:

Erstens: Die gesetzlich verlangten Aufgaben müssen durch ausreichende Finanzierung sichergestellt sein.

Zweitens: Die Museen müssen eine neue Rechtsform erhalten, um eigenständiger zu sein.

Drittens: Evaluierungen in verschiedenen Bereichen sind notwendig. Es besteht Übereinstimmung, daß wir bei der Evaluierung der wissenschaftlichen Arbeiten anfangen.

Viertens: Über die im Gesetz festgehaltenen Aufgaben hinaus ist es notwendig, das Publikum mit geeigneten Veranstaltungen, mit den Kulturgegenständen ständig in Kontakt zu bringen, zu erreichen, daß Menschen motiviert die Museen besuchen.

Fünftens: Der museumspädagogische Aspekt ist besonders wichtig. Die Jugend muß angesprochen werden.

Sechstens: Die Zusammenarbeit mit den Schulen ist zu intensivieren.

Siebentens: Die Aufstellungsform der Ausstellungsstücke der Museen ist einer Prüfung zu unterziehen. Die modernen Erkenntnisse, daß exemplarische Ausstellungen mehr bringen als enzyklopädische, sind zu berücksichtigen.

Achtens: Die internationale Zusammenarbeit, besonders im Ausstellungsbereich, ist zu verstärken.

Neuntens: Speziell mit den Staaten Mittel- und Osteuropas sind die kulturellen Kontakte zu vertiefen, und es sind Hilfestellungen besonders im Bereich des Kulturmanagements zu geben.

Zehntens: Moderne Medien müssen in allen Bereichen, auch in den Museen, Eingang finden.

Das sind erste Vorschläge für gemeinsame Zielsetzungen. Wir werden daran weiterarbeiten. Der nächste Kulturbericht, der dritte Kulturbericht, wird bei diesen Zielsetzungen aufzeigen, was die einzelnen Museen dazu vorbereitet haben und was sie sich dazu vorstellen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß die Präsentation des Kulturberichtes immer eine gute Gelegenheit ist, aufzuzeigen, was im Kulturbereich alles getan wird und daß sehr wohl etwas weitergeht. – Ich danke allen, die sich intensiv mit diesem Bericht beschäftigen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.59


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Frau Bundesministerin.

Ich nehme an, daß wir die eine Minute, die noch bis 15 Uhr fehlt, nicht in Anspruch nehmen müssen – außer, Frau Kollegin Petrovic, Sie wollen mit Ihrer Rede beginnen und in einer Minute unterbrochen werden. – Das ist nicht der Fall.

Ich unterbreche die Verhandlungen über die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß § 93 der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundeskanzler betreffend arbeitsplatz- und lehrplatzvernichtende Politik der Bundesregierung (3956/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da diese Dringliche Anfrage inzwischen an alle Abgeordnete verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Bereits seit ihrem Bestehen hat die rot-schwarze Koalitionsregierung in zahlreichen Erklärungen Maßnahmen zur Schaffung beziehungsweise zum Erhalt von Arbeitsplätzen und zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit angekündigt:

Zuletzt hat der Bundeskanzler anläßlich einer Klubklausur am 11. Jänner 1998 eine ,neue Vollbeschäftigung‘ angekündigt.

Es wäre daher eigentlich zu vermuten, daß – wie es der Bundeskanzler im Namen der Koalition als Ziel formuliert hat – der Arbeitsmarkt längst ein Verkäufermarkt hätte werden müssen, ,bei dem der einzelne, der seine Arbeitskraft verkauft, sich wieder aussuchen kann, wem er sie verkaufen will‘.

Die Wirklichkeit sieht aber leider anders aus:

Ende Februar 1998 waren – trotz günstiger Witterung – alarmierende 296 175 Personen als arbeitslos vorgemerkt, wobei die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr um 6 899 Personen oder 2,4 Prozent zugenommen hat.

Wie drastisch sich die Zahl der Arbeitslosen in den Regierungsjahren der großen Koalition erhöht hat, zeigt nachstehende Tabelle:

Jahr

Arbeitslose (Durchschnitt)

1987

164 467

1988

158 634

1989

149 178

1990

165 795

1991

185 028

1992

193 099

1993

222 267

1994

214 941

1995

215 716

1996

230 507

1997

233 500

 

Dabei ist zu bedenken, daß die Bundesregierung wohlweislich nur etwa die Hälfte der echten Arbeitslosenzahlen in ihren Statistiken ausweist. Die Arbeitsmarktdaten werden dadurch verfälscht, daß etliche größere Personengruppen nicht als Arbeitslose gezählt werden.


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113. Sitzung / Seite 94

So werden Arbeitslose, die seitens des Arbeitsmarktservice zu einer Schulungsmaßnahme verpflichtet werden, nicht in der offiziellen Statistik ausgewiesen, ebensowenig etwa Bezieher von Sonderunterstützung, Sondernotstandshilfe, Pensionsvorschuß, Karenzgeld et cetera.

Die Bundesregierung bewirkt überdies durch die Forcierung des Abschiebens Zehntausender älterer Arbeitnehmer in die Frühpension insbesondere auch in staatsnahen Unternehmungen (Schulbereich, Landesverteidigung, ÖBB, Post und Telekom AG, Banken- und Versicherungsbereich, Österreichische Bundesforste, OMV usw.) eine deutliche Verschleierung der Arbeitslosenzahlen. Dazu kommen noch die Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, die gegen ihren Willen zum frühestmöglichen Termin in den Ruhestand treten müssen, etwa weil sie keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit haben oder keine weiteren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mehr erhalten, weil sie bereits einen Pensionsanspruch haben. In diesem Zusammenhang sei auf die stetig steigende und im internationalen Vergleich sehr hohe Zahl der Frühpensionisten hingewiesen.

Aus den offiziellen Statistiken ist auch nicht ersichtlich, wie vielen Schul- und Universitätsabgängern der Berufseinstieg nicht auf Anhieb gelingt und wie viele Mütter, die nach dem Schuleintritt ihrer Kinder wieder arbeiten wollen, keine neue Beschäftigung finden.

Bezieht man diese großen Personengruppen von arbeitswilligen beziehungsweise -fähigen Personen in die Berechnung mit ein, so ergibt sich annäherungsweise eine Gesamtzahl von 500 000 bis 600 000 Arbeitslosen.

Zu diesem Anstieg der Arbeitslosigkeit haben in den letzten Jahren folgende von der Bundesregierung gesetzte Maßnahmen entscheidend beigetragen:

A. Stagnation bei den Ausgaben des Bundes für aktive Arbeitsmarktpolitik auf niedrigem Niveau von etwa 10 Prozent der gesamten arbeitsmarktpolitischen Ausgaben;

B. Verringerung der Förderungsmöglichkeiten des Arbeitsmarktservice durch zusätzliche Überweisungen in Milliardenhöhe an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger;

C. weitere Erhöhung der Lohnkosten durch die Kommunalsteuer und Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge um ca. 2 Prozentpunkte seit 1992;

D. Verringerung der Karenzzeit um ein halbes Jahr;

E. weitere bürokratische und finanzielle Belastungen für Unternehmer etwa durch die ständig novellierte, zum Teil verfassungswidrige Werkvertragsregelung und die Abwicklung der Krankenscheingebühr;

F. Erhöhung des Risikos der Selbständigkeit durch die Beseitigung der Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung;

G. weitere finanzielle Belastung der Unternehmen durch Mindest-KöSt, Erhöhung der Gebühren und Abgaben, Sistierung der Verlustvorträge, Erfindung einer 13. Umsatzsteuervorauszahlung;

H. ungebremster Anstieg der Abgabenbelastung auf mittlerweile 45,7 Prozent laut Eurostat (EU-Durchschnitt 42,4 Prozent) unter anderem durch die stetig zunehmende kalte Progression und

I. organisatorische und finanzielle Mehrbelastung der Betriebe durch das überzogene ArbeitnehmerInnenschutzgesetz.

Dabei ist bemerkenswert, daß sich die Bundesregierung im Zuge des EU-Beschäftigungsgipfels in Luxemburg zu einer Reihe von Maßnahmen verpflichtet hat, die geradezu im Gegensatz zu ihrer bisherigen Politik stehen. Ganz Europa hat damit indirekt festgestellt, daß die bisherige Politik der Bundesregierung geradezu arbeitsplatzvernichtend war. Obwohl sich offenkundig die Bundesregierung hiedurch verpflichtet hat, die arbeitsplatzvernichtenden Maßnahmen rückgängig zu machen, ist bis dato aber nichts geschehen.


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Besonders drastisch läßt sich die von Bundeskanzler Klima seit Jahren betriebene Ankündigungspolitik am Beispiel der prekären Situation der Lehrlingsausbildung darstellen.

Mit Ende Februar 1998 standen laut Arbeitsmarktservice 2 452 sofort verfügbaren offenen Lehrstellen 3 521 sofort verfügbare Lehrstellensuchende gegenüber. Laut dem stellvertretenden Leiter des AMS für Jugendliche in Wien trügt aber das statistische Zahlenmaterial, ,da zur offiziellen Zahl noch eine ebenso hohe Dunkelziffer kommt‘. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine IHS-Studie, der zu entnehmen ist, daß ,bei den 15 bis 19jährigen bloß jeder zweite Arbeitslose als solcher registriert sei‘. ,Wer sich länger als einen Monat nicht bei seinem Berater meldet, fällt aus der Computerdatei heraus‘, erklärt eine Beraterin im AMS Wien die Ursache für diesen Umstand. Die tatsächliche und ungeschönte Zahl an Lehrstellensuchenden muß daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt richtigerweise mit alarmierenden 7 000 angesetzt werden, die auch in diesem Jahr auf den Lehrstellenmarkt drängen. Hinzu kommen im heurigen Jahr einerseits jene rund 7 600 Lehrlinge, die im vergangenen Jahr in Schulen abgeschoben wurden, sowie andererseits die Gruppe jener 15jährigen, die die Schulpflicht mit Ende des laufenden Schuljahres erfüllt haben wird. Verschärfend wirkt die Tatsache, daß die Zahl der 15jährigen heuer mit rund 96 000 gegenüber den Vergleichszahlen des Vorjahres um 1 200 gestiegen ist. Darüber hinaus werden Vorzieheffekte in Zusammenhang mit der Anstellung von Lehrlingen im vergangenen Jahr zu einer weiteren Einengung des Lehrstellenmarktes 1998 führen. In diesem Zusammenhang befürchtet Bundesminister und ÖAAB-Obmann Fasslabend, daß es bis Jahresende 1998 zu einem enormen ,Stau‘ von Lehrstellensuchenden kommen wird.

Angesichts der erschreckenden Fakten seien einmal mehr die vom Bundeskanzler getätigten Ankündigungen und Versprechen in Erinnerung gerufen, die durch die Realität längst als leere Worthülsen und Unwahrheiten entlarvt wurden.

Es wurde also nicht nur vom Bundeskanzler angeblich ,oberstes Ziel‘ bei weitem nicht erreicht, ,daß im Herbst kein Lehrstellensuchender ohne Lehrstelle bleibt‘, sondern es ist für dieses Jahr ein wahrhaftes Lehrstellendesaster zu erwarten.

Faktum ist, daß die von Bundeskanzler Klima in Zusammenhang mit der Lehrlingsausbildung eindrucksvoll unter Beweis gestellte fehlende Lösungskompetenz dazu führte, daß durch die Inanspruchnahme von Milliardenbeträgen aus AMS-Mitteln zur Förderung von Lehrstellen es zu einem ,Wildwuchs an Förderungen‘ kam, dessen Gewinner jene Betriebe gewesen sind, die gewartet haben, bis die Regierung in Panik war und junge Leute entsprechend spät einstellten, wie in diesem Zusammenhang selbst der Koalitionspartner, in Person von Dkfm. Dr. Stummvoll, kritisierte.

Durch die Aussage, daß ,das derzeitige System insofern ungerecht sei, als derjenige, der mit der Beschäftigung von Lehrlingen am längsten zuwartet, in der Praxis die meisten Förderungen bekommt’, hat der Bundeskanzler sein Scheitern erkannt, ohne aber aus dem fahrlässigen Umgang mit Steuergeldern Konsequenzen zu ziehen und entsprechende Veranlassungen zu treffen.

Die Konsequenzen dieses Wildwuchses an Förderungen im Vorjahr liegen auf der Hand. Ein Großteil der zur Verfügung stehenden Fördermittel sind aufgrund der laufenden Zusagen bereits gebunden. Die Förderbudgets des Arbeitsmarktservice sind dadurch auf Jahre blockiert, was unter anderem auch zur Aussage des Sprecher des AMS Steiermark geführt hat, daß ,wir für heuer nur wenig Spielraum für neue Fälle haben‘. Für die aktuellen Lehrstellensuchenden steht daher kein Geld mehr zur Verfügung und insbesondere für die Schulabgänger des heurigen Jahres wurden die Chancen, eine Lehrstelle zu finden, stark gemindert.

Ohne Rücksicht auf die besorgniserregende heimische Beschäftigungssituation, die hohen Arbeitslosenzahlen und die ungelösten Probleme der Lehrlingsausbildung riskiert die österreichische Bundesregierung durch ihr Eintreten für eine rasche EU-Osterweiterung auch eine verstärkte Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, das Entstehen eines enormen Druckes auf das heimische Lohnniveau und eine vom österreichischen Arbeitsmarkt nicht zu verkraftende Neuzuwanderung von zigtausenden Billigarbeitskräften, wie dies einer Studie der


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113. Sitzung / Seite 96

Akademie der Wissenschaften zu entnehmen ist. Der Weg Österreichs zum Niedriglohnland ist damit vorprogrammiert. Die ,Finanznachrichten‘ fassen die damit verbundenen Gefahren in ihrer Ausgabe vom 15. Jänner 1998 mit folgenden Worten zusammen:

,... offene Grenzen in der EU und die fraglos kommende Osterweiterung ... mindern die Möglichkeit, inländische Beschäftigte gegen ausländische Konkurrenten abzusichern ... ‘

Nicht zuletzt hat auch der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft der Textilarbeiter und Bundesminister Ettl zutreffend festgestellt, daß die triste und unbefriedigende Situation sowohl am heimischen Arbeitsmarkt als auch unionsweit, die sich nicht zuletzt aufgrund der rein monetären Konvergenzkriterien weiter verschlechterte und nach wie vor einer Lösung harrt, ,gemischt mit der Euphorie einer raschen EU-Osterweiterung‘ somit ,zum Brandsatz am europäischen Kontinent werden könnte‘ (Harald Ettl, OTS062, 21. Jänner 1998) und daß im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung mit Abwanderungen von Betrieben zu rechnen sein wird.

Da die Gefahr droht, daß die österreichische Bundesregierung ihre vor allem in den letzten Jahren betriebene arbeitsplatzvernichtende Politik fortsetzt und auch die skurrilen Bemühungen in Zusammenhang mit dem von der Bundesregierung in einer Aktuellen Stunde debattierten, aber noch immer nicht öffentlich präsentierten Beschäftigungsprogramm nicht geeignet sind, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Wie rechtfertigen Sie den Umstand, daß sich die Zahl der Arbeitslosen seit Bestand der großen Koalition von durchschnittlich 164 467 im Jahr 1987 auf 233 500 im Jahr 1997 stetig erhöht hat?

2. Teilen Sie die Auffassung, daß diese Steigerung der Arbeitslosenzahlen die gänzliche Erfolglosigkeit der Bundesregierung in Beschäftigungsfragen offenbart?

Wenn nein, wer ist für diesen Erfolg der Bundesregierung verantwortlich?

3. Was verstehen Sie im Hinblick auf die derzeit vorliegenden Arbeitslosenzahlen unter Schaffung einer ,neuen Vollbeschäftigung‘?

4. Wie stehen Sie zu der Tatsache, daß in staatsnahen Unternehmungen auf langjährige Mitarbeiter Druck ausgeübt wird, frühzeitig in den Ruhestand zu treten?

5. Erachten Sie den Umstand, daß Arbeitnehmer in den Ruhestand gedrängt werden, weil sie keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit haben oder keine weiteren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten, als Mittel zur Lösung des Beschäftigungsproblems?

Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

6. Teilen Sie die Auffassung namhafter Experten, daß sich unter Einbeziehung aller arbeitswilligen und -fähigen Personen die Gesamtzahl der Arbeitslosen in Österreich auf rund 500 000 bis 600 000 beläuft?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn nein, wie hoch schätzen Sie diese Zahl?

7. Wie hoch schätzen Sie die Zahl jener Arbeitskräfte, die in Folge der Einführung des Euro arbeitslos werden, und welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diesen eine Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten?


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113. Sitzung / Seite 97

8. Schließen Sie sich der Auffassung Ihres Parteikollegen Harald Ettl an, daß mit der Osterweiterung eine Abwanderung von Betrieben und dadurch ein Verlust von Arbeitsplätzen eintreten wird?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, was werden Sie dagegen unternehmen?

9. Können Sie ausschließen, daß es im Zuge der EU-Osterweiterung zu einem Sinken des Lohnniveaus in Österreich kommen wird?

Wenn ja, aus welchem Grund?

Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

10. Wie hoch sind die Industrielöhne in den MOEL im prozentmäßigen Vergleich zu jenen in Österreich?

11. Wie hoch ist der Unterschied in der Wirtschaftskraft zwischen Österreich und den benachbarten MOEL gemessen am BIP zu laufenden Marktpreisen?

Welche Auswirkungen erwarten Sie sich davon auf Österreich?

12. Können Sie ausschließen, daß es durch die in Folge der EU-Osterweiterung erwartete Zuwanderung von zigtausenden Billigarbeitskräften zu einem massiven Druck auf österreichische Arbeitnehmer kommen wird?

Wenn ja, aus welchem Grund?

Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

13. Welche österreichischen Ballungszentren liegen in Tagespendeldistanz zu städtischen Zentren in den MOEL und welche Auswirkungen sind dadurch auf die regionalen Arbeitsmärkte Österreichs zu erwarten?

14. Können Sie ausschließen, daß es durch die EU-Osterweiterung im grenznahen Bereich zu Wettbewerbsverzerrungen insbesondere im Dienstleistungs- und Nahversorgungsbereich kommen wird?

Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

Wenn ja, warum nicht?

15. Können Sie ausschließen, daß es durch die EU-Osterweiterung zu einem Absinken der Sozial- und Umweltstandards kommen wird?

Wenn ja, aus welchem Grund?

Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

16. Wie rechtfertigen Sie den Umstand, daß, zum Beispiel entgegen Ihren Ankündigungen vom 16. Mai 1997, wonach im Herbst kein Lehrstellensuchender ohne Lehrstelle bleibt, derzeit weit mehr als 10 000 Jugendliche ohne Beschäftigung sind?

17. Wie rechtfertigen Sie im Hinblick auf die Lehrstellenmisere den Umstand, daß das von Ihnen wiederholt angekündigte, zuletzt bis Mitte Februar 1998 versprochene Lehrlingspaket nach wie vor aussteht?

18. Welche Gründe sind ausschlaggebend dafür, daß entgegen Ihren Ankündigungen nach wie vor eine Einigung der Koalition in dieser Angelegenheit auf Kosten der Jugendlichen nicht


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113. Sitzung / Seite 98

erfolgte, und wer trägt die Verantwortung für dieses offensichtliche Desinteresse an der Beschäftigung der Jugendlichen?

19. Teilen Sie die Auffassung namhafter Experten, daß es im Bereich der Inanspruchnahme von Fördermitteln zu einem ,Wildwuchs‘ kam?

Wenn ja, wer trägt dafür die Verantwortung?

Was werden Sie dagegen unternehmen?

20. Wer trägt die Verantwortung für das ,derzeit insofern ungerechte System, als derjenige, der mit der Beschäftigung von Lehrlingen am längsten zuwartet, in der Praxis die meisten Förderungen bekommt‘?

Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung daraus gezogen?

21. Wie viele Lehrlinge hat der Bund in den Jahren 1990 bis 1997 jeweils beschäftigt?

22. Wird die Bundesregierung Maßnahmen setzen, um die in den letzten Jahren im Widerspruch zu den beschäftigungspolitischen Leitlinien von Luxemburg gesetzten arbeitsplatzvernichtende Schritte zu korrigieren?

Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie setzen?

Wenn nein, warum nicht?

23. Wie beurteilen Sie die Ansicht des EU-Ratsvorsitzenden im 2. Halbjahr 1997, Jean-Claude Juncker, im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ,Wenn die Lohnnebenkosten und die Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen gesenkt werden, dann passiert endlich was.‘?

24. Wie können Sie angesichts der Feststellung der EU-Kommission, vier Prozentpunkte der derzeitigen Arbeitslosenquote in der EU seien auf die gestiegene Besteuerung des Faktors Arbeit zurückzuführen, auf Forderungen nach einer Senkung der Lohnnebenkosten mit den Worten ,kann ich nicht mehr hören‘ reagieren, wenn Sie gleichzeitig behaupten, eine ,neue Vollbeschäftigung‘ anzustreben?

25. Wie hoch wird der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am BIP im Jahr 1998 sein?

26. Welche ,zünftlerischen Eintrittsbarrieren‘ für die von Ihnen als Positivum neuentdeckte selbständige Erwerbstätigkeit wollen Sie 1998 beseitigen?

27. Wann beabsichtigt die Bundesregierung die längst fällige Steuerreform durchzuführen und welche Maßnahmen beziehungsweise Zielsetzungen soll beziehungsweise wird diese beinhalten?

28. Beabsichtigt die Bundesregierung mit 1. Jänner 1999 die längst fällige Steuerreform durchzuführen?

Wenn nein, warum nicht?

29. Welche Maßnahmen beziehungsweise Zielsetzungen wird die von der Bundesregierung versprochene Steuerreform beinhalten?

In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln."

*****


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113. Sitzung / Seite 99

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich darf Herrn Abgeordneten Gaugg zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort erteilen. Die Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte.

15.00

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich persönlich bedauere es sehr, daß nicht Bundeskanzler Klima selbst hier im Parlament anwesend ist. Aber das sind wir in letzter Zeit gewohnt, daß er immer dann, wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen, zwar vollmundig in der Öffentlichkeit auftritt und diese Versprechungen artikuliert, nur wenn es um Lösungen geht, ist von ihm nichts zu sehen.

Der Weg Klimas ist von leeren Versprechungen gepflastert. Begonnen hat dies zum Beispiel bei einer Gemeindebundtagung am 16. Mai 1997, bei der der Bundeskanzler die Zusage gegeben hat, dafür zu sorgen, daß im Herbst dieses Jahres kein 15jähriger, keine 15jährige, der oder die eine Lehrstelle sucht, auf der Straße bleibt.

Andere Aussagen vom ihm stammen vom 18. Februar 1997 anläßlich einer Sondersitzung im Parlament – ein Auszug daraus, der für die Mentalität dieser Bundesregierung, die es nicht schafft, Arbeitsplätze in dieser Republik zu schaffen, bezeichnend ist –: Es gibt für den Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation zusätzliches Geld. Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, in den nächsten drei Jahren aus Privatisierungserlösen jeweils etwa 1 Milliarde Schilling für die Förderung der Technologie zur Verfügung zu stellen. – Nichts ist gekommen, nichts! Damals war man stolz darauf, Herrn Direktor Hochleitner und Professor Schmidt als Projektmanager dafür gewinnen zu können, aber das interessiert heute niemanden mehr.

Man spricht von Gründerwellen; man spricht von Technologieoffensiven, man spricht von einer Entlastung des Faktors Arbeit, und die gestrige Budgetrede des Finanzministers war wieder eine Auflistung angeblich erledigter Probleme: Die Gewerbeordnung wurde liberalisiert, eine Verwaltungsreform wurde eingeleitet, der Telekom-Bereich wurde dereguliert, die Strommarktöffnung wird 1999 Realität, die Pensionssysteme wurden geändert, eine Technologie- und Exportoffensive wurde begonnen, Unternehmen im Staatsbereich wurden und werden privatisiert. – Das ist wie ein Loblied auf die Tätigkeit dieser Bundesregierung. Es mag schon sein, daß man all diese Aussagen in Brüssel glaubt; nur hier in Österreich glaubt sie niemand mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich fordere diese Schönwetterpolitiker dazu auf, endlich die Augen zu öffnen, um die wahren Probleme in unserem Lande zu erkennen. Man kann nicht übersehen, daß in unserem Land aufgrund dieser Regierungspolitik 300 000 Beschäftigungslose zu verzeichnen sind. Angekündigt wurden Initiativen in allen Bereichen. Es wurden Investitionen im Bausektor angekündigt. Geschehen ist nichts!

214 000 Kinder in Österreich leben in Armut. Ein Drittel der weiblichen Angestellten und 40 Prozent der weiblichen Arbeiterinnen haben ein geringeres Einkommen als 6 200 S im Monat. All das wird gerne übersehen.

Ich habe das Gefühl, daß in den letzten Wochen und Monaten sehr gerne ausweichende Randthemen in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gestellt werden. Da geht es um die Kirche, da geht es um die Frage, ob Ehebruch ein Scheidungsgrund ist oder nicht, da geht es um Waffenbesitz – ja oder nein, aber um die zentralen Themen der Beschäftigungspolitik in unserem Lande wird herumlaviert in einem Ausmaß, wie es unerträglicher nicht sein kann! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man ist stolz auf die Marktöffnung beim Strom. Die Steiermark verkauft ihre ganze Energie an den größten Monopolisten der Erde im Strombereich. Da stimmen Rot und Schwarz in der Steiermark mit Begeisterung zu, weil sie kurzsichtig denken. Nunmehr soll der Verbundkonzern, wie man sagt, internationalisiert werden. 25 Prozent sollen zu einem Preis von 10 Milliarden Schilling abgegeben werden. Die italienischen Strommonopolisten und die deutschen Stromgiganten warten schon darauf, daß sie zugreifen können.


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Uns wurde jahrelang eingeredet, Österreich wäre wirtschaftlich so stark. Jetzt frage ich mich, warum gerade die Italiener in der Lage sind, unsere heimischen Betriebe aufzukaufen, während wir uns international nicht präsentieren können. Warum können wir nicht einmal den umgekehrten Weg gehen, wenn wir tatsächlich so erfolgreich sind?

Aber alles, was die verstaatlichten Betriebe wie OMV und VOEST in den vergangenen Jahren betrieben haben, ist den Bach hinuntergelaufen. Überall, wo internationales Geld gesetzt wurde, war es weg. Wir sind nicht in der Lage, international zu wirtschaften und auch nicht, im heimischen Bereich entsprechende Leistungen zu erbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Das ist doch ein Unsinn, was Sie da verbreiten! Schauen Sie sich die Zahlen an!)

Trotz massivster steuerlicher Belastungen der Österreicher in den letzten Jahren – die Steigerung von 1995 bis jetzt beträgt 30 Prozent mehr Steueraufkommen der heimischen Bürger – weist das Budget 1999 wiederum eine Nettoneuverschuldung von über 70 Milliarden Schilling aus. Das ist kein Wirtschaften, das ist Abwirtschaften, was hier getan wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Regierung wird medial geschont, aber sie wird von der Bevölkerung nicht mehr geschont; jetzt wird ihr der scharfe Wind der Arbeitslosigkeit ins Gesicht geblasen. (Abg. Mag. Kukacka: Wir gehören zu den besten Staaten Europas!)

Lieber Herr Kukacka! Wenn Sie meinen, daß, wenn einmal irgendeiner von Ihren Leuten ein Mandat gewinnt, Sie wieder Oberwasser bekommen, dann sage ich Ihnen nur: Täuschen Sie sich nicht! Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling.

Sie unterminieren Ihren Bundeskanzler schon. Sie – die ÖVP – neigen dazu, bei allen Vereinbarungen ja zu sagen, auch in der Lehrlingsfrage, aber dann lassen Sie den Bundeskanzler allein. Ich habe den Eindruck, daß er Ihnen überhaupt nicht paßt.

Zur Lehrlingsfrage: Was diesbezüglich vereinbart wurde, wissen Sie besser als wir, weil wir zum Beispiel das nationale Beschäftigungsprogramm nicht bekommen. Das dürfen wir nicht haben. Ich kann Ihnen schon sagen, warum wir das nicht bekommen durften – jetzt haben wir es –: Weil darin Nonsens steht.

Mir gefällt es, daß Herr Wirtschaftsminister Farnleitner heute hergeht und in einer Presseaussendung sagt: Es ist eigentlich für den nationalen Beschäftigungskatalog alles geklärt, Ausnahmen gibt es nur bei den Lehrlingen, da sind wir uns noch nicht ganz einig. – Und mit keiner Silbe wird erwähnt, daß dieses von Ihnen erstellte nationale Beschäftigungsprogramm Kosten in der Höhe von etwa 7 Milliarden Schilling verursacht, aber nicht ein Groschen dafür im Budget 1999 vorgesehen ist. Daher sind Sie Heuchler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie möchten in der Öffentlichkeit immer wieder glänzen, aber Sie sind unlauter in Ihrem Vorgehen. (Abg. Mag. Kukacka: Sie müssen aufpassen, der Finanzminister hat das gestern erläutert!) Sie malen Geschichten. Sie erwecken Hoffnungen in den Menschen dieser Republik und enttäuschen sie zunehmend, weil all Ihre Prognosen bis zur heutigen Wahl nicht aufgegangen sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich weiß, daß die internationalen Tagungen des Gewerkschaftsbundes und der Regierungsmitglieder schon "enorm viele" Arbeitsplätze in dieser Republik geschaffen haben. Zeigen Sie mir einen einzigen Arbeitsplatz, der durch diese internationalen Tagungen geschaffen wurde! Einen einzigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie können den Beweis dafür nicht antreten, aber Sie müssen sich dort verantworten, wo Sie durch maßloses Zugreifen in die Budgets Arbeitsplätze ruinieren – zum Beispiel bei der Post, wo Sie jahrelang die Dividenden beziehungsweise Erträge "abgeholt" haben und nunmehr anläßlich der Privatisierung 9 000 Mitarbeiter hinauswerfen müssen. Und dann sagen Sie: Das ist jetzt die Privatisierung der neuen österreichischen Art! – Ich gratuliere dazu! Die Zeche für diese miese Politik, die Sie in einer Art und Weise betreiben, in der Sie sich immer selbstherrlicher darstellen


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und immer selbstgefälliger werden, muß der einzelne Arbeitnehmer zahlen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da gibt es keine Diskussion über die Privilegien der Regierungsmitglieder. Da wird ein Bezügegesetz beschlossen, das dem Herrn Bundeskanzler ein Plus in der Höhe von 1 Million Schilling im Jahr bringt. Das ist alles selbstverständlich. Der Österreichische Gewerkschaftsbund, der viele Monate und Jahre dahingeschlummert hat und noch Mentor von Belastungspaketen der Regierung war, ist jetzt in sich so zerstritten, daß er nicht einmal mehr Zeit hat, sich der Interessen der Arbeitnehmer anzunehmen.

Die Arbeiterkammer, die auch die Pflicht hätte, in sozial schwierigen Zeiten, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit endlich einmal aktiv zu werden, ergeht sich auch im parteipolitischen Denken – bis hin zu Herrn Kaufmann, der jetzt anscheinend der einzige ist, der auf seine Privilegien verzichtet. Denn wenn er aus der Arbeiterkammer als Direktor und als Nationalratsabgeordneter ausscheidet, ist er der erste, der als Klubobmann der SPÖ in Niederösterreich ein geringeres Einkommen hat. Er ist der einzige, der einen Beitrag leistet, denn bisher hatte dieser Kammerdirektor ein Einkommen in der Höhe des Herrn Bundeskanzlers.

Daß Sie sich nicht schämen in einer Zeit, in der in dieser Republik die Einkommen von 40 Prozent der Arbeiterinnen unter 6 200 S im Monat liegen! Das ist die Sozialpolitik der Sozialdemokraten, die jetzt schon viele Jahre anhält! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben es geschafft, in Ihrer Regierungsverantwortung, 300 000 Beschäftigungslose zu produzieren. Sie schaffen es nach wie vor, Ihre eigenen Interessen – trotz des Falles Praschak – in einer unverschämten Weise durchzusetzen.

Ich werde Ihnen jetzt ein Beispiel sagen: Da interveniert der Landeshauptmann von Oberösterreich, da interveniert der Landeshauptmann von Salzburg, und da interveniert die Landeshauptfrau der Steiermark um einen einzigen Vorstandsposten bei der ÖSAG in dieser Republik. Da laufen die Telefone heiß, damit dieser eine Posten wieder schwarz besetzt werden kann. Ich würde mir wünschen, daß diese Landeshauptleute die Telefone einmal heißlaufen lassen würden für Posten für Arbeiter und Angestellte in dieser Republik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Jetzt werde ich Ihnen eines der "tiefsten" Beispiele provinziellen Postenschachers nennen: Da gibt es einen Bürgermeister Kraxner in der Bezirkshauptstadt Wolfsberg, der zurücktritt. Und siehe da, mit dem Rücktritt wird dieser Bürgermeister Kraxner wiederum in den Dienst der Gebietskrankenkasse als Kontrollarzt übernommen. Aber er ist im Krankenstand. Dieser besagte Bürgermeister ist vom 15. Dezember 1997 bis 18. März 1998 im Krankenstand. Warum bis 18. März? – Weil er als Aufsichtsratsvorsitzender der Landeskrankenanstalten Kärnten am 20. März die Nachbesetzung des Krankenhausmanagers zu veranlassen hatte. Und damit die Mehrheitsverhältnisse in diesem Aufsichtsrat stimmen, wird er rückwirkend wieder gesundgeschrieben, denn in Wirklichkeit war er am Tag der Aufsichtsratssitzung noch im Krankenstand. (Abg. Mag. Steindl: Was hat das mit der Beschäftigungspolitik zu tun?) Als das eine heimische Zeitung entdeckt hat, war die Hölle los, und dann wurde er rückwirkend gesundgeschrieben. – Da wird alles in Bewegung gesetzt!

Dieser Kontrollarzt, der an und für sich darüber entscheidet, ob jemand in Krankenstand gehen kann, ob jemand in Pension gehen kann, richtet es sich selbst. (Abg. Schaffenrath: Was hat das mit der Beschäftigung zu tun? – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Ein fester Roter, ein SPÖler natürlich. Wer würde sonst in einer Gebietskrankenkasse in Kärnten eine Position bekommen? Das ist noch eine lupenreine Geschichte des parteipolitischen Denkens.

Das sind die Sachen, die die Menschen ärgern, und Sie wollen nicht, daß wir das auch veröffentlichen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Schön reden für Brüssel, aber intern nur ja keine Schwierigkeiten! – Ich sage Ihnen eines: Das ist falsches Denken! Das ist falsches und verantwortungsloses Denken! Geben Sie es doch ehrlich zu, daß auch Sie mit dieser Situation nicht zufrieden sind!


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Es kann doch nicht so sein, daß alles nur den Maastricht-Kriterien untergeordnet wird. Hier wird immer wieder erzählt, daß wir die Besten sind, aber in Wirklichkeit bekommen wir wieder einmal einen Rüffel, weil wir zuviel Schulden haben. Das ist die Sensation: Es wird doch immer wieder betont, wir seien international erstklassig, aber es gibt 300 000 Beschäftigungslose, die auf Lösungen warten. Ich erwarte mir keine Unterschriftenaktionen vom Gewerkschaftsbund wegen der Sonntagsarbeit, denn hätten Sie voriges Jahr das Gesetz nicht beschlossen, daß am Sonntag geöffnet werden kann, bräuchten wir keine Unterschriftenaktionen, lieber Kollege Feurstein. Das sind die Probleme. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie machen den Arbeitnehmern zusätzliche Probleme. Alleinerziehende Mütter werden am Sonntag arbeiten gehen. Wo sind die offenen Kindergärten? – Es ist wirklich abenteuerlich.

Sie alle glauben, Sie haben die Lösungen parat. In Wirklichkeit – das wissen Sie, und das ersieht man aus den Statistiken – sinken die Einkommen, wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit, und es gibt 214 000 Frühpensionisten. Das gab es noch nie. Das ist Ihre Sozialpolitik. Können Sie das weiterhin verantworten? Aber alles, was Oppositionspolitiker in diesem Land zu sagen haben, wird abgetan. All das ist unanständig, das tut man nicht in der Öffentlichkeit, da ist man fein, denn wir erfüllen alle Kriterien für ein gemeinsames Europa.

Es gibt viele blamable Unsinnigkeiten, die die beiden Koalitionspartner vom Zaun brechen. Ich habe direkt schon eine Freude daran, weil es zunehmend so ist, daß Mitarbeiter vom Arbeitsmarktservice unsere Freunde werden. Diese kommen schon zu uns und sagen: Bitte helft uns, erlöst uns und befreit uns von den Unsinnigkeiten, die beschlossen werden!

Jetzt werde ich Ihnen etwas sagen: Da gibt es einen Auftrag, daß jede 55jährige weibliche Arbeitslose und jeder 60jährige männliche Arbeitslose eine Arbeitsplatzgarantie für ein Jahr bekommen soll. Na großartig! Da kann man nur sagen, Papier ist geduldig. Reden Sie einmal mit den Praktikern im Arbeitsmarktservice, welche Probleme sie haben, 40jährige noch irgendwohin zu vermitteln. Für solche Unsinnigkeiten werden Zeit, Geld und Papier verwendet und die Mitarbeiter geärgert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das sind keine Alternativen. Lassen Sie doch Alternativen zu! Verfügen Sie kein Denkverbot! Tun Sie nicht immer alles so ab, was von den Oppositionsparteien kommt, insbesondere das, was die Freiheitlichen an sozialen Ideen einbringen! Sie kommen sowieso. Denn wenn es Ihnen zu eng wird, dann kommen überraschenderweise immer wieder Vorschläge, die von uns gemacht wurden, auch in Ihren Überlegungen vor – bis hin zur Reparatur des Notstandshilfegesetzes. Sie sind schon so verlogen ... (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Gaugg! Für den Ausdruck "Sie sind verlogen", erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Aber wichtiger ist noch, daß alle folgenden Redner in der Diktion ein bißchen zurückhaltender sind. – Sie sind am Wort!

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Wenn man ein Gesetz beschließt im Wissen, daß es vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird, und dort hineinschreibt, man bittet um eine 18monatige Korrekturpause, dann hätte man gleich hineinschreiben können: Bitte, dieses Verfassungsgerichtshofsurteil erst nach dem 1. Jänner 2000, denn vorher haben wir kein Geld im Budget. – Das ist nämlich der einzige Grund, Sie wissen das ganz genau. Aber jetzt sind Sie wieder einmal vom Gericht blamiert worden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei der Behandlung der Sozialpolitik in diesem Land treten immer wieder interessante Vorschläge zutage. Da gibt es dieses nationale Beschäftigungspapier – ganz interessant. Es hat insgesamt 38 Seiten. Viel Wert und Inhalt hat es nicht.

Die Bundesregierung verfolgt mit dem nationalen Aktionsplan das Ziel, neue, zusätzliche Arbeit zu schaffen – das ist ganz neu; das hören wir jetzt schon seit zehn Jahren (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen)  –, das Niveau der Arbeitslosigkeit deutlich zu verringern – sensationell; no na –, und zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern beizutragen – ich bin ganz begeistert!


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Was ist denn daran bitte konkret? Das ist geradezu unglaublich. Man versteigt sich sogar zu der Aussage, daß man die öffentlichen Investitionen im Rahmen der bestehenden Vorhaben umsetzen wird. Entschuldigung, aber ich glaube, ich träume! – Das Budget spricht eine andere Sprache.

Man wird den Gebietsschutz bei den freien Berufen aufheben, man wird die Honorarordnung bei Anwälten, Zivilingenieuren, Wirtschaftstreuhändern aufheben.

Man wird weiters, man höre und staune – und das ist eigentlich die Doppelzüngigkeit und auch der Grund, warum ich durchaus der Meinung bin, daß man hin und wieder mit den Herren der Regierungsparteien etwas heftiger diskutieren muß, denn sonst schlafen sie komplett ein (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen); es ist auch ganz interessant, denn damit haben Sie den Beweis angetreten, wie ernst es Ihnen bezüglich Liberalisierung der Medien ist –, das Privatfernsehen zulassen. Auch das ist ein Punkt in diesem Beschäftigungsprogramm!

Ich muß Ihnen sagen, meine sehr geschätzten Damen und Herren, es ist unglaublich, daß Selbstverständlichkeiten, die heute international nicht einmal mehr Thema sind, Inhalt eines Aktionsbeschäftigungsprogrammes sind. Das Interessante ist, daß bei vielen Kapiteln – deshalb haben wir es auch nicht bekommen – die finanzielle Bedeckung fehlt.

Das ist immer lustig! Man hat Ideen, man beabsichtigt eine Steigerung der Beschäftigung, man macht Vorschläge, und dann steht bei der Finanzierung: Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten sagt, das müssen wir noch bereden. – Bei anderen wird die Finanzierung überhaupt völlig offengelassen. Bei der Sozialpolitik unter der Verantwortung von Bundeskanzler Klima hat man schwer versagt, und daher ist er für mich eine große Enttäuschung. Er war der Hoffnungsträger der SPÖ, als er als Bundeskanzler angetreten ist. Heute verliert er sogar in seiner eigenen Gemeinde, weil ihm die Menschen, die ihn näher kennen, noch weniger glauben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Kritik ist zunehmend auch von eigenen Regierungsabgeordneten zu vernehmen, nur trauen sich diese nicht, sie laut zu artikulieren. Zum Beispiel das Lehrlingsbeschäftigungsprogramm verursachte 2 Milliarden Schilling Kosten. Der Effekt war gleich null, weil noch immer 3 500 Jugendliche ohne Beschäftigung sind.

Und die schnoddrigen Antworten der Minister und der Staatssekretäre der Ministerien müssen wir uns nicht gefallen lassen! Nur ein kleines Zitat aus der Beantwortung einer Anfrage an die Frau Sozialministerin Hostasch betreffend Lehrlingsbereich: "Die Zusage, jedem Jugendlichen mindestens ein Ausbildungsangebot zu machen, konnte gegeben werden, weil die Bundesregierung die Leistungsfähigkeit der Dienste des AMS und die Kapazität der Schulen kennt und daher wußte, daß eine solche Zusage realistisch ist." – Das urteilt sich von selbst, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der gestellten Fragen hat sich gemäß § 93 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Herr Staatssekretär zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.20

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundesregierung ist die Frage der Beschäftigung ein zu wichtiges Thema, um für billige Polemik herzuhalten. (Abg. Ing. Reichhold: Haben Sie das auch aufgeschrieben?) Ich werde versuchen, die Daten und Fakten, die der Bundesregierung wichtig sind, zu analysieren.

Tatsache ist nämlich, daß die Arbeitsmarktlage in Österreich im internationalen Vergleich sehr positiv ist: Seit 1990 gibt es in Österreich um 175 000 unselbständig Beschäftigte mehr; das entspricht einem Zuwachs von 6 Prozent. Die Arbeitslosenrate ist die zweitniedrigste in Europa; die Jugendarbeitslosigkeit ist die niedrigste. In einem vom IHS durchgeführten Länder-Ranking, in dem mehrere Indikatoren für die Arbeitsmarktentwicklung zusammengefaßt sind, liegt Österreich sogar an erster Stelle.


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Billige Polemik ist es erst recht, wenn man sich ansieht, welche Faktoren Sie in Ihrer Anfragebegründung als Ursache für die steigende Arbeitslosigkeit ansehen (Abg. Böhacker: Keine Polemik von der Regierungsbank!), zum Beispiel die Verringerung der Karenzzeit um ein halbes Jahr oder der Hinweis auf überzogenen Arbeitnehmerschutz.

Ich will diese Hinweise nicht weiter kommentieren, denn die Bundesregierung hat hier ein anderes Konzept, nämlich eine Politik der seriösen Maßnahmen, eine Politik, die anerkennt, daß wir heute in einer Welt leben, in der ökonomische Zusammenhänge sehr komplex geworden sind, in der es keine Wundermittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gibt (Abg. Mag. Stadler: Das hat der Sinowatz auch gesagt!), eine Politik, die nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird! (Ruf bei den Freiheitlichen: Nur Ausreden!)

Die Beschäftigungspolitik der Bundesregierung wurde im Hohen Haus schon mehrfach vorgetragen, und ich beschränke mich daher auf einige wesentliche Punkte:

Das Beschäftigungsprogramm der Bundesregierung umfaßt konkrete Maßnahmen in neun Bereichen, um Arbeit für Österreich zu schaffen:

Erstens eine europäische Beschäftigungspolitik verwirklichen, zweitens die Infrastruktur ausbauen, drittens Innovationen vorantreiben, viertens einfacher wirtschaften, fünftens die Ausbildung modernisieren, sechstens aktive Arbeitsmarktpolitik forcieren (Abg. Mag. Trattner: Haben Sie das 99er Budget gelesen?), siebentens Exporte stärken, achtens Entscheidungszentren in Österreich erhalten, neuntens neue Wege gehen beim Erschließen neuer Beschäftigungsfelder ebenso wie beim Zulassen neuer Technologien.

Dieses Programm wird systematisch und Punkt für Punkt verwirklicht. (Abg. Haigermoser: Immer wenn es brenzlig wird, kneift der Klima!)

Zu europäischen Ebene: Darüber hinaus hat sich Österreich im Rahmen der Europäischen Union mit großem Nachdruck dafür eingesetzt, daß im EU-Vertrag ein Beschäftigungskapitel verankert wird. Das ist gelungen – obwohl die Verwirklichung eines derartigen Schrittes noch einige Jahre vorher von niemandem für möglich gehalten wurde.

Der Gipfel von Luxemburg, die dort beschlossenen Leitlinien und die jetzt von allen Mitgliedstaaten zu erstellenden Aktionspläne sind ja gerade ein Ergebnis der Einsicht, daß wir das Problem der Arbeitslosigkeit in Europa nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene angehen müssen. Österreich hat zu diesem Umdenkprozeß einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet.

Es ist natürlich auch ein Unsinn, wenn Sie meinen, daß die in Luxemburg verabschiedeten Leitlinien im Gegensatz zur bisherigen Politik der Bundesregierung stehen. Die Leitlinien betonen gerade jene Bereiche, die in der österreichischen Beschäftigungspolitik immer eine besonders wichtige Rolle gespielt haben, zum Beispiel die Frage einer guten Qualifikation für Beschäftigte.

In diesem Zusammenhang daher einige Worte zur Frage der Lehrlingsausbildung: Von Lehrplatzvernichtung kann nach der umfangreichen Initiative des Vorjahres, die erstmals nach 20 Jahren wieder zu mehr Lehrstellen geführt hat, wohl keine Rede sein. Das Gegenteil trifft zu. Mit viel gemeinsamem Engagement von Wirtschaft, Bund, Ländern, Gemeinden und dem AMS ist eine Trendwende gelungen. Weitgehende strukturelle Reformen werden derzeit verhandelt. Österreich ist und bleibt das Land mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend noch ein Punkt, der für die österreichische Wirtschafts- und vor allem für die Beschäftigungspolitik immer von großer Bedeutung war und dem jetzt zunehmend auch in Europa größere Beachtung geschenkt wird. Es handelt sich hiebei um die Rolle der Sozialpartner.


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113. Sitzung / Seite 105

Die Sozialpartner haben ganz wesentlich dazu beitragen, daß sich die Situation des österreichischen Arbeitsmarktes besser darstellt als in anderen Ländern. Durch eine produktivitätsorientierte Einkommenspolitik, große Flexibilität und Konsensbereitschaft in der Arbeitszeitpolitik haben die Sozialpartner ihr Verständnis im wirtschaftlichen Bereich gezeigt und sehr viel zum Erfolg unseres Landes beigetragen. (Abg. Haigermoser: Die Unternehmer, die Arbeitnehmer und die Gewerbetreibenden, von denen reden Sie nicht? Die sind nur ein lästiges Anhängsel!)

Nun zu den einzelnen Fragen:

Zur Frage 1:

Ich verweise in diesem Zusammenhang nochmals auf meine Einleitung und möchte Ihnen folgendes zur Kenntnis bringen: In Österreich beträgt die Arbeitslosigkeit im Jahre 1997 4,4 Prozent und in der EU 10,7 Prozent. Diese positive Entwicklung ergibt sich daraus, daß nicht nur die Zahl der Arbeitslosen, sondern auch die der Beschäftigten gestiegen ist. Trotzdem sieht die Bundesregierung den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit als eine der wichtigsten Aufgaben an und hat daher die eingangs erwähnten beschäftigungspolitischen Maßnahmen ergriffen. (Abg. Böhacker: Ist eh alles paletti!)

Zur Frage 2:

Es entspricht der üblichen Argumentationsweise, komplexe Wirkungszusammenhänge auf den internationalen Märkten, von denen sich Österreich natürlich nicht abkapseln kann, zu simplifizieren. Vielmehr ist richtig, daß in den letzten Jahren die Beschäftigung in Österreich enorm zugenommen hat. Umgelegt auf die Vollbeschäftigungsäquivalente kann Österreich im EU-Vergleich sogar den größten Beschäftigungszuwachs verzeichnen. Auch daran läßt sich der Erfolg der österreichischen Bundesregierung messen.

Umgekehrt ist die steigende Arbeitslosigkeit nicht nur Folge internationaler Konjunkturentwicklungen, sondern vor allem Ausdruck des veränderten Beschäftigungsverhaltens der Unternehmen mit der Folge einer stark zunehmenden Dynamik auf den Arbeitsmärkten. Vermehrte Zu- und Abströme in und aus dem Beschäftigungssystem haben letztlich Auswirkungen auf den jährlichen Durchschnittsbestand an vorgemerkten Arbeitslosen. Gleichzeitig gelingt es Österreich, durch den effektiven Einsatz der aktiven Arbeitsmarktpolitik das Niveau der Arbeitslosigkeit sogar um 0,5 Prozentpunkte – das entspricht rund 20 000 Personen im Jahresschnitt – niedriger zu halten, als es ohne diese Maßnahmen wäre.

Zur Frage 3:

Das "Konzept der neuen Vollbeschäftigung", das übrigens bei verschiedenen Gelegenheiten, auch schon hier im Hohen Haus bei einer ähnlichen Anfragebeantwortung, dargelegt wurde, geht davon aus, daß die Beschäftigungspolitik mittelfristig auf den Umstand einer sich ändernden Struktur auf dem Arbeitsmarkt Rücksicht nehmen muß. Es geht zum Beispiel darum, sowohl neue Konzepte zur Verteilung von Arbeitszeit zu finden als auch neue Arbeitsmöglichkeiten im wachsenden Sektor sozialer und persönlicher Dienste zu schaffen. Dazu gehört auch die Unterstützung von Beschäftigungsmöglichkeiten im gemeinwirtschaftlichen Sektor. Einige diesbezügliche Maßnahmen werden bereits im Aktionsprogramm zur Beschäftigung, das gegenwärtig entwickelt wird, enthalten sein.

Zur Frage 4:

Nach den mir vorliegenden Informationen halte ich diese Behauptung für unzutreffend. Was personalpolitische Entscheidungen betrifft, verweise ich überdies darauf, daß solche Entscheidungen ausschließlich in die Kompetenz der zuständigen Unternehmensorgane fallen.

Zur Frage 5:

Zur Sicherung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wurde in der Arbeitslosenversicherung das Bonus-Malus-System eingeführt. Dies trägt zur Zunahme der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer bei.


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Zur Frage 6:

Was die Arbeitslosigkeit auf Basis von Registerdaten betrifft, ist festzuhalten, daß die jeweiligen Erfassungsmodalitäten vor dem Hintergrund der institutionellen Gegebenheiten in allen Staaten wirksam sind, das heißt, daß auch in anderen Staaten Pensionsvorschußbezieher, Schulungsfälle und andere nicht in der Arbeitslosenstatistik aufscheinen. Generell ist für beim Arbeitsmarktservice vorgemerkte Arbeitslose die Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung und Arbeitsfähigkeit Voraussetzung. Pensionsempfänger und andere sind demnach nicht im Arbeitskräftepotential und folgerichtig auch nicht in der Arbeitslosigkeit erfaßt.

Selbst wenn man die angeführten Personengruppe in die Berechnung miteinbezöge, ergäbe sich bei weitem nicht die in der Anfrage genannte Zahl.

Zur Frage 7:

Eine Studie des Wifo zu den Auswirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion zeigt, daß eine Teilnahme Österreichs an der WWU zum frühestmöglichen Zeitpunkt eindeutige Vorteile bringt, während eine Nichtteilnahme einen Bruch mit der bewährten österreichischen Wirtschaftspolitik mit schwerwiegenden negativen Auswirkungen bedeuten würde.

Durch die Teilnahme Österreichs an der Wirtschafts- und Währungsunion ist das reale Wirtschaftswachstum aufgrund der positiven Rahmenbedingungen wie Stabilität, Wachstum und Beschäftigung um mittelfristig bis zu 2,25 Prozentpunkte höher als bei einer Nichtteilnahme.

Zur Frage 8:

Die Ostöffnung hat der österreichischen Wirtschaft insgesamt Vorteile gebracht. Dies ist vor allem auf die steigenden Nettoexporte Österreichs in die mittel- und osteuropäischen Staaten zurückzuführen. Per Saldo wurden seit der Ostöffnung in Österreich rund 20 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Wissenschaftliche Untersuchungen und Statistiken zeigen, daß die Unternehmen, die in Mittel- und Osteuropa investieren, gleichzeitig auch jene sind, die im Inland ihre Beschäftigung zügig ausweiten. Auslandsinvestitionen in Mittel- und Osteuropa sind daher mittel- und langfristig ein wesentliches Element zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit österreichischer Betriebe und damit auch der Sicherung von Arbeitsplätzen in Österreich. (Abg. Haigermoser: Sie haben die Frage nicht beantwortet!)

Zu den Fragen 9 und 10:

Generell ist davon auszugehen, daß sich der Prozeß der Osterweiterung – gemeinsam mit der Vertiefung der EU-Integration und dem weiteren Zusammenwachsen der Weltwirtschaft als Ganzes – stimulierend und nicht bremsend auf die wirtschaftliche Leistungskraft in Österreich auswirkt. In Österreich orientieren sich aufgrund guter sozialpartnerschaftlicher Tradition die Löhne an der Entwicklung der Leistungskraft.

Die Industrielöhne liegen bei einigen mittel- und osteuropäischen Ländern bei einem Zehntel der österreichischen, in Slowenien bei rund einem Drittel. Entscheidend für die internationale Konkurrenzfähigkeit sind aber die Löhne im Verhältnis zur industriellen Produktivität, die in Österreich viel höher ist. Dies zeigt, daß die internationale Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Industrie gegenüber den Konkurrenten in Osteuropa intakt ist. Das wird auch durch die Handelsbilanz illustriert, die einen beträchtlichen Überschuß zugunsten Österreichs ausweist.

Zur Frage 11:

Der wirtschaftliche Wohlstand liegt zwischen 10 Prozent in der Slowakei und rund einem Drittel in Slowenien gemessen an der österreichischen Wirtschaftsleistung.

Es ist in der Tat so, daß die Einebnung dieses Unterschiedes eine der zentralen Herausforderungen im Prozeß der gesamteuropäischen Integration ist. Es wird darum gehen, die Beitrittskandidaten EU-reif zu machen und dieses Wohlstandsgefälle einzuebnen.


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Zur Frage 12:

Eine Erweiterung der Union muß selbstverständlich gut vorbereitet werden. Das Wohlstandsgefälle zwischen West und Ost, das bislang die Migration von Menschen gefördert hat, muß selbstverständlich verringert werden. Es ist daher zweckmäßig, wenn die Europäische Union diesen Aufholprozeß in den mittel- und osteuropäischen Staaten unterstützt und ihnen dabei Hilfe gewährt.

Andererseits muß es im Interesse der Anrainerländer wie Österreich liegen, daß es bei der Erweiterung Übergangsfristen geben wird, die insbesondere auch bei der Freizügigkeit hinsichtlich der Arbeitnehmer einzufordern sein wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Auf die spezielle Lage der jeweiligen EU-Grenzregionen muß selbstverständlich wie schon in der Vergangenheit Rücksicht genommen werden, und diesbezüglich sind auch die Vorstellungen Österreichs bereits an die Europäische Union weitergeleitet worden. (Abg. Aumayr: Nehmen Sie die Reaktion von Brüssel!) Wir werden versuchen, diese unsere Anliegen in Brüssel auch vehement zu vertreten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Unsere Perspektive für Europa ist also nicht die einer Festung, sondern eines Europa, das den Raum des Wohlstandes und des Friedens auf diesem Kontinent auch im eigenen Interesse sichert. (Abg. Haigermoser: Ein Verlegenheitspascher war das jetzt!)

Zur Frage 13:

Die wichtigsten als österreichische Ballungszentren zu bezeichnenden österreichischen Städte in Tagespendeldistanz zu städtischen Zentren (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) in den mittel- und osteuropäischen Ländern sind Wien, Graz, Klagenfurt und Linz. Ohne die von Österreich zu fordernden Übergangsregeln hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist im Falle eines Beitrittes der mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten insbesondere mit einem Ansteigen der Tagespendler zu rechnen, und deswegen wird auch diese Übergangsfrist einzufordern sein. Diese Übergangsfristen werden zentrales Thema bei den Beitrittsverhandlungen sein.

Zur Frage 14:

Vorab ist festzuhalten, daß die bisherige Erfahrung im Dienstleistungshandel mit den mittel- und osteuropäischen Ländern jedenfalls günstig ist. Die Zahlungsbilanz weist im grenzüberschreitenden Handel mit den potentiellen Beitrittskandidaten einen beständigen Überschuß aus. Dieser Überschuß ist in etwa in einer Größenordnung von 12,6 Milliarden Schilling zu sehen, und ohne diesen positiven Beitrag des Dienstleistungshandels mit den potentiellen Beitrittsländern wäre das Leistungsbilanzdefizit Österreichs um rund ein Viertel höher gewesen.

Eine flächendeckende regionale Analyse der Effekte der Ostöffnung auf die Einzelhandelsentwicklung ist noch zu erarbeiten, es bestehen jedoch empirische Hinweise, daß mit Kaufkraftabflüssen im Bereich des grenzüberschreitenden Einkaufsverkehrs beziehungsweise bei den standortgebundenen arbeitskostenintensiven Dienstleistungen zu rechnen sein wird.

Entsprechende präventive Maßnahmen werden daher in dem von Österreich geforderten Sonderprogramm für Grenzregionen zu den mittel- und osteuropäischen Ländern zu setzen sein. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

Zur Frage 15:

Die Regierungskonferenz von Amsterdam hat bekanntlich im Bereich der Sozial- und Umweltpolitik substantielle Fortschritte erzielt. Das Sozialabkommen wird nunmehr in den Vertrag eingebaut und ist somit für alle Mitgliedstaaten – sowohl für die derzeitigen 15 Mitgliedstaaten als auch für die künftigen Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa – verbindlich. (Abg. Haigermoser: Ja! Oh! Ui!) Damit bestehen wieder einheitliche Rechtsgrundlagen für die Sozialpolitik.


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Die Herstellung einer einheitlichen Rechtsgrundlage für Sozialpolitik bedeutet, daß die Beitrittskandidaten den Acquis ab ihrem Beitritt voll und ganz anzuwenden, aber auch umzusetzen haben. Die Europäische Kommission räumt daher dem Aspekt Arbeit und Soziales im Rahmen der intensiven Heranführungsstrategie besondere Bedeutung ein. Die Beitrittspartnerschaften etwa, in welchen Beschäftigung und Soziales als Priorität festgelegt wurden, verfolgen das Ziel, in den Kandidatenländern bereits vor deren Beitritt die Standards an EU-Normen anzugleichen.

Im Bereich Umwelt wurden durch den Vertrag von Amsterdam die primärrechtlichen Bestimmungen in mehrfacher Hinsicht weiterentwickelt. Dies bedeutet, daß die Beitrittskandidaten ebenfalls gezwungen sind, den bestehenden Acquis zu übernehmen und auch umzusetzen. Ebenso wie im Bereich Soziales widmet die Kommission bereits im Zuge der Beitrittsvorbereitungen den Umweltbelangen große Aufmerksamkeit.

Österreich wird im weiteren Verlauf der Beitrittsverhandlungen die sich bietenden Chancen nutzen. Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß der sozialen Konvergenz große Bedeutung beigemessen wird. Die rasche Annäherung der Kandidatenländer an hohe Sozialstandards ist eine Voraussetzung für die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen. Die Osterweiterung eröffnet eine Chance zur Harmonisierung arbeitsrechtlicher Mindestbestimmungen. Im Bereich Umwelt bietet die Osterweiterung ebenfalls einzigartige Chancen, die Umweltsituation in Mitteleuropa zu verbessern. Die rasche und vollständige Übernahme des Acquis ist daher von zentraler Bedeutung.

Die von der Europäischen Union beschlossene Heranführungsstrategie entspricht den österreichischen Interessen und Anliegen und ist dazu geeignet, bereits im Vorfeld der Erweiterung wesentlich zur frühzeitigen Harmonisierung der Sozial- und Umweltstandards auf dem bestehenden hohen Niveau beizutragen.

Zur Frage 16:

Die Lehrlingsoffensive der Bundesregierung war insbesondere im vorigen Jahr ein besonders großer Erfolg. So wurden 1997 mehr Lehranfänger gezählt als im Jahr davor. Woher Sie Ihre Behauptung nehmen, daß 10 000 Jugendliche ohne Beschäftigung sind, führe ich darauf zurück, daß Sie trotz wiederholter Aufklärung dieses Faktum nicht akzeptieren wollen. Tatsache ist, daß Mitte März 2 472 sofort verfügbaren Lehrstellen 3 337 Lehrstellensuchende gegenüberstanden. (Abg. Haigermoser: Keine Polemik von der Regierungsbank! – Abg. Dr. Khol: Haigermoser, das war der Zwischenruf aus den siebziger Jahren!  – Heiterkeit bei der ÖVP. )

Ich darf darauf hinweisen, daß die Zunahme der verfügbaren Lehrstellen 18 Prozent betragen hat, während die Abnahme der Lehrstellensuchenden zum Vorjahr 21 Prozent betragen hat. Ich meine, daß sich diese Prozentzahlen sehen lassen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 17:

Das Lehrlingspaket wird sinnvollerweise in den Nationalen Aktionsplan zur Beschäftigung integriert. Die Sozialpartnerorganisationen und die zuständigen Ressorts arbeiten zur Zeit unter Hochdruck daran, das Lehrlingspaket fertigzustellen.

Zu den Fragen 18, 19 und 20:

Das differenzierte Förderpaket des AMS hat 1997 bereits den erwähnten Erfolg gehabt. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, daß einzelne Betriebe mit der Beschäftigung von Lehrlingen zuwarten, um öffentliche Förderungen zu lukrieren. Die zuständige Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat deshalb das Arbeitsmarktservice angewiesen, die entsprechenden Förderrichtlinien zu adaptieren und dieses Phänomen abzustellen. (Abg. Böhacker: Wie macht sie das?)

Zur Frage 21:

Die Entwicklung der Planstellen für Jugendliche ist in der Tendenz fallend. Dieser Rückgang der Planstellen ist zu einem erheblichen Teil auf Ausgliederungen – zum Beispiel der ÖBB und der


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Post – zurückzuführen. Abschließend möchte ich jedoch dazu bemerken, daß aufgrund der Lehrlingsinitiative der Bundesregierung für das Jahr 1998 300 zusätzliche Lehrstellen für Lehrlinge im Bundesbetrieb zur Verfügung stehen.

Zur Frage 22:

Die polemischen Feststellungen, die hier getroffen wurden, sind rundweg falsch. Die österreichische Politik ist keineswegs als arbeitsplatzvernichtend anzusehen. Im Gegenteil! Wir werden um unsere im EU-Vergleich sehr günstigen Arbeitsmarktdaten beneidet. Ein wichtiges Ergebnis von Luxemburg war die Einigung auf eine beschäftigungspolitische Leitlinienvorgabe, die von den Mitgliedstaaten in nationale beschäftigungspolitische Aktionspläne umzusetzen sind. Der österreichische Aktionsplan wird am 1. April dem Ministerrat vorgelegt werden.

Zur Frage 23:

Ich bin mir bewußt, daß die Höhe der Lohnnebenkosten gewisse Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Die Lohnnebenkosten dürfen allerdings nicht isoliert beurteilt werden. Wesentlich ist, die Produktivität der Wirtschaft mitzubetrachten. Ein wichtiger Indikator für den Arbeitsmarkt sind neben anderen die Lohnstückkosten. Gerade dabei hat Österreich in den letzten Jahren eine beachtlich positive Entwicklung genommen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Sinne einer weiteren Verstärkung der Bemühungen um den österreichischen Arbeitsmarkt hat der Bundesminister für Finanzen in seinen Aufträgen an die Steuerreformkommission als einen wesentlichen Punkt die Senkung der Steuerbelastung des Faktors Arbeit als Zielpunkt vorgegeben.

Was einen dritten niedrigeren Steuersatz für arbeitsintensive Dienstleistungen anlangt, so nehme ich – und übrigens auch der Herr Finanzminister – dazu eine skeptische Haltung ein. Realistisch betrachtet stünden die Kosten einer solchen Maßnahme in einem nicht sehr günstigen Verhältnis zu den eher als schwach und unsicher anzunehmenden Effekten auf Beschäftigung. Diese Vorschläge sind rechnerisch nicht wirklich nachvollziehbar. Insgesamt ergibt sich aber, daß der dritte Umsatzsteuersatz eine Maßnahme wäre, die wesentlich teurer käme als eine vergleichbare Beschäftigungsförderung. Nicht zuletzt sollte auch daran gedacht werden, daß die Einführung eines dritten Umsatzsteuersatzes eine beachtliche Komplizierung des Steuerrechts mit sich brächte.

Zur Frage 24:

Ich wiederhole, daß die steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit ein spezieller Schwerpunkt der in Auftrag gegebenen Steuerreform sein wird. Trotzdem muß ich aber hier betonen, daß es keine starre Korrelation zwischen Arbeitslosenrate und Lohnnebenkosten gibt. Eine viel größere Bedeutung haben, wie bereits erwähnt, die Lohnstückkosten, bei denen Österreich im internationalen Vergleich eine hervorragende Position einnimmt.

Zur Frage 25:

Der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben des Bundes am BIP wird im Jahr 1998 rund 0,64 Prozent betragen. Das ist gegenüber 1997 eine Steigerung um rund 3,2 Prozent.

Zur Frage 26:

Im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes zur Beschäftigung werden unter dem Titel der Förderung von Unternehmensgründungen auch weitere Liberalisierungsschritte diskutiert. Eine endgültige Darstellung dieser Maßnahmen wird ebenfalls im Nationalen Aktionsplan erfolgen, der in den kommenden Wochen veröffentlicht wird.

Zur Frage 27:

Ich darf dazu auf die Beantwortung unter Frage 29 verweisen.


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Zur Frage 28:

Ich darf Sie erinnern, daß die letzte Steuerreform im Jahre 1994 in Kraft getreten ist. Diese Steuerreform wurde damals auch international als beispielhaft anerkannt. Ich bin nicht in der Lage, zu erkennen, warum bereits vier Jahre nach der letzten Steuerreform davon gesprochen werden kann, die nächste sei schon längst fällig. (Abg. Haigermoser: Das ist ja peinlich, was Sie sagen! In einem Satz widersprechen Sie sich dreimal!) Dabei ist auch zu bedenken, daß das Steuerrecht im Hinblick auf die Bemühungen um Rechtssicherheit nicht durch ständige Änderungen unübersichtlich werden sollte. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Diese Ansicht teilen meines Wissens auch Abgeordnete Ihrer Fraktion. Ich halte den beabsichtigten Zeitraum zwischen der letzten Steuerreform und der Steuerreform 2000 für durchaus angemessen, insbesondere im Hinblick auf die geringe Inflationsrate in den letzten Jahren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Im übrigen möchte ich Sie daran erinnern, daß mit 1. Jänner 1999 die erste Etappe der Familiensteuerreform in Kraft tritt. Es werden davon rund 5 Millionen Menschen profitieren, nämlich die Haushalte, in denen Kinder leben. Es wird also mit diesem Datum eine Entlastung für einen großen Teil der Bevölkerung geben.

Zu den Fragen 27 und 29:

Der Bundesminister für Finanzen hat im April des Vorjahres die Steuerreformkommission mit dem Auftrag einberufen, das österreichische Steuersystem zu überprüfen und eine Steuerreform für das Jahr 2000 vorzubereiten. Der Bundesminister für Finanzen hat seinen Arbeitsaufträgen an die Kommission klare Hauptziele mitgegeben, nämlich die steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit, die Überprüfung der Kapitalbesteuerung, eine Ökologisierung des Steuersystems sowie die Konvergenzkompatibilität dieser Steuerreform. Bis zum Herbst 1998 sollen dazu die ersten Vorschläge gemacht werden, und es besteht kein Anlaß, von diesem Terminplan abzuweichen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Staatssekretär.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Die Redezeiten in der Debatte betragen 10 Minuten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, Sie hatten die Freundlichkeit, die Argumente des freiheitlichen Sprechers als "Unsinn" zu bezeichnen, weil er gewagt hat, die erfolgreiche Beschäftigungspolitik der Bundesregierung in Zweifel zu ziehen. Ich darf darauf verweisen, daß Sie absolut falsch liegen, wenn Sie glauben, man müsse die Arbeitslosenrate bejubeln. Denn wenn Sie alle dazurechnen, die Sie wegen langer Arbeitslosigkeit in die Frühpension schicken (Abg. Dr. Fuhrmann: Wer macht das?), wenn Sie jene dazurechnen, die in Umschulungen sind, die in Arbeitsstiftungen sind, weil ihre Betriebe eingegangen sind, sie keine Arbeitsplätze mehr haben und sozusagen geparkt sind, bis man wieder etwas für sie findet, wenn Sie die jungen Menschen dazurechnen, die von der Schule abgehen, noch nie gearbeitet haben und daher in der Arbeitslosenstatistik nicht aufscheinen, dann kommen Sie auch laut Wirtschaftsforschungsinstitut auf eine Arbeitslosenrate von nicht 300 000, sondern mehr als 600 000 Menschen – und das sind 16 Prozent und wahrlich kein Ruhmesblatt Ihrer Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum zweiten haben Sie gesagt, unsere Argumente seien ein Unsinn, weil Sie keine Arbeitsplätze vernichten. – Ich erinnere nur daran, daß Sie uns beim EU-Beitritt 50 000 neue Arbeitsplätze versprochen haben. In der Zwischenzeit publizieren selbst Ihnen freundlich gesinnte Zeitungen, daß seit dem EU-Beitritt Tausende Arbeitsplätze – konkret mehr als 50 000 – verlorengegangen sind. In der "Kleinen Zeitung" etwa heißt es: 50 000 neue Arbeitsplätze waren nur ein EU-Märchen. – Das dürfte Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit entgangen sein.


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Das heißt, Sie können sich nicht für etwas ein Federl auf den Hut stecken, was in Wirklichkeit nicht stattgefunden hat. Wir verlangen daher in unserer Verantwortung für die vielen Menschen, die sich Sorgen machen, daß immer weniger Arbeit zur Verfügung steht, daß immer mehr Menschen beschäftigungslos werden, daß immer mehr versteckt werden müssen mit ihrer Arbeitslosigkeit, von Ihnen konkretere Antworten und klare Konzepte, wie Sie dieses Problem bewältigen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn Ihre Politik, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, ist ja nicht sehr überzeugend. (Abg. Schwemlein: Viele Arbeitsplätze haben Sie aber auch noch nicht geschaffen!) In einem Interview mit dem früheren Generaldirektor des "Konsum" sagte dieser: Als es um die 15 000 Arbeitsplätze der "Konsum"-Mitarbeiter gegangen ist, hätte die Bank Austria die Finanzierung gemacht, aber der ÖGB legte sich quer, weil ein Verkauf von BAWAG-Aktien ohne Zustimmung des ÖGB nicht möglich gewesen ist und nicht erfolgen darf. – Das heißt, für den ÖGB waren die Bank und die Aktien wichtiger als die Menschen und die Arbeitsplätze. (Abg. Mag. Stadler: So ist es!) Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler, der ja offenbar bei diesem so brisanten Thema immer wieder kneift, weil er außer großen Ankündigungen bei seiner Regierungserklärung bis zur Stunde die Antworten darauf schuldig geblieben ist, hat gesagt, man muß für ältere Arbeitnehmer mehr Arbeitsplätze schaffen. – Genau dort, wo er verantwortlich ist, baut man ältere Arbeitnehmer ab: bei der Post, bei der Eisenbahn. Das sind alles Staatsbetriebe, ob sie jetzt ausgegliedert sind oder nicht: bei der Post 9 500 Leute, bei der Eisenbahn über 8 000 Leute.

Man baut auch bei den Österreichischen Bundesforsten ab. Ich habe hier einen interessanten Artikel aus den "Salzburger Nachrichten" von vor einigen Tagen. Man sieht ein Foto des lachenden Landwirtschaftsministers Molterer mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Österreichischen Bundesforste AG, und unter dem Bild steht: Beide freuen sich über die Sonderdividende von 700 Millionen Schilling, die in den Staatskassen klingeln wird, und daß das Unternehmenskonzept unter Dach und Fach ist. Und daneben liest man, was das Unternehmenskonzept bedeutet: Die Reihen in den Bundesforsten lichten sich. Alle Menschen über 50 Jahre werden zwangsweise abgebaut.

So sieht also das Versprechen des Herrn Bundeskanzlers Klima aus, den älteren Arbeitnehmern Schutz zu bieten und ihnen zu helfen! Dasselbe haben wir bei der Post, wo sogar Rundschreiben herumgereicht werden, in denen Herr Ditz, früherer Wirtschaftsminister und Superstar der ÖVP, sagt, er wird all jenen Mitarbeitern besonderes Augenmerk zuwenden, die bereit sind, das Personalabbaumodell, das die Führungskräfte vorgelegt haben, zu verfolgen. Man bekennt sich dazu, daß für den Einsatz für das Personalabbaumodell in der Zukunft im Unternehmen für jene Platz sein wird, die am meisten Leute abbauen. – Eine tolle Politik, die Sie uns vormachen, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Zynismus pur!)

Ich bin nun aufgrund dessen, was Sie, Herr Staatssekretär, uns heute über die EU-Osterweiterung gesagt haben, restlos verwirrt, was nun die Position der Bundesregierung ist. Sie sagen, die Osterweiterung hat Chancen gebracht, tut der österreichischen Wirtschaft gut, ist wichtig für die Zukunft, man kann mit Optimismus darangehen. Dabei hat Ihr eigener Bundeskanzler, also Ihr Vorgesetzter, vor wenigen Wochen einen Brief an den EU-Präsidenten Santer geschrieben, worin er auf die Gefahr einer Destabilisierung der Arbeits- und Gütermärkte bei der Osterweiterung hinweist. In Österreich könne das in der Folge zu Betriebsverlagerungen, Arbeitsplatzverlusten, Gefährdung der Nahversorgung in den ländlichen Grenzregionen, Arbeitsmigration und Ausverkauf der heimischen Unternehmen führen.

Er führt dann eine Reihe von Beispielen an, warum diese Gefahr so groß ist: weil die Lohndifferenz so groß ist, weil hinsichtlich der Wirtschaftskraft eine Differenz von neun zu eins besteht, weil eine Lohndifferenz von 10 bis 15 Prozent in den Entwicklungsländern besteht, weil die ländlich-peripheren Regionen den Wettbewerb nicht aushalten werden, weil die erwartete Strukturanpassung Druck auf den österreichischen Arbeitsmarkt machen wird und Arbeits


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pendler zu Tausenden nach Österreich kommen werden, um die heimischen Arbeitskräfte zu verdrängen. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!)

Nach all dem, was der Herr Bundeskanzler geschrieben hat, haben Sie die Stirn, hierherzukommen und das Parlament bewußt zu belügen, indem Sie etwas ganz anderes erklären, als im Brief des Bundeskanzlers drinnensteht! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist ein offizielles Dokument, meine Damen und Herren! Das ist ein offizielles Dokument der österreichischen Bundesregierung. Das ist der Brief des Herrn Bundeskanzlers, und Sie können jetzt mit Ordnungsrufen und was immer hantieren, ich bleibe dabei: Dieser Staatssekretär belügt das Parlament einfach rigoros (Beifall bei den Freiheitlichen), im Gegensatz zu dem, was ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, den Sie außerdem provoziert haben, und ich bitte Sie, Ihre Ausführungen fortzusetzen im Sinne gemeinsamer Überlegungen, die wir oft anstellen. (Abg. Dr. Maitz: Der Miesmacher vom Dienst!)

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Ich habe das geschäftsordnungsmäßige Recht, darauf hinzuweisen, und es ist interessant, daß es die ÖVP nicht aufregt. Ihr Landeshauptmann Pröll hat ebenfalls darauf hingewiesen, welche Gefahren bestehen. Aber kaum sind die Wahlen vorbei, sitzen Sie hier herinnen und verteidigen wieder die Öffnung um jeden Preis, damit Arbeitsplätze zugrunde gehen, die Wirtschaft zusperren muß und wir Tausende Menschen als Einpendler nach Österreich hereinbekommen. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren! Das haben wir heute von diesem Herrn gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher, meine Damen und Herren, sage ich Ihnen: Sie werden auch in den anderen Fragen nicht erfolgreich sein. Die Osterweiterung ist ein Musterbeispiel dafür, wie mit gespaltener Zunge gesprochen wird.

Das trifft auch auf die Lehrlingsfrage zu. Herr Staatssekretär, Sie sagen, Sie wissen nicht, wie wir auf 10 000 arbeitslose Lehrlinge kommen. Das kann ich Ihnen schon sagen: 7 600 Lehrlinge waren in der abgelaufenen Periode nicht auf einem Lehrplatz unterzubringen, sondern sind in Schulen geschickt worden. Das heißt, sie suchen jetzt einen Lehrplatz. Und weitere 3 500 suchen laut Wirtschaftsforschungsinstitut noch immer. Damit sind wir also schon bei über 10 000, und im Sommer werden noch einmal 96 000 junge Menschen von den Schulen abgehen und Lehrplätze suchen.

Sie haben jedoch alles Geld der Arbeitsmarktverwaltung bereits ausgegeben und haben keine Munition mehr, um den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit wirklich zu führen. Das ist es, was wir Ihnen vorwerfen: daß Sie hier eine Scharlatanerie erster Ordnung betreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher sagen wir: Erstens wäre es wichtig, einen 30prozentigen Ausbildungsfreibetrag für die Betriebe zu schaffen, damit Kosten wegfallen. Niedrige Kosten heißt mehr Lehrplätze für die österreichische Jugend. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum zweiten: Die Berufsschule muß dringend reformiert werden. Warum wehren Sie sich dagegen, daß die Berufsschulen den modernen Gesichtspunkten angepaßt werden? Ich habe einen Betrieb besucht, Felten & Guilleaume in Gmünd, wo mir gesagt wurde: Die Lehrlinge, die hier hochspezialisiert ausgebildet werden, arbeiten in der Berufsschule an veralteten Maschinen. Die Berufsschule soll zu uns kommen und hier produzieren. – Das alles verschlafen Sie und wundern sich, daß der Facharbeiterstand in Österreich zugrunde geht mit dieser Art der Politik. Daher haben Sie hier dringenden Handlungsbedarf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär, der Sie den Herrn Bundeskanzler vertreten (Abg. Koppler: Der Messias!): Sie haben auch die Frage der Lohnnebenkosten angezogen, was die Arbeitsplätze betrifft. Na selbstverständlich! Aber wer hat denn bei der letzten Steuerreform eine neue Kommunalabgabe geschaffen, die als neue Arbeitskostenbelastung auszuweisen ist? Die Kommunalabgabe ist nichts anderes als die alte Lohnsummensteuer plus 50 Prozent. Und das nennen Sie Entlastung


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des Faktors Arbeit? Da müssen Sie alle noch nachsitzen in der Schule und lernen, wie man die Arbeitskosten wirklich entlastet, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Daher sagen wir Ihnen: Es geht, Herr Staatssekretär, nicht darum, Sie anzuagitieren, daß Sie nichts weiterbringen, sondern darum, daß Sie endlich konkrete Maßnahmen setzen, indem Sie ein Steuersenkungspaket vorlegen, das der österreichischen Wirtschaft Hoffnung gibt, das Arbeitsplätze sichert und das den jungen Menschen die Chance gibt, wieder ohne Subventionen ausreichend ausgebildet zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Stadler gemeldet. – Bitte.

15.58

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Der Herr Staatssekretär hat in seiner Anfragebeantwortung zumindest zu den Fragen 8 bis 15 der Dringlichen Anfrage, wie das soeben von Kollegen Klubobmann Dr. Haider verlesene Dokument, nämlich das Schreiben des Bundeskanzlers an den Kommissionsvorsitzenden Jacques Santer, beweist, dem Parlament die Unwahrheit gesagt. Ich möchte dahingestellt sein lassen, ob aus Ahnungslosigkeit, wie wir früher immer geglaubt haben, oder bewußt, wie wir jetzt annehmen.

Herr Präsident! Angesichts dieses Sachverhaltes und angesichts der unglaublichen Vorgangsweise des Herrn Staatssekretärs ersuche ich unter Hinweis auf § 18 der Geschäftsordnung – ich stelle auch gleichzeitig einen diesbezüglichen Antrag –, die Anwesenheit des ressortverantwortlichen Bundeskanzlers zu verlangen.

Ich ersuche Sie ferner, Herr Präsident, über diesen Antrag eine kurze Debatte zuzulassen oder, falls Sie anders entscheiden und diese Debatte nicht zulassen, eine kurze Präsidiale anzuberaumen. Ich glaube, kein Parlament der demokratischen Welt kann es akzeptieren, von einem Regierungsmitglied eklatant falsch, bewußt falsch informiert zu werden, wie das heute angesichts des vorliegenden Dokuments geschehen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka gemeldet. – Bitte.

15.59

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Diese Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung ist unter Mißbrauch der Geschäftsordnung der offensichtliche Versuch der Skandalisierung einer korrekten Anfragebeantwortung. Ich möchte das mit allem Nachdruck zurückweisen! (Abg. Mag. Stadler: Das ist Mißbrauch!)

Es ist hier eine Antwort im Rahmen der Geschäftsordnung erfolgt. (Abg. Madl: Das ist falsch!) Ich sehe keinen Grund, warum ein Mitglied der Bundesregierung, das gehörig vertreten ist, herbeizitiert werden soll, und ich muß mit allem Nachdruck die Versuche der Freiheitlichen Fraktion zurückweisen, hier zu skandalisieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Khol vor. – Bitte.

16.00

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Auch die Volkspartei ist der Ansicht, daß die Anfragebeantwortung korrekt war, und sie stimmt weder einer Präsidiale noch einer Zitation zu. ("Nein!"-Rufe bei den Freiheitlichen.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Mag. Stadler hat einen Antrag gestellt. Der Antrag auf Beschluß des Nationalrates, die Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes zu verlangen, ist geschäftsordnungskonform. Mindestens acht oder zehn solcher Anträge hat es in den letzten fünf Jahren gegeben. Ich halte sie für zulässig und werde die gleiche Prozedur einhalten, die wir bei solchen Anträgen bisher immer eingehalten haben. Ich sehe keinen Grund, von dieser Prozedur abzuweichen. Ich bitte daher, sich auf eine Abstimmung vorzubereiten.

Wir stimmen ab über den Antrag des Herrn Klubobmannes Mag. Stadler, in dieser Debatte sofort die Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers zu verlangen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte.

16.01

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Grundsätzlich möchte ich derartige Unterstellungen zurückweisen. (Abg. Mag. Stadler: Das läßt sich beweisen!) Den Brief, den Sie zitiert haben, haben Sie natürlich wieder einmal unvollständig zitiert. Auf Seite 3 ist der Handlungsbedarf nach Analyse dieser Vorgaben angeführt. Der Handlungsbedarf, der in diesem Brief angeführt ist, deckt sich mit der Beantwortung der Fragen 8 bis 15. Dasselbe Maßnahmenpaket, das hier angeführt wird, wurde von mir auch in der Anfragebeantwortung angeführt. (Abg. Mag. Stadler: Geben Sie uns Ihre Lesevorlage, dann werden wir es Ihnen beweisen!)

Ich möchte hinzufügen, daß es nicht darum geht, die Bevölkerung mit etwaigen Skandalisierungen beziehungsweise Angstmache in bezug auf eine Osterweiterung zu verunsichern, sondern es geht darum, konkrete Maßnahmen zu treffen und einzufordern, wie eine Ostöffnung stattfinden kann. (Abg. Mag. Stadler:  ... bevor Sie wieder eine Leseübung machen!) Das heißt, man wird Maßnahmen der Europäischen Union einfordern, die zur Vorbereitung für eine Osterweiterung durchzuführen sind, und man wird Maßnahmen der Beitrittsländer einfordern, damit sie sich EU-reif machen. (Abg. Dr. Haider: Was wollen Sie konkret?)

Wir sind am Beginn eines Verhandlungsprozesses. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß auch Österreich über fünf Jahre lang Verhandlungen geführt hat, bis es nach dem Ansuchen der EU beitreten konnte, und daß sich in diesen fünf Jahren sehr viel verändert hat. Man wird die Vorgaben gemäß den Kopenhagener Kriterien genau einzuhalten haben, damit überhaupt ein Beitritt erfolgen kann. Weiters wird Österreich seine Bedingungen für die Unterstützung der Regionen an der Ostgrenze bei der Europäischen Union vortragen und versuchen, sie durchzusetzen. Wir sind auf einem ... (Abg. Böhacker: Die sind ja abgelehnt worden! – Abg. Mag. Stadler: Setzen! Nicht genügend! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wir stehen am Beginn eines Verhandlungsprozesses. Wir werden sicherlich eine dieser Maßnahmen am Ende der Verhandlungen nach Hause bringen. Ich bin überzeugt davon, daß derartige Maßnahmen getroffen werden. (Abg. Böhacker: So eine Ahnungslosigkeit!) Eine weitere Maßnahme, die eingefordert wird, ist (Abg. Böhacker: Totale Ahnungslosigkeit!), daß es insbesondere bei der freien Arbeitsplatzwahl zu Übergangsfristen kommen muß. (Abg. Dr. Haider: Reden Sie sich in keinen Wirbel hinein!) Auch das ist ein Kriterium, das in die Verhandlungen eingebracht werden wird.

Abschließend daher: Einerseits Vorbereitung der Europäischen Union auf eine etwaige Osterweiterung, andererseits Vorbereitung der Beitrittsländer auf eine Erweiterung. Das heißt, die dort noch nicht erfüllten Standards anzuheben beziehungsweise diese Länder an die Erfüllung der Kriterien heranzuführen. Dazu gibt es eine Vor-Beitrittsstrategie. Es sind aber auch österreichische Interessen in die Verhandlungen einzubringen und entsprechende Übergangsfristen zu verlangen. Nichts anderes wurde in der Anfragebeantwortung gesagt. Das ist die Schlußfolgerung aus der Analyse dieses Papiers, das Sie, Herr Abgeordneter Haider, nur teilweise


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zitiert haben. Sie haben nämlich nur die Analyse zitiert, aber auf die Schlußfolgerungen bewußt verzichtet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Nein! Genau das, was passiert!)

In diesem Sinne gibt es eine einheitliche Meinung der österreichischen Bundesregierung zu Maßnahmen der Europäischen Union und seitens der Beitrittsländer. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Böhacker: Jetzt haben wir gehört, was Sache ist!)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Franz Hums. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.05

Abgeordneter Franz Hums (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Einleitend möchte ich mich bei Herrn Klubobmann Dr. Haider sehr herzlich dafür bedanken, daß er hier den Brief des Herrn Bundeskanzlers an die EU, an Santer zitiert hat. Denn dieser Brief beweist ganz genau, daß der Herr Bundeskanzler vorausschauend alles unternimmt, damit die künftige Osterweiterung nicht zu Lasten der österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitsplätze geht. Daher war das eigentlich eine sehr gute Angelegenheit für die Sozialdemokratische Partei. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Dem Santer die Wahrheit sagen – und uns anschwindeln!)

Niemand hätte glaubwürdiger hier vorbringen können, daß der Herr Bundeskanzler jetzt schon dafür eintritt, daß mit der Osterweiterung sehr wohl Chancen im Osten genützt und Risken ausgeschlossen werden. (Abg. Dr. Haider: Die Österreicher dürfen die Wahrheit nicht erfahren!) Aber nicht zu Lasten von Arbeitsplätzen! Denn es wird im Laufe der Beitrittsverhandlungen eine Reihe von Maßnahmen geben, damit wir in Österreich unsere Arbeitsplätze absichern. (Abg. Dr. Haider: Ihr habt ja schon mit der Vernichtung angefangen!) Bisher hat die Osterweiterung netto 40 000 Arbeitsplätze in Österreich gebracht. Daher ist es unsinnig, ständig zu verunsichern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Haider! Eine Opposition, die zeitgerecht auf irgend etwas aufmerksam machen will – völlig in Ordnung; eine Opposition, die hart kritisiert –, halte ich für völlig in Ordnung. Aber ich habe manchmal den Eindruck, Sie sind hier gern der Geist, der stets verneint. Und das kann es nicht sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Nein zur Osterweiterung, ja zu Arbeitsplätzen!)

Gehen wir doch gemeinsam den Weg, Arbeitsplätze zu sichern! Es kann doch niemand wegdiskutieren, daß weltweit die rasante technische Entwicklung, die Veränderung der wirtschaftspolitischen Situation auf internationalem Gebiet alle Staaten der Welt gefordert hat, Maßnahmen zu treffen, um Arbeitsplätze zu sichern. (Abg. Dr. Haider: Nein zur Osterweiterung, ja zu Arbeitsplätzen! – Abg. Haigermoser: Maßnahmen setzen! Steuerreform!)

Die Sozialdemokraten haben nicht nur unter dem jetzigen Bundeskanzler, sondern auch unter allen Vorgängern, auf allen Ebenen immer danach getrachtet (Abg. Dr. Haider: Gar nichts macht ihr!), Vollbeschäftigung in Österreich zu sichern. (Abg. Dr. Haider: Und wo sind wir?) Glauben Sie denn, ohne diese Maßnahmen wäre es gelungen, daß Österreich das Verdienst hat, innerhalb der EU mit Luxemburg zu den Staaten mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit zu gehören? – Der größte Dank, die größte Anerkennung dafür gilt den Österreicherinnen und Österreichern. Mit ihrem Können, mit ihrem Fleiß sind sie es, die die hohe Wettbewerbsfähigkeit in der Welt sichern. Ihnen gilt der erste Dank, sie sind es. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ohne die geschickten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung, heuer und in den vergangenen Jahren, wäre es nicht möglich gewesen, daß wir diese exzellenten Daten haben, exzellente Daten, die uns jedoch nicht beruhigen. Denn unser Ziel ist weiterhin die Vollbeschäftigung, aber, Herr Dr. Haider: Vollbeschäftigung mit Wohlstand und sozialer Absicherung für alle. (Abg. Dr. Haider: Ihr habt es versprochen!) Aber in Ihrem Antrag steht schon wieder: Wir stören die Vollbeschäftigung, weil wir die allgemeine Sozialversicherungspflicht für alle Beschäftigungen wollen. (Abg. Dr. Haider: Kein Konzept!) Wären Sie denn wirklich dafür, daß


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mehr und mehr ausgegrenzt werden und nicht in der sozialen Sicherheit drinnen sind? – Eine solche Arbeitsplatzpolitik möchten wir nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie treten dafür ein – in den vorigen Debatten unter dem Titel "Lohnnebenkostensenkung" –, beispielsweise Pensionsbeiträge zu senken und dafür eine von Ihnen patentierte private Pensionsversicherung als Ersatz einzuführen, aber das kann nicht unser Ziel sein! Wenn Sie jetzt – das sage ich als Eisenbahner – hier bedauern, daß Arbeitsplätze auch im Bereich der Eisenbahn verschwinden, dann wird das niemand in höherem Maße leid tun als uns, das ist keine Frage. Aber der technische Fortschritt erfordert auch dort Veränderungen. Nur eines, Herr Dr. Haider ... (Abg. Dr. Haider: Ihr habt doch den Leuten etwas anderes versprochen!)

Nie habe ich versprochen, daß keine Rationalisierungen kommen werden! (Abg. Dr. Haider: Doch! Bei der Post!) Da können Sie alle meine Reden als Gewerkschafter lesen. Wenn ich aber Ihre Reden lese, in denen Sie noch verlangt haben, daß man in der verstaatlichten Industrie alle Betriebe, die nicht ertragreich sind, schließen soll, dann weiß ich: Donawitz wäre nach Ihrer Arbeitsplatzpolitik längst geschlossen. (Abg. Dr. Haider: Und ihr müßt es machen!) Das vergessen manche wieder, aber wir werden es nicht vergessen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihnen konnte die Rationalisierung bei der Eisenbahn gar nicht schnell genug gehen. Nur versuchen Sie jetzt plötzlich, den Menschen, weil Sie glauben, sie vergessen ... (Abg. Gaugg: Mehr Direktoren als Lehrlinge haben die ÖBB!) Die ÖBB haben mehr Lehrlinge als je zuvor. Da sind Sie sicher auf dem falschen Dampfer.

Leider erlaubt es meine Redezeit nicht, auf all Ihre Themen einzugehen. Aber glauben Sie mir folgendes: Nicht von ungefähr haben wir eine so hohe Beschäftigung! Aber das beruhigt uns nicht. Die Regierung und insbesondere wir Sozialdemokraten werden auf allen Ebenen, auch innerhalb des Österreichischen Gewerkschaftsbundes – dort, wo Sie in Wirklichkeit schon die längste Zeit die Mitarbeit verweigern –, alles daransetzen, die Beschäftigungssituation weiter zu verbessern.

Die Technologie-Exportoffensive ist eine dieser Maßnahmen – sie wirkt. (Abg. Mag. Stadler: Die Mitarbeit verweigert im ÖGB?!) Maßnahmen im Infrastrukturausbau, beispielsweise im Bahnbereich – jährlich 12 Milliarden Schilling mehr. Das sichert die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs für die Zukunft und schafft gleichzeitig schon jetzt Arbeitsplätze. Ausbildungsoffensive – im Lehrlingsbereich ist sehr viel geschehen. Neue Berufsbilder kommen. (Abg. Gaugg  – in Richtung des Abg. Koppler –: 2 Milliarden Schilling, lautet der Vorwurf!) Daran sollten Sie ein bißchen mitarbeiten und nicht nur Obstruktion betreiben.

Neue Arbeitsplätze im Gesundheitsbereich: Die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik sind nicht, wie Sie glauben, gesunken. Denn 1995 waren es ungefähr 5 Milliarden, jetzt sind es 7,5 Milliarden Schilling allein für die direkte AMS-Förderung. Dazu kommen die Investitionen auf dem Gebiete der Infrastruktur, und so geht es weiter. Wir können in all diesen Bereichen Erfolge vorweisen. (Abg. Mag. Stadler: Ist dieses Koalitionsangebot mit dem Bundeskanzler abgesprochen? Sie machen uns ein Koalitionsangebot? Ist das ernst gemeint?)

Koalitionsangebote werde ich Ihnen nie machen, aber ich erkenne es an, wenn Dr. Haider hier den Bundeskanzler einmal ausnahmsweise richtig ins Gespräch bringt, auch wenn er den Brief nur halb vorgelesen hat. Den Rest hat dann Herr Staatssekretär Wittmann vorgelesen. (Abg. Dr. Haider: Jetzt kommt ihr in Bewegung! Ihr seid in Niederösterreich schon eingegangen!)

Das alles ist bisher gelungen. Es wird auch in Zukunft mehr Mittel für die aktive Arbeitsmarktförderung geben. (Abg. Gaugg: Das hören wir auch schon seit Jahren!) Und sie steigen von Jahr zu Jahr! Wenn Sie nur ein bißchen rechnen könnten! Beim Buchstabieren sind Sie ja relativ gut – auch wenn Ihr Buchstabieren nicht jedem gefällt –, aber beim Addieren müßten Sie vielleicht noch etwas dazulernen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

1995 waren es 5 Milliarden, voriges Jahr 7,5 Milliarden Schilling – und da sagen Sie, es sei weniger – nur für die aktive Arbeitsmarktpolitik des AMS! (Abg. Dr. Haider: 5 Milliarden habt ihr bei den Pensionen abgezweigt!) Dazu kommen Wirtschaftsförderung, Infrastrukturausbau und


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so weiter. Bitte glauben Sie mir: Von nichts kommt nichts! (Abg. Mag. Stadler: Von der Regierung kommt ja auch nichts, das sagen wir ja die ganze Zeit!) Wenn wir so gute wirtschaftspolitische Daten haben, dann hat das seine Ursache in der Regierungspolitik, die wir auch in Zukunft unterstützen wollen. (Abg. Gaugg: Die Arbeitslosen müßt ihr unterstützen!)

Ich möchte Ihnen nochmals sagen: Wenn Sie wirklich eine gute Opposition werden wollen – und das wird ja Ihr Hauptziel sein ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Die Sache mit dem Kanzler werden Sie inzwischen ja selbst schon abgeschrieben haben. Das ist kein Arbeitsplatz für Sie, solche Qualifikationsmaßnahmen gäbe es nicht einmal im AMS! Wenn Sie dorthin gehen und sagen, Sie möchten Kanzler werden, werden Sie dort kein Programm finden: weder im Lehrlingsprogramm noch im Seniorenprogramm – und auch nicht dazwischen. (In Richtung des Abg. Dr. Haider:) Das wird sicher nicht drinnen sein, Herr Doktor! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Werden Sie eine gute Opposition! Verzichten Sie ein bißchen auf Ihr Ziel, der Geist zu sein, der stets verneint! (Abg. Dr. Haider: Wer hat die Wahlen verloren?) Wir jedenfalls werden mit allen positiven Kräften in der Politik und in der Wirtschaft intensivst weiter daran arbeiten, daß es nicht so viele Arbeitslose gibt wie heute – das ist auch unser Ziel –, sondern Vollbeschäftigung. Aber Vollbeschäftigung – im Gegensatz zu Ihrem Ziel – auf Arbeitsplätzen mit voller sozialer Sicherheit und mit Wohlstand! Das ist unser Ziel, und dazu wird auch der nationale Aktionsplan wesentlich beitragen. Herr Dr. Haider, alles Gute beim Lernen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

16.13

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Dringliche Anfrage der Freiheitlichen hat zwar keinen konkreten Vorschlag für die Verbesserung der Beschäftigungssituation gebracht, aber seien Sie beruhigt: Das haben wir auch nicht erwartet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Sie bietet uns aber Gelegenheit, aus unserer Sicht zum Thema "Beschäftigung in Österreich" Stellung zu nehmen. Sie versuchen, mit statistischen Kunstgriffen und Behauptungen Angst und Schrecken im Land zu verbreiten. Unsere Politik ... (Abg. Haigermoser  – eine Broschüre in die Höhe haltend –: Nicht wir! Das ist deine Statistik! Von der Wirtschaftskammer!) Glaube nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast! Sie haben das heute hier vorgeführt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Deine Statistik! – Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Unsere Politik, die Politik der ÖVP, unterscheidet sich davon sehr deutlich. Wir können auf Daten und Fakten hinweisen, wir können auf richtige Entscheidungen in der Vergangenheit hinweisen. Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, hören Sie zu: Wir können auch auf offensive Konzepte für die Zukunft hinweisen. Das ist unsere Politik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll  – in Richtung Freiheitliche –: Richtig lesen! – Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich folgendes festhalten: Nur eine starke, wettbewerbsfähige Wirtschaft schafft Arbeitsplätze. Die Politik hat die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Wirtschaft dieser Aufgabe auch gerecht werden kann. (Abg. Gaugg: Sie war "großartig", die Leistung!) Darf ich nur in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß das in der Vergangenheit, in den letzten Jahren recht gut gelungen ist. Herr Bundesminister außer Dienst Hums hat ja darauf hingewiesen. Wir können die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa verzeichnen. Wir haben die niedrigsten Arbeitslosenzahlen im Verhältnis zu allen anderen europäischen Staaten. (Abg. Gaugg: Hunderttausend Arbeitslose mehr!) Wir haben viele andere Indikatoren, um aufzuzeigen, daß diese Politik in der Vergangenheit gegriffen hat.

Aber nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch national können wir eine Trendwende feststellen. Ich möchte in diesem Zusammenhang den Leiter des Instituts für Höhere Studien, Felderer, zitieren, der gemeint hat, daß die Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte dieses Jahres


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auch in Österreich zurückgehen wird. Wir können uns nicht zufrieden zurücklehnen, das gebe ich zu. Wir müssen alles tun, um diesen Trend zu verstärken. Wenn wir uns die statistischen Daten über die Arbeitslosigkeit vor Augen führen, so sehen wir, daß sie bei uns vielfach strukturell und nicht konjunkturell bedingt ist. Wenn wir dort Abhilfe schaffen wollen, müssen wir besonders die Gruppe der Langzeitarbeitslosen genau untersuchen und innovative Programme entwickeln, um für diese Menschen eine Rückkehr in die Beschäftigung sicherzustellen. Dies gilt vor allem für viele Frauen, die in den Beschäftigungsprozeß zurückdrängen.

Ich weise darauf hin, daß wir voriges Jahr die Eingliederungsbeihilfe geschaffen haben. Ich gebe zu, daß sie nur langsam greift, aber das ist ein Versuch, die Betriebe zu motivieren, arbeitslose Menschen einzustellen. Wir werden auf diesem Weg entschlossen weitergehen. Man muß auch die Frage stellen, ob alle Leistungen an Arbeitslose gerechtfertigt sind und warum manche Arbeitslose nicht vermittelt werden können. Man sollte sich diese Gruppe sehr genau anschauen, zumal wir festgestellt haben, daß sich das AMS in dieser Hinsicht besonders bemüht.

Wenn wir Menschen neue Arbeit bieten wollen, so müssen wir auch neue Beschäftigungs- und Tätigkeitsfelder erschließen. Ich möchte in diesem Zusammenhang an einen Vorschlag unseres Abgeordneten Dr. Rasinger erinnern, wonach sich besonders im sozialen Bereich viele Möglichkeiten ergeben. Man sollte diese Initiativen unterstützen. Ich möchte auch den Vorschlag von Angeordneten aus dem ÖAAB vor Augen führen, mit dem sie immer wieder dem Home Service zum Durchbruch verhelfen wollen. Wir sollten solche Modelle verfolgen und endlich aktiv werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir von der Volkspartei vertreten die Devise: Arbeit schaffen, nicht Arbeitslosigkeit verwalten! Nur die permanente Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich bietet auch eine Garantie für Beschäftigung. Nur wettbewerbsfähige Betriebe schaffen Arbeitsplätze! Da gilt es tatsächlich, jene Standortnachteile zu beseitigen, die wir vielfach noch vorfinden: hohe Infrastrukturkosten, enorme Regulierungsdichte, mangelnde Flexibilität. Auch wenn es viele nicht mehr hören können: Es muß uns gelingen, die lohnabhängigen Kosten unter die Lupe zu nehmen und die Lohnnebenkosten zu senken. (Abg. Haigermoser: Anfangen!) Auf heiß umkämpften Exportmärkten ist es entscheidend, einen günstigen Preis zu bieten.

Wir wollen nicht die Löhne senken, das möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen. Wir wollen, daß unsere Mitarbeiter viel verdienen, gut verdienen, weil sie mit ihrem Verdienst auch Nachfrage schaffen. Was wir wollen, ist, daß diese Menschen das Geld, das die Betriebe für sie ausgeben, auch tatsächlich für ihre Familien verwenden können. Ich darf auch auf das Familienpaket als eine wirtschaftsbelebende Maßnahme hinweisen, das, ausgelöst von Minister Bartenstein, 12 Milliarden Schilling den Familien und damit in den Konsum bringen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen uns, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft geht, auch fragen, ob viele bürokratische Auflagen, mit denen die Betriebe heute zu kämpfen haben, tatsächlich notwendig sind. Ich denke da etwa an unzählige Statistiken, zuletzt die Verdienststrukturerhebung, die viele Unternehmer fast zur Weißglut gebracht hat.

Ein wichtiger Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist die Bedeutung von Unternehmensgründungen für den Wirtschaftsstandort Österreich. Schließlich bringt jede Unternehmensgründung im Durchschnitt drei bis vier neue Arbeitsplätze. Auch in diesem Bereich ist uns manches gelungen. Wir haben im Vorjahr die Gewerbeordnungsnovelle hier in diesem Haus beschlossen. (Abg. Haigermoser: Und wie viele Unternehmungen sind aufgrund dieser Novelle gegründet worden?)

Ich darf Ihnen dazu folgendes sagen: 1996: 12 101 Betriebsgründungen, plus 15 Prozent; 1997: 12 433 Betriebsgründungen, plus 2,7 Prozent. Und der Trend ist steigend, Herr Haigermoser. (Abg. Haigermoser: Bitte nicht mehr weiterreden! Deiner Familie zuliebe! Zu deinem eigenen Schutz!) Schaut euch die Statistik an, dann werdet ihr erkennen, daß ich recht habe. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir werden diesen Weg weitergehen. Der Vorschlag von Minister Farnleitner, den Zugang zu den Behörden zu erleichtern, ist ein interessanter. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß es in vielen Bundesländern mittlerweile gelungen ist, die Verfahrensdauer auf drei Monate zu beschränken. Ich darf in diesem Zusammenhang mein Heimatland, die Steiermark, anführen.

Wir müssen aber auch auf die Erfolge unserer Wirtschaft im Export hinweisen. Auch in dieser Richtung sind die Unternehmungen weiter zu unterstützen. Es sind da großartige Leistungen der Außenhandelsorganisation der Wirtschaftskammer zu erkennen. Gerade Klein- und Mittelbetriebe haben diese Hilfe dringend notwendig, und sie bekommen sie auch in ausreichendem Maße ständig. Es gibt eine Exportsteigerung im Ausmaß von 15 Prozent seit dem EU-Beitritt, vor allem steigende Zwächse bei den Exporten in süd- und osteuropäische Staaten. Das ist eine Erfolgsbilanz, die sich durchaus sehen lassen kann.

Wir haben ein Lehrlingspaket I mit wesentlichen Deregulierungen in diesem Haus beschlossen. Es wurde von der Volkspartei massiv gefordert. Wir haben in der Zwischenzeit ein Lehrlingspaket II formuliert, das Wege aufzeigt, diese Fortschritte sicherzustellen. Wir müssen den Betrieben jene Rahmenbedingungen bieten, die ihnen die Ausbildung von Lehrlingen auch wieder ermöglicht. Vorschläge dazu sind in ausreichendem Maße vorhanden und werden diskutiert. Ich könnte hier noch zahlreiche Vorschläge unserer Partei aufzeigen, aber die Zeit erlaubt es mir nicht, und so lassen Sie mich zum Schluß kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung kann mit Recht auf Erfolge in der Beschäftigungspolitik verweisen. Wir sind aber mit dem Erreichten nicht zufrieden, vielmehr stellen wir offensive Konzepte zur Diskussion. Dem gegenüber stehen Angstmacherei und Schwarzmalerei, wie sie heute von der Opposition hier so nach dem Motto: "Fürchten mal Fürchten ist Zukunft" betrieben worden sind.

Unsere Politik ist eine andere, und Sie werden sehen, daß wir mit dieser Politik im Interesse unseres Landes Erfolg haben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haller gemeldet. Die einschlägigen Bestimmungen sind bekannt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.23

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mein Vorredner, Herr Kollege Dr. Trinkl, hat fälschlicherweise behauptet, das vorliegende Familienpaket wäre durch eine Initiative von Familienminister Bartenstein in Gang gesetzt worden. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.) Das ist falsch!

Ich berichtige: Beim vorliegenden Familienpaket, das gestern von Finanzminister Edlinger fälschlicherweise als "neue Familienförderung" bezeichnet wurde, handelt es sich lediglich um eine unzureichende Reparaturmaßnahme in Sachen Familienbesteuerung, die auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zurückzuführen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Das war keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Dr. Schwimmer: Das war eine falsche Wertung, keine Berichtigung!)

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

16.24

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Arbeitslosigkeit ist die Causa prima, und ob wir heute irgendeinen Beitrag zur Lösung geleistet haben, das bezweifle ich. Darüber zu diskutieren, wer die Mutterschaft für das Familienpaket hat oder ob wir der Bundesregierung die Augen öffnen müssen, Österreich in den Abgrund zu reden oder uns in Statistiken zu verlieren – das bringt doch alles nichts hinsichtlich der Lösung des wirklich drängenden Problems Arbeitslosigkeit.


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Es ist ein strukturelles Thema, über das dieses Hohe Haus diskutieren sollte. Es geht um die Frage, wo denn die Arbeitslosigkeit zu Hause ist, wo wir denn an unseren Rahmenbedingungen in der Gesellschaft etwas verändern müssen, um diese Geißel des 20. und vielleicht auch noch 21. Jahrhunderts in den Griff zu bekommen. Es ist ein strukturelles Thema, das mit der Produktivität und der technischen Entwicklung zu tun hat, und da stellt sich die Frage: Haben wir der technischen Entwicklung in Österreich tatsächlich alle Türen und Tore geöffnet?

Es wird drei große Wachstumsfelder in der zweiten Moderne geben. Das sind die Kommunikationstechnologien, das sind die Biotechnologien, und das ist die Freizeitwirtschaft. Haben wir in diesen Bereichen die Weichen gestellt, um wirklich Beschäftigung zu schaffen – oder haben wir uns verweigert, gerade im Bereich der Biotechnologie?

Die Beschäftigung im Bereich der Produktion in Österreich wird nie wieder das Ausmaß erreichen, das sie gehabt hat. Durch neue technologische Einsätze werden mit höheren Produktivitäten, mit geringeren Lohnstückkosten und mit größerer Marktgängigkeit weniger Menschen beschäftigt werden. An diesem strukturellen Problem wird durch dieses parteipolitische Gezänk, das sich hier abspielt, in keiner Weise etwas verändert. Aber vielleicht ist das die Beschäftigungstherapie vieler Abgeordneter an einem Donnerstag-Nachmittag.

Die Qualifikation ist das zweite wirklich strukturelle Moment der Arbeitslosigkeit, die Qualifikation, der wir aber in unserem Bildungssystem nicht gerecht werden, weil immer noch abprüfbares Wissen vermittelt wird, weil immer noch "Einzelgänger" in unserem Schulsystem erzogen werden – statt teamfähige Menschen, die Neugierde haben, die wissen, wo sie nachschauen können, die selbst aktiv lernen.

Wir brauchen heute in der Wirtschaft, gerade in den produktionsorientierten Bereichen, ein zunehmendes Maß an hochentwickelten Verfahrenstechnikern und weniger Facharbeiter. Genauso wie der Beruf der Hausangestellten vor vielleicht 50, 80 oder 100 Jahren ausgestorben ist, ist heute der Beruf der Facharbeiter einer, der zwar nie aussterben wird, der sich aber in seinem Ausmaß wirklich reduzieren wird. Hat diese Bundesregierung – so müßte die Frage meiner Ansicht nach lauten – die Antworten im Bereich des Bildungssystems gefunden, um die jungen Menschen darauf vorzubereiten?

Wissen Sie, daß 80 Prozent der Technologien, die wir heute noch benützen, in zehn Jahren nicht mehr angewendet werden? Wissen Sie, daß jedes Jahr 10 Prozent der Jobs am unteren Ende der Beschäftigung verlorengehen, rein aus Qualifikationsgründen, am oberen Ende der Beschäftigung aber 10 Prozent neue Jobs dazukommen, wo wir einen Arbeitskräftemangel haben, wo wir keine jungen Menschen finden, die einen solchen Job bekleiden können, weil es an der Qualifikation scheitert und das lebenslange Lernen nicht funktioniert?

Dazu kommt die Globalisierung, die uns einen weltweiten Wettbewerb unseres Wirtschaftsstandortes beschert.

Die Standortpolitik ist der Punkt, mit dem Sie in einem exportorientierten Land Beschäftigung schaffen können, mit dem Sie die Wettbewerbsfähigkeit steigern können, nicht nur in den produzierenden Betrieben, die immer weniger Mitarbeiter beschäftigen, egal, ob Post oder Bahn – das wurde heute bereits erwähnt – oder Automobilindustrie. Gehen Sie doch in die neuen Fabriken, und schauen Sie sich an, wie viele Menschen dort noch arbeiten, wie viele Maschinen dort tätig sind! Die Standortpolitik ist auch eine Frage der Dienstleistung, dort, wo Produktivitätsfortschritte und Arbeitskosten nicht auf billige Lohnstückkosten umgesetzt werden können.

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon über Arbeitslosigkeit diskutieren – und die arbeitslosen Menschen in unserem Land haben es sich verdient, daß wir uns ernsthaft damit beschäftigen –, dann lassen wir doch dieses kleinliche parteipolitische Gezänk! Die Opposition glaubt, sie muß die Regierung ärgern, die Regierung zitiert Statistiken, die der Herr Staatssekretär nur vom "Blattl" herunterliest. Das ist doch wirklich nicht eine Debatte über Arbeitslosigkeit, die es wert ist, geführt zu werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Jungunternehmeroffensive, Beschäftigungsoffensive – ja, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich kann es schon nicht mehr hören! Wie viele "Offensiven" werden Sie uns denn noch vorschlagen? Technologieoffensive, dort eine Milliarde, da eine Milliarde. Sie benehmen sich ja letztlich genauso wie die von Ihnen immer angegriffene freiheitliche Opposition. Sie hauen ja auch nur mit Zahlen herum.

Setzen Sie einmal Taten, dann haben Sie das Recht, die Freiheitlichen zu kritisieren! Aber Sie machen in Ihren politischen Aussendungen ganz genau dasselbe. Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist wirklich drückend, und die Freiheitlichen haben selbstverständlich recht, wenn sie sagen, daß wir nicht 230 000 Arbeitslose haben. Wir haben sie nur besser versteckt als andere Länder. Es gibt in Wirklichkeit 500 000 bis 600 000 Menschen in Österreich, die ohne Arbeit sind. Sie haben sie besser "geparkt", das gebe ich zu; sie haben sie besser in der Statistik versteckt. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist ja nicht wahr!) Aber es sind 500 000 bis 600 000 Menschen in Österreich, die arbeiten möchten, aber als Frühpensionisten oder in diversen Schulungssystemen keine Arbeit finden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Sie haben auch die Frage der Lehrlingsbeschäftigung in überhaupt keiner Weise gelöst. Sie haben – und dazu habe ich Ihnen schon mehrfach von dieser Stelle aus gratuliert – viel Geld ausgegeben, um kurzfristig die vermurksten Rahmenbedingungen, die Sie der Lehre gesetzt haben und die Sie nicht bereit sind zu reformieren, zu überspielen. Dafür haben Sie 2 Milliarden Schilling eingesetzt und haben damit sicherlich vielen jungen Menschen geholfen. Vielen Dank dafür, daß Sie das getan haben.

Aber haben Sie sich schon die Frage gestellt, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei und von den Sozialdemokraten, was im Juni 1998 sein wird? Heute haben Sie diese 7 000 jungen Menschen in der Schule. Was machen diese aber, wenn die Schule vorbei ist? Viele Unternehmungen haben mehr Lehrlinge aufgenommen, als sie brauchen können, weil man auf sie eingeredet hat. Danke dafür, daß sie es getan haben, aber ihr Lehrlingsstand für 1998 ist heute schon voll.

Sie haben im Ausschuß eine Vielzahl von Anträgen von uns liegen. Die Frau Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses hat trotz meiner vielfachen Intervention diesen Unterausschuß des Wirtschaftsausschusses, den wir gemeinsam mit dem Unterrichtsausschuß tagen lassen wollten, nicht einmal noch konstituiert! Das ist das Thema, Frau Tichy-Schreder: Sie verweigern sich der Debatte über die Lehrlingsreform! Das ist das wirkliche Thema! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Und Sie verweigern sich den Terminen!)

Und die Lehrlinge bleiben dabei auf der Strecke. Sie werden im Juni und im Juli 1998 ein Desaster im Bereich der Lehrlingsausbildung erleben, weil Sie nicht noch einmal Ihre Fehler, Ihre fehlenden Strukturreformen mit 2 Milliarden Schilling zudecken können. Das ist der Punkt.

Fangen wir doch zumindest mit dem Wirtschaftsausschuß am 31. März an, und diskutieren wir das! Der Unterausschuß ist nicht einberufen worden, er hat nicht diskutiert, er hat nicht auf Vorschläge, die die Opposition gemacht hat, reagiert. Wenn Ihnen die Vorschläge der Opposition betreffend die Lehrlingsproblematik nicht passen, dann bringen Sie selbst welche ein! Dazu zu schweigen, sie totzuschweigen, keine Diskussion zuzulassen, das ist offensichtlich Ihre Art, mit diesem Problem umzugehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Noch einige Worte zur Frage der Osterweiterung. Es ist natürlich der Freiheitlichen Partei und derem Bundesparteiobmann Jörg Haider vorbehalten, zuerst gegen die Europäische Union zu sein, dann gegen den Euro zu sein und selbstverständlicherweise jetzt gegen die Ostöffnung zu sein. Das ist ja klar, das ist wie bei einer Perlenkette, wo sich eine Perle an die andere reiht: Wir werden schon noch ein paar Österreicher finden, die uns das glauben und deren Ängste wir schüren können. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es gibt keine Alternative dazu, Herr Stadler, die mittel- und südosteuropäischen Staaten in absehbarer Zeit mit Übergangsbestimmungen in den Kreis der Europäischen Union aufzunehmen, um diese Friedensgemeinschaft Europa zu verwirklichen, und daran werden auch Sie


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mit Ihrem parteipolitischen Gekläff nichts ändern können. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Lebensstandard in Slowenien macht ein Drittel des österreichischen aus. Der Lebensstandard in Tschechien und Polen und der anderer mittel- und südosteuropäischer Staaten beträgt ungefähr nur ein Zehntel bis ein Siebentel des österreichischen. Das ist richtig. Am heutigen Tage eine Ostöffnung zu beschließen, wäre der helle Wahnsinn, aber, meine Damen und Herren: Wir haben eine Zeit vor uns – und ich glaube, es werden eher zehn als fünf Jahre sein –, in der sich diese Staaten mit einer wirtschaftlichen Entwicklung, einer jungen, schneller wachsenden Wirtschaft viel schneller weiterentwickeln werden, als das bei uns der Fall ist. Und ich glaube, es wird ein Prozentsatz von 50 Prozent des Einkommens, das man in Österreich erzielen kann – weitgehend, nicht zur Gänze –, genügen, um mit dieser Wachstumsdifferenz den Zusammenschluß in der Europäischen Union zu gestalten.

Und vergessen wir doch bitte folgendes nicht: Die Angleichung der Umwelt- und Sozialstandards, die wir heute in diesen Staaten erleben, die uns in der Globalisierung konkurrenzieren, an unsere wird durch den Beitritt zur Europäischen Union am allerehesten gewährleistet werden. Und vergessen wir nicht, daß wir hier in Österreich Standortpolitik machen müssen!

In einem haben die Freiheitlichen bei der Kritik zur Europäischen Union recht gehabt: Sie haben gesagt, diese Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben in weiten Bereichen nicht gemacht. Da haben sie recht gehabt. Das merken wir heute noch. Wie wollen Sie denn beim Euro mit 4 Prozent mehr Mehrwertsteuer und 10 Prozent mehr Getränkesteuer in den Randbezirken mitmachen? Wie wollen Sie denn das machen? Und da gibt es noch viele andere Sachen.

Also gehen wir doch her, und fangen wir jetzt an, die Osterweiterung in Österreich selbst vorzubereiten, damit dieses Jahrhundertwerk in Europa vollendet werden kann! (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Tichy-Schreder zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

16.34

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Abgeordneter Mag. Peter! Am 31. März, am kommenden Dienstag, haben wir eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Im Anschluß daran sollte der Unterausschuß, der sich mit allen Lehrlingsfragen beschäftigt, konstituiert werden. (Abg. Böhacker: Das ist eine Ankündigung und keine Berichtigung!)

Ich berichtige tatsächlich, Herr Abgeordneter Peter: Dieser Unterausschuß konnte deshalb nicht stattfinden, weil unter anderem auch das Liberale Forum diesen Termin abgelehnt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Das stimmt aber wirklich nicht! Das ist unrichtig! – Abg. Dr. Graf: Das war keine tatsächliche Berichtigung!)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Gleiche Redezeit. – Bitte.

16.35

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Haigermoser in Richtung ÖVP.) Das Thema Arbeitslosigkeit, Herr Haigermoser, hätte sich auch von Ihrer Seite etwas mehr Aufmerksamkeit verdient. Ich denke, die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen leidet an einem, allerdings nicht geringen Mangel: Es ist in Ihrer Anfrage nicht erkennbar, worauf Sie sich genau beziehen. Da ist alles drinnen: von der Osterweiterung über die Jugendlichen bis zu den älteren Arbeitslosen. Es fehlt nur noch die Kriminalität. – Das ist das Problem, Herr Kollege Haigermoser. Ich hoffe, Sie nehmen das Thema ernst. (Abg. Haigermoser: Vernetztes Denken!)


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Ich glaube allerdings, obwohl die Freiheitlichen diese und ähnliche Anfragen ja schon mehrmals gestellt haben, daß es nicht ausreicht, daß es ungenügend ist, wenn es sich die Bundesregierung so einfach macht und den Herrn Staatssekretär herschickt, der herzlich wenig zu dieser Debatte beitragen kann. (Abg. Haigermoser: Nicht nur Rauschgiftfreigabe verlangen, das ist zuwenig! Nicht nur Benzinpreiserhöhung auf 40 S verlangen, das ist zuwenig!) Ich glaube, etwas mehr Ernst würde dieser Debatte schon guttun.

Wenn ich daran denke, was hier an Antworten gekommen beziehungsweise nicht gekommen ist, dann wage ich zu behaupten, so mangelhaft wird auch der nationale Beschäftigungsplan, den Sie ja jetzt schon seit mehreren Monaten "intensiv" ausarbeiten, ausfallen. Wenn ich mir vorstelle, daß offensichtlich einer der Chefverhandler auf Sozialpartnerseite, Herr Kollege Maderthaner, in der Intensivphase der Verhandlungen auf Urlaub geweilt haben soll, dann würde ich meinen, das trägt vermutlich nicht gerade zur Qualität dieser Sozialpartnerberatungen und des nationalen Beschäftigungsplanes bei.

Ich sehe da ein Problem, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch bei dieser Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen, die viel konzentrierter Fragen hätten stellen können und sollen, beispielsweise zum Beschäftigungsplan, weil die Regierung offensichtlich nicht imstande ist, die Konturen ihres Beschäftigungsplanes zumindest sichtbar zu machen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! In wenigen Tagen wollen Sie dieses Opus magnum in der Öffentlichkeit präsentieren, weil wir keine Sitzung haben. Wo bleiben denn die Konturen? Wo bleibt Ihr Mut bei den Aufgaben? Ich erinnere Sie daran, meine Damen und Herren, auch Sie, Herr Staatssekretär: Es gibt andere Regierungen, die mit diesem Thema anders umgehen. Es ist kein Konzept sichtbar. Das, was wir hier und heute gehört haben, haben wir schon oft gehört. Es fehlt uns nicht erst heute, sondern auch schon früher der Glaube daran, daß Sie wirklich etwas tun, und vor allem fehlen die Maßnahmen.

Wo und wie wollen Sie tätig werden? Warum verweigern Sie sich bei bestimmten Fragen? Warum geben Sie nicht zu, daß es mit der Entwicklung der Arbeitslosigkeit – und darauf wurde schon mehrmals hingewiesen – nicht so gut aussieht, daß auch die Annahmen, die die Bundesregierung über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit getroffen hat, auch budgetär, nicht eingetroffen sind, sondern daß die Arbeitslosigkeit in Österreich weiter gestiegen ist? Warum geben Sie nicht zu, daß wir auf einem Stand der Arbeitslosigkeit in diesem Land verharren – ich beziehe mich auf die Registerarbeitslosenquote –, den der Herr Bundeskanzler noch vor zwei Jahren als "Worst-case-Szenario" bezeichnet hat? Wortwörtlich hat er der Presse gegenüber gesagt: Wenn die Arbeitslosigkeit 7 Prozent erreicht, dann wäre das das Worst-case-Szenario.

Wir sind über diesen 7 Prozent, meine Damen und Herren, und ich brauche Sie nicht daran zu erinnern. Ich brauche Sie auch hoffentlich nicht daran zu erinnern, daß es die auch von den anderen Oppositionsparteien kritisierten Tricksereien mit Statistiken selbstverständlich auch im Bereich der Arbeitslosenstatistik gibt. Man kann kosmetisch bestimmte Gruppen von Arbeitslosen aus den Statistiken entfernen, etwa nicht nur, indem man sie nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz auf Schulung schickt, sondern auch indem man sie nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz auf Schulung schickt. Wenn man sie nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz auf Schulung schickt, dann kann man sich das aus der Tabelle noch herausrechnen. Aber wenn man sie nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz auf Schulung schickt, dann scheinen sie nicht einmal in einer Tabelle auf. Und das ist eines der Probleme, das es im Zusammenhang mit dieser Statistik gibt.

Aber Sie können sich natürlich damit trösten, daß Sie innerhalb Europas, innerhalb der Europäischen Union oder der OECD-Staaten nicht allein sind. Ich könnte Ihnen Dutzende Artikel zitieren, aus denen hervorgeht, daß fast jede Regierung im Zusammenhang mit den Arbeitslosenzahlen in den letzten Jahren zum Mittel der Trickserei gegriffen hat und daß auch Ihr Hinweis auf die ohnehin gemeinsam mit den anderen europäischen Ländern erhobene OECD-Arbeitslosenquote nicht sehr hilfreich ist, da jede Regierung diese OECD-Quote so interpretiert, wie sie für sie gerade am günstigsten ist.


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Das eigentliche Thema – jetzt komme ich zu einem Teil der Anfrage der Freiheitlichen – wäre aber schon: Was gedenken Sie, meine Damen und Herren, gegen die Arbeitslosigkeit zu tun? – Ich zitiere aus dem "Standard" vom 17. Februar: "Heuer werden 9 000 Lehrstellen fehlen." Und niemand kann optimistisch sein und glauben, daß es dieser Bundesregierung gelingen wird, mit denselben Mitteln wie im Vorjahr die fehlenden Lehrstellen zur Verfügung zu stellen. Es gibt gute Gründe dafür, meine Damen und Herren.

Die Lehrstellenoffensive, die Sie im vorigen Jahr propagiert haben und die tatsächlich dazu geführt hat, daß 4 000 bis 5 000 neue Lehrstellen geschaffen wurden – was ich nicht bestreite –, war nur deshalb erfolgreich, weil Sie insgesamt 25 000 Lehrstellen subventioniert haben. Dies mußten Sie tun, damit Sie den Effekt von 5 000 neuen Lehrstellen erzielen konnten.

Ich glaube, Sie von der Bundesregierung und von den Regierungsparteien wissen, daß der Preis, der dafür bezahlt werden mußte, enorm hoch war: Es ist nicht nur zu Mehrfachförderungen gekommen, die teilweise weit über das hinausgegangen sind, was der Lehrling den Arbeitgeber kostet, sondern es ist auch zu keiner Koordination der Förderungen gekommen.

Der Herr Staatssekretär hat hier das große gemeinsame Engagement der Betroffenen, der Gemeinden, der Länder, des AMS, gelobt. Dem möchte ich aber schon entgegenhalten, daß diesem gemeinsamen Engagement der betroffenen Stellen offensichtlich überhaupt keine Koordination der Förderungen zugrunde gelegen ist, sodaß vielfach auf Teufel komm raus gefördert wurde – mit einem geringen Effekt. 4 000 bis 5 000 Lehrstellen wurden damit gefördert, und zwar um den Preis, daß die Lehrstellen, die heuer offen sind – Sie wissen es, Kollege Hums, es sind mehr, wahrscheinlich 12 000, nicht nur die 9 000 –, nicht mehr in diesem Umfang gefördert werden können, weil die Mittel schon gebunden sind. Und das ist ein Effekt Ihrer Ankündigungspolitik, meine Damen und Herren! Sie können die Instrumente nicht einmal richtig einsetzen, Sie haben offensichtlich das Geld ausgestreut, und die Unternehmer haben sich selbstverständlich bedient – das ist ihnen nicht vorzuwerfen –, weil keine gezielte Politik betrieben wurde.

Das, was ich Ihnen vorwerfe, meine Damen und Herren, ist, daß Sie alle diese Instrumente, mit denen man gezielte Arbeitsmarktpolitik betreiben hätte können, wie etwa die "Aktion 8000", deswegen, weil die Freiheitlichen sich damals aufgeregt haben, abgeschafft haben, und jetzt hier sagen: Wir wollen im gemeinnützigen Bereich neue Beschäftigungsprojekte schaffen. – Aber die Instrumente dafür haben Sie in einem Maß ruiniert, daß es nicht mehr möglich ist beziehungsweise war, in dem Umfang, wie das vor einigen Jahren der Fall war, tatsächlich im gemeinnützigen Bereich zu fördern.

Ich erinnere daran, daß es nicht nur im Bereich der jugendlichen Arbeitslosen, sondern etwa auch bei der Aktion "Come back!" katastrophale Fehler gegeben hat, daß die Politik der Lohnsubventionierung, die Sie mit diesem Instrument betrieben haben, in allen europäischen Ländern gescheitert ist, weil sie nicht gezielt, nicht auf bestimmte Betriebe, nicht auf bestimmte Strukturen hin eingesetzt wurde. Sie streuen das Geld aus und sagen dann hier: Wir haben ja ohnehin das Möglichste getan! – Es ist nicht genug, und zwar deswegen, weil Sie die Instrumente teilweise falsch eingesetzt haben und weil Sie offensichtlich wirklich nicht imstande sind, zwischen den Regierungsparteien eine Absprache zu treffen, die zum Wohle der Arbeitslosen und derer, die noch Beschäftigung finden wollen, ist.

Meine Damen und Herren! Sie haben sich wirklich nicht viel an Ruhmesblättern auf die Schulter zu heften. Nein, es ist nicht so. (Abg Dr. Khol: Also, Ruhmesblätter heftet man sich an die Schläfe, nicht an die Schulter!) Sie können von Glück reden, daß wir in Österreich in den letzten Jahren von einem relativ niedrigen Sockel an Arbeitslosigkeit ausgegangen sind, aber Sie haben es nicht geschafft, diesen Sockel abzubauen. Sie werden das mit jenen Maßnahmen, die Sie in den letzten Jahren eingesetzt haben, auch nicht erreichen.

Ihnen von den beiden Regierungsparteien fehlen der Mut und die Bereitschaft, tatsächlich zu neuen Ufern aufzubrechen, sich neue Instrumente zu überlegen, in der Arbeitszeitpolitik, in der Beschäftigungspolitik, wie das andere europäische Regierungen probieren. Sie sollten hier in dieser Debatte zugeben, daß Sie dazu nicht imstande sind, so wie Sie auch nicht dazu imstande


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waren, hier und heute den Beschäftigungsplan zu präsentieren, was man eigentlich im Zusammenhang mit dieser Debatte erwartet hätte. (Beifall bei den Grünen.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

16.45

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat mit seinem Schlußwort den Nagel auf den Kopf getroffen. Es wird viel von Vollbeschäftigung gesprochen, nur: Wir haben sie nicht mehr! Die Wirklichkeit sieht leider ganz anders aus; das zeigen auch die Zahlen des AMS vom Februar 1998.

Für den Februar 1998 ist eine Steigerung gegenüber dem Vergleichsmonat im Vorjahr um 2,4 Prozent zu verzeichnen. Die Hälfte der wirklich Arbeitslosen ist aber, wie etliche meiner Vorredner heute schon erwähnt haben, in der Statistik nicht erhalten. So werden Arbeitslose, die seitens des Arbeitsmarktservices zu einer Umschulungsmaßnahme geschickt werden oder in einer Arbeitsstiftung tätig sind, einfach nicht registriert, genauso Bezieher von Sonderunterstützungen, Sondernotstandshilfe, Pensionsvorschuß, Karenzgeld und so weiter.

Die Bundesregierung bewirkt überdies eine Schönung der Arbeitslosenquote mit der Forcierung des Abschiebens von 10 000 älteren Arbeitnehmern in die Frühpension, insbesondere auch in staatsnahen Unternehmungen. Unter dem Übertitel "Privatisierung" werden staatsnahe Unternehmungen ausgegliedert, fallen aus der Kontrolle durch den Rechnungshof, die Landtage und den Nationalrat heraus. Und diese Unternehmen drängen ältere Arbeitnehmer vermehrt in die Pension. Das ist im Schulbereich so, im Bereich der Landesverteidigung, bei den Österreichischen Bundesbahnen, bei der Post, der Telekom, im Banken- und Versicherungsbereich sowie auch bei der OMV, wo man zwar hohe Aktienkurse, eine Wertsteigerung hat, aber nichts für die Arbeitnehmer macht.

Ich möchte auch darauf hinweisen, daß viele Schul- und Universitätsabgänger, denen der Berufseinstieg nicht auf Anhieb gelingt, in der Statistik nicht erfaßt sind, ebensowenig wie Mütter, die nach dem Schuleintritt ihrer Kinder wieder arbeiten wollen, jedoch keinen Arbeitsplatz finden. Sie alle fallen aus dieser Statistik heraus.

Es gibt aber auch im Zusammenhang mit den Lehrlingen ein Fiasko. Im Vorjahr wurde groß angekündigt: Wir werden eine Lehrlingsoffensive starten!, und jetzt haben wir schon wieder die nächste Lehrlingskrise. Es gibt eine prekäre Situation bei der Lehrlingsausbildung. Ende Februar 1998 standen laut AMS-Statistik 2 452 offenen Lehrstellen 3 521 sofort verfügbare Lehrstellensuchende gegenüber. Zu dieser offiziellen Zahl kommt noch eine ebenso hohe Dunkelziffer. Bei den 15- bis 19jährigen ist bloß jeder zweite Arbeitslose als solcher registriert.

Die Praxis schaut dann so aus: Wer sich länger als einen Monat lang nicht bei seinem Berater vom AMS meldet, fällt automatisch aus der Computerdatei heraus und scheint somit dort nicht mehr auf.

Die tatsächliche und ungeschönte Zahl an Lehrstellensuchenden muß daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt richtigerweise mit der alarmierenden Zahl von 7 000 angegeben werden, die dieses Jahr auf den Lehrstellenmarkt drängen werden. Hinzu kommen im heurigen Jahr noch jene 7 600 Lehrlinge, die im vergangenen Jahr in die Schulen abgeschoben wurden, sowie jene Gruppe der 15jährigen, die jetzt die Schulpflicht beenden und ebenfalls auf den Lehrstellenmarkt drängen. Verschärfend wirkt auch die Tatsache, daß die Zahl der 15jährigen im heurigen Jahr mit 96 000 im Vergleich zum Vorjahr um 1 200 höher ist. Darüber hinaus werden die Vorzieheffekte im Zusammenhang mit der Anstellung von Lehrlingen im vergangenen Jahr zu einer weiteren Einengung des Lehrstellenmarktes führen. Es wird zu einem sogenannten Stau von Lehrstellensuchenden kommen.


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Das angeblich oberste Ziel unseres Bundeskanzlers und der Bundesregierung, daß im Herbst 1997 kein Lehrstellensuchender mehr ohne Lehrstelle dastehen wird, wurde weit verfehlt. Im Gegenteil: Es ist für dieses Jahr ein Lehrstellen-Desaster zu erwarten.

Faktum ist auch, daß die Inanspruchnahme von Milliardenbeträgen aus AMS-Mitteln zur Förderung von Lehrstellen zu einem Wildwuchs an Förderungen geführt hat. Die Gewinner waren jene Betriebe, die gewartet hatten, bis die Regierung in Panik verfallen war und die dann – eben sehr spät – junge Leute eingestellt haben, um diese Förderung zu lukrieren. Diese Vorgangsweise ist meiner Meinung nach insofern ungerecht, als diejenigen, die mit der Beschäftigung von Lehrlingen am längsten zugewartet haben, den größten Vorteil, eben diese Förderung lukrieren konnten; die andern eben nicht. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Frau Kollegin! 20 000 S pro Lehrstelle und Monat wurden bezahlt! Mehr als 2 Milliarden Schilling hat die Lehrlingsoffensive der Bundesregierung gekostet. Das ist ein fahrlässiger Umgang mit österreichischem Steuergeld! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Konsequenzen dieses Wildwuchses an Förderungen im Vorjahr liegen auf der Hand: Ein Großteil der zur Verfügung stehenden Förderungsmittel ist heute aufgrund der laufenden Zusagen bereits gebunden, und die Förderbudgets des Arbeitsmarktservices sind dadurch auf Jahre hinaus blockiert. Das Arbeitsmarktservice wird also heuer nur wenig Spielraum für die Förderung neuer Lehrlinge haben. Für die aktuellen Lehrstellensuchenden steht kein Geld mehr zur Verfügung. Insbesondere für die heurigen Schulabgänger wird die Chance, eine Lehrstelle zu finden, stark gemindert sein.

Beide Regierungsparteien haben nach dem Fiasko des Vorjahres, das ich bereits erwähnt habe, geschworen, vor dem nächsten Schulschluß die Rahmenbedingungen zu ändern, eine Reform der Lehrlingsausbildung durchzuführen und ein gerechtes Förderungssystem zu schaffen. Nur: Allein mir fehlt der Glaube! – Ich sehe keinen Antrag, ich sehe keine Regierungsvorlage, es gibt keinen Unterausschuß, der zum Thema Lehrlinge eingesetzt ist. Nichts!

Herr Kollege Hums sagte, er lade die Opposition ein, einen gemeinsamen Weg in der Beschäftigungspolitik zu gehen. Herr Kollege Hums! Sie werden bald Gelegenheit haben, diese Ihre Aussage umzusetzen, denn der bereits verteilte Entschließungsantrag von mir und meinen Kollegen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre wird im Zuge dieser Debatte jetzt eingebracht.

Dieser Antrag betrifft folgendes:

ein vom Bund finanziertes Lehrlings-Leistungsstipendium für überdurchschnittliche Leistungen bis zur Höhe der für AHS-Schüler im Vergleich mehr anfallenden Kosten;

einen Lehrlingsausbildungsfreibetrag in Höhe von 30 Prozent des Aufwandes für Ausbildungsbetriebe – das ist sicher besser als die Ausschüttung an nur bestimmte Betriebe, wie das in der Vergangenheit der Fall war;

die Nichtberücksichtigung der Lehrlingsentschädigungen bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer;

eine Mindestlehrlingsentschädigung;

eine frühzeitig einsetzende Information für alle Schüler über sämtliche Bildungs- und Berufsmöglichkeiten im Bereich der Lehre;

die Schaffung von sogenannten Flächenberufen;

eine allgemeine Förderung von Lehrlingsweiterbildung im Ausland sowie verschiedene andere Punkte.


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Ich lade Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, ein: Stimmen Sie diesem Antrag zu, damit etwas weitergeht! Dann können wir für die Zukunft eine sinnvolle Lehrlingsausbildung erwarten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Koppler. )

16.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der von Herrn Abgeordneten Dolinschek erläuterte Entschliessungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und wird dann zur Abstimmung gebracht werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek und Kollegen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzentwürfe zuzuleiten, die

1. ein vom Bund finanziertes Lehrlings-Leistungsstipendium für überdurchschnittliche Leistungen bis zur Höhe der für AHS-Schüler im Vergleich mehr anfallenden Kosten,

2. einen Lehrlingsausbildungsfreibetrag in Höhe von 30 % des Aufwandes für Ausbildungsbetriebe,

3. die Nichtberücksichtigung der Lehrlingsentschädigungen bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer,

4. eine gesetzliche Festlegung einer jährlichen Mindeststeigerung der Lehrlingsentschädigungen im Ausmaß der sonstigen kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen im jeweiligen Wirtschaftszweig (Mindestlehrlingsentschädigung),

5. eine frühzeitig einsetzende Information aller Schüler über sämtliche Bildungs- und Berufsmöglichkeiten im Bereich der Lehre bzw. eine im Rahmen der Möglichkeiten effiziente Eignungsprüfung für die jeweiligen Lehrberufe,

6. eine Neuorganisation der Lehrlingsausbildung durch eine nach Wirtschaftsbereichen getrennte, konzentrierte schulische Ausbildung anstelle des polytechnischen Lehrganges vor der berufsspezifischen betrieblichen Lehre,

7. die Einführung der Anlehre in Form einer zweijährigen Ausbildung, um Jugendlichen, die eine volle Lehre nicht bewältigen, die Möglichkeit zu bieten, dennoch eine Abschluß zu erwerben,

8. die Schaffung von sogenannten Flächenberufen,

9. eine verbesserte verpflichtende Aus- und Weiterbildung der Berufsschullehrer,

10. eine allgemeine Förderung einer Lehrlingsweiterbildung im Ausland,

11. eine Verlängerung der Probezeit auf drei Monate zu Beginn des Lehrverhältnisses,

12. folgende Regelungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes:

Eine Beseitigung oder Änderung aller Regelungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes, vordringlich aber im Bereich der Jugendlichenbeschäftigung, die eine – verglichen mit dem konkreten Nutzen für die Arbeitnehmer – unverhältnismäßig große Belastung für die Betriebe darstellen oder verhindern, daß Lehrlinge die von ihnen zu erlernenden Arbeiten auch ausführen dürfen. Insbesondere soll


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A. die Arbeitszeit der Lehrlinge im Betrieb stärker an den betrieblichen Notwendigkeiten ausgerichtet werden können (Berufsschule außerhalb der Saison bzw. an Tagen einer geringen Auslastung des Betriebes, Verschiebung der Arbeitszeit während der Sommerzeit um eine Stunde);

B. das Arbeitsverbot am Montag wieder beseitigt werden, wenn der Lehrling am Samstag beschäftigt wurde,

C. ein Ruhezeitmodell branchenspezifisch erarbeitet werden,

D. nach der entsprechenden Einschulung und unter einer der Gefährdung angemessenen Kontrolle bereits ab Beginn der Lehrzeit jede Arbeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Lehrberuf vom Lehrling durchgeführt werden, die er während seiner Lehre erlernen muß.

13. die Schaffung der Möglichkeit für Unternehmen, bei Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die überwiegend Ausbildungszwecken dienen, einen erhöhten Investitionsfreibetrag geltend zu machen,

14. eine Gleichstellung der Meisterprüfung mit der B-Matura im öffentlichen Dienst und eine Forcierung des Zugangs zu einschlägigen Fachhochschul-Studiengängen

vorsehen."

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Franz Riepl. – Bitte.

16.53

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen eine sachliche Richtigstellung zur Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen vornehmen. Auf Seite 4 ist im letzten Absatz Harald Ettl namentlich zitiert. Harald Ettl ist jedoch nicht, wie in der Anfrage zitiert, der "ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft der Textilarbeiter", sondern er ist der Vorsitzende der Gewerkschaft Textil, Bekleidung, Leder. – Ich gebe zu, das ist eine Kleinigkeit, aber es zeigt, daß man bei der Formulierung nicht sehr sorgfältig vorgegangen ist.

Ich habe aber Verständnis, Herr Gaugg, daß Sie Probleme mit den Funktionen von Gewerkschaftsvorsitzenden haben (Abg. Mag. Stadler: Ich bin ganz zerknirscht!), wo Sie doch als Vorsitzender einer Gewerkschaftsbewegung Schnorrbriefe an Unternehmer schreiben, obwohl diese Gewerkschaft noch gar nicht vorhanden ist, weshalb Sie auch nicht ihr Vorsitzender sein können. Also: Bleiben wir bei der Wahrheit! Schnorrbriefe an Unternehmer zu schreiben und dann hier für die Arbeitnehmer Partei zu ergreifen, zeigt ein Sittenbild, das sehr deutlich in Richtung "einmal so und einmal so" ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Ihr kommt ja auch mit den "Kinderfreunden" vorbei! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber Ehre, wem Ehre gebührt, Herr Gaugg. Ich möchte einem Satz, den Sie in Ihrer Rede gebracht haben, vollinhaltlich zustimmen. Sie haben nämlich gesagt: "I man, i tram!". Herr Kollege Gaugg, damit haben Sie wohl recht gehabt. Ihr Redebeitrag war einfach eine "Traumrede". – Hochachtung, das bringt von uns niemand zusammen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir haben es mit einem Wandel in der Arbeitslandschaft zu tun: Immer weniger Menschen werden benötigt für das Gewinnen, Erzeugen, Fertigen und Reparieren von Waren. Immer mehr Menschen werden künftig verkaufen, berechnen, bewirten, beraten, behandeln, pflegen oder managen. Also: ein verändertes Arbeitsweltbild, das sich natürlich auch in der Beschäftigung niederschlägt. Unsere Konsequenz daraus muß es, glaube ich, sein, zu erkennen, daß in Zukunft nicht jede Branche so wie bisher Ausbildungsmöglichkeiten anbieten wird können, und daher brauchen wir auch Alternativen.


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Eine der Alternativen, die wir vorschlagen wollen, ist eine stärkere schulmäßige Berufsausbildung, eben als sinnvolle Alternative. Meine Kollegin Tegischer wird noch auf die Berufsfachschule, die eine solche Möglichkeit wäre, im besonderen eingehen.

Wir brauchen weitere Maßnahmen, Maßnahmen für das heurige Jahr – es wurde hier schon mehrmals darauf hingewiesen. Unserer Auffassung nach sollten wir die Selbständigen-Ausbildungseinrichtungen, die wir haben, die gut funktionieren und die eine qualitativ hochwertige Ausbildung garantieren, ausnützen, vor allem die dort vorhandenen Kapazitäten auch im heurigen Jahr ausnützen.

Es geht darum, Ausbildungsverbünde zu erlauben, zu schaffen, die beispielsweise zu einer Anhebung der Qualität in der Lehrlingsausbildung und damit auch zu Jugendbeschäftigung führen. Und wir brauchen nicht zuletzt auch – dafür hat Bundesminister Farnleitner schon etliche Vorarbeiten geleistet – neue Berufe, um dem Wandel in der Berufs- und Arbeitslandschaft Rechnung tragen zu können. Egal, ob es der Elektroanlagentechniker oder der Fertigungstechniker ist, der als Gruppenlehrberuf in Diskussion steht: Da gibt es ein breites Spektrum an Möglichkeiten.

Die Diskussion über die Quantität der Lehrplätze, so wie wir sie heute hier führen, darf aber nicht zur Vernachlässigung der Qualität in der Lehrlingsausbildung führen. Daher meine ich, daß es ein falscher Weg wäre, zu sagen: Kurze Lehrzeiten mit wenig Berufsinhalten sollen wir machen! – Auch der Antrag, der soeben von den Freiheitlichen eingebracht wurde, sieht die Teillehre vor, die kurze Lehrzeiten mit wenig Berufsinhalten und damit eine schlechte Qualifikation für unsere Jugend bedeuten würde.

Weniger Jugend- und Arbeitnehmerschutz ist meiner Meinung nach auch ein falscher Weg. Weniger Bezahlung, wie vielfach immer wieder verlangt, ist ein falscher Weg. Weniger soziale Rechte, weniger Urlaub – auch für jüngere Arbeitnehmer, wie Maderthaner das erst vor kurzem vorgeschlagen hat – ist meiner Meinung nach auch ein falscher Weg. Weniger Feiertage für alle, ebenfalls ein Vorschlag der Wirtschaftskammer beziehungsweise des Präsidenten der Wirtschaftskammer, sind meiner Meinung nach auch der falsche Weg. Wir sollten sowohl im sozialen Bereich als auch in der beruflichen Ausbildung die Qualität in den Vordergrund stellen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Vorschläge der Freiheitlichen sind einmal so und einmal so. Ich zitiere beispielsweise aus einer Aussendung zur Entlohnung der Lehrlinge, die sich in einem Papier der Freiheitlichen vom 15. März 1997 findet. Darin wird eine Erhöhung der Lehrlingsentschädigung verlangt, so auch jetzt im Antrag. Die Senkung der kollektivvertraglichen Löhne und auch der Lehrlingsentschädigungen wurden von derselben Freiheitlichen Partei noch im Dezember 1994 verlangt. – Also, man weiß nicht so recht, was Sie wirklich wollen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Nürnberger und Haigermoser. – Für Ihren Zwischenruf, Herr Haigermoser, bin ich sehr dankbar, denn der nächste, auf den ich zu sprechen komme, sind nämlich Sie!

Sie haben am 26. Jänner 1995 gemeint, der Arbeitnehmerschutz gehöre ersatzlos gestrichen. (Abg. Haigermoser: Wer gehört gestrichen?) Der Arbeitnehmerschutz. Das haben Sie am 26. Jänner 1995 verlangt. Jetzt sagen Sie in Ihrem Antrag: Man muß ihn überdenken, man muß ihn vielleicht sogar noch verbessern, jedenfalls gehört er aktualisiert. – Das steht in Ihrer Aussendung vom 15. März 1997. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Also, was ist jetzt? Gehört er abgeschafft oder aktualisiert? Gehört er verbessert oder verschlechtert? – Bei Ihnen kennt man sich überhaupt nicht aus. Die Politik, die Vorschläge der Freiheitlichen sind nicht berechenbar, sie sind schlichtweg unberechenbar! (Abg. Haigermoser: Das haben wir in Niederösterreich gesehen, wer mit seinen Vorschlägen ankommt!)

Die Politik der Freiheitlichen ist wie immer geprägt vom Miesmachen, Diffamieren, Schuldzuweisen und Verurteilen, darin sind sie stark, darin sind sie Weltmeister! Der politische Inhalt des freiheitlichen Programms ist die Skandalisierung. Der politische Inhalt des Programms der Regierungsparteien ist es, weiterhin eine arbeitsmarktfördernde Politik um- und durchzusetzen,


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sehr verehrte Damen und Herren! Zugegeben: Das ist nicht leicht, doch wir bemühen uns. Aber die Freiheitlichen hindern uns dabei.

Um ein letztes Beispiel zu nennen: In der Dringlichen Anfrage wird auch von einem "Wildwuchs an Förderungen" gesprochen. Ich gebe gerne zu: Auch wir sind über die Entwicklung der Förderungen nicht glücklich. Der Herr Staatssekretär hat schon darauf hingewiesen, daß es diesbezüglich im heurigen Jahr zu Veränderungen kommen wird. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wie schaut der Vorschlag der Freiheitlichen zur Förderung der Lehrbetriebe eigentlich aus? – Der Vorschlag der Freiheitlichen ist in Wirklichkeit schon wieder anders als der Antrag, den sie gerade zitiert haben. Beispielsweise hat Herr Generalsekretär Westenthaler in einer Sitzung des Wiener Gemeinderates die Förderung aller Lehrbetriebe in Österreich verlangt. Abgesehen davon, daß wir das sicher nicht finanzieren können, zeigt das, wie oberflächlich die Freiheitlichen mit diesem Thema umgehen. Ich sehe schon Herrn Generalsekretär Westenthaler als Gärtnerlehrling in blauen Gummistiefeln: Er geht mit einer Gießkanne in jeder Hand herum und läßt jedem Lehrbetrieb Förderungen zukommen. (Abg. Haigermoser: Derselbe Humor wie immer! Da muß man ja ins Kellerstüberl gehen zum Lachen!)

Das ist Ihre Politik! Ich meine, wir müssen deutlich machen, daß das Ihre Vorschläge sind, aber keine Vorschläge, die zielführend sind.

Herr Kollege Gaugg! Faktum ist, daß sich die Politik der Bundesregierung, von der Sie behaupten, daß sie lehrplatzvernichtend ist, als lehrplatzfördernd erwiesen hat. Im vergangenen Jahr konnten Gott sei Dank mehr Lehrverträge abgeschlossen werden als im Jahr davor; es waren leider nur 3 096 mehr als im Jahr davor, aber jedenfalls deutlich mehr. Ich bin überzeugt davon, daß wir auf diesem Weg gemeinsam mit unserem Regierungspartner weiterkommen werden, und bin zuversichtlich, daß wir die Probleme auch in diesem Jahr meistern werden! (Beifall bei der SPÖ.)

17.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.03

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Als das letzte Mal eine dringliche Behandlung des Themas Beschäftigung und Lehrlinge stattgefunden hat, war das kurz vor den oberösterreichischen Landtagswahlen. Kollege Gaugg und Kollege Haider haben sich damals in ähnlicher Form dazu geäußert. Sie haben natürlich keine Vorschläge gebracht, sondern nur die Situation in Österreich und in Oberösterreich miesgemacht.

Tatsache ist, daß es im vergangenen Jahr gerade in Oberösterreich zu einer besonderen Situation hinsichtlich der Beschäftigung der Jugend gekommen ist, nämlich auf dem Lehrplatzsektor. Es konnte die höchste Zahl an Lehrplätzen geschaffen beziehungsweise zur Verfügung gestellt werden, nämlich 24 784; das ist ein Plus von 5,3 Prozent.

Herr Gaugg hat aufgefordert, man solle in dieser Debatte Hoffnung und Zuversicht signalisieren. Herr Kollege Gaugg! Ich habe in Ihren Ausführungen keinen Ansatz von Hoffnung, von Zuversicht bemerkt, sondern sie waren von Desorientierung und Angstmacherei geprägt. Und damit können wir uns nicht identifizieren! (Beifall bei der ÖVP.) Hätten Sie doch wenigstens einen Vorschlag gebracht dahin gehend, was Sie in bezug auf Beschäftigungspolitik vorhaben!

Ich möchte mich heute insbesondere der Jugendbeschäftigung beziehungsweise den Lehrlingen widmen. Die Freiheitlichen behaupten ja, daß die Bundesregierung eine lehrplatzvernichtende Politik betreibt.


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113. Sitzung / Seite 131

Meine Damen und Herren! Es ist das kein einfach zu lösendes Problem und muß uns selbstverständlich ein großes Anliegen sein. Und das ist es auch, das ist es insbesondere für die Österreichischen Volkspartei beziehungsweise für die gesamte Bundesregierung.

Wir haben mit einer Zuwachsrate der 14- bis 18jährigen zu rechnen, der wir gerecht werden müssen, wofür wir Lösungen anbieten müssen. Wir müssen die Wirtschaft dazu animieren, entsprechende Jugendarbeitsplätze, Lehrplätze zu schaffen.

Ich darf in diesem Zusammenhang nur der Ordnung halber darauf aufmerksam machen, daß die duale Ausbildung in unserem Land eine Säule für die Qualität der Facharbeiter darstellt. Die duale Ausbildung wird international, weltweit, als erfolgreiches Modell gesehen, und unsere Lehrlinge erringen immer wieder internationale Preise. (Beifall bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren! Österreich ist aufgrund dieses Facharbeiterpotentials ein guter Standort für Betriebsansiedlungen.

Wir dürfen die Jugendbeschäftigung und -arbeitslosigkeit nicht pauschal sehen, sondern müssen die Vielzahl der Probleme, die wir gesondert zu lösen haben, erkennen. Es gibt Lehrstellensuchende, aber auch Lehrabbrecher, es gibt Schwächere, die keine Lehrausbildung bekommen, es gibt Schulabgänger und Schulabbrecher der höheren Schulen und so weiter.

Unser Appell und unser gemeinsames Anliegen, geschätzte Damen und Herren, muß es sein – und das ist es auch für die Österreichische Volkspartei –, es jedem Jugendlichen, jedem Schulabgänger zu ermöglichen, einen Arbeitsplatz, einen Ausbildungsplatz in diesem Land zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Vorredner der Oppositionsparteien – ich habe mich in diesem Zusammenhang über die Ausführungen von Herrn Mag. Peter gewundert, weniger über jene von Herrn Gaugg – haben anscheinend vergessen, was wir alles mit dem Lehrlingspaket 1 verabschiedet und beschlossen haben. Man übersieht, daß vieles schon geschehen ist!

Wir haben im vergangenen Jahr einen finanziellen Kraftakt gemacht. Aber nicht nur finanziell ist etwas geschehen, sondern wir haben auch bürokratische Hürden entfernt und es den Betrieben leichter gemacht. Und die Betriebe waren bereit, der Jugend ein gewaltiges Mehr an Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen, und zwar auch die öffentliche Hand bis hin zum Bundesheer, das ebenfalls mehr Lehrlinge eingestellt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich darf in Erinnerung bringen, daß die Altersgrenze im Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz auf 18 Jahre gesenkt wurde, daß die Wochenruhezeit von 48 auf 43 Stunden herabgesetzt wurde, daß Fenstertage eingearbeitet werden können, daß es eine Durchrechnung der Wochenarbeitszeit gibt, daß die Probezeit auf 6 Wochen ausgedehnt wurde und so weiter. All das sind Dinge, die über das Finanzielle hinausgehen und der Wirtschaft und den Lehrbetrieben signalisieren: Jawohl, wir ändern die Rahmenbedingungen! Wir machen es leichter, den Jugendlichen Ausbildungsplätze zu geben.

Da heute in dieser allgemeinen Diskussion über Arbeitsplätze, über Jugendbeschäftigung gesprochen wird, möchte ich darauf hinweisen, daß es nicht besonders seriös ist, wenn Frau Kollegin Gredler als nächste Rednerin hier einen Entschließungsantrag einbringen wird, der sich mit der Osterweiterung befaßt. (Abg. Dr. Gredler: Das ist nicht seriös?! – Abg. Dr. Khol: Nicht bei einer Dringlichen!)

Frau Kollegin! Ich meine, daß es seriöser wäre, einen Selbständigen Antrag einzubringen, damit man das auf einer möglichst breiten Basis diskutieren kann. (Abg. Dr. Gredler: Das kann man jederzeit diskutieren!) Das Thema ist zu wichtig, es sollte nicht einfach im Schnellschußverfahren mit einem Entschließungsantrag hier abgefertigt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Jugendbeschäftigung ist im Lehrlingspaket 2 des ÖAAB und im Programm der gesamten Österreichischen Volkspartei weiter zu unterstreichen, und es sind entsprechende Maßnahmen zu setzen, Maßnahmen, Herr Kollege Haigermoser, bei denen ich


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auch die "F" einlade, die sonst nur Mies- und Angstmache betreibt, mitzugehen und in die Richtung zu wirken, daß wir die Jugend weiter beschäftigen können.

Geschätzte Damen und Herren! Dabei kommt es auch auf den Zeitfaktor an, weil die jungen Leute, die aus der Pflichtschule kommen, jetzt schon anfragen, wie und wo sie Lehrstellen bekommen, um sich weiterbilden und einen Beruf erlernen zu können. Und in diesem Zusammenhang darf ich schon an die Sozialdemokraten das Ersuchen richten, nicht zu verschieben, nicht zu verzögern, keine Zeit zu verlieren, sondern schon in den nächsten Monaten, spätestens im Mai, mit uns die wichtigsten Regulierungen zu beschließen. (Beifall bei der ÖVP.)

Unser Ziel ist klar, geschätzte Damen und Herren: Wir müssen und wollen die Jugend beschäftigen! Die Wirtschaft braucht die Facharbeiter, und deswegen brauchen wir auch Lehrlinge. Die Jugend will arbeiten – das sagen uns die Jugendlichen selbst –, jeder, der mit Jugendlichen diskutiert, wird das hören. Die Jugend will ausgebildet werden, sie will etwas leisten, sie will in Österreich einen wesentlichen Beitrag zur Fixierung des Wohlstandes und des sozialen Standards leisten.

Ich darf Ihnen die wesentlichsten Maßnahmen des ÖAAB und der Österreichischen Volkspartei zur Beschäftigung der Jugend darlegen: Es muß zu einer verstärkten Gründerwelle kommen! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Wir brauchen die Startjobs – auch wenn du nicht damit einverstanden bist, Kollege Haigermoser, ist das notwendig; aber du wirst noch draufkommen –, die für drei Monate bis zwei Jahre jenen Abgängern aus höheren Schulen zur Verfügung stehen sollten, die das Problem haben, allein mit der theoretischen Ausbildung keinen Arbeitsplatz zu finden.

Zur Lehrlingsoffensive ist es notwendig, die Lehrlingsentschädigung für das erste Berufsschuljahr der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen und später einen Qualifikationsfreibetrag einzuführen. (Abg. Haigermoser: Was ist jetzt?! Noch einmal! Das ist ja wirr!)

Mit der Stufenlehre für weniger Begabte ist es möglich, auch diesen Jugendlichen eine Ausbildung zu sichern. Bezüglich der neuen Berufsbilder ist einer rascheren Zulassung das Wort zu reden. Daß es vermehrt Jobchancen im Gesundheitsbereich gibt, möchte ich besonders unterstreichen.

Ein wichtiges Element ist, daß nun die Jugendlichen ab 16 Jahre im Fremdenverkehr und in der Gastronomie bis 23 Uhr arbeiten können (Beifall bei der ÖVP) und daß die Verhältniszahlen im Berufsausbildungsgesetz gesenkt werden.

Der Berufsinformation ist ab der 4. beziehungsweise auch in der 7. und 8. Schulstufe Rechnung zu tragen.

Meine Damen und Herren! Auch regionale Lösungen sind in diesem Zusammenhang anzusprechen, etwa daß es quasi zu einer Eingreifgruppe auf regionaler, auf Bezirksebene kommen kann, damit man jeweils vor Ort rasch effiziente Lösungen für die Beschäftigung von Jugendlichen anbieten kann. Auch dieser Vorschlag sollte aufgenommen und realisiert werden.

Es kann nicht so sein, daß wir uns ausschließlich auf finanzielle Förderungen stützen. Es kann nur in einem Jahr möglich sein, daß von den Gemeinden über die Länder bis zum Bund und zum Arbeitsmarktservice finanzielle Mittel in diesem Ausmaß zur Verfügung gestellt werden, ein Ausmaß wie zum Beispiel bei Siemens Fohnsdorf, meine Damen und Herren, wo 34 Millionen Schilling Förderung für 20 Lehrlinge zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein Mißverhältnis, das sicher nicht aufrechtzuerhalten ist! (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Das Anliegen der Volkspartei ist es, Beschäftigung, Ausbildung und Arbeit für die Jugend sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)


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17.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Gredler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.13

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kiss – ist er hier? (Abg. Kiss ist im Begriff, den Sitzungssaal verlassen.)  – Bitte bleiben Sie hier, Sie sind der erste, den ich ansprechen möchte.

Ich habe Ihre heutige Presseaussendung gelesen, in der Sie über einen Besuch an der EU-Außengrenze berichtet haben. Das müssen Sie vor 9 Uhr gemacht haben. (Abg. Kiss und Abg. Dr. Khol: Um 6 Uhr früh!)  – Sie sind sozusagen ein "early bird"! – Sie sind dort offenbar von der organisierten Kriminalität erschreckt worden, anders kann ich mir Ihre Presseaussendung nicht erklären. Darin heißt es – ich darf zitieren –:

"Gerade auf Österreich kommt aufgrund seiner exponierten geographischen Lage an der EU-Außengrenze zu den ehemaligen Ostblockstaaten eine spezifische Bedrohung in Form der organisierten Kriminalität zu."

Ich muß sagen: Die organisierte Kriminalität bedroht uns mit und ohne EU! Sind wir uns darin einig? (Beifall beim Liberalen Forum.) Ich meine, die EU wird die Situation vielleicht verbessern, aber sicher nicht verschlechtern!

Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag einbringen, weil ich glaube, daß die Erweiterungsdiskussion auf einem Mißverständnis beruht. Die Zugangskriterien der Beitrittskandidaten wurden 1993 im Rat von Kopenhagen folgendermaßen definiert: stabile, demokratische und rechtsstaatliche Ordnungen; Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte; funktionsfähige Marktwirtschaft; die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck in der EU standzuhalten und die Übernahme der sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen und Ziele der Europäischen Union.

Das sind die Zugangskriterien, die die Europäische Union selbst definiert hat. Ich halte sie für eine gute Diskussionsbasis. Was man hier und heute miteinander vermengt hat, sind zwei ganz verschiedene Dinge: Es ist die Sorge um die Arbeitsplätze in Österreich in unverantwortlicher Weise mit der EU-Osterweiterung verknüpft worden! Die Sorge um die Arbeitsplätze in Österreich hat ihre Berechtigung, aber jetzt dafür die EU-Osterweiterung in irgendeiner Form verantwortlich zu machen, halte ich nicht für den richtigen Zugang.

Daher möchte ich namens meiner Fraktion folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU-Erweiterung

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die beim Europäischen Rat in Luxemburg eingeschlagene Vorgangsweise der EU zur Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Reformstaaten besonders während der EU-Präsidentschaft Österreichs zu bekräftigen und voranzutreiben. Insbesondere ist bei den Beitrittsverhandlungen die Tatsache, daß mehrere Gebiete Österreichs Grenzregionen von Beitrittswerbern sind, zu beachten."

*****

Letzteres haben wir extra hineingeschrieben, um den Regierungsparteien, die vielleicht Bedenken haben, die Möglichkeit zu geben, diesem Entschließungsantrag ebenfalls zuzustimmen, und weil wir glauben, daß wir selbstverständlich jenen Regionen, die an den Grenzen zu den osteuropäischen Staaten liegen, besondere Beachtung schenken müssen.

Auf der einen Seite wollen wir eigentlich eine gute Kooperation mit diesen Staaten. Wenn wir aber sagen, daß wir für die Osterweiterung kein Geld haben und daß man die Osterweiterung aus dem EU-Budget finanzieren sollte, dann werden wir ein Problem bekommen. Wir müßten


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die Grenzregionen dort so weit bringen, daß in diesen für die eigenen Leute eine ausreichend hohe Zahl an Arbeitsplätzen zur Verfügung gestellt wird, damit die Migration sozusagen unattraktiv wird. Diese hat übrigens ihren "peak", ihren Höhepunkt, ohnehin längst überschritten. Wie uns alle osteuropäischen Länder bestätigen, ist dieser peak 1989/1990 erreicht worden. Der Migrationswille der Menschen, die derzeit in den osteuropäischen Staaten leben, ist bei weitem nicht so hoch, wie er hier angeprangert wird.

Es ist für einen Nachbarn, zum Beispiel für einen Ungarn oder einen Slowenen, schon lange möglich, nach Österreich zu kommen und einen Arbeitsplatz zu finden. Die, die das wollen, sind schon längst hier, und die paar, die noch nachkommen werden, werden wir auch noch aushalten, meine Damen und Herren!

Laut den Zahlen des Arbeitsmarktservice ist es so, daß im Jahre 1997 die Zahl der unselbständig beschäftigten Ausländer und Ausländerinnen aus Drittstaaten, und zwar allen Drittstaaten, um etwa 4 000 oder 1,5 Prozent gesunken ist. Ich muß sagen: Wenn diese rückläufige Entwicklung stimmt, dann verstehe ich einfach nicht, warum die FPÖ diese Befürchtungen in den Raum stellt. Ich halte es für bedauerlich, daß man die Animositäten, die manche Leute gegenüber der Osterweiterung haben, weil sie um ihren Arbeitsplatz fürchten, dazu verwendet, polemische Politik zu betreiben.

Was ich gar nicht verstehe, ist, daß ausgerechnet der Wirtschaftssprecher der FPÖ, Thomas Prinzhorn, in einer Presseaussendung vom 2. März erklärt hat, daß er die Osterweiterung als völlig entbehrlich ansieht. Meiner Information nach besitzt Herr Prinzhorn in Ungarn Firmen, und diese gehen gar nicht schlecht! Die Arbeit der Ungarn schätzt er außerordentlich, zumindest scheint er dadurch nicht gerade in die Armut zu schlittern. Ich verstehe also nicht, warum gerade er sich gegen die Osterweiterung wehrt, obwohl er genau weiß, daß das ein interessanter Markt ist! Das ist mir völlig unerklärlich. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Durch die Osterweiterung erfährt Europa eine Erweiterung seines Marktes um 100 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Das muß doch wirtschaftlich interessant sein! Ich verstehe nicht, daß man sich gegen eine Marktöffnung wehrt, sich dagegen wehrt, daß es unserer österreichischen Industrie ermöglicht werden soll, einen größeren Markt und bessere Möglichkeiten zu finden, die Arbeitsplätze abzusichern. Das ist mir unbegreiflich.

Ich persönlich teile die Ansicht der Brüsseler Kommission, die in ihren Berechnungen für den Finanzrahmen der EU von 2000 bis 2006 zu dem Schluß kommt, daß sich die Osterweiterung, wenn man ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent annimmt und den Berechnungen zugrunde legt, eigentlich selbst finanzieren wird.

Ich würde mir daher wünschen, daß diese sogenannte Nettozahlerdebatte, die auch von seiten der Regierung geschürt wird, endlich aufhört. Wir sind, glaube ich, in der Lage, aufgrund des Budgets und wenn man die Mittel, die bis zum vorletzten Jahr niemals ausgeschöpft wurden – man muß auch sagen, daß da einige Millionen liegengeblieben sind –, ausschöpft und außerdem noch das Wirtschaftswachstum in Betracht zieht, durchaus ohne Ängste in die Osterweiterung zu gehen.

Mein letzter Satz gilt den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Parlamenten, die unsere Debatten indirekt mitverfolgen. Sie sind entsetzt über die Art und Weise, in der wir über die Erweiterung debattieren.

Ich wünsche mir, daß wir sie mit offenen Armen empfangen und daß wir bereit sind, mit ihnen ein gemeinsames Europa zu bauen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, dessen Text Frau Abgeordnete Dr. Gredler vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.


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Ich erteile als nächster Rednerin Frau Abgeordneter Haller das Wort. – Frau Abgeordnete, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten verlangt. (Abg. Haller: 5 Minuten!)

17.21

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Seit Jahren verspricht uns diese Regierung die Schaffung und die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Anfang dieses Jahres hat unser Bundeskanzler wieder von einer neuen Vollbeschäftigung gesprochen. Wir alle wissen jedoch, daß die Fakten anders sind.

Laut "Kurier" vom 4. März dieses Jahres schnellte die Arbeitslosenquote im Februar von 4,1 auf 4,5 Prozent hinauf. In dramatischem Ausmaß gestiegen ist die Arbeitslosigkeit bei den Frauen. Sie hat sich im Vergleich zu jener der Männer verdoppelt und ist um 3,7 Prozent gestiegen.

Wir alle wissen aber auch, daß gerade die versteckte Arbeitslosigkeit bei Frauen besonders hoch ist. Wenn Frau Schmidtleitner vom ÖGB sagt, daß sich die sozialpolitischen Trends verstärkt gegen Frauen richten, so weiß sie sicher, was sie sagt, aber ich vermisse immer den Aufschrei der ÖGB-Frauen hier im Parlament. Für die in letzter Zeit getroffenen Maßnahmen, die den Frauen geschadet haben, nämlich die Verkürzung der Karenzzeit, die Probleme bei den Werkverträgen, die Stagnation in der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist der Bundeskanzler, ist diese Regierung, sind Sie, Herr Staatssekretär, verantwortlich.

Anläßlich des Frauentages hat ein Wissenschaftler, und zwar Hans Peter Martin, gesagt, daß aufgrund dieser Fakten ein gnadenloser Wettbewerb um die verbleibenden Jobs stattfindet. Und das ist einfach die Realität. Er sagte auch, daß die Frauen die "Ossis" auf dem Arbeitsmarkt in Österreich seien. (Abg. Silhavy: Sagen Sie das der Wirtschaft, Frau Kollegin Haller!)  – Nein, ich sage das der Politik, denn die Politik schafft die Rahmenbedingungen, die es der Wirtschaft nicht ermöglichen, zu reagieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weiterer Zwischenruf der Abg. Silhavy. – Frau Kollegin, Sie können dann hier reden, wenn Sie wollen!

98 Prozent der Vollerwerbsarbeitsplätze in den letzten zehn Jahren sind für Männer geschaffen worden. Verantwortlich für die Zuspitzung der Probleme ist nach unserem Dafürhalten nicht nur eine Blockade der Durchführung von notwendigen sozialpolitischen Reformen, und zwar nicht nur für Frauen. Es ist schon sehr eigenartig, verwunderlich und auch nicht ehrlich, wenn der Bundeskanzler auf der anderen Seite das Frauen-Volksbegehren, das derzeit beraten wird, unterstützt. Ich finde es sehr traurig, daß es ein Expertenhearing und sechs Unterausschußsitzungen gegeben hat, aber bis heute effiziente Lösungen de facto nicht in Sicht sind. (Abg. Silhavy: Mit welchem Recht stellen Sie sich herunter und reden über Frauenpolitik? Sie haben gegen alles gestimmt, was für Frauen geschaffen wurde, Frau Kollegin Haller!)

Es ist auch sehr bezeichnend, Frau Kollegin, wenn die Expertin der Arbeiterkammer Oberösterreich, mit der Sie sich ja recht gut stehen müßten, als besten Lösungsansatz die steuerliche Entlastung von Einkommen und Betrieben einfordert. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das kommt mir als Freiheitlicher sehr bekannt vor.

Ich finde Sie und Ihre Vorgangsweise einfach verantwortungslos und werde darin bestätigt (Zwischenruf der Abg. Silhavy )  – Sie können noch so schreien, ich bin lauter (Abg. Silhavy: Das ist das einzige, was Sie sind!)  – durch eine Aussage des Leiters eines steirischen Arbeitsmarktservicebüros, nachzulesen in der "Kleinen Zeitung" vom 11. 2. Er hat in seinem Bereich eine Steigerung der Frauenarbeitslosigkeit zwischen 15 und 25 Prozent zu verzeichnen und meint, längerfristig werde es noch schwieriger werden. Er ortet allgemein eine Situation, in der es insgesamt noch schwieriger werden wird, unter dem Stichwort "Südostöffnung". Wortwörtlich sagt er: "Darauf sind wir nicht vorbereitet, und das trifft vorwiegend Klein- und Mittelbetriebe."

Deshalb bringe ich den folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haigermoser und Kollegen betreffend EU-Osterweiterung


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Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den Beitrittsverhandlungen mit den EU-Aspiranten eine ablehnende Haltung einzunehmen, solange nicht sichergestellt ist, daß vor einem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten

eine Angleichung und überprüfbare Einhaltung der sozial- und arbeitsrechtlichen Standards sowie der Umweltstandards der Kandidatenländer mit jenen der Europäischen Union erfolgt ist,

das Ziel der Europäischen Union, die Arbeitslosigkeit zumindest zu halbieren, realisiert wurde,

ein spezifisches und ausreichend dotiertes und hinsichtlich der Förderungsregeln der besonderen Problemlage angepaßtes Sonderprogramm für die im Nahbereich der Grenze zu den MOEL liegenden heimischen Regionen geschaffen wurde,

eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union durch Renationalisierung der land- und forstwirtschaftlichen Einkommenspolitik mit dem Ziel der Erhaltung des Arbeitsplatzes "Bauernhof" durchgeführt wurde,

die Steuersysteme harmonisiert sind und die Wirtschaftskraft Österreichs durch Maßnahmen, insbesondere"– jetzt komme ich wieder zurück, jetzt schließt sich der Kreis – "im Bereich des Steuerrechts und durch Bürokratieabbau gestärkt wurde, um wettbewerbsfähig zu bleiben."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Tegischer das Wort. – Frau Abgeordnete, die Redezeit, die Ihnen noch zur Verfügung steht, beträgt 8 Minuten. – Bitte.

17.27

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Kollegin Haller! Wir haben versucht, eine Reihe von Maßnahmen hier im Haus zu beschließen. Sie haben bei keiner einzigen Maßnahme mitgestimmt. Das muß ich hier einmal klarstellen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Haller. ) Wenn Sie sagen, daß die Politik die Rahmenbedingungen vorgibt, dann ist das wahr, aber Sie müssen diese auch mit bestimmen.

Lassen Sie mich nun zu einem anderen Thema kommen. Was die Anfrage betrifft, möchte ich eingangs bemerken, daß nicht unbedingt der Bundeskanzler die primäre Adresse ist, sondern schon eher der Wirtschaftsminister. Lassen Sie mich diese Behauptung in meinem Debattenbeitrag begründen.

Als Jugendsprecherin möchte ich speziell auf die Jugendbeschäftigung und die Lehrlingsausbildung eingehen. Ich nehme an, daß wir uns – auch mit dem Koalitionspartner – darin einig sind, daß das duale Ausbildungssystem aufrechterhalten werden soll. Deshalb ist es notwendig, daß sich auch die Wirtschaft bereit erklärt, ihren Beitrag zu leisten und die nötigen Lehrplätze zur Verfügung zu stellen, denn der Slogan "Karriere mit Lehre" sollte keine leere Worthülse sein.

Ich weiß schon, daß es immer wieder um die Finanzierung der Lehrlingsausbildung geht, möchte aber nicht unerwähnt lassen, daß eine fundierte Ausbildung und die Bereitstellung von Arbeitsplätzen die Voraussetzung und der Garant für sozialen Frieden sind. Außerdem möchte ich noch dazusagen, daß die Wirtschaft am meisten von gut ausgebildeten Fachkräften profitiert.


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Auf Initiative des ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch wurde gemeinsam mit dem Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer 1996 ein Antrag gestellt, der eine Reihe von Maßnahmen zur zeitgemäßen Weiterentwicklung der Lehrlingsausbildung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beinhaltet. Wir haben wirklich vehement versucht, diese Forderungen zu erfüllen, aber ich muß sagen: Es nützt nichts, wenn nicht auch die Wirtschaft ihren Beitrag leistet!

Ich habe schon in meiner Rede im März 1997 darauf hingewiesen, daß zur Finanzierung der Ausbildung von Jugendlichen ein Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Betrieben eine realistische Möglichkeit wäre. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Neue Steuern!) Diese Möglichkeit ist im erwähnten Antrag als Forderung an die Regierungsmitglieder herangetragen, aber bis jetzt nicht umgesetzt worden. Da die Wirtschaft aber diesem Antrag zugestimmt hat, wäre es jetzt an der Zeit, eine eindeutige Willensbekundung dazu auszudrücken.

Nun zu einem weiteren Thema, das ich für sehr wichtig erachte. Für die Zukunft der Ausbildung und für die Schaffung von Arbeitsplätzen speziell im Jugendbereich ist eine Umstellung unseres derzeit bestehenden Schulsystems notwendig. Viele Vorschläge und Ideen wurden schon diskutiert, vor allem in meiner Fraktion. Ich möchte insbesondere darauf hinweisen, daß wir im Schulsystem endlich von der Selektion zur Qualifikation übergehen müssen, wir dürfen nicht in Schienen fahren, sondern müssen ein modulartiges Schulsystem aufbauen.

Ich möchte hier erwähnen, daß sehr viele Lehrlingsanwärter auf die hohe Drop-out-Rate in den höherbildenden Schulen zurückzuführen sind. Im HTL-Bereich etwa sind es 70 Prozent. Es ist daher wichtig ist, daß wir das Schulsystem modulartig gestalten. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. ) Höherbildende Schulen gehören vernetzt, wobei darauf zu achten ist, daß lernschwache und sozial benachteiligte Jugendliche nicht durch den Rost fallen beziehungsweise daß sie Sonderausbildungsformen in Anspruch nehmen können. Ich sehe die Teillehre nicht unbedingt als das Mittel dafür an, diesen Jugendlichen eine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu ersparen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Berufsfachschule, die bereits von meinem Kollegen Riepl erwähnt worden ist, oder, wie jetzt der neue Ausdruck heißt, die Berufsschulklassen sehe ich als wirkungsvolle Alternative zur herkömmlichen Lehrlingsausbildung an. Selbstverständlich müssen dabei regionale Branchenansprüche berücksichtigt werden, und der Schüler muß jederzeit die Möglichkeit haben, einen Lehrplatz in Anspruch zu nehmen, wenn einer angeboten wird, aber auch wieder in die Schule zurückzukehren. Diese Wechselwirkung zwischen Ausbildung und Praxis sollte ständig gegeben sein.

Erwähnen möchte ich noch die Wichtigkeit der Erweiterung der bestehenden Unterrichtsgegenstände. Auf diesem Gebiet geschieht meiner Ansicht nach noch etwas zuwenig, denn um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können, ist nicht nur die Wissensaneignung erforderlich, sondern auch emotionale und soziale Fähigkeiten, wie zum Beispiel Teamfähigkeit, Sprachgewandtheit und der Umgang miteinander.

Ich möchte, auch wenn viele sehr pessimistisch sind, noch grundsätzlich anmerken: Die Jugendarbeitslosigkeit ist im Vergleich zum Vorjahr um 2 Prozent gesunken. Dies ist sicher kein Grund, sich zurückzulehnen oder in Jubelstürme auszubrechen, aber es beweist, daß die Maßnahmen, die wir in Erwägung gezogen haben, bereits greifen.

Hauptziel meiner Fraktion und, wie ich vermute, auch einiger anderer ist die Beseitigung von Arbeitslosigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Dafür werden wir weiterhin unsere ganze Kraft einsetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Haller. )

Es wäre dringend angebracht, daß auch die Opposition, im speziellen die FPÖ, konstruktive Vorschläge macht (Abg. Meisinger: Die brauchen Sie nur zu lesen!) und sich ihr Beitrag nicht nur im Stellen von Dringlichen Anfragen erschöpft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34


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113. Sitzung / Seite 138

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.34

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Das Problem, das wir bei den Dringlichen Anfragen der Freiheitlichen haben, ist, daß sie immer ein Potpourri sind. Sie sollten sich einmal im vorhinein einigen, worüber wir eigentlich diskutieren sollen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Ich halte alle von Ihnen angeschnittenen Themen für wichtig und vordringlich. Ich halte die Frage der ständig steigenden Arbeitslosigkeit für sehr wichtig. Ich halte die Frage der Osterweiterung für außerordentlich wichtig und würdig, hier einmal in aller Ausführlichkeit diskutiert zu werden. Ich erachte aber auch die Frage der Lehrlingsoffensive und der Konkurrenz, die jetzt im AMS-Bereich entsteht, für sehr, sehr wichtig. Das allein zum Beispiel würde meiner Meinung nach für eine Dringliche ausreichend sein.

Es ist schon richtig, daß die Bundesregierung hier immer wieder eine ähnliche Vorgangsweise an den Tag legt, wenn es um wesentliche Bereiche geht, sei es der Optionenbericht oder sei es das Beschäftigungsprogramm. Es wird viel darüber gesprochen, wir lesen ab und zu das eine oder andere in den Zeitungen, aber sonst erfahren wir Abgeordnete kaum etwas. Es gibt zum Beispiel keine zufriedenstellenden parlamentarischen Beratungen über den Bereich des nationalen Beschäftigungsprogramms.

Nun komme ich auf einen mir wesentlich erscheinenden Bereich zu sprechen, der, wie gesagt, allein eine Dringliche ausfüllen würde, und das ist die jetzt in den Bundesländern, in den Bezirken entstehende Situation im Bereich des AMS. Da zeigt sich, daß sich die Bundesregierung offensichtlich etwas übernommen hat.

Zunächst hat es eine Offensive in Richtung Frauenbeschäftigung und einiges an Programmen und an Maßnahmen gegeben. Dann wurde die Lehrlingsoffensive ausgerufen. Und jetzt geht es darum, in diesen Bereichen die erforderlichen Mittel zu rekrutieren, um das nationale Beschäftigungsprogramm auf die Füße zu stellen.

Dazu ist folgendes zu bemerken, was man jetzt auch immer häufiger in den Zeitungen lesen kann: All diese Offensiven und all diese Programme konkurrenzieren sich gegenseitig, denn es geht immer um dieselben Mittel. Was dabei herauskommt, ist, daß massiv auf Kosten der Frauenbeschäftigungsprogramme, der Qualifikationsprogramme für Frauen eingespart wird, daß vieles gestrichen wird. In der ersten Phase dieses Jahres wurde vieles zurückgenommen zugunsten einer Lehrlingsoffensive beziehungsweise des Erprobens einer Lehrlingsoffensive, denn man kann ja nicht oder noch nicht von einer Offensive sprechen, und jetzt wird immer mehr gekürzt, um dem allgemeinen nationalen Beschäftigungsprogramm wenigstens ein bißchen Kontur zu verleihen.

Wir werden in den nächsten Wochen im Rahmen der Budgetdebatten in den Ausschüssen und im Plenum noch darüber diskutieren können. Wir werden Ihnen dann auch einige konkrete Zahlen und Fakten auf den Tisch legen können, die zeigen, wo bei den Frauenbeschäftigungsprogrammen etwas eingespart und gestrichen worden ist. Sie alle haben wahrscheinlich auch den einen oder anderen Brief der einen oder anderen Frauenberatungsstelle bekommen, die nun auf Qualifikationsprogramme verzichten muß – auch wenn sie sehr gute Vermittlungsquoten hatte, auch wenn ein Kurs oder ein Programm hohe Erfolgsquoten hatte. Und das stimmt mich bedenklich, weil Sie auf diesem Gebiet immer nur kaschieren, retuschieren und überhaupt keine Maßnahmen setzen, die dann auch greifen. Was noch hinzukommt, ist: Sie spielen die eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere aus!

Bezüglich der Sozialinitiativen, jener Initiativen, die nicht nur Frauen betreffen, sondern auch behinderte Menschen oder Langzeitarbeitslose, hat man ja am Freitag, den 13. März, einen ganzen Fragenkatalog bei der Bundesregierung, konkret bei der Frau Sozialministerin, abgegeben. Wir werden sehen, was die Sozialministerin antworten wird. Sollte sie aber nicht darauf antworten, dann – das kann ich Ihnen versprechen – werden wir die Budgetverhandlungen der


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nächsten Wochen sehr wohl dazu nützen, diese Fragen an Sie zu richten und diesen Dingen auf den Grund zu gehen. Denn Sie brauchen nicht zu glauben, Sie könnten jetzt ein nationales Beschäftigungsprogramm erstellen, ohne daß wir darauf achten, was und wo eingespart wird.

Nun komme ich zum zweiten Thema, zur Osterweiterung, weil auch dazu verschiedene Anträge vorliegen. Auch die Osterweiterung wäre es wert, daß wir uns nicht nur im Rahmen einer Dringlichen Anfrage, sondern darüber hinaus sehr ausführlich mit ihr beschäftigen.

Ich möchte schon folgendes in Richtung der Freiheitlichen sagen: Frau Kollegin Haller, Sie haben ja mit dem einen oder anderen durchaus recht. Es stimmt, wir sind nicht vorbereitet auf die Osterweiterung. Noch sind wir nicht darauf vorbereitet, zurzeit sind wir nicht darauf vorbereitet. Sie haben daher schon recht, wenn Sie einen Antrag einbringen, der, soweit ich das akustisch verfolgen konnte, auch von Steuerharmonisierungen spricht. Aber Sie von seiten der Freiheitlichen müssen sich einmal entscheiden: Sind Sie jetzt für die EU oder gegen die EU? Wollen Sie innerhalb der Europäischen Union ein Projekt vorantreiben oder nicht? Sie können jedoch nicht hier am Rednerpult stehen und immer wieder gegen die Europäische Union wettern, hingegen aber sehr wohl Abgeordnete im Europäischen Parlament haben. Sie können nicht hier stehen und gegen eine Osterweiterung wettern, das dann in Wahlkämpfen benützen, um auf der untersten Stufe Stimmung zu machen, und auf der anderen Seite dann hier einen Antrag einbringen, wo Ihnen plötzlich einfällt, was man dazu alles tun müßte.

Ich meine, eine Voraussetzung wäre, daß Sie zunächst einmal Ihr politisches Programm in diese Richtung abklären. Dann könnten wir ernsthafter darüber reden.

Sie sprechen in Ihrer Anfrage auch die Sozial- und Umweltstandards an. Wenn das stimmt, was Kollegin Gredler in bezug auf Kollegen Prinzhorn hier aufgezeigt hat, nämlich daß er Betriebe in Ungarn und in anderen osteuropäischen Ländern hat beziehungsweise an welchen beteiligt ist und davon profitiert, daß es noch keine EU-Osterweiterung gibt, daß er auch davon profitiert, daß es in diesen Ländern eigentlich keine geregelten Sozial- und Umweltstandards gibt, daß die Arbeitskräfte dort nach wie vor billiger sind als bei uns, daß es keine Steuerharmonisierung gibt, die Sie in Ihren Debattenbeiträgen hier verlangen, dann ist die Antwort ganz klar, und sie kann nur lauten: Das Ganze, das Sie hier heute geboten haben, ist äußerst widersprüchlich! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir sind dafür, daß wir über das Projekt "EU-Osterweiterung" reden. Es könnte das Friedensprojekt Europas sein. Wir müssen dort, wo die Sicherheitsrisken liegen, nämlich in den sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten in Europa, ansetzen. Nur in Verbindung mit einer EU-Osterweiterung können wir über eine Steuerharmonisierung reden. Das ist – darin gebe ich Ihnen recht, und das vermisse ich im Antrag der Frau Kollegin Gredler – eine Voraussetzung.

Es gibt mehrere Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um eine EU-Osterweiterung ernsthaft in Erwägung ziehen zu können. Dazu gehört auch die Steuerharmonisierung. Es muß einen Minimalkonsens geben, was Arbeitsbeziehungen und Sozialstandards betrifft, es muß so etwas wie eine Europäisierung der Arbeitsbeziehungen geben. Das ist festzuschreiben.

Unabdingbar wird es unserer Meinung nach auch sein, ein europäisches Finanzausgleichssystem ins Auge zu fassen. Machen wir uns nichts vor! Mit den Strukturfonds, die es in der Europäischen Union zurzeit gibt, kommt man kein Stück weiter. Das sieht man jetzt schon. Da fließt lediglich Geld aus einem Topf in einen anderen. Die Vorschläge für die Änderungen der Strukturfonds, die zurzeit auf dem Tisch liegen, zeigen das ganz genau auf.

Es gibt im übrigen wieder ein Ausspielen der Bevölkerungsgruppen gegeneinander, das Ausspielen der Frauenbeschäftigungsprogramme und der Behindertenbeschäftigungsprogramme gegen die EU-Erweiterung in Richtung osteuropäische Länder. Das zeigt das Dilemma auf. Denn: Man kann nicht mit Mitteln aus einem Fonds, der zu einer Zeit, zu welcher die Europäische Union eine ganz andere Gestalt hatte als jetzt, gegründet wurde, nun ein Programm für die EU-Osterweiterung finanzieren. Das wird nur dann funktionieren, wenn wir uns aufraffen, es


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überhaupt einmal denkmöglich zu machen, daß es ein europäisches Finanzausgleichssystem geben muß; sonst kann dieses Projekt nicht funktionieren.

Ich bin dafür, daß man die EU-Osterweiterung angeht, daß wir darüber diskutieren, weil ich dieses Projekt für sehr notwendig und wichtig halte. Wenn wir das nämlich nicht machen, dann entsteht all das, was Sie immer wieder als Schreckgespenst an die Wand malen, nämlich der Druck auf die Löhne, die sozialen Standards, die Umweltstandards.

Eigentlich ist das jetzt schon der Fall. Das tritt nicht erst dann ein, wenn wir die EU-Osterweiterung realisieren. All das wird Jahr für Jahr verstärkt. Wir haben eigentlich nur eine Möglichkeit beziehungsweise nur eine Chance: an dieses Projekt "EU-Osterweiterung" heranzugehen und zu definieren, was notwendig und wichtig ist, statt Gespenster an die Wand zu malen, wie das bei den letzten Wahlen der Fall war, und davor zu warnen, daß Billigarbeitskräfte zu uns kommen. Es wird, wenn es zu keiner EU-Osterweiterung kommt, umgekehrt sein: Es werden Betriebe abgesiedelt werden, und es werden da oder dort Menschen dazu genötigt werden, nachzuwandern beziehungsweise abzuwandern, um überhaupt noch Arbeit zu haben, und wir werden genötigt sein, unsere Standards zu senken.

Es besteht jetzt schon die Gefahr (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) – ich bin schon beim letzten Satz –, daß das Lohnniveau sinkt.

Wir werden dem Antrag der Freiheitlichen nicht zustimmen, weil er unserer Meinung nach eine Selbstverständlichkeit darstellt und genau jene Rahmenbedingungen nicht enthält, die unserer Meinung nach wichtig sind. (Beifall bei den Grünen.)

17.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

17.45

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ein klares Wort: Wir sind gegen die EU-Osterweiterung, und zwar aus gutem Grund. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn nicht einmal bis dato in der EU eine Steuerharmonisierung erfolgt ist und die Hausaufgaben erledigt wurden, dann wird das bei den Unterschieden, die zu den Oststaaten bestehen, dort wohl auch nicht in wenigen Jahren geschehen.

Was Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, heute hier aufgeführt haben, das war ein peinliches Pingpongspiel: Klassenkampf wurde ein bißchen gespielt, aber hinter den Kulissen wurde wieder gepackelt. Meine Damen und Herren! In dieser Art werden Sie keine sinnvolle Wirtschaftspolitik voranbringen.

Herr Staatssekretär Wittmann! Potz Blitz! Es ist Ihnen heute das Temperament durchgegangen. Sie haben aufgestampft auf der Regierungsbank, um Ihr Ämtchen vielleicht noch zu retten – aber der Schuß ist nach hinten losgegangen. Aber damit müssen Sie selbst fertig werden.

Meine Damen und Herren! "Potz Blitz!" könnte man sagen zu all den Berichten, die Sie uns ins Haus geliefert haben: Daten betreffend die Lehrlingsausbildung, Enquete 1993 et cetera, alles nur gute Ergebnisse. (Abg. Dr. Trinkl: 1993?) 1993! – Wo sind sie umgesetzt worden? Alle Projekte sind in der Schublade verschwunden.

Das rote "Lehrlingstelephon" des Herrn Klima im vergangenen Jahr war der Rohrkrepierer par excellence. Der Berg kreißte und eine Spitzmaus ward geboren, meine Damen und Herren! Mehr als 3 000 Lehrlinge sind auf der Straße geblieben. Dann haben Sie schnell staatliche Lehrwerksstätten eingeführt. Aber der Wirtschaftsausschuß ist säumig gewesen. Frau Kollegin Tichy-Schreder! Sie haben heute bewußt die Unwahrheit gesagt. (Abg. Wabl: Schon wieder!) Wir von den Oppositionsparteien – auch Helmut Peter – haben verlangt, daß wir noch im alten Jahr mit den Beratungen beginnen. Sie haben gesagt: Sofort nach den Feiertagen – bitte


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berichtigen Sie mich, wenn ich etwas Falsches sage! – werden die Termine vereinbart. Heute ist Ende März. Kein einziger Termin für eine Sitzung des Lehrlings-Unterausschusses zur Behandlung der Programme der Opposition ist bisher zustande gekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben die Dinge verschleppt, Sie vernebeln, Sie kehren die Dinge unter den Teppich, weil Sie sich in dieser Koalition nicht einig werden. Die Sozialpartner spielen Pingpong, meine Damen und Herren, und lösen kein einziges Problem. Das ist die Wahrheit, Frau Tichy-Schreder, und Sie haben ein schlechtes Gewissen. (Abg.Tichy-Schreder: Ein schlechtes Gewissen? Das können Sie nicht wissen!) Ich weiß es. Aber das hilft den Lehrlingen nicht, meine Damen und Herren!

Herr Kollege Wittmann! Wenn Sie dann endlich einmal die Ergebnisse der Landtagswahlen in Niederösterreich sehr genau analysiert haben, wie es Herr Klima formuliert hat, dann kommen Sie vielleicht zu der Erkenntnis, daß auch Ihre Politik – Ihre Lehrlingspolitik, Ihre Arbeitsmarktpolitik – dafür verantwortlich ist, daß Ihnen die Wähler in Niederösterreich in Scharen davongelaufen sind. Es ist nicht meine Aufgabe, mir Ihren Kopf zu zerbrechen, aber im Dienste der arbeitenden Bevölkerung, der Betriebe wäre es notwendig, daß Sie nachzudenken begännen und sich fragten, ob die Politik, die Sie machen, nicht doch falsch ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es gibt ein Umfrageergebnis aus jüngster Zeit, in dem es heißt, daß es einen Lehrlingsfrust in den Betrieben gibt. Dazu wird vermerkt, daß die Sozialpartner unter Zeitdruck stünden. Ich frage mich: Wann machen denn die Sozialpartner, die nach Ihren Aussagen die große Lösungskompetenz in diesem Lande haben, endlich etwas dagegen?

Weiters heißt es dazu: Die Betriebe brauchen rasch Klarheit darüber, welche Maßnahmen auf nationaler Ebene geplant sind und wie diese umgesetzt werden, denn sonst werden heuer zum Schuljahresende mehr als 11 000 Lehrstellensuchende auf der Straße bleiben. – Das wären mehr als im Vorjahr.

Meine Damen und Herren! Diese Untersuchung ist vom Wirtschaftsbund, einem Zweigverein der ÖVP, in Auftrag gegeben worden. Wer ist denn da jetzt der Schwarzmaler: Sind es die Freiheitlichen, oder ist es Ihr Koalitionspartner, meine Damen und Herren von der linken Reichshälfte?

Unzufrieden, heißt es weiter, sind die Betriebe mit der Lehrlingsoffensive 1997. Kollege Trinkl! Angesichts dessen gehst du hier noch heraus und klatschst Beifall zu den sozialdemokratischen Plänen, die die Betriebe ein weiteres Mal drangsalieren! (Abg. Dr. Trinkl schüttelt verneinend den Kopf.) Das, was du als Wirtschaftskämmerer hier heute von dir gegeben hast, war peinlich. Freund! Dieser dein Auftritt heute war deiner unwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Trinkl: Du hast nicht zugehört, weil du immer dazwischenredest! Du redest vorbei! Du redest über den 93er-Bericht! Besser vorbereiten!)

Meine Damen und Herren! Da geht ihr als janusgesichtige Abgeordnete mit einem doppelten Boden im Tornister, nicht mit dem Marschallstab, noch her und fordert, daß das Luxemburger Modell jetzt endlich – oh Gott! – eingeführt werden müsse, denn damit – Maderthaner, schau oba! – würden sofort 16 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber bei den Anträgen betreffend die Einführung des Luxemburger Modells fallt ihr jedesmal um, meine Damen und Herren! Und deswegen glaubt euch der Wähler nichts mehr.

Es nützt Ihnen, Herr Wittmann, überhaupt nichts, daß Sie das Regierungsrumpelstilzchen spielen. Sie sollten endlich darangehen, die Wünsche der Bevölkerung entsprechend zu erfüllen, meine Damen und Herren. Daß Sie das nicht tun, ist das Problem, das Sie haben.

Kollege Trinkl! Mit dir habe ich heute noch eine Rechnung offen. Du hast gemeint, es gebe aufgrund der neuen Gewerbeordnung jetzt eine Gründungswelle sondergleichen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.  – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Teilgewerbe: 17 neue Gründungen in einem Vierteljahr. Und die Statistik habt ihr auch noch hingebogen – das ist mein


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letzter Satz –, indem ihr auch die Zahl der Umgründungen in die Statistik aufgenommen habt. Als "11 000 Neugründungen" wird das bezeichnet. (Abg. Dr. Trinkl: Das ist nicht wahr! Das ist eine falsche Behauptung!) Das ist eine traurige Maßnahme, die ihr da gesetzt habt!

Ich meine, daß die Konzepte der Freiheitlichen, die auf dem Tisch sind, umgesetzt gehören. Dann werden wieder Arbeits- und Lehrlingsplätze geschaffen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Redezeit von 2 Minuten. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Wie war das mit der "Volkshilfe" und mit dem verfaulten Reis, den Sie nach Nicaragua geschickt haben?)

17.50

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Schluß der Diskussion muß ich sagen, daß ich sehr froh darüber bin, daß die Verunsicherungsstrategie der Freiheitlichen nicht Platz gegriffen hat und daß das unerträgliche Spiel mit den Ängsten von arbeitslosen Menschen nicht angekommen ist. Ich glaube, daß die Menschen das durchschauen. Das einzige, das bei Ihnen Zufriedenheit auslöst, ist das Malen des Teufels an die Wand. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir gehören nicht zu jenen, die sich bei positiven Daten – diese sind heute schon genannt worden – zurücklehnen und sagen: Das wär’s!, sondern wir setzen mit dem "Nationalen Aktionsplan", der in den nächsten Wochen zu diskutieren sein wird, ganz konkrete Maßnahmen. Darin werden auch konkrete Ziele für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit enthalten sein.

Wir haben es uns zur nationalen Aufgabe gemacht, den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit anzutreten. Ob es Ihnen paßt oder nicht: Sie haben auch zur Kenntnis zu nehmen, daß es erstmals nach 20 Jahren gelungen ist, ein Mehr an Lehrstellen zu erreichen, und wir 7,5 Milliarden Schilling in aktive Arbeitsmarktpolitik investieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich lade Sie herzlich ein, auch im Bereich der Frauenbeschäftigung aktiv zu sein. Da ist auch die Wirtschaft gefordert, aber die Politik muß dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Sie können gerne unserer Forderung beitreten, daß es ein Recht auf Teilzeitarbeit geben muß, wenn man Betreuungspflichten gegenüber Kindern zu erfüllen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nun das, was die FPÖ heute hier präsentiert hat, kurz auf den Punkt bringen: Das Rezept der Freiheitlichen sieht die Senkung der Löhne und Gehälter vor (Abg. Böhacker: Das ist ja unglaublich!), weiters ein Weniger an sozialem Schutz. Arbeitnehmerschutzgesetze sind nach Meinung der Freiheitlichen ersatzlos zu streichen. Ein Zitat von den Freiheitlichen lautet: "Lehrlingsschutzbestimmungen gehören weg!" Ein Funktionär aus Ihrer Partei sagte: "Lehrlinge sind Läuse, die den Betrieb lahmlegen!" und "Frauen zurück an den Herd!" (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider.  – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Diesen Ihren menschenverachtenden Vorschlägen erteilen wir Sozialdemokraten eine entschiedene Absage! (Beifall bei der SPÖ.)

17.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Redezeit von 9 Minuten. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Das Schicken von verfaultem Reis nach Nicaragua ist menschenverachtend!)

17.53

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Bures, wenn Sie löblich hervorheben, daß es als absoluten Höhepunkt des Lehrlingspaketes zum erstenmal seit Jahren in Österreich wieder mehr Lehrstellen gibt, dann kann ich Ihnen nur eines sagen: Damit betreiben Sie tatsächlich Realitätsverweigerung! Das Anrechnen von einem Plus an Lehrstellen nach


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einem absoluten Tiefstand und nach einer massiven Einkaufsaktion von Lehrstellen ohne jeglichen strukturellen Ansatz, also dieses Eigenlob hat für mich schon einen, wie ich es sagen möchte, anrüchigen Aspekt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nun zur Frauenfrage einige Bemerkungen. Die Liberalen sind ausgesprochen unglücklich darüber, daß sich die ÖVP und die SPÖ nicht einmal – zumindest bisher nicht – auf Minimalforderungen im Zusammenhang mit dem Frauen-Volksbegehren einigen konnten.

Frau Kollegin Haller! Sie selbst haben ja die Vorschläge Ihrer eigenen Fraktion in der letzten Unterausschußsitzung präsentiert. Zu einem Großteil der Forderungen des Frauen-Volksbegehrens nein zu sagen, wird den 650 000 Unterzeichnerinnen des Volksbegehrens jedenfalls zuwenig sein. Konstruktives haben Sie dazu nichts oder nur wenig beigetragen, weil die Vorschläge, die von Ihrer Seite dazu vorliegen, alles andere als frauenfreundlich sind. Ich gebe der Kollegin Bures recht, wenn sie meint, daß diese Vorschläge die Frauen tatsächlich wieder zurück an den Herd bringen würden.

Aber nun zur heutigen Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen. Ich muß den Freiheitlichen in vielen Punkten, in denen es um die aktive Arbeitsmarktpolitik und um die Lehrlingsfrage geht, recht geben. Es ist leider eine Tatsache, daß die Mittel der Arbeitsmarktförderung für andere Projekte, wie zum Beispiel für Pensionszahlungen, verwendet werden. Kollegin Kammerlander hat schon darauf hingewiesen, daß sich das Ausspielen von Lehrlingen gegen Frauen und umgekehrt derzeit zu Lasten der Frauen auswirkt. Es werden unzählige Qualifizierungsprojekte und unzählige Frauenprojekte von einem Monat auf den anderen eingestellt, weil deren Finanzierung nicht mehr sichergestellt ist.

Es ist in Anbetracht der derzeitigen Arbeitsmarktsituation in Österreich beschämend, daß die Ausgaben Österreichs für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die hier so hochgelobt wurde, im europäischen Vergleich ganz unten angesiedelt sind. Da besteht wirklich Nachholbedarf. Es war Kollege Peter, der bereits darauf hingewiesen hat, daß es in jenen Bereichen, in welchen Qualifikationen ein wesentliches Element darstellen, Arbeitsplätze gibt. Wenn wir im Qualifizierungsbereich aber nicht ansetzen, werden wir diese Arbeitsplätze nicht bedienen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nun zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen betreffend die Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre ein paar Worte sagen. In der Begründung dazu fehlen noch einige Punkte, und zwar jene, die zeigen würden, daß die Situation auf dem Lehrstellenmarkt, die sehr drastisch und sehr klar dargestellt wurde, eigentlich noch viel explosiver ist. Es wurde zum Beispiel übersehen, daß es im vergangenen Jahr eine Menge von nur einmaligen Ausbildungsangeboten gegeben hat und daß sich viele junge Menschen in befristeten Ausbildungs- und Berufsorientierungsprogrammen befinden. Auch diese Jugendlichen werden weiterhin auf den Lehrstellenmarkt drängen.

Ein Problem habe ich allerdings mit diesem Ihrem Entschließungsantrag. Ich betrachte ihn eigentlich eher als eine Alibiaktion von Ihrer Seite her. Ich finde es nicht klug, 14 verschiedene Punkte höchst unterschiedlicher Qualität in einem Entschließungsantrag zusammenzufassen. Es sind darin Punkte enthalten, welchen wir gerne die Zustimmung erteilen würden, aber es sind auch einige Punkte darin angeführt, von denen wir glauben, daß sich die Freiheitliche Partei damit den eher kläglichen Reparaturversuchen der Koalition anschließt.

Ich unterstütze gerne den Punkt 1, in welchem Leistungsstipendien für Lehrlinge gefordert werden. Aber es gibt bereits ein Problem bei den pauschalierten Lehrausbildungsfreibeträgen in der Höhe von 30 Prozent – damit zementieren Sie sich ein, damit verhindern Sie andere strukturelle Ansätze. Wir glauben, daß wir das duale Ausbildungssystem in der Art neu konzipieren müssen, daß wir innerhalb dieses Systems nicht nur unterschiedliche Bildungsziele mit einer unterschiedlichen Schuldauer einführen, sondern auch ein verbessertes Bildungsangebot schaffen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nächster Punkt: Nichtberücksichtigung der Lehrlingsentschädigung bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer. Darauf kommt es den Unternehmern nicht wirk


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lich an. Dem würde ich zustimmen, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist keine strukturelle Veränderung, sondern das ist lediglich eine kleine finanzielle Entlastung. Da gibt es ganz andere Probleme zu bewältigen – wenn Sie mit den Unternehmern sprechen, werden Sie das erfahren –, wie etwa Probleme im Zusammenhang mit dem Berufsausbildungsgesetz und das Problem, daß es einen Mangel an qualifizierten Bewerbern und Bewerberinnen gibt, etwas, was von den Unternehmern immer wieder beklagt wird.

Was Ihre Forderung nach der gesetzlichen Festlegung einer jährlichen Mindeststeigerung bei der Lehrlingsentschädigung betrifft, so muß ich sagen: Ihre Position in diesem Punkt ist widersprüchlich, denn einerseits beklagen Sie die hohen finanziellen Kosten, die die Betriebe zu tragen haben, und andererseits verlangen Sie Erhöhungen und daß bestehende Unterschiede im Bereich der Lehrlingsentschädigung einzementiert werden. Man muß da schon einmal die Frage stellen, warum jemand, der als Friseurlehrling in Ausbildung steht, nur zirka ein Drittel dessen verdient, was ein Maurerlehrling requirieren kann.

Der Punkt 5, Berufsorientierung, ist an und für sich mehr oder weniger erledigt. – Eine Neuorganisation der Lehrlingsausbildung durch eine Reform der Polytechnischen Schule ist meiner Meinung nach nicht zu erreichen. Da sind tiefergehende Ansätze vonnöten.

Da im Antrag von einer verbesserten und verpflichtenden Aus- und Weiterbildung der Berufsschullehrer gesprochen wird, möchte ich Ihnen sagen, daß es bereits eine solche verpflichtende Ausbildung gibt. Eine Weiterbildung wäre wünschenswert, da gebe ich Ihnen recht, doch entspricht dieser Punkt nicht einmal der Intention Ihres Klubobmannes, der das Problem vielleicht besser erkannt hat, aber es ist dennoch nicht hier niedergeschrieben. Wir brauchen eine Kooperation zwischen Wirtschaftsbetrieben und der Berufsschule, und wir brauchen überhaupt eine Weiterentwicklung der Berufsschule zu Berufsbildungszentren, die ein verbessertes Angebot sicherstellen.

Es gäbe noch viele Punkte zu nennen, aber nur einen davon möchte ich noch herausgreifen, weil seitens der freiheitlichen Fraktion die ÖVP mit sozialdemokratischen Ansätzen kritisiert wurde. – Wenn Sie die Schaffung von sogenannten Flächenberufen fordern, denkt Kollege Haigermoser offensichtlich nicht an die Struktur unserer Ausbildungsbetriebe. Wir haben Kleinbetriebe und Mittelbetriebe, die die wesentlichen Träger der Ausbildung sind. Sogenannte Flächenberufe sind nicht geeignet; wir könnten aber über eine Sockelausbildung, über Sockelqualifizierungen mit einer späteren Spezialisierung für verschiedene Bereiche diskutieren.

Im Rahmen des BAG sprechen Sie nur die Probezeit an, da stehen jedoch noch viele andere Punkte zur Diskussion. Sie rennen bei mir offene Türen ein, wenn Sie eine Gleichstellung der Meisterprüfung mit der B-Matura fordern.

Aber Sie sehen schon: Diesem Entschließungsantrag, den Sie heute eingebracht haben, vielleicht um Ihrem Antrag Gewicht zu geben und auch, um ein Alibi für Lehrlinge zu haben, Lösungsvorschläge zu haben, kann ich wegen einiger der jetzt aufgezeigten Ungereimtheiten nicht zustimmen. Wir können aber viele dieser Punkte, die wir einzeln in Entschließungsanträgen eingebracht haben, jederzeit gerne diskutieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Sie hat noch eine Redezeit von 5 Minuten zur Verfügung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.03

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Dringliche Anfrage der Freiheitlichen hat mich heute deshalb überrascht, weil sich offensichtlich auch die Freiheitlichen bereits von der Arbeitslosensituation behinderter Menschen sozusagen verabschiedet haben: Nicht ein Wort kommt in Ihrer Dringlichen Anfrage zum Thema behinderte Menschen und Arbeitslosigkeit vor. Nicht eine einzige Frage wurde diesem Thema gewidmet, obwohl Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Arbeitslosigkeit behinderter Menschen bereits bei über 70 Prozent liegt, wenn man fairer


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weise jene miteinrechnet, die in Beschäftigungseinrichtungen bis zu acht Stunden täglich beschäftigt sind und dafür nicht einmal 500 S pro Monat erhalten. Aber das ist kein Thema mehr für Sie, und das ist in diesem Haus ohnehin schon lange kein Thema mehr – außer bei den Grünen.

Seit Jahren fordern wir, daß die Ausgleichstaxe endlich angehoben wird. – Aber nichts ist geschehen! Um 2010 S pro Monat kann man sich von der Verpflichtung eines Behinderten-Arbeitsplatzes freikaufen. Und davon macht nicht nur die Wirtschaft zur Genüge Gebrauch, sondern auch der ÖGB, die kirchlichen Einrichtungen, der Bund und die Länder. Nur ein Beispiel: Im Innenministerium müßten 1041 Planstellen mit behinderten Menschen besetzt sein, doch sind dort nur sage und schreibe 643 behinderte Menschen tätig! Im Wirtschaftsministerium ist die Situation ähnlich: Auch da sind 718 Stellen bis heute nicht vergeben. Ganz im Gegenteil: Man kauft sich mit 2010 S im Monat sozusagen locker frei – und damit ist die Sache erledigt.

Folgendes darf auch nicht unerwähnt bleiben: Wenn Unternehmungen heute Aufträge an Behinderteneinrichtungen vergeben, dann können sie sich 15 Prozent der Auftragssumme über den Ausgleichstaxfonds zurückholen. Die Tendenz in Österreich ist, daß die Zahlungen, die sich Betriebe über den Ausgleichstaxfonds refundieren lassen, bereits höher sind als jene Beträge, die sie in den Ausgleichstaxfonds einzahlen. Das heißt, daß an der Arbeitslosigkeit behinderter Menschen kräftigst mitverdient wird. Behinderte Menschen sind ins Abseits gedrängt worden: irgendwohin in Beschäftigungseinrichtungen, wo sie bis heute nicht einmal gesetzlich sozialversichert sind, geschweige denn unfall-, pensions- oder arbeitslosenversichert. All diese Sozialleistungen gibt es für behinderte Menschen so gut wie nicht. Aber damit haben Sie sich, meine Damen und Herren, anscheinend bereits abgefunden.

Die Situation wäre, wäre der politische Wille dazu vorhanden, sofort zu ändern, und es wäre schnell möglich, daß behinderte Menschen Arbeitsplätze und Planstellen, die für sie geschaffen wurden, auch tatsächlich erhalten. Man bräuchte nur die Ausgleichstaxe auf eine Höhe anzuheben, daß es für das Unternehmen oder die Behörde ebenso teuer ist, einen behinderten Menschen anzustellen oder nicht. Denn nur wenn die Freikaufsmöglichkeit gleich viel wie eine Einstellung kostet, wären meiner Meinung nach viele Unternehmen doch dazu bereit, sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen und es mit der Anstellung eines Menschen, der behindert ist, zu probieren. Aber so wird es auch in Zukunft absolut unmöglich sein, behinderten Menschen einen Arbeitsplatz zu vermitteln.

Meine Damen und Herren! Es ist eindeutig zuwenig und völlig in die falsche Richtung gedacht, wenn Sie sich bei der Aktion "Licht ins Dunkel" am 24. Dezember vor die Kameras stellen und den Menschen klarzumachen versuchen, was sie nicht alles für behinderte Menschen tun würden. – Das "Ergebnis" zeigt sich Jahr für Jahr, Tag für Tag an unserer Gesetzgebung, und auch im Bereich der Arbeitslosigkeit wird deutlich, was Sie wirklich tun: Seit Jahren üben Sie sich nämlich in Ignoranz, und seit Jahren sehen Sie auch die Problematik behinderter Menschen einfach nicht mehr; Sie behandeln das deshalb auch nicht mehr. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, da wir zur Abstimmung über drei Entschließungsanträge kommen. – Ich warte noch, bis Frau Abgeordnete Haidlmayr auf ihrem Platz ist.

Zunächst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dolinschek und Genossen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen betreffend EU-Erweiterung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Als drittes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haigermoser und Genossen betreffend EU-Osterweiterung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zur Durchführung einer kurzen Debatte, und zwar betrifft diese den Antrag des Herrn Abgeordneten Wabl, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 549/A (E) betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung eine Frist bis 14. April 1998 zu setzen.

Die Abstimmung über diesen Antrag wird am Schluß dieser Debatte stattfinden.

Wir beginnen jetzt mit der Debatte. Ich rufe noch in Erinnerung, daß der Antragsteller eine Redezeit von 10 Minuten hat, alle anderen Abgeordneten eine Redezeit von 5 Minuten; Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich erteile jetzt zunächst dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Wabl, das Wort. – Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. Bitte.

18.13

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Sie erinnern sich sicherlich alle an die Auseinandersetzung, die wir auch in diesem Hause im Zusammenhang mit dem Verhalten und den Aussagen des Bundesministers für Landesverteidigung geführt haben, als der Herr Bundesminister für Landesverteidigung nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland bei bestimmten Veranstaltungen Positionen bezogen hat, die eindeutig in Widerspruch zur österreichischen Bundesverfassung stehen.

Sie erinnern sich sicherlich auch alle noch daran, wie der Koalitionspartner SPÖ, insbesondere der Klubobmann der SPÖ, Dr. Kostelka, mit massiver Kritik auf die Äußerungen des Bundesministers Fasslabend geantwortet hat. Dieser hat nämlich im Ausland verkündet, die Österreicher, das österreichische Bundesheer benähmen sich bereits so, als ob wir NATO-Mitglied wären.

Meine Damen und Herren! Daß es den Wunsch der großen ÖVP – der noch großen ÖVP – gibt, gleich in das große Militärbündnis einzutreten, ist legitim. (Abg. Auer: In Zukunft: noch größere ÖVP!) Daß Herr Khol dies formuliert, ist auch legitim. Daß es dazu Parteitagsbeschlüsse gibt, Herr Maitz ein glühender NATO-Verehrer ist und General Clark anhimmelt, ist ebenfalls legitim, meine Damen und Herren. Aber es ist nicht legitim und nicht verfassungskonform, wenn der Herr Bundesminister für Landesverteidigung so tut, als ob Österreich bereits NATO-Mitglied wäre. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Damals konnte noch der koalitionäre Friede zwischen SPÖ und ÖVP hergestellt werden, und Herr Klubobmann Kostelka konnte noch beruhigt werden. Er war nahe dran, bei einem Mißtrauensantrag der Opposition zumindest zu versuchen, Druck auf die ÖVP auszuüben.

Meine Damen und Herren! Wir haben damals einen Mißtrauensantrag gestellt, weil glatte Brüche des Landesverteidigungsministers im Zusammenhang mit der österreichischen Verfas


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sung, der Neutralität, der österreichischen Verteidigungsdoktrin vorlagen. Jetzt, meine Damen und Herren, stellt sich heraus, daß der Verteidigungsminister im Landesverteidigungsrat, im Budgetausschuß, im Parlament glatt die Unwahrheit gesagt hat, und zwar im Zusammenhang mit Beschaffungsvorgängen, bei denen offensichtlich wieder die Leidenschaft des Verteidigungsministers für den NATO-Beitritt durchgeschlagen ist. Er hat mit einem Täuschungsmanöver seinen Koalitionspartner, die SPÖ, dazu gebracht, für ein Panzer-Paket zu stimmen, indem er das Argument vorbrachte, es sei im Augenblick ein besonders günstiges Panzerangebot von Deutschland und den Niederlanden zu haben, und es müsse daher unbedingt gekauft werden, denn wir könnten diese Okkasion sozusagen nicht vorübergehen lassen.

Daß der Landesverteidigungsminister auf diese Weise ein geradezu klassisches Einstiegsgeschäft getätigt hat, das die NATO bei vielen Beitrittsaspiranten anbahnt und auch durchführt, haben die Koalitionspartner von der SPÖ damals nicht verstanden – oder sie wollten es nicht verstehen. Das ist die Frage, die heute hier diskutiert wird.

Aber der Klubobmann der SPÖ hat damals massiv gegen diesen Panzerkauf votiert und in der Öffentlichkeit Stellung dagegen bezogen, weil er gewußt hat, daß dieses Einstiegsgeschäft in die NATO offensichtlich bereits eine Vorbedingung für bestimmte weitere Anbahnungen hinsichtlich eines baldigen NATO-Beitrittes war und im Interesse der ÖVP und von Außenminister Schüssel lag.

Um diesen Druck zu minimieren, um die SPÖ gewogen zu machen, hat Verteidigungsminister Fasslabend den Genossen und Genossinnen Sozialdemokraten folgendes in Aussicht gestellt: Liebe Genossen! Wir kaufen nicht nur NATO-Panzer um diesen Betrag von 6 Milliarden Schilling, diese machen nur einen ganz geringen Teil aus, und zwar nur 2 Milliarden Schilling. Der Großteil dieser 6 Milliarden Schilling, nämlich 4 Milliarden Schilling, wird für österreichische Wertschöpfung ausgegeben, für PANDUR und ASCOD, für österreichische Produkte also.

Damit hat Fasslabend bei den Gewerkschaftern offene Ohren gefunden. Die Gewerkschafter sind anmarschiert und haben Klubobmann Kostelka ebenso unter Druck gesetzt wie den Bundeskanzler. Mit dieser Argumentation trat man im Verteidigungsrat auf: 6 Milliarden Schilling macht das Panzer-Paket aus, davon kommen 4 Milliarden Schilling der österreichischen Industrie zugute, das bedeutet 4 Milliarden Schilling für die österreichische Wertschöpfung und für österreichische Arbeitsplätze. Damit wurde der Widerstand von Klubobmann Kostelka gebrochen, und Fasslabend konnte seinen NATO-Einkauf durchsetzen, meine Damen und Herren.

Jetzt, zwei Jahre später, stellt sich folgendes heraus: In einer Anfragebeantwortung muß das Verteidigungsministerium zugeben, daß jene Panzer, die für das NATO-Einstiegsgeschäft unerläßlich schienen, und zwar für den Verteidigungsminister als NATO-Freund, bereits angeschafft worden sind und daß diese bereits jenen Wert ausmachen, der damals paktiert und von der SPÖ genehmigt worden ist. Jetzt stellt sich nämlich heraus: Sollten tatsächlich jene Panzer von Steyr gekauft werden, nämlich ASCOD und PANDUR, dann würde dieses Gesamtpaket fast 11 Milliarden Schilling ausmachen.

Meine Damen und Herren! Die Verträge mit der Firma Steyr sind nicht einmal unterfertigt. Sie sind in weiten Teilen noch nicht einmal ausverhandelt – geschweige denn, daß irgendein österreichischer Arbeitsplatz mit diesem Geld dafür geschaffen oder gesichert worden wäre. Wenn sich das der Koalitionspartner SPÖ gefallen läßt, wenn sich das Herr Klubobmann Kostelka gefallen läßt, so ist das Ihre Sache. Dieses Haus aber läßt sich nicht von einem Verteidigungsminister täuschen, der in einem Anfall von großartiger "Arbeitsplatzsicherung" meint, er könne die Abgeordneten des Landesverteidigungsrates mit diesem Argument für die Beschaffungspolitik und für NATO-Einstiegsgeschäfte gewinnen.

Bundesminister Fasslabend kann das Parlament und den Landesverteidigungsrat nicht täuschen, denn das ist reif für einen Mißtrauensantrag! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Bedenken Sie, was dieses Panzer-Paket bisher gekostet hat: die von der niederländischen Armee bereits verwendeten 114 LEOPARD-Kampfpanzer 2,5 Milliarden Schilling, weiters die 91 JAGUAR-Raketen-Jagdpanzer 1,35 Milliarden Schilling und das HOT-


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Raketenpaket, das offensichtlich ein Paket war – das hat der Herr Bundesminister dem Landesverteidigungsrat auch verschwiegen. Weiters verschwieg er, daß bereits ein Geschäft mit der Firma DASA in Deutschland ausgemacht war, das längst paktiert war und worüber offensichtlich die Genossen entweder nichts wußten – oder nichts wissen wollten.

Diese Art der Informationspolitik, meine Damen und Herren, gipfelte in diesem Täuschungsmanöver des Verteidigungsministers. Wenn Sie, verehrte Abgeordnete der SPÖ, sich das gefallen lassen, dann kann ich nicht mehr folgen, wie Ihre Politik der Friedenssicherung ist, wie Ihre Politik gegenüber jener Tradition in der SPÖ ist, die auf Friedenssicherung, zum Teil auch auf Pazifismus abgezielt hat. Sie folgen einem Verteidigungsminister willfährig und geben seinen Täuschungsmanövern nach.

Meine Damen und Herren! Die Grünen haben einen Mißtrauensantrag gestellt, der im Verfassungsausschuß liegt. Wenn Sie diesen weiterhin nicht behandeln wollen, meine Damen und Herren, dann ist das zwar das Recht der Mehrheit, aber es ist nicht Ihr Recht, diesen Sachverhalt weiterhin in der Öffentlichkeit nicht zu diskutieren, die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu täuschen und einen Verteidigungsminister, der offensichtlich eine klare NATO-Strategie fährt, hier zu stützen. Das werden wir durchkreuzen! Das werden wir nicht zulassen! (Beifall bei den Grünen.)

18.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Für die weiteren Wortmeldungen gilt jetzt eine Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. – Bitte.

18.23

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wabl hat nachgedacht – und Wabl ist zur Erkenntnis gekommen (Abg. Dr. Petrovic: Maitz kann das nicht!), daß sein Mißtrauensantrag vom 11. Juli 1997 in der Öffentlichkeit kläglich untergegangen ist, daß er zu einer politischen Pleite wurde. Warum? – Weil die Begründung kurios bis unsinnig war. (Beifall bei der ÖVP.)

Vorträge, Prospekte, Meinungsäußerungen vor dem Seniorenbund – das waren alles sehr "wesentliche" Aussagen, die die Bundesregierung in Probleme stürzen hätten sollen. Kurios und unsinnig! Und daher mußte Wabl einen Skandal erfinden. (Abg. Wabl: Sagen Sie das auch Ihrem Koalitionspartner?)

Die alte Walze wird wieder aufgelegt. Beschaffungen des Bundesheeres werden von den grünen Bundesheerabschaffern im vorhinein skandalisiert, obwohl man noch gar nicht weiß, wie die Abschlüsse ausschauen werden.

Was ist der Hintergrund dieses Wablschen Theaterdonners? Ich gebe eine APA-Meldung vom 16. November 1996 wieder:

Minister Fasslabend gab im Verteidigungsrat bekannt, daß auf Preisbasis 1996 die Geräte, die anzuschaffen sind, im Einzelpreis zusammengerechnet 6 Milliarden Schilling ausmachen werden: die gebrauchten JAGUAR, LEOPARD, die fabriksneuen ULAN und PANDUR.

Kollege Wabl stellte am 11. Jänner 1998 eine Anfrage, in der er nach den Gesamtkosten inklusive der Ersatzteile fragt. Weiters fragt er nach dem Zeitrahmen der Finanzierung. – Die Antwort des Bundesministers lautet: Wenn man tatsächlich die Preissituation, die bei den fabriksneuen Panzern noch nicht einmal feststeht, annimmt, dann wird der Gerätepreis plus Finanzierungskosten plus Ersatzteilkosten (Abg. Wabl: Phantasieren Sie jetzt – oder lesen Sie vor?)  – deine Anfrage war so – plus Wärmebildgeräte voraussichtlich 10,79 Milliarden Schilling ausmachen. – All das hätte Kollege Wabl ohne weiteres in einem Telephonat erfahren können, aber zumindest hätte er Zeitung lesen können, denn das stand auch in der Zeitung ganz genau. (Abg. Wabl: Darf man keine parlamentarische Anfrage stellen ...? – Abg. Dr. Petrovic: Muß man dabei telephonieren? – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Er hätte dann allerdings


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diese Skandalisierungs-Story hier und heute nicht wieder spielen können. (Abg. Dr. Petrovic: Kann der Minister nicht schreiben?)

Ich halte also fest: Herr Bundesminister Fasslabend hat 1996 korrekte Angaben über die voraussichtlichen Einzelpreise der Geräte, die anzuschaffen beabsichtigt waren, gemacht. Bundesminister Fasslabend hat 1998 die Gesamtkosten nach dem Stand der laufenden Verhandlungen, nach den Finanzierungskosten, den Ersatzteilkosten – Wärmebildkamera – und den Einzelkosten bekanntgegeben. (Abg. Wabl: Sagen Sie, was das HOT-System kostet!) Das hängt damit überhaupt nicht zusammen!

Die politische Führung hat also korrekt gehandelt. Das österreichische Bundesheer hat ohnedies unter schwierigsten finanziellen Bedingungen Anschaffungen zu tätigen, die jedesmal von den Abgeordneten der Grünen in genau gleicher Art und Weise skandalisiert werden. Wir von der ÖVP lehnen es daher ab, daß das ernste Anliegen der militärischen Landesverteidigung als "grüne" Spielwiese für künstliche Erregung mißbraucht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

18.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Tychtl. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.26

Abgeordneter Ing. Gerald Tychtl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat so, daß am 10. Dezember des Jahres 1996 im Landesverteidigungsrat eine Empfehlung zur Beschaffung des Mech-Paketes beschlossen wurde. Wir haben dieses Mech-Paket oftmals eingefordert, weil wir meinen, daß unser Bundesheer diese geforderten Geräte braucht, um den Anforderungen gerecht werden zu können. Es ist in der Tat so, daß es Teile gibt, die wir heute abermals einfordern müssen, weil sie nicht in jenem Umfang zur Verfügung gestellt wurden, wie das damals angekündigt wurde. (Abg. Wabl  – in Richtung des Abg. Dr. Maitz –: Phantasiert der Koalitionspartner jetzt auch, Herr Maitz?) Kollege Wabl ist offensichtlich auch beim Phantasieren, und er ist nicht bereit, zuzuhören, weil er sich offensichtlich in eine Situation verrannt hat, von der er nicht abweichen kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte dazu jetzt meinen Standpunkt und den Standpunkt meiner Fraktion darlegen. Uns geht es vor allem darum, daß wir seinerzeit gemeint haben, daß wir dieses Mech-Paket aus dem Grund, den ich schon genannt habe, und aus einem weiteren unterstützen: Wir glauben, daß wir damit die Möglichkeit schaffen, der österreichischen Wirtschaft durch eine Bestellung Aufträge zukommen zu lassen und somit auch Arbeitsplätze zu sichern. Und gerade da setzt auch meine Kritik an.

Ich glaube, daß es dem Herrn Bundesminister gelingen wird, und zwar raschest gelingen wird, entsprechende Verträge mit den Lieferwerken abzuschließen. Und ich gehe davon aus, daß nächsten Montag – da gibt es ja eine weitere Sitzung des Landesverteidigungsrates, und Herr Kollege Wabl kann ja dort auch noch einmal gerade diesen Punkt monieren – die entsprechenden Antworten kommen werden.

Mir geht es vor allem darum, heute diese Gelegenheit dazu zu nützen, die von uns geforderten Radpanzer, im speziellen den PANDUR, noch einmal einzufordern, weil ich glaube – ich hatte in den letzten Wochen Gelegenheit, dieses Gerät zu besichtigen –, daß rasch etwas für unser Bundesheer getan werden muß. Einerseits müssen die 68 Geräte geliefert werden, diese weisen aber noch einzelne Mängel auf. Und vor allem ist folgendes Problem aufgetreten: Es gibt für die sogenannten vorbereiteten Einheiten – das sind jene Einheiten, die wir dann entsenden, wenn es darum geht, friedenserhaltende und friedenssichernde Maßnahmen zu gestalten – kein Gerät für die Sanitäter. Und ich glaube, jeder muß damit rechnen, daß einmal ein Unglücksfall passiert. Wir wollen es nicht, wir hoffen es nicht, aber es kann passieren. Und daher meine ich, dieser Punkt sollte – Kollege Wabl, auch von deiner Seite – unterstützt werden und besonderer Wert darauf gelegt werden.


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Zusammenfassend: Ich meine, daß heute nicht der Zeitpunkt ist, dem Bundesminister das Mißtrauen auszusprechen, sondern wir sollten mit aller Kraft daran arbeiten, bis zum nächsten Montag, an dem der Landesverteidigungsrat tagt, die Chance zu nützen ... (Zwischenrufe der Abg. Mag. Kammerlander. ) Frau Kollegin! Ich höre Sie so schlecht. Vielleicht könnten Sie herunterkommen und das hier sagen. Hier sind Sie ja immer sehr deutlich.

Wir werden jedenfalls diesem Antrag der Grünen nicht zustimmen, und wir hoffen, daß der Herr Landesverteidigungsminister am Montag alle Fragen wird aufklären können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

18.30

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Wir haben heute gehört, daß die Grünen einen Mißtrauensantrag gegen den Verteidigungsminister daran festmachen, daß er dieses Haus getäuscht hat. Ich muß sagen: Er hat uns nicht nur in diesem Bereich, sondern mehrfach getäuscht, und ich möchte das auch kurz begründen.

Zunächst einmal zum Mech-Paket, diesem Doppelbeschluß, den die SPÖ jetzt in Teilen, wenn sie es auch nicht zugibt, schon bereut: Es wurde dabei an sich – man kann über die Dringlichkeit streiten – notwendiges Gerät beschafft. Der Minister wollte in erster Linie die günstige Möglichkeit, wie er geglaubt hat, nützen und LEOPARD- und Jagdpanzer JAGUAR einkaufen; die SPÖ wollte die Steyr-Werke unterstützen. Es ist in Wirklichkeit zu einem Selbstfaller und einer Doppeltäuschung gekommen.

Zum Selbstfaller kam es für den Minister, weil er infolge der überhasteten Beschaffung die wahren Kosten nicht absehen konnte. Denn wenn uns Kollege Maitz hier einreden will, daß zum Beispiel die Wärmebildgeräte nichts mit dem JAGUAR zu tun haben, dann kann ich nur sagen: Da versteht er absolut nichts von diesem Geschäft. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn man kann ohne diese Wärmebildgeräte bei Nacht, bei Nebel und bei sonstigem Wetter nicht schießen, auch bei Tag wäre dies nur eingeschränkt möglich.

Kollege Maitz hat weiters "vergessen", daß Munition dafür da sein muß, denn sonst nützen die Panzer nichts – außer man will sie nur bei der Parade vorführen. Er hat auch vergessen, daß diese Munition relativ teuer ist – je nach Typ, zwischen erster und zweiter Variante, ungefähr 250 000 S bis 500 000 S. Das haben Sie bei der mangelnden Planung vergessen, was der Rechnungshof mit Recht in seinen Berichten immer wieder kritisiert hat. Damit wurde die Beschaffungsaktion zum Selbstfaller.

Zur Information durch den Minister. – Wie haben Sie, Herr Maitz, gesagt: Der Minister beantwortet uns gerne telephonisch alle offenen Fragen. Ich mußte vier Anfragen in diesem Haus stellen, bis ich eine einigermaßen befriedigende Antwort auf die Frage bekommen habe, ob es Munition für den Panzer LEOPARD gibt oder nicht. – Also so schaut es mit der "Auskunftsfreudigkeit" dieses Ministers gegenüber den Nationalratsabgeordneten aus. Da fehlt denn doch einiges!

Zum nächsten: Selbstfaller und Doppeltäuschung auch für die SPÖ, die gehofft hat, daß die Steyr-Werke unterstützt werden könnten. Der Beschluß, der Kaufvertrag ist ja bis heute nicht da. Die Steyr-Werke sind in Schwierigkeiten. Ja warum denn? – Weil wir ein derart restriktives Exportgesetz haben, daß diese an sich brauchbares und gutes Gerät nicht verkaufen können. Deswegen wird auch mit Vertretern Polens über die Herstellung des Gerätes in ihrem Land verhandelt, weil man es von dort aus leichter verkaufen könnte. Das würde dann wirklich zur Doppeltäuschung für die SPÖ. Aber dieses Vernebeln, Täuschen und Irreführen liegt leider dem Herrn Minister!

Ich erinnere etwa an die Vorgangsweise im Rechnungshof-Unterausschuß, an die wilden Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der "Heeresreform Neu", "Neu neu" oder "Ganz neu" –


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oder was da noch auf uns zukommen wird, an Albanien oder an ein aktuelles Beispiel: Der Herr Bundesminister schickt an die Milizsoldaten ein wunderschönes Heft (der Redner weist eine Broschüre mit dem Titel "Miliz Info" vor), in dem man einen Soldaten mit einer tollen Ausstattung sehen kann. – Kein Soldat in Österreich hat diese Schutzausstattung in seiner regulären Ausrüstung für den Einsatz! Aber dieses Heft wird an die Soldaten ausgeschickt.

An die Abgeordneten schickt man dieses Heft schon gar nicht mehr, damit die nicht draufkommen, wie der Minister auch die Soldaten täuscht. Genausowenig lädt er die Abgeordneten dieses Hauses, die im Verteidigungsausschuß sind, zur größten Übung seit längerer Zeit ein, weil er peinlich vermeiden will, daß sie mit der Truppe in Berührung kommen und dort sehen und erfahren können, wie katastrophal die Situation ist. Herr Kollege Maitz! Sagen Sie das einmal Ihrem Minister! Das kann ich Ihnen nur hinter die Ohren schreiben. – Soweit zu diesem Bereich.

Wie kommt es aber dazu? Wieso macht das der Minister immer? – Zum einen sind es enorme Planungsfehler, die der Rechnungshof ja schon herausgestellt hat. Weiters fehlen die Mittel, weil man Gelegenheitskäufe gemacht hat, die in Wirklichkeit Fehlkäufe waren. Der Minister erkennt zwar – in anderen Fällen – die Probleme, aber er hat kein Durchsetzungsvermögen. Das beste Beispiel dafür ist der Bereich Budget: Er hat uns Jahr für Jahr eingeredet, daß die Mittel gerade noch reichten, aber es müsse dringend etwas geschehen. – Schauen Sie sich das nächste Budget an, was da wirklich dringend geschehen ist! Oder schauen Sie sich die "Durchsetzungsfähigkeit" des Ministers beim Optionenbericht, der uns ins Haus steht, an – oder die Tatsache, daß er uns immer wieder einredet, wir müßten eine höhere Professionalisierung im Heer haben. Für diese höhere Professionalisierung braucht man gut ausgebildetes Personal in größerer Anzahl. Das aber ist nicht der Fall, denn der Minister baut ja ab. Ich glaube, es sind 886 Plätze in diesem Jahr. Entweder hat er den Finanzminister bemogelt, indem er ihm "tote Seelen" verkauft, nämlich leere Planposten, oder er bemogelt uns!

Und zu diesem Stellenabbau zitiere ich sein eigenes Zentralorgan, den "Soldaten", in dem der "Observer" – unter diesem Decknamen schreibt ein ranghoher, der ÖVP sehr nahestehender oder ihr angehöriger Mann – zum Planstellenabbau schreibt:

"Aus diesem Grund ist es ein eklatanter Irrsinn" – Herr Kollege Maitz, hören Sie zu! –, "2 000 bis 3 000 Planstellen dem Heer zu entziehen. Wer dies zuläßt, ist ein Auflöser und Demontierer des Heeres." – 2 000 bis 3 000 Planstellen! Herr Kollege Maitz, schauen Sie auf von der Zeitung! 800 Planstellen werden bereits abgebaut. Ein "eklatanter Irrsinn" Ihres Ministers, so heißt es in seiner eigenen Zeitung auf der Titelseite!

Ich glaube, das sagt genug über diesen Minister und über die Situation des Bundesheeres aus. Wir werden diesem Antrag grundsätzlich zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

18.38

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grünen haben heute einen Fristsetzungsantrag zur Behandlung des Entschließungsantrages betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Verteidigungsminister eingebracht. Diesem Fristsetzungsantrag werden wir unsere Zustimmung geben. Wir werden das selbstverständlich deswegen tun, weil es wirklich notwendig ist, einen derartigen Antrag innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes hier im Parlament zu diskutieren.

Meine Damen und Herren! Wir werden im Rahmen dieser Debatte auch nicht umhin können, eine sogenannte NATO-Debatte zu führen. Ich glaube, es ist höchste Zeit, sich mit den sicherheitspolitischen Perspektiven dieses Landes auseinanderzusetzen. Ich glaube, daß der Aufhänger für diesen Entschließungsantrag nicht optimal gewählt ist, um solch eine sicherheitspolitische Debatte zu führen. Dies gilt auch für den Aufhänger im Zusammenhang mit den Panzerbeschaffungen, weil im Prinzip die Informationen, die der Verteidigungsminister den


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Abgeordneten gegeben hat, an sich richtig sind, aber es hier – und das ist das Problem, Herr Kollege Khol, das wir mit den Informationen des Verteidigungsministers haben – eine selektive Information gibt.

Es wird im Prinzip immer nur das bekanntgegeben, was gerade gefragt ist. Es werden aber nicht die zusätzlichen Informationen, die eben auch notwendig sind, den Abgeordneten gegeben. Herr Kollege Wabl, sollte es tatsächlich zu einem Mißtrauensantrag gegen den Verteidigungsminister im Zuge dieser nun stattfindenden Debatte kommen – ich habe noch keine diesbezügliche Unterlage erhalten –, dann werden wir diesem Mißtrauensantrag gegen Minister Fasslabend hier und heute nicht die Zustimmung geben, weil er in der Sache nicht richtig ist.

Herr Kollege Wabl! Ich gebe nur die Information weiter, die wir seinerzeit im Landesverteidigungsrat bekommen haben, als das Mech-Paket dort beschlossen wurde und die diesbezügliche Empfehlung gegeben worden ist. Dort wurde den Abgeordneten mitgeteilt, daß 112 LEOPARD in einem Gesamtpaket von 2,8 Milliarden Schilling beschafft würden, 72 JAGUAR mit einem Anschaffungswert von rund 14 Millionen Schilling, 114 ASCOD, 30 Millionen Schilling das Stück, also in Summe 3,42 Milliarden Schilling, 230 PANDUR mit einem Durchschnittspreis von 11 Millionen Schilling, was die Summe von 2,53 Milliarden Schilling ergibt. Die Gesamtsumme beträgt also 8,8 Milliarden Schilling.

Nicht berücksichtigt wurden – und das ist eines der Probleme, die wir mit dem Verteidigungsminister haben – die Kosten für die Anschaffung der Munition und für die Ersatzteilbeschaffung. Diese sind nun einmal in einer Größenordnung von etwa 2 Milliarden Schilling anzusetzen, und daher kommen wir auf die Summe von 10,8 Milliarden Schilling, die in Beantwortung der parlamentarischen Anfrage auch genannt wurde. Das sind die Informationen, und ich meine daher, daß es notwendig ist, daß seitens des Verteidigungsministers diese Form der Informationspolitik gegenüber dem Parlament geändert wird, wenn er nicht will, daß er das Vertrauen des Hohen Hauses verliert.

Meine Damen und Herren! Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP und von der SPÖ! Minister Fasslabend ist im Zusammenhang mit der Umsetzung des Mech-Paketes dabei, das Vertrauen zu verlieren. Ich wundere mich, daß seitens der sozialdemokratischen Fraktion das so hingenommen und akzeptiert wird. Der Verteidigungsminister ist in dieser Frage säumig!

Wir haben im Dezember 1996 die Empfehlung zur Beschaffung des Mech-Pakets gegeben. Es wurde damals vereinbart, die Beschaffung innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr durchzuführen. Getätigt wurden bisher nur die Anschaffungen die ausländischen Produkte betreffend, nicht aber die Schützenpanzer und nicht die PANDUR betreffend. In dieser Frage ist der Verteidigungsminister säumig. Ich halte es wirklich für unzumutbar und eigentlich für eine Provokation, daß es bis heute auch noch keine offiziellen Gespräche zur Anbotlegung an das österreichische Unternehmen gibt.

Ich kann auch nicht zur Kenntnis nehmen, daß man sich immer wieder darauf ausredet, daß kein Geld vorhanden sei. Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Sitzung des Landesverteidigungsrates wurde ausdrücklich festgehalten, daß man sehr wohl in der Lage und bereit ist, dies aus dem laufenden Budget zu finanzieren.

Ich komme zum Schluß. – Meine Damen und Herren! Sollten die Grünen heute hier tatsächlich einen Mißtrauensantrag gegen Verteidigungsminister Fasslabend in dieser Frage einbringen, werden wir diesem Antrag, weil das inhaltlich nicht gerechtfertigt ist, nicht zustimmen. Wir appellieren aber an den Verteidigungsminister und auch an die Kollegen von der Österreichischen Volkspartei, ihrem Verteidigungsminister nahezulegen, in Zukunft gegenüber dem Parlament eine andere Informationspolitik zu betreiben, und dies möglichst rasch. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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18.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

18.41

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Maitz, da staunen Sie, daß Kollege Wabl nachgedacht hat! Diese Aussage würde mir zu vielen bösartigen Vermutungen Anlaß geben, aber lassen Sie es mich auf eine reduzieren: Nach Ihrer Rede habe ich berechtigte Zweifel, ob Sie nachgedacht haben. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Maitz. ) Wenn Sie nämlich nachgedacht hätten, Herr Kollege Maitz, dann wäre Ihnen ein Unterschied aufgefallen: 6 Milliarden und über 10 Milliarden. Das allein spricht Bände.

Wenn der Herr Landesverteidigungsminister auf wiederholte Nachfragen und offensichtlich auch im Landesverteidigungsrat immer von 6 Milliarden Schilling gesprochen hat, und plötzlich sind es über 10 Milliarden – was macht man denn da? Das ist ja wirklich peinlich. Die Grünen haben Sie aber immer als die "Narren" hingestellt, die von 8 Milliarden Schilling geredet haben. Da haben wir uns ja noch verschätzt! Über 10 Milliarden Schilling macht das Ganze aus! Sich jetzt darauf ausreden zu wollen, daß das jetzt der Gesamtpreis ist, daß das jetzt die Gesamtkosten sind – vorher habe man nur von ein paar Details geredet –, das ist eine müde Ausrede. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt – und das wissen Sie ganz genau – eine Informationspflicht des Ministers. Und wenn er gefragt wird, dann sind selbstverständlich die Gesamtkosten gemeint. Aber hätten Sie sich die Mühe gemacht und nachgedacht, Herr Kollege Maitz, als Sie im Landesverteidigungsrat die Unterlagen gehabt haben, dann hätten Sie auch die Studie gesehen, die es im Ministerium gibt. Dort gibt es nämlich eine Studie, die besagt, daß das überhaupt nicht so günstig ist, wie der Herr Verteidigungsminister uns weismachen möchte. Es gibt tatsächlich Zweifel daran, daß das gewünschte Altgerät nur auf den ersten Blick und auf dem Papier so preisgünstig ist. In beiden Fällen kommen aber erhebliche Systemkosten dazu – so wortwörtlich aus der Studie. In der Studie wird davor gewarnt, daß die Eingliederung technisch so verschiedener Fahrzeuge in die Truppe die Logistik komplizieren könnte.

Und das ist ja schon der Fall! Es treten bereits Komplikationen auf. Und jetzt stellt sich heraus, man braucht einiges mehr – und siehe da, plötzlich sind es 10,9 Milliarden Schilling!

Der Fristsetzungsantrag bezieht sich auf die früheren Aussagen des Ministers, was die NATO betrifft. Aber sehen Sie, es fügt sich eins ins andere: Einmal spricht er schon flott von der NATO und von der Mitgliedschaft in der NATO, inzwischen paßt er schon die Heeresstruktur an und die Anschaffungen. Alles läuft schon auf dieser Schiene. Und die Mitglieder des Ausschusses und des Verteidigungsrates werden nicht einmal wahrheitsgetreu informiert!

Herr Kollege Tychtl! Sie müssen heute nicht über das Mißtrauen gegenüber dem Minister entscheiden: Sie müssen heute nur über die Fristsetzung entscheiden. Sie haben damit eine Chance, denn wenn Sie auf den Montag verweisen, dann fragen Sie doch den Minister am Montag! Fühlen Sie ihm doch auf den Zahn, wie es Ihre Fraktion angekündigt hat. (Beifall der Abg. Dr. Gredler. ) Stimmen Sie doch der Fristsetzung zu, denn damit haben Sie die Chance, wenn die Antworten völlig unbefriedigend sind, im Landesverteidigungsrat in vier Wochen über einen Mißtrauensantrag entscheiden zu können! Lassen Sie sich doch nicht länger einen Bären auf die Nase binden, wie das hier offensichtlich jedesmal geschieht, wenn Herr Minister Fasslabend Ihnen irgend etwas erzählt!

Im übrigen wundere ich mich schon sehr, denn Herr Kollege Gaál hat via Zeitung angekündigt, er werde dem Minister "ordentlich auf den Zahn fühlen". Macht er das dann am Montag? Oder wann darf er denn das jetzt machen? Ihre Rede war ja sehr koalitionsgetreu. Offensichtlich will man noch ein bißchen an der Koalition herumbasteln, bevor man darüber entscheidet.

Sie haben jetzt eine Chance: Stimmen Sie der Fristsetzung zu! Es ist nur eine Fristsetzung. Stimmen Sie dem zu, denn sollten die Antworten am Montag für Sie befriedigend sein, dann können Sie das in vier Wochen noch immer ablehnen. Aber Sie haben die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, anstatt nur vor sich hin zu maulen oder das in Zeitungen immer wieder publik zu machen, sich da oder dort im Wahlkampf als die Neutralen hinzustellen, als die, die nichts mit


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Waffen zu tun haben wollen: Nur Arbeitsplätze wollen wir retten! Pfui, Waffen wollen wir nicht, die sind ganz "grauslich"! – und inzwischen lassen Sie sich vom Minister einen Bären aufbinden.

Sieh da: Das ganze frei verfügbare Budget des Ministers ist mit einem Schlag vergeben, und Sie haben gar nicht gewußt, was er da alles ausgibt! Das wird sich am Montag herausstellen. Stimmen Sie deshalb der Fristsetzung zu! Trauen Sie sich doch einmal! Wenn es so ist (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen)  – mein Schlußsatz –, wie Sie immer im Wahlkampf und in Wahlkampfbroschüren proklamieren, dann stimmen Sie dem zu! (Beifall bei den Grünen.)

18.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Antrag, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 549/A (E) betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung eine Frist bis 14. April 1998 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung – es sind dies Berichte des Kulturausschusses – wieder auf.

Ich erteile als nächster Rednerin Frau Abgeordneter Dr. Petrovic das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.48

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Ich denke, die Frau Bundesministerin wird jetzt ganz neidisch geworden sein, wenn sie diese Zahlen gehört hat: eine Panzertype, bei der ein Exemplar 30 Millionen Schilling kostet! – Das ist genau jener Betrag, der im Budget 1999 den Literatinnen und Literaten abhanden kommt und der hinübergeführt wird zur Filmförderung, die den Betrag zwar auch dringend braucht, aber das sollte nicht auf Kosten der Literatur geschehen. Frau Bundesministerin! Ein Panzer – und die Filmförderung würde anders dastehen.

In meinen Augen geht es nicht nur um Detailinhalte der Berichte. Wir haben das oftmals im Ausschuß besprochen: die fehlende große Linie, die fehlende Gesamtschau, die fehlende politische Vision. Was ist der Auftrag der Museen, des Denkmalschutzes, der anderen Bereiche der Kunst- und Kulturförderung? Es geht wirklich um den Stellenwert dessen in einem Land, in dem bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit, bei Eröffnungen und dergleichen, alle immer von der "Kunst- und Kulturnation Österreich" sprechen.

In Zahlen schaut es freilich ein wenig anders aus: Insgesamt – und damit meine ich nicht nur den Bereich des Kunst- und Kulturbetriebes, der in Ihrem Ressort angesiedelt ist, sondern auch die "Chefsache", den Bereich des Kanzlers und des Staatssekretärs Wittmann – sind es keine 10 Milliarden Schilling. Und der Löwenanteil ist fix gebunden für große Einrichtungen, für die Theater.

Ganz wenig gibt es für die freien Initiativen, für die neuen Medien, für die freien Radios, für die elektronischen Medien, ganz, ganz wenig. In absoluten Beträgen: Die Landesverteidigung bekommt mehr als doppelt soviel. Vor allem die Entwicklung von 1998 auf 1999 ist beachtlich:


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im Bereich der Kunst insgesamt ein Minus von über 50 Millionen Schilling, im Bereich der Landesverteidigung ein Plus von mehr als 80 Millionen Schilling. So sieht es aus!

Aber eines ist klar: Wenn man die Umwegrentabilität betrachtet, muß festgestellt werden, es kommen wahrscheinlich viele Touristinnen und Touristen nach Österreich, die sich viel lieber Panzer anschauen wollen als Museen oder als in die Oper oder in Konzerte zu gehen. (Abg. Dr. Maitz: Primitivste Polemik!) Und natürlich gilt die Umwegrentabilität auch für den Bereich der Hotellerie. Allentsteig ist ja offenbar eine blühende Touristikmetropole, gar nicht zu vergleichen mit Wien, das da wenig zu bieten hat. (Abg. Dr. Maitz: Eine primitive Polemik!)

Es ist tatsächlich so einfach: keine 10 Millionen Schilling für den Kunst- und Kulturbetrieb, ausgehungerte Initiativen, das Geld wird da und dort hin- und hergeschichtet, ein Nullsummenspiel und insgesamt weniger. Im Bereich der Landesverteidigung aber sind Ihnen die Milliarden offenbar nicht genug. Ob 6 oder 10 Milliarden Schilling, wen stört das schon? Scheint ja da zu sein, und scheint ja immer teurer werden zu können. Das, Frau Bundesministerin, gibt mir zu denken, gerade in der Abfolge dieser Debatten.

Denken wir auch an die Arbeitsplätze. Für den Bereich der Sozialdemokratie scheint es offenbar zumindest dann in Ordnung zu gehen, wenn die Aufträge in Österreich bleiben – was jetzt offensichtlich nur in höchst bescheidenem Maße der Fall ist. Im Bereich der Kunst und Kultur gehen die Firmen weg. Frau Bundesministerin, haben Sie sich einmal einen Überblick darüber verschafft, wie viele Plattenfirmen, wie viele Verlage, auch wie viele Einzelpersonen weggegangen sind, weil das ganze Steuerrecht, weil die soziale Sicherheit nicht auf Menschen zugeschnitten ist, die typischerweise sehr atypische Beschäftigungsverhältnisse haben? Es geht ein Aderlaß im Bereich Kunst und Kultur vonstatten, der wirklich traurig und beschämend ist.

Insgesamt ist mir der Stellenwert dieses Bereiches zu gering. Frau Bundesministerin, nur ein kleines Beispiel, ich greife es immer wieder heraus, und – Gott sei Dank! – es interessieren sich mittlerweile doch ein paar Medien dafür: Schauen Sie sich einmal – und das ist ein Wiener Kleinod, eine österreichische Besonderheit – das Museum, das in Ihren Ressortbereich fällt, aber Sie offenbar nicht sehr viel interessiert, an: den Narrenturm. Es ist dies ein Josephinischer Bau, allein schon als Bauwerk interessant, aber noch interessanter ist die Sammlung, die darin angesiedelt ist, die ausblutet, die nicht mehr erhalten werden kann. Fünf Dienstposten, vier davon besetzt – so schaut es aus.

Zweiter Punkt: Was ist der Auftrag Kunst und Kultur? Ich vermisse eine Debatte in diesem Zusammenhang. Auch da scheint man auch von Ihrer Seite immer wieder auf die großen Flaggschiffe des österreichischen Kunst- und Kulturbetriebs zu schauen. Die brauchen wir natürlich auch, aber nicht nur. Wenn hier etwa Herr Seipel vom Kunsthistorischen Museum sagt, man wird in Zukunft die Museen stärker am wirtschaftlichen Erfolg zu messen haben, dann, so meine ich, redet er aus der Position seines Hauses relativ leicht. Der Direktor einer großen Einrichtung, nämlich der British National Gallery, Neil McGregor, streitet in einer öffentlichen Debatte um den freien Eintritt, um die Beibehaltung des freien Eintrittes. Er will keine Einnahmen, weil er sagt, das ist das kulturelle Erbe einer Nation, und das hat der Nation jederzeit und unentgeltlich zur Verfügung zu stehen. Das ist ein anderer Denkansatz, hier muß sich Kunst und Kultur nicht permanent kommerziell rechtfertigen, sondern sie hat einen Selbstwert. Ein bißchen etwas von dieser Denkart würde ich mir für unser Land wünschen. (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt nicht, daß man nicht im Detail da oder dort Dinge auch wirtschaftlicher regeln kann, aber ich halte die ganze Debatte über Ausgliederungen und Rechtsformen und GesmbHs oder Stiftungen für eine Scheindebatte, solange wir uns nicht einigen können, daß Kunst und Kultur einen größeren Stellenwert braucht, daß insbesondere die neuen und jungen Artikulationsformen Raum brauchen, Freiheit und Geld brauchen – das ist einmal das wichtigste. In welcher Rechtsform wir das durchführen, ist dann eher eine Scheindebatte.

Es schmerzt mich, wenn etwa der Klubobmann der ÖVP, der sich zumindest fallweise in die Debatte einmischt, sagt, er wünscht sich ein Modell mit Anstalten, bei dem die Musiktheater und die Sprechtheater jeweils in einer derartigen Anstalt zusammengeführt werden. Und weiters


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wünscht er sich – so er in den Medien richtig zitiert ist – Selbstverwaltung ohne Weisungs-, aber mit Kontrollrecht des Ministeriums. Ich bin der Auffassung: Wenn es eine Kontrolle geben soll, dann hat es eine Kontrolle dieses Hauses zu sein, und es schmerzt mich auch, wenn ein Parlamentarier, ein Klubobmann, eher einer administrativen Kontrolle das Wort redet, statt von der Oberhoheit und auch dem Kontrollrecht des Parlaments auszugehen. Denn dann vermute ich sehr wohl, daß diese Debatte um GesmbH oder Anstalt eine vordergründige ist und daß sie eigentlich zur Verschleierung dient, daß es in Wahrheit um die Sicherung von parteipolitischen Einflußnahmen geht. Nur so kann ich mir nämlich das Votieren für das Kontrollrecht, ein ausschließlich administratives Kontrollrecht, erklären. – Das lehne ich jedenfalls ab. (Beifall bei den Grünen.)

Zum zweiten Tagesordnungspunkt betreffend widerrechtlich außer Landes verbrachte Kulturgüter. – Wir haben im Ausschuß eine sehr heftige und kontroversielle Debatte über die Richtlinie 93/7 EWG geführt, und mit unterschiedlichen Argumenten haben alle Oppositionsparteien der Übernahme dieser Richtlinie in österreichisches Recht nicht zugestimmt. Die Vorgangsweise, die hier gewählt wurde, ist meiner Meinung nach eine wirklich schlechte und in der Form unhaltbare. Sie ist erstens politisch unhaltbar, weil ich der Meinung bin, gerade wir in Österreich können und dürfen eine Diskussion, eine politische Debatte über die Rückgabe widerrechtlich verbrachter Kulturgüter nicht im Jahre 1993 und auch nicht im Jahre 1998 beginnen. Der späteste zulässige Zeitpunkt, den wir in Österreich diskutieren dürfen, ist 1938. Alles andere ist in diesem Land politisch nicht korrekt und ist unzulässig. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die Abgeordneten Stoisits und ich haben einen Antrag betreffend die Aufklärung über geraubte und abgepreßte Kunstgegenstände in den österreichischen Museen eingebracht. Ich glaube zwar nicht, daß man die Frage dieser materiellen und kulturellen Wiedergutmachung heute noch an einzelnen Gegenständen festmachen kann – das wird in den wenigsten Fällen möglich sein und würde zu neuen Ungerechtigkeiten führen –, aber wir müssen uns der Frage einer Wiedergutmachung auch in diesem Zusammenhang endlich stellen. Sonst wäre das eine politische Verweigerungshaltung, die so viele Jahre danach unerträglich ist.

Die hier gewählte Vorgangsweise der Übernahme der EU-Richtlinie aus 1993 ist auch deswegen unzulässig, weil sie juristisch in einer völlig unhaltbaren Form durchgeführt wird. Ich bedauere es, daß jetzt die Klubobleute der Regierungsparteien, insbesondere Herr Klubobmann Dr. Khol, nicht da sind, denn ich hätte mir schon erwartet, daß da auch noch eine gewisse juristische Redlichkeit an den Tag gelegt wird.

Sosehr ich dafür eintrete, daß wir ganz grundsätzlich und, wie gesagt, viel weiter zurückgehend über Rückgabeverpflichtung oder zumindest Wiedergutmachungsverpflichtungen hinsichtlich widerrechtlich verbrachter Kulturgüter reden, sosehr verurteile ich die Art und Weise, wie das hier gemacht wurde. Es geht nicht an, daß eine EU-Richtlinie einfach so in nationales Recht übernommen wird, ohne daß man auch die entsprechende zivilrechtliche Situation in diesem Sinne abändert.

Wir haben in Österreich ein Prinzip des sogenannten Gutglaubenserwerbes, der unter bestimmten Umständen – Erwerb vom befugten Gewerbsmann, vom befugten Gewerbehändler, Erwerb in einer Versteigerung, Erwerb vom Vertrauensmann des Eigentümers, so das Gesetz – jedenfalls zu einem Eigentumserwerb des Käufers, des Erwerbers, des Übernehmers führt. Wenn jetzt eine Rückgabeverpflichtung statuiert wird, ohne daß man dann auch dem Erwerber das Eigentumsrecht entzieht – was konsequent wäre und worüber man mit mir jederzeit reden kann –, dann führt das zur abstrusen Lösung, daß das im Eigentum eines Österreichers oder einer Österreicherin stehende Stück, das zivilrechtlich auch in diesem Eigentum bleibt, herausgegeben werden muß und daß in alle Zukunft der Besitz und das Eigentum auseinanderfallen.

Das kann nicht der Rechtssicherheit dienen! Das führt auch dazu, daß sich in Zukunft eine Fülle von rechtlichen Folgefragen daran knüpfen: die Fragen von Gebühren für Verwahrungen, die Fragen, wer ein Verfolgungsrecht hat, falls dieser Gegenstand noch einmal widerrechtlich verbracht wird. Das ist ein wirklicher juristischer Pallawatsch – ich habe kein anderes Wort


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dafür. Ich habe das mit Professoren des Zivilrechts diskutiert, und die haben mir nicht geglaubt, daß das österreichische Parlament drauf und dran ist, eine derartige Vorgangsweise zu wählen.

Ich habe im Kulturausschuß einen Reparaturvorschlag deponiert, nur war der Druck, wir müssen jetzt – schnelle, schnelle! – diese EU-Richtlinie übernehmen, offenbar so groß, daß man sich über Rechtsprinzipien des österreichischen Zivilrechts – die ich für kritikwürdig halte – einfach hinweggesetzt hat. Einfach so geht das nicht! Man schafft damit ein Parallelrecht des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, die miteinander in Widerspruch stehen, was zu wahrscheinlich sehr seltenen, aber doch möglichen wirklich unlösbaren Einzelfällen führen kann.

Insgesamt, muß ich sagen, tut es mir leid, wenn immer wieder die Debatte nur unter Sachzwängen durchgeführt wird, wenn man sagt, jetzt müssen wir handeln, denn wir sind schon dreimal gerügt worden. Ich glaube auch – und da teile ich die Meinung der Liberalen –, daß man getrost und seriöserweise den Ausgang des Verfahrens, das in der Bundesrepublik Deutschland geführt wird, abwarten hätte können, denn dort wird mit Fug und Recht und mit ganz guten Gründen auch behauptet, daß diese Richtlinie rechtlich nicht korrekt zustande gekommen ist.

Ich würde mir dieselbe Eile und dieselbe Bereitschaft, EU-Recht zu übernehmen, auch einmal wünschen, wenn es beispielsweise um Maßnahmen gegen die Geldwäsche oder ähnliches geht. Hier sind Sie in einer für mich wirklich unverständlichen Art und Weise zu einer Hudriwudri-Strategie bereit gewesen, aber Sie waren nicht bereit, eine redliche Diskussion darüber zu führen, ob wir uns nicht generell mit der Frage des sogenannten Gutglaubenserwerbs auseinandersetzen sollten. Denn ich glaube auch, daß gerade im Fall von Diebstahl, von Raub, von entzogenen Kulturgütern – aber nicht nur Kulturgütern, sondern insgesamt Vermögensgegenständen – der gute Glaube das schlechtere Argument ist gegenüber den schützenswerten Interessen des Bestohlenen, Beraubten und Betrogenen.

Aber insgesamt – und damit komme ich zum Schluß – orte ich keine durchgehende Kulturpolitik, orte ich auch keine leidenschaftliche Parteinahme für die Anliegen der Kulturschaffenden in Österreich, die wirklich in vielen Bereichen nicht mehr können. Es ist so viel die Rede vom Aderlaß und von den Arbeitsplätzen, die abwandern. Ich sage Ihnen: An einem wirklich renommierten Kunst- und Kulturschaffenden, der mit all seinen Rechten, mit seinen immateriellen Rechten, mit seinen Verlagsbeziehungen, mit seinem Schutz der immateriellen Rechte abwandert, hängt nicht nur – das sei jenen gesagt, denen dieser Bereich Kultur vielleicht nicht so viel wert ist – ein ideeller Wert, sondern daran hängen wirklich viele Arbeitsplätze – auch Arbeitsplätze von morgen.

Es wird sich Österreich auf Dauer nicht leisten können, ausschließlich die Lorbeeren aus der Vergangenheit in diversen Jubiläen immer wieder abzufeiern, sondern wenn wir jetzt nicht danach trachten, daß es heute Chancen und auch ökonomische Möglichkeiten für einen lebendigen und jungen Kulturbetrieb gibt, dann werden unsere Kinder und Enkelkinder in 50 oder 100 Jahren keine neuen Jubiläen mehr zu feiern haben. Und das finde ich sehr schade und sehr traurig. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Motter. )

19.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.06

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts! – So könnte ich eigentlich die Gesundheitspolitik gegen die Kulturpolitik ausspielen, Frau Petrovic. (Abg. Böhacker: Wo hast du das gelesen? Weißt du, wo das steht?) Ich halte das, was Sie zu Beginn dargelegt haben, für eine Polemik, die, glaube ich, nicht angebracht ist.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß es eigentlich enttäuschend ist für alle jene, die herinnen sitzen, besonders aber auch für die im Kulturausschuß Tätigen, daß die Vorsitzende des Kulturausschusses nicht anwesend ist. (Abg. Haigermoser: Wo ist sie denn? – Abg. Motter: Sie wird auch einmal hinausgehen dürfen!)


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Ich glaube, dieses ganze Gejammere, Frau Petrovic, das Sie immer wieder hier am Rednerpult anstimmen, ist unnötig, denn wenn wir diese ganzen Aktivitäten sehen, die jetzt gesetzt werden, insbesondere im Museumsbereich, dann können wir Österreicher doch stolz sein. Es wäre angebracht, uns selbst nicht immer nur niederzumachen, sondern uns etwas herauszuheben.

Ich persönlich bin – und ich glaube, man kann das allgemein sagen – mit diesem Kulturbericht zufrieden. Unsere Aufgabe als Politiker ist es – und diese Aufgabe wird durch dieses Gesetz wieder neu aktiviert –, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Kulturschaffenden eben ermöglichen, sich neuen Gegebenheiten anzupassen, damit sie ihrem gesellschaftlichen Auftrag gerecht werden können. Natürlich – und damit haben Sie schon recht –: Diese Aufgaben sind zu bewältigen, und zwar auch jetzt, da es zu einem Sparpaket gekommen ist, da geänderte Erwartungen seitens der Museumsbesucher vorhanden sind, den Bildungsauftrag der modernen Zeit entsprechend zu gestalten.

Ich begrüße vor allem auch den Vorschlag von Bundesministerin Elisabeth Gehrer, die Bundesmuseen in selbständige Bundesanstalten mit eigener Rechtsfähigkeit umzugestalten. Wir wissen, daß sich die Teilrechtsfähigkeit gut bewährt hat. Die Zahlen beweisen es: Aufgrund der Teilrechtsfähigkeit erfuhren die Einnahmen eine Steigerung von 81 Prozent. Man sollte diesen eingeschlagenen Weg unbedingt weiter fortsetzen.

Frau Motter! Ich möchte noch einmal darauf hinweisen – das hat auch schon die Frau Ministerin gesagt –, daß die Aufgaben im Gesetzesbereich ganz einfach definiert sind. (Abg. Motter: Das müssen Sie mir nicht erklären von der Teilrechtsfähigkeit!) Nein, aber Sie haben ja hier heraußen die Frage gestellt, welche Aufgaben eigentlich zu verrichten sind. Für den Besucher die Ausstellung zu arrangieren, zu sammeln, zu bewahren und zu forschen – das ist eigentlich die Hauptaufgabe. (Abg. Motter: Das wissen wir alles!) Ja, aber Sie haben hier so getan, als ob Sie es nicht wüßten; deshalb habe ich es Ihnen jetzt noch einmal gesagt.

Ich glaube, diese Aufgaben kann gerade das Anstaltsmodell besonders gut verwirklichen. Die Museen können dadurch selbstverantwortlich wirtschaftlich arbeiten, und das wollten wir ja. Nicht verwalten ist künftig gefragt, sondern unternehmerisches Denken und aktives Kulturmanagement. Die Direktoren sollen sich mit neuen Entwicklungen beschäftigen, Synergien sollen besser genützt werden, etwa zwischen Kunsthistorischem Museum und Nationalbibliothek und so weiter. Das kann nicht in einer Horuck-Aktion geschehen.

Die Ziele kann man ganz klar definieren: größere Selbstverwaltung, Befreiung von staatlichen Zwängen, ein mehrjähriges Arbeits- und Budgetprogramm – daraus ergibt sich erhöhte personelle und finanzielle Flexibilität – und Abkehr von der Kameralistik.

Ich habe zuerst schon gesagt, daß dieser Vorschlag ein vernünftiger ist (Abg. Motter: Welcher Vorschlag?), daß wir diesen Weg gehen sollten. Ich gratuliere der Ministerin für diese Initiative. – Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. 6 Minuten freiwillige Redezeit wird angezeigt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.11

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Bartenstein ist ja nicht gerade der richtige Adressat für Kulturangelegenheiten. (Abg. Schwarzenberger: Er ist ein Universalgenie!) Na ja, er gehört auch der ÖVP an, so wie die Unterrichtsministerin, die es offensichtlich vorgezogen hat, sich all diese Argumente, die sie schon im Ausschuß gehört hat, nicht noch einmal anzuhören, insbesondere nicht die juristischen, wenn es um die Rückgabe von unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern geht, von denen ich auch sprechen möchte.

Ich bin sehr selten derselben Meinung wie die Frau Kollegin Petrovic, aber heute muß ich ihr wirklich recht geben in ihrer Argumentation, was diese Regierungsvorlage anlangt, die die Rückgabe von unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern betrifft. Frau Kollegin Petrovic hat ge


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meint, hier sei unüberlegt ein Gesetz vorbereitet worden, und es mußte offensichtlich unter Druck schnell, schnell gehandelt werden. Ich glaube auch, daß es dieser Druck war, dem wir dieses Gesetz zu verdanken haben.

Es ist ja so, daß diese Bundesregierung immer das Vorzeigekind bei der EU sein will. Es soll immer wieder gezeigt werden, daß wir alle Richtlinien in Österreich einführen, daß wir uns ja keine andere Meinung erlauben. Bisher waren es allerdings immer neue gesetzliche Bestimmungen, die uns von Brüssel aufoktroyiert worden sind, selbst wenn wir nicht einverstanden waren. Mit diesem Gesetz wird aber contra legem gehandelt. Das ist besonders verwerflich, und damit treiben Sie wirklich die Sache auf die Spitze, meine sehr geehrten Damen und Herren! Offensichtlich sollte in einer Horuck-Aktion – ohne Eingehen auf die österreichische Gesetzeslage und auf unsere bewährten Instrumentarien – etwas eingeführt werden, was ganz einfach dem fundamentalen Bestand unseres bürgerlichen Rechtes widerspricht. Und das lehnen wir vehement ab!

Andere Länder, die diese Bestimmung ebenfalls mit einer EU-Richtlinie vorgeschrieben erhalten haben, haben sich gewehrt – beispielsweise Italien und die Bundesrepublik Deutschland –, weil diese Richtlinie eben einen tiefen Eingriff in die bürgerliche Rechtsordnung darstellt. Das haben diese Länder nicht akzeptiert. Wir in Österreich haben natürlich wieder sofort gehandelt – sofort nicht, aber doch immerhin sehr schnell –, und leider Gottes haben die Koalitionsparteien unserem Vorschlag nicht stattgegeben. Wir haben nämlich angeregt: Warten wir doch ab! Deutschland wird von der EU geklagt, weil es diese Rechtsnorm nicht in nationales Recht übernommen hat. Warten wir doch ab, wie dieser Prozeß ausgeht! Italien steht schon vor dieser Klage. – Nein, bei uns wird nicht abgewartet, sondern mit der heutigen Beschlußfassung wird diese EU-Richtlinie auch in nationales Recht übergeführt. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wir wollen eine Klage abwenden!)

Herr Kollege Morak hat gemeint, Deutschland will diese EU-Richtlinie trotzdem übernehmen, aber das stimmt ganz einfach nicht. Und er hat gemeint, Italien stehe vor der Übernahme. – Das stimmt aber überhaupt nicht, sondern diese Länder lassen es auf eine Klage ankommen.

Herr Minister Bartenstein! Sie sagen, wir wollen die Klage abwenden. – Na, riskieren wir es doch endlich einmal! Sagen wir doch einmal, wir lassen uns von der EU nicht mit Grundsätzen überrennen, die unserer jahrhundertelangen Tradition widersprechen! Ich finde, das können wir doch einmal riskieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Jung: Vorauseilender Gehorsam!)

Wenn Sie schon sagen, man muß der EU gegenüber unbedingt beugsam sein, dann mache ich Ihnen den Vorhalt, daß wir bezüglich dieser EU-Richtlinie keinen Vorbehalt angemeldet haben. Das wäre ja in unserer Macht gestanden, das hätte ja zu den Hausaufgaben gehört, von denen Jörg Haider immer wieder gesprochen hat. Wir hätten uns einmal anschauen müssen, was mit dem EU-Beitritt eigentlich noch alles verbunden ist. Und dazu hätte auch diese EU-Richtlinie gehört, denn diese ist schon seit dem Jahre 1993 im Bestand des EU-Rechtes, und wir sind erst mit 1. Jänner 1995 beigetreten.

Mit der Übernahme dieser EU-Richtlinie werden also nicht nur fundamentale Grundsätze des österreichischen Rechts über den Haufen geworfen, sondern es werden noch etliche andere Probleme auftauchen, und zwar finanzielle Probleme. Diesbezüglich gibt die Regierungsvorlage überhaupt keine Auskunft, was das alles kosten wird. Weiters wird auch verschiedenen Bedenken nicht Rechnung getragen, die im Begutachtungsverfahren laut geworden sind. So zum Beispiel hat die Bundeswirtschaftskammer darauf aufmerksam gemacht, daß Rechte rückwirkend erhoben werden können. Stichtag ist der 31. Dezember 1992, obwohl Österreich erst mit 1. Jänner 1995 der EU beigetreten ist. Damit wird die Rechtsunsicherheit noch weiter erhöht.

Weiters wird im Begutachtungsverfahren auch noch bemerkt, daß mit diesem Gesetz das Bundesdenkmalamt in eine Position kommt, der es wahrscheinlich nicht gewachsen ist. Denn einerseits muß das Bundesdenkmalamt die Aufgabe erfüllen, ausländischen Antragstellern Hilfe zu leisten, andererseits soll es österreichischen Interessen zum Durchbruch verhelfen. – Also


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wie dieser "Spagat" vom Bundesdenkmalamt vollzogen werden kann, das ist ebenfalls noch ungeklärt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Das Gesetz, das Sie heute durchdrücken werden, geht weder konform mit unserer nationalen Rechtsordnung, noch trägt es zur Rechtssicherheit bei, noch ist gewährleistet, daß die Durchführung dieses Gesetzes auch reibungslos funktionieren wird. Und deshalb lehnen wir es ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Konrad. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.17

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich den Ausführungen jener Abgeordneten an, die den vorliegenden Kulturbericht als positiv bewerten, und zwar deshalb, weil dieser einen guten Überblick über den Ist-Zustand gibt und weil er gleichzeitig die Schwierigkeiten sichtbar macht, mit denen sich das Museumswesen auch in Österreich konfrontiert sieht. Das heißt, traditionelle Aufgaben stehen neuen Bedürfnissen und Anforderungen gegenüber.

Aus meiner Sicht geht es hier um drei Schwerpunktaufgaben: Aktuelle Bezüge geschichtlicher Erfahrung sollen hergestellt und erlebbar gemacht werden, das kulturelle Verständnis und Bewußtsein soll erweitert werden, gleichzeitig soll aber auch die Anpassung an die moderne Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft gelingen.

Was im Bericht allerdings schon unmißverständlich als angestrebtes Ziel definiert wird, nämlich eine Reform der Bundesmuseen durch Autonomisierung und Dezentralisierung, um – wie es heißt – einen höheren Effizienzgrad und eine höhere Marktorientierung zu erreichen, das steht ja noch in Diskussion, und in dieser Diskussion sind aus unserer Sicht Fragen zu stellen und auch Antworten zu finden. Diese Fragen lauten etwa: Welchen Innovationsschub wird die höhere Marktorientierung bringen? Was heißt denn überhaupt höhere Effizienz? Was sind die sogenannten objektiven Kriterien, nach denen die Dotationen aus dem Bundesbudget bemessen werden sollen? Und vieles andere mehr.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch eine Anforderung an zeitgemäße Museen ansprechen, eine Anforderung, die im vorliegenden Bericht gar keinen Niederschlag findet – mir ist auch klar, warum, weil sie nämlich von den österreichischen Bundesmuseen noch nicht oder noch kaum berücksichtigt wird –, und das ist die Frage der Gender-Perspektive. Ich halte es für eine demokratiepolitisch wichtige Aufgabe, auch der österreichischen Bundesmuseen, die Verleugnung weiblicher Kultur und Geschichte bewußt zu machen und vor allem auch aufzuheben.

International wird schon seit den frühen achtziger Jahren eine breite Diskussion dazu geführt, und auch in Österreich haben sich einige Expertinnen und Experten dieser Frage angenommen. Es gibt vor allem im Ausland entsprechende Museumsmodelle und Initiativen, die dort auch verwirklicht sind. Es gibt also bereits Museumskonzepte, in denen das Geschlecht als zentrale Kategorie ganz bewußt berücksichtigt wird.

Wenn die österreichischen Bundesmuseen also nicht nur Beharrungsorte und Bewahrungsorte sein wollen und sollen, sondern eben auch Orte der kritischen Auseinandersetzung mit und durch Kunst und Kultur, dann dürfen sie sich auch dieser Gender-Perspektive nicht verschließen. Ich hoffe sehr, daß diese Entwicklung schon im nächsten Kulturbericht dokumentiert sein wird.

Ich möchte noch kurz auf den zweiten Punkt, den wir heute diskutieren, eingehen, nämlich auf die Rückgabe von widerrechtlich verbrachten Kulturgütern. Aus unserer Sicht kann ich dazu sagen, daß mit dem Gesetz über die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter eine korrekte und verantwortungsbewußte Lösung ermöglicht wird. Im Horizont dieser Verantwortung


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sind auch die Bedenken und Einwände und auch Vorwürfe, die heute gekommen sind, zu beurteilen, das Gesetz greife in den österreichischen Zivilrechtsbestand ein.

Die sozialdemokratische Fraktion teilt auch nicht die Einschätzung, daß mittels der EU-Richtlinie österreichisches Zivilrecht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Ich schließe mich der Meinung an, die, wenn ich mich richtig erinnere, Kollege Morak im Kulturausschuß geäußert hat, daß Kulturschutz, wie beispielsweise Denkmalschutz, immer in Eigentumsrechte eingreift und daß dieser Eingriff unter gewissen geregelten Bedingungen auch akzeptabel ist. (Beifall bei der SPÖ.)

19.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Brinek. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.23

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte einer Legendenbildung vorgreifen und noch ein paar Anmerkungen zu Ausführungen von Vorrednerinnen machen, was unsere Diskussion über das neue Rechtsmodell für die Bundesmuseen betrifft.

Über Rechtsformen zu reden, Frau Kollegin Petrovic, ist, so glaube ich, nicht nur eine "Scheindebatte". Die Debatte bewegte und bewegt sich zwischen zwei Auffassungen: Der Vertreter vom Naturhistorischen Museum hat gemeint, alles bleibt so, wie es ist. Und das andere Gegenstück war ein auf Gewinn, auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtetes Privatisierungsmodell, das in seiner Radikalität keine Freunde gefunden hat.

Der Mittelweg gewann in der Diskussion die Zustimmung, und offen blieben die Fragen: Wie arbeitet das Kuratorium, wenn es die ordnungsgemäße Verbuchung und die verwaltungsmäßig korrekte Gebarung überprüft? – Die zweite Frage betraf die Übergangsfrist in der Museumsordnung. Im Grunde genommen gab es aber sehr viel Zustimmung für den prinzipiell mehrheitlich vorgeschlagenen Weg.

Lassen Sie mich zu ein paar Punkten aus dem Kulturbericht kommen. Ich finde es sehr interessant und wichtig, worauf die Ministerin hingewiesen hat, nämlich auf den Zusammenhang zwischen Museum, Kulturarbeit und Schule. Ich freue mich schon sehr auf das große Projekt "Erinnern und Gestalten", das im zweiten Halbjahr 1998 im Rahmen unserer EU-Präsidentschaft zwischen Kulturinstitutionen und Schule stattfinden soll. Ich meine, daß es den Österreichern sehr gut ansteht, Erinnerungsarbeit zu leisten.

Ich wähne mich oft in einer bestimmten Geschichtsvergessenheit. Die Frage in der Umgebung von sehr "nervösen" Medien und hektischen Angeboten: Wer sind wir? Wohin gehen wir? tut uns allen not, tut uns allen gut.

Wir sollten diese Gedanken auch im Zusammenhang mit der Frage anstellen: Welche Alternative hat denn Österreich, sich selbst zu definieren? – Exklusive Bodenschätze auf Dauer gibt es sicher nicht. Die touristische Ausbeutung der Natur hat auch ihre Grenzen. Auf industrielle Billiglohnproduktion werden wir auch künftig nicht setzen können. Es wird uns also wohl gut anstehen, uns darauf zu besinnen, welche Schätze wir denn wirklich haben und wie wir diese nützen können, ohne daß wir uns durch überzogene, exzentrische Vermarktung dieses Schatzes wieder berauben.

Erlebniskultur, so wie das im Bericht angesprochen ist, könnte das Stichwort sein. Dazu präsentierten und präsentieren sich die Kultureinrichtungen authentisch im Bericht. Es wird schon sehr viel – Frau Kollegin Motter ist leider nicht mehr da – für Jugend, für Besucher und für Kommunikation getan. Ich nenne nur stichwortartig die Sonderprogramme "Botschaft der Musik", "Klangnetze", "der Traum vom Glück"; Sonderhefte, Sonderkataloge, Sonderführungen, neue technische Kooperationsmedien für die bessere Zusammenarbeit zwischen Schule und Museum, und ich verweise auf die großen Summen, die dem ÖKS, dem Österreichischen Kultur-Service, zur Vermittlung und zur Verbindung von Kultur und Bildung gegeben werden.


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Ich sehe eine große Chance für Wien – das muß ich als Wienerin mit sehr viel Freude sagen – im Rahmen dieser guten Zusammenarbeit und dem neuen Weg im Wiener Museumsquartier. Zur Erinnerung: Es finden sich dort – anders, als andere Konzeptionen es verfolgen – gemäß einem Quartiercharakter die Wiener Klassik im Leopold Museum, das Museum Moderner Kunst, die Kunsthalle und das Kindermuseum als "Startermuseum", das somit als idealer Ort des Einsteigens in unmittelbarer Nähe zu den klassischen Museen zu einem Selbstverständlich-Werden eines Museumsbesuchs beiträgt. Dort kann man interaktiv "hands-on" machen. Dort kann man interdisziplinären Zugang pflegen. Dieses Startermuseum halte ich für ganz wichtig.

Das Wotruba-Museum, Künstlerateliers, das Architekturzentrum, die große Spannung zwischen Architektur, Technik und Kunst – all dieses findet sich hier in einer anderen Konzeption, als es etwa in Bilbao ist. Das Museum in Bilbao, das vielfach gewürdigt wurde, zielt aber auf einen Einmaleffekt. Das Museum Bilbao steht, ist fertig gebaut, abgeschlossen. Da gibt es keine Veränderung, keinen dynamischen Veränderungsprozeß mehr, wie es beim Quartier der Fall ist. Es wäre falsch zu liebäugeln, ob nicht Bilbao und die großen Architekten wie Frank Gehry und so weiter auch eine Antwort für Wien wären.

Ich denke, Vorsicht ist auf der Ebene geboten, wie wir es denn anlegen, damit wir nicht in eine naive Kopierarbeit gegenüber den Themenparks verfallen. Ich sage dazu, die Universal Studios in Orlando und in Anaheim können das einfach besser. Daher warne ich, den Weg der Entfaltung, der Entwicklung einer eigenständigen Kultur und des Kopierens zu unsensibel zu gehen, um schnelle Effekte erzielen zu wollen.

Ich denke, daß der Kulturbericht – das abschließend – ein gutes Basisdokument für all jene ist, die vor allem im Bereich der Erlebniswelt, des Zugänglich-Machens das Rad neu erfinden wollen. Ersparen wir uns die Wiedererfindung des Rades! Lesen wir den Kulturbericht! Beobachten wir das, was die Ministerin versprochen hat, was Kultur 2000 und Museum 2000 betrifft! Gehen wir an die Arbeit und machen wir konstruktive Vorschläge! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Jäger. Gleichfalls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.29

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Gelegenheit anläßlich dieser Debatte zum Kulturbericht wahrnehmen – da wir in diesen Tagen und Wochen dem 60. Jahrestag des "Anschlusses" Österreichs an Hitler-Deutschland gedenken –, bei dieser Debatte offene Punkte und Fragen, die mit dieser unheilvollen Vergangenheit zusammenhängen, anzusprechen.

Ich begrüße es, daß Frau Ministerin Gehrer einen Auftrag zur wissenschaftlichen Erforschung und Katalogisierung der Kunstschätze gegeben hat, die im "Dritten Reich" in die Museen kamen. Natürlich bedauere ich, daß das erst jetzt geschieht, daß es eines Anlasses bedurfte, nämlich der Beschlagnahme der Schiele-Bilder in New York, und daß diese Diskussion erst 50 Jahre nach Ende des Krieges tatsächlich ehrlich geführt wird.

Laut einem Artikel in "Newsweek" wird diese Debatte derzeit auch in vielen anderen Ländern geführt. Auch Frankreich hat über 2 000 Bilder, deren Herkunft unbekannt und unbestimmt ist, katalogisiert, und sie sind über das Internet einsehbar.

Wie gesagt: Ich meine, daß wir mit unserer Vergangenheit wesentlich ehrlicher umgehen müssen. Ich appelliere in diesem Zusammenhang auch an die Landesarchive und an die Landesmuseen, daß diese Archive endlich geöffnet werden, um alles aufzuklären. Laut einem Zeitungsbericht ist es der Universität Graz, die ein Symposium zur Literatur im Nationalsozialismus gestartet hat, möglich, Unterlagen aus Wien, Berlin, Potsdam oder Washington zu bekommen, aber nicht vom Grazer Landesarchiv. Und das halte ich für nicht in Ordnung.

Ich denke, gerade die Kultur gibt uns Gelegenheit – wir alle sind dazu aufgefordert –, ein Klima der Toleranz, der Demokratie und der kritischen Auseinandersetzung mit unserer Geschichte zu


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fördern. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal betonen, daß ich die Wehrmachtsausstellung für einen wichtigen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung halte, daß die Diskussion darüber außerordentlich wichtig ist, damit wir mit dieser Vergangenheit fertig werden. Ich möchte dazu Ingeborg Bachmann zitieren: "Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar." – Ich denke, diese Wahrheit ist auch den Österreichern zumutbar. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Ich glaube auch, wir müssen unseren Kindern klarmachen, was der nationalsozialistische Terror mit Kunstschaffenden vollzog. Ich möchte da den amerikanischen Historiker Steven Beller zitieren, der gesagt hat: "Wien kann niemals das ersetzen, was es 1938 verlor." – Deshalb sollte auch unser Umgang mit den Erben dieser vorwiegend jüdischen Kultur noch mehr gepflegt und gefördert werden. Denn eines steht fest: Das kulturelle, geistige Erbe Wiens seit der Jahrhundertwende wurde vor allem von den Juden geprägt.

Ich freue mich in diesem Zusammenhang sehr über die Errichtung des Arnold Schönberg-Museums. Da ist wieder jemand sehr spät nach Österreich zurückgeholt worden. Ich denke, gerade Österreich mit seiner musikalischen Tradition hat den wichtigsten Vertreter der modernen Komposition nach Österreich zurückgeholt. Ich bedanke mich bei allen, die am Zustandekommen dieses Museums beteiligt waren, besonders bei der Stadt Wien. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Ich möchte noch ein Beispiel anbringen, das ich eher beschämend finde. Bezeichnenderweise handelt es in Kärnten. Es hätte ein Auftrag an Cornelius Kolig vergeben werden sollen, die Fresken im Kärntner Landtag zu malen. Er ist ein Enkel von Anton Kolig, dessen Fresken im Kärntner Landtag 1938 von den Nazis als "entartet" bezeichnet wurden, übermalt worden sind und als dem Volksempfinden unzumutbar dargestellt wurden. Da hätte es, indem man den Auftrag an den Enkel Koligs vergeben hätte, tatsächlich einen Akt der Wiedergutmachung geben können, einen Akt wider das Vergessen und der kritischen Vergangenheitsbewältigung.

Zurück noch einmal zum Kulturbericht: Ich wünsche mir, daß wir genau diese Themen auch in der wissenschaftlichen Aufarbeitung in allen Bereichen der Museen zum Thema machen, daß man sich mit dieser Vergangenheit auseinandersetzt und wir in Zukunft alles daransetzen und tatsächlich eine Aufarbeitung stattfinden lassen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

19.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.35

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzter Herr Minister! Ich bleibe in der Gegenwart und gehe nicht zurück in die Vergangenheit, wenngleich man über Wehrmacht und Wehrmachtsausstellung sicher diskutieren könnte und auch sollte – vor allem darüber, in welcher Form sie gegenwärtig vorgetragen wird. Es geht darum, die Gesellschaft und gerade die Jugend dafür zu sensibilisieren, und es ist sicher sehr schwierig, hier eine objektive Sensibilisierung zu schaffen, zumal es noch viele Menschen in diesem Land gibt, die – durchaus berechtigt – diesbezüglich ihre Meinung vertreten und sich sehr reserviert dieser Ausstellung gegenüber verhalten. Zudem werden sehr viele Leute beschuldigt und wird über diese Leute geurteilt, wobei ich nicht weiß, ob es korrekt ist, daß die Menschen von heute über Menschen aus der Vergangenheit urteilen. Da ist mein Rechtsverständnis, wenn ich auf die Ausführungen von Frau Kollegin Petrovic zurückkommen darf, ganz ein anderes.

Aber wir sollen nicht über das Rechtsverständnis diskutieren. Vielmehr geht es um den Kulturbericht 1996. Meiner Überzeugung nach hat Kultur keinen Selbstzweck, sondern dient der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, der Bewußtmachung, der Bildung schlechthin. Dem vorliegenden Bericht entnehme ich, daß es gelungen ist, Museen herkömmlicher Prägung mit neuen Museumskonzepten, die auf unmittelbares Erleben und Erlebnishaftigkeit abzielen, zu versehen. Darauf dürfte auch die steigende Zahl der Besucher zurückzuführen sein, was natür


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lich äußerst begrüßenswert ist: 1996 verzeichnete die Österreichische Galerie um eine halbe Million mehr Besucher als im Jahr davor. Das ist eine gewaltige Steigerung, und es zeigt sich, daß gelungene Ausstellungen, wie etwa die Claude-Monet-Ausstellung, das Publikum ansprechen.

Ich glaube, daß der Aufbau einer publikumsfreundlichen Infrastruktur und die Steigerung der Attraktivität des Bildungsangebotes essentiell sind, um eine Verbesserung des Zugangs der Bürger und Bürgerinnen zur Kultur zu erreichen. Nur so kann ein Museum auch seinen Bildungsauftrag erfüllen. Bezüglich der Erfüllung des Bildungsauftrages erscheint es mir von großer Bedeutung, sich den Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologien nicht zu verschließen. Auch da sind gegenwärtige Marketingstrategien äußerst notwendig.

Ziel muß es sein, diese Möglichkeiten durch eine Präsenz der Museen im Internet auszubauen und pädagogisch wertvolle Unterrichts- und Bildungsvarianten zu kreieren, um den umfassenden Veränderungen im Bildungswesen zu begegnen und dem Bildungsauftrag in Zukunft gerecht zu werden. Schwerpunkte für die Zukunft müssen daher ein weiterer Ausbau der Didaktik und des Service sein sowie die vermehrte Verwendung, aber auch Anwendung elektronischer Medien.

Ich halte es für sinnvoll – man kann das gar nicht oft genug betonen –, den Museumsdirektoren und Führungskräften im Kulturbereich mehr Spielraum und Handlungsfreiheit einzuräumen, damit sie sich auch die nötigen finanziellen Mittel erwirtschaften können. Kultur ist auch ein Teil der Kreativität, und Kreativität braucht auch einen großen Teil einer gewissen Freiheit. Gerade verantwortliche Leute sollen sich in ihrer kreativen Tätigkeit auch frei bewegen können, wenn es darum geht, Effizienz zu erwirtschaften, um auch künftig die Menschen stärker in Richtung Kultur – zum Beispiel für Besuche in den Museen – zu motivieren. Ich halte es für unrealistisch, in Zukunft das normale Staatsbudget über Gebühr zu belasten. Dies ist ein Faktum, das es zu bedenken gilt, weshalb wir ernstlich und möglichst rasch die Umwandlung der Bundesmuseen zur vollen Rechtsfähigkeit vorantreiben sollten.

Die Zahlen sprechen diesbezüglich meines Erachtens eine eindeutige Sprache. Im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit gelang es dem Kunsthistorischen Museum und der Österreichischen Galerie, wesentliche finanzielle Mittel selbst zu erwirtschaften. Das Kunsthistorische Museum steigerte die Einnahmen von 1995 auf 1996 um 25 Prozent auf fast 64 Millionen Schilling. Die Österreichische Galerie brachte es auf den oben erwähnten Quantensprung von 365 Prozent. Das ist meiner Meinung nach fast sensationell, nicht nur für Österreich, sondern auch innerhalb Europas. Diesen Häusern ist es zu allererst zu verdanken, daß die Einnahmen insgesamt um 81 Prozent gesteigert werden konnten.

Da die Kunst und die Museen ohne finanzielle Basis überhaupt nicht existieren können, halte ich die Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Thema "Finanzierung der Museen" für äußerst wichtig und möchte auf die rasche Verwirklichung der sogenannten Vollrechtsfähigkeit drängen.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch bei Frau Ministerin Gehrer und ihrem Team für die Arbeit bedanken. Ihre Vorschläge sind ausgezeichnet, wie auch der Kulturbericht bestätigt. Ich gratuliere den Leuten um Frau Ministerin Gehrer zu ihrem scharfen und sehr verantwortungsvollem Blick und wünsche auch für die Zukunft alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

19.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stippel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.40

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! In der Debatte über den Kulturbericht haben wir uns jetzt stundenlang über die verschiedensten Institutionen der österreichischen Kulturlandschaft unterhalten, insbesondere und schwerpunktmäßig über die Bundesmuseen. Dabei gibt es eine Reihe anderer Institutionen, die ebenfalls einen Teil der nationalen Identität darstellen, die überhaupt


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nicht oder kaum Erwähnung gefunden haben, beispielsweise die Nationalbibliothek oder das Bundesdenkmalamt.

Es sei mir daher gestattet, einige Worte zu jener Institution zu sagen, die im Bewußtsein der Bevölkerung kaum verankert ist, aber einen ganz wichtigen Bestandteil der Bewahrung des historischen Kulturgutes darstellt, nämlich das Bundesdenkmalamt. Man darf darüber hinaus nicht vergessen – wenn man die Sache von der wirtschaftlichen Seite her betrachtet –, daß sich die Tätigkeit des Bundesdenkmalamtes letztlich über die Umwegrentabilität auch wirtschaftlich sehr positiv niederschlägt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Denkmalschutz ist in Österreich Bundessache, und zwar sowohl in Gesetzgebung als auch in Vollziehung. Ich erinnere nur an folgendes: Vor Jahren fand eine "Verländerungsdebatte" statt, das heißt, es gab und gibt offensichtlich noch immer Kreise in unserem Lande, die den Denkmalschutz verländern wollen. Ich kann mir nicht gut vorstellen, daß im Burgenland andere Voraussetzungen für den Denkmalschutz herrschen als beispielsweise in Niederösterreich oder in Vorarlberg. Wir können es uns als Land mit einem solch reichen historischen Erbe ganz einfach nicht leisten, uns in bezug auf den Denkmalschutz zu zersplittern. Ich möchte also all jenen, die eine solche Verländerung noch heute betreiben, eine deutliche Absage erteilen.

Die Hauptaufgabe des Denkmalschutzes ist eben die Förderung der Restaurierung, der Instandhaltung und Instandsetzung von Denkmälern. Im Jahre 1996 standen dafür 210 Millionen Schilling zur Verfügung; vielleicht ist das noch immer oder sicher zuwenig, wenn man so will. Aber das ist quantitativ immerhin eine gewaltige Steigerung gegenüber dem Vorjahr, nämlich um über 100 Millionen Schilling.

Es gibt mehr als 5 000 bewegliche und unbewegliche Denkmalobjekte, die es in diesem Land im Rahmen des Denkmalschutzes zu sanieren, revitalisieren, restaurieren und konservieren gilt. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die uns erwartet. Darüber hinaus ist das Spektrum der Aufgabengebiete des Bundesdenkmalamtes angefangen von behördlichen Tätigkeiten – in erster Linie wissenschaftlichen Tätigkeiten – über Beratungstätigkeit für Denkmaleigentümer bis zur Vergabe von Subventionen, sehr breit gestreut und sehr wichtig.

Die im sogenannten öffentlichen Interesse zu schützenden Denkmäler reichen von Schlössern und Burgen über Klöster und Kirchen mit ihren Ausstattungen und Einrichtungen, weiters über städtische und dörfliche Ensembles bis hin zu Wohnbauten und Industrieanlagen. Ich möchte besonders letztere hervorheben, weil im Bereich der Industriearchäologie, im Bereich der Industriegeschichte in Österreich noch vieles aufzuarbeiten ist. Wenn man schaut, wo beispielsweise in Niederösterreich Landesausstellungen stattfinden, dann merkt man, daß es sich in der Regel um Schlösser, Burgen, Kirchen, Klöster handelt. Nur in einem einzigen Fall fand eine Ausstellung in Räumlichkeiten, die der Industriearchäologie zuzurechnen sind, statt. Und das ist mir ganz einfach zuwenig.

Ich möchte deshalb darauf hinweisen, daß ich in Ausübung meiner Tätigkeit im Industrieviertel-Museum Wr. Neustadt bereits einige Erfolge erzielen konnte, was die Erhaltung von Industriedenkmälern im Raum Wr. Neustadt betrifft. Wir sind gerade dabei, das Projekt Nadelburg in Lichtenwörth – es handelt sich hiebei um die älteste geschlossene Arbeitersiedlung Mitteleuropas – voranzutreiben, und wir sind auch dabei, eine "Industrie- und Handelsstraße Niederösterreich Süd" ins Leben zu rufen. Da bedarf es nicht nur materieller Güter, sondern es muß auch mit Idealismus dahintergestanden werden, damit diese Projekte verwirklicht werden können. Wir sind auf dem besten Wege dazu. Wir brauchen allerdings in verstärktem Maße die Unterstützung der öffentlichen Hand.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Abschließend möchte ich meinen Dank an jenen Mann richten, der durch viele Jahre hindurch das Bundesdenkmalamt geführt hat, nämlich Präsident Dr. Sailer. In den neuen Präsidenten setzen wir große Erwartungen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Leiner. )

19.46


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113. Sitzung / Seite 166

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte.

19.46

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde, wie üblich ... (Widerspruch.) Schon, oder gehen Sie später zu Bett? – Was ich damit sagen will, ist, daß es sehr oft beziehungsweise meistens so ist, daß Kulturdebatten in diesem Hause nach der Mittagszeit geführt werden, was nicht heißt, daß es unüblich ist, sich länger im Hohen Hause aufzuhalten. Aber daß Kulturdebatten sehr spät am Abend stattfinden, ist – auch was das öffentliche Interesse betrifft – schade. Das ist aber leider immer so.

Der erste Punkt, zu dem ich kurz etwas sagen möchte, betrifft die Umsetzung der EU-Richtlinie und die Kritik daran. Wichtig ist, daß die Umsetzung dieser EU-Richtlinie jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit schafft, widerrechtlich verbrachtes Kulturgut überhaupt wieder in das jeweilige Land zu schaffen. Das ist der wesentliche Unterschied, weil man bei allen Fällen vor dem Jahre 1992 keine Möglichkeit hatte, diese Kulturgüter wieder ins Land zu bringen. Das ist das eine.

Der zweite Punkt betrifft den Gutglaubenserwerb und die Kritik von Frau Kollegin Petrovic. Natürlich gibt es bei Fragen betreffend Kulturgüter immer wieder Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Entschädigungen. Tatsache ist aber, daß über die Ausschußfeststellung geregelt ist, daß es jetzt eine Herausgabepflicht, jedoch auch einen Entschädigungsanspruch gibt, was ganz wesentlich ist, wenn ein Gutglaubenserwerb nachgewiesen wird. Das heißt, wenn man nachweisen kann, daß man ein Kunstobjekt nicht nach Kenntnis eines Kulturexperten oder einer Kulturexpertin gekauft, sondern auf Basis des Wissens eines durchschnittlichen Käufers erworben hat, dann unterliegt man zwar der Herausgabepflicht – aber das ist nun einmal bei nationalen Kulturgütern so, ansonsten würde es ja keinen Sinn machen, wenn das jeweilige Land keine Möglichkeit hat, sie wiederzubekommen –, aber es gibt eine Entschädigung.

Die dritte Möglichkeit, die auch von Frau Kollegin Schmidt in der Ausschußsitzung vorgebracht wurde, war, den Ausgang der Klage, die in Deutschland anhängig ist, abzuwarten. Dazu muß ich sagen: Den Ausgang der Klage hätten wir insofern nicht abwarten können, weil wir ziemlich sicher Gefahr gelaufen wären, auch geklagt zu werden. Das heißt, mit dieser Regelung haben wir die EU-Richtlinie endlich – etwas verspätet – umgesetzt. Das ist eine gute Sache, wenn man bedenkt, daß wir diesbezüglich schon so lange in Verzug waren.

Zum nächsten Thema, das heute schon angeschnitten wurde, nämlich die Beutekunst: Ich möchte mich nur kurz auf die Hysterie beziehen, die vor gar nicht allzu langer Zeit, als es um die Beschlagnahme der Schiele-Bilder im Museum of Modern Art in New York gegangen ist, entstanden ist. Eines ist wichtig: Man muß in diesem Zusammenhang schon die Verbrechen mit bedenken, die überhaupt dazu führen konnten, daß diese Kulturgüter in fremde Hände geraten sind. Weiters muß man noch bedenken, daß die österreichische Haltung ja sehr lange Zeit eine nicht sehr rühmliche war.

Es gab diesbezüglich damals auch eine Aussage eines österreichischen Politikers, die da lautete: "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen." – Diese Tendenz des Hinauszögerns hat sich auf die Bemühungen um die Heimkehr der vertriebenen Menschen bezogen; sie hat sich auch auf die Verzögerung bei der Kulturgüterrückgabe und die Wiedergutmachung an den Opfern bezogen.

Ich kann mich daran erinnern, daß die Wiedergutmachung bei homosexuell Verfolgten des Naziregimes bis in die neunziger Jahre gedauert hat. Erst im letzten Jahrzehnt ist Bewegung in diese Angelegenheit gekommen. Ich finde auch, daß Frau Ministerin Gehrer richtig reagiert hat, indem sie sagte, man müsse jetzt katalogisieren und diese Sache angehen.

Österreich steht es gut an, in dieser Sache vorbildhaft zu sein, wiewohl es – und das hat ja die Wehrmachtsausstellung, meine Kollegin Jäger hat das schon erwähnt, wieder gezeigt –


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113. Sitzung / Seite 167

offensichtlich auch in den neunziger Jahren noch immer schwierig ist, über diese Zeit zu reden, ohne daß die Wogen der Erregung hochgehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun Frau Abgeordnete Mag. Wurm gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.50

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist sehr amüsant, wie leicht ein geringer Groschenbetrag – genau 28 Groschen – für einige Verwirrung sorgen kann. Im Kulturbericht 1996, der sehr übersichtlich und von der Gestaltung her wirklich schön gelungen ist, wird unter dem Titel "Förderungen" ein Budgetansatz von 6,69 Millionen Schilling bis auf 28 Groschen genau angeführt. Aus dieser Summe können aufgrund der vielen Punkt- und Kommazahlen – um wahrscheinlich bessere Lesbarkeit zu garantieren, um aufzulockern – leicht versehentlich 6,69 Milliarden werden, weil man natürlich bei flüchtigem Hinsehen glauben könnte, daß diese Summe die Gesamtheit der Förderungen für das österreichische Kulturerbe darstellt.

Und so ist es tatsächlich passiert, daß die "Parlamentskorrespondenz" diese Summe von vermeintlich 6,69 Milliarden Schilling als Gesamtaufwendungen des Bundesministeriums, die 1996 für Kultur ausgegeben wurden, veröffentlichte. Im Kulturausschuß wurde diese Zahl von der "Parlamentskorrespondenz" übernommen, von wo sie dann schließlich in den vorliegenden Ausschußbericht gelangt ist. Diese Zahl im vierten Absatz des Berichtes des Kulturausschusses ist also um 5 Milliarden zu hoch, vorausgesetzt man liest den Kulturbericht richtig. Somit beliefen sich die Ausgaben – richtiggestellt – auf 1,61 Milliarden Schilling.

Daß in diesem Bericht exakte, nachvollziehbare Zahlen stehen, ist sehr erfreulich – beim Schillingbetrag sollten sie aber enden, meine ich. Die Groschengenauigkeit ist wirklich zu viel des Guten und dient eher der Verwirrung.

Hohes Haus! Nun zu einem anderen Punkt: Die Förderungen für Landes- und Gemeindemuseen sind meiner Meinung nach auch aus Tiroler Sicht sehr wichtig, weil die Mittel von zirka 150 Millionen beziehungsweise 200 Millionen Schilling an Förderung – wie schon von Herrn Kollegen Stippel erwähnt – für die Denkmalpflege auch direkt den Bundesländern zugute kommen. Denkmalschutz und Denkmalpflege kosten, wie im Bericht steht, sehr viel. Wenn Bund und Länder schon so viel für diesen Teil der österreichischen Identität ausgeben, ist es mir persönlich unverständlich, daß diese Leistungen bei der Öffentlichkeitsarbeit derart vernachlässigt werden.

Für kunstinteressierte Touristen, aber auch Bürgerinnen und Bürger Österreichs wäre es sicherlich sehr interessant, zu wissen, welche Bauten in einer Stadt, in einer Region aus welchem Grund unter Denkmalschutz gestellt werden. Daher wäre es wichtig, daß zum Beispiel der Tourismusverband Prospekte und Broschüren anbietet, die darüber Auskunft geben, was in einer Stadt, in einer Region denkmalgeschützt ist und warum. Die Vermarktung steckt also noch ein wenig in den Kinderschuhen, daher meine Anregung, dies zu verbessern.

Die Bundesmuseen, die Nationalbibliothek und die Verwaltung sind in Wien beheimatet, daher geht der Löwenanteil der Förderungen von weit mehr als 1 Milliarde Schilling natürlich nach Wien. Daß das für den Ruf Österreichs als Kulturland ganz wichtig und auch gut ist, brauche ich sicher nicht eigens zu erwähnen.

Ich finde es jedoch erwähnenswert, daß die Besucherzahlen der klassischen Museen mit 2,81 Millionen Besuchern doppelt so hoch sind wie jene der Bundestheater, obwohl die Aufwendungen mit 858 Millionen Schilling nur gerade halb so hoch sind – so stand es auch letzte Woche in der Wochenzeitschrift "profil" zu lesen. Das ist deshalb erwähnenswert, weil ich keinesfalls möchte, daß das eine gegen das andere ausgespielt wird, weil Museen und Theater meiner Meinung nach nicht vergleichbar sind und ein Vergleich daher unzulässig wäre.


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Eine Sache, die mir noch am Herzen liegt, ist, daß der Trend der Modernisierung und einer anderen Art der Präsentation der Museen, der kulturellen Güter, der in den achtziger Jahren begonnen hat, fortgesetzt und verstärkt wird – auch auf die Gefahr hin, daß dadurch das Budget der Bundesmuseen etwas belastet wird.

Noch vor nicht allzu langer Zeit haben sich die Bundesmuseen – erlauben Sie mir, das zu sagen – etwas verstaubt und auch ein wenig altväterisch gezeigt. Das hat sich nun zum Glück geändert. Noch immer fahren sehr viele Schulklassen in die Bundeshauptstadt, lernen Wien kennen und besuchen hier oft Museen. Auch das ist wichtig und trägt zur Erhöhung der Besucherzahlen bei.

Wenn mir dann Lehrerinnen über den Besuch in den Museen berichten, erwähnen sie immer wieder, daß sich die Museen sehr unterschiedlich präsentieren. So hat zum Beispiel das Völkerkundemuseum eine ganz hervorragende museumspädagogische Betreuung; andere Museen hätten diesbezüglich – wird mir berichtet – allerdings noch Aufholbedarf. Gerade aber das für den Besucher einfühlsame Näherbringen unseres kulturellen Erbes scheint mir neben der wissenschaftlichen Betreuung eine der zentralen Aufgaben der Museen zu sein, wobei es sich hundertprozentig lohnt, auch etwas mehr Geld zu investieren.

In diesem Zusammenhang bin ich froh über die Äußerungen von Frau Ministerin Gehrer, die gesagt hat, daß es im Bericht ein eigenes Kapitel, einen eigenen Beitrag dazu geben wird, wie sich die Museen in Zukunft mit neuen Konzepten und mit welchen Innovationen sie sich präsentieren werden. Das ist ein wichtiger Aspekt, der diesen Bericht noch mehr vervollständigen wird, und ich meine, wir können diesem Bericht mit Freude zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.57


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113. Sitzung / Seite 169

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Frau Berichterstatterin findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihren Platz einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Kulturausschusses, den vorliegenden Bericht III-110 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Jene Damen und Herren, die den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Bericht ist damit mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1104 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

4. Punkt

Erste Lesung des Antrages 679/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz 1998

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

19.59

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Das Liberale Forum beschäftigt sich seit längerem mit Fragen der Standortpolitik. Ausfluß dieser Tätigkeit ist das Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz 1998, das wir uns hiermit dem Hohen Hause vorzulegen erlauben.

Damit sich unsere Debatte nicht gleich im Detail verhakt, lassen Sie mich zwölf Präambeln, zwölf Punkte eines Prätextes vorschalten, von dem ich meine, daß es wichtig ist, diesen zu verstehen, sich darauf zu einigen oder auch nicht zu einigen, jedenfalls darüber zu debattieren, bevor man über Details der Standortpolitik beziehungsweise der Wirtschaftsflexibilisierung diskutiert.

Lassen Sie mich damit beginnen:

Erster Prätext: Wirtschaften ist ohne Zweifel kein Selbstzweck. Wirtschaften dient vielmehr dazu, daß Menschen sich kulturell verwirklichen und ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Das hängt gleich mit dem zweiten Punkt zusammen, nämlich daß der Primat der Politik über die Wirtschaft um jeden Preis aufrechterhalten werden muß. Denn wenn Wirtschaft sich zum Selbstzweck entwickelt, dann gewinnt sie eine Eigendynamik, die die Menschen unter sich begräbt. Daher ist es die Aufgabe von uns Politikern, die notwendigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen.

Dritte Bemerkung: Politik muß abseits ideologischer Barrieren den gesellschaftlichen Wandel abbilden. – Das ist eines der großen Probleme in Österreich. Wir schleppen sehr viele Erfahrungen aus der Vergangenheit mit und wissen ganz genau, wie es war und wie wir darum gekämpft haben, soziale Schutzmechanismen und Rahmenbedingungen des Wirtschaftens zu finden. Und es fällt uns heute so schwer, uns von dem für damalige Verhältnisse wichtigen Erreichten zu verabschieden, weil es dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel nicht mehr entspricht.

Vierte Bemerkung: Mobilität und Internationalität schreiten voran und bestimmen den Handlungsspielraum nationaler Politik. Meine Damen und Herren! Wer heute die Augen davor verschließt, daß wir uns insbesondere die Beschäftigung betreffend in einem Strukturwandel befinden – wir durften das ja in der Debatte über die Dringliche Anfrage bereits diskutieren – , der überschätzt den eigenen Handlungsspielraum nationaler Politik. Gegenwärtig bestimmen immer mehr Elemente transnationaler und internationaler Politikfelder die nationale Politik.

Fünfter Punkt – für mich einer der wesentlichsten – : Das soziale Netz ist der größte Beitrag zur politischen Kultur in unserem Land. Es ist in Europa und insbesondere in Österreich gelungen, durch ein soziales Netz soziale Konflikte weitgehend auszuschalten. Wir gefährden dieses soziale Netz allerdings, wenn wir es überdehnen und bis an die Grenzen seiner Finanzierbarkeit gehen. Denn der Erhöhung der potentiellen Beiträge zur Finanzierung des sozialen Netzes – seien es Beiträge von Arbeitnehmern, Arbeitgebern oder auch des Staates – sind offensichtlich Grenzen gesetzt. Die Verschuldenssituation unseres Landes ist ein deutliches Beispiel dafür.

Sechster Punkt: Nur wer sicher ist, kann frei sein. Das ist die Voraussetzung. Wenn wir also mehr Selbstbestimmung und Freiheit der Menschen verlangen und mehr Eigenverantwortung von ihnen fordern wollen, dann sind wir angehalten, vorher die soziale Sicherheit sicherzustellen und zu garantieren.

Siebenter Punkt: Selbstbestimmung und Arbeitnehmerschutz können am besten im Wege der innerbetrieblichen Mitbestimmung gesichert werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß


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die Arbeitswelt sich noch viel mehr zersplittern wird, als sie es heute bereits ist, und daß sie sich deutlich gegenüber den Vorstellungen, die wir aus den achtziger Jahren mitbekommen haben, wandeln wird. Daher müssen wir in der innerbetrieblichen Mitbestimmung den Arbeitnehmerschutz veranlagen, was auch bedeutet – wie ich schon mehrfach hier wiederholen durfte – , daß den Gewerkschaften und den Arbeitnehmervertretungen eine ganz neue, wichtige Aufgabe zukommt, nämlich die Aufgabe der Beratung der Betriebsräte. Die Konflikte, die heute in den Gewerkschaften oft sehr schmerzhaft aufbrechen, zeigen, daß es auch in diesem Bereich zu neuen Ufern aufzubrechen gilt.

Achter Punkt: Nur Kunden schaffen Arbeitsplätze. – Dieser Satz ist so einfach! Warum verstehen wir ihn nicht? Wir haben anläßlich der Dringlichen Anfrage drei Stunden über Beschäftigung debattiert. Und ich habe genau aufgepaßt: Es ist wieder kein einziges Mal das Wort "Kunde" gefallen. Niemand hat von den Kunden geredet, die letztlich Arbeitsplätze schaffen. Nur wer diejenigen befriedigt, die Nachfrage und potentielle Marktbedürfnisse erzeugen, wird letztlich Arbeit schaffen. Das heißt: Man muß sich auf die Bedürfnisse der Märkte, der Kunden und auch auf potentielle neue Märkte, die ich zum Beispiel gerade in der Osterweiterung der Europäischen Union sehe, konzentrieren.

Neunte Bemerkung: Die Stärke kleiner Jungunternehmen ist deren Flexibilität, und wer diese einschränkt, schwächt sie. – Ich glaube, diesen Satz sollten wir der Wirtschaftskammer ins Stammbuch schreiben. Denn es ist wirklich der falsche Weg, Frauen und Männer, die bereit sind, unternehmerisch tätig zu werden, durch Schutzbestimmungen einzuschränken und zu glauben, man könne sie auf diese Weise vor dem Konkurrenzdruck der Großen schützen. Das ist genau der falsche Weg! Man muß kleinen und mittleren Unternehmen und vor allem Jungunternehmern Barrieren möglichst aus dem Weg räumen, damit sie ihre einzige Stärke gegenüber den Großen, nämlich ihre Schnelligkeit und Flexibilität, nutzen können.

Zehnter Punkt: Die Höhe der Arbeitskosten schränkt insbesondere im Dienstleistungsbereich die legalen Beschäftigungsmöglichkeiten ein. Heute sind ein Drittel – 230 000 Frauen und Männer – legale Selbständige, zwei Drittel sind jedoch illegale Selbständige in der Pfusch- und Schwarzwirtschaft. Ich bezweifle aber, daß die richtige Antwort darauf ist, daß es jetzt eine neue Behörde geben wird, um zugleich die Pfuscher zu jagen und Zöllner beschäftigen zu können. Das macht möglicherweise dort Sinn, wo wirklich professionelle Schwarzarbeit betrieben wird. Aber wäre es nicht viel konstruktiver, nachzudenken, warum wir diese Menschen in den Pfusch getrieben haben? Dabei handelt es sich nicht nur um illegale Schwarzarbeiter. Es gibt eine erkleckliche Anzahl von Menschen – ich möchte jetzt keinen Prozentsatz sagen –, die wir in die legale Wirtschaft zurückholen können, wenn wir ihnen die Möglichkeiten dazu geben. Lassen Sie uns darüber diskutieren! Das wird aber nur mit einer sinnvollen Deregulierung mit Augenmaß funktionieren.

Elfter Punkt: Die Reduktion der Lohnnebenkosten und die Erhöhung der Produktivität durch Flexibilisierung ermöglichen ein Steigen der Bruttolöhne. Das ist ein zentraler Satz: Unsere Mitarbeiter kosten heute zuviel und verdienen zuwenig. Die Bruttolöhne sind zu niedrig, und die Arbeitskosten sind zu hoch. Ich will jetzt keine Arbeitskostendebatte über die Lohnnebenkosten und über 13. und 14. Gehalt führen – solche Debatten haben wir hier schon x-mal geführt. Aber denken Sie einmal darüber nach, meine Damen und Herren, was ein Mitarbeiter in der Stunde kostet, was er brutto verdient und was ihm letztlich netto übrigbleibt. Je höher die Lohnnebenkosten sind, desto geringer ist die Möglichkeit, Bruttolöhne zu erhöhen. Das heißt: Wenn wir Lohnnebenkostenbestandteile auslagern, haben wir neue Chancen, Bruttolöhne zu erhöhen. Und das sollte eigentlich die Politik sein: Wir müssen zu höheren Bruttolöhnen kommen, ohne daß die Arbeitskosten weiter ansteigen.

Zwölfter und letzter Satz: Reale Kundenwünsche und potentielle Kundenbedürfnisse sind die Bestimmungsgröße jeder Beschäftigungsoffensive. Ich erwarte mit großer Spannung die für den 1. April angekündigte Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung. Sie haben sich für diese Offensive das hehre Ziel gesetzt, 100 000 neue Arbeitsplätze bis 2002 zu schaffen. – Ich hoffe, daß das mehr ist, als die wirtschaftliche Dynamik von sich aus hergeben würde.


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Zum Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz im Detail:

Artikel I und Artikel II beschäftigen sich mit dem Fragenkomplex, wie es ermöglicht werden kann, mehr Gestaltungsmöglichkeiten der innerbetrieblichen Mitbestimmung – dort, wo der Zeitsouveränität der Mitarbeiter am meisten Rechnung getragen werden kann –, mehr Verantwortung in die Betriebsräte hineinzutragen, und zwar unter dem ganz klaren Prätext, daß die Gewerkschaft die neue Aufgabe bekommt, die Betriebsräte bei diesen Verhandlungen zu begleiten.

Artikel III betrifft das Arbeitsruhegesetz. Hiebei geht es darum, eine alte österreichische Tradition wiederzubeleben. Es gab bis in die sechziger Jahre hinein den silbernen und den goldenen Sonntag vor Weihnachten. An diesen zwei Sonntagen vor Weihnachten durften die Geschäfte – auch mit Mitarbeitern – geöffnet sein. Ich glaube, man könnte eine große Entzerrung des Weihnachtseinkaufsdruckes bewirken, wenn an den vier Sonntagen vor Weihnachten – zunächst probeweise – auch Mitarbeiter beschäftigt werden könnten. (Abg. Öllinger: Wieso soll das eine "Entzerrung" sein? Was ist daran eine Entzerrung?)

Ich weiß nicht, Herr Öllinger, ob Sie zu den Menschen gehören, die Weihnachtsgeschenke einkaufen. Haben Sie sich schon einmal die Hektik des Weihnachtsgeschäfts angeschaut? – Ich glaube, das wäre ein ganz wesentlicher Schritt in Richtung Kundenorientierung. Denn dann haben die Menschen Zeit, Geschenke zu kaufen, und an vier Sonntagen ist den Handelsangestellten Arbeit zumutbar. – Übrigens haben wir auch festgelegt, daß Arbeitnehmer gegebenenfalls das Recht haben, diese Arbeit nicht zu machen. Ich will mich jetzt aber nicht im Detail verlieren.

Artikel IV betrifft das Feiertagsruhegesetz. Dabei geht es um den ganz klassischen Satz: Wie kann man zu höheren Bruttolöhnen kommen, ohne die Arbeitskosten zu erhöhen? – Österreich liegt innerhalb des Wirtschafts- und Währungsraumes mit seinen dreizehn Feiertagen an der absoluten Spitze. Würde man auf zwei Feiertage verzichten, was zweimal 0,43 Prozent beziehungsweise rund 1 Prozent der Jahresarbeitskosten ausmacht, dann könnte man im Gegenzug dazu die Bruttolöhne um 1 Prozent erhöhen.

Ich betone noch einmal, daß es wesentlich ist, mehr Spielraum bei den Bruttolöhnen zu gewinnen. Das ist aber nur möglich, wenn Sie die Arbeitskosten nicht weiter anheben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein. )

Herr Feurstein! Sie können natürlich die Arbeitskosten auch weiter anheben. Sie können das fortsetzen, was Sie jetzt fünf Jahre lang gemacht haben, nämlich die Arbeitskosten weiter anzuheben. Das wird aber gerade dort, wo Beschäftigung entstehen könnte, nämlich in den Klein- und Mittelbetrieben im Dienstleistungsbereich, zu weniger Beschäftigung führen. Unser Problem ist aber, daß wir die Potentiale nicht ausnützen können, die Klein- und Mittelbetriebe, insbesondere Dienstleistungsbetriebe, haben. Wenn Sie die Arbeitskosten in einem Dienstleistungsunternehmen um 1 Prozent erhöhen, kommt es – im persönlichen Dienstleistungsbereich mehr, im industriellen Dienstleistungsbereich weniger – zu einer Gesamtkostenerhöhung von 0,3 bis 0,7 Prozent.

Die konkrete Frage ist also: Können Sie Bruttolöhne erhöhen, ohne die Arbeitskosten zu erhöhen und ohne die Wettbewerbsposition zu gefährden? – Es liegt dann selbstverständlich an der Verhandlung der Sozialpartner, daß diese Erhöhung in die Bruttolöhne einfließt und eine Lohn- und Einkommensteuerreform nicht zu einer Verzerrung in der Einkommensteuerprogression führt.

Artikel V betrifft das Urlaubsgesetz. – In diesem Punkt ist ärgerlich, daß die ÖVP mit zwei Stimmen spricht: Sie erklären Ihren Parteimitgliedern und den Mitgliedern der Wirtschaftskammer immer wieder, daß die Aliquotierung des Urlaubsanspruches Ihr Wunsch ist. Hier lehnen Sie jedoch Anträge des Liberalen Forums ab beziehungsweise lassen einen weiteren Antrag im Sozialausschuß liegen. – Das ist doppelbödig!


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113. Sitzung / Seite 172

Herr Feurstein, Sie sitzen im Sozialausschuß! Wenn Sie als ÖVP-Abgeordneter das umsetzen wollen, was Sie den Vorarlberger Mitgliedern immer versprechen, dann bringen Sie diesen Urlaubsantrag hier ins Parlament! Denn es ist im Sinne einer wirklichen Beschäftigungspolitik nicht einzusehen, daß ein Mitarbeiter, der sechs Monate arbeitet, 15 Tage Urlaub hat, daß jedoch, wenn er einen einzigen Tag mehr arbeitet, dieser einzige Tag drei Wochengehälter kostet – nämlich weitere 15 Tage Urlaub plus 13. und 14. Gehalt. Für einen Tag Arbeit mehr bezieht man drei Wochengehälter! – Glauben Sie wirklich, daß ein Unternehmer, der verantwortungsvolles Kostenmanagement betreibt, ein befristetes Dienstverhältnis um einen Tag verlängern wird, wenn ihn das drei Wochengehälter zusätzlich kostet?

Meine Damen und Herren! Was bedeutet es, wenn wir den Urlaub nicht aliquotieren? – Das bedeutet, daß der ausscheidende Mitarbeiter einen unverhältnismäßig großen Anteil an Arbeitskosten mitnimmt, sodaß wiederum der Spielraum für eine allfällige Erhöhung von Bruttolöhnen im Unternehmen fehlt. Sie müssen einmal akzeptieren, daß die Höhe der Arbeitskosten in Österreich die Schallmauer der Beschäftigungsmöglichkeiten überschritten hat. Lassen Sie uns daher Mittel und Wege finden, höhere Bruttolöhne zu erreichen, was bedeutet, daß wir sinnlose Privilegien abbauen müssen. Ich halte dieses Urlaubsgesetz für ein "Arbeitslosenbeschaffungsgesetz", denn Sie schaffen damit arbeitslose Menschen. Ein Unternehmer wäre ja verrückt, jemanden sechs Monate und einen Tag zu beschäftigen, wenn das drei Wochengehälter zusätzlich kostet!

In diesem Antrag ist nur die Aliquotierung des unterjährigen Urlaubsanspruches enthalten. Ich meine aber, daß wir einen Schritt weitergehen und die Urlaubsansprüche überhaupt aliquotieren sollten. Selbstverständlich soll es beim bisherigen Urlaubsanspruch bleiben, und ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, daß ich nicht, wie Maderthaner, die fünf Wochen Urlaub in Frage stelle. Ich halte diesen Vorschlag von Maderthaner für unbrauchbar und daher für nicht diskutierbar! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Nürnberger: Jetzt applaudiert ihr erst, obwohl er schon seit einer Viertelstunde redet!) Herr Nürnberger, Sie haben nicht bemerkt, daß ich nie Luft geholt habe. Ich kann nämlich beim Einatmen und beim Ausatmen reden!

Artikel VI betrifft die Aufhebung des Öffnungszeitengesetzes. Ich meine nämlich, daß gar keine Notwendigkeit besteht, Öffnungszeiten zu regeln. Denn es ist meines Erachtens eine Voraussetzung für die Erhaltung insbesondere der Nahversorgung auf dem flachen Land, daß diese Unternehmer ihre Läden dann aufsperren können, wenn ihre Kunden in Grammatneusiedl oder in einem Tal in Kärnten oder Vorarlberg oder in der Steiermark ihre Einkaufsbedürfnisse haben. Ich glaube, daß es eine Chance ist, Nahversorgung zu erhalten, wenn diese Nahversorgungsläden sowohl hinsichtlich der Auswahl ihres Sortiments als auch hinsichtlich der Art und Weise, wann sie ihre Betriebe auf- und zusperren, weitgehend freie Hand haben.

Selbstverständlich werden wir in Zukunft hinsichtlich der Nahversorgung dorthin kommen müssen, daß es Nachbarschaftsläden gibt, wo sich das Postamt, eventuell auch der Handelsbetrieb, die Trafik, die Monopolannahmestelle oder das Gasthaus in einer Form der Anlagengenehmigung treffen. Denn sonst werden wir das Problem haben, daß es alle fünf nicht mehr gibt. Da ist es besser, es gibt einen oder zwei.

Artikel VII, Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz: Dieses betrifft nicht die Mitarbeiter, sondern den Unternehmer selbst. Ich sehe nicht ein, warum ein Schuster, wenn er Lust dazu hat, nicht am Sonntag Schuhe reparieren dürfen soll.

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen, daß ich meine Vorschläge zum Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz vortragen durfte, und bitte um Ihre Diskussionsbeiträge. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt insgesamt 17 Minuten. – Bitte.

20.14

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Die ganze Redezeit werde ich sicherlich nicht brauchen. – Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Herren


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113. Sitzung / Seite 173

Abgeordneten Peter und Kier wünschen sich ein sogenanntes Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz. Beim Erstgenannten verwundert der Inhalt des Antrages kaum. Er ist Unternehmer und als solcher ein unbelehrbarer Verfechter der uralten neoliberalen Ideologie. Aber bei Ihnen, geschätzter Herr Abgeordneter Kier, ist dieses Ansinnen in Anbetracht dessen, daß Sie sich Sozialsprecher Ihrer Partei nennen, schon wesentlich zweifelhafter.

Was steckt nun hinter dem wohlklingenden Namen des LIF-Antrages? – Ich habe mir die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Peter sehr genau angehört. Die ersten 15 Minuten hat er überhaupt nicht zum Antrag gesprochen, sondern nur von neuen Ufern und ähnlichem geredet. Wie schauen – im Telegrammstil – diese neuen Ufer aus? Was steckt hinter diesem Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz? – Die Abschaffung von Feiertagen, die Abschaffung des Sonn- und Feiertagsruhegesetzes, die Aufhebung des Öffnungszeitengesetzes und die Aliquotierung des Urlaubsanspruches, die Sie freundlicherweise selbst erläutert haben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Unterschlagen haben Sie uns, daß es weiters durch Änderung des Arbeitszeitgesetzes Unternehmern möglich gemacht werden soll, angesammelte Zeitguthaben einfach in den nächsten Abrechnungszeitraum zu übertragen. Das kommt einer Arbeitszeitverlängerung gleich und ist offenbar ein wichtiges Element der Regelung, weil damit nämlich Teile der geleisteten Arbeit zunichte gemacht werden.

Außerdem haben Sie auch nicht klar gesagt, daß in dem Gesetzentwurf steht, daß Sie bei der Regelung der Arbeitszeit den Kollektivvertrag und damit die Gewerkschaft, die starke Interessenvertretung der Arbeitnehmer, ausschalten wollen.

Allerdings stehen Sie, Herr Abgeordneter Peter, ja auch einer Organisation vor – ich glaube, sie nennt sich Hoteliervereinigung –, die den Arbeitnehmern seit Monaten eine gerechte Lohnerhöhung vorenthält. Im Hotel- und Gastgewerbe gibt es seit Monaten keinen Kollektivvertrag und keine Lohnerhöhung mehr. Vor ein paar Minuten haben Sie jedoch erklärt, daß die Lohnkosten die Schallmauer – die Schallmauer! – überschritten haben. Ich frage Sie: In Ihrer Branche haben wir noch nicht einmal 12 000 S Mindestlohn. Sind 12 000 S Monatslohn eine Schallmauer, Herr Abgeordneter Peter? Das müssen Sie den Menschen, die mit diesem Einkommen leben müssen, erklären! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Peter: Sie sind bei mir an der falschen Adresse, Sie kennen sich ja überhaupt nicht aus!)

Herr Abgeordneter Peter! Sie sind Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung und könnten in dieser Funktion dafür eintreten, daß Ihre Mitgliedsbetriebe mit der Gewerkschaft eine Lohnerhöhung vereinbaren. Schieben Sie diese Ihre Funktion jetzt nicht beiseite!

Sie unterlassen in Ihrem Vorschlag betreffend ein Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz auch die Quantifizierung der Folgen dieses Gesetzes für die betroffenen Menschen. Sie leugnen und ignorieren ganz einfach, was die Realisierung Ihrer Wünsche für die Betroffenen bringen würde, nämlich Einkommensverluste, eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und einen Verlust an Lebensqualität.

Außerdem zeigen Sie auch ökonomische Kurzsichtigkeit, wenn Sie sich nicht klarmachen, welche Folgen dieses Gesetz hätte, nämlich neben sinkender Motivation sinkende Produktivität für die Gesamt- und Volkswirtschaft, eine Schwächung der Kaufkraft und eine Abnahme der für die Konjunktur so wichtigen Inlandsnachfrage. Die Auswirkungen wären also auf jeden Fall negativ.

Herr Abgeordneter Peter! Ich sage Ihnen eines: Die Senkung von Einkommen und die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen bringen und sichern keinen einzigen Arbeitsplatz! Das sagen nicht nur wir als Gewerkschafter, sondern das sagen auch Wirtschaftsfachleute.

Ich versichere Ihnen, daß die sozialdemokratische Fraktion und die Gewerkschaften derartige Anschläge auf die Arbeitnehmer, auf die soziale Qualität, auf die Volkswirtschaft und das allgemeine Interesse abwehren werden! Sie werden in diesem Haus für dieses Gesetz keine Mehrheit finden.


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Ich weiß schon, daß Sie bei nächstbester Gelegenheit wieder sagen werden, daß die Gewerkschaften die Blockierer sind, die neue Zeit nicht kennen, nicht aufgeschlossen sind und ähnliches mehr. – Ich kann Ihnen aus der jüngsten Vergangenheit eine Reihe von Beispielen nennen, die zeigen, daß die Sozialpartner auf Ebene der Kollektivverträge in vielen Bereichen vernünftige Flexibilisierungen ermöglicht haben. Ich werde Ihnen gleich ein paar Beispiele nennen. Sie behaupten jedoch – das steht auch in den Erläuterungen –, daß es bei der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes in der Praxis besonders hinsichtlich der Abschlüsse von Kollektivverträgen Schwierigkeiten gegeben hat. – Das entspricht nicht der Wahrheit, Herr Abgeordneter Peter. Haben Sie jemals einen aktuellen Kollektivvertrag in die Hand genommen und geschaut, was da drinnen steht?

Die Sozialpartner haben eine Reihe von Flexibilisierungsmaßnahmen beschlossen, betreffend Arbeitszeit, betreffend Ist-Lohn-Flexibilisierung und ähnliches mehr. Ich kann Ihnen sagen: Sie tun der Flexibilisierung insgesamt mit diesem Vorschlag keinen guten Dienst! Sie bringen nämlich Flexibilisierung in ein schlechtes, ein negatives Licht. Wir bekennen uns dazu, daß wir flexibler werden müssen, und wir sind in der Lohn-, in der Gehalts- und in der Arbeitszeitpolitik ständig darum bemüht – gar keine Frage, dafür gibt es Beispiele. Aber es geht um eine vernünftige Flexibilisierung, aus der beide Seiten Vorteile ziehen. So werden wir auch in Zukunft vorgehen, und daher werden Sie für dieses Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz keine Zustimmung finden. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Einen einzigen Vorteil hat die heutige Debatte. Ich hätte das gerne der Parteivorsitzenden Schmidt selbst gesagt. Auf dem Antrag steht zwar, daß er von den Abgeordneten Peter, Kier, Partnerinnen und Partner eingebracht wurde; ich nehme aber an, daß im Liberalen Forum nichts ohne Wissen der Parteivorsitzenden geschieht. Ich habe sie vorhin kurz gesehen, aber Sie werden es ihr sicherlich berichten: Dieser Antrag hat den Vorteil, daß die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dieses Landes wissen, für welche Politik Ihre Parteivorsitzende eintritt, die sich um das höchste Amt im Staate bewirbt.

Ich versichere Ihnen eines: Ich werde alles daransetzen, daß wir die österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über diese Politik, die Sie verfolgen, aufklären! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

20.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

20.20

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorliegende Antrag ist von seiner Grundtendenz her – ich sage vorerst "Grundtendenz", Herr Nürnberger, werde aber auf Ihre Ausführungen noch zurückkommen – zu begrüßen. (Abg. Nürnberger: Ja, was sonst? Sie sind ja auch Unternehmer!) Verschiedene Details, wie beispielsweise eine Verlagerung kollektivvertraglicher Regelungen auf die Ebene der Betriebe – diese haben Sie angesprochen –, entsprechen selbstverständlich auch langjährigen Forderungen der Freiheitlichen. Einigen anderen Details wiederum stehe ich skeptisch gegenüber, beispielsweise der Abschaffung zweier kirchlicher Feiertage. Ganz sicher wird dieser Antrag den Wunsch der Antragsteller nicht erfüllen, ein Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz zu schaffen.

Herr Abgeordneter Peter! In der Frage der Osterweiterung bin ich infolge der Erfahrungen aus langjähriger Exporttätigkeit in diese Region konträrer Ansicht. Denn das Funktionieren dieses Prozesses ist von der Stabilität und vor allem von der Harmonisierung der Volkswirtschaften abhängig. Das aber läßt sich in einem so kurzen Zeitraum nicht realisieren, dafür ist der ostdeutsche Raum das beste Beispiel. Dort dauern die Bestrebungen jetzt schon zehn Jahre an, und die Mittel, die dorthin fließen müssen, sind weiterhin sehr hoch.

Eine Wirtschaftsflexibilisierung kann auch nicht mit Ihrer Forderung erreicht werden, Herr Abgeordneter Peter, daß die Betriebsvereinbarung nur dann Regelungen zulassen kann, wenn der Kollektivvertrag die Betriebsvereinbarung dazu ermächtigt, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben. Flexibilisierung gibt es nur – darüber müßten wir uns eigentlich einig sein –, wenn ein


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Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung so viel Spielraum gibt, daß die betriebsnotwendigen Entscheidungen – ob nun aus Gründen der Wettbewerbsverzerrung, wegen der Auftragslage, infolge von Problemen in der Anlieferung oder aus welchen Gründen auch immer – rasch im Betrieb selbst getroffen und zwischen den Beteiligten einvernehmliche Abschlüsse hergestellt werden können.

Das ist vor allem wichtig für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, und zwar deshalb, weil die Großbetriebe – das haben wir in den letzten zehn Jahren laufend miterlebt – mit der Drohung des Arbeitskräfteabbaus immer ihre gewünschten Betriebsregelungen bekommen. Hingegen wird kleinen und mittelständischen Unternehmen das gesetzliche Nein entgegengeschleudert, wie wir es auch von Ihnen, Herr Abgeordneter Nürnberger, soeben gehört haben.

Das starre Nein der Gewerkschaft befriedigt aber, glauben Sie mir das, vor allem die Arbeitnehmer nicht mehr. (Abg. Nürnberger: Auch die Kollektivverträge nicht?) Nein, denn die Arbeitnehmer wollen heute Arbeit, sie wollen Beschäftigung. (Abg. Nürnberger: Richtig!) Das ist das wichtigste. (Abg. Nürnberger: Aber in einer vernünftigen Entwicklung!) Vernünftig, ja, aber wir müssen so weit flexibilisieren, daß wir auch in den Unternehmen sehr rasch reagieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Das können Sie ja!)  – Das war Beispiel eins.

Das Beispiel zwei bezieht sich auf den Vorschlag zur Abschaffung kirchlicher Feiertage. Diese Frage, Herr Abgeordneter Peter, ist für mich nicht wesentlich. Wesentlich ist, mit welchen Maßnahmen es gelingen kann, den Anteil der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden im Verhältnis zu den bezahlten Arbeitsstunden zu erhöhen. Frühere Kammererhebungen haben recht unterschiedliche Prozentsätze für diese Differenz ergeben, in den einzelnen Fachgruppen liegen die Werte zwischen 78 und 84 Prozent. Das heißt, die Betriebe zahlen im internationalen Vergleich ein Mehr an nicht geleisteten Arbeitsstunden. Dabei liegt Österreich mit der jährlichen Soll-Arbeitszeit von 1 728 Stunden am unteren Ende der Skala: In Japan sind es 1 967 Stunden, in den USA – Herr Nürnberger! – 1 912, in der Schweiz – als Vorarlberger bin ich sozusagen nachbarlich davon betroffen – 1 853, also gut 120 Stunden mehr als in Österreich. Von den durchschnittlich 1 728 bezahlten österreichischen Arbeitsstunden werden maximal 1 500 tatsächlich geleistet. – Das ist das große Problem, das wir heute in unseren Betrieben haben.

Beispiel drei ist die vorgeschlagene Urlaubsregelung. Entscheidend ist nicht, Herr Abgeordneter Peter, wann ein Urlaub dem Gesetz nach angetreten werden kann, sondern wie die effizienteste betriebliche Vereinbarung zum beiderseitigen Nutzen des Arbeitnehmers und des Betriebes beschaffen ist, ist das Entscheidende in dieser Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher umfaßt der vorliegende Antrag nur einen kleinen Teil eines möglichen neuen Wirtschaftsflexibilisierungsgesetzes. Wie wir schon gehört haben, wird er abgelehnt werden. Es fehlt darin ein wesentlicher Bestandteil, da der Antrag nicht auf die Arbeitnehmerschutzgesetze Bezug nimmt. Jeder in diesem Hause weiß, daß die Arbeitnehmerschutzgesetze in vielen Bereichen – ich sage nicht: überall, aber in vielen Bereichen – weder lesbar noch umsetzbar, geschweige denn kontrollierbar sind.

Heute haben wir in Österreich – ein Arbeitsinspektor aus Vorarlberg hat das einmal gesagt – 34 Kilogramm Arbeitnehmerschutzgesetze, hingegen sind es in der Schweiz 6 Kilogramm. Aber die Kosten, die sich aus Unfällen und aus der Rehabilitation nach Arbeitsproblemen ergeben, sind in der Schweiz niedriger als in Österreich. Also hängt das nicht von der Anzahl der Seiten der Gesetze ab, sondern es liegt an der inneren Einstellung zu den Gesetzen und am Inhalt der Gesetze. Immer wieder höre ich, daß dies auch die Meinung vieler Arbeitsinspektoren ist.

In diesem Bereich besteht ein sehr großes, wettbewerbsförderndes Einsparungspotential, und dieses könnte genutzt werden, ohne daß – dies betone ich, Herr Nürnberger! – den Arbeitnehmern körperlicher, geistiger oder finanzieller Schaden zugefügt wird, sondern ganz im Gegenteil sogar auf eine Weise, daß der Arbeitnehmer davon profitieren kann. Wir beziehen uns dabei vor allem auf den seinerzeit von den Freiheitlichen eingebrachten und von diesem Hause abgelehnten Entschließungsantrag, wonach Bestimmungen, welche – verglichen mit


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dem Nutzen für die Arbeitnehmer – die Betriebe unverhältnismäßig stark belasten, bis zu einer Änderung suspendiert werden. Es ist nicht so, wie es heute von diesem Pult aus schon behauptet worden ist, daß wir eine Abschaffung verlangen würden.

Auch die hohen und vor allem undifferenzierten Strafrahmen muß ich als Beispiel nennen. Denn ob in einem Betrieb bloß eine Aushangpflicht verletzt wird oder ob dort eine Kreissäge nicht ausreichend geschützt ist: Es gilt in unseren Gesetzen der gleiche Strafrahmen, nämlich eine Geldstrafe von 2 000 bis 100 000 S sowie im Wiederholungsfall von 4 000 bis 200 000 S.

Wirtschaftsflexibilisierung bedeutet aber auch die Angleichung der Rahmenbedingungen für die Betriebsgründung. Als Beispiel ziehe ich die Kosten einer GmbH-Registrierung heran: Sie betragen in den USA 3 500 S, in Deutschland 5 000 S, in Österreich aber 30 000 S. (Abg. Aumayr: Das gibt’s ja nicht!) Oder die Dauer: in den USA 3 Tage, in Deutschland 10 Tage, in Österreich hingegen 60 Tage.

Es gibt zahlreiche Beispiele dieser Art, meine Damen und Herren. Ein Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz muß sich auch mit dieser Materie beschäftigen, sonst werden wir den Standort, wie Herr Abgeordneter Peter hier gesagt hat, in Zukunft nicht verbessern können. Wenn wir ihn aber nicht verbessern, dann verschlechtern wir uns im Verhältnis zu den Mitbewerbern im europäischen, aber auch im internationalen Umfeld. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 5 Minuten. – Bitte.

20.30

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Abgeordneter Peter zunächst seine Prinzipien vorgestellt hat, habe ich sehr aufmerksam zugehört. Viele dieser Prinzipien, die offenbar nicht in den Antrag geschrieben wurden, könnte ich durchaus unterstützen, da ich sie für richtig halte: daß Wirtschaft kein Selbstzweck ist, daß es gilt, den Primat der Politik zu verteidigen, und etliches anderes.

Nur bleibt das, Herr Abgeordneter Peter, was in der Folge kommt, weit hinter diesen Prinzipien zurück, ja ich sehe überhaupt keine Entsprechung dazu. Denn darin wird – mit Ausnahme des Öffnungszeitengesetzes – eigentlich nur an Schutzbestimmungen betreffend die ArbeitnehmerInnen herumgedoktert oder diese abgebaut, sodaß ich darin eigentlich nicht das erkennen kann, was zuerst in den Prinzipien vorgestellt worden ist. (Abg. Mag. Peter: Widersprechen Sie, wenn es erforderlich ist!) Vor allem greifen die Konsequenzen, die Sie ziehen – ich sehe das aus einem ganz anderen Blickwinkel als der Abgeordnete Nußbaumer –, wirklich extrem kurz.

Wenn Sie zum Beispiel sagen, die Höhe der Arbeitskosten und der Lohnnebenkosten trage dazu bei, daß der Pfusch eskaliert, dann antworte ich Ihnen, daß das teilweise stimmt. Auch ich halte es für eine geradezu perverse Idee, jetzt vielleicht neue Polizeieinheiten zu schaffen, um das abzustellen. Meine Konsequenz daraus besteht in einem ganz anderen System der Finanzierung der Einnahmen des Staates, einem anderen Steuersystem, das meiner Meinung nach auf zwei Prinzipen umstellen müßte: Es müßte bei den Arbeitseinkommen Entlastungen bringen, vor allem bei den kleinen und mittleren Einkommen, statt dessen aber – und zwar zumindest aufkommensneutral – den Energiebereich in die Besteuerung einbeziehen und ebenso die Kapital- und Vermögenseinkünfte. Damit meine ich nicht arbeitendes betriebliches Kapital, sondern ich meine Privatvermögen und Kapitalerträge, die derzeit gegenüber den Arbeitseinkünften eindeutig privilegiert sind. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Das heißt, die Antworten, die ich gebe, sind andere. Gerade wenn Sie sagen, daß die Wirtschaft kein Selbstzweck ist, dann denke ich mir, daß es auch andere gesellschaftliche Werte gibt, zum Beispiel den Wert, eine ohnehin nicht auf alle Berufsgruppen beziehbare, aber doch weitgehend gemeinsame Phase für Muße, Ruhe und Überlegung zur Verfügung zu haben. Wenn traditionellerweise der Sonntag dafür da ist, dann denke ich mir, daß der Sonntag auch der Sozialpolitik heilig sein sollte.


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Zu den Ausführungen des Abgeordneten Nürnberger: Ich denke, da wird etwas verteidigt, was überhaupt nicht mehr der Realität entspricht. – Herr Abgeordneter Nürnberger! Zum einen haben Sie gesagt, Sie werden mit diesen Vorschlägen nicht mitgehen – das werde auch ich nicht tun. Aber da Sie auch gesagt haben, daß Anschläge von Ihrer Fraktion abgewehrt wurden und auch in Zukunft abgewehrt werden, möchte ich Sie schon fragen: Wo und wie, bitte? (Abg. Meisinger: Klassenkampf!)  – Die Sparpakete sind nicht vom Liberalen Forum, nicht von der Opposition erfunden worden. Ich denke, es ist unbestreitbar, daß sie zu Lasten der sozial Schwachen gegangen sind: zu Lasten der Frauen, zu Lasten der jungen Menschen in Ausbildung, zu Lasten der KarenzgeldbezieherInnen.

Ich frage Sie weiters: Wo werden denn Anschläge abgewehrt? Ist es nicht so, daß es einen sehr starken manchesterliberalen Wirtschaftstrend gibt – den unterstelle ich Ihnen in dieser Form nicht – und Sie teilweise versuchen, diesem Druck entgegenzutreten – aber dort, wo es starke Vertretungen gibt? Wie sieht denn das Lohn- und Einkommensniveau in der Erdöl- und Chemiebranche oder bei den Metallern – ich verwende bewußt die männliche Form – aus, und wie schaut es dagegen bei den Textilarbeiterinnen aus? – Es zeigt sich ein unterschiedliches Nachgeben gegenüber einem allzu freien Spiel eines entfesselten Marktes, eines Killerkapitalismus, der sich da breitgemacht hat.

Ein weiterer Punkt, Herr Abgeordneter: In manchen Bereichen leistet überhaupt niemand Widerstand. Dazu gehört die Regelung für Kolporteure, die Frage, ob sie freie Unternehmer oder unselbständig Beschäftigte sind. Auf diesem Markt besteht ein enormer Druck von gewissen Magnaten, dem niemand Widerstand leistet. Es ist ein selektiv freier Markt, der manche Personengruppen preisgegeben hat. Auch die Sozialdemokratie hat diese Gruppen preisgegeben, und daher meine ich, Sie können den Anspruch, daß Sie hier irgend etwas verteidigen, wirklich nicht mehr aufrechterhalten. Denn Sie verteidigen Rechte sehr selektiv – die Frauen, die AusländerInnen, ganze Gruppen wurden dabei preisgegeben. Insofern ist es eine wirklich skurrile Debatte, die hier abläuft. (Beifall bei den Grünen.)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Eine weitere Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Tichy-Schreder vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.35

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das ist sozusagen die zweite Wirtschaftsdebatte, die wir heute führen. Dazu möchte ich Ihnen eines sagen, Herr Abgeordneter Peter (Abg. Mag. Peter: Nur eines? – Abg. Schwarzenberger: Eines, das besonders wichtig ist!)  – mehrere Dinge, aber eines stelle ich allem anderen voran –: Sie haben mit dem Ausdruck "Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz" ein sehr gutes Schlagwort gewählt. Dazu möchte ich Ihnen gratulieren.

Allerdings werden inhaltlich meiner Ansicht nach die Prioritäten in mancher Hinsicht falsch gesetzt. Mit "Flexibilisierung" verbinde ich andere, weit über die dargelegten Punkte hinausgehende Vorstellungen darüber, wie man in der Wirtschaft flexibilisieren kann. Aber das Wort hört sich gut an. (Abg. Mag. Peter: Auch der Inhalt ist nicht schlecht!)

Herr Abgeordneter Mag. Peter! Zu einem Punkt, der mir sofort aufgefallen ist, möchte ich Sie bitten, auch ein bißchen in Richtung Zukunft zu denken und nicht nur in der Vergangenheit zu verharren. Ich weiß, das Liberale Forum ist stets bereit für Freizügigkeit der Öffnungszeiten, das ist ein Thema, dessen Sie sich angenommen haben: alles freigeben. Allerdings, Herr Abgeordneter Peter, bringen Sie mit der Freiheit der Öffnungszeiten noch lange kein Geschäft in die Läden. (Abg. Mag. Peter: Mit dem Zusperren auch nicht!) Denn bedenken Sie, was die Menschen bewegt (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe) : Tote Augen in Straßen klagen an. – Das ist die Realität, und nicht, daß es zuwenig Möglichkeiten zum Einkaufen gibt. Denn alle Umfragen belegen, daß wir mit den vorhandenen Regelungen das Auslangen finden.

Die Probleme im Handel liegen ganz woanders, und ich möchte Sie bitten, in dieser Debatte darüber zu sprechen. (Abg. Dolinschek: Auch über die große Handelsspanne!) Die Probleme liegen zum Beispiel darin, daß das Ausmaß der Verkaufsflächen seit 1976 um 118 Prozent


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zugenommen hat, aber der Umsatz pro Quadratmeter sich verringert hat. Es kann für die Mitarbeiter im Handel zu keiner starken Ausweitung der – darauf bezogenen – Löhne und Gehälter kommen, weil ein entsprechender Umsatz pro Quadratmeter und pro Person nicht gegeben ist.

Ein Problem ist auch die Konzentration im Handel. Aus diesem Grunde haben wir uns bemüht, im Rahmen der Gewerbeordnung etwas dagegen zu unternehmen. Denn wir müssen uns vor Augen halten, daß im Lebensmittelhandel 88 Prozent des Umsatzes auf nur fünf Unternehmen entfallen und daß im Bereich der Drogeriemärkte zwei Marktteilnehmer 70 Prozent des Umsatzes an sich gezogen haben. (Abg. Mag. Peter: Da haben wir ein funktionierendes Kartell in Österreich!) Herr Mag. Peter! Wenn Sie dieser Auffassung sind, dann hätten Sie im Wirtschaftsflexibilisierungsgesetz auf diesen Punkt Bezug nehmen sollen. (Abg. Mag. Peter: Anderes Thema!) Aha! Ich sage ja, mein Begriff von Flexibilisierung ist ein viel weiter gespannter als der, den Sie hier ansprechen. Darauf möchte ich Sie besonders hinweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Umfragen besagen, daß die Probleme auch in bezug auf die Feiertage woanders liegen. Ich verstehe schon, Sie sind liberal, Sie brauchen keine Feiertage. Aber eine solche Begründung gerade von Ihnen als einem Unternehmer aus der Tourismuswirtschaft, Herr Abgeordneter Peter? – In verschiedenen Punkten sind wir durchaus einer Meinung, allerdings unterscheiden wir uns in der Art, wie wir es aufbereiten und darstellen. Wenn Sie die Abschaffung des Feiertages am 15. August damit begründen, daß dieser sowieso in die Urlaubszeit falle und wir ihn daher nicht brauchten, dann ist das – verzeihen Sie – ein einigermaßen harter Standpunkt. Ein Feiertag kann nicht nur nach dem Maßstab der Urlaubszeit bewertet werden. Diese Begründung nach dem Motto, daß die Leute diesen Feiertag ohnehin nicht benötigen, weil da gerade Urlaubszeit ist, gefällt mir nicht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Was den 8. Dezember betrifft: Es mag sein, daß Sie als Rössel-Wirt – allerdings glaube ich, Sie haben jetzt auch im Winter geöffnet – am 8. Dezember weniger Geschäft machen. Aber in den Skiregionen ist mit einem freien 8. Dezember ein zusätzlicher Anreiz gegeben. Man kann über Feiertage durchaus reden, zum Beispiel darüber, daß man sie von einem Tag unter der Woche auf den Sonntag verlegt. Aber Sie wissen ganz genau, wie es damit steht, dies durch Gesetz zu verordnen, so, wie Sie sich das vorstellen. Es wundert mich ja, daß Liberale da etwas per Gesetz verordnen wollen. Selbstverständlich muß es diesbezüglich eine breite Meinungsbildung in diesem Rahmen geben, Herr Abgeordneter. Diese breite Meinungsbildung wollen Sie herbeiführen, darum haben Sie gesagt: Wir machen die erste Lesung. Und deshalb ist es gut, wenn wir hier einige Gedanken austauschen.

Bezüglich Flexibilisierung des Kollektivvertrages möchte ich Ihnen folgendes zu bedenken geben: Einer der wenigen unter den Vorsitzenden der ÖGB-Fachgewerkschaften, die auf Flexibilisierungsschritte in Kollektivverträgen hinarbeiten, ist – man wird es nicht glauben – der mächtige Metallergewerkschaftspräsident Nürnberger. Er hat in verschiedenen Bereichen der Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen Flexibilisierungsschritte gesetzt, weil er am Puls der Zeit ist und weiß, was sich in den Betrieben tut. (Abg. Mag. Peter: Hört! Hört!) Er hat damit keinen leichten Stand, und wir sollten versuchen, seine Position in seiner Fraktion nicht zusätzlich zu belasten.

Denn wenn man jemanden zu sehr lobt, dann bringt ihn das schon wieder in Schwierigkeiten. Wir merken ja, daß es dort brodelt, daher sollten wir es Präsident Nürnberger nicht noch schwerer machen, sondern ihm die Möglichkeit geben, daß sich die in mehreren Kollektivverträgen festgelegten Flexibilisierungsschritte auch in Betriebsvereinbarungen niederschlagen, um den Wirtschaftsstandort Österreich auch für die Zukunft positiv zu gestalten. Denn so schlecht, wie er da oder dort dargestellt wird, ist er keineswegs. Er ist jedoch verbesserungswürdig, darin gebe ich Ihnen recht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Punkt nicht vor.


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Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 679/A dem Wirtschaftsausschuß zu.

5. Punkt

Erste Lesung des Antrages 696/A der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalverkehrsteuergesetz geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort hat zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Herr Abgeordneter, die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 12 Minuten. – Bitte.

20.42

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Antrag der freiheitlichen Fraktion zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes ist in seinem Kern einfach erklärt. Er betrifft die ersatzlose Streichung der Börsenumsatzsteuer.

Wir meinen, daß diese Art der Kapitalverkehrsteuer ein Relikt ist, das in einer zeitgemäßen europäischen Wirtschaft keinen Platz mehr hat. Wir haben es gerade auf dem Finanzplatz Wien mit einer Reihe von kompetitiven Nachteilen zu tun, die zwar – das räume ich ein – in letzter Zeit durch einige punktuelle gesetzliche Verbesserungen etwas entschärft worden sind; einiges fehlt aber noch. Daher sind wir der Ansicht, daß die Frage der Kapitalverkehrsteuern, auch wenn sie insgesamt zahlenmäßig nicht ins Gewicht fällt, eine Angelegenheit ist, die man sich einmal wirklich und endgültig überlegen müßte.

Denn es stört die Anleger, die Privatanleger gleichermaßen wie die institutionellen, daß der Finanzminister an der Plazierung von Anleihen und Aktien ebenso wie am Verkauf prozentuell mitnascht und partizipiert, obwohl die Einnahmen daraus angesichts der Höhe des Gesamtbudgets eigentlich lächerlich gering sind. Wir reden von einigen hundert Millionen Schilling Einnahmenausfall bei ersatzloser Streichung der Börsenumsatzsteuer. Diese einige hundert Millionen Schilling könnte der Finanzminister durchaus wieder lukrieren, da ja die meisten Formen derartiger Kapitalveranlagung der Kapitalertragsteuer unterliegen, wodurch die geringeren Steuereinnahmen sicherlich leicht wettgemacht werden könnten.

Wenn ich vom Finanzplatz Wien spreche, dann möchte ich in Erinnerung rufen, daß wir noch einige Verbesserungen herbeiführen müssen. Vor wenigen Monaten wurde das neue Börsegesetz verabschiedet: Das ist eine punktuelle, temporäre Verbesserung, aber es ist noch nicht das Gelbe vom Ei. Die neue Regelung ist besser als die alte, aber es fehlt noch etwas; das habe ich damals im Zuge der Debatte eindringlich zu sagen versucht.

Auch das neue Investmentfondsgesetz bedeutet eine punktuelle Verbesserung für den Finanzplatz Wien, weil vieles transparenter und klarer geworden ist. Aber es fehlt noch etwas, und dafür wird es meiner Ansicht nach Gesetzesrevisionen beziehungsweise Gesetzesreparaturen geben müssen. Es fehlt etwas, was den Kapitalmarkt insgesamt belebt, und als geeignetes Instrument erachten wir die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer.

In Deutschland geht man einen anderen Weg, dort ist man viel produktiver und auch kreativer. Man führt dort mit 1. April nicht punktuell ein Gesetz ein, sondern ein ganzes Maßnahmenpaket, das sogenannte Zweite Kapitalmarktförderungsgesetz. Ein solches Gesetzeswerk würde ich mir auch für Österreich wünschen. Darin ist alles enthalten, was zur Förderung des Kapitalmarktes beitragen kann.

Ich rede nicht den Spekulanten das Wort, wenn ich sage, daß die Börsenumsatzsteuer abgeschafft gehört. Dafür möchte ich Ihnen ein einfaches Beispiel geben. Die Hauptgeschädigten der Börsenumsatzsteuer sind kleine Anleger, die einfach eine günstige Situation nutzen


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wollen, solche, die für ein oder zwei Jahre eine kurzfristige Anleihe zeichnen wollen, welche sie sich auf dem Sekundärmarkt beschaffen.

Das sieht folgendermaßen aus: Die derzeitige Verzinsung liegt knapp unter 4 Prozent, in der Größenordnung von 3,8 oder 3,9 Prozent. Die Banken verrechnen – wenn es sich nicht um einen erstklassigen Anleger handelt – im Durchschnitt 1,25 Prozent an Transaktionskosten für die Veranlagung in eine Anleihe auf ein Jahr. Bevor also auch nur 1 S an Zinsen aus der Anleihe lukriert worden ist, sind 1,25 Prozent als Gebühr sofort fällig, in der die Kapitalverkehrsteuer, die Börsenumsatzsteuer "verpackt" ist. Die gleiche Gebühr fällt nach einem Jahr beim Verkauf an, das ergibt zusammen 2,5 Prozent. Netto bleibt dem Anleger – 3,8 Prozent minus 2,5 Prozent – ein Ertrag von "heißen" 1,3 Prozent übrig.

Damit stirbt der Anleihenmarkt in Österreich restlos. Im Prinzip lebt er ohnehin nur von Staatstiteln, von Papieren des Bundes und der Länder. Es gibt ganz wenige Wandelanleihen in Österreich und ganz wenige Obligationen, die von Unternehmen begeben worden sind. Damit steht Österreich im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern, es hinkt wirklich nach, und diese Rechnung läßt sich leicht nachvollziehen.

Das ist meiner Ansicht nach auch ein Grund dafür, daß es in Österreich an einer gewissen Unternehmensfinanzierungskultur mangelt. Wenn Sie beispielsweise nach England blicken, so sehen Sie, daß der englische Unternehmer die Möglichkeit hat, dreijährige Anleihen zu begeben. In Österreich fehlt das, obwohl es eigentlich sinnvoll wäre. Es fehlt deshalb, weil die Relation zwischen den Transaktionskosten und den Vorteilen aus solchen kurzfristigen Anleihen gestört ist. Für uns ist das ein Grund mehr, dieses Relikt aus der Vergangenheit zu beseitigen, genauso wie es unserer Meinung nach – nur betrifft das eben ein anderes Gesetz – längst überfällig ist, die Kreditsteuer, die staatliche Kreditgebühr abzuschaffen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist etwas, was kein Mensch mehr versteht: Sobald ein Kreditverhältnis begründet wird, muß zunächst einmal sofort die Steuer an den Fiskus abgeführt werden – egal, ob die Finanzierung erfolgreich ist oder nicht. Hauptsache, der Staat nascht mit!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich appelliere daher an die Adresse der Österreichischen Volkspartei sowie an die Sozialdemokraten, sich eine solche Änderung, die zum Nutzen Österreichs erfolgen würde, gut zu überlegen. Ich lade Sie herzlich ein, im Finanzausschuß Ihre konstruktiven Vorschläge zu dieser Materie einzubringen. Meiner Ansicht nach geht eine Rechnung, in der die Vorteile dieser Änderung den Nachteilen des Einnahmenentfalls gegenübergestellt werden, sicherlich auf. Ich hoffe, daß Sie mit mir wenigstens in der Hinsicht einig sind, daß es da einen Schub braucht, einen kleinen gesetzlichen Anstoß, um etwas in Bewegung zu setzen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Restredezeit Ihres Klubs: 11 Minuten. – Bitte.

20.50

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einladung des Kollegen Firlinger war freundlich formuliert, sie soll daher nicht unfreundlich beantwortet werden. Daher werde ich versuchen, auf diese Sache einzugehen.

Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß gerade in den letzten Jahren – sprich: seit dem Jahr 1994 – ganz wesentliche Verbesserungen und Entlastungen betreffend den Handel an der Börse vorgenommen wurden. Die Börsenumsatzsteuer betrifft im wesentlichen nur mehr einen Teil dessen, was an der Börse gehandelt wird, nämlich Transaktionen zwischen Händlern und Klienten. Die Einnahmen, die der Finanzminister daraus lukriert, belaufen sich auf jährlich etwa 550 Millionen Schilling. Das sind nicht unbedingt Petitessen, denn Einnahmen von 550 Millionen einmal da und einmal dort summieren sich. Daher muß man meiner Meinung nach gerade in einer Situation, in der wir darüber nachdenken, wie wir unsere Konsolidierungsziele einhalten


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können, grundsätzlich überlegen, wenn man eine Steuer abschaffen will, wie man den Ausfall dieser Steuer auf einer anderen Seite hereinbringen kann. Und daher ist es nicht grundsätzlich abzulehnen, daß im Zuge der gesamten Steuerreform auch über diese Frage diskutiert wird.

Ich bin aber darüber hinaus der Meinung, daß die von Ihnen geforderte Abschaffung der Börsenumsatzsteuer eigentlich dem modernen Diskussionstrend widerspricht. Denn der Trend in der internationalen Debatte geht eher in die Richtung, daß man versucht, von kurzfristigen, teilweise spekulativen Anlageformen abzugehen und zu mittel- und langfristigen Anlageformen stärker zu motivieren. (Abg. Mag. Firlinger: Endbesteuerung!) Darüber können wir auch reden!

In Wirklichkeit geht es nämlich zum Beispiel bei der Tobin-Tax-Debatte im wesentlichen darum, daß es bei jeder Transaktion eine gewisse Minimalsteuer geben soll, und daher kann man sagen, daß die Börsenumsatzsteuer in Österreich in verkleinerter Form diesen Bestrebungen vergleichbar ist. 0,25 Prozent bei Kauf und 0,25 Prozent bei Verkauf sind ja keine gigantischen Beträge.

Aber natürlich rechnen sich kurzfristige Spekulationen erst ab einer gewissen Höhe, und diese Steuer hat eher die Wirkung, daß man in Betracht zieht, längerfristig oder mittelfristig zu veranlagen. Denn – Sie haben darauf hingewiesen – auch die Banken verrechnen dementsprechende Gebühren, die bedeutend höher sind als die Börsenumsatzsteuer, die der Finanzminister in diesem Zusammenhang lukriert. Daher gibt es Leute, die durchaus der Meinung sind, daß die Börsenumsatzsteuer in Wirklichkeit viel zu gering angesetzt ist und man daher überlegen sollte, diese sogar zu erhöhen, um so lang- und mittelfristige Anlagen zu fördern.

Ich will dem nicht das Wort reden. Wenn aber in der internationalen Debatte darüber diskutiert wird, eher in Richtung mittel- und langfristige Anlagen zu gehen, um eine größere Stabilität der Finanzmärkte und eine stärkere Identität zwischen Finanzwirtschaft und Realwirtschaft zu erreichen, dann sollte man nicht in Österreich das einzige Instrument, das – ohnehin minimal und bescheiden – dazu motivieren soll, nicht täglich zu spekulieren, auch noch abschaffen. Das wäre in Anbetracht der Debatte, die derzeit geführt wird, der falsche Schritt.

Ich bin der Meinung, daß man über die Börse viel diskutieren kann. Man sollte darüber diskutieren, wie man vom Insiderhandel wegkommt, und über eine Reihe anderer Dinge. Die Diskussion solcher Themen halte ich für bedeutend wichtiger für den Börseplatz Wien als die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer. Ich bin gerne dazu bereit, daß wir uns im Finanzausschuß eingehend mit dieser Frage auseinandersetzen. Jetzt ist aber meines Erachtens weder der korrekte Zeitpunkt noch der richtige sachliche Zusammenhang für diese Debatte gegeben.

Herr Kollege Firlinger! Ihr Vorschlag geht eigentlich in die falsche Richtung. Daher kann ich Ihnen schon heute auf Ihre freundliche Einladung eine freundliche Antwort geben: Da wird wenig drinnen sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.55

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich aufgrund der vorgeschrittenen Zeit und in Anbetracht dessen, daß wir im Anschluß noch eine Sitzung haben, wesentlich kürzer fassen.

Herr Kollege Firlinger! Mir kommen auch sehr viele Steuern in den Sinn, die ich insbesondere als Steuerberaterin gerne abschaffen würde. Sie haben partiell vielleicht recht, daß die Börsenumsatzsteuer ein Hemmnis sein könnte.

Herr Kollege Gusenbauer! Ich muß Sie leider korrigieren: Bei der "Petitesse" von 550 Millionen Schilling, die Sie genannt haben, handelt es sich in Wirklichkeit um 700 Millionen Schilling. Und


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wie soll bei 700 Millionen dort und einer Milliarde da das Budget im Gleichgewicht gehalten werden?

Wenn ich auch alle Ihre Vorschläge im Herzen verstehe, kann ich diese als verantwortungsvolle Abgeordnete nicht vertreten, weil man kein budgetäres Gegengewicht hat. Ich sage Ihnen, Herr Firlinger: Auch mit der Abschaffung der Politikerbezüge könnten wir Ihre Vorschläge nicht finanzieren! Sie wollten die Umsatzsteuer auf 16 Prozent senken. Das wäre ein Einahmenentfall von rund 28 Milliarden Schilling. Wie wollen Sie dafür einen Ausgleich schaffen? (Abg. Mag. Firlinger: Schauen Sie einmal die andere Seite an!) Würde ich jetzt all Ihre Vorschläge addieren, kämen wir in die Hunderte-Milliarden-Kategorie. Sie könnten uns jedoch nie sagen, wie das finanziert werden soll.

Mit einem Wort, meine Damen und Herren: Wir werden darüber im Ausschuß noch diskutieren. Kollege Gusenbauer hat das bereits angekündigt. Ich glaube aber, daß wir sinnvollerweise eine Lösung erst mit der Steuerreform 2000 werden finden können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 11 Minuten. – Bitte.

20.56

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gusenleitner hat schon darauf hingewiesen ... (Ruf bei der SPÖ: Gusenbauer!) Bitte streichen Sie "leitner" und setzen Sie "bauer" ein! (Abg. Dr. Gusenbauer: Die agrarische Vergangenheit macht sich bemerkbar!) Einverstanden!

Abgeordneter Gusenbauer hat schon darauf hingewiesen, daß der Trend auf den internationalen Finanzmärkten und in der Diskussion über die Finanzmärkte in Richtung Tobin-Tax geht. Man muß aber klar ausdrücken – das hat er nämlich nicht herausgearbeitet –, daß diese eigentlich auf Devisenspekulationsgeschäfte ausgerichtet ist und nicht auf den normalen Kapitalverkehr an der Börse. In diesem Punkt habe ich Probleme.

Ich halte die jetzige Börsenumsatzsteuer für verfehlt, weil sie alle Transaktionen betrifft und weil sie als eine Insellösung in Österreich eine reine fiskalpolitische Maßnahme ist, ob es sich dabei um 550 Millionen oder um 700 Millionen Schilling handelt. Ich glaube, daß es zu dieser Differenz kommt, weil er nur die Börsenumsatzsteuer meint und Sie, Frau Abgeordnete Frieser, die Kapitalverkehrsteuer dazurechnen. (Abg. Mag. Frieser: Das sind dann 1,2 Milliarden!) Sie haben recht: 1,2 Milliarden, es ist also noch teurer.

Das heißt, wir müßten, dem internationalen Trend folgend, die Börsenumsatzsteuer abschaffen und sie durch eine Kapitaltransfersteuer oder durch eine Börsensteuer ersetzen, die auf kurzfristige Spekulationen ausgerichtet ist, wie sie im Devisentermingeschäft und in der Währungsspekulation vorgenommen werden. Ich glaube, in dieser Art und Weise sollte im Finanzausschuß diskutiert werden.

Eines steht ganz sicher fest: Wenn die Betriebe mit mehr Eigenkapital ausgestattet sein sollen und wenn wir mehr als 4 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher zu Aktienbesitzern machen wollen, dann müssen Beschränkungen und Verteuerungen durch rein fiskalpolitische Steuern vermieden werden, damit es attraktiver wird, sich an Unternehmen über die Börse zu beteiligen. In Anbetracht dessen halte ich auch wenig von einer Kapitalverkehrsteuer, wenn man sich mit Eigenkapital an einem Unternehmen beteiligt. Denn wir wollen ja, daß die Unternehmen mehr Eigenkapital haben. Daher halte ich es einfach für falsch, dieses finanzpolitisch mit Steuern abzuschöpfen.

20.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Damit ist die Rednerliste erschöpft. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
113. Sitzung / Seite 183

Ich weise den Antrag 696/A dem Finanzausschuß zu.

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Damit ist auch die Tagesordnung erschöpft.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 723/A bis 739/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3956/J bis 4000/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Martin Graf, 28/JPR, an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates wird kurze Zeit nach Schluß der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales stattfinden. Sie wird durch Glockenzeichen eingeläutet werden.

Die schriftliche Tagesordnung wird den Abgeordneten nach Schluß der Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Soziales in die Klubs zugestellt werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 21 Uhr