Stenographisches Protokoll

85. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 23. November 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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85. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Freitag, 23. November 2001

Dauer der Sitzung

Freitag, 23. November 2001: 9.01 – 18.32 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum GSVG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum BSVG)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (29. Novelle zum B-KUVG)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (12. Novelle zum FSVG)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (10. Novelle zum NVG 1972)

7. Punkt: Bericht über den Antrag 483/A der Abgeordneten Karl Donabauer, Anna Elisabeth Achatz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauernsozialversicherungsgesetz und das Bewertungsgesetz 1955 geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Bauarbeitenkoordinationsgesetz geändert werden (Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz – ANS-RG)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 2002)

11. Punkt: Bericht über den Antrag 467/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern

12. Punkt: Bericht über den Antrag 469/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen betreffend die Dokumentation und Auswertung von Schlichtungs


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stellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Behandlungsfehlern im Gesundheitsbericht

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird (472/A)

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz geändert wird (497/A)

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 10

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2781/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 29

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 104

Redner:

Theresia Haidlmayr 104

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 106

Rudolf Parnigoni 108

Dr. Helene Partik-Pablé 109

Günter Kößl 111

Dr. Evelin Lichtenberger 112

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 29

Verlangen des Abgeordneten Dr. Andreas Khol auf Erteilung eines Ordnungsrufes 43

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer im Zusammenhang mit dem Verlangen auf Erteilung eines Ordnungsrufes 43

Antrag der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen, den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (892 d. B.) über die Regierungsvorlage (834 und Zu 834 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG), an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen – Ablehnung 93, 93

Ersuchen der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic um Überprüfung der Gesamtredezeit der Grünen 155

Fragestunde (17.)

Inneres 10

Rudolf Parnigoni (121/M); Robert Egghart, Johann Loos, Dieter Brosz


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Mag. Eduard Mainoni (128/M); Dkfm. Dr. Günter Puttinger, Dieter Brosz, Mag. Gisela Wurm

Mag. Terezija Stoisits (126/M); Mag. Karl Schweitzer, Gabriele Heinisch-Hosek, Günter Kößl

Paul Kiss (125/M); Mag. Terezija Stoisits, Hermann Reindl, Anton Leikam

Anton Gaál (122/M); Wolfgang Jung, Karl Freund, Mag. Terezija Stoisits

Dr. Helene Partik-Pablé (129/M); Dkfm. Dr. Günter Puttinger, Helmut Dietachmayr, Mag. Terezija Stoisits

Mag. Terezija Stoisits (127/M); Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ludmilla Parfuss, Johann Loos

Werner Miedl (124/M); Dr. Gabriela Moser, Hermann Böhacker, Günter Kiermaier

Otto Pendl (123/M); Dr. Helene Partik-Pablé, Günter Kößl, Mag. Terezija Stoisits

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit dem Antrag 556/A betreffend Gebarungsüberprüfung 15


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Ausschüsse

Zuweisungen 28, 153, 156

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (834 d. B. und Zu 834 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG) (892 d. B.) 29

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (835 d. B. und Zu 835 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum GSVG) (893 d. B.) 29

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (837 d. B. und Zu 837 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum BSVG) (894 d. B.) 29

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (838 d. B. und Zu 838 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (29. Novelle zum B-KUVG) (895 d. B.) 30

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (836 d. B. und Zu 836 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (12. Novelle zum FSVG) (896 d. B.) 30

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (839 d. B. und Zu 839 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (10. Novelle zum NVG 1972) (897 d. B.) 30

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 483/A der Abgeordneten Karl Donabauer, Anna Elisabeth Achatz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauernsozialversicherungsgesetz und das Bewertungsgesetz 1955 geändert werden (899 d. B.) 30

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 30

Reinhart Gaugg 33

Karl Öllinger 36, 90

Dr. Gottfried Feurstein 40

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigungen) 43, 63

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 44

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 44, 53

Dr. Josef Cap 49

Edith Haller 54

Dr. Kurt Grünewald 56

Dr. Erwin Rasinger (tatsächliche Berichtigungen) 60, 73

Ridi Steibl 60

Heidrun Silhavy 64

Sigisbert Dolinschek 67

Theresia Haidlmayr 68

Karl Donabauer 71

Helmut Dietachmayr 73

Mag. Beate Hartinger 75

Mag. Christine Lapp (tatsächliche Berichtigung) 77

Dr. Ilse Mertel 77

Edeltraud Gatterer 79

Manfred Lackner 81

Bernd Brugger 82

Mag. Christine Lapp 83

Dr. Reinhold Mitterlehner 84

Franz Hornegger 86

Mag. Walter Tancsits 87

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) 88

Dr. Alois Pumberger 89

Mag. Barbara Prammer 91

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend die Schaffung einer eigenen, von der SV-Chipkarte physisch getrennten Karte mit Notfallsdaten – Ablehnung 59, 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes – Ablehnung 66, 95

Entschließungsantrag der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen betreffend Anpassung der Pensionen zumindest mit der Inflationsrate – Ablehnung 75, 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christine Lapp und Genossen betreffend Heizkostenzuschuss für Personen mit einem Haushaltseinkommen unter 12 000 S (872,1 €) – Ablehnung 83, 94


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Annahme der sieben Gesetzentwürfe in 892, 893, 894, 895, 896, 897 und 899 d. B. 93

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (802 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Bauarbeitenkoordinationsgesetz geändert werden (Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz – ANS-RG) (898 d. B.) 96

Redner:

Karl Öllinger 96

Sigisbert Dolinschek 98

Dr. Kurt Grünewald 99

Dr. Reinhold Mitterlehner 101

Karl Dobnigg 102

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 103

Norbert Staffaneller 113

Mag. Dr. Josef Trinkl 115

Heidrun Silhavy 116

Harald Trettenbrein 118

Dr. Alois Pumberger 119

Sophie Bauer 119

Annahme 120

9. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (828 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden (878 d. B.) 121

Redner:

Dr. Ilse Mertel 121

Edith Haller 122


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Ridi Steibl 124

Karl Öllinger 125

Mag. Christine Lapp 128

Edith Haller (tatsächliche Berichtigung) 129

Sigisbert Dolinschek 129

Astrid Stadler 130

Ludmilla Parfuss 130

Ing. Wilhelm Weinmeier 131

Matthias Ellmauer 132

Gabriele Binder 133

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 134

Anton Knerzl 134

Evelyn Freigaßner 135

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 136

Annahme 136

10. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (770 d. B.): Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 2002) (869 d. B.) 137

Redner:

Franz Riepl 137

Mag. Beate Hartinger 137

Ridi Steibl 138

Jutta Wochesländer 138

Annahme 138

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 467/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern (870 d. B.) 139

12. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 469/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen betreffend die Dokumentation und Auswertung von Schlichtungsstellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Behandlungsfehlern im Gesundheitsbericht (871 d. B.) 139

Redner:

Ing. Erwin Kaipel 139

Dr. Alois Pumberger 140

Dr. Kurt Grünewald 141

Dr. Erwin Rasinger 142

Theresia Haidlmayr 143

Dr. Brigitte Povysil 144

Mag. Heribert Donnerbauer 145

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 145

Mag. Beate Hartinger 146

Jutta Wochesländer 146

Manfred Lackner 147

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 870 und 871 d. B. 148

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird (472/A) 148

Redner:

Friedrich Verzetnitsch 148

Ing. Gerhard Bauer 150

Mag. Martina Pecher 151

Mag. Werner Kogler 152

Zuweisung des Antrages 472/A an den Industrieausschuss 153

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz geändert wird (497/A) 153

Redner:

Mag. Johann Maier 153

Roland Zellot 154

Ing. Hermann Schultes 154

Robert Wenitsch 155

Zuweisung des Antrages 497/A an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft 156


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Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 28

872: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeiten und Beruf der Sanitäter erlassen wird und das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (552/A)

Dieter Brosz und Genossen betreffend Sicherung des Zugangs gehörloser Kinder zur Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) im österreichischen Schulsystem (553/A) (E)

Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen (554/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung – StVO geändert wird (555/A)

Mag. Werner Kogler, Dr. Günther Kräuter und Genossen auf Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof gem. § 26 iVm § 99 Abs. 2 GOG (556/A und Zu 556/A)

Doris Bures und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Wohnungseigentumsgesetz 1975 geändert werden (557/A)

Heidrun Silhavy und Genossen betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes (558/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Rücknahme der Taschengeldkürzung bei Heimaufenthalt (559/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Rücknahme der Kürzung der Pflegegeldstufe 1 (560/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend dringliche sicherheitstechnische Verbesserungen der Außerfernbahnstrecke (561/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Maßnahmenpaket zum Schutz der österreichischen Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten (562/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Valorisierung des Pflegegeldes (563/A) (E)

Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend sofortige Umsetzungen von BSE-Vorsorge und Schutzmaßnahmen; Maßnahmen in Österreich entsprechend den Empfehlungen der EU-Kommission (564/A) (E)

Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend sofortige Umsetzung von Maßnahmen gegen den Einsatz illegaler Tierarzneimittel in Österreich entsprechend den Empfehlungen der EU-Kommission (565/A) (E)


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Anfragen der Abgeordneten

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Platzmangel in Lehrerzimmern (3132/J)

Beate Schasching und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend sportpolitische Arbeit der zuständigen Ministerin im Jahr 2001 (3133/J)

Gabriele Heinisch-Hosek und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Bundesjugendvertretungsgesetz" (3134/J)

Gerhard Reheis und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Maßnahmen zur Verringerung der Immissionen von Luftschadstoffen im Transitverkehr und die Frage eines Vetos bei Nichtverlängerung des Transitvertrages (3135/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Vorruhestandsmodell (3136/J)

Mag. Ulrike Sima und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Einsatz illegaler Tierarzneien und Kritik des EU-Berichts zur "Evaluierung der Rückstandskontrollen in lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen" (3137/J)


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Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Entlassung von unabhängigen Tierärzten im Schlachthof Unterstinkenbrunn (3138/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Planungen und Konzepte des AMA-Biobeirates (3139/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzierung der zukünftigen Agentur für Ernährungssicherheit (3140/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Optimierung der kommunalen Wasserver- und Abwasserentsorgung (3141/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Starts und Landungen von Bundesheerhubschraubern (3142/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundeskanzler betreffend ORF-Publikumsrat Franz "Rocky" Wohlfahrt (3143/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Bundestierschutzgesetz (3144/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bundestierschutzgesetz (3145/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bundestierschutzgesetz (3146/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Bundestierschutzgesetz (3147/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Bundestierschutzgesetz (3148/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundestierschutzgesetz (3149/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Bundestierschutzgesetz (3150/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Bundestierschutzgesetz (3151/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bundestierschutzgesetz (3152/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Bundestierschutzgesetz (3153/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die effizientere Durchführung und bessere Kontrolle der Gefahrengutbeförderung durch die Exekutive (3154/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Postenschließung der Gendarmerie in Marchegg (3155/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Bericht zur Lage behinderter Menschen (3156/J)

Gabriele Heinisch-Hosek und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "UN-Weltkindergipfel" (3157/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Neubau des Rieder Bundesligastadions (3158/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2814/AB zu 2818/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2815/AB zu 2863/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (2816/AB zu 2859/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2817/AB zu 2828/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2818/AB zu 3028/J)


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich zur heutigen Sitzung des Nationalrates begrüßen und eröffne die 85. Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Csörgits, Huber, Lexer, Murauer und Dr. Niederwieser.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Inneres hat Herr Abgeordneter Parnigoni eingebracht. Ich bitte den Herrn Abgeordneten, seine Frage vorzutragen.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

121/M

Welche Auswirkungen auf die Qualität der österreichischen Sicherheitsexekutive ergeben sich durch die Nichtinstallierung der Sicherheitsakademie als Fachhochschule?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Parnigoni! Im Zuge der laufenden umfassenden Ausbildungsreform sind wir ein Gesamtkonzept für alle Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Bereich des Innenministeriums angegangen und haben – aufbauend auf den entsprechenden Grundausbildungen – modulartige Angebote für weitere Ausbildungsteile bedarfs-, laufbahnorientiert und funktionsbezogen erarbeitet.

Auf Grund dieses modulartigen Aufbaus, der bereits in den nächsten Grundlehrgängen zur Anwendung kommen wird, erwarte ich mir eine stärkere Bedarfsorientierung im Zusammenhang mit der Einrichtung von Laufbahnausbildungen, ebenso eine bessere Integration von Aus- und Fortbildung in die Arbeitswelt der Bediensteten. Insgesamt erwarten wir eine qualitätsmäßige Verbesserung für den gesamten österreichischen Sicherheitsbereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Parnigoni.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Das heißt, Herr Bundesminister, den 30 000 Bediensteten des Innenressorts wird die Ausbildung in einer Fachhochschule weiterhin vorenthalten. – Herr Bundesminister! Bis jetzt sind pro Jahr immer zwischen 600 und 800 neue Sicherheitskräfte in die Grundausbildung gegangen. Das ist auch notwendig, um die Sicherheit in unserem Lande zu gewährleisten.


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Wie viele Personen – gegliedert nach Polizei, Gendarmerie und Kriminalpolizei – sind im Jahre 2001 in die Erstausbildung eingegangen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Formale Kriterien sind nicht sozusagen der erste Ansprechpunkt im Hinblick auf die Qualität der Ausbildung der österreichischen Sicherheitsexekutive, sondern entscheidend ist, dass ein harmonisches Gemeinsames möglich ist. Die Ausbildungsschiene, die wir jetzt erarbeitet haben und noch weiter verfeinern werden, bildet die Gewähr dafür.

Was die Zahl der auszubildenden Personen im laufenden Jahr betrifft, kann ich Ihnen jetzt keine genaue Zahl nennen, werde Ihnen das aber gerne nachreichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Egghart, bitte.

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sehen Sie die Möglichkeit, eventuell eine andere, höhere Ausbildungsstelle einzurichten, eventuell sogar mit einem Abschluss, der in Richtung eines akademischen Grades geht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Diesen Bedarf sehe ich derzeit nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Loos, bitte.

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte heute sagen: Herr Sicherheitsminister! Welche grundsätzlichen Unterschiede bestehen zwischen den bisherigen Ansätzen zur Entwicklung einer Sicherheitsakademie und dem neuen Konzept?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf diese Zusatzfrage wie folgt beantworten: Beim bisherigen – inzwischen veralteten – Konzept war es so, dass eine Ausbildungsstätte lediglich für Führungskräfte und Lehrer vorgesehen war. Uns geht es jedoch darum, eine integrale Neuausrichtung der gesamten Ausbildung aller Mitarbeiter der österreichischen Sicherheitsexekutive sicherzustellen. Und daher werden wir in unserer neuen Sicherheitsakademie neben der Forschung die Pflege internationaler Kontakte, die Steuerung und Koordinierung des Bildungsbedarfes und eine Dezentralisierung auf alle Bundesländer vornehmen, sodass es in jedem Bundesland ein Ausbildungszentrum für die österreichische Bundesgendarmerie, für die Polizei und für den Kriminaldienst geben wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Bundesminister! Im jährlich erscheinenden Sicherheitsbericht ist leider auch immer wieder von Übergriffen durch die Sicherheitsexekutive zu lesen.

Meine Frage daher: Welche Maßnahmen werden Sie im Bereich der Ausbildung setzen, um da zu einer Verbesserung der Situation zu kommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Übergriffe? (Abg. Mag. Stoisits: Menschenrechte beispielsweise! – Weiterer Zwischenruf bei den Grünen.) – Festhalten darf ich, dass wir wahrscheinlich das modernste Instrumentarium in diesem Bereich in der gesamten westlichen Welt haben; sogar das amerikanische Innenministerium hat sich sehr für unsere Institution des Menschenrechtsbeirates interessiert. Inzwischen wurde sichergestellt, dass da eine gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Organen des Menschenrechtsbeirates, der


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österreichischen Sicherheitsexekutive und den österreichischen Flüchtlingsbetreuungseinrichtungen stattfindet. Diese Arbeit hat sich bewährt, und ich möchte das daher auch weiter so fortsetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zur 2. Anfrage: Herr Abgeordneter Mainoni, bitte.

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

128/M

Welche organisierten Gruppierungen betreiben derzeit überwiegend organisierten Suchtgifthandel (vor allem mit Heroin, Kokain ...) in Österreich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Das ist eine Frage, die einer etwas umfassenderen Antwort bedarf, wofür ich um Verständnis bitte.

In Österreich gibt es keine Suchtgiftart, bei der Österreich sozusagen das Quellenland wäre. Festzuhalten ist jedoch, dass Österreich diesbezüglich sowohl Ziel- als auch Transitland ist, und zwar insbesondere in folgenden Bereichen:

Was Kokain anlangt, kommen diese Substanzen überwiegend durch Kuriere südamerikanischer Organisationen in unser Land; auch Staatsangehörige südamerikanischer Länder sind da am Werk.

Was Heroin anlangt, werden mehr als 90 Prozent des für Österreich bestimmten beziehungsweise des in den weiteren Transit nach Westeuropa gehenden Drogenanteils über die Balkanroute transportiert. Es waren da bisher vorwiegend türkische Tätergruppen festzustellen. Jetzt müssen wir feststellen, dass da zusätzlich albanischstämmige kriminelle Vereinigungen massiv am Werk sind.

Was Ecstasy anlangt, ist es so, dass da auch österreichische Tätergruppen tätig sind, aber auch Tätergruppen aus dem Bereich Niederlande.

Was synthetische Drogen anlangt, sind vor allem polnische und ungarisch-österreichische Tätergruppen am Werk.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Jetzt kommen wir zu schwarzafrikanischen Drogenhändlern; in Traiskirchen haben sich da ja in jüngster Vergangenheit einige Dinge ereignet: Vor allem schwarzafrikanische Asylwerber wurden rund um das Flüchtlingsheim Traiskirchen beim Suchtgifthandel ertappt und, wie ich annehme, auch festgenommen.

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie, Herr Bundesminister, setzen, um dieses Problem nachhaltig in den Griff zu bekommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Tatsächlich ist die Situation im Bereich des Drogenhandels und bei den Tätergruppen so, dass man durchaus sagen kann, dass Tätergruppen in hohem Maße aus schwarzafrikanischen Ländern kommen, dass der Drogenhandel von diesen mit beherrscht wird. Ja es gibt Indizien dafür, dass dies sogar in noch steigendem Maße der Fall sein wird.


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Daher habe ich in unserem Hause Veranlassung getroffen, dass im nächsten halben Jahr einer der Schwerpunkte der Arbeit der gesamten Sicherheitsexekutive – jetzt nicht nur auf den Raum Baden bezogen, sondern in Gesamt-Ostösterreich; es gibt auch in Südösterreich solche Vernetzungen – dort liegen und dass dem verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet wird. Das wird einer der Schwerpunkte unserer Arbeit im nächsten halben Jahr sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Puttinger, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben soeben aufgezeigt, welch vielfältig organisierter Suchtgifthandel auch bei uns in Österreich gegeben ist.

Ich bin ja heute den letzten Tag hier im Parlament und möchte daher nur kurz sagen: In meiner Tätigkeit im Innenausschuss habe ich mich im Wesentlichen immer mit der Sicherheit der Bevölkerung Österreichs beschäftigt. Daher habe ich folgende Frage an Sie, Herr Minister – und dabei geht es mir nicht um Schwarzafrikaner, sondern um alle Formen dieser Suchtgiftkriminalität –: Welche Maßnahmen haben Sie in diesem Zusammenhang gesetzt, welche werden Sie setzen beziehungsweise welche effektiven Erfolge kann die Exekutive da aufweisen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.


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Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Festzuhalten ist, dass die Sicherheitsexekutive im Bereich des Missbrauchs von Suchtgiften eine ganz entscheidende Rolle spielt, dass aber Aufklärung und Hilfe auf diesem Gebiete nicht in unseren direkten Einflussbereich fallen.

Festhalten darf ich auch, dass wir neben der Suchtgiftprävention und der Aufklärung gefährdeter Gruppen, was wir als wichtigen Bereich in unserem Ressort betrachten, vor allem den Schwerpunkt auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu legen haben, wie das ja auch schon in der Anfrage des Herrn Abgeordneten Mainoni zum Ausdruck gekommen ist.

Sehr gute Erfolge konnten wir im letzten Jahr durch eine neue Strategie im Bereich der Aufgriffe im Zusammenhang mit Heroin, Ecstasy und Kokain verzeichnen. Nochmals: Steigende Aufgriffszahlen also im Jahre 2001.

Durch verstärkte internationale Zusammenarbeit soll darauf hingewirkt werden, dass man dabei vor allem sozusagen an die Zentralstellen der Drogen-Mafiosi herankommt, die ja meistens, wie ich bereits ausgeführt habe, ihren Sitz im Ausland haben.

Herr Abgeordneter Dr. Puttinger! In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei Ihnen herzlich bedanken, und zwar sowohl für Ihre Arbeit im parlamentarischen Innenausschuss als auch im Lande Salzburg. (Allgemeiner Beifall.)  – Ich weiß allerdings nicht, ob das jetzt ganz der Geschäftsordnung entsprochen hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Bundesminister! In Zürich – das ist Ihnen sicherlich bekannt – hat sich, auch in Zusammenarbeit mit der Polizei, die Politik dazu entschlossen, dem Problem Heroin auch dadurch zu begegnen, dass an schwer Süchtige, dass an Personen, die seit längerem heroinabhängig sind, Heroin über staatliche Verteilung kontrolliert abgegeben wird. Nach mehreren Berichten hat das dazu geführt, dass die Situation im Zusammenhang mit der Beschaffungskriminalität verbessert werden konnte.

Meine Frage daher, Herr Bundesminister: Gibt es in Ihrem Ressort Überlegungen, solche Modelle auch in Österreich anzuwenden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.


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Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Drogenpolitik der Schweiz macht uns große Sorgen, sehr große Sorgen sogar. Diese Politik wird sehr negative Einflüsse vor allem auf den direkten Nachbarn Vorarlberg haben, da durch diese aus meiner Sicht völlig unverständliche, durch kein Argument belegbare völlige Freigabe und Liberalisierung so genannter weicher Drogen und durch all diese Maßnahmen, die da gesetzt wurden, nicht nur eine weitere und erschwerte Arbeit auf unsere Polizei zugekommen ist, sondern es leider auch zu einer weiteren Schädigung Jugendlicher kommt. In Vorarlberg müssen wir, muss die Exekutive jedenfalls intensiv daran arbeiten, diesen Schub sozusagen nicht nach Österreich kommen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Wurm, bitte.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Bundesminister! Die aktuelle Drogenstatistik weist eine sehr traurige Bilanz aus: In Österreich sind im Jahre 2000 227 Menschen nach Drogenkonsum gestorben, also 54 Menschen mehr als im Jahre 1999; also ein eklatanter Anstieg.

Daher möchte ich Sie fragen, Herr Bundesminister: Wie erklären Sie sich diese Erhöhung von mehr als 30 Prozent Toten (Abg. Kiss: Weil es eine "fortschrittliche" Drogenpolitik gibt! Siehe Vorarlberg!)  – und das, obwohl es im vergangenen Jahr zu Verschärfungen innerhalb des Suchtmittelgesetzes gekommen ist? – Das ist das eine.

Weiters, Herr Bundesminister: Wie erklären Sie sich – gestatten Sie diese Frage auch noch –, dass so viele Menschen mehr in Drogen flüchten? – Wenn man sich den Drogenbericht genauer anschaut, kann man ja auch eine massive Zunahme des Konsums an Aufputschmitteln erkennen. (Abg. Kiss: Durch eine "fortschrittliche" Drogenpolitik! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Zunächst möchte ich festhalten, dass die diesbezügliche gesetzliche Veränderung in Bezug auf eine Mindestmenge erst vor kurzem hier im Parlament beschlossen wurde und gerade erst in Kraft getreten ist. Diesbezügliche Auswirkungen werden daher erst in wenigen Monaten zu erkennen sein. Das daher in Verbindung zu bringen mit den Ergebnissen der Jahre 2000 oder 2001 wäre verfehlt, weil diese verschärfte Bestimmung eben damals noch nicht in Kraft war.

Weiters muss man sehr klar sagen, dass die Drogenpolitik dieser österreichischen Bundesregierung drei Schwerpunkte hat: Erstens: Aufklärung für besonders gefährdete Gruppen, zweitens: Hilfe für jene, die in eine Drogenabhängigkeit geraten sind, drittens – und das ist vor allem der Part der österreichischen Sicherheitsexekutive –: kompromisslose Verfolgung von Straftätern, die auf Kosten unserer jungen Menschen ihr Geld im wahrsten Sinne des Wortes blutig verdienen. – Das ist die Drogenpolitik dieser österreichischen Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zur 3. Anfrage, die Frau Abgeordnete Stoisits stellen wird. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

126/M

Wie werden Sie die angesichts des Winters und der ausgeschöpften Unterbringungsmöglichkeiten von nichtstaatlichen Betreuungsorganisationen drohende Obdachlosigkeit von AsylwerberInnen bekämpfen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Nach dem Bundesbetreuungsgesetz, das wir zu vollziehen haben, werden alle hilfsbedürftigen Asylwerber betreut, die an der Feststellung ihrer Identität mitwirken.

Wir werden daher die Asylwerber in den sechs Bundesbetreuungsstellen und in dem einen oder anderen privaten Beherbergungsbetrieb betreuen, wobei es derzeit um etwa 4 200 Asylwerber geht. Da in den Wintermonaten der Zustrom von Asylwerbern erfahrungsgemäß abnimmt und auch auf Grund der neuen Situation in Afghanistan Experten davon ausgehen, dass der Zustrom von Menschen aus Afghanistan rückläufig sein wird, kann derzeit davon ausgegangen werden, dass die derzeitigen Unterbringungsmöglichkeiten ausreichen werden, um diesbezüglich über den Winter kommen zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Stoisits.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben soeben selbst die Zahl von zirka 4 200 Asylwerbern erwähnt. Nach den Zahlen des Innenministeriums mit Stand 1. November 2001 sind 4 228 Asylwerber in Österreich in Bundesbetreuung. Dem gegenüber steht eine Zahl von 25 170 Asylanträgen in diesem Jahr! Da jetzt der Rest – und das sind ja immerhin 21 000 Asylwerber! – deshalb nicht in Bundesbetreuung genommen wird, möchte ich Sie fragen:

Meinen Sie, dass 21 000 Asylwerber nicht an der Feststellung ihrer Identität mitwirken, oder sind diese 21 000 in keiner Weise unterstützungsbedürftig? (Zwischenrufe der Abgeordneten Kiss und Dr. Puttinger. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Nach dem geltenden Bundesbetreuungsgesetz haben wir die Möglichkeit, jene Asylwerber, die an der Feststellung ihrer Identität mitwirken, in Bundesbetreuung zu verpflegen. Das tun wir auch.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Ich habe bei einer Veranstaltung im Burgenland erfahren, dass die Slowakei für kurze Zeit beziehungsweise noch immer in manchen Fällen kein sicheres Drittland ist, was bedeutet, dass illegale Grenzgänger nicht abgeschoben werden können, sondern in Österreich verbleiben dürfen. Ist dieser Zustand noch aufrecht, oder hat sich inzwischen etwas daran geändert?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof der Slowakei und auch anderen Nachbarländern in einem Erkenntnis in bestimmten Fällen die Drittstaatsicherheit aberkannt hat, was genau jene Rechtsfolge hat, die Sie eben geschildert haben. Wir haben daher zuerst eine österreichische Gesetzesinitiative gestartet – ein Danke an das Parlament, dass das sehr rasch gegangen ist –, um diesbezüglich eine entsprechende Sicherheit zu schaffen.

Wir haben darüber aber auch sehr direkte und sehr offene Gespräche mit unseren Nachbarn geführt. Ich sage Ihnen ganz offen: Meiner Ansicht nach ist es nicht vereinbar, dass ein Land Mitglied der Europäischen Union werden soll, gleichzeitig aber kein sicherer Drittstaat ist. Ich darf jedoch dem Parlament berichten, dass die Slowakei in dieser Hinsicht auf einem sehr guten Weg ist. Die Gesetzesinitiativen für die entsprechenden Anpassungen sind auf dem Weg, sie liegen im Parlament und stehen vor dem Abschluss! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek, bitte.


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Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek
(SPÖ): Herr Bundesminister! Den Medien ist zu entnehmen, dass Sie vorhaben, die Bundesbetreuungseinrichtungen zu privatisieren. Die Ausschreibungen dafür sollen demnächst erfolgen.

Daher lautet meine Frage: Wie können Sie ausschließen, dass mit Flüchtlingen und AsylwerberInnen – wenn ich es so salopp formulieren darf – im Falle einer solchen Privatisierung Geschäfte gemacht werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Frau Abgeordnete, diese Frage ist für mich fast nicht zu beantworten (Abg. Hagenhofer: Das glaube ich auch!), denn es sind schon jetzt Asylwerber "privatisiert" untergebracht, und zwar sehr viele: in Privatquartieren, in Gasthäusern, in Pensionen in ganz Österreich! Ich habe während meiner Ministertätigkeit dafür gesorgt, dass diese nicht hundertprozentig professionelle Organisation eher zurückgenommen wird. Das, was ich beabsichtige und was ein Bündel von Maßnahmen zur Folge haben wird, ist eine professionelle, den österreichischen Gesetzen und dem internationalen Umgang entsprechende Unterbringung und Betreuung von Asylwerbern. Daran arbeiten wir intensiv! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kößl, bitte.

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Bundesminister! Herr Sicherheitsminister! Meine Frage lautet: Wie haben sich die Zahlen der in Bundesbetreuung befindlichen Asylwerber entwickelt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Diese Zusatzfrage darf ich wie folgt beantworten: Zu Beginn des Jahres waren 2 970 Asylwerber in Bundesbetreuung. Mit Stand 1. November 2001 waren 4 851 Asylwerber in Bundesbetreuung. Ich hoffe, dass sich mit der schon angesprochenen Entwicklung in Afghanistan die Möglichkeit ergibt, diese Zahlen wieder schrittweise zu senken.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir die 3. Anfrage erledigt und kommen zur Anfrage Nr. 4, und zwar ist das die des Herrn Abgeordneten Kiss. – Bitte.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

125/M

Welche Vorteile sind durch die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes für die Kriminalitätsbekämpfung zu erwarten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es gibt, wie Sie wissen, seit etwa zehn Jahren eine Diskussion über die Professionalisierung der Kriminalitätsbekämpfung in Österreich – auch hier im Parlament. Ich bin den Beamten meines Hauses sehr dankbar dafür, dass wir sofort nach meinem Amtsantritt mittels eines entsprechenden Projektauftrages des Herrn Generaldirektors unter intensiver Mitarbeit von Hunderten Beamten aus dem gesamten Ressort innerhalb von zehn Monaten ein fertiges Konzept für ein Bundeskriminalamt nach europäischem Zuschnitt vorlegen konnten, das jetzt nach und nach umgesetzt wird.

Das entsprechende Gesetz liegt bereits im Haus zur Behandlung. Wir erwarten uns davon eine wesentliche Verbesserung der Analyse und Auswertung im Kriminalitätsbereich, wir erwarten uns eine Konzentration der bisher disloziert ausgeübten Zentralstellenaufgaben, einen verbesserten Auf- und Ausbau der Kriminaltechnik, eine Verbesserung der Aus- und Fortbildung und


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vor allem eine Verbesserung des Informationsmanagements, und zwar durch einen so genannten Single Point of Contact, mit dem wir jedem Kriminalbeamten für die Kriminalitätsbekämpfung eine kompetente Ansprechstelle auf Bundesebene bieten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Nach Ihren Ausführungen, Herr Bundesminister, wundert es mich natürlich nicht, dass die Kollegen Loos und Kößl Sie als Herrn "Sicherheitsminister" bezeichneten. Es kann ein großer Wurf werden, es scheint wirklich eine historische Reform zu sein, also all das, was Ihre drei roten Vorgänger Löschnak, Einem und Schlögl, die ich im Parlament miterleben durfte, nicht zustande gebracht haben. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Ich frage Sie daher, Herr Bundesminister: Was unternehmen Sie, um zu einem breiten parlamentarischen Konsens in diesem sehr relevanten Bereich zu kommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die effizienteste Form der Kriminalitätsbekämpfung in Österreich ist, eine eigene Dienststelle für diesen Bereich zu schaffen. Eine eigene Dienststelle bedeutet nämlich rasche Reaktionsmöglichkeiten auf veränderte Situationen, bedeutet eine international anerkannte Ansprechstelle für unsere Beamten im Ausland und vor allem eine gute Anbindung an die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit.

Dazu ist jedoch eine Verfassungsänderung notwendig. Ich werbe daher bei allen Parlamentariern, bei allen Mitgliedern des österreichischen Parlaments, bei allen vier Parlamentsfraktionen darum, dass wir unseren Kriminalbeamten die Möglichkeit geben, Kriminalität in der modernsten Organisationsform zu bekämpfen. Deshalb bitte ich Sie, dem am 4. Dezember im Innenausschuss zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie kennen die Haltung der Grünen in Bezug auf das Bundeskriminalamt, wir arbeiten sehr konstruktiv dabei mit. Allerdings bin ich der Auffassung, dass eine Reform am Kopf alleine nicht genügt. Darum die Frage an Sie, Herr Bundesminister: Was ist mit der Einrichtung von Landeskriminalämtern? Wie weit gibt es diesbezüglich Überlegungen, Vorschläge Ihrerseits und sind Einigungen diesbezüglich in Sicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es ist bei den Planungen des Innenressorts genauso wie bei Bergtouren auf den Großglockner: Alles beginnt mit dem ersten Schritt. (Heiterkeit.) Daher machen wir zuerst einmal das, was notwendig ist, um unseren Beamten die bestmögliche Organisationsform und die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu bieten.

Das heißt, dass ich den Schwerpunkt unserer Arbeit zurzeit darauf lege, dass wir unsere Zentrale als kompetente Ansprechstelle ausbauen und fertig bauen. Sobald diese Zentrale fertig ist, werden wir den nächsten Schritt machen und uns, so wie das im Regierungsprogramm vorgesehen ist, der Prüfung etwaiger Landeskriminalämter widmen. Ich bitte aber um Verständnis dafür, dass jetzt das Projekt der zentralen "Servicierung" unserer Beamten Vorrang hat. (Abg. Mag. Stoisits: Sie fliegen also mit dem Hubschrauber auf den Großglockner! Aber Sie steigen nicht hinauf!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Reindl, bitte.

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die österreichische Bundesgendarmerie lebt quasi in der Angst davor, dass bei ihr das System der Poli


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zei eingeführt wird, dass also zwischen der Gendarmeriedienststelle und der Staatsanwaltschaft eine zusätzliche Ebene mit Juristen geschaffen wird.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Planen Sie, in Zukunft bei den Bezirksverwaltungsbehörden Juristen zu installieren, die für Kriminaldelikte zuständig sein sollen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Antwort darauf lautet sehr klar: nein! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Leikam, bitte.

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Bleiben wir bei dem von Ihnen erwähnten Großglockner. Waren Sie schon einmal auf dem Großglockner? In diesem Fall müssten Sie eigentlich wissen, dass es viele Möglichkeiten, mehrere Varianten, gibt, auf den Großglockner hinaufzukommen. Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, so schließen Sie auf Ihrem Weg auf die Spitze des Großglockners zum Beispiel Landeskriminalämter nicht mehr ganz aus. (Abg. Haller: Wo ist die Frage?)

Aber unterliegen Sie nicht einer völligen Fehleinschätzung, wenn Sie für das von Ihnen geplante Bundeskriminalamt rund 250 Kräfte aus der so genannten Fläche abziehen? Sie nehmen diese Kräfte den Bundesländern ja weg; diese sind dort nicht mehr im Einsatz. Ich glaube, dass das weniger Sicherheit bringt. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Frage! Frage! – Abg. Kiss: Herr Präsident, er gibt die Antwort auf seine Frage selber! Was soll das?)

Herr Bundesminister! Können Sie wirklich ausschließen, dass beabsichtigt ist, Landeskriminalämter einzurichten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Das waren jetzt zwei Fragen, aber ich beantworte gerne beide.

Zur ersten Frage: Es gibt von Kals aus zwei Wege auf den Großglockner (Abg. Leikam: Das ist der leichtere!), über den Stüdlgrat und über die Adlersruh. Ich bin beide Wege gegangen, und es waren beide Male großartige Tage. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Heiligenblut gibt es aber auch noch!)

Die zweite Frage, die Sie gestellt haben, betrifft die so genannten Landeskriminalämter. Es gibt eine klare Vorgabe im Regierungsprogramm, die lautet, dass wir prüfen sollen, ob es Sinn macht, solche Landeskriminalämter einzuführen. Ich habe schon gesagt, dass ich diese Prüfung dann vornehmen werde, wenn die Frage des Bundeskriminalamtes auch gesetzestechnisch gelöst ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 5. Anfrage. – Bitte, Herr Abgeordneter Gaál.

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

122/M

Wie wollen Sie sicherstellen, dass das hohe Sicherheitsniveau Wiens durch die von Ihnen verordnete Polizeireform weiterhin erhalten bleibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Nein, das ist keine Polizeireform, die vom Innenminister verordnet worden ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit danke sagen. Ein Dank gebührt all jenen Beamtinnen und Beamten, allen voran den Beamten der Polizeidirektion Wien, die zum Teil schon jahrelang vorgearbeitet haben. Dort gibt es viele gute,


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ja hervorragende Konzepte und Unterlagen, die von Herrn Polizeipräsidenten Stiedl und anderen führenden Mitarbeitern der Wiener Polizeidirektion vorbereitet wurden, von meinem Vorgänger jedoch leider nicht in notwendigem Ausmaß geprüft und gewürdigt worden sind.

Ich habe diese guten Konzepte übernommen und gesagt: Jawohl, wir wollen eine moderne Dienststelle, in der eine für die Anforderungen der Sicherheit im 21. Jahrhundert optimale Organisationsform vorgesehen ist.

Die Ziele sind: die Steigerung der Effizienz unserer Einsätze, also die Optimierung der Aufgabenerfüllung. Diese wollen wir durch Aufgabenkonzentration, als zweiten wichtigen Punkt durch Zuführung von Exekutivbeamten zu den Kernaufgaben der Exekutive, durch ihre Entlastung von artfremden Tätigkeiten, durch Bereinigung von Parallelstrukturen und durch Schaffung klarer Verantwortungs- und Verwaltungsabläufe erreichen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie versprechen, dass es infolge dieser Reform in Hinkunft 100 bis 120 zusätzliche Beamte auf den Straßen Wiens geben wird. Diese Aussage führt immer zu Verwunderung und Erstaunen, denn wir wissen, dass diese Reform auch eine Reduktion der Zahl der Planstellen mit sich bringt. (Abg. Dr. Khol: Frage!) Heute schon fehlen in Wien 750 Beamte in den Wachzimmern, es gibt einen Stopp bei Neuaufnahmen, im Innendienst gibt es ja ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte eine konkrete Frage nach dieser Darlegung des Sachverhaltes! (Abg. Dr. Khol: Das ist ja ein Debattenbeitrag!)

Abgeordneter Anton Gaál (fortsetzend): Es gibt dort Reduktionen, daher meine Frage:

Wie können Sie sicherstellen, dass es diese 100 bis 120 zusätzlichen Beamten auf den Straßen Wiens in Zukunft geben wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Auch bei der Bundespolizeidirektion Wien wird ein Grundsatz meiner Ressortführung umgesetzt werden. Dieser lautet: Wir sparen in der Verwaltung, damit wir in die Sicherheit vor Ort investieren können! – Und das werden wir mit dieser Reform in Wien auch schaffen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das bedeutet für Wien im Klartext: Wir fassen die 23 Bezirkspolizeikommissariate, also die großen Verwaltungseinheiten, zu 14 zusammen. Kein einziges Wachzimmer ist davon in irgendeiner Art und Weise betroffen. Meine klare Vorgabe lautet: mindestens 100 Beamte mehr im Außendienst.

Ich möchte mich noch einmal für die hervorragende Vorarbeit bedanken, die unsere Beamtinnen und Beamten in Wien geleistet haben. Ich darf Ihnen heute schon sagen, dass es wesentlich mehr als 100 Beamte zusätzlich im Außendienst geben wird, wenn diese Reform umgesetzt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Jung, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Mir wurde zugetragen, dass in Wien eine Regelung existiert, die es ermöglicht oder sogar regelmäßig zur Folge hat, dass Beamte 24 Stunden Permanenzdienst – ohne Ruhezeiten, ohne Unterbrechungen und ohne Bereitschaftszeiten – machen. Das wäre eine Regelung, die vor allem vor dem Hintergrund, dass solche Beamte in einem Einsatz zum Beispiel von Schusswaffen Gebrauch machen oder auch Autofahren müssen – für Kraftfahrer wäre diese Regelung unmöglich! –, schwer verständlich wäre. Was kann dagegen unternommen werden? Was wollen Sie dagegen tun?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich höre zum ersten Mal von dieser Möglichkeit. Ich danke Ihnen herzlich für den Hinweis, werde der Sache gerne nachgehen und Ihnen eine schriftliche Information darüber geben. (Abg. Jung: Danke!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Freund, bitte.

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister, Herr Sicherheitsminister – auch ich möchte Sie so bezeichnen! (Abg. Leikam: Sie sind ja schön peinlich!) Seit Ihrem Amtsantritt am 4. Februar 2000 brechen Sie verschiedene Strukturen in der Exekutive systematisch und erfolgreich auf. Mehr sichtbare Exekutive auf der Straße ist dabei Ihr oberstes Ziel.

Meine Frage lautet: Wird es durch die Schaffung von Fachgruppensystemen im Kriminaldienst zu einer Effektivitätssteigerung in der Kriminalitätsbekämpfung kommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben eine wesentlich größere Mobilität im Großraum Wien und in Wien selbst – das bringen allein schon die verbesserten Verkehrsverbindungen, der Ausbau der U-Bahn und Ähnliches mit sich. Daher ist die regionale Betreuung in den Großstädten zusehends in den Hintergrund gerückt. Das, was wir jetzt mit der Einführung des Fachgruppensystems umsetzen werden, ist leider nur ein Nachvollziehen dessen, was in anderen Großstädten schon längst gemacht wurde.

Ich bin sehr froh darüber, dass die Polizeireform auch diesem Umstand Rechnung trägt und Wien damit europaweit wieder führend werden wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wenn wir uns schon mit Polizeireform beschäftigen (Ruf: Das ist keine Polizeireform!), so würde mich interessieren, ob dazu, speziell auf Wien bezogen, nach Ihrem Verständnis etwa auch gehört, dass man das familien-, beziehungs-, gesundheits-, aber auch arbeitsfeindliche so genannte Fünfer-Radl als Dienstzeitmodell bei der Polizei endlich abschafft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Frau Abgeordnete! Ich danke Ihnen dafür, dass Sie darauf hinweisen, dass Polizeiarbeit ein harter Job ist. Die Sicherheit insbesondere Wiens ist auch am Wochenende, auch in den Nachtstunden und auch an Feiertagen zu gewährleisten – und dafür brauchen wir Beamte! (Abg. Mag. Stoisits: Aber nicht ...!) Daher ist sicherzustellen, dass Beamte auch dann Dienst versehen.

Auch ich glaube, dass eine Weiterentwicklung des Dienstsystems durchaus geboten erscheint, diese Diskussion befürworte ich sehr. Ich habe diesbezüglich den Verantwortlichen der Wiener Sicherheitswache dafür zu danken, dass in einigen Bezirken entsprechende Modellversuche laufen und dass wir auf dem Weg zu einer weiteren Entwicklung unseres Dienstsystems sind, die auch mehr Sicherheit und mehr Klarheit für die Wiener Polizisten bringen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 6. Anfrage. – Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé erhält das Wort.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Eine Frage von der Sicherheitspartei an den Sicherheitsminister (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen), sie lautet:


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129/M

Was veranlaßt Sie, die totale Auflösung des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) zu planen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe bei der Übernahme des Ressorts den eigentümlichen Umstand feststellen und zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in Österreich – in einem 8-Millionen-Land! – über 20 verschiedene Sondereinheiten mit über 20 verschiedenen Aufnahmekriterien, mit über 20 verschiedenen Ausbildungskriterien, mit über 20 verschiedenen einsatztaktischen Bereichen und so weiter gibt. Ich glaube nicht, dass das für die Sicherheitsarchitektur Österreichs optimal ist.

Daher haben wir uns gemeinsam darauf festgelegt, dass es eine Sondereinheit in Wien, nämlich die berühmte und bekannte WEGA, und eine Sondereinheit für den gesamten österreichischen Raum außerhalb von Wien, nämlich die auch sehr berühmte Cobra, geben soll. Dazu ist es notwendig, dass wir die Mobilen Einsatzkommandos der Polizei und die in den Landesgendarmeriekommandos tätigen SEGs – wie sie heißen – weiterentwickeln, und zwar zu so genannten RUKs, die ein Bindeglied zwischen unserer Sondereinheit und den Gendarmerie- und Polizeieinheiten sein werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Das Personal des MEKs befürchtet, dass bei einer Auflösung des MEKs gerade die mittelschwere Kriminalität nicht so wie bisher geahndet beziehungsweise in manchen Fällen nicht wie bisher eingeschritten werden kann.

Wie wollen Sie in Fällen der mittelschweren Kriminalität vorgehen, wenn Sie das MEK auflösen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe gerade den Auftrag erteilt, eine klare Trennlinie zwischen den zu schaffenden RUKs und der Cobra als neuer Sondereinheit zu finden. Es wird eine genaue Abklärung der Deliktsfälle und der Einsatzgebiete geben, sodass sowohl in den Bereichen der Bundespolizeidirektionen als auch im Bereich der Gendarmerie in Österreich in puncto Sicherheit ein Mehrwert für die Bevölkerung entstehen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Puttinger, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich persönlich habe als Privatperson für die Zukunft nur einen Wunsch, was die Sicherheit betrifft, nämlich eine motivierte Exekutive unter einem rotweißroten Sicherheitsminister. Daher frage ich Sie: Was planen Sie, damit es zu keinem Sicherheitsvakuum in Österreich kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Unter Beachtung der österreichischen Sicherheitsarchitektur und der Gefährdungslagen, die im gesamten Bundesgebiet auf uns zukommen können, geht es mir darum, dass wir folgende vier Punkte abdecken: erstens eine einheitliche, funktionelle, ökonomische Struktur, zweitens ein verstärktes Know-how-Management für die gesamte Sicherheitsexekutive – egal, ob Polizei, Gendarmerie oder Kriminaldienst –, drittens eine flächendeckende Versorgung der BürgerInnen mit gleichem und gleich standardisiertem Qualitätslevel und, viertens, Europakompatibilität, sodass nach menschlichem Ermessen gesichert ist, dass unsere Cobra-Einheiten in 70 Minuten an jedem Punkt Österreichs operativ tätig werden können.


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Ich glaube, dass damit auch eine Institution wie zum Beispiel das "Sternbräu" gut gesichert sein wird. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dietachmayr, bitte.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundesminister! Ein erfolgreiches Unternehmen stützt sich unter anderem nicht nur auf gut ausgebildete, sondern auch auf hoch motivierte Mitarbeiter. Exekutivbeamte sind zwar gut ausgebildet, viele aber auf Grund der Postenschließungen und Umstrukturierungsmaßnahmen sehr stark demotiviert. Die Stimmung ist im Keller. (Abg. Dr. Khol: Stimmt ja nicht!)

Was werden Sie tun, um die Sicherheit der Bevölkerung in vollem Umfang zu gewährleisten und vor allem die Motivation der Mitarbeiter wieder zu heben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es geht um ein paar sehr klare Punkte.

Erstens: Wir müssen unsere Gendarmen und Polizisten, egal, ob sie im Wachzimmer oder auf einem Gendarmerieposten ihren Dienst versehen, von bürokratischem Kram entlasten.

Zweitens: Wir müssen dafür sorgen, dass sie ihre Vorgaben rascher und genauer bekommen. – Das ist eine echte Führungsaufgabe. Daher verlange ich auch von unseren Führungsoffizieren, engeren und besseren Kontakt mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bei Gefährdung im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf hinhalten, zu halten.

Drittens: Wir haben dafür zu sorgen, dass die Verwaltung einen nicht zu großen Stellenwert einnimmt und dass wir unsere Mitarbeiter in den Außendienst bringen.

Ich bin den Verantwortlichen von Gendarmerie und Polizei sehr dankbar dafür, dass es im Jahre 2000 und auch im Jahr 2001 gelungen ist, dass so viele Beamte im Außendienst tätig sein konnten und damit für ein subjektives Sicherheitsgefühl gesorgt haben, wie wir es noch nie in dieser Republik hatten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Zur Qualität der Arbeit der Sicherheitsexekutive gehören, wie Sie heute bereits mehrmals gesagt haben, vor allem die Ausbildung und die Unterstützung, die jeder Einzelne der dort Tätigen bekommt. Mich beschäftigt schon seit vielen Jahren die Frage, wie eigentlich Menschen mit Zusatzqualifikationen wie beispielsweise Kenntnisse der türkischen oder der kurdischen, der serbischen oder der kroatischen Sprache, also Sprachen, die auch ein gut Teil der österreichischen Bevölkerung spricht, in der Polizei gefördert werden. Welche Maßnahmen setzen Sie, um solche Menschen für die Polizei zu gewinnen? Und ich meine damit nicht nur für die Polizei in Wien, sondern österreichweit.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ob es Ihnen gefällt oder nicht, Frau Abgeordnete: Bei den Aufnahmen gibt es keine Extrawürstel. (Abg. Mag. Stoisits: Sollte es aber geben!) Es werden alle Bewerber nach demselben Schema beurteilt. Und es gibt ganz klare Aufnahmekriterien, die weder nach Geschlecht noch nach Hautfarbe, nach Bildung oder sonst etwas unterscheiden, sondern vor allem darauf Wert legen, wie die menschliche Komponente ist.

Ganz entscheidend ist, dass ein Mitarbeiter in der österreichischen Sicherheitsexekutive in einem hohen Ausmaß das hat, was man landläufig als soziale Intelligenz bezeichnet. Es ist entscheidend, dass Sachverstand und Einfühlungsvermögen vorhanden sind und das Wissen darum, dass es sich um einen in Einzelfällen sehr, sehr gefährlichen Beruf handelt, in dem man


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oft direkt mit den Niederungen des täglichen Lebens konfrontiert wird. (Abg. Mag. Stoisits: Aber das schließt das ja nicht aus!) Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen – das ist unser Ziel – für diese Aufgaben bestmöglich vorbereitet sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stoisits: Danke für die Nicht-Beantwortung!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 7. Anfrage. (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung der Abg. Mag. Stoisits –: Lassen Sie sich einen Termin geben! – Abg. Mag. Stoisits: Ich wollte nur danken, dass ... Fragen stellen ..., die Sie niemals beantworten! – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, ich darf Sie bitten, die 7. Frage zu stellen. (Abg. Dr. Khol: Sie verzichtet! – Heiterkeit.)

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Da ich ja nicht geschäftsordnungswidrig bei meiner Fragestellung ... Aber erlauben Sie mir, dass ich dem Herrn Bundesminister dafür danke, dass er die Fragen zum Teil nicht beantwortet. (Präsident Dr. Fischer: Ist schon geschehen, Frau Abgeordnete! – Ruf: ... Privatgespräche!)  – Ich will es nicht weiter kommentieren! (Abg. Kiss  – in Richtung der Abg. Mag. Stoisits –: Du bist eine Chaotikerin, eine klassische Chaotikerin!)

Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

127/M

Wann werden Sie einen Gesetzentwurf für den von der Bundesregierung angekündigten so genannten "Integrationsvertrag" vorlegen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich gehe davon aus, dass ein solcher noch heuer ins Begutachtungsverfahren gehen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! In einer Zeitung von dieser Woche habe ich gelesen, dass Sie einige große Einrichtungen, die auf dem Gebiet des Spracherwerbs, vor allem der Vermittlung von Deutschkenntnissen, tätig sind, zu einem Gespräch eingeladen haben. Drei davon haben die Teilnahme an diesem Gespräch mit guter Begründung abgelehnt, zwei sind gekommen – all das laut Zeitungsmeldungen –, und diese haben sich nicht gerade positiv über die Ergebnisse dieses Gespräches geäußert.

Können Sie sich vorstellen, dass man einen so genannten Integrationsvertrag mit Zwangssprachkursen überhaupt gesetzeskonform zustande bringt, wenn es niemanden gibt, der sich dem Diktat beugen will, das die Bundesregierung mit diesen so genannten Zwangssprachkursen errichtet? (Abg. Achatz: "Zwangssprachkurse"?!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Frau Abgeordnete, zuerst darf ich auf die europäische Situation verweisen. Das, was Sie mit Ihrer Aussage, welcher Qualität dieser Sprachkurs wäre, vorbringen, ist in vielen Ländern Europas gang und gäbe und gelebte Realität und funktioniert zum Wohle von Zuwanderern sehr gut.

Grundsätzlich kann man all jene, die glauben, in diesem Bereich Kompetenz zu haben, einladen. Ob jemand einer Einladung nachkommt oder nicht, liegt nicht im Ermessen des Bundesministers. Ich werde das akzeptieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Bösch, bitte.


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Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch
(Freiheitliche): Herr Bundesminister! Welche Bedeutung messen Sie im Rahmen der Integration dem Erlernen der Sprache des Gastlandes bei?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich halte das für eine essentielle Frage. Ich glaube, dass es ganz entscheidend ist, dass jemand, der sich mit der Absicht trägt, in einem Land, in dem eine andere Sprache gesprochen wird, zu leben, zu arbeiten, ein neues Leben zu beginnen, die Sprache lernt, dass eine der Grundvoraussetzungen für Integration im wahrsten Sinne des Wortes das Erlernen und das Beherrschen der Grundbegriffe dieser Sprache ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Parfuss, bitte.

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Bundesminister! Wie können Sie sicherstellen, dass es zu keinem Ausspielen beziehungsweise Aufrechnen der Menschen, die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Österreich kommen, und jenen, die auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gebraucht werden, kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die Familienzusammenführung hat mit den Arbeitsgenehmigungen – wie es gesetzestechnisch heißt – überhaupt nichts zu tun. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da zu einem Ausspielen kommen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Loos, bitte.

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Herr Bundesminister! Im Bereich der Integration ist durch diese Bundesregierung bereits viel geschehen. Ich denke dabei an die Saisoniers, an die Grenzgänger, Erntehelfer, über die Pendler haben wir vor zwei Tagen gesprochen. Damit es jetzt zu keinen Verwirrungen kommt: Für wen, Herr Bundesminister, soll die Integrationsvereinbarung gelten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Integrationsvereinbarung soll für all jene Drittstaatsangehörige – wie das gesetzestechnisch heißt –, also alle Fremden gelten, die sich nach In-Kraft-Treten der Novelle auf Dauer in Österreich niederlassen wollen.

Darüber hinaus sollen auch jene Fremden, die nach dem 1. Jänner 1998 nach Österreich zugewandert sind, also jene, die nach den entsprechenden Bestimmungen noch nicht aufenthaltsverfestigt sind, diese Vereinbarung eingehen.

Ausgenommen sollen EU-Staatsbürger sowie begünstigte Drittstaatsangehörige, Kleinkinder und Schulpflichtige aus verständlichen Gründen – sie lernen ja Deutsch in der Schule – sowie Schlüsselkräfte, die nicht länger als zwei Jahre in Österreich aufhältig sind, sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit kommen wir zur 8. Anfrage, die Herr Abgeordneter Miedl eingebracht hat. – Bitte.

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Sicherheitsminister! Wir, die Sicherheitsfachleute von der ÖVP, möchten von Ihnen wissen:


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124/M

Welche Maßnahmen unterstützen Sie auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit der Euro-Umstellung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Es ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das wir gemeinsam mit der Bankenwelt und mit der Nationalbank erstellt haben. Das geht über die Aufklärung der Bevölkerung über die neuen Scheine, die Warnung vor Fälschung von Altwährungen, die Begleitung der Transporte, über die Sicherung in den ersten Wochen der neuen Währung bis hin zur Silvesternacht, wo Tausende Bankomaten umgestellt werden müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Minister! Wir danken Ihnen für die optimale Vorbereitung. Ich kenne ja einiges, das Sie da eingeleitet haben.

Mich würde jetzt interessieren: Was planen Sie auf nationaler Ebene, da der Euro durchaus eine Währung ist, die für sehr viele potentielle Betrüger (Abg. Leikam: Frage! Frage!) von Interesse sein könnte? Was planen Sie auf nationaler Ebene?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Die Bekämpfung von Geldfälschungen insbesondere bei der neuen Währung wird im kommenden Jahr einer der Schwerpunkte unserer Tätigkeit sein, wobei wir davon ausgehen können, dass es sich beim Euro um die sicherste Währung, die derzeit auf dem Markt ist, handelt. Die Sicherheitsausstattung ist optimal und erleichtert damit die Arbeit der Sicherheitsexekutive.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Die Sicherheitsfrage bei der Euro-Umstellung ist der eine Teil, der andere Teil ist die korrekte Umrechnung. Da die Exekutive Strafmandate einhebt, lautet meine Zusatzfrage: Wie wird der Umrechnungsschlüssel bei den verschiedensten Strafmandaten sein? Wird da zugunsten des Mandanten abgerundet, oder machen Sie Aufrundungen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ich danke der Bundesregierung sehr dafür, dass sie meinem Ministerratsvortrag gefolgt ist, der eine Abrundung der entsprechenden Verträge vorgesehen hat – zugunsten der Bevölkerung und, wenn Sie so wollen, zulasten des Finanzministers.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Böhacker, bitte.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die Auslieferung der Euro-Münzen und Euro-Scheine innerhalb Österreichs stellt eine riesige Herausforderung an die Logistik, aber auch an die Sicherheitstechnik dar.

Wie, Herr Bundesminister, haben Sie diese Erstausstattung, die Erstauslieferungen sicherheitstechnisch begleitet? Wie wird es in Zukunft ausschauen? Und hat es in der Vergangenheit bereits strafrechtliche oder kriminalrechtliche Tatbestände gegeben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben praktisch alle Auslieferungen abgeschlossen, und das Ergebnis zeigt, dass es keinen einzigen


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Vorfall gegeben hat, der sicherheitstechnisch relevant war. Das zeigt, dass unsere Mitarbeiter bei der Polizei und Gendarmerie hervorragende Arbeit geleistet haben, das zeugt aber auch von der hervorragenden Zusammenarbeit mit der österreichischen Bankenwirtschaft und der Oesterreichischen Nationalbank. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kiermaier, bitte.

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Bundesminister! Frau Kollegin Moser hat meine Frage hinsichtlich Auf- und Abrundung eigentlich schon vorweggenommen. Ich möchte daher noch folgende Frage stellen: Bei den Grenzübertritten sind ja sehr oft Gebühren zu entrichten, die Straßenverkehrsabgabe und so weiter. Ist auch dort die Sicherheit gegeben, dass man das bargeldlos abwickeln kann? Immer mehr Leute steigen ja jetzt im Zuge der Euro-Umstellung auf Zahlung mittels Karten um, und daher gäbe es dann unter Umständen einen Engpass.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter, für Ihre Frage.

Wir haben ja vorgesehen, dass Organstrafverfügungen sowohl im Bereich der Gendarmerie als auch der Polizei bargeldlos beglichen werden können. Wir arbeiten daran, damit das in diesem Bereich ebenfalls möglich wird. Ich nehme Ihre Frage gerne zum Anlass, die Dinge voranzutreiben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, ich richte mich jetzt nach Ihrem Wunsch: Wollen Sie die letzte Frage noch erledigen? – (Bundesminister Dr. Strasser nickt bejahend.) – Gut.

Herr Abgeordneter Pendl, bitte.

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

123/M

Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um den Anforderungen der sich laufend erhöhenden Belegungsstärke der Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen gerecht zu werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Einer meiner Vorgänger hat eine klare Vereinbarung mit dem Bürgermeister von Traiskirchen getroffen, nämlich dass keine Überschreitung der Höchstbelegszahl von 1 000 Personen vorgenommen wird. Um dieser Vereinbarung zu jeder Tages- und Nachtstunde nachkommen zu können, wird diese Höchstbelegszahl – als Vorsorge für etwaigen außergewöhnlich starken Zugang – immer um 200 Personen unterschritten. Das ist, meine ich, eine ausreichende und gute Vorsorge, um die Einhaltung dieser Vereinbarung, die wir weiter aufrechterhalten, auch weiterhin gewährleisten zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Bundesminister! Wie Sie wissen  –  auch von der Stadt –, kommt es immer wieder, vor allem in der Nacht, zu Vorfällen. Welche organisatorischen Maßnahmen werden Sie treffen, um vor allem die Sicherheit der Bevölkerung, des Personals, aber auch des Sanitätspersonals, das laufend gerufen wird, sicherzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben sowohl den Streifendienst als auch den Tag- und Nachtdienst in diesem Bereich entsprechend angepasst. Wenn Sie die Badner Bahn benützen, werden Sie feststellen, dass dort laufend


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kontrolliert wird. Wir wollen damit einen Beitrag zur Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Traiskirchner Bevölkerung leisten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé, bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Die Tageszeitungen waren ja voll mit Artikeln, die die Missstände von Traiskirchen behandelt haben. Wie man den Zeitungen entnehmen konnte, gibt es dort mehr Asylwerber, als angemeldet sind. Das heißt, dort findet offensichtlich ein Verkehr von Asylwerbern statt, der völlig unkontrolliert ist. Was können Sie dagegen unternehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die rechtlichen Voraussetzungen dafür, hier von der Exekutive her einschreiten zu können, sind außerordentlich begrenzt. Ich habe daher in dem jetzt unmittelbar vor der Begutachtung stehenden Entwurf zur Novellierung des Fremdengesetzes auch eine Regelung vorgesehen, die es der österreichischen Sicherheitsexekutive ermöglicht, dort aufhältige Personen, die kein Recht haben, sich in dieser Betreuungseinrichtung aufzuhalten, von dort entfernen zu können. Das müssen wir möglichst bald im Ministerrat und im Parlament im Detail diskutieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kößl, bitte.

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Bundesminister, Herr Sicherheitsminister! Die Asylverfahren in Österreich dauern verhältnismäßig lange. Meine Frage an Sie: Welche administrativen Maßnahmen planen Sie zur Beschleunigung des Asylverfahrens?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um hier rascher Klarheit zu schaffen. Ich möchte in diesem Bereich insbesondere dem Leiter des Bundesasylamtes dafür danken, dass die Verfahren erster Instanz entscheidend verkürzt wurden, um hier schnell Rechtsklarheit zu schaffen.

Es geht uns aber um eine weitere Entwicklung des Systems, die durchaus im europäischen Gleichklang und Gleichschritt stattfinden soll und durch die gewährleistet sein soll, dass es sehr rasch, nämlich innerhalb von 48 oder längstens 72 Stunden, zu einer Erstabklärung dahin gehend kommt, ob eine hohe Aussicht auf Erlangung des Asyls besteht oder nicht.

Wir wollen außerdem durch die Einsetzung einer so genannten Asylstraße die Gewähr bieten, sehr rasch alle relevanten Daten und Informationen eines Asylwerbers entsprechend dokumentieren zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Wir haben von der Situation in Traiskirchen schon insofern gesprochen, als wir über "Privatisierung von Bundesbetreuung" gesprochen haben. Meinem Verständnis nach ist Traiskirchen so etwas wie ein Notquartier. Menschen werden dort in der Regel noch vor ihrem Erstinterview im Asylverfahren aufgenommen, es ist die Erstversorgung von Asylwerbern. (Abg. Haigermoser: Eine Frage! Erzählen Sie uns keinen Roman! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Jetzt gibt es von den nichtstaatlichen Organisationen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Stoisits, ich bin gezwungen, Sie zu bitten: kurzer Hinweis und Zusatzfrage!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Die Frage, Herr Bundesminister, ist: Die NGOs klagen über Obdachlosigkeit von Asylwerbern in Traiskirchen. Es sind Leute, die auf der


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Straße stehen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie sagen: Traiskirchen, das Notquartier, ist nicht voll.

Wie lösen Sie diesen Widerspruch auf? Warum werden die Leute nicht in Traiskirchen aufgenommen, sondern auf die Straße gestellt, obwohl es Platz gibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Das Bundesbetreuungsgesetz sieht sehr klar vor, dass wir all jene Asylwerber aufnehmen, die einen Beitrag zur Feststellung ihrer Identität leisten. An diese gesetzliche Vorgabe halten wir uns.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Fragestunde ist beendet.

Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung darf ich auf die schriftliche Mitteilung verweisen, die im Sitzungssaal verteilt wurde.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 2814/AB bis 2818/AB.

2. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeiten und Beruf der Sanitäter erlassen wird und das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden (872 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Gesundheitsausschuss:

Antrag 551/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Vertriebsverordnung nach dem Medizinproduktegesetz (MPG);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 548/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen betreffend geschlossene Anbaugebiete für eine gentechnikfreie Produktion;

Ausschuss für Sportangelegenheiten:

Antrag 545/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Vorlage eines Anti-Doping-Gesetzes,

Antrag 546/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend umgehende Übermittlung einer Regierungsvorlage betreffend ein Sportgesetz an den Nationalrat,

Antrag 547/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Bericht über die Situation der österreichischen SchiedsrichterInnen an den Nationalrat;


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Verkehrsausschuss:

Antrag 549/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Nachfolgeregelung zu Protokoll Nr. 9 des EU-Beitrittsvertrages (Transitabkommen Österreich-EU).

*****

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 7 sowie 11 und 12 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen eine Einwendung? – Das ist nicht der Fall. Damit werden wir so vorgehen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2781/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass mir das nach § 92 der Geschäftsordnung eingebrachte Verlangen vorliegt, eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 2781/AB auf eine Anfrage der Kollegin Haidlmayr betreffend Zivildienerzuweisung im Juni 2001 durch den Herrn Bundesminister für Inneres durchzuführen.

Diese Kurzdebatte findet nach dem gegebenen Sachverhalt, da wir keine Dringliche Anfrage haben, um 15 Uhr statt.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt, und zwar wie folgt: Es wurde eine Tagesblockzeit von 7 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 137 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 102 Minuten, Grüne 81 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu entscheiden. Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen oder Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (834 der Beilagen und Zu 834 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG) (892 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (835 der Beilagen und Zu 835 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum GSVG) (893 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (837 der Beilagen und Zu 837 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum BSVG) (894 der Beilagen)


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4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (838 der Beilagen und Zu 838 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (29. Novelle zum B-KUVG) (895 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (836 der Beilagen und Zu 836 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (12. Novelle zum FSVG) (896 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (839 der Beilagen und Zu 839 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (10. Novelle zum NVG 1972) (897 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 483/A der Abgeordneten Karl Donabauer, Anna Elisabeth Achatz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauernsozialversicherungsgesetz und das Bewertungsgesetz 1955 geändert werden (899 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir verhandeln nunmehr die Punkte 1 bis 7 der heutigen Tagesordnung.

Ein Vorschlag auf mündliche Berichterstattung zu einer dieser Vorlagen liegt mir nicht vor, daher gehen wir in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Die Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte. (Abg. Großruck: Jetzt kommt wieder die "Sozialdemontage", die "Kälte"! – Ruf bei der SPÖ: Beruhige dich!)

10.07

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute einige der anstehenden sozialen Probleme diskutieren und behandeln, sollten wir – wie immer – den Versuch unternehmen, die Mitglieder der Bundesregierung hinsichtlich ihrer eigenen Ankündigungen beim Wort zu nehmen.

Herr Sozialminister Haupt hat am 9. Juli dieses Jahres gesagt: Kleingroschen-Selbstbehalte wie Rezept- und Krankenscheingebühr sollen endlich abgeschafft werden.

Herr Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Schüssel hat gemeint: Je früher die Chipkarte eingeführt wird, desto schneller kann der Krankenschein nebst Gebühr verschwinden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es stellt sich die Frage, wieso uns heute ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der nichts von dem enthält (Zwischenruf des Abg. Grabner ), ein Gesetzentwurf, in dem nicht steht, dass das gebührenfrei sein wird, in dem nicht steht, dass diese Gebühren beseitigt werden. Die Regierung ist bis zum heutigen Tag nicht einmal imstande gewesen, sich darauf zu einigen, wie das in Zukunft organisiert und finanziert werden soll. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ .)

Im Übrigen stellt sich der Weg dieser Chipkarte, der einmal mit einer Karte zur Verwaltungsvereinfachung im Gesundheitsbereich begonnen hat, inzwischen so dar, dass es im Kern nicht um die Verwaltungsvereinfachung geht, sondern dass aus dieser Chipkarte Schritt für Schritt eine


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Überwachungskarte für die Bürger werden soll. (Abg. Dr. Stummvoll: Ach so? – Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und der Höhepunkt dieser Angelegenheit ist: Die Bürger sollen auch noch dafür zahlen, meine Damen und Herren! – Das ist sozialpolitisch nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.  – Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Man stellt sich überhaupt die Frage, wie es Ihnen, Herr Sozialminister, am heutigen Tag geht, da Sie nicht imstande sind, den österreichischen Pensionisten ihren gerechten Anteil an der Wertschöpfung zu geben, ja nicht einmal dazu, ihnen die Abgeltung der Inflationsrate bei den Pensionen zu gewähren. Auf der anderen Seite hat dieselbe Regierung erst vor wenigen Tagen eine Änderung der Pensionsgesetze im öffentlichen Dienst beschlossen, die darin besteht, dass die Leute mit 55 Jahren mit 90 Prozent der Letztbezüge nach Hause geschickt werden. Offensichtlich ist diese Frühpensionierungsaktion für den öffentlichen Dienst so teuer, dass Sie jetzt kein Geld mehr haben für die ASVG-Pensionisten. Das ist nicht fair, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben darüber hinausgehend im Juli dieses Jahres mit einem politischen Parforceritt im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungen eine radikale personelle Veränderung vorgenommen. Alle erfahrenen Kräfte wurden dort ausgetauscht und durch Ihre Gewährsleute ersetzt – mit folgender Zielsetzung: Sie haben gesagt: Jetzt wird das Gesundheitssystem auf eine bessere finanzielle Basis gestellt. (Abg. Dr. Pumberger: Jawohl!)

Bis zum heutigen Tag haben die von Ihnen nominierten Funktionäre keinen einzigen relevanten Vorschlag unterbreiten können, wie die Finanzierungslücke im Gesundheitssystem zu schließen ist. Jetzt stellt sich heraus, dass sie am Ende des Jahres 3,7 Milliarden Schilling betragen wird. Ihre Antwort und die Ihrer Experten ist bis zum heutigen Tag folgende: leugnen, wegschieben und keine Vorschläge bringen. (Abg. Dr. Pumberger:  ... Schulden machen!)

Meine Damen und Herren! Sie setzen mit dieser Politik das österreichische Gesundheitssystem aufs Spiel. Damit tritt eine Unsicherheit bei den Patienten und bei den Versicherten ein. Das ist keine verantwortungsvolle Politik, Herr Minister. Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben vor einem Jahr – und das war ausnahmsweise einmal eine konstruktive Debatte – hier im Parlament ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )  – Herr Pumberger! Stellen Sie wieder Ihr Vetoschild auf! Das ist das Einzige, was Sie wirklich korrekt tun und über die Lippen bringen können, aber zur Sozialpolitik haben Sie nichts beizutragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor einem Jahr hatten wir eine gute Debatte, Kollege Gaugg, als es darum ging, den Pensionisten, den Ärmsten einen Heizkostenzuschuss zu gewähren. Sie erinnern sich sicher daran. Einmal ist die Regierung einem Vorschlag der Opposition gefolgt, 600 Millionen Schilling wurden für Heizkostenzuschüsse vorgesehen. Was sieht man nun auf Basis des Berichtes der Volksanwaltschaft? – Dass von diesen 600 Millionen Schilling lediglich 118 Millionen Schilling ausgeschüttet wurden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vergangene Winter war bei diesem geringen Heizkostenzuschuss für viele Pensionisten extrem kalt. Und wir wollen nicht, dass sich das im heurigen Jahr wiederholt! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher, Herr Sozialminister, werden wir heute wieder einen Antrag auf Gewährung eines Heizkostenzuschusses für die Wintermonate im Ausmaß von 500 S pro Monat und Person einbringen, damit Sie die Möglichkeit haben, die Lehren und Konsequenzen aus dem fehlgeschlagenen Heizkostenzuschuss des vergangenen Jahres zu ziehen, und um Ihnen auch die Möglichkeit zu geben, das einzulösen, worauf auch Sie sich beziehen, denn den Heizkostenzuschuss im Ausmaß von 118 Millionen Schilling des vergangenen Jahres hat Herr Minister Haupt als Argument dafür verwendet, dass die Pensionisten keine volle Inflationsabgeltung bekommen sollen. (Abg. Silhavy: Ein Skandal!)


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Er hat gemeint, da habe es bereits einen Vorzieheffekt gegeben. – 118 Millionen Schilling sind ausgeschüttet worden, und das soll ein Vorzieheffekt für Pensionserhöhungen sein? Herr Minister! Das können Sie nicht ernst gemeint haben. Das ist blanker sozialer Zynismus, den wir ablehnen! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Die Politik der Bundesregierung hat im Übrigen dazu geführt, dass trotz relativ guter Exportraten der österreichischen Wirtschaft in diesem Jahr bereits leider um 25 000 Menschen mehr arbeitslos sind als im vergangenen Jahr. (Abg. Ing. Westenthaler: Noch immer viel weniger als bei euch! Ihr habt 300 000 Arbeitslose gehabt!) Im Winter wird man leider damit rechnen müssen, Herr Westenthaler, dass es um 35 000 mehr Arbeitslose geben wird. Trotz guter Exportraten, trotz guter Aktivitäten der Wirtschaft steigt die Arbeitslosigkeit an, in erster Linie auf Grund der Politik dieser Bundesregierung.

In einer solchen Situation wäre es dringend notwendig, dass das Arbeitsmarktservice die erforderlichen Mittel zur Requalifizierung von Arbeitslosen zur Verfügung hat, um in die Bildung von Arbeitnehmern zu investieren, um dafür zu sorgen, dass möglichst geringer Schaden auf dem Arbeitsmarkt entsteht.

Wie können Sie es zulassen, Herr Sozialminister, dass der Finanzminister umfassend die Töpfe des Arbeitsmarktservice ausräumt, die Versichertengelder, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einbezahlt wurden, missbräuchlich für das Budget verwendet und uns jetzt die Mittel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit fehlen?

Herr Minister! Wenn Sie soziale Verantwortung haben, müssten Sie der Erste sein, der sich gegen den Finanzminister stellt und sagt: Wir brauchen die Gelder aus der Arbeitslosenversicherung für eine ordentliche Arbeitsmarktpolitik, damit die Arbeitslosenzahlen in Österreich nicht steigen, sondern sinken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Die Bundesregierung operiert im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung überhaupt mit dem Prinzip der tauben Ohren. Überall auf der Welt wird von Wissenschaftern, von Experten – auch hier in Österreich – klargestellt, dass wir es leider mit wirtschaftlichen Problemen, mit einem konjunkturellen Einbruch beziehungsweise einer Rezession zu tun haben. Die Politik der Bundesregierung ist jedoch: ableugnen, wegschieben, keine Aktivitäten setzen und sowohl die Arbeitnehmer als auch die Wirtschaft völlig alleine zu lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer Situation des wirtschaftlichen Abschwungs und der Rezession (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie zum ASVG auch etwas?) hat Politik, hat eine Regierung Verantwortung wahrzunehmen. Untätigkeit heißt in diesem Zusammenhang Verantwortungslosigkeit, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen. Und das lehnen wir Sozialdemokraten ab! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber all das findet nicht vor dem Hintergrund sinkender Steuern oder eines schlankeren Staates statt. – Nein! Diese gesamte Nichterfüllung durch die Bundesregierung im wirtschaftspolitischen und im sozialpolitischen Bereich wird auch noch von der höchsten Steuer- und Abgabenquote, die es in der Geschichte unseres Landes jemals gegeben hat, begleitet. (Abg. Böhacker: Das ist unrichtig! Falsch!) Das heißt, diese Regierung nimmt den Bürgern mehr Geld als jemals zuvor weg und bietet den Bürgern bedeutend weniger als jemals zuvor. Das ist eine völlig verfehlte Politik, die Österreich in keine gute Zukunft führen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht darum, Verantwortung wahrzunehmen. Wenn man möchte, dass die Menschen in Österreich gute Chancen haben, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, Herr Gaugg, in einer Zeit der Rezession, in der es um jeden einzelnen Arbeitsplatz geht, in einer Zeit, in der es darum geht, genügend Mittel für die Ausbildung und die Weiterbildung zu haben, in der es darum geht, dass die Pensionisten, die zu den Beziehern der niedrigsten Einkommen in unserem Land gehören, ihren gerechten Anteil bekommen, in der es darum geht, in einer solchen Situation Initiativen zu setzen, die Impulse für die Wirtschaft geben, in der es darum geht, die EU-Erweiterung nicht durch Vetopolitik, sondern durch Infrastrukturprojekte vorzubereiten, braucht man eine Bundesregierung, die handlungsfähig ist (Abg. Ing. Westenthaler: Reden Sie auch einmal


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zum Thema? – Spricht er auch einmal zum Thema, Herr Präsident? Was hat die Erweiterungspolitik mit dem ASVG zu tun?), und nicht eine Regierung, die in sich zerstritten ist und nicht dazu imstande ist, die österreichischen Interessen ordentlich zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wenn wir nicht zum Thema sprechen, werden wir sofort ...! Klare Themaverfehlung! Falscher Tagesordnungspunkt!)

Dass das Herr Westenthaler alles nicht gerne hören will, ist völlig klar, denn er möchte schon die ganze Zeit die sozialpolitische Auseinandersetzung um die soziale Zukunft Österreichs nicht führen. Aus diesem Grund dürfen wir ja auch nicht den Bericht der Volksanwälte hier im Hohen Haus diskutieren, in dem die gesamte Misere der Heizkostenzuschüsse aufgedeckt wird. Das hat nämlich diese schwarz-blaue Regierung verhindert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Erklären Sie mir, was die Erweiterung mit dem ASVG zu tun hat?!)

Die Regierung ist in zentralen Fragen der Zukunft unseres Landes, vor allem was die soziale und wirtschaftliche Stabilität betrifft, nicht handlungsfähig. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist an sich in einer Demokratie kein Problem: Wenn eine Regierung nicht dazu imstande ist, die Probleme zu lösen, dann gibt es die Möglichkeit, die Wähler zu befragen, ob sie mit dieser Politik des Nichtstuns einverstanden sind oder ob man die politischen Verhältnisse neu ordnen soll.

Sie, Herr Westenthaler, der Sie ja ein Anhänger der direkten Demokratie sind (Abg. Ing. Westenthaler: Im Gegensatz zu Ihnen!), können doch nichts dagegen haben, dass wir in Österreich Neuwahlen durchführen, die die umfassendste Form der Volksbefragung darstellen. (Abg. Ing. Westenthaler: Waren schon vor zwei Jahren!) Da kann Ihnen die Bevölkerung das Zeugnis ausstellen, das Sie verdienen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir Ihnen ohne Dramatik die Möglichkeit bieten – wir haben einen Antrag eingebracht, der im Verfassungsausschuss zu diskutieren sein wird –, in Österreich Neuwahlen durchzuführen (Abg. Ing. Westenthaler: Wer früher wählen will, den bestraft der Wähler!), um unser Land von dieser blau-schwarzen Regierung zu erlösen und in eine bessere Zukunft zu führen. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

10.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Die Redezeit beträgt 9 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Gut! Das ist die richtige Antwort auf den Gusenbauer! Hitchcock Gusenbauer! Kein Wort zum Thema, und der Präsident lässt das zu!  – Abg. Dr. Gusenbauer: Westenthaler hat Angst vor Neuwahlen! Angst vor dem Wähler!  – Abg. Ing. Westenthaler: Wir haben ja vor zwei Jahren Neuwahlen gehabt, und da habt ihr eine auf den Deckel gekriegt!  – Abg. Dr. Gusenbauer: Angst vor den Wählern!)

10.21

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Das Rätsel ist gelöst. Warum bemüht sich in einer Sozialdebatte, in der es darum geht, im Rahmen der ASVG-Novelle über eine Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten und die Chipkarte zu diskutieren, der Parteivorsitzende und Klubobmann der SPÖ Gusenbauer heraus an das Rednerpult? Das Geheimnis ist gelüftet! (Abg. Ing. Westenthaler: Er ist so frustriert!) Es war eine Kraut- und Rübendiskussion quer durch den Gemüsegarten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.  – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Er spricht sich von jeder Schuld frei. Er fordert Neuwahlen. Diese Debatte erinnert mich ein wenig daran, dass Ihr voriger Parteivorsitzender vor nicht allzu langer Zeit aus Angst, dass ihn jemand in Österreich für seine Parteischulden verantwortlich macht, nach Argentinien geflüchtet ist.

Lieber Herr Parteivorsitzender Gusenbauer, ich sage Ihnen daher Folgendes: Die Nichtdurchführung von Neuwahlen ist ein Schutz für Sie, weil Sie sich diese ja gar nicht leisten könnten, da


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Sie pleite sind! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Diesen Zustand haben Sie und Ihre Genossen auch in der Republik herbeigeführt. Ihre Devise war und ist: Schulden, Schulden, Schulden! (Abg. Ing. Westenthaler: Jawohl!) Und Sie sprechen hier von Verantwortungslosigkeit! Dieses Wort ist irgendwann gefallen. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen, der ÖVP und der SPÖ.  – Abg. Dr. Gusenbauer: Die Zeit ist abgelaufen! Ihre Zeit ist vorbei!  – Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Dr. Cap deuten auf ihre Uhren.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich sage Ihnen eines, wenn es Ihnen auch noch so wehtut: Verantwortungslosigkeit war das, was Sie und Ihre Genossen bis zum Jahr 2000 hier in Österreich vollzogen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Folgendes möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben: Schauen wir ein klein wenig nach Norden zu Ihrem deutschen Bruder Schröder. Wie geht es ihm denn damit, dass er seinerzeit den Wahlkampf mit dem Versprechen geführt hat, er werde die Arbeitslosenzahlen in Deutschland senken und vieles mehr, und er nun vor einem Desaster steht? Das Einzige, was Herrn Joschka Fischer und Herrn Schröder noch verbindet, sind anscheinend die Kämpfe in Afghanistan (Ruf bei der SPÖ: Reden Sie über Österreich!), aber sie sind weit davon entfernt, ernsthafte Arbeitnehmerpolitik zu betreiben.

Die SPÖ war in der Frage der Beschäftigungspolitik noch nie so unglaubwürdig wie jetzt! Noch nie! (Abg. Ing. Westenthaler: Die SPÖ war überhaupt nie glaubwürdig!  – Widerspruch bei der SPÖ.) Und zwar deshalb, weil sowohl die Republik als auch Ihre Partei – das ist Ihre Angelegenheit – und die Sozialversicherungsanstalten Schulden haben. Das sind Ihre "Leistungen"! Das ist das Erbe, das wir von Ihnen übernommen haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Alle gescheitert!)

Es ist schon interessant, dass Sie unseren Klubobmann darauf ansprechen, dass er doch wohl auch für Demokratie sei. – Meinen Sie, wir sollten so oft Neuwahlen haben, bis Ihnen das Ergebnis passt? Die Frage ist, warum Sie dann in der Öffentlichkeit so vehement gegen das Volksbegehren zur Schließung Temelins auftreten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Die Angst vor den Wählern muss enorm sein, denn Wahlen sind die umfassendste Form der Volksbefragung!) Wo ist hier Ihr Demokratieverständnis? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben die ASVG-Novelle mit keinem Wort und die Chipkarte in einem Nebensatz erwähnt. Sie sprechen von einer Überwachungskarte. (Abg. Ing. Westenthaler: Der weiß ja gar nicht, was das ist!) Großartig! Wissen Sie, was die Chipkarte meiner Meinung nach ist? – Eine Gesundheitskarte (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), die die große Chance beinhaltet, das österreichische Gesundheitswesen zu verbessern, und zwar ohne SPÖ. (Abg. Dr. Cap: Jetzt lachen Sie aber! Er lacht!  – Rufe bei der SPÖ: Blaue Karte! – Abg. Edlinger: Mit einer Karte! Die Leute werden beim Arzt zahlen, haben eine Karte! Das ist "klass"! ... Selbstbehalt!  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

In den letzten Wochen und Monaten war zu beobachten, dass es viel klüger ist, Entscheidungen ohne die SPÖ herbeizuführen als mit ihr, denn diese SPÖ ist in Wirklichkeit keine Oppositionspartei mehr, sie ist zu einer Destruktionspartei geworden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie sind nicht mehr in der Lage, Leistungen zustande zu bringen.

Bezüglich des Heizkostenzuschusses: Wie heißt es so schön? – Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist ein Waisenkind. Nun behaupten plötzlich Sie, der Erfinder des Heizkostenzuschusses gewesen zu sein. (Abg. Sophie Bauer: Vom Heizkostenzuschuss Sie aber sicher nicht!) Wahrscheinlich werden Sie uns bei der 60. ASVG-Novelle erklären, dass Sie der Erfinder des Kindergeldes in Österreich gewesen sind. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist wirklich abenteuerlich. Ich darf Sie daran erinnern, dass diese Regierung trotz des Desasters in der Budgetpolitik, das Sie hinterlassen haben, auch für soziale Leistungen steht. Die Einführung des Kindergeldes ist eine Leistung, die erreicht wurde. Auch diese ASVG-No


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velle ist eine Leistung, das können Sie uns nicht absprechen, auch wenn es Ihnen wehtut. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo ist der Fortschritt?)

Die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten ist ein historischer Schritt. (Ruf bei der SPÖ: Sie schröpfen die Arbeiter!) Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, bei dem es darum geht, die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten fortzusetzen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Was ist mit den Bauern und Selbständigen?  – Rufe bei der SPÖ: Blaue Karte!) Das, was Ihnen über Jahrzehnte hinweg nicht gelungen ist, gelingt uns innerhalb von zwei Jahren: die Gleichstellung in der Unfall- und Krankenversicherung und die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es erstaunt mich sehr, dass sich die SPÖ nicht nur hier im Parlament als destruktiv erweist, sondern dass sich ihre Funktionäre im Hauptverband der Sozialversicherungsträger zurücklehnen und den Misserfolg geradezu herbeisehnen. Was sind das für Menschen, die für österreichische Bürger Verantwortung tragen und sich zurücklehnen, anstatt an einer besseren Zukunft mitzuarbeiten? (Abg. Silhavy: Nehmen Sie das auf der Stelle zurück!)

Das würde ich mir von Ihren Herren Oberchristl, Sallmutter, Vogler und wie sie alle heißen erwarten. Da gibt es immerhin den Herrn Vogler, der 1994 bekannt wurde, als er meinte, das Ergebnis der Arbeiterkammerwahlen sei ganz großartig ausgefallen. Dann hat ihn Herr Vranitzky "ganz großartig" entsorgt, aber heute ist er immer noch Obmann der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und treibt dort sein Unwesen. (Abg. Edlinger: Habt ihr das gehört? "Entsorgt"!)

Sagen Sie mir, in welcher Firma Sie mit destruktiven und kontraproduktiven Personen, die nur parteipolitisch denken, Erfolge erzielen können! Herr Kollege Gusenbauer! Diese Personen müssen ausgetauscht werden, erst dann beginnt eine verantwortungsvolle Mitarbeit an der Frage der sozialen Absicherung und der Zukunftssicherung in Österreich.

Wo sind Ihre Lösungen in der Frage der zukünftigen Pensionen? Sie sprechen von Inflationsratenabgeltung für alle. (Abg. Dr. Gusenbauer: Eine Vollpension mit 55 ist aber okay?) Natürlich – der Blecha muss versorgt werden, denn das ist ein Genosse, den man wieder zurück ins Boot geholt hat. Man darf nicht vergessen, dass ein gewisser Herr Rudas wahrscheinlich den Herrn Blecha ans Messer geliefert hat, dann war er weg, und auf einmal ist er wieder da, im Mittelpunkt der Politik. Er braucht diese Erhöhung von 2,9 Prozent natürlich auch!

Ich trete dafür ein, dass wir mit einem Fixbetrag ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy.  – Ruf bei der SPÖ: ... Deckel ...!  – Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Dr. Cap deuten mit ihren Händen einen imaginären Deckel an.)  – Der kriegt höchstens den Deckel von seiner Frau auf den Kopf, wenn er zu vorlaut ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Aufruf zur Gewaltanwendung! Das ist ja unerhört! Der ruft zur Gewalt gegen den Präsidenten Blecha auf! Ist das der neue Ton?  – Abg. Ing. Westenthaler: Alfred Hitchcock Gusenbauer!  – Anhaltende Zwischenrufe.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Fixbeträge würden für die österreichischen Pensionisten in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit auch in weiterer Folge eine Zukunftssicherung bedeuten.

Die Frage der Chipkarte wird uns auch in den nächsten Wochen und Monaten noch intensiv beschäftigen, denn es ist ein wesentlicher und wichtiger Schritt, sie umzusetzen und einzuführen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Herr Kollege Gusenbauer! Spielen Sie nicht immer den Vordenker der Nation! Ihre Meinung ist kaum gefragt! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wenn Sie mit den versicherten Menschen reden, werden Sie erfahren, dass viele mit Begeisterung darauf warten, ihre Notfalldaten auf die Karte implementieren zu dürfen. Das ist ein Faktum. (Abg. Dr. Khol: Natürlich!  – Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!  – Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Faktum ist, dass dem Patienten geholfen sein kann, wenn er seine Daten zur Verfügung hat. (Rufe bei der SPÖ: Blaue Karte!) Ich bin Ihrer Meinung, dass mit der Einführung der Chipkarte auch eine Verwaltungsvereinfachung und eine Kostenreduzierung einhergehen müssen. Wir


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wollen auf solide Weise an diese Sache herangehen, das ist der Grund dafür, warum wir diese Gebührenfrage heute noch nicht klären.

Aber erlauben Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung zu einem Bereich, der nicht unmittelbar mit dem ASVG zu tun hat. (Abg. Ing.  Westenthaler: Jederzeit! Du kannst alles sagen, weil vorher hat er die ganze Rede nicht zum Thema geredet, und der Präsident hat nichts gesagt!) Ich lese mit großem Staunen eine Anfrage des Vorsitzenden des Sozialausschusses, des Abgeordneten Dietachmayr. – Er ist noch nicht so bekannt, vielleicht wird er durch diese Anfrage etwas bekannter. – Sie stellen bezüglich der Frage "Abfertigung neu" eine Anfrage an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit. Der Succus daraus ist, dass Ihnen eigentlich gar nichts daran passt. Sie fragen, warum sie so niedrig ist, und so weiter. Sie stellen 15 oder 20 Fragen – ich weiß nicht, wer die für Sie verfasst hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber jetzt frage ich Sie: Eine Reihe weiter sitzt Ihr großer Vorsitzender, ÖGB-Präsident Verzetnitsch (Abg. Ing. Westenthaler: Ach ja?), und warum fragen Sie ihn nicht? Fragen Sie ihn doch! Sie sind so hoch unzufrieden mit Ihren eigenen Sozialdemokraten, mit den Sozialpartnern, über die Sie immer sagen, sie würden ins Abseits gestellt. Jetzt machen sie ein Modell – und Sie sind der Erste, der sagt: Das passt mir nicht, Herr Bartenstein! – Es wäre ehrenvoller gewesen, wenn Sie zuerst einmal Ihren Präsidenten gefragt hätten, weil er diese Sozialpartnervereinbarung unterschrieben hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Der kann sich nicht durchsetzen, der Verzetnitsch!)

Zweitens darf ich Ihnen dazu noch sagen, dass dies ja erst der Beginn einer Neuregelung ist, die sicherstellen soll, dass alle österreichischen Arbeitnehmer in den Genuss einer Abfertigung kommen und damit eine Zukunftssicherung auch im Alter haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Gusenbauer: So schwach war der selten, der Gaugg!)

10.31

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über Neuwahlen zu diskutieren ist sicher angesichts (Ruf: Klar! – ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) des Regierungschaos eine wichtige Sache. Ich bin froh über die Ankündigung des Vorsitzenden der SPÖ. Das sollte man sich ohne Eifer ganz nüchtern im Verfassungsausschuss ansehen.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gaugg, ich möchte schon, dass wir nicht so wie Sie kritisieren, dass die SPÖ über Neuwahlen spricht und nicht über das ASVG – wobei Sie dann nur Säuberungen fordern und nicht über das ASVG sprechen. Ich möchte über das ASVG diskutieren, und zwar gerade im Zusammenhang mit dem Zustand der Regierungsparteien und gerade deswegen, meine Damen und Herren, weil über die Einführung einer Chipkarte, aber auch über das, was wir gestern beschlossen haben – Bildungsdokumentationsgesetz –, die verfassungsmäßigen Grundlagen dieser Republik weiter erodieren. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Silhavy: Der Gaugg ist schon hinausgegangen!)

Viele in diesem Haus begreifen das offensichtlich nicht, während andere, meine Damen und Herren, wissend zuschauen. Da kann es Stellungnahmen des Verfassungsdienstes geben, die niemanden rühren. Egal, da fahren wir drüber! Das ist zwar eine Einrichtung des Bundeskanzleramtes, also eigentlich der Regierung, und man möchte schon meinen, dass die Regierung auf ihre eigenen Organe etwas besser hört, wenn sie schon nicht auf das Parlament hört. Aber egal! Egal! Verfassungsrechtliche Bedenken? – Was kümmert das uns! Was kümmert das uns?

Da sagt Herr Abgeordneter Gaugg ganz locker und flauschig: Die Bevölkerung wartet ja doch auf die Speicherung von Gesundheitsdaten – egal, ob sie verfassungsrechtlich problematisch ist oder nicht. Das kann man da einfach so sagen, weil das Verfassungsrecht für die Mehrheit in diesem Haus offensichtlich kein Kriterium ist, unter dem sie Politik machen will.


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Meine Damen und Herren! Ich komme zum ASVG und zur Zusammenlegung PVAng/PVArb. Das ist der einfachste Punkt. Wir haben uns immer in der Tendenz dafür ausgesprochen und halten es auch prinzipiell für eine sinnvolle Sache. Allerdings, meine Damen und Herren: Erklären Sie mir bitte, warum ausgerechnet Ihr eigener Finanzminister sagt, dass das, was Sie vorschlagen, nicht kostenneutral und schon gar nicht kostensenkend ist. Ja, bitte, Sie machen es ja genau unter dem Aspekt, dass es Kosten senken soll! Und jetzt sagt Ihr eigener Finanzminister Grasser, Herr Bundesminister, Ihr Kollege aus der eigenen Partei: Das ist es nicht. Das Gegenteil wird es sein.

Ich vermute, es wird schon seinen Grund haben, dass man da in willkürlicher Art und Weise kurzfristig in diese Zusammenlegung hineintreibt, nämlich damit man dann den Sozialversicherungsanstalten möglicherweise sagen kann: Ihr seid ja unfähig, die Zusammenlegung so zu organisieren, dass das Kosten senkt. Nur, meine Damen und Herren: Der Finanzminister sagt es vorher, und das ist ein Freund Ihrer Partei – und nicht unserer Partei. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Im § 81a des Gesetzes wird für den Hauptverband der Sozialversicherungsträger eine Informations- und Aufklärungspflicht festgehalten und gefordert. – Der Maulkorb-Paragraph. Meine Damen und Herren! Das ist nicht anders zu bezeichnen denn als ein Zensur-Paragraph, wenn alle Informationen und Aufklärungen des Hauptverbandes beziehungsweise der einzelnen Sozialversicherungen bis zu 48 Stunden lang beim Minister aufliegen müssen.

Uns wurde im Ausschuss erklärt: Meine Damen und Herren von der Opposition, ihr könnt ja nicht unterscheiden zwischen einer Meinungsäußerung eines Menschen aus der Sozialversicherung und dem, was in Broschüren drinnen steht. Das ist genau differenziert im Entwurf, und die Meinung soll selbstverständlich nicht zensiert werden, egal, ob es der Herr Frad ist oder der Herr Sallmutter war oder meinetwegen der Herr Bittner von der Wiener Gebietskrankenkasse, mit dem Sie, Herr Bundesminister, sich ja gerade ein aktuelles Gefecht liefern. Diese Meinungen sollen nicht von der 48-Stunden-Auflage- und Informationspflicht betroffen sein.

Herr Bundesminister! Ich lese da etwas anderes im Gutachten des Verfassungsdienstes. Da heißt es nämlich, der Entwurf muss klarstellen, dass die Meinungen nicht betroffen sind. Das sagen auch verschiedene andere Stellen. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes sagt, da werden Grundrechte angesprochen, die passive und aktive Informationsfreiheit wird damit angesprochen. – Und Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben das zu regeln und zu gewährleisten, und Sie tun es nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Sie treffen da willkürlich Maßnahmen, mit denen Sie laut Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes die Informations- und Meinungsfreiheit einschränken. Ja ist Ihnen das bewusst, ist Ihnen das egal? – Ich nehme an, es ist Ihnen egal, Sie wollen es so haben. Und darum sage ich: Ich will über das ASVG diskutieren. Und darum, meine Damen und Herren, gibt es auch einen entsprechenden Abänderungsantrag von unserer Seite, mit dem wir die Rückverweisung nicht nur des gesamten ASVG fordern, sondern in dem wir auch fordern, dass – wenn Sie schon nicht der Rückverweisung des ASVG zustimmen – dieser Punkt über die Informations- und Aufklärungspflichten ersatzlos gestrichen wird.

Zur Chipkarte, meine Damen und Herren. Eines störte mich in der Debatte um die Chipkarte schon zu Beginn – und das ist auch das, was mich an der SPÖ-Haltung von damals stört. Es war nämlich ein Entschließungsantrag von drei Parteien: SPÖ, ÖVP und FPÖ haben sich 1996 in einer Entschließung dafür ausgesprochen, die Chipkarte sofort – Kollege Feurstein weiß es hoffentlich noch, was ich damals gesagt habe – einzuführen. Man war der Meinung, das werde schon 1997 der Fall sein. 1998 sollten wir die Chipkarte schon haben. Ich habe damals schon gewarnt, das werde nicht so gehen. – Das war der eine Punkt der Kritik.

Der zweite Punkt der Kritik war: Warum wird auf dieser kleinen Karte ein großer Speicherplatz für wenige Informationen genommen? – Damals wurde mir erklärt: Wir brauchen diesen Speicherplatz jetzt nicht, da sollen ja ohnehin nur wenige Daten hinaufkommen, die Stammdaten der


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Sozialversicherungsnummer, aber sicher eines nicht, nämlich Gesundheitsdaten, die kommen nicht drauf. – Und das wurde ja dann auch im ASVG so verankert.

Wir haben damals einen Antrag eingebracht, in dem wir gesagt haben, wir möchten jede multifunktionale Nutzung dieser Schlüsselkarte ausschließen. Das haben Sie damals schon abgelehnt. Da haben wir gewusst: Da hat’s was, da liegt der Hase im Pfeffer, wenn auf einer kleinen Karte mit großem Speicher zunächst nur wenige Informationen abgespeichert werden sollen und versichert wird: Da kommt nichts dazu, aber wer weiß, vielleicht brauchen wir in einigen Jahren doch etwas mehr Platz, weil die Stammdaten so wuchern.

Jetzt haben wir noch vor der Einführung der Chipkarte ein Modell, wonach nicht nur die Speicherung von Sozialversicherungsdaten, der Nummer des Zentralen Melderegisters, einer digitalen Signatur, sondern auch die Speicherung von Notfalldaten vorgesehen ist, und darüber hinaus kann und soll diese Karte als Schlüsselkarte für Schnüffelinformationen für das Bildungssystem dienen. (Abg. Dolinschek: Wollen Sie eine große Karte mit kleinem Speicher?) Das wissen Sie, das haben wir gestern beschlossen. Frau Wochesländer, die dabei nichts findet, sagt: Wer da nicht über sich schnüffeln lässt, so wie Herr Öllinger, der hat etwas zu verbergen, der hat Dreck am Stecken. (Abg. Wochesländer: Wenn ich nichts zu verbergen habe, was ist dabei?) So haben Sie argumentiert, Frau Kollegin Wochesländer! (Abg. Wochesländer: Das habe ich nicht gesagt!) Sie wissen es genau. Und diese Information, die sollen die Österreicherinnen und Österreicher nur haben! (Beifall bei den Grünen.)

Sie sagen hier im Haus: Wer nicht in allen Daten, in allen Informationen, die es über ihn gibt, schnüffeln lässt, der hat Dreck am Stecken. – Das ist die Einstellung einer Fraktion, die sich freiheitlich nennt! Ja wissen Sie eigentlich, was Sie da gesagt haben, Frau Kollegin Wochesländer? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Haben Sie eine Ahnung davon, wie sehr Sie schon bereit sind, Grundrechte, Menschenrechte, Bürgerrechte mit Füßen zu treten? Das ist ja unglaublich! (Abg. Dr. Pumberger: Sie verleumden eine Frau!)

Das muss man sich ja vorstellen! Wenn jemand nicht alle seine Informationen, bei denen die Europäische Union klarerweise in der Datenschutzrichtlinie sagt: es gibt ein Recht auf Geheimhaltung, es gibt ein Recht auf sensible Daten, die dürfen nur weitergegeben werden, wenn die betreffende Person zustimmt!, zur Verfügung stellen will, sagt Frau Wochesländer: Nein! Nein! Die müssen preisgegeben werden, und wer sie nicht preisgibt, der hat Dreck am Stecken! – Das ist die Haltung, die Sie am besten charakterisiert! (Abg. Wochesländer: Vielleicht kommen Sie einmal in die Lage, dass Sie schnell medizinische Hilfe brauchen!)

Eine Person, die in einem Betrieb angestellt werden soll, sagt: Ich gebe meine Notfalldaten nicht dem Betriebsarzt. Der darf sie nicht durch den Schlitz des Lesegerätes ziehen. – Da steht Frau Wochesländer dabei und meint: Diese Person hat Dreck am Stecken, sie hat etwas zu verheimlichen!

Aber ich sage Ihnen eines, Frau Wochesländer: Genau in diesem Punkt sind die Österreicherinnen und Österreicher sensibel. (Abg. Wochesländer: Ja, ihnen macht es nichts, denn sie haben nichts zu verbergen!) Sie wollen eines nicht bei der Verwendung sensibler Daten: dass die Arbeitgeber Informationen darüber erhalten können. Das wollen sie nicht. Und ich bin eigentlich ganz froh darüber, dass die Arbeitgeberseite auch im Ausschuss gesagt hat: das interessiert uns nicht besonders!, aber es beruhigt mich nicht. Es beruhigt mich nicht angesichts einer Einstellung, wie Sie sie geäußert haben. (Abg. Wochesländer: Weil ich nicht so verkorkst bin wie Sie!)

Klar ist: Mit dem heutigen Tag und der vermutlich erfolgenden Beschlussfassung über dieses Gesetz ist die Sozialversicherungskarte zum Projekt Bürgerkarte mutiert. Und damit sind für Sie und für die Verwaltung und für alle, die schnüffeln wollen innerhalb der Verwaltung, alle Türen und Tore offen, um schnüffeln zu können, um Daten zusammenführen zu können. Das ist möglich. (Abg. Steibl: Herr Öllinger, ich verstehe Sie nicht! Das ist ja zum Wohle der Menschen!)


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Zweiter Punkt: die Gebühr. Meine Damen und Herren! Wir haben ja in den letzten Wochen vieles erlebt: Einmal sollte die Gebühr kommen, dann wieder nicht. Und es ist Ihnen gelungen, mit der Debatte über diese Gebühr eines zuzudecken, was hinter diesem Projekt steht: den Abbau von Grund- und Bürgerrechten, die Einschränkung verfassungsmäßiger Rechte. – Sie lachen, Herr Kollege Spindelegger. Haben Sie vielleicht die Stellungnahme des Verfassungsdienstes gelesen? (Abg. Dr. Spindelegger: Herr Kollege! Sie erregen sich über Dinge, die Sie selbst behaupten!) Darf ich Sie bitten, daraus zu zitieren? Sie haben die Möglichkeit, herauszugehen und zu entgegnen. Lesen Sie die Stellungnahme Ihres Regierungsorgans, das sagt: Einschränkung von verfassungsmäßigen Rechten, vermutete Verfassungswidrigkeit.

Nach dem gestrigen Tag wundert mich gar nichts. Beim Bildungsdokumentationsgesetz habe ich dem Bürgermeister von Grieskirchen sozusagen vorexerziert, wie leicht es in Zukunft möglich ist, zu Daten wie einer Fünferliste zu kommen, wie leicht es möglich ist, in die Bildungsdokumentationsdaten einzusteigen. Sie von den Regierungsparteien aber haben gesagt: Wir beschließen es trotzdem! Das zeigt, wie leichtfertig man über derartige Bedenken hinweggeht! (Abg. Mag. Schweitzer: Ihr habt einen pathologischen Verfolgungswahn!)

Aber ich sage Ihnen eines: Spätestens beim Verfassungsgerichtshof wird ja dann darüber entschieden, und ich bin mir relativ sicher, dass der Verfassungsgerichtshof mehr Sensibilität in dieser Frage zeigt und sicher auch eine andere Sensibilität in Grundrechtsfragen als die Vertreter der Regierungsparteien. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! So geht es nicht! Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Grünewald, Freundinnen und Freunde betreffend die Regierungsvorlage zur 59. ASVG-Novelle (834 der Beilagen und Zu 834 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes 892 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage zur 59. ASVG-Novelle (834 der Beilagen und Zu 834 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichts (892 der Beilagen) wird wie folgt geändert und lautet:

Ziffer 30 entfällt.

Die folgenden Ziffern werden entsprechend umnummeriert.

*****

Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Wochen eine Debatte über die Gebühren geführt, in der Abgeordneter Pumberger an einem Tag gesagt hat, die ÖVP werde sich mit der Forderung nach Gebühren an ihm die Zähne ausbeißen (Abg. Wochesländer: So hat er das nicht gesagt! Ich habe es ja auch gehört, bitte!), am nächsten Tag aber gesagt hat: Ich habe mir das jetzt erklären lassen, und jetzt bin ich für die Gebühr. – Am übernächsten Tag war er wieder dagegen.

Am heutigen Tag sagt man uns: Wir wollen uns für die Gebühren Zeit nehmen, damit eine Verwaltungsvereinfachung herauskommt, damit weniger bezahlt werden muss.

Meine Damen und Herren! Seien Sie sich darüber im Klaren, dass das Projekt Bürgerkarte für die Versicherten auch Kosten für diese Karte bedeutet. Das Projekt Bürgerkarte bedeutet auch Kosten für die Zusatznutzung, für die Speicherung von Notfalldaten, mit denen, wie es auch der Verfassungsdienst anmerkt, Tür und Tor geöffnet wird für die ungehemmte Ausnutzung und Einlesung dieser Daten auch durch Dritte, obwohl sie nicht die Möglichkeit dazu haben sollten. Das stellt auch der Verfassungsdienst fest.


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Seien Sie sich im Klaren darüber, dass die Schaffung einer digitalen Signatur und die Möglichkeit beziehungsweise die Verpflichtung, die Zentrale Melderegister-Nummer auf dieser Bürgerkarte abzuspeichern, der Einstieg in den Schnüffelstaat ist, der Einstieg in den Schnüffelstaat über eine nur scheinbar kleine Karte. Und das wissen Sie, meine Damen und Herren. (Abg. Neudeck: Da riecht’s nach Zwiebel!)

Herr Kollege Neudeck, wenn Sie da riechen: Sie riechen es noch nicht. Radioaktivität kann man auch nicht riechen.

Trotzdem: Das bedeutet den Abbau von Grund- und Bürgerrechten in einer ganz sensiblen Frage. Wir Grüne machen da nicht mit! Wir werden alle Mittel anstrengen, damit nicht nur die Gebühr zu Fall kommt. So können Sie die Krankenkassen nicht sanieren, und das wissen Sie auch. Übrigens: Die deutschen Krankenkassen erhöhen von gestern auf heute ihre Beiträge. (Abg. Wochesländer: Dort sind die Grünen in der Regierung!) Von gestern auf heute! Und das war doch Ihr Vorbild, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, das Konzept der Versicherungspflicht nach deutschem Muster. (Abg. Wochesländer: Das ist Ihr Vorbild!)

Meine Damen und Herren! Seien Sie sich im Klaren darüber, dass Sie überhaupt keinen Beitrag geleistet haben, um hier Verwaltungsvereinfachung zu betreiben. Seien Sie sich im Klaren darüber, dass dieses Projekt Chipcard und Bürgerkarte der Einstieg in den Abbau von Grund- und Freiheitsrechten ist, bei dem Sie noch erheblich mit dem Widerstand der Oppositionsparteien und vor allem auch unserer Partei, der Grünen, zu rechnen haben werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle fest, dass der soeben vorgetragene Antrag ordnungsgemäß eingebracht ist und mit in Verhandlung steht.

Außerdem habe ich von Kollegem Schweitzer einen Zwischenruf gehört, den er aber jetzt mit Bedauern zurückgenommen hat. Ich begrüße das und halte das für richtig.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte.

10.48

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wenn man die Beratungen im Ausschuss mitverfolgt hat, dann weiß man, dass das, was Herr Öllinger zum Besten gegeben hat, unerhört ist. Er hat bewusst die Unwahrheit gesagt, ganz bewusst!

Erstens: Es gibt zum vorliegenden Regierungsentwurf keine Stellungnahme des Verfassungsdienstes, in der das, was in diesem Entwurf vorgeschlagen wird, bezweifelt würde, indem es nämlich darin hieße, es wäre gegen die Verfassung. Es gibt diese Stellungnahme des Verfassungsdienstes zu diesem Entwurf nicht! – Erster Punkt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweiter Punkt: Der Vorsitzende des Datenschutzrates hat ausdrücklich festgestellt: Ich sehe den Schutz der Privatsphäre im Gesundheitsbereich durch die Chipkarte gegenüber dem derzeitigen Zustand als verbessert. – Gegenüber dem derzeitigen Zustand als verbessert – so der Vorsitzende des Datenschutzrates, meine Damen und Herren. Sein Stellvertreter hat ähnlich argumentiert. (Abg. Mag. Kukacka: Der Öllinger ist auf Tauchstation! Der schämt sich! – Abg. Silhavy: Wessen Stellvertreter? Wie heißt der Stellvertreter?) Und es gibt vom Datenschutzrat ein positives Gutachten, in dem bestätigt wird, dass der Datenschutz in diesem Entwurf, den wir im Ausschuss beschlossen haben, gewährleistet ist, meine Damen und Herren. Ich finde es unerhört, Herr Öllinger, dass Sie Dinge, die im Ausschuss ganz klar festgestellt worden sind, einfach ignorieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, Sie haben die Formulierung verwendet – und da muss ich Ihnen eigentlich zustimmen –: Die Regierung hat Österreich in eine gute Zukunft geführt. – Jawohl! Wenn Ihre Vorgaben vom Jänner 2000 umgesetzt worden wären, hätten wir ein Defizit von 100 Milliarden Schilling – wir haben jetzt kein Defizit mehr. Der Finanzminister hat erreicht – mit der Regierung, mit den Abgeordneten, mit den Regierungsparteien –, dass ein 100-Milli


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arden-Defizit auf null reduziert werden konnte, meine Damen und Herren. – Erster Punkt. (Abg. Verzetnitsch: Der Steuerzahler hat’s bezahlt!)

Zweiter Punkt: Es hat in der ganzen letzten Periode – Herr Abgeordneter Präsident Verzetnitsch, Sie wissen das! – nie so wenig Altersarbeitslosigkeit gegeben wie im Jahre 2001 – nie so wenig Altersarbeitslosigkeit wie im Jahre 2001! – und nie so wenige Langzeitarbeitslose wie im Jahre 2001. Und, meine Damen und Herren, wenn wir für die älteren Menschen und für die Langzeitarbeitslosen Arbeit vermitteln, ihnen Arbeit anbieten, wenn wir sie weiterbilden, so kann diese Arbeitsmarktpolitik nicht schlecht sein. Das ist die Arbeitsmarktpolitik, die unsere Leute wollen, und ich bin auch davon überzeugt, dass die SPÖ-Vertreter diese Arbeitsmarktpolitik wollen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist schon richtig, dass Sie uns nicht nur ein Budget übergeben haben, das verschuldet war (Abg. Dr. Mertel: Da haben Sie aber kräftig mitgewirkt!) und bei dem weiterhin Verschuldung drohte, sondern Sie haben uns auch eine Sozialversicherung, in der Sie bis zum Sommer 2001 eine Mehrheit von 70 Prozent – 70 Prozent! – hatten, übergeben, die stark defizitär war, meine Damen und Herren. Und was hat Herr Präsident Sallmutter von der SPÖ getan? – Er hat in keiner Weise konstruktiv mitgearbeitet, dass die Krankenversicherungen saniert werden können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In keiner Weise hat Sallmutter positiv dazu beigetragen. Im Gegenteil: Er hat nur negative Äußerungen gemacht, so wie Ihr SPÖ-Obmann von der Wiener Gebietskrankenkasse, Bittner. Meine Damen und Herren! Er führt eine der finanziell schlechtesten Gebietskrankenkassen in Österreich und erlaubt sich, in die Öffentlichkeit zu gehen und sich zu brüsten! Ich sage: Er soll zunächst einmal in seinem Haus Ordnung schaffen, so wie das auch andere tun!

Ich frage Sie, Herr Präsident Verzetnitsch: Warum gelingt es in Oberösterreich, eine gute Gebietskrankenkasse zu führen, und warum gelingt es nicht in Wien? (Abg. Verzetnitsch: Sie kennen die Strukturen!) Warum gelingt es in Oberösterreich, warum gelingt es nicht in Wien, meine Damen und Herren? – Oberösterreich hat uns vorgezeigt, wie man das macht! (Abg. Verzetnitsch: Das liegt an den Strukturen!)

Ich möchte Sie aber auch loben, Herr Präsident Verzetnitsch: Sie waren es, mit Präsident Tumpel, mit der Wirtschaftskammer, mit der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, der uns im Frühjahr ein Konzept für gemeinsame Lösungsansätze präsentierte. (Abg. Verzetnitsch: Was haben Sie damit gemacht?) Ich glaube, dass das eine sehr vernünftige Unterlage, eine sehr vernünftige Grundlage ist, um die Sanierung herbeizuführen und fortzuführen. (Abg. Verzetnitsch: Warum tun Sie es nicht?) Ich sage Ihnen: Wir werden es tun!

Herr Minister Haupt hat ja – das sollte man, glaube ich, auch einmal sagen – in den letzten eineinhalb Jahren sehr wesentliche Ansätze für die Sanierung der Krankenversicherung aufgezeigt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Defizit, meine Damen und Herren, würde im Jahre 2001 mindestens 6 Milliarden Schilling betragen. Das Gutachten von Leitner & Leitner besagt, dass wir immer noch bei 3,7 Milliarden Schilling liegen. Ich verniedliche das nicht, im Gegenteil: Dieses Gutachten verlangt, zu handeln, und wenn Sie bereit sind, Herr Präsident Verzetnitsch, werden wir auf Basis dieses Gutachtens weitermachen und die Sanierung der Krankenversicherung – allerdings mit einer neuen Führung des Hauptverbandes – herbeiführen. Die alte Führung war nicht bereit, diese notwendigen Maßnahmen mit uns durchzutragen; Sie kennen die entsprechenden Aussagen von Präsident Sallmutter.

Meine Damen und Herren! Es ist ein entscheidender Schritt, der heute gesetzt wird. Nach über 25 Jahren werden wieder zwei Pensionsversicherungsträger zusammengeführt: eine Pensionsversicherung für die unselbständig Erwerbstätigen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was bedeutet das, meine Damen und Herren? – Das bedeutet natürlich, dass die Organe verkleinert werden, aber es bedeutet mehr Versichertennähe, denn das, was unter Ihrer Führung nicht möglich gewesen ist, werden wir umsetzen: Es wird neun Landesstellen geben – neun


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Landesstellen, die Auskünfte, verbindliche Auskünfte, erteilen können, die Bescheide ausstellen und auch entscheiden können.

Zur Versichertennähe: Wir gehen durch diesen Zusammenschluss zu den Versicherten – ein ganz wichtiger Punkt dieser neuen gemeinsamen Pensionsversicherung für alle Angestellten und Arbeiter. Keine unterschiedlichen Bescheide mehr, keine unterschiedliche Vollziehung des ASVG, sondern gemeinsam, meine Damen und Herren. – Ein ganz entscheidender Schritt.

Ich meine, dass der zweite entscheidende Punkt dieser Novelle die Einführung der Chipcard ist. Ich wiederhole noch einmal, meine Damen und Herren: Die Chipkarte bedeutet, dass Versicherungsschutz für jeden gegeben wird, der diese Karte besitzt. Jeder Versicherte kann nun zum Arzt gehen und erhält vom Vertragsarzt volle Leistung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich brauche keine 40 Millionen Zettel mehr – 40 Millionen Krankenscheine gibt es noch im Jahre 2001! (Abg. Dr. Khol: Das ist ja ein ganzer Wald, den wir hier sparen!) Diese 40 Millionen Krankenscheine werden beseitigt. Der Versicherte hat eine Karte, und auf dieser Karte wird bestätigt: Jawohl, du hast Versicherungsschutz, Sie haben Versicherungsschutz.

Und das Zweite: Auf freiwilliger Basis – wenn Arzt und Patient, Versicherter, sich einigen – können Notfallsdaten draufkommen, Daten, die im konkreten Fall lebensrettend sein können, meine Damen und Herren. Und da sind Sie dagegen, dass der Versicherte sagt, dass ich persönlich sage: Jawohl, wenn ich einen schweren Unfall habe, möchte ich, dass der Arzt feststellen kann, was für mich in diesem Notfall ganz wichtig ist, was für mich lebensrettend ist!? Sie sind dagegen, meine Damen und Herren, dass wir diese Möglichkeit schaffen? (Abg. Mag. Posch: So ein Demagoge!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, das geht nicht! Das geht nicht, das nehmen Sie zurück! – (Abg. Mag. Posch macht eine entsprechende Geste.) – Gut.

Setzen Sie bitte fort, Herr Abgeordneter Feurstein. (Abg. Dr. Khol: Ordnungsruf! Das ist der Posch, immer der Posch! – Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Entschuldigung! Entschuldigung! – Abg. Silhavy: Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen!)

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Zugang zu diesen Daten hat nur der behandelnde Arzt! Und wenn behauptet wird, der Arbeitgeber hätte Zugang, so ist das wieder eine bewusste Verdrehung von Tatsachen: Der Arbeitgeber hat keinen Zugang zu diesen Daten, sondern nur der behandelnde Arzt – und niemand anderer! Und da sind Sie dagegen, dass der behandelnde Arzt diese Notfalldaten, diese Daten im Notfall abrufen kann?

Wir meinen, das ist gerechtfertigt, der Datenschutzrat meint, das ist richtig und notwendig, und die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung meint dies ebenfalls, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir vor einer großen Herausforderung stehen. Die Einführung dieser Chipkarte von Sommer 2002 bis 2003 wird natürlich für die Betroffenen, für den Hauptverband, für die Gebietskrankenkassen, für die Ärzte, eine sehr große Herausforderung bedeuten, und sie werden diese Herausforderung bewältigen – ich bin davon überzeugt! –, denn die Vorarbeiten sind entsprechend gediehen.

Ich bin auch überzeugt davon, dass es in absehbarer Zeit zu einer Verbesserung und zu einer Lösung der finanziellen Probleme bei den Krankenversicherungsträgern kommt. Aber eines möchte ich auch ganz klar sagen: Wer heute erklärt, auf die 800 Millionen Schilling, die die Krankenscheingebühr bisher gebracht hat, könne man verzichten, der irrt.

Auf diese 800 Millionen Schilling kann die Krankenversicherung nicht verzichten, denn wer das tun würde, würde der Krankenversicherung einen neuen Dolchstoß versetzen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) – Das sollte klarge


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stellt sein. Da können wir keine Kompromisse eingehen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Ich wünsche mir, dass wir diese Novelle nun beschließen und dann gemeinsam – Sie sitzen nach wie vor in den entscheidenden Organen der Pensionsversicherung der Arbeiter und Angestellten – an der Umsetzung des Zusammenführens und auch an der endgültigen Sanierung der Krankenversicherungen mitwirken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.01

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich hoffe, dass Herr Präsident Fischer noch da ist. Ich beantrage, so wie Sie es gestern bei Herrn Kollegen Cap ausdrücklich gelobt haben, in ziviler und nobler Form, einen Ordnungsruf für Herrn Abgeordneten Posch für den Ausdruck "Demagoge", den alle deutlich gehört haben. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.) Herr Abgeordneter Posch ist ein Abgeordneter, der immer wieder durch verbale Aggressionen auffällt. (He-Rufe bei der SPÖ.) Auf Seite 469 der Geschäftsordnung ist das Wort "Demagogie" als ein solches aufgezählt, für das immer wieder Ordnungsrufe verhängt wurden. Ich beantrage das.

11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich habe mich vor 15 Minuten bei einem Zwischenruf des Abgeordneten Schweitzer, der Herrn Abgeordnetem Öllinger einen pathologischen Zustand vorgeworfen hat, damit begnügt, dass Herr Abgeordneter Schweitzer mir gegenüber erklärt hat, er ziehe diesen Ausdruck zurück. Ich habe das zur Kenntnis genommen. Ich bin für das Prinzip der Gleichbehandlung.

Hätte Herr Abgeordneter Posch das nicht zurückgenommen, dann hätte er selbstverständlich einen Ordnungsruf bekommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Entschuldigen muss er sich!) Aber so muss ich die Abgeordneten gleich behandeln.

Das ist meine Stellungnahme zum Verlangen des Herrn Klubobmannes Dr. Khol. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er muss sich am Rednerpult entschuldigen!)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz wieder übernehmend): Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung des Abg. Mag. Posch –: Kommen Sie heraus und entschuldigen Sie sich! – Abg. Edlinger: Das hat Schweitzer auch nicht gemacht!)

Herr Abgeordneter! Ich ersuche Sie dringend, § 58 GOG einzuhalten und mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen. – Bitte.

11.02

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident, für diese Belehrung. Ich werde die Geschäftsordnung einhalten.

Herr Abgeordneter Feurstein hat in seiner Rede behauptet, dass es in dieser Angelegenheit keine Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes gäbe. Das ist enttäuschend, Herr Kollege Feurstein! (Abg. Dr. Feurstein: Nicht zu dieser Formulierung!)

Ich stelle tatsächlich richtig: Es gibt diese Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, und ich werde sie Ihnen auch gerne nachher schriftlich zur Verfügung stellen. (Abg. Dr. Feurstein: Zu einer anderen Formulierung!)

Ich zitiere aus dieser Stellungnahme: Zu den angesprochenen Punkten im § 31a ASVG stellt der Verfassungsdienst fest: Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass es gewichtige Grün


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de dafür gibt, dass die Verfassungsmäßigkeit der im Entwurf vorgesehenen Änderungen des § 31a ASVG fraglich erscheint. (Abg. Dr. Feurstein: Zu einer anderen Formulierung!)

Zum § 81a ASVG – das war der zweite angesprochene Punkt, Herr Abgeordneter Feurstein, bei dem Sie mich der Unwahrheit bezichtigt haben – stellt der Verfassungsdienst im Gegensatz zu Ihrer Behauptung fest:

In diesem Zusammenhang ist mit der vorliegenden Bestimmung – jetzt passen Sie gut auf! – auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht sowohl der aktiven als auch der passiven Informationsfreiheit im Sinne des Artikels 13 Staatsgrundgesetz in Verbindung mit Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention angesprochen.

Schon aus diesem Grund sind im vorliegenden Fall entsprechende Erläuterungen vonnöten. (Abg. Dr. Feurstein: Von wann ist die?) – Diese Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes stammt so, wie sie hier datiert ist, vom 16. Oktober. (Abg. Dr. Feurstein: 16. Oktober! Genau das ist geändert worden!) Aus dem Text geht aber hervor, dass die Stellungnahme vom 16. November ist, und es ist wesentlich und wichtig, das festzustellen.

Herr Abgeordneter Feurstein, Sie haben die Unwahrheit gesagt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Öllinger! Warum mein Ersuchen, die Geschäftsordnung einzuhalten, von Ihnen als "Belehrung" gewertet wird, können Sie mir vielleicht einmal nach der Sitzung erklären. (Abg. Mag. Trattner: Die glauben, sie können sich alles erlauben!)

Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.05

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Feurstein von der Österreichischen Volkspartei hat in seiner Wortmeldung zur Chipcard behauptet, der Vorsitzende des Datenschutzrates habe die Speicherung von Gesundheitsdaten begrüßt. – Das kann nur die persönliche Meinung des Abgeordneten Feurstein gewesen sein.

Herr Abgeordneter Feurstein hat weiters gemeint, auch der Datenschutzrat habe das begrüßt und die Speicherung von Notfalldaten als notwendig erachtet. – Das ist falsch! (Abg. Mag. Mühlbachler: Nein, das hat er nicht gesagt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtig ist vielmehr – ich zitiere aus dem Beschluss des Datenschutzrates (Abg. Steibl: Das ist falsch!)  –:

Die Speicherung von Gesundheitsdaten auf dem Chip der SV-Chipcard wird im Datenschutzrat als problematisch angesehen. – Zitatende.

Weiters wurden Bedingungen formuliert, unter denen es überhaupt denkmöglich ist, Gesundheitsdaten zu speichern.

Kollege Feurstein, man sollte ein Gremium, dem man nicht angehört, nicht interpretieren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

11.06

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal ganz kurz den Inhalt der


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vorliegenden 59. ASVG-Novelle skizzieren, denn wenn man die Diskussion bis jetzt verfolgt hat, dann könnte man den Eindruck bekommen, dass es um eine neue Einführung der Chipkarte geht und sich die Diskussion ausschließlich auf einige wenige Punkte beschränkt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Es scheint mir wichtig zu sein, der interessierten Öffentlichkeit einmal darzulegen, was alles in dieser 59. ASVG-Novelle enthalten ist.

Zunächst beinhaltet sie die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger sowie die freiwillige Datenspeicherung auf der ELSY-Chipkarte und nicht deren Einführung. Die Einführung der Chipkarte wurde nämlich am 16. Juli 1999 mit der 56. ASVG-Novelle, also von der vorangegangenen Bundesregierung, beschlossen und ist mit 20. August 1999 in Kraft getreten, was also auch noch in die Zeit der vorangegangenen Bundesregierung fällt.

Ich bitte auch die anwesenden interessierten Zuhörer der Medien, den tatsächlichen Rechtsbestand in ihren Medienberichten zu erwähnen, weil nämlich die ELSY-Chipkarte bereits eingeführt ist und es in der 59. ASVG-Novelle lediglich darum geht, in welchem Ausmaß die aus meiner Sicht sinnvolle Speicherung von Notfalldaten auf dieser Chipkarte ermöglicht wird und wie der Datenschutz für diese hoch sensiblen Gesundheitsdaten im Interesse aller Betroffenen ordnungsgemäß wahrgenommen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es hat eine ausführliche Diskussion mit Kollegen Öllinger, aber auch mit dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion Gusenbauer und den Abgeordneten der Regierungsparteien gegeben. Ich darf hier hinzufügen, dass es für mich als Bundesminister für Soziales und Generationen befriedigend war, dass der Vorsitzende des Datenschutzrates, Universitätsprofessor Dr. Haller, ein Verfassungsrechtler, beim Hearing im Sozialausschuss gemeint hat, dass für ihn die Speicherung der Notfalldaten nicht nur gut gelöst ist, sondern dass es für ihn auch wünschenswert wäre, dies auf einer breiteren Basis zu formulieren, als es in der heutigen gesetzlichen Grundlage der Fall ist.

Das bedeutet, dass die Bundesregierung und die Abgeordneten, die diese 59. ASVG-Novelle unterstützen werden, darin sogar eine deutlichere Einschränkung vorgenommen haben, als dies nach persönlicher Meinung von Professor Haller wünschenswert gewesen wäre.

Es ist im Übrigen in der Diskussion im Sozialausschuss klar zutage getreten, dass alle im Begutachtungsverfahren vom Datenschutzrat gemachten Einwendungen im Hinblick auf die hoch sensiblen Gesundheitsdaten in der nunmehr zur Beschlussfassung vorliegenden 59. ASVG-Novelle berücksichtigt worden sind.

Sehr geehrter Herr Kollege Öllinger! Ich darf Sie darauf verweisen, dass zum Begutachtungsverfahren und zum nunmehr zur Beschlussfassung vorliegenden Gesetzestext samt Erläuterungen festzustellen ist, dass der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes in keiner Weise das von Ihnen gebrauchte Wort "Zensur" verwendet hat, sondern das ausgeführt hat, was Sie in der tatsächlichen Berichtigung dargelegt haben.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass das, was Sie in der tatsächlichen Berichtigung betreffend die Ergänzung angesprochen haben, auch tatsächlich in den Erläuterungen berücksichtigt worden ist. Die Erläuterungen sind in entsprechender Form ergänzt worden, so wie es sich der Verfassungsdienst vorgestellt hat.

Ich bitte Sie, falls das derzeit für Sie nicht nachvollziehbar ist, sich die Erläuterungen zu den vorliegenden Punkten noch einmal zu vergegenwärtigen.

Ich bin Herrn Kollegen Feurstein dankbar dafür, dass er angeführt hat, dass mit der Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten in allen neun Bundesländern die Anlaufstellen, die Servicestellen und damit die Verbindung zwischen den Versicherten und ihren Versicherungsanstalten deutlich verbessert werden. Ich darf aber auch darauf hinweisen, dass das Potential, das durch die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten gewonnen wird, zwischen 440 und 450 Millionen Schilling ausmachen wird. Bei der derzeitigen Zahl von Pensionisten, die


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wir in Österreich haben, würden diese 450 Millionen Schilling, die durch die Einsparungen in der Verwaltung frei werden, bedeuten, dass jeder Pensionist etwa 225 S oder 0,15 Prozentpunkte Pensionserhöhung pro Jahr bekommen würde.

Man soll den Menschen auch sagen, was diese Einsparungspotentiale für sie in der Zukunft bedeuten und wie viel Schilling das für die Zukunft sind, damit die Menschen wissen, dass wir hier keine Diskussion um des Kaisers Bart führen, sondern darum, Mittel, die von den Aktiven eingezahlt werden, und Mittel, die von den Steuerzahlern gezahlt werden, für die Pensionistinnen und Pensionisten frei zu bekommen und sie nicht in irgendeiner Form weiterhin innerhalb der Verwaltung der Sozialversicherungsträger zu verbrauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, es wird niemanden hier im Saal geben, der es nicht unterstützen würde, dass die Mittel, die sowohl vom Steuerzahler als auch von den Beitragszahlern eingebracht worden sind und eingebracht werden, bestmöglich für die Leistungen des Gesundheitssystems, bestmöglich für die Leistungen des Pensionssystems und möglichst sparsam im Bereich der Verwaltung eingesetzt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Gusenbauer! Ich habe, wie jeder Sozialminister, eine Reihe von Beschwerden und Anregungen von Pensionisten bekommen und unter anderem auch einen Brief einer Pensionistin, die seit dem Jahr 1991 in Pension ist und mir ihre Pensionsabschnitte – einschließlich der Lohnsteuerabschnitte – zugesandt hat. Es scheint mir bedeutsam zu sein, einmal auf die Zahlen hinzuweisen, weil Sie auch die eisige Kälte des letzten Winters angesprochen haben: Bei dieser Frau hat sich in den letzten zehn Jahren die Pension wie folgt entwickelt: 1991 waren es 12 039 S brutto, 1996 12 551,40 S brutto, 1999 12 909,10 S brutto und im Jahre 2000 13 044,10 S brutto.

Sehr geehrte Damen und Herren von der sozialdemokratischen Opposition, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass sich in den letzten vier Jahren Ihrer Regierungstätigkeit die Pension dieser Frau um 357,70 S netto erhöht hat, und in den zwei Jahren, für die wir verantwortlich sind, um 239,40 S. Diese Pensionistin, die jetzt knapp über 13 000 S Pension bekommt, gehört bei Gott zu jenen Pensionisten, die in der öffentlichen Diskussion als kleine Pensionisten bezeichnet werden. Auf Grund dieses Beispiels ist es auch den Damen und Herren in der Öffentlichkeit möglich, nachzuvollziehen, wie die Pensionsanpassung jetzt und wie sie zu Ihrer Zeit gelaufen ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Inflationsrate!)

Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, Herr Kollege Gusenbauer, dass im Jahr 1997, als Sie auch schon im Parlament vertreten waren, eine Null- Anpassung für die Pensionisten stattgefunden hat. Ich werde mich in den noch laufenden Verhandlungen betreffend die Pensionsanpassung dafür einsetzen, dass nicht nur jene Pensionisten, die im Ausgleichszulagenbereich und im Bereich der Grenzwerte des Ausgleichszulagenbereiches für Alleinstehende und für Familien liegen, mit 2,9 Prozent Valorisierung bedient werden, sondern dass es darüber hinaus auch einen einheitlichen Pensionsbetrag in der prozentuellen Höhe – so wie es die Gutachter nach der Netto-Anpassung, die im Übrigen auch während der Zeit der sozialdemokratischen Regierung verabschiedet worden ist und keine Erfindung dieser Bundesregierung ist, festgestellt haben –, in der Bandbreite dieser Pensionsanpassung geben soll, der deshalb für alle monatlich gleich sein sollte – auch für jene, die über diesen Ausgleichzulagen-Richtsätzen liegen, bis hin zu den 30 500-S-Höchstpensions-Beziehern nach ASVG –, um ihn möglichst steuerschonend zur Auszahlung zu bringen.

Ich werden mich bemühen, das in den Verhandlungen durchzusetzen, kann Ihnen aber heute nicht versprechen, dass mir das gelingen wird.

Klar sage ich auch dazu: Um das für alle Pensionisten und gerade für die ärmeren Schichten zu erreichen, wird es notwendig sein, zum derzeit im Budget vorhandenen Kapital in der Höhe von 4,8 Milliarden Schilling auch einen Wertausgleich in noch unbekannter Höhe zu vereinbaren.


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Herr Kollege Gusenbauer, ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, dass es nicht Schuld der Bundesregierung war, dass der Heizkostenzuschuss nicht verdoppelt wurde, sondern unsere Partner auf Bundesländerebene haben ihre Anteile nicht so erhöht, dass der Heizkosten-Zuschuss – so wie er im Parlament budgetiert war – für ihre sozial armen und sozial empfänglichen Schichten erhöht werden konnte.

Die Bundesregierung war großzügiger, als es die Länder sind. Das ist für mich die Analyse des Berichtes der Volksanwaltschaft – und nicht, dass sich die Bundesregierung von Maßnahmen, die nicht in ihrem ureigensten Bereich, sondern im Bereich der Sozialhilfe liegen, verabschiedet hat. Bekanntlich ist das eine Verfassungsangelegenheit der Länder. Ich bitte, das auch in der weiteren Diskussion zu berücksichtigen. Die Bundesregierung war mit ihren Budgetvorgaben generöser, als es die Landesregierungen für ihre Landesbürger umgesetzt haben. Das ist für mich als klarer Schluss aus dem Bericht des von Ihnen entsandten Volksanwaltes, des ehemaligen Klubobmannes Dr. Kostelka, abzulesen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die freiwillige Datenspeicherung auf der ELSY-Chipkarte ist für mich als Betroffener, der eine ansteckende Krankheit hat, wie Sie alle wissen, auch eine wichtige Angelegenheit im Rahmen meiner Verantwortung dem Krankenanstaltenpersonal gegenüber. Ich möchte nicht, dass, wenn ich etwa bewusstlos nach einem Autounfall ins Krankenhaus eingeliefert würde, dem dortigen Personal, das mir helfen will, nicht bekannt gemacht wird, dass es sich bei mir anstecken könnte, so wie es bei vielen Tausenden anderen Österreichern eine erhöhte Sorgfaltspflicht hat, die weit über die normale Routine des Eigenschutzes hinausgeht.

Ich weiß, dass bei Hunderten und Tausenden Österreichern Erkrankungen wie Zuckerkrankheit, Allergien, Medikamentenunverträglichkeiten und sonstige Stoffwechselstörungen im Falle einer Krise ausschlaggebend sein können und daher schnell und umfassend behandelt werden müssen. Daher ist es wichtig, diese Daten auf der Chipkarte zu haben.

Unsere Versicherten – das hat Kollege Pumberger im Fernsehen richtig gesagt – verfügen, wenn notwendig, über einen Zucker-Ausweis, einen Ausweis für den Herzschrittmacher, einen Ausweis für Prothesen – Prothesenpass – und über Allergiekarten. Glauben Sie wirklich, dass, wenn Sie mit all diesen Karten in der Brieftasche, in Ihrer Handtasche oder sonstwo ins Krankenhaus eingeliefert werden, Ihnen diese unwürdige Schnüffelei in Ihren persönlichen Unterlagen, um im Notfall schnell reagieren zu können, eine höhere Datenschutz-Sicherheit gibt als eine Chipkarte?!

Auf dieser dürfen unter den in diesem Gesetz vorgesehenen Kautelen diese Notfalldaten nämlich nur nach ärztlichem Befund und Gutachten eingetragen werden. Das bedeutet auch für den behandelnden Arzt die Sicherheit, dass diese Karte – sei es mit persönlichem Code oder sei es mit digitalem Code – den Patienten, der eingeliefert wird, eindeutig identifiziert und mit ihm kompatibel gemacht werden kann, sodass man sich im Behandlungsfall auf diese Daten und daher auch auf eine schnelle Reaktion verlassen und rechtlich berufen kann. Damit ist der Patient auch rechtlich abgesichert, und er kann sicher sein, die bestmögliche Behandlung in einem Notfall, so wie er es wünscht, zu bekommen. – Ich glaube, das kann keine Verschlechterung sein.

Die Chipkarte wird auch für den Versicherten in seinem Betrieb eine Verbesserung bringen. Er muss sich nicht mehr die Krankenscheine für sich, seine Kinder und seine Frau, also für seine mitversicherten Angehörigen, holen, und er wird auch seiner Personalvertretung oder seinem Dienstgeber gegenüber nicht mehr Auskunft geben müssen, warum er "schon wieder" beim Arzt ist.

Ich glaube, gerade in einer Zeit, in der wir erfahren müssen, dass die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur in Österreich, sondern weltweit einen deutlichen Knick erhalten hat – ohne bei uns in Österreich von einer Rezession zu sprechen, müssen wir doch eine deutliche Abschwächung der Konjunktur feststellen –, ist der Umstand für den Arbeitnehmer, nicht mehr seinem Dienstgeber in einer Datenschutzfrage, nämlich einen Krankenschein holen zu müssen, ausgeliefert zu sein, sondern mit einer Chipkarte betreut zu sein, von Vorteil. Das war letztendlich sei


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nerzeit, 1995, mit ausschlaggebend dafür, dass die Arbeitnehmervertretungen in Österreich sich für die Chipkarte eingesetzt haben.

All das halte ich für wichtig, und das ist auch umzusetzen. Ich glaube, der vorliegende Text der 59. ASVG-Novelle berücksichtigt alle diese wichtigen Kriterien für den Arbeitnehmer – etwa den persönlichen Datenschutz –, egal, aus welcher Bevölkerungsschicht er kommt. Ich stimme dem vollinhaltlich zu und kann es nur befürworten, und ich freue mich, dass die Mehrheit des Parlamentes signalisiert hat, dieser Novelle zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nun zur Gesetzesbestimmung über die Informationspflicht. Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Letzte, der nicht zufrieden wäre, wenn wir diesen Paragraphen nicht bräuchten. Ich habe aber in dem Jahr, seitdem ich Bundesminister für Soziales und Generationen bin, festgestellt, dass sich beim Informationsfluss der Sozialversicherungsträger leider einiges verschlechtert hat. (Abg. Silhavy: Was?)

Während es in der Vergangenheit gang und gäbe war, sozial zu berücksichtigende Ausnahmeregelungen, die dieses österreichische Parlament aus sozialem Gewissen verabschiedet hat, allen Versicherten schnell, umfassend, genau und korrekt zur Kenntnis zu bringen, vermisse ich leider zurzeit bei manchen Sozialversicherungsträgern  –  trotz nachweislicher Koordinierungen –, dass sie dieser Informationspflicht nachkommen.

Ich glaube, sehr geehrte Damen und Herren, wenn man davon ausgeht, dass der Beitragszahler, der Versicherte, der Steuerzahler das Recht hat, für jenes Geld, das er in das System einzahlt, über jene sozialen Ausnahmeregelungen, die dieses Parlament verabschiedet hat, von den Sozialversicherungsträgern schnell, umfassend und genau informiert zu werden, dann muss man sagen: Diese Informationspflicht ist eine Conditio sine qua non dafür, dass das System für alle und gerade für die unteren sozialen Gesellschaftsschichten funktioniert und Bestand hat und dass das Vertrauen in dieses System und in die soziale Ausgewogenheit bestehen bleibt.

Ich würde mir wünschen, dass wir diesen Informationsparagraphen nicht bräuchten, aber ich muss leider feststellen, dass manche Sozialversicherungsträger dieser Informationspflicht nicht nachkommen, obwohl ich von mir aus, vom Ministerium aus im Zusammenhang mit der Einführung der Ambulanzgebühr im August dieses Jahres mehrmals an alle Sozialversicherungsträger herangetreten bin und sie gefragt habe, ob ihr Informationsfluss, ob ihre Datensätze, ob die Übermittlung der Datensätze, ob die Koordinierung mit den Krankenanstaltenträgern ordnungsgemäß funktionieren. Ich habe von ihnen die interne Nachricht, die auch nachlesbar ist, erhalten, dass alles in Ordnung sei, dass keine Doppel- und keine Dreifach-Vorschreibungen möglich seien, dass keine Irrtümer möglich seien und die Erhebungen funktionieren würden.

Es wird mir jeder Abgeordnete hier im Hohen Hause Recht geben, denn jeder von Ihnen hat unzählige Beschwerden aus diesem Bereich bekommen, dass das, was intern versprochen worden ist, dass das, was intern als Papier auf dem Tisch gelegen ist, in der Praxis in sehr vielen Fällen – und ich würde sagen: in mehreren tausend Fällen – nicht funktioniert hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass wir zwar im Hauptverband der Sozialversicherungsträger im Jahre 2001 sehr schön die Rezeptgebühren und auch die Befreiung von der Rezeptgebühr samt den Sätzen, und zwar auch die für überdurchschnittliche Ausgaben entsprechend den erhöhten Richtsätzen mit 9 703 S für Alleinstehende und 13 843 S für Ehepaare bei der Entrichtung der Rezeptgebühr, zusammengestellt haben, dass aber darüber hinaus die Möglichkeiten, bei extremen Krankheitsfällen auch die Härtefonds der einzelnen Sozialversicherungsträger heranziehen zu können, kaum publiziert werden. Manche Sozialversicherungsträger machen das hervorragend, andere Sozialversicherungsträger machen das gar nicht.

Die davon betroffenen Menschen sind nicht jene, die zu viel verdienen, sondern das sind Menschen, die an der Armutsgrenze leben, das sind Menschen, die im Graubereich zwischen Re


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zeptgebührenbefreiung und Volltragung der Kosten leben, das sind jene Menschen, für die der Härtefonds eingerichtet worden ist.

Ich glaube, sehr geehrte Damen und Herren, dass gerade in diesem Bereich die Informationspflicht besonders wichtig ist. Ich habe auch Herrn Bittner, den Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, schon vor einiger Zeit gebeten, erstens den Härtefonds aufzustocken und zum Zweiten auch die Patienten darüber zu informieren, dass es Härteregelungen gibt, und diese Regelungen, die in Wien deutlich schlechter sind als etwa im angrenzenden Niederösterreich, im Interesse der sozial Schwachen zu verbessern. Ich glaube, sehr geehrte Damen und Herren, dass all das wichtig ist.

Nun auch noch zu den Daten, die Kollege Gusenbauer in die Diskussion gebracht hat. Herr Kollege Gusenbauer! Keiner in diesem Hohen Haus und am allerwenigsten die österreichische Bundesregierung ist darüber erfreut, dass wir im heurigen Herbst steigende Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen haben.

Aber ich sage auch dazu: Nach dem heutigen Stand werden es laut Schätzung im Durchschnitt des Jahres 2001 5,85 Prozent Arbeitslosigkeit sein. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass im Jahre 1999 unter Ihrer Regierung die Arbeitslosigkeit 6,7 Prozent betragen hat und im Jahr davor, 1998, 7,2 Prozent.

Ich glaube daher, dass die Panikmache in diesem Bereich, noch dazu, wenn man sich das Benchmarking mit den europäischen Ländern, in denen Rot-Grün regiert – etwa in der Bundesrepublik Deutschland –, ansieht, verfehlt ist.

Wir in Österreich denken nicht daran, die Krankenversicherungsbeiträge über Nacht zu erhöhen, sondern wir trachten danach, durch die Lukrierung von Einsparungspotentialen und mit den jetzigen Beitragsleistungen das gute österreichische System nicht nur am Leben zu erhalten, sondern auch noch zu verbessern, um das klar zu sagen.

Eine Situation wie in der Bundesrepublik Deutschland, wo es einen Inflationsschub von 0,2 Prozent laut Schätzungen der Experten geben wird, wollen wir nicht. Uns ist die jetzige Inflation schon hoch genug. Eine Erhöhung durch solche Nacht- und Nebelaktionen, wie sie Rot-Grün in Deutschland verursacht haben, ist nicht Absicht dieser Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

11.27

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Minister, wenn Sie in Ihrer Stellungnahme hier sagen, dass Sie es bedauern, dass die Arbeitslosenzahlen steigen, dann möchte ich nur darauf hinweisen, dass wir in der Begründung dafür, dass wir meinen, dass die Bevölkerung befragt werden sollte und dass Neuwahlen an der Zeit wären, ja Folgendes feststellen: Alle relevanten österreichischen Wirtschaftsdaten sind erstmals schlechter als im Durchschnitt der EU! Das Herbstgutachten der Europäischen Kommission zeigt, dass Österreich Schlusslicht bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze und Spitzenreiter beim Nettoverlust von Arbeitsplätzen ist.

Auch das ist ein Teil der Sozialpolitik: dass man dafür sorgt, dass die entsprechende Beschäftigung vorhanden ist, damit der Sozialstaat finanzierbar ist. Aber das schaffen Sie nicht! (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Grünewald. )

Die Frage ist berechtigt: Wieso sind wir das Schlusslicht in der Europäischen Union? Und auch die Frage: Was ist dabei hausgemacht, und warum gibt es diese Entwicklung?, ist berechtigt.

Aber was mich stört, Herr Minister Haupt, ist noch etwas anderes, und das wird mit Begriffen wie "Kleingroschen-Selbstbehalte" sehr trefflich beschrieben. Ich wiederhole: "Kleingroschen-Selbstbehalte"! Es wird immer darüber hinweggesehen und gesagt: Na ja, Chipkarten-Gebühr:


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50 S, was ist das schon? Nicht zu vergessen ist die Liste der diversen anderen Selbstbehalte: im Spital, die Ambulanzgebühr, die Rezeptgebühr oder wie sie alle heißen mögen.

Der Vorwurf ist berechtigt, dass es hier einige gibt, die sich aufgrund ihrer eigenen Einkommenslage schon gar nicht mehr vorstellen können, was 50 S, 100 S, 500 S, 1 000 S Belastung für die kleinen Leute in diesem Land – aber nicht nur für diese – bedeuten. – Das ist ein herzloses Politikverständnis, das Sie hier an den Tag legen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Dieser Meinung hat sich seinerzeit auch Jörg Haider angeschlossen, als er gesagt hat, diese Regierung sei herzlos. Damit hat er damals schon dieser Regierung die Sozialkompetenz abgesprochen. Und er hat Recht gehabt, als er sich unserer Meinung angeschlossen hat: Diese Regierung macht eine herzlose Politik!

Sie sprechen immer davon, man müsste den Härtefonds erhöhen, und dann kommen immer wieder diese appellativen Bemerkungen. Da stellt sich allerdings die Frage: Woher soll das Geld dafür kommen?

Weil Sie mit großem Aufwand in die Strukturen der Sozialversicherung eingegriffen haben, in undemokratischer Weise, das Wahlergebnis der Arbeiterkammerwahlen negierend, nur um dafür zu sorgen, dass Präsident Sallmutter nicht mehr Präsident des Hauptverbandes ist – das war Ihr ganzes Ziel: die Spitze dort blau-schwarz einzufärben –, muss ich sagen: Das Ergebnis all dieser Überlegungen ist nicht einmal, dass Sie hier einen großen Reformentwurf auf den Tisch gelegt haben! Wir hören immer nur Ihr permanentes Jammern, ein Jammern über die Zeit davor, davor, davor. Sonst fällt Ihnen nichts ein! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich frage Sie: Wo ist der große Entwurf? Wo sind die Vorschläge? Was können Sie auf den Tisch legen? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Das Ergebnis ist eine Prognose, und wieder wird eine Finanzierungslücke in der Größenordnung von 3,7 Milliarden Schilling da sein. (Abg. Dolinschek: 6,3 Milliarden Schilling waren es vor zwei Jahren!) Jetzt ist einmal Schluss mit den Ausreden! Wo sind Ihre Vorschläge, damit es eben keine Finanzierungslücke gibt? Für das Ergebnis Ihrer Politik, dass es doch wieder Finanzierungslücken gibt, werden Sie einstehen müssen.

Ich behaupte außerdem, dass es zu Verschlechterungen im österreichischen Gesundheitssystem kommen wird. Ich blicke mit Missmut nach Großbritannien, wo es bereits eine Mehrklassenmedizin gibt. Dort ist es so: Wenn ein Siebzigjähriger ins Spital kommt, dann sagt man ihm: Sie sind eh schon 70, das zahlt sich nicht mehr aus, gehen Sie nach Hause, bei uns werden Sie nicht mehr behandelt! – Das ist im Wesen der Duktus des britischen Gesundheitssystems. Aber wenn Sie so weitermachen, wird das auch bei uns bald so sein – aufgrund der Art der Politik, die Sie betreiben.

Da kann ich nur sagen: Gott sei Dank gibt es die Sozialdemokraten, die dagegen Widerstand entwickeln! Und Gott sei Dank gibt es das "Sozialstaat-Volksbegehren", wodurch in der Bevölkerung Widerstand mobilisiert wird, der bewirken soll, dass genau das nicht eintritt. Ich hoffe, dass dieser Widerstand Ihren Weg durchkreuzen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Klar, die Logik des Systems in Großbritannien ist die: Wenn der Siebzigjährige ein Lord ist, dann schaut die Welt anders aus, weil der Lord, wenn er noch etwas hat, die Behandlung bezahlen und sich all das finanzieren kann. Das ist der Unterschied! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Das nennt man "soziale Schranken", Herr Pumberger! Sie sollten endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir genau das nicht wollen. Dagegen werden wir härtesten Widerstand entwickeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Es werden sich auch die Mittelschichten viele Fragen stellen müssen, die berühmten Mittelschichten, was auch immer das genau sein mag. Am Beispiel dessen, wie Sie mit den Kleinen, wie Sie so schön sagen, umgehen, die sich halt nicht so wehren können, die halt nicht so eine große Kommunikationsstärke haben, die halt nicht die Lobbys überall entwickeln können, die


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sich nicht so artikulieren können, ist ersichtlich, wie Sie sich überhaupt dieser Gesellschaft stellen und welches Gesellschaftsmodell Sie hier wirklich vertreten.

Dafür ist die Pensionsdebatte und die Art und Weise, wie man mit den Pensionisten umgeht, für mich signifikant. Ein zweites Mal soll es bei dieser Bevölkerungsgruppe keine Anpassung an die Inflationsrate geben! Geschröpft sollen die Pensionisten werden, weil sie sich nicht wehren können. Aber Sie werden sich wundern: Auch die Pensionistinnen und Pensionisten können sich wehren!

Auch deswegen sind wir der Meinung, dass die Bevölkerung befragt werden muss, dass es Neuwahlen geben soll, damit diese Leute sich dann wehren können gegen das, was Sie mit ihnen vorhaben. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie sind doch immer für die direkte Demokratie, dann sagen Sie doch ja! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Unwürdig ist auch die Diskussion um die Chipkarten-Gebühr – unwürdig und zugleich auch signifikant. Und weil gerade Herr Pumberger mir hier gegenüber sitzt, möchte ich ihn zitieren.

Zuerst sagte er, und zwar am 21. August, dass es vernünftiger wäre, auf die Krankenscheine und die Einnahmen aus der Krankenscheingebühr zu verzichten.

Am 5. November sagte er – bei dieser Wahl der Worte muss er Zahnarzt gewesen sein –, die ÖVP werde sich mit diesem Ansinnen, nämlich eine Gebühr einzuführen, die Zähne ausbeißen.

Was passiert dann? – 15. November: Herr Pumberger klopft große Sprüche. Zack! Was kommt? – 50 S Chipkarten-Gebühr. Pumberger macht die Kehrtwendung.

Und was kommt dann? – Dann wird das Ganze zurückgezogen, und das Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass es nun einen Arbeitskreis zum Thema "Chipkarten-Gebühr" gibt.

Was haben Sie eigentlich davor gemacht, weil Sie da so mit dem Kopf wackeln? Was haben Sie vorher gemacht? Wenn bei einer Maßnahme mit solchen Auswirkungen für so viele Österreicherinnen und Österreicher so geschludert, so gestritten wird und am Schluss nichts herauskommt und wenn man dann draufkommt, dass sich eigentlich alle zusammensetzen sollten, die streiten – da brauchen Sie in Wahrheit ohnehin das Wiener Praterstadion, wenn Sie alle zusammenholen wollen, die in Ihrer Bundesregierung unterschiedlicher Meinung sind –, und wenn Sie dann erst einen Arbeitskreis machen, dann zeugt das von Inkompetenz! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dass Sie nebenbei über diese Chipkarte den Orwell’schen Schnüffelstaat einführen wollen, ist einmal mehr ein Beispiel für die Art Ihrer Politik. Wir haben hier schon fast keine Tagesordnung mehr, bei welcher nicht von Ihnen der Versuch unternommen wird, überall dort, wo es möglich ist, Schnüffelstaat-Datenvernetzungsüberlegungen hineinzubringen. Nur der "nackte" Österreicher ist ein guter Österreicher – das ist die Einstellung, die Sie dazu haben! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie wollen alles über jeden wissen. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Herr Abgeordneter Gaugg hier herauskommt und sagt – unser Bedürfnis heute beim Thema "59. ASVG-Novelle" ist es natürlich auch, darüber zu diskutieren; aber es ist auch pars pro toto für alles –: Diskutieren wir hier doch nicht über Kraut und Rüben!, dann muss ich sagen: Das ist eine herzlose Einstellung dazu!

Wenn wir diskutieren, ob es eine Chipkarten-Gebühr geben soll oder nicht, wenn wir über die Belastungen diskutieren, die Sie den Österreicherinnen und Österreichern aufoktroyieren, oder wenn wir darüber diskutieren, dass Sie die Pensionsanpassung unter der Inflationsrate machen wollen, dann sagen Sie: Das ist einmal Kraut und einmal Rüben. Sie teilen die Österreicher in Kraut-Österreicher und in Rüben-Österreicher ein. Das ist wirklich herzlos, was Sie hier sagen! Gerade der Abgeordnete Gaugg sagt das! (Beifall bei der SPÖ.)


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Es ist auch der Zynismus herzlos, mit dem Sie herunterspielen, dass Sie jetzt die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte der Zweiten Republik zu verantworten haben. Ich sage es noch einmal zum Mitschreiben: Die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte der Zweiten Republik haben Sie zu verantworten! (Abg. Dr. Pumberger: Nulldefizit! – Abg. Wochesländer: Nicht wir – Sie!) Das heißt, Sie schröpfen die Österreicherinnen und Österreicher, wo es nur geht.

Angetreten sind Sie aber mit anderen Vorhaben. Sie haben gesagt: Wir wollen jetzt den Staat reformieren! Wir wollen neu regieren! Wir wollen eine Wende! Wir wollen nicht mehr belasten! Wir wollen keine Steuern erhöhen! Wir wollen keine Abgaben erhöhen! – Aber das, was Sie machen, ist genau das Gegenteil. Dabei muss man aber noch dazusagen: Selbst für das Erste haben Sie keine politische Legitimation in diesem Sinne gehabt, weil Sie sich vor den letzten Nationalratswahlen gar nicht vor die österreichische Bevölkerung hingestellt und gesagt haben: Liebe Österreicherinnen und Österreicher, wählt uns, aber das kostet jeden von euch zwischen 1 000 S und 10 000 S im Jahr oder im Monat, je nachdem, wie grauslich wir sein wollen!

Das haben Sie ja gar nicht gesagt! Aber jetzt stellen Sie sich her und machen sogar noch das Gegenteil von dem, was Sie nach der letzten Wahl gesagt haben! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich bin daher der Auffassung: Sie sollten sich vor der nächsten Wahl vor die Österreicherinnen und Österreicher hinstellen und sagen, was denn Ihr Experiment, das blau-schwarze Schröpfexperiment in Zukunft kosten wird. Dazu werden wir Sie zwingen, Sie werden sich noch wundern! Sie werden sich dann nicht mehr bei der Hintertür verstecken können und dann wieder über die Hintertür plötzlich eine Regierung bilden können!

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie müssen sich hinstellen vor die Österreicherinnen und Österreicher und müssen ihnen gegenüber endlich einmal einstehen für diese unsoziale Politik, für diese herzlose Politik und für diese undemokratische Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Genau so läuft die Steuerreform-Diskussion. Ganz genau so! Die Frau Vizekanzlerin Riess-Passer sagt: Aber jetzt werden die Belastungen langsam zu groß, wir müssen eine Lohnsteuerreform machen, endlich muss da etwas geschehen! – Damit setzt sie sich aber nicht einmal in ihrer eigenen Partei durch, weil ihr eigener Finanzminister sagt, das kommt überhaupt nicht in Frage, weil er das Nulldefizit zu seinem großen Lebensziel deklariert hat, vielleicht um seinen Wert auf dem internationalen Arbeitsmarkt oder bei der Weltbank ins Unermessliche zu steigern, damit man dort sagt: Dieser Mann muss unbedingt in die Weltbank, denn er steht für ein Nulldefizit! – Es kann sein, dass das sein Plan ist.

Aber jedenfalls ist es so, dass sich die Vizekanzlerin nicht einmal in der eigenen Partei durchsetzt, und die ÖVP will das ohnehin nicht. Es ist eh klar: Sie von der ÖVP wollen das ohnehin nicht, und Arbeitnehmerorganisationen existieren ja für die ÖVP anscheinend nicht. Aber Sie nehmen auch nicht zur Kenntnis, dass die Belastungen progressiv immer größer und größer werden.

An dieser Stelle nehme ich auf das Bezug, was Bundesminister Haupt hier heute gesagt hat, und ich muss sagen: Obwohl wir gerade jetzt die Rezession spüren, obwohl wir zurzeit das Schlusslicht in der EU sind, obwohl gerade jetzt ein Konjunktureinbruch vor sich geht und die Wifo-Prognosen beweisen, dass sich das nicht zum Besseren wenden wird, sondern dass das im nächsten Jahr weitergehen wird, obwohl wir gerade jetzt Probleme bei der Beschäftigung haben und die Arbeitslosenrate immer höher wird und es daher notwendig wäre, jetzt endlich einmal zu intervenieren und diesen Kurs zu verlassen, endlich einmal stimulierende Impulse zu setzen, gerade jetzt, in dieser Situation, tun Sie nichts. Nichts! Nein, es bleibt dabei: Keinen Millimeter verlassen Sie diesen verhängnisvollen Weg!


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Wenn Sie die Zukunft Österreichs so aufs Spiel setzen, die Finanzierungsgrundlagen des Sozialstaates so aufs Spiel setzen, dann müssen der Wähler und die Wählerin in Österreich unbedingt gefragt werden, ob sie das auch wirklich wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herbert Krejci sagt im "Standard" vom 17. November: "Unterm Strich aber ist die Bilanz eindeutig negativ." Und Lorenz Fritz – alles Leute, die absolut keine Sozialdemokraten sind – sagt im "Kurier" vom 20. November: "Wir stehen ganz erbärmlich, klein und weniger erfolgreich da." – Eindeutiger, glaube ich, kann man es wirklich nicht formulieren.

Selbst Ihre Zeitung – nicht Ihre Zeitung, aber die Zeitung, die nicht sozialdemokratisch ist; manchmal erscheine ich darin alle vier Wochen als Kolumnist, was mich sehr freut – schreibt heute auf Seite 1: "EU läßt Österreich mit Budgettricks abblitzen", "Brüssel erteilt Temelín-Ausstieg eine klare Absage", "Der Staat und die Pleiten", ein Betrieb nach dem anderen. Selbst diese Zeitung, "Die Presse", schreibt das! Das ist der beste Beweis dafür: Es ist Zeit für einen Wechsel! Sie haben abgewirtschaftet, Sie sind am Ende! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ.)

Wir können im Verfassungsausschuss darüber diskutieren, aber Sie wollen nicht, weil Sie berechtigte Angst vor den Wählerinnen und Wählern haben. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

11.42

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kollege Cap, ja, Sie haben Recht, es war Zeit für einen Wechsel (Beifall bei den Freiheitlichen), denn diese Bundesregierung ist die erste Bundesregierung seit 30 Jahren, die im Jahre 2001 gemeinsam mit den Gebietskörperschaften erreicht hat, keine neuen Schulden zu machen. 30 Jahre lang mussten die Österreicher darauf warten! Es war Zeit für einen Wechsel, Herr Kollege Cap! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Cap – weil Herr Ex-Präsident Sallmutter gerade als Zuhörer erschienen ist –, ich mache mir gerne die Mühe, Ihnen einmal die Zahlen über jene Defizite, die Herr Kollege Sallmutter in seiner Zeit zu verzeichnen hatte, zu vergegenwärtigen:

OTS 065 vom 17. März 1998: 1,489 Milliarden;

8. Februar 1999, APA 627: einige Hundert Millionen Schilling im Minus;

APA 379 vom 28. September 1999: 1,4 Milliarden Schilling im Minus – kein Grund zur Panik;

2. März, APA 483: ein Minus für 1999 von 3,4 Milliarden Schilling! Laut Präsident Sallmutter kein Desaster. Prognose für 2000: 5,7 Milliarden.

23. März, ORF-Sendung "Zur Sache": Defizit 2000: 5 Milliarden Schilling. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem Kollege Sallmutter schon die Budgetvorschau des Hauptverbandes – nämlich seit 15. Februar 2001 – mit einem Defizit von 5,7 Milliarden gehabt hat. Herr Präsident! Was ist das anderes als Nebelgranaten-Werfen in der Öffentlichkeit über die tatsächliche Situation? 700 Millionen Schilling wurden den Österreichern verschwiegen, obwohl man davon gewusst hat. Die Berichte in den Medien entsprachen nicht den Tatsachen.

28. September 1999: 1,4 Milliarden; 8. Februar 1999: einige Hundert Millionen Schilling.

So viel zu Ihrer Art, sehr geehrter Kollege Cap, und der Ihrer Repräsentanten, die österreichische Öffentlichkeit aufzuklären. Im Besitz der richtigen Zahlen bringen Sie in der Öffentlichkeit geschönte Zahlen!

Diese Bundesregierung ist angetreten, in diesem Bereich die Öffentlichkeit auch über die echten Zahlen zu informieren. Diese 5,7 Milliarden Schilling, Herr Kollege Cap und Herr Kollege


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Gusenbauer, konnten wir deutlich reduzieren. (Abg. Bures: Budgettricks! – Abg. Dr. Gusenbauer  – die Zeitung "Die Presse" in die Höhe haltend –: Budgettricks!) Und diese Bundesregierung ist auch bemüht, dieses Einsparungspotential im Interesse der Versicherten noch weiter zu lukrieren. (Abg. Dr. Gusenbauer: Budgettricks! Keine reellen Zahlen!)

Herr Kollege Cap, es wird Ihnen nichts helfen, davon abzulenken. Die Schuldenpolitik, die Sie in 30 Jahren betrieben haben – ein Defizit von 78 Milliarden Schilling hat Bundeskanzler Kreisky beklagt, als er seine Regierungszeit begonnen hat –, ist nachvollziehbar und in den Budgets belegt. Daher: Es war Zeit für eine Wende! Es war an der Zeit, endlich Halt zu machen. Es war an der Zeit, das Steuergeld in dieser Republik endlich sinnvoller und besser einzusetzen als für Zinsenzahlungen an Ihnen nahestehende Banken und andere, um im Interesse der Bürger in der Zukunft wieder mehr Spielraum zu haben. – Dafür, sehr geehrter Herr Kollege Cap, steht diese Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Noch etwas, Herr Kollege! Sie sollten auch nicht vergessen, dass die gesamten Selbstbehalte, ausschließlich der Ambulanzgebühr, von Regierungen beschlossen und eingeführt worden sind, die unter sozialdemokratischer Führung standen. Ich darf nur einige wenige dieser Selbstbehalte anführen (Abg. Bures: Ambulanzgebühr, Unfallrentenbesteuerung!): Krankenscheingebühr, Rezeptgebühr, Selbstbehalt bei Kuraufenthalten, bei Rehab-Aufenthalten, bei Fahrtkosten, bei Transportkosten, für Angehörige in der Anstaltspflege, Zuzahlungen bei Heilmitteln, bei Brillen, bei Sonstigem. (Rufe bei den Freiheitlichen: Alles! Überall!) All das, Herr Kollege Cap, wurde in der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung beschlossen, mit Ihrer Zustimmung.

Ich sehe, sehr geehrter Herr Kollege Cap, dass Sie nunmehr umdenken. (Abg. Bures: Chipkarte!) Ich bin gerne bereit, mit Ihnen, mit der großen Oppositionspartei über ein neues System der Finanzierung in diesem Bereich zu verhandeln. Aber das, was Sie heute hier in aller Öffentlichkeit geboten haben, ist zu billig: sich von den eigenen Maßnahmen zu trennen, die eigenen Maßnahmen dieser Bundesregierung in die Schuhe zu schieben, weil Sie glauben, damit politisches Kleingeld machen zu können.

Sie werden sich täuschen. Die Österreicherinnen und Österreicher sind nämlich daran interessiert, dass dieses Staatswesen saniert wird, und sie sind auch daran interessiert, dass die soziale Dimension, die Österreich immer ausgezeichnet hat, auch in Zukunft nachhaltig umgesetzt wird. Eine nachhaltige Sozialpolitik bedeutet für mich und für die Bundesregierung, dass wir der jetzt arbeitenden Generation und den zukünftigen Generationen keine neuen Belastungen aufbürden, die nicht kapitalisiert sind und die nicht in der entsprechenden Form absehbar sind.

Wir haben mit dem Kinderbetreuungsgeld begonnen. Wir haben mit 15 Milliarden Schilling, die wir der Pensionsversicherung zugeführt haben, Versprechen, die noch aus Ihrer Regierungszeit offen gestanden und nicht kapitalisiert worden sind, endlich kapitalisiert. Wir sind dabei, den Generationenkonflikt hintanzuhalten, indem wir den jungen Menschen in diesem Staat eine Option geben und den Senioren in diesem Staat, gerade in den unteren Einkommensgruppen, auch eine Hoffnung geben, dass sie Anteil haben werden am Zugewinn, den die Gesellschaft insgesamt hat. – Das ist die soziale Politik dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Bures: Das ist herzlos! – Abg. Dr. Jarolim: Zynische Verhöhnung der Österreicher! – Bundesminister Mag. Haupt: Von Ihnen, Herr Kollege!)

11.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.48

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach dieser zwar bühnenreifen, aber äußerst unseriösen Darstellung des Kollegen Cap wurde diese von Herrn Bundesminister Haupt ja Gott sei Dank in weitesten Bereichen berichtigt. Einen Bereich möchte ich noch hinzufügen, und zwar den Bereich der Insolvenzen, wo man ganz klar sieht, wie gut diese neue Bundesregierung wirtschaftet.


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85. Sitzung / Seite 55

In der "Presse" von heute findet man eine Graphik über "Insolvenzen im 1. Halbjahr 2001". Österreich weist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Minus von 1,2 Prozent aus; im Vergleich dazu das sozialdemokratisch regierte Deutschland: ein Plus von 24,3 Prozent. – Bitte, bleiben wir bei der Wahrheit, Herr Kollege Cap! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Wochesländer: Das haben Sie nicht gelesen, Herr Cap!)

Bitte, bleiben wir auch bei der Wahrheit, was die Belastungen betrifft. Wer war es denn, der die Selbstbehalte in Österreich eingeführt hat? (Abg. Wochesländer: Genau!) Davon hören wir nichts. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die SPÖ war es!) Selbstbehalte wie die Rezeptgebühr, die Krankenscheingebühr, zu der Sie sich heute nicht mehr bekennen, Selbstbehalte bei den Heilbehelfen, Kostenbeteiligung beim Zahnersatz, und, und, und – das waren Sie und Ihre Regierung, Herr Kollege Cap!

Und natürlich war es auch Ihre Regierung, die die Chipkarte als solche eingeführt hat. Aber jetzt wollen Sie sich davon verabschieden.

Ich kehre aber lieber zurück zur Seriosität und zu seriösen Argumenten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist gut!)

Die 59. ASVG-Novelle war ja eigentlich mit diversen kleinen Veränderungen als technische Novelle angelegt, hat uns aber zwei große Fortschritte für die Zukunft gebracht, und zwar einerseits die so genannte Chipkarte und andererseits – ein lang ersehnter freiheitlicher Wunsch – einen ersten Schritt zur Zusammenlegung von Sozialversicherungsanstalten.

Ich habe schon gesagt, dass die Krankenscheingebühr als solche ja von Ihnen eingeführt wurde. Sie haben das gemacht! Dass wir die Debatte um die Gebühren jetzt zurückstellen, darüber bin ich froh; ebenso darüber, dass diesen ersten Vorschlägen, die da gekommen sind, nicht Folge geleistet wird. Aber man muss auch sagen: Diese Chipkarte, die ELSY-Karte, hat sehr viele Vorteile. Sie verbessert zum Beispiel den Datenschutz.

Wie war es denn bisher? Bisher hat der Arbeitgeber sehr wohl gewusst, wann der Arbeitnehmer zum Arzt gehen musste. Der Arbeitnehmer muss keinen Krankenschein mehr anfordern, er hat die Karte immer dabei. Auch der Arbeitgeber hat natürlich Vorteile, wenn er keinen Krankenschein mehr ausstellen muss. Man erspart sich Bürokratie, und man verhindert Missbrauch. Aber die Arbeiterkammer und auch die Oppositionsparteien wollen natürlich all diese Vorteile heute nicht mehr sehen.

Die Chipkarte bringt auch interne Einsparungen in der Größenordnung von 255 Millionen Schilling. Auch die Notfallsdaten, die besonders von den Grünen so kritisiert werden, sind ganz genau und ausreichend definiert, und der Versicherte kann ja selbst entscheiden, was alles an Daten aufgenommen wird. Ich bin schon sehr froh darüber, dass ich selber entscheiden kann, was in Zukunft auf der Chipkarte stehen wird. Das stärkt nämlich die Selbstverantwortung des Bürgers. Aber genau das will ja die heutige Opposition nicht erreichen.

Ich jedenfalls möchte möglichst viele Notfallsdaten auf meiner Chipkarte stehen haben, vor allem deshalb, weil es ja passieren kann, dass ich auch bei vollem Bewusstsein nach einem Unfall ins Krankenhaus eingeliefert werde und dann froh bin, dass ich, wenn ich für Untersuchungen von einer zur anderen Station weitergereicht werde, nicht immer wieder – wie es mir schon mehrere Male passiert ist – den selben Sermon herunterleiern, sondern nur mehr die Chipkarte vorlegen muss.

Der Bürger kann selbst entscheiden, ob er das will oder nicht.

Es ist natürlich so, Herr Kollege Maier, dass es vorher Bedenken seitens des Datenschutzrates gegeben hat, aber Sie haben verschwiegen, dass diese Bedenken im Sozialausschuss vom Vorsitzenden des Datenschutzrates ganz ausdrücklich ausgeräumt worden sind. – Bleiben wir doch bitte bei der Wahrheit!


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Es gibt aber noch etwas ganz Wichtiges, was diese 59. ASVG-Novelle bringen wird, nämlich die Zusammenlegung der beiden größten Pensionsversicherungsanstalten ab 1. Jänner 2003, die Zusammenlegung der Pensionsversicherung der Arbeiter und der der Angestellten in eine gemeinsame Pensionsversicherungsanstalt. Das ist ein erster Schritt hin zur Umsetzung eines langjährigen freiheitlichen Anliegens.

Es wird einen Überleitungsausschuss geben, der paritätisch besetzt ist. Dieser Schritt – und das freut mich besonders – wird auch mehr Bürgernähe bringen. Es wird nämlich neun Landesstellen sozusagen als Front-Office für den Bürger geben und eine Zentralstelle als Back-Office.

Ich verstehe wirklich nicht, warum sich die Opposition gegen solche Neuerungen so vehement ausspricht und einfach falsche Fakten vorbringt. Ich denke, dass wir mit diesen Novellen, die wir heute beschließen werden, wirklich richtungsweisende Schritte für die Zukunft setzen und dass Sie von der Opposition mit alten Hüten und mit Unwahrheiten agieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

11.55

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Zuerst mein Dank an Sie, Herr Bundesminister: Sie haben uns eine Fülle von Redezeit beschert.

Ich möchte ganz kurz auf die Ausführungen von Frau Kollegin Haller eingehen. Sie hat gesagt, dass alles ganz hervorragend ist und dass sie nicht versteht, warum wir diesen großartigen Ideen nicht zustimmen. – Warum gerade wir versuchen, an die Patienten zu denken und nicht an Ihre Großartigkeit, das werde ich Ihnen jetzt erklären.

Fangen wir einmal ganz ruhig und gelassen an: Das System der Krankenscheine hat etwas von einer Theresianischen Kanzleiordnung an sich. Es wird nur sehr wenige Leute geben, die auch weiterhin die Krankenscheine mit all ihren Facetten der Bürokratisierung, der Strapazierung von Zeit, Geld, Nerven und Personal haben wollen, wie Sie vielleicht manchen unterstellen. Das ist, glaube ich, unbestritten.

Unbestritten ist auch, dass eine Chipkarte, ein geeignetes Modell aus einem Chipkartensystem, so etwas sein könnte wie eine Verwaltungsreform oder ein Beitrag dazu im internen Kreis. Auch das wäre zu begrüßen. Es müsste allerdings ein richtiges Modell sein, damit nicht wieder – nicht nur, aber unter anderem auch – die Kranken die Leidtragenden sind. Das kann man Ihnen auch erklären.

Die Art und Weise aber, wie Sie mit diesem Thema Politik machen, ist, gelinde gesagt – und ich bleibe jetzt ausgesprochen höflich –, äußerst unprofessionell. (Beifall bei den Grünen.) Die Sache wird seit drei Jahren diskutiert – ein Beweis dafür, dass "Speed kills" in Ihrer Politik anscheinend nicht flächendeckend durchgehalten wird, denn von Geschwindigkeit kann da keine Rede sein.

Wo Sie aber extrem konsequent, unerwartet konsequent sind, das ist im Aufrechterhalten des Chaosprinzips: von wirklich grotesken Argumenten über oberflächliche Behandlungen schwieriger Themen bis hin zu Widersprüchlichkeiten, Aneinanderreihungen von Widersprüchen und laufenden Dementis.

Die Arbeit der Journalisten muss angesichts dessen einfach sein: Sie nehmen die Meldung der APA von vorgestern in der guten und sehr wahrscheinlichen Erwartung, dass sie morgen wieder zutreffen wird; dann kommt das Dementi. Man zieht jeden Tag die Meldung von gestern raus, die übermorgen wieder Gültigkeit hat. – So scheint es zu sein.


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Ich erinnere nur an Folgendes: Khol sagt, die Chipkarte komme rasch. Haupt sagt, sie komme nicht, sie komme später. Dann wieder wird gesagt, sie koste nichts, weil Sie das den Patientinnen und Patienten versprochen hätten. Kurz darauf wird mitgeteilt, sie koste doch etwas. – Das erinnert mich an das idyllische Blümchenspiel, an das Zupfen von Margariten nach dem Motto "Sie liebt mich, sie liebt mich nicht"! Aber solche Spiele sollten wir meiner Ansicht nach im Parlament nicht allzu lange spielen, denn so romantisch sind diese Hallen hier nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Von Ihnen sehr konsequent betrieben wird auch der lückenlose Übergang des Tohuwabohus, das wir aus Ihrer Argumentation kennen – um die Ambulanzgebühren, um die Belastung der Patienten, um die so genannte Patientenentschädigung, die irgendwie zu einem Almosenfonds degradiert wurde –, zu allen Grotesken und Argumentationen über Hauptverband, Sozialversicherung und das in wenigen Tagen angeblich nicht mehr finanzierbare Gesundheitssystem.

Außerdem frage ich mich wirklich – Kollege Khol ist leider nicht mehr hier –: Wie viele Krankenscheine, wie viele Chipkarten hat er im Ärmel? Wie viele Chipkarten, falsche, echte, haben Sie im Ärmel? Khol müsste, meine ich, schon Konfektionsgröße 58 tragen, um sie alle unterzubringen. (Beifall bei den Grünen.)

Was mich aber irritiert und die ZuhörerInnen vermutlich interessieren wird, ist, dass bei Ihnen der Wortbruch irgendwie zur Regel wird. Es wurde verbindlich zugesagt, dass die Krankenscheingebühren ein Ende finden und bei der Chipkarte nicht fortgeschrieben werden.

Ich bin durchaus bereit – wie das ja auch Mitterlehner teilweise der Presse mitgeteilt hat –, darüber zu diskutieren, wie man die mit dem Fortschritt der Medizin zunehmenden Kosten für die Kassen irgendwie vernünftig regeln kann. Aber diese Diskussion hat nicht stattgefunden.

Wenn aber mein – mit Gänsefüßchen versehener – "Freund" Pumberger dem Hauptverband in dieser Diskussion um die Chipkarten und um Ihr Chaos – ich zitiere jetzt – "eine schizoide Haltung" vorwirft, dann muss ich ehrlich sagen: Da möchte ich den Diagnosefaden in bestimmte Richtungen nicht weiter spinnen. Sie verstehen mich?! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: Sonst kriegst du nämlich einen Ordnungsruf!)

Rührend finde ich auch Ihre Argumente. Sie wollen jetzt mit der kostenpflichtigen Chipkarte Ihrem alten Feindbild Krankenkassen unter die Arme greifen. (Abg. Dolinschek: So ist es!) Sie haben den Krankenkassen vor kurzem noch öfters an die Kehle gegriffen, und ich muss sagen, die in der Gesundheitspolitik Aktiven sollten so viel Anatomie beherrschen, dass sie zwischen Kehle – damit Sie es besser verstehen: im Volksmund Gurgel – und Armen unterscheiden können. Darauf würde ich großen Wert legen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie uns vormachen, dass Sie plötzlich Ihre Feinde lieben, ähnelt das für mich einem wirklich intellektuellen Harakiri. Das Verwirrspiel – seien Sie mir nicht böse –, das uns jetzt pausenlos begegnet – sie kommt, sie kommt nicht, sie kostet was, sie kostet nichts –, lässt mich schon fast befürchten, dass die weichen Drogen bei Ihnen parteiintern schon freigegeben wurden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Nur bei den Grünen!)

Dass die Kassen über kurz oder lang über mehr Einnahmen verfügen sollten, scheint logisch zu sein. Vernünftige, Mutige und Ehrliche unter Ihnen haben das sogar öffentlich schon hin und wieder gesagt. Völlig unklar wird mir aber, wie das zustande kommen soll, wenn man mit der Chipkartengebühr jetzt den Kassen noch Leistungen oktroyiert, die heißen: Gesundenuntersuchung – diese war zwar bisher gratis, aber da haben Sie die Kurve elegant gekratzt. Sie sprechen nicht von den alten Gesundenuntersuchungen, sondern zweifellos von – da gebe ich Ihnen Recht – modernen, dem Stand der Medizin angepassten, wo man nicht nur Körpergewicht, Körpergröße, Fettstoffwechsel und Cholesterin bestimmt und den Patienten einmal "A" sagen lässt. Das ist ein bisschen dürr, da kann man etwas tun. Da gebe ich Ihnen Recht.

Aber wenn Sie glauben, dass Ärztinnen und Ärzte, die mir ja in ihrem Wesen auch nicht fremd sind, diese Leistungen dann kostenlos anbieten, dann werden Sie sich irren.


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Dann sprechen Sie noch von Impfungen, und dazu fallen Ihnen die Grippe ein – das ist in der Bevölkerung eine allgemein bekannte Erkrankung und damit auch dem Gesundheitsministerium bekannt – und dann die Zecken.

Nehmen wir einmal an: Ich nehme dem Patienten einige Hunderter aus der Tasche und biete ihm dafür an, dass er mit irgendetwas irgendwann einmal unter die Haut oder sonst wohin gestochen wird. – Na, hurra! Gesundheitspolitisches Konzept sehe ich dahinter keines. Ich werde aber noch darauf zurückkommen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn nun die Kassen – und da gibt es Modellrechnungen – ihrem Auftrag folgend nur jedem dritten Versicherten eine dieser vorgeschlagenen Impfungen – ich hoffe, es kommen einige logischere dazu – zur Verfügung stellen würden, dann würde das für die Kassen einen Mehraufwand bedeuten, der 25 Prozent über den von Ihnen durch die Chipkarte postulierten Einnahmen liegen würde. So unter die Arme greifen lasse ich mir nicht, wenn ich 25 Prozent Defizit habe.

Also nochmals: Was meinen Sie: die Arme oder den Kehlkopf? (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt noch eine Quizfrage. Wenn man so argumentiert, den Kassen helfen zu wollen, und sich daraus letztlich Mehrkosten in einer sicher nicht einfachen finanziellen Situation der Sozialversicherungen entpuppen, dann frage ich mich, ob Ihnen das Abc der Ökonomie genauso fremd ist wie das Abc von Solidarität, Patientenrechten, Patientenwünschen und Patientensorgen. Ich fürchte, beide Abc haben Sie ungenügend gelernt. Sie haben ja gestern eine Dringliche Anfrage zum Thema Chaos in der Bildungspolitik eingebracht. Versuchen Sie vielleicht, an sich selbst zu arbeiten, und wir haben dann bessere Vorschläge auf dem Tisch. (Beifall bei den Grünen.)

Noch etwas: Sie sollten auch wissen und ... (Abg. Fink: Bisher haben Sie keinen einzigen Vorschlag gemacht!)  – Wissen Sie, Sie müssen halt zuhören, dann werden Sie hören, was ich sage. Ich kann über die Notfalldaten mit Ihnen gern noch sprechen, wenn Sie wollen. Haupt hat mir genügend Zeit gelassen. (Weitere Zwischenrufe.) Okay, bleiben wir einmal bei dieser Sache. Bleiben wir dabei, dass Impfen – das ist vielleicht etwas Neues – nicht so etwas Harmloses ist, dass man sagt, okay, Hauptsache, es wird unter den Arm oder sonst wohin gespritzt, damit ist dem Patienten gedient. (Beifall bei den Grünen.)

Man müsste definieren Risikogruppen, Altersgruppen, welche Indikationen für diese Gruppen die interessantesten oder die mit dem größten Benefit wären, aber davon ist im Prinzip auch keine Spur. Wenn man die Verteilung von Impfungen mit dem Austeilen von "Manner Schnitten" verwechselt, dann ist das auch nicht besonders gut. Ich glaube, ich könnte mit Haupt schon darüber reden – und er ist auch dazu in der Lage –, welche Impfungen welchen Bevölkerungsgruppen, welchen Berufsgruppen nützlich sein könnten. Die Grotesken setzen sich ... (Abg. Steibl: "Manner Schnitten" sind etwas Gutes! Bekommen Sie für "Manner Schnitten"-Werbung etwas bezahlt?)

Wenn Sie einen Medizinunterricht wollen, dann beantragen Sie für mich noch 20 Minuten Redezeit. Ich erkläre Ihnen gern noch einiges dazu. Fangen wir vielleicht an, wenn Sie so neugierig sind! (Beifall bei den Grünen.)

Notfalldaten – dazu habe ich sicher eine ein bisschen differierende Meinung. Notfalldaten können gespeichert einen Sinn machen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass sie auf einer anderen Chipkarte gespeichert werden sollten, denn zuviel ist mir schon von Ihren vergangenen Gesetzesinitiativen bekannt. (Abg. Dr. Pumberger kratzt sich am Kopf.)

Wissen Sie, ich finde es nett, wenn Sie sich kratzen. Diese Bilder sieht man in gewissen Zeitschriften, etwa in "Universum", wo dann, ich sage einmal, die Wale vorkommen, aber die kratzen sich nicht so wie Sie jetzt. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Ich bin dafür, Notfalldaten auf eigenen Chips zu speichern. Diese kann man auch gesetzlich nicht festlegen oder nur schwer, weil es wiederum von Personen abhängt, was für sie ein Risiko


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ist. Das kann sehr unterschiedlich sein. Da ist der Gesetzgeber meiner Meinung nach überfordert.

Grotesk ist für mich aber schon Folgendes: dass diese Chipkarte im Prinzip die Idee als Grundlage gehabt hat, dass man sensible Daten von Arbeitgebern fernhält, die, sage ich jetzt einmal – vielleicht sehr exotisch, aber möglich –, dem Arbeitnehmer nicht sehr gut gesonnen sind. Das wollte man erreichen. Herr Mitterlehner hat sehr treffend gesagt, das passiere eigentlich nicht. Sie haben ein Ringelspiel, einen Kreisverkehr mit diesen Daten eingerichtet. Die Sozialversicherung ist ein Eckpunkt des Ringelspiels, der zweite ist der Arbeitgeber, der dritte der Arbeitnehmer, und da wird die Sozialversicherungskarte im Kreis geschickt, damit überhaupt die Gebühren, die Sie wollen, kassiert werden können.

Wenn das der Verfassungsausschuss mit gutem Grund kritisiert, würde ich das auch nicht auf die leichte Schulter nehmen, sonst müsste ich Ihnen die Frage stellen: In welcher Verfassung befinden Sie sich, dass Ihnen so etwas einfällt? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: "Verfassungsbogen!") Das heißt, unsere Sorgen haben einen Grund. Zurück an den Start, zurück in den Ausschuss! Man kann mit uns reden, wir sind nicht Verfechter von Karteikästen, von Archiven, von Zetteln, sondern wir sind aufgeschlossen. Wenn man sich etwas bemüht, ist daraus etwas zu machen, aber die Sicherheit der Daten muss gewährleistet bleiben.

Ich kann Ihnen sagen, ich habe von einer Kasse ein Formular bekommen, auf dem steht: Sie sind verpflichtet, auf polizeiliche Anordnung bei Firmenwerbern bekannt zu geben, welche Erkrankungen, Alkoholerkrankung, bestimmte Infektionserkrankungen, psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlungen vorliegen, aber nicht nur für Bewerber in Firmen, sondern auch für Volljährige, die innerhalb ihres Wohnverbandes leben. – Wenn so etwas von Ihnen toleriert wird, wenn so etwas von Ihnen ermöglicht wird, dann sagen Sie, bitte, nicht, die Grünen seien so komisch, die wollen zwei Chipkarten. – Wir sind nicht komisch, wir sind durch Sie gewarnt!

Also zurück an den Start und vielleicht zurück zu einer Bildungsoffensive, dann ist daraus etwas zu machen!

Ich komme jetzt zum trockenen Teil – es ist keine Pointe –, zu unserem Entschließungsantrag, der lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Grünewald, Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend die Schaffung einer eigenen, von der SV-Chipkarte physisch getrennten Karte mit Notfallsdaten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, die notwendigen technischen und legistischen Schritte in die Wege zu leiten, um eine eigene, von der Sozialversicherungs-Chipkarte unabhängige Karte zur Aufnahme von Notfallsdaten zu realisieren, die von Versicherten freiwillig in Anspruch genommen werden kann. Insbesondere ist dabei der Umfang der aufzunehmenden Notfallsdaten gesetzlich festzuschreiben und die Karte technisch so zu dimensionieren, dass keine weiteren als die gesetzlich vorgesehenen Notfallsdaten darauf gespeichert oder sonst wie festgehalten werden können. In diesem Zusammenhang ist auch deutlich festzulegen, wer unter welchen Umständen berechtigt ist, Daten auf der Karte abzuspeichern bzw. zu verändern sowie wer für aus falschen oder fehlerhaft gespeicherten Daten resultierende Behandlungsfehler haftet.

*****

Ich sage Ihnen aus meiner Erfahrung: Mir ist da auch schon einiges passiert. Man bekommt in Notfallsituationen Informationen von einem Kollegen, der sagt: Der hat das und das! Der Blick konzentriert sich auf die Übermittlung, und man übersieht links und rechts, vorne und hinten,


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oben und unten einiges, was dem Patienten nicht gut tun kann. Auch das wäre zu beachten, sage ich Ihnen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rasinger zu Wort gemeldet. – Ich ersuche Sie, mit der Wiedergabe der Behauptung zu beginnen, die Sie zu berichtigen wünschen.

12.12

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Herr Abgeordneter Grünewald, Sie haben behauptet, dass die Regierung durch die Einführung von neuen Impfungen Mehrkosten verursachen würde. Als Professor müssten Sie eigentlich die neueste Studie aus Amerika kennen, heute veröffentlicht im weltberühmtesten Journal "New England Journal", wonach pro Grippeimpfung Einsparungen in Höhe von 14 Dollar zu erzielen sind. Es kommt ja – das haben Sie verschwiegen – zu Einsparungen durch geringeren Verbrauch von Antibiotika, durch eine geringere Zahl von Arztbesuchen und Krankenständen. Abgesehen davon schätzen die Amerikaner, dass man sich so 114 000 Krankenhausaufenthalte und 20 000 Todesfälle ersparen kann. (Abg. Dr. Grünewald: Nicht mit Antibiotika! Das ist falsch!) Das sollte Ihnen als Arzt auch nicht Wurscht sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.13

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, bevor ich in den inhaltlichen Teil meiner Rede eingehe, drei Anmerkungen, die die Oppositionsparteien betreffen, zu machen.

Erstens: Die SPÖ diskutiert nicht den Inhalt der 59. ASVG-Novelle, sondern, wie Abgeordneter Cap richtig gesagt hat – er ist leider nicht da, ich zitiere –, Kraut und Rüben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Kollege Cap hat gesagt: Wir diskutieren Kraut und Rüben! – Ich glaube, er hat die SPÖ damit gemeint.

Wir von der Regierungspartei ÖVP schaffen neue Chancen statt neuer Schulden. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu dem, was Abgeordneter Maier tatsächlich berichtigt hat, muss ich sagen: Abgeordneter Feurstein hat das nie gesagt. Die Oppositionspartei SPÖ bringt immer wieder nur ihre Sichtweise ein. (Abg. Dr. Jarolim: Ihre werden wir nicht einbringen!)

Drittens zu den Ausführungen des Kollegen Öllinger: Es gibt keine negative Stellungnahme des Verfassungsdienstes, sondern Sie haben, glaube ich, übersehen, dass das, was wir am 16. November im Ausschuss beschlossen haben, eine andere Regierungsvorlage ist. Der Verfassungsdienst hat die Regierungsvorlage vom 16. November überhaupt nicht begutachtet. Der Datenschutzrat hat geprüft und volle Übereinstimmung erzielt. Ich zitiere aus der mit Mehrheit beschlossenen Regierungsvorlage:

"Im Lichte dieser Ausschussfeststellung wird – auf Basis der einschlägigen Stellungnahme des Datenschutzrates im Begutachtungsverfahren – vorgeschlagen, künftighin die Speicherung von Notfallsdaten auf ausdrückliches Verlangen des Karteninhabers (der Karteninhaberin) gesetzlich zuzulassen."

Sie haben sicher diese Regierungsvorlage, bitte lesen Sie sie, denn diese haben Sie sicher zeitgerecht erhalten, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Da die SPÖ, wie ich gesagt habe, über Kraut und Rüben diskutiert, statt über den Inhalt dieser Gesetzesvorlage zu sprechen, und eher Wahlkampfgeplänkel führt, möchte ich auch einen Satz zu den guten Daten Österreichs sagen: Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Laut UNO-Ranking liegt Österreich weltweit auf dem zehnten Platz. – Ich denke, dazu haben diese eineinhalb Jahre Regierung von ÖVP und FPÖ etwas beigetragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nun aber zum Inhalt dieser Gesetzesvorlage – die ÖVP ist eine Inhaltsregierungspartei im Vergleich zu manch anderen –: Seit 1. Jänner 2001 sind 1,2 Millionen Arbeiter in Österreich den 1,5 Millionen Angestellten bei Krankheit, Dienstverhinderung, Urlaubsaliquotierung gleichgestellt. Meine Damen und Herren von der SPÖ! 30 Jahre haben es Bundeskanzler, Sozial- und Finanzminister und ÖGB-Vorsitzende nicht geschafft beziehungsweise nicht zustande gebracht, diese Gleichstellung herbeizuführen.

Wenn Sie sich so aufregen, dann muss ich Sie fragen: Wissen Sie, wie das bei der Bevölkerung angenommen wird? Die SPÖ präsentiert sich schon lange nicht mehr als Arbeiterpartei – sie sagt, dass sie das sei –, sondern eher – das passt nämlich zu "arbeiten" dazu – als Systembetonierer und als eine Partei, die eigentlich nichts mehr anderes als Funktionärsinteressen vertritt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir von der ÖVP, von der Regierung gehen jetzt einen nächsten, weiteren wichtigen Schritt. Wir beseitigen abermals Unterschiede, indem wir die Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten zu einer Versicherungsanstalt für alle unselbständig Erwerbstätigen zusammenlegen. Diese Zusammenlegung bringt Entscheidungsnähe zum Bürger, eine eindeutige Aufwertung der Bundesländer und eine klare Absage an eine Zentralisierung. Das ist der Wunsch der Länder. Diese Regierungspartei nimmt die Wünsche der Länder auch ernst.

Es wäre zu dieser positiven Zusammenlegung noch vieles zu sagen, sei es die verwaltungstechnische Vereinfachung, sei es die Ausweitung von vier auf neun Außenstellen. Das zeigt, dass wir von der Regierung im Interesse der Hilfsbedürftigen handeln. Wir modernisieren und wir bauen auf. Wir schauen nicht rückwärts, sondern vorwärts. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir von der Regierung stellen seitens der ÖVP das Bekenntnis zum Menschen in den Mittelpunkt unserer Politik und nicht die Institution oder einen anonymen Apparat. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Nachlesen, bitte! (Abg. Dr. Mertel: Welche Menschen?) – Die Österreicherinnen und Österreicher; ich glaube, Frau Kollegin Mertel, das wissen auch Sie. (Abg. Dr. Mertel: Welche Österreicher?) Dann fragen Sie draußen vor Ort! Ich glaube, dass Sie nie an Stammtischrunden teilnehmen oder wirklich im Wahlkreis unterwegs sind. Sonst würden Sie nämlich hören, dass es vielmals heißt: Danke für das, was Sie machen, es war notwendig und es ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen zur Regierungsvorlage 834 und Zu 834 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG) in der Fassung des Berichtes des Ausschusses für Arbeit und Soziales (892 der Beilagen)

*****

Meine Damen und Herren! Dieser Abänderungsantrag geht auch auf einstimmigen Beschluss der PVAng zurück und entspricht ebenso den Wünschen der BVA. Im Sinne von § 53 Abs. 4 erläutere ich die Kernpunkte und ersuche Sie, sehr geehrter Herr Präsident, um Vervielfältigung und Verteilung des Abänderungsantrages.


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Der Abänderungsantrag enthält lediglich Präzisierungen in den Übergangsbestimmungen und entspricht, wie schon erwähnt, den Forderungen nach kleinen, nicht aufgeblähten Gremien. Der Vorstand der Pensionsversicherungsanstalt soll zum Beispiel künftig 15 Mitglieder, die Kontrollversammlung 9 Mitglieder umfassen, und vieles andere mehr.

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Es wäre nicht nur wünschenswert, sondern es wäre ein staatstragender Akt, wenn Sie dieser 59. ASVG-Novelle zustimmen würden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Gaugg, Feurstein ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Entsprechend der Geschäftsordnung wird er verteilt und auch dem Stenographischen Protokoll beigegeben.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen zur Regierungsvorlage 834 und Zu 834 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG) in der Fassung des Berichtes des Ausschusses für Arbeit und Soziales (892 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Z. 72 soll lauten:

"72. § 428 Z 2 lautet:

,2. bei der Pensionsversicherungsanstalt ............................................................................... 15;’"

2. Z. 74 soll lauten:

"§ 429 Z 2 lautet:

,2. bei der Pensionsversicherungsanstalt ................................................................................. 9;’"

3. In Z. 88 lautet §§ 538b Abs. 1:

"(1) Die Versicherungsvertreter (Stellvertreter) der Pensionsversicherungsanstalt sind gemäß §§ 420 bis 426 erstmals bis 30. September 2002 in die Kontrollversammlung, in die Generalversammlung und in die Landesstellenausschüsse zu entsenden. Dabei ist § 421 mit der Maßgabe anzuwenden, dass sowohl das Mandatsergebnis (§ 421 Abs. 1) als auch das Ergebnis der Stichtagserhebung (§ 421 Abs. 2 iVm Abs. 4), das der letztmaligen Entsendung in Verwaltungskörper der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zu Grunde zu legen war, auch für die erstmalige Entsendung in die Verwaltungskörper der Pensionsversicherungsanstalt heranzuziehen ist. § 427 Abs. 2 ist auf die Mitglieder des Überleitungsausschusses gem. § 538c Abs. 6 sinngemäß anzuwenden. Die am 31. Dezember 2002 amtierenden Mitglieder des Überleitungsausschusses bilden ab 1. Jänner 2003 den Vorstand der Pensionsversicherungsanstalt."

4. In Z. 88 wird der dritte Satz in § 538b Abs. 2 durch folgende Sätze ersetzt:

"Der Vorsitzende des Überleitungsausschusses und seine beiden Stellvertreter übernehmen ab 1. Jänner 2003 die Funktionen des Obmannes und seiner Stellvertreter der Pensionsversiche


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rungsanstalt. In der konstituierenden Sitzung der Kontrollversammlung ist die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters durchzuführen (§ 431 Abs. 3); der Vorsitzende des Überleitungsausschusses (§ 538c Abs. 6) führt dabei den Vorsitz."

5. In Z. 88 lautet § 538c Abs. 1 erster Satz:

"Der Überleitungsausschuss wird für den Zeitraum 1. Jänner 2002 bis 30. Juni 2002 aus den Mitgliedern der Vorstände der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gebildet."

6. In Z. 88 wird in § 538c Abs. 3 dritter Satz wird der Ausdruck "einen Vorsitzenden-Stellvertreter" durch den Ausdruck "zwei Vorsitzenden-Stellvertreter" ersetzt.

7. In Z. 88 wird in § 538c Abs. 3 der vierte Satz durch folgenden Satz ersetzt:

"Der Vorsitzende hat der Gruppe der Dienstnehmer anzugehören; je einer der Stellvertreter hat der Gruppe der Dienstgeber bzw. der Gruppe der Dienstnehmer anzugehören."

8. In Z. 88 wird in § 538c folgender Absatz 6 angefügt:

"(6) Der Überleitungsausschuss besteht ab 1. Juli 2002 aus 15 Mitgliedern, die gemäß §§ 420 bis 426 bis 30. April 2002 neu zu entsenden sind. Dabei ist § 421 mit der Maßgabe anzuwenden, dass sowohl das Mandatsergebnis (§ 421 Abs. 1) als auch das Ergebnis der Stichtagserhebung (§ 421 Abs. 2 iVm Abs. 4), das der letztmaligen Entsendung in die Verwaltungskörper der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zu Grunde zu legen war, auch für die erstmalige Entsendung in die Verwaltungskörper der Pensionsversicherungsanstalt heranzuziehen ist. Auf die Wahl des Vorsitzenden bzw. seiner Stellvertreter ist Abs. 3 sinngemäß anzuwenden, soweit diese dem Überleitungsausschuss aufgrund der Neuentsendung nicht mehr angehören."

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter Öllinger, beginnen Sie doch freundlicherweise mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen.

12.20

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Es ist mir ein Vergnügen, mit der Wiedergabe der entsprechenden Behauptung zu beginnen.

Frau Abgeordnete Steibl hat in Ihrem Redebeitrag behauptet, dass sich die Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes auf den in der Begutachtung vorliegenden Entwurf beziehe und dass durch die Tatsache, dass die Regierungsparteien im Ausschuss einen Abänderungsantrag eingebracht haben, diese Kritik des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes hinfällig sei. – Das ist nicht richtig, Frau Abgeordnete Steibl!

Ich zitiere aus der Stellungsnahme des Verfassungsdienstes. Zum Thema freiwillige Speicherung heißt es:

"Vor allem zu letzterem Punkt könnten Zweifel insofern entstehen, als die vorgesehene ,Freiwilligkeit’ der Datenspeicherung und Datenverwendung in besonderen Konstellationen gefährdet sein könnte, und zwar dann, wenn soziale Abhängigkeiten wie etwa im Arbeitnehmerverhältnis gegeben sind." (Abg. Dr. Feurstein: Der Arbeitgeber hat die Sozialversicherungskarte nicht! Die bekommt er nicht!)

Zum zweiten Punkt, zu dem Recht, das in § 31a – Herr Abgeordneter Feurstein, lassen Sie mich bitte berichtigen! – festgelegt wird, dass nämlich der Bundesminister über Verordnung die Notfalldaten regeln kann, sagt der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, auch betref


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fend den abgeänderten Entwurf (Abg. Dr. Feurstein: Den überarbeiteten Entwurf hat der Verfassungsdienst nicht gesehen!):

"Überdies verlangt § 1 Abs. 2 DSG 2000, dass Regelungen über die Verwendung sensibler Daten durch Gesetz zu treffen sind. Die vorliegende Delegation" – Herr Abgeordneter Feurstein, passen Sie bitte auf! – "dieser Regelungskompetenz an die Verwaltung scheint diesem Gebot nicht zu entsprechen, da sie inhaltlich keine Vorgaben enthält, die eine Prüfung der wichtigen öffentlichen Interessen und der geeigneten Garantien zulassen."

Das heißt, die Kritik des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes bezieht sich (Abg. Dr. Feurstein: Auf einen früheren Entwurf!) auch auf den von den Regierungsparteien abgeänderten Entwurf in der Substanz. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Feurstein: Das ist falsch!)

12.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.23

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Feurstein, ein bisschen seriöser sollten Sie schon auch mit Ihren Zwischenrufen sein. Sie wissen ganz genau, dass Sie es zu verantworten haben, was in Begutachtung gegangen ist und was letzten Endes dann im Sozialausschuss behandelt worden ist. Es ist Ihre Verantwortlichkeit, Herr Kollege Feurstein! – Das zum Ersten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.  – Abg. Dr. Feurstein: Da gebe ich Ihnen Recht!)

Zum Zweiten, Herr Kollege Feurstein: Auch die abgeänderte Vorlage entspricht dem nicht.

Zum Dritten, Herr Kollege Feurstein: Sagen Sie es doch ehrlich: Wer ist denn der stellvertretende Vorsitzende des Datenschutzrates? Kennen Sie den zufällig? Ist es zufällig ein Klubsekretär der ÖVP? Sehr interessant! (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das, was diese Bundesregierung dem Parlament heute zur Beschlussfassung vorgelegt hat, widerspiegelt schlichtweg einen unverantwortlichen Umgang mit den Medien. Frau Kollegin Steibl! Das ist auch der Grund, warum wir diesen Vorlagen unsere Zustimmung nicht geben werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Das überrascht uns aber sehr!)

Was Sie als Abgeordnete der ÖVP und der FPÖ hier heute beschließen und legalisieren wollen, ist ein Demokratieentzug, ist die Wegbereitung für den Überwachungsstaat, und Sie führen den Sozialstaat in den Ruin, und zwar ganz bewusst und vorsätzlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Und das glaubt Ihnen wer? – Abg. Dr. Khol: Das haben Sie gemacht!)  – Nein, Herr Kollege Dr. Khol! (Abg. Dr. Khol: O ja!)

Wie bei Ihrer Umfärbelungsaktion beim Hauptverband legen Sie jetzt mit der 59. ASVG-Novelle zwei Sozialversicherungsträger rein politisch motiviert zusammen. (Abg. Dr. Khol: Synergien! Haben Sie das Wort "Synergien" schon einmal gehört?) Bei den anderen Trägern, wo finanziell dringendster Handlungsbedarf besteht, bleiben Sie tatenlos, weil Ihnen dort die Zusammensetzung politisch genehm ist. (Abg. Dr. Khol: Synergien! Synergien!) Nein! Fakten zählen bei Ihnen nicht. Bei Ihnen zählt nur eines: Schwarz-blaue Mehrheiten sind die Motivation Ihres Tuns und Handelns! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist ja geradezu grotesk: Die FPÖ hat beim Hauptverband diesen Unvereinbarkeitsbestimmungen zugestimmt. Jedoch hier in diesem Hohen Hause sitzt eine Abgeordnete, die sich brüstet, demnächst Geschäftsführerin in dem Hauptverband sein zu wollen. Frau Kollegin Hartinger, Sie werden ja hier noch dazu Stellung nehmen können. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich klar davon distanzieren oder dass Sie sagen, Sie legen Ihr Mandat zurück! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )


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Die betroffenen Beschäftigten in den Sozialversicherungsträgern sind, Herr Kollege Feurstein, offensichtlich für Sie höchstens ein unliebsamer Belastungsfaktor. Auch wenn Sie einen Abänderungsantrag hier einbringen, so wird zwar das Teilnahmerecht für die Betriebsräte darin zu finden sein, aber es wird keine aktive Mitwirkungsmöglichkeit vorgesehen. Das ist ja wirklich kein qualifiziertes Recht, dass Sie hier den Interessenvertretungen zustimmen.

Der Herr Bundesminister hat uns ja dankenswerterweise auf eine diesbezügliche Anfrage geantwortet und gemeint, das interessiere ihn eigentlich nicht, was dort mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist, das sei nicht seine Angelegenheit. – Offensichtlich teilen Sie diese seine Meinung!

Auch die regionalen Aspekte interessieren Sie dann, wenn es um eine Machtvertiefung Ihrer Landeshauptleute, die blau oder schwarz gefärbt sind, geht. Sonst ist für Sie der regionale Aspekt herzlich nebensächlich.

Was aber der absolute Skandal ist, das ist der Demokratieentzug, den Sie heute hier tatsächlich beschließen wollen. Nach der Anwendung des Zensuswahlrechtes – das heißt: Geld zählt mehr als Menschen, eine Devise, nach welcher Sie beim Hauptverband agiert haben – schalten Sie nun die Selbstverwaltung in ihrer Außenwirkung total aus. Sie führen die Zensur ein! So etwas kenne ich überhaupt nur aus den Feldpostbriefen meines Vaters an meine Mutter. Das war eine Zeit, meine Damen und Herren, in der in Österreich die Demokratie ausgeschaltet war! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie zensurieren die Selbstverwaltung. Sie verbieten den Vertretern der Versichertengemeinschaft, also unseren Vertretern, das freie Wort, die freie Meinungsäußerung. Das ist ein Skandal in dieser Republik! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister Haupt! Wenn Sie sagen, die Informationen seien nicht so, wie sie sein sollten, frage ich Sie: Wie sollten sie denn bei den Ambulanzgebühren sein? Es gibt einen Brief von Ihnen, in dem es entgegen den gesetzlichen Bestimmungen geheißen hat, man sollte die Ambulanzgebühren erst in der 43. Woche einfordern. Sie mussten das dann revidieren. Da stellt sich die Frage: Warum erst in der 43. Woche? – Weil da die Urabstimmung des ÖGB vorbei war und Sie Angst gehabt haben, dass die Menschen merken, was Sie hier beschlossen haben und welche Wirkungen das auf die Menschen hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Feurstein! Herr Donabauer! Wenn Sie schon dieses Maulkorbgesetz beschließen wollen, dann seien Sie doch gleich ehrlich, dann haben Sie den Mut und sagen Sie: Wir schaffen die Selbstverwaltung ab! Wir schließen in unserer Politik nahtlos an eine Politik der dreißiger Jahre an! – Haben Sie den Mut und sagen Sie das gleich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Donabauer: Ich verstehe die Ausführungen nicht!)

Sie werden ja nachher hier dazu Stellung nehmen können. Es geht genau darum, dass Sie den Menschen das Wort verbieten, nämlich jenen Menschen, die die Versichertengemeinschaft, uns, zu vertreten haben. (Abg. Donabauer: Aber ich doch nicht! Sie haben das Thema verfehlt!)

Es geht hier um Macht, und das, was Sie mit der Chipkarte hier vorhaben, hat überhaupt nichts mehr mit dem Chipkarten-Beschluss aus dem Jahre 1996 zu tun. Die Vorredner sind schon darauf eingegangen: Es geht darum, dass Sie hier Vorbereitungen dafür treffen, dass der Mensch überwacht wird. Nicht das Volk, der Souverän, steht hier im Mittelpunkt Ihrer Überlegungen, nicht der Gedanke, dass die Menschen einen leichteren Zugang zur Verwaltung haben, nein, die Verwaltung bekommt eine bessere Möglichkeit, den einzelnen Menschen zu kontrollieren – und in der Folge die Politik.

Meine Damen und Herren! Täuschen Sie sich nicht! Sie werden vielleicht nicht mehr an der Macht sein, aber es werden andere Menschen an den Machthebeln sitzen, und diese werden dann die Menschen bis zur Einzelperson kontrollieren können, unter Umständen wird das eine einzelne Person tun können, die an der Macht ist. – Da kann ja nicht einmal in Ihrem Interesse liegen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Dieses Chaos rund um die Chipkartengebühr – zahlen oder nicht zahlen, und wenn ja, in welcher Form zahlen? – ist auch schon aufgezeigt worden. Es ist ein Chaos, das noch ärger ist als das bei den Ambulanzgebühren. Aber Zahlen ist ein Stichwort. Bundesminister Grasser und mit ihm die gesamte Bundesregierung lässt sich für das so genannte Nulldefizit feiern. Dabei ist das mehr als eine Mogelpackung und mehr als eine Täuscherei, und das wissen Sie auch ganz genau.

Da werden Sozialkassen wie jene der Arbeitsmarktpolitik mit zweistelligen Milliardenbeträgen – 34,5 Milliarden Schilling – von der Bundesregierung abgecasht – die Schulden bleiben aber beim AMS, es ist defizitär. Da werden Schummelzahlen in Bezug auf Ambulanzgebühren, beitragspflichtige Mitversicherung und so weiter zu Gunsten des Bundesbudgets gemacht – ausgeblutet werden dafür die Krankenversicherungen, ihr Defizit wird von Ihnen verursacht.

Da gibt es dann Leute, die auch hier im Parlament sitzen, aus der Selbstverwaltung, wie zum Beispiel ein Herr Kollege Donabauer, der meint, man müsse eine ehrliche Diskussion führen. – Ja, Herr Kollege Donabauer, sehr gerne! Wir wären ja bereit, eine ehrliche Diskussion zu führen, aber dann müssten Sie zuerst einmal zur Ehrlichkeit kommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie reden von Beiträgen, Herr Kollege Donabauer! Ich weiß schon, Bauernschläue hat etwas für sich. Die Selbstbehalte sollen die Menschen in der ASVG-Versicherung zahlen, damit die Bauern-Sozialversicherung weiterhin von ihnen Solidarbeiträge bekommt. Das ist Ihre Politik! Das ist unsolidarisch! Das ist eine Ausnutzerei und hat überhaupt nichts mit einer Solidargemeinschaft mehr gemein! (Beifall bei der SPÖ.)

Weil dies der Fall ist, meine Damen und Herren, bringe ich einen Entschließungsantrag betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes ein.

Herr Bundesminister, Sie haben uns dankenswerterweise in einer Anfragebeantwortung gesagt, wie denn die Lasten und die Beitragsdeckungen in den einzelnen Trägern verteilt sind. – Siehe da: Für 1,6 Millionen Pensionen im Bereich der Unselbständigen werden 34,5 Milliarden Schilling Bundesbeitrag geleistet, für 346 000 Pensionen im Bereich der Gewerbetreibenden und Bauern werden 30,8 Milliarden Schilling geleistet. Das heißt, ein Viertel der betroffenen Versicherten erhält ungefähr die gleichen Beträge. Wir denken, da ist in erster Linie Handlungsbedarf gegeben, noch viel größerer Handlungsbedarf als bei den Unselbständigen!

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Helmut Dietachmayr und GenossInnen betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage einzubringen, die festlegt, dass bis zum 31. Dezember 2002 die Bauernpensionsversicherung und die Pensionsversicherung der Gewerblichen Wirtschaft zu einer Selbstständigenpensionsversicherungsanstalt zusammengeführt werden. Es darf dadurch kein zusätzlicher Pensionsversicherungsträger entstehen."

*****

Meine Damen und Herren! Hier können Sie zeigen, ob Sie wirklich Sozialkompetenz haben, ob es Ihnen um Synergien geht oder ob Sie die Sozialkassen in gewissen Gebieten ganz bewusst und vorsätzlich in den Ruin führen.

Sie haben die höchste Abgabenquote geschaffen und verschulden zugleich die Sozialkassen dieses Staates! Das sind die schlimmsten Budgettricks – um bei der Formulierung der Presse zu bleiben –, die es überhaupt gibt, denn das geht zu Lasten der Menschen, zu Lasten der Betroffenen, der Versicherten.


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Ich weiß schon, warum Herr Dr. Khol die Menschen in die Wüste Gobi führen wollte. – Weil so viel Sand, wie Sie für Ihre Tricks brauchen, um den Menschen Ihre Täuschungen in die Augen zu streuen, so viel gibt es wahrscheinlich nur mehr in der Wüste Gobi. – Nur: Die Menschen lassen sich von Ihnen nicht mehr täuschen!

Frau Kollegin Steibl! Sie haben völlig Recht: Neue Chancen statt Schulden in den Sozialkassen. – Deswegen verlangen wir auch Neuwahlen. Ich habe hier die Betriebsratswahlergebnisse der Firma Eurostar – die Firma Eurostar wird dir ja bekannt sein –: alter Mandatsstand: 10 SPÖ, 4 FPÖ; neuer Mandatsstand: 14 SPÖ, 1 ÖVP. – Liebe Kollegin Steibl! Lasst die Menschen sprechen! Habt keine Angst vor Neuwahlen! Ihr werdet sehen, wie sie eure Politik beurteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – In Richtung SPÖ –: Es waren erst Neuwahlen vor zwei Jahren, da habt ihr eine am Deckel gekriegt!)

12.33

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Sozialdebatte ist heute von Äußerungen der großen Oppositionspartei geprägt, die alles kritisiert; aber genau diese Dinge, die sie kritisiert und die wir heute sanieren müssen, hat sie verursacht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der "große" Vorsitzende und Klubobmann der SPÖ kritisiert die Chipkarte und bezeichnet sie als Überwachungskarte, kritisiert Gebühren und verschweigt dabei, dass die Abgänge in der Verantwortung der Sozialdemokraten geschehen sind. Die Schulden und der Abgang bei den Krankenkassen sind in einer Zeit entstanden, in der die Sozialdemokraten den Bundeskanzler gestellt haben, die Sozialdemokraten den Finanzminister und den Sozialminister gestellt haben. Ich frage mich wirklich, was das soll.

Wir haben heute einen prognostizierten Abgang bei den Krankenkassen in der Höhe von zirka 3,5 Milliarden Schilling, aber vor zwei Jahren betrug dieser Abgang noch 6,3 Milliarden. Ich betone: 6,3 Milliarden Schilling betrug der Abgang noch vor zwei Jahren! Frau Kollegin, das wissen Sie ganz genau! – Das hat eben die Sozialdemokratie mit verursacht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Chipkarte soll den Krankenschein mit 1. Jänner 2003 ablösen. Über die Chipkarte wird ja schon seit 1995 diskutiert, und ich glaube, es ist wichtig, dass die Zettelwirtschaft in den Betrieben verschwindet (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), dass diese Chipkarte den Krankenschein und die Krankenscheingebühr endlich ablöst. Es gibt ein magisches Dreieck: den Versicherten, den Versicherungsträger und eben den Arzt, die Stelle, wo eben behandelt wird, und dort muss das Ganze in Zukunft abgewickelt werden. Am liebsten wäre es mir, wenn es ohne Gebühren geschehen würde, aber wenn wir ohne Gebühren nicht auskommen, dann kann diese Einhebung nur entweder vor Ort, beim Arzt, wie das bei den Bandagisten oder bei den Apotheken der Fall ist, oder durch die Sozialversicherungsträger selbst geschehen, die diese Gebühr dann quartalsweise oder jahresweise einheben. – Auf jeden Fall ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Speicherung der Notfallsdaten ist kritisiert worden. Ich würde mir wünschen, dass, wenn sämtliche Daten auf solch einer Karte gespeichert würden, nur der Arzt Zugriff darauf über das ELSY-System hat. Ich wäre froh, wenn es statt dem PIN-Code einen Fingerprint geben würde. Das wäre nämlich hacker- und fälschungssicher und würde eine Weitergabe an sämtliche Verwandte, wie es heute manche ausländische Arbeitnehmer in Österreich praktizieren, ausschließen.


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Aber eines ist in der heutigen Sozialdebatte wenig angeklungen, und zwar eine zukunftsweisende Entscheidung: dass die Zusammenführung der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten zu einer einzigen Pensionsversicherungsanstalt mit 1. Jänner 2003 durchgeführt wird. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Verwaltungskörper werden zusammengeführt. Es wird eine Pensionsversicherungsanstalt und neun Landesstellen geben. Die Landesstellen werden aufgewertet. Synergieeffekte und Einsparungen von zirka 10 Prozent des Verwaltungsaufwandes sind zu erwarten. Das ergibt laut Experten 400 Millionen Schilling. Wir erwarten uns auch eine Beschleunigung in der Entscheidungsstruktur, das heißt eine Verkürzung der Entscheidungsdauer.

Ich bringe hinsichtlich dessen folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein, Dolinschek und Kollegen zur Regierungsvorlage 834 und Zu 834 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG) in der Fassung des Ausschussberichtes 892 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In Z 93 werden in § 597 folgende Abs. 7 und 8 angefügt:

*****

Diese beiden Absätze beinhalten Bestimmungen, die klarstellen, dass die Vorsitzenden beziehungsweise Stellvertreter der bestehenden Beiräte und die Vertreter der Betriebsvertretungen so wie bisher an den Sitzungen der Verwaltungskörper sowie an den Sitzungen des Überleitungsausschusses mit beratender Stimme teilnehmen können.

Wenn Sie ebenfalls an einer positiven Weiterentwicklung der Krankenversicherungen und der Sozialversicherungsanstalten mitarbeiten wollen, dann unterstützen Sie diesen Abänderungsantrag! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Dolinschek, Sie haben den Abänderungsantrag nicht verlesen. Ich kann das so nicht akzeptieren! (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Der Antrag ist verteilt! Der Antrag ist verteilt! – Abg. Dr. Khol  – in Richtung eines Konzeptsbeamten –: Michalitsch, schau dir das das nächste Mal besser an!) Wir haben hier keine Stampiglie, die darauf hinweist, dass er verteilt ist. Ich werde das gleich feststellen lassen, und wenn das der Fall ist, werde ich ihn annehmen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

12.38

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde heute hier bereits mehrmals, nicht nur von Abgeordneten der Grünen, sondern auch von anderen Abgeordneten, die Befürchtung geäußert – die große Befürchtung! –, dass die Verknüpfung dieser Daten, die auf der Chipkarte gespeichert sind, mit dem so genannten Zentralmelderegister die große Gefahr darstellt, dass Menschen plötzlich zu gläsernen Menschen werden und dass Personen den Zugang zu persönlichen Daten, zu Gesundheitsdaten, zu Notfalldaten, haben, der ihnen ganz einfach nicht zusteht.

Herr Minister Haupt, Sie haben jetzt zu verstehen gegeben, dass das nicht stimmt. – Natürlich, Herr Minister, lässt das meine Vermutung zu, denn durch die digitale Signatur steht der Weg zu


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den Verknüpfungen und zum Ablesen dieser Daten offen. Dieser Weg ist einfach eine große Gefahr für alle PatientInnen, und das sollten die Menschen einfach wissen. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Grünewald, Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend die Regierungsvorlage zur 59. ASVG-Novelle (834 der Beilagen und zu 834 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes 892 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen

Die Regierungsvorlage zur 59. ASVG-Novelle (834 d.B. und zu 834 d.B.) idF des Ausschussberichtes (892 d.B.) wird wie folgt geändert und lautet:

Ziffer 13 entfällt.

Ziffer 14 wird entsprechend umnummeriert und lautet:

§ 31a Abs. 2 zweiter und dritter Satz lauten:

"Auf die im ELSY verwendeten Daten sind die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000 anzuwenden. Die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten sind bundesweit einheitlich zu gestalten und technisch so vorzubereiten, dass eine digitale Signatur auf Wunsch der Karteninhaberin (des Karteninhabers) auf der Karte realisiert werden kann, die eine Authentifizierung der Karteninhaberin (des Karteninhabers) im elektronischen Verkehr ermöglicht und die Chipkarte auf diese Weise auch als Schlüsselkarte fungieren kann."

Ziffer 15 und 16 entfallen.

Die folgenden Ziffern werden entsprechend umnummeriert.

*****

Herr Minister! Nur dann, wenn sichergestellt ist, dass dieser Abänderungsantrag eine Mehrheit findet, kann auch sichergestellt werden, dass die PatientInnen, die Bürgerinnen und Bürger in Österreich nicht zu gläsernen Menschen werden. Wenn Sie von den Regierungsparteien diesem Antrag nicht zustimmen, dann wird es die gläsernen Menschen geben. Das müssen Sie, Herr Minister, wissen, und das wissen Sie auch. Dazu sollten Sie auch stehen.

Jetzt komme ich, Herr Minister, zu ein paar Dingen, die Sie heute noch nicht erwähnt haben. Es ist auch klar, warum Sie sie nicht erwähnt haben, weil es nämlich unattraktiv ist, sie zu erwähnen.

Herr Minister Haupt, ich frage Sie: Die Dateneingabe, die auf dieser Notfallkarte vorgenommen werden soll, wird wahrscheinlich nicht kostenlos sein. Welche Kosten wird die Dateneingabe verursachen? Darüber haben Sie uns noch keine Auskunft gegeben, aber ich bitte Sie, das den Versicherten zu sagen. Sie tun immer so, als ob diese Chipkarte nur Einsparungen bringen würde. Sie vergessen völlig, dass sie enorme Kosten verursachen wird. Aber dazu schweigen Sie.

Was ich will, und was wir wollen (Abg. Dr. Pumberger: Das wäre interessant!), ist, dass es keine Verknüpfung der Daten gibt und dass nicht alles auf einer Karte gespeichert werden darf, um eben auszuschließen, dass es den gläsernen Menschen gibt.

Herr Pumberger, dass Sie natürlich einen völlig anderen Ansatz haben, das wissen wir! Das ist ja nicht neu, das ist schon seit Ewigkeiten bekannt.


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Was wird denn passieren? Wenn man heute auf freiwilliger Basis – so wie der Herr Minister es auch gesagt hat: einerseits, um sich selbst zu schützen, andererseits auch, um unter Umständen andere zu schützen – diese Notfalldaten in die Karte eintragen lässt, dann ist das doch nichts anderes als die Hintertür zur verpflichtenden Registrierung von Gesundheitsdaten. Und das wollen Sie, Herr Pumberger, schon seit Jahren. Jetzt werden Sie es durch die Hintertür bekommen. Damit ist völlig klar, dass Sie nur dafür sein können, weil damit letztendlich ein Wunsch erfüllt wird, den Sie zumindest seit jener Zeit haben, seit ich im Parlament bin, nämlich seit sieben Jahren. (Abg. Dr. Pumberger: Lesen Sie § 31a! – Bundesminister Mag. Haupt spricht mit dem den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn.)

Herr Minister, vielleicht können Sie mir zuhören, denn es betrifft Sie, und ich erwarte mir von Ihnen eine Antwort. (Bundesminister Mag. Haupt beendet das Gespräch und nimmt wieder auf der Regierungsbank Platz.)

Herr Minister! Sie haben gesagt, es gibt einerseits die Notfalldaten und andererseits die Gesundheitsdaten. – Ich bin Bürgerin dieses Landes, so wie viele andere Menschen auch. Sie sagen, Sie können ganz klar definieren, was Notfalldaten sind und was Gesundheitsdaten sind. Da frage ich Sie, Herr Minister: Können Sie das wirklich? – Ich beweise Ihnen, dass Sie es nicht können. (Abg. Dr. Pumberger: Der Patient kann es!)

Was ist eine Behinderung? Ist das ein Gesundheitszustand, oder ist es unter Umständen im Notfall auch wichtig, dass Ärzte in einer Situation, in der ich vielleicht nicht mehr für mich sprechen kann, das auch wissen? Welche Kategorie ist das? Gehört das zu den Notfalldaten oder zu den Gesundheitsdaten? – Herr Minister, schon dieses eine Beispiel zeigt, dass Sie der Bevölkerung nicht erklären können, was es ist. Deshalb ist die Eingabe von grundsätzlichen Notfalldaten wiederum nur die Hintertür zu Gesundheitsdaten. (Abg. Dr. Pumberger: Lesen Sie § 31a, dann reden wir weiter!)

Durch die Vernetzung, die durch das Zentrale Melderegister möglich ist, ist natürlich Tür und Tor dafür geöffnet, dass auch Dienstgeber an diese Daten kommen können. Wenn Sie sagen, das sei überhaupt nicht möglich, dann sage ich Ihnen, dass es möglich ist, weil diese Daten zum Beispiel über Betriebsärzte sehr wohl an Dienstgeber weitergegeben werden können. (Abg. Dr. Feurstein: Das ist falsch! – Weiterer Widerspruch der Abgeordneten Mag. Hartinger und Dr. Pumberger. )

Herr Minister, davon wollen Sie natürlich nichts wissen! (Abg. Dr. Khol: Natürlich! Das wollen wir!) Das wollen Sie deshalb nicht wissen, weil Sie wissen, dass wir Grünen damit Recht haben. Ich weiß auch, dass Sie es wissen.

Herr Minister, Sie waren es auch – damals waren Sie noch Abgeordneter im Gesundheitsausschuss, damals, als vor fünf, sechs Jahren über die Chipkarte diskutiert worden ist und darüber, welche Daten auf dieser Karte stehen dürfen –, Sie waren es, Herr Minister, der die Bedenken, die ich soeben ausgeführt habe, ebenfalls hatte. Aber diese Bedenken haben Sie jetzt als Minister und als Vertreter einer Regierungsfraktion nicht mehr. Das halte ich schon für sehr problematisch, Herr Minister! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis. )

Herr Minister, wenn Sie sagen, diese Notfalldaten würden nur an Ärzte weitergegeben, und es habe nur der Arzt Einblick, in Verbindung mit dem Patienten, dann frage ich Sie: Wie soll denn das, bitte, funktionieren? Wie kann das gehen?

Was, glauben Sie, wird in der ambulanten Betreuung passieren? Da wird es in kürzester Zeit genauso sein, da wird es genauso heißen: Wenn Sie wollen, dass die Patientin, der Patient entsprechend versorgt wird, dann müssen Sie uns als Einrichtung diese Grunddaten geben! Damit sind diese Daten praktisch in der uneingeschränkten Öffentlichkeit und für alle zugänglich. Herr Minister, vergessen Sie das nicht! Berücksichtigen Sie das! Sie wissen ja, wie es läuft.

Herr Minister! Wenn Sie ernsthaft vorhaben, dass jeder in Österreich zum gläsernen Menschen wird und dass jeder in Österreich die Möglichkeit hat, auf Daten anderer zuzugreifen und diese unter Umständen missbräuchlich zu verwenden, dann sind Sie es der Bevölkerung schuldig, ihr


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das auch zu sagen. Aber das tun Sie nicht, daher finde ich, dass Sie in diesem Bereich mit der Wahrheit sehr schlampig umgehen. (Abg. Dr. Stummvoll: Na, na!)

Eines noch zu den Aussagen des Herrn Kollegen Rasinger. Herr Rasinger hat vorhin gesagt, durch die Chipkartengebühr gebe es natürlich auch das Angebot, dass Untersuchungen und Impfungen, die jetzt im Rahmen der Gesundenuntersuchung noch nicht gemacht werden, dann gratis sind. Er hat dann eine tatsächliche Berichtigung gemacht und darauf verwiesen, dass damit die Folgekosten, zum Beispiel durch eine Grippeimpfung, reduziert würden. Er hat gesagt, dass zum Beispiel durch eine Grippeimpfung die Kosten für Antibiotika drastisch zurückgehen.

Herr Pumberger, bitte sagen Sie es auch dem Herrn Rasinger: Die Grippe ist eine Virus erkrankung, und eine Viruserkrankung wie die Grippe wird nicht mit Antibiotika behandelt! – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: Gut, dass Sie mir das jetzt sagen!)

12.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich teile mit, dass der Abänderungsantrag Dr. Grünewald, Öllinger, Freundinnen und Freunde von Frau Abgeordneter Haidlmayr ordnungsgemäß eingebracht wurde, ausreichend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.49

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir führen die Sozialdebatte zu wichtigen Sozialgesetz-Novellen, und die Partei, die sich seit heute morgen als die Partei mit sozialer Kompetenz anbietet, sich hier als die Gestalterpartei schlechthin darstellen möchte, ist bei dieser Debatte nicht einmal mit 20 Prozent der Mandatare vertreten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das ist zu wenig! Das ist keine Ernsthaftigkeit! Daran darf ich Sie schon erinnern! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Silhavy, ich bedanke mich herzlichst für die Aufmerksamkeit, die Sie mir geschenkt haben. Wenn Sie mich fragen, wie ich zum § 81 des ASVG stehe, in dem die Informationspflicht genormt und gesetzlich verankert ist, dann sage ich Ihnen: Damit kann ich leben, denn ich bin immer einer gewesen, der sagt, eine Institution, eine Sozialversicherung muss ihre Arbeit, muss ihre Botschaft zu den Versicherten hinaustragen. Das ist ihre Pflicht und nicht nur ihr Recht. Daher ist der § 81 für mich kein Problem-Paragraph. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn Sie mit uns eine Grundsatzdiskussion führen wollen, herzlich gerne. Nur eine Bitte: Diese Grundsatzdiskussion muss schon auf dem Boden der Sachlichkeit und mit dem Geist der Solidarität geführt werden – und nicht mit Aggression und Realitätsverweigerung; eine solche Grundsatzdiskussion führen wir sicherlich nicht.

Sie haben heute einen Entschließungsantrag eingebracht, weil Sie sich so wahnsinnig ärgern, dass die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit der der Arbeiter zusammengeführt wird. Dazu darf ich feststellen: Das ist Ihr Uraltprojekt! Die Sozialminister Dallinger, Hesoun, Hums und Hostasch haben sich bereits damit befasst. Sie wollten es machen – wir haben es umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie – quasi als Racheakt – heute die Zusammenlegung der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft mit der der Bauern fordern, dann sage ich Ihnen: Diskussionen über Zusammenlegungen von Sozialversicherungen sind allemal zu führen, die kann niemand zurückweisen. Inhalt und Ziel jeder Zusammenführung muss allerdings sein, dass eine entsprechende Synergie herauskommt, dass Effizienz damit verbunden ist und dass es nachher besser ist als vorher. Wir sind der Meinung, dass wir zurzeit in guten Gesprächen sind, und wir glauben, dass wir gute Arbeit leisten. Deshalb haben wir kein Problem. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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85. Sitzung / Seite 72

Ich nütze die Chance der Anwesenheit des geschätzten Herrn Klubobmannes Dr. Josef Cap. Er hat uns heute vom Rednerpult aus den Leitartikel der "Presse" zitiert, der die Überschrift trägt: "Der Staat und die Pleiten". Er hat aber nur die Headline vorgetragen. Andreas Schnauder schreibt etwas anderes.

Die Republik Österreich hat mit der Gesellschaft für Bundesbeteiligungen an Industrieunternehmen eine gute Arbeit geleistet und hat viele Betriebe wieder gesundet, krisensicher gemacht. Und Schnauder schreibt hier sinngemäß, dass sich der deutsche Bundeskanzler Schröder – das ist Ihr Mann! – Anleihen bei der österreichischen Politik nehmen sollte. Lesen Sie es! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Cap, Schnauder schreibt weiters: Das Verzögern von Bereinigungen kommt letztlich immer am teuersten." – Zitatende. Das ist Ihr Programm gewesen! Schnauder sagt es Ihnen: So geht es nicht weiter! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben heute und hier Neuwahlen eingefordert. – Niemanden, und uns schon gar nicht, bringen Sie damit in Bangigkeit! Ich sage Ihnen nur: Wir haben eine Liste von beeindruckenden Entscheidungen vorzuweisen, etwa in der Restitutionsfrage, in der Zwangsarbeiterfrage, bei der Pensionsreform, beim Privatradio, beim Privatfernsehen, bei der Finanzmarktaufsicht, bei der Verwaltungskostenreform, beim Kinderbetreuungsgeld – 9 Milliarden Schilling zusätzliches Geld! (Abg. Silhavy: Das wollen die Leute gar nicht!)

Wenn Sie es nicht glauben: Es gibt dafür objektive Zeugen! (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Der Wettbewerbsvergleich, der die gesamte weltumspannende Wirtschaftssituation ausweist, attestiert uns eine ganz beachtliche Stelle und sagt, dass das Kinderbetreuungsgeld eine Offensivmaßnahme ist – herzeigbar für die ganze Welt – und deshalb als positiv zu werten ist. Wenn Sie wissen wollen, wo dies zu finden ist: Hier steht es im Bericht mit Rankings, letzter Absatz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir werden demnächst die "Abfertigung neu" beschließen. So wie das Kinderbetreuungsgeld alle mit einschließt und niemanden ausgrenzt – das ärgert Sie ja so sehr –, werden wir auch bei der "Abfertigung neu" alle Dienstnehmer mit einbeziehen. Bis heute haben zur Abfertigung bloß ein Drittel der Dienstnehmer Zugang gehabt. Zwei Drittel haben nur davon reden können, weil die entsprechenden Gesetze nicht vorhanden waren. Wir schaffen ein Gesetz, durch das in Zukunft alle zum Zug kommen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Wirtschaft wird entlastet, und die Dienstnehmer bekommen ihr Geld. Sehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, mit dieser Botschaft werden wir an die Bürger herantreten, wenn Sie Neuwahlen von uns wollen. Sie werden staunen, wie sehr die Leute von der Richtigkeit all dieser Maßnahmen überzeugt sind! Wir haben aufgehört, die Zukunft zu verbrauchen. Wir haben angefangen, in der Gegenwart zu gestalten und sinnvolle Maßnahmen zu setzen, damit unsere Jugend noch eine Chance hat. Das ist unsere Politik, und dafür steht diese Regierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Schlußendlich hat man sich an die Redezeit zu halten. Ich habe Ihnen nichts vorzuschreiben, überhaupt nichts. Ich kann Ihnen, bevor Sie hier eine allgemeine Negativ-Beurteilung machen, sich hier ein Kabarett liefern, nur empfehlen beziehungsweise Sie auffordern: Reden Sie über die positiven Elemente der 59. ASVG-Novelle! Zum Beispiel über den Psychotherapie-Gesamtvertrag, über die Lösung, die wir hier setzen, weil wir Verständnis haben, weil wir ein Gefühl für die Menschen haben, denen es schlechter geht als vielleicht Ihnen oder vielen anderen, für diejenigen, die Hilfe brauchen, die Hilfe des Gesetzes, die Hilfe der Sozialpolitik. Wir haben mit dieser 59. ASVG-Novelle einen guten Weg begangen.

Ich könnte Ihnen noch vieles sagen. Zur Chipkarte nur noch ein Hinweis: Die Chipkarte ist eine "unendliche Geschichte". Wir haben uns seit dem Jahr 1996 damit beschäftigt und sind nun im Finale. Es wird heute beschlossen, dass sie eingesetzt wird. Es wird heute beschlossen, in welchem Ausmaß und in welcher Ausformung sie kommt.


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85. Sitzung / Seite 73

Wir werden demnächst auch die Kostenfrage klären. Dazu zwei Zahlen, und die wollen Sie sich bitte merken:

Erstens: Ein Krankenschein kostet heute in der Verwaltung 19,70 S. Das belastet die Volkswirtschaft und somit uns alle. Ergo dessen ist es wohl gerechtfertigt, wenn wir auch in Zukunft eine Ersatzleistung, welcher Art auch immer, dafür einheben.

Punkt zwei: Die Krankenscheingebühr bringt 800 Millionen Schilling. Wer auf diesen Betrag verzichtet, wer diese Mittel in Frage stellt, der meint es entweder nicht ehrlich mit dem System oder kennt das System nicht oder will bewusst der Sozialpolitik und dem Sozialsystem einen Schaden zufügen. – Mit uns nicht! Wir machen Politik für dieses Land, für die Bürger dieses Landes! Wir machen eine korrekte Sozialpolitik, und die ist herzeigbar! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe: Ausgezeichnet! Hervorragend!)

12.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rasinger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter Dr. Rasinger, beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen. – Bitte.

12.58

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Frau Abgeordnete Haidlmayr hat festgestellt, dass ich behauptet hätte, dass man Grippe mit Antibiotika behandelt.

Tatsache ist, dass ich aus der weltbesten Zeitschrift zitiert habe "Einsparungen durch Grippeimpfung". Dort wurde erwähnt, im Rahmen von Grippeerkrankungen kommt es auch zu Lungenentzündungen. Der Antibiotikagebrauch wurde genannt, und durch die Grippeimpfung kommt es zu einer Einsparung von 40 Prozent. (Abg. Dr. Mertel: Ist das eine Berichtigung?)

Meine Absicht vor einer Stunde war, Herrn Abgeordnetem Grünewald die notwendige Information als Professor zu geben, dass man mit Grippeimpfungen nicht nur Kosten verursacht, sondern Menschenleben retten und auch Kosten einsparen kann. Das sollte er als Professor durchaus in seine Argumentation zusätzlich mit einbeziehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Das ist keine Berichtigung!)

12.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.59

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich hoffe und wünsche Herrn Kollegen Donabauer, dass er all das, was er hier erzählt hat, selbst glaubt. Ich möchte ihn nur eines fragen: Ein Racheakt – wie kommen Sie darauf? Dass wir einen Antrag auf Zusammenführung der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft und der Bauern-Sozialversicherung gestellt haben, hat mit einem Racheakt überhaupt nichts zu tun! Das war auch nicht polemisch, sondern es gibt rein sachliche Argumente, die dafür sprechen, und über die werden wir uns im Ausschuss entsprechend unterhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Da ich gerade Herrn Abgeordneten Gaugg vor mir sehe: Herr Abgeordneter Gaugg! Sie haben heute in Ihrem Debattenbeitrag die Sorgen der Menschen als "Kraut und Rüben" bezeichnet. (Abg.


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Gaugg: Eure Reden! Eure Reden sind Kraut und Rüben!) Sie haben gesagt, die Sorgen der Menschen sind Kraut und Rüben! – Die Menschen werden sich selbst ihr Urteil darüber bilden. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Zu meiner Anfrage, die Sie anscheinend sehr interessiert hat, darf ich Ihnen noch mitteilen, dass es bei dieser parlamentarischen Anfrage um die "Abfertigung neu" um eine gewisse Rechtssicherheit geht. Ich kann Ihnen berichten, dass der Inhalt dieser Anfrage ein bei der Vollversammlung der Arbeiterkammer in Oberösterreich vergangene Woche eingebrachter Antrag des ÖAAB und der freiheitlichen Arbeitnehmer war. (Abg. Silhavy: Da schau her! – Abg. Gaugg: Weil die sitzen nicht neben dem Verzetnitsch im Parlament, sodass sie ihn fragen könnten! Wozu sitzen denn Sie da herinnen? Was tun denn Sie da herinnen überhaupt? – Wo ist denn der Verzetnitsch?)  – Ich möchte Ihnen das nur mitteilen. Ich hoffe, Sie registrieren auch, was Ihre Parteifreunde in Oberösterreich einstimmig beschlossen haben.

Nun, meine Damen und Herren, ASVG- und GSVG-Novellen sind immer notwendig. Die Gesetze müssen sich der Zeit anpassen. Aber es steht nirgends geschrieben, dass bei solchen Novellen auch Maßnahmen gesetzt werden müssen, die demokratiepolitisch schon mehr als bedenklich sind!

Gerade § 43a betreffend Informations- und Aufklärungspflicht hat es schon in sich. Ich hoffe, Sie haben das auch wirklich alle gelesen, was Sie da heute beschließen wollen. Das ist nämlich nichts anderes als ein Maulkorberlass, meine Damen und Herren! Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass die geforderte Abstimmung – nämlich die Abstimmung mit dem Minister – lediglich einseitig ausgerichtet ist: Der Minister kann alles verbreiten und aussagen (Abg. Gaugg: Nein, dem Dietachmayr wird er seine Aussendungen vorlegen!), aber wenn der Hauptverband oder der Versicherungsträger etwas verlautbart, dann muss er den Wortlaut dem Minister vorlegen.

Dieser Maulkorberlass ist nicht nur verfassungsrechtlich unzulässig, weil er eine über das Aufsichtsrecht des Ministeriums hinausgehende politische Intervention in den Bereich der Selbstverwaltung darstellt, sondern er ist auch ein durchaus wirksames Mittel, missliebige Funktionäre der Sozialversicherung mit dem Verlust ihrer Funktion in der Selbstverwaltung zu bestrafen. Damit hat es sich, und das ist der wahre Grund dafür, warum Sie das beschließen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, ein ganz wesentlicher Faktor ist die Pensionsanpassung, die kurz vor ihrem Abschluss steht. Die Pensionistinnen und Pensionisten wurden durch die massiven Belastungspakete der schwarz-blauen Regierung besonders hart getroffen. Sie wissen, das Maßnahmenpaket aus dem Jahr 2000, zusammen mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, führt zu einem realen Einkommensverlust der älteren Menschen. In den Jahren 2000 bis 2004 werden in unserem Land Leistungskürzungen mit einem Gesamtvolumen von 53 Milliarden Schilling zusammenkommen. Die ältere Generation in unserem Land kann das zum Teil an den Rand ihrer Existenz bringen.

Da können Sie noch so viele Zahlen bringen. Herr Bundesminister! Sie haben heute hier im Plenum sehr lautstark Ihre Argumente vorgebracht. Dazu muss ich Ihnen wirklich entgegenhalten: Die Lautstärke wird nie die Kraft der Argumente ersetzen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben hervorgehoben, dass in der Zeit der sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung die Pensionen nicht so hoch gestiegen wären wie in Ihrer Zeit. – Ich muss Sie berichtigen: In den Jahren 1995 bis 2000 sind die Pensionen um durchschnittlich 10,29 Prozent gestiegen, während der Verbraucherpreisindex in diesem Zeitraum um 9,2 Prozent gestiegen ist. – Jeder Volksschüler kann anhand dessen nachrechnen, in welcher Zeit die Pensionistinnen und Pensionisten mehr bekommen haben!

Ich bin schon sehr gespannt, Herr Bundesminister, denn ich lese heute in den "Oberösterreichischen Nachrichten", dass sich auch der Herr Landeshauptmann aus Kärnten wieder in die Debatte eingemischt hat und Ihnen ausrichten lässt, dass die geplante Erhöhung zu wenig ist. – Ich gebe ihm in diesem Punkt Recht. Ich bin auch schon sehr neugierig, wie sich der Seniorensprecher der ÖVP dazu äußern wird.

Dazu heißt es in den "Oberösterreichischen Nachrichten":

"Haupt bezeichnete den Vorschlag im OÖN-Gespräch ,als sehr kongruent’ ...". – Ich bin daher sehr gespannt, wie das weitergehen wird. – Er sagt aber dann: "Der Ball liegt demnach beim Finanzminister."


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Über den der gleichen Partei angehörenden Finanzminister heißt es aber dann – man höre! –: "Grasser selbst sieht das offensichtlich nicht so: ,Die Verhandlungen sind Sache von Herbert Haupt.’"

Ball hin, Ball her! (Zwischenruf des Abg. Edler. )  – Wer hat da jetzt das letzte Wort zu sagen?

Ich glaube, hier wird das Geld der Pensionisten zum Pingpongspiel, und das ist unwürdig für eine Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Heidrun Silhavy und GenossInnen betreffend Anpassung der Pensionen zumindest mit der Inflationsrate

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage einzubringen, die festlegt, dass die Pensionen für das Jahr 2002 zumindest mit der Inflationsrate für den Zeitraum 1. August 2000 bis 31. Juli 2001, also 2,9 Prozent, erhöht werden."

*****

Durch die Besteuerung der Unfallrenten, die überproportional starke Erhöhung der Rezeptgebühr, die Einführung der Ambulanzgebühren und die nach wie vor geplante Chipkarten-Gebühr kam es in kurzer Zeit zu einer einseitigen Belastungswelle für Kranke, für ältere Menschen, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Das sind reine Schröpfaktionen der Bundesregierung! Die Bundesregierung soll endlich ihren Irrweg einbekennen. Daher sollen auch die Wählerinnen und Wähler in Österreich darüber entscheiden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichen Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit auch mit zur Diskussion beziehungsweise später zur Abstimmung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

13.07

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse Bittner will Beiträge erhöhen. Herr Stadtrat Rieder will Spitäler schließen. Ein Großteil der Kassenobmänner trägt alles dazu bei, dass es zu einem vertragslosen Zustand mit den niedergelassenen Ärzten kommt und dass unsere Maßnahmen, wie der Herr Minister bereits ausgeführt hat, behindert werden. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. )

Meine Damen und Herren! Das ist sozialistische Gesundheitspolitik: Verunsicherung der Patienten (ironische Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Edlinger ), Angst machen bei der Bevölkerung und einen Schuldigen suchen. Dass während 30 Jahren sozialistischer Gesundheits- und Sozialpolitik nichts getan wurde, stimmt aber eigentlich nicht, denn Sie haben etwas getan: Sie haben nämlich Defizite in den Kassen gebaut, Sie haben Leistungsunterschiede bei der Bevölkerung verursacht, und Sie haben Selbstbehalte eingeführt. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Egal, ob die Regierung positive Schritte setzt und Sanierungsmaßnahmen durchführt, die Schuld an der Unfähigkeit der sozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik haben wir auszubaden. Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis: Ihre Unverantwortlichkeit, Ihre Untätigkeit –


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Herr Kollege Cap hat in Bezug auf Untätigkeit von Verantwortungslosigkeit gesprochen – müssen wir jetzt ausbaden, und das werfen Sie uns vor! (Abg. Silhavy: Sie sind überfordert, das ist alles! Sie sind überfordert!)  – Das ist für mich wirklich grotesk.

Meine Damen und Herren! Es wird ja auch Ihrerseits alles dazu beigetragen, dass unsere Maßnahmen behindert werden. Ich nenne Ihnen dazu ein Beispiel, und zwar den berühmten Heizkostenzuschuss – der von Ihnen so gepriesen wurde, als wäre das Ihre Idee. Wissen Sie, wie diesbezüglich die Situation in der Stadt Wien aussieht? – Diesen Heizkostenzuschuss haben Ihre Stadträte behindert, die Beamten in der Stadt Wien! Hier wurde die Bevölkerung hingehalten, wurden die Anträge abgelehnt (Ruf bei der SPÖ: Stimmt nicht!), weil angeblich so viele gestellt wurden. Das wurde von Ihnen behindert! – Das ist die Wahrheit! Das haben Sie einmal zur Kenntnis zu nehmen. Politik für den Bürger zu behindern, das ist für mich wirklich herzlos und nichts anderes! (Abg. Edlinger: Deshalb haben Sie die Wiener auch so stark gewählt, gnädige Frau!)

Ein soziales Gewissen, das Sie, meine Damen und Herren, immer zu haben vorgeben, haben Sie nicht. Jene, die jahre- und jahrzehntelang Selbstbehalte eingeführt und alles behindert haben, die sind für mich wirklich verantwortungslos! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die 59. ASVG-Novelle ist für mich ein erster Schritt zur Sanierung unseres Gesundheitswesens.

Das Erste ist einmal die Möglichkeit für den Patienten, Notfalldaten, Diagnostik und Blutgruppe freiwillig speichern zu lassen. Ich sehe das wirklich als einen wesentlichen Fortschritt, und ich glaube – bei aller Diskussion um den Datenschutz –, dass die Bevölkerung diese Möglichkeit gerne annehmen wird, da sie schnellere Hilfe und mehr Sicherheit für den Patienten bedeutet.

Das Zweite ist die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten: Jahrzehntelang – Herr Kollege Donabauer hat das bereits ausgeführt – hat man das Ihrerseits versucht. Jetzt ist es Gott sei Dank, auch dank der Sozialpartner, gelungen, diesen Schritt zu setzen.

Das Dritte – etwas, was in der Öffentlichkeit wenig diskutiert wird – ist die Wahlmöglichkeit für Versicherte der Gewerblichen Sozialversicherung, Geld- oder Sachleistungen in Anspruch zu nehmen. Das ist für mich ein interessantes Optionsmodell (Abg. Silhavy: ... für die gut Verdienenden!), das auf drei Jahre befristet ist, wodurch die finanziellen Quantifizierungen erkennbar werden. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Fazit: Wir wagen mutige Schritte! Wir müssen Ihre Schulden und Ihre Bürokratie abbauen – im Interesse des Patienten. Ich frage Sie wirklich: Wer ist da der Erlöser? – Unsere Regierung hat den Patienten und den Bürger von der unverantwortlichen sozialistischen Politik erlöst: Wir sind die Erlöser! (Abg. Edlinger: Der "Erlöser"! Der "Erlöser"!)

Abschließend darf ich noch folgenden – vom Kollegen Dolinschek bereits erwähnten – Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen zur Regierungsvorlage 834 und Zu 834 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG) in der Fassung des Ausschussberichtes 892 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In Z. 93 werden in § 597 folgende Abs. 7 und 8 angefügt:

"(7) Für die Sitzungen des Überleitungsausschusses und der Verwaltungskörper der Pensionsversicherungsanstalt bis 31. Dezember 2005 gilt § 439 mit der Maßgabe, dass die nach dem Ar


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beitsverfassungsgesetz in Betracht kommende Betriebsvertretung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten je 2 teilnahmeberechtigte Vertreter mit beratender Stimme namhaft zu machen hat.

(8) Für die Sitzungen des Überleitungsausschusses und der Verwaltungskörper der Pensionsversicherungsanstalt gilt § 440 Abs. 5 Z. 1 bis zur Konstituierung des Beirates der Pensionsversicherungsanstalt mit der Maßgabe, dass die Vorsitzenden und je 1 Stellvertreter des bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und des bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten errichteten Beirates berechtigt sind, teilzunehmen."

*****

Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Der "Erlöser"! – Ich bin "erlöst"!)

13.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und damit auch mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung. (Im Sitzungssaal ist der Lärmpegel sehr hoch.)

Bevor ich den Aufruf zu einer tatsächlichen Berichtigung mache, ersuche ich noch, den Geräuschpegel ein wenig zu drücken, weil man sonst das gesprochene Wort nicht mehr versteht. (Abg. Edlinger: Ich bin ja ganz hingerissen, weil der "Erlöser" erschienen ist!)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.12

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine Vorrednerin hat etwas Falsches gesagt, nämlich dass die Stadt Wien die Auszahlung des Heizkostenzuschusses verhindert hätte. – Das ist falsch!

Ich kann Ihnen den Briefverkehr vorlegen, in dem im Oktober 2000 von Frau Vizebürgermeisterin Laska an den Bundesminister für Finanzen Grasser die Bitte gerichtet wurde, dass die Namen sowie Adressen der erfassten hiefür in Frage kommenden Personen rasch elektronisch übermittelt werden mögen. – Das ist nicht geschehen.

Dann gibt es hiezu eine Antwort des Herrn Ministers Haupt vom 28. Dezember 2000, in der er mitteilt, dass er für eine Aufnahme in einen Entwurf einer Novelle zum ASVG Sorge tragen wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grabner: Das sind wirklich Unwahrheiten, die diese Frau sagt!)

13.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

13.14

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Frau Hartinger hat hier ihre Partei als "Erlöser" bezeichnet; Herr Haider hat sich einmal als "auserwählt" bezeichnet. An diesen Worten erkennt man schon die hypertrophe Selbsteinschätzung dieser blauen Partei. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Das ist Gotteslästerung!)

Die zukünftige Geschäftsführerin des Hauptverbandes Hartinger: Das wurde mir bereits im August in Graz, wo ich meinen Urlaub verbracht habe und keiner wusste, dass ich Abgeordnete bin, von ehemaligen Schulkollegen und -kolleginnen der Frau Hartinger erzählt, dass sie Geschäftsführerin im Hauptverband wird! (Abg. Dietachmayr: Aha! Im August!)  – Im August war das in der Steiermark bereits bekannt. (Abg. Silhavy: Deswegen diese skandalöse Ausschreibung!)

Die zukünftige Frau Geschäftsführerin hat uns auch gesagt, was Gesundheitspolitik ist. – Ich werde Ihnen sagen, was 21 Monate freiheitlicher Gesundheitspolitik sind: das Schröpfen der Schwerkranken – und das Ziel ist eine Zwei-Klassen-Medizin! (Beifall bei der SPÖ.)


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Sie, Frau Hartinger, stammend aus Graz, haben in Graz die Antwort bekommen, die zeigt, wie viel man von der Freiheitlichen Partei hält, nämlich bei der Betriebsratswahl im Grazer Werk von Eurostar. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) – Beschränken Sie sich auf Krawatten! Das ist Ihr Metier. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Ihnen würde sowieso niemand eine Krawatte abkaufen!)

Zu den Betriebsratswahlen: Die SPÖ hatte bisher im Eurostar-Werk zehn Mandate, die Freiheitlichen hatten vier Mandate. – Bei den gestrigen Neuwahlen erreichte die SPÖ 14 Mandate, die FPÖ ein Mandat.

Herr Donabauer – er wird mich sicher irgendwo hören – hat uns aufgefordert, kein Kabarett abzuhalten. – Er selbst hat das Donabauer-Kabarett geliefert! Er hat nämlich gesagt, demnächst wird geklärt werden, ob Gebühren gezahlt werden oder nicht. "Demnächst"! Da hat es doch, glaube ich, schon einen Ministerratsbeschluss zu den Gebühren gegeben. Das war doch schon fix! Dann hat man es zurückgenommen.

Der abwesende Herr Klubobmann Khol betrachtet diese Frage der Gebühren eigentlich als Kleinigkeit, wie er sagte. – Als eine Kleinigkeit! – Aber "Mister Speed kills" wollte diese Frage bis heute geklärt haben. – Der heutige Tag geht vorbei; die Frage ist nicht geklärt. Was er auch unterschlägt, ist dieses Nona-Versprechen von Bundeskanzler Schüssel: Nona, es kommen keine Gebühren. – Erinnern wir uns daran!

Meine Damen und Herren! Wenn Herr Dolinschek meint, dass es wichtig ist und dass er sich wünscht, dass auf der Chipkarte verschiedene Daten gespeichert werden, dann ist das seine Angelegenheit, dann ist sein Blick ganz verengt: nur auf den Bereich Sozialversicherungs-Chipcard.

Herr Bundesminister Haupt hat hier gemeint, wir täten so, als ob er eine neue Chipkarte erfunden hätte. – Sie haben eine neue Chipkarte erfunden, Herr Bundesminister, weil nämlich beim Verwaltungsreformgesetz beschlossen wurde, dass diese SV-Chipcard auch für Nicht-Sozialversicherungszwecke verwendet werden kann. Sie lösen damit ein tiefes Unbehagen aus, eine tiefe Verunsicherung bei den Bürgern, denn was Sie mit der Sozialversicherungs-Chipcard vorhaben, ist demokratiepolitisch, verfassungsrechtlich und datenschutzrechtlich äußerst bedenklich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Moser spricht mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Haupt.)

Frau Dr. Moser, auch ich habe ein Recht – nicht nur die Grünen –, von Herrn Minister Haupt gehört zu werden! (Abg. Dr. Moser: Gerne!)

Sie, Herr Minister, gefährden mit einer Leichtfertigkeit sondergleichen auch unsere Grund- und Freiheitsrechte! – Das wurde mit der Chipcard alles ausgelöst. Unsere datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Speicherung von Daten wurden bestätigt, nämlich mit der Beschlussfassung über das Verwaltungsreformgesetz.

Da sind alle Gesetzesinitiativen zu beobachten, die diese Regierung in den verschiedenen Bereichen gesetzt hat: vom Bereich der Frau Bundeskanzlerin über den des Innenministers und des Sozialministers bis hin zum Verwaltungsreformgesetz. Das Bildungsdokumentationsgesetz der Unterrichtsministerin ist das beste Beispiel dafür, dass Sie methodisch vorgehen – methodisch vorgehen! –, um einen autoritären Staat zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit der Speicherung der Kennnummer aus dem Zentralen Melderegister auf der Sozialversicherungs-Chipcard zur eindeutigen Personenidentifizierung, wie es heißt, haben Sie den Freibrief zur Speicherung unterschiedlichster Daten, nämlich bürgerbezogener Daten, sozialversicherungsrechtlicher Daten und medizinischer Daten erworben. Es werden hier also hochsensible Daten, schutzwürdige Daten wie Gesundheits- und Diagnosedaten gespeichert.

Dass die Sorge berechtigt ist, dass der Gedanke von Missbrauch nahe liegt, wird deutlich, wenn man weiß, dass Vertreter des Hauptverbandes – die Geschäftsführerin haben wir ja hier schon erlebt – und der Wirtschaftskammer die Übermittlung der Gesundheitsdaten von Arbeitneh


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merInnen an Unternehmer fordern. – Der Vorsitzende des Datenschutzrates, Herr Dr. Haller, und sein Stellvertreter, der schwarze Klubsekretär hier herinnen, die haben daran gar nichts Besonderes gefunden. (Abg. Steibl: Was heißt "der schwarze Klubsekretär"?)

Das ist ein Sicherheitsrisiko für die Menschen, ein Sicherheitsrisiko für jeden einzelnen Menschen! Für den ist überhaupt nicht mehr überschaubar und überprüfbar, was alles gespeichert wird und wer was abfragt. – Da ist von "freiwilliger Speicherung" die Rede: Ja wie soll ich denn das überprüfen können? – Durch die Speicherung dieser Daten entsteht für kranke Arbeitnehmer ein Nachteil. Es wird damit ein Druck auf Arbeitslose und auf ArbeitnehmerInnen erzeugt und eine Bespitzelung möglich gemacht werden.

Abschließend noch eine Anmerkung: Gemäß dem Bildungsdokumentationsgesetz werden die Daten 60 Jahre lang gespeichert. Da nimmt man sich bereits die Schüler vor. Das heißt also, von der Wiege bis zu Bahre werden wir bespitzelt.

In diesen Dokumentationen werden auf Schüler und Studierende bezogene Daten – vom Namen bis zum Religionsbekenntnis – festgehalten. Es wird festgehalten, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf notwendig war, der Schulerfolg, der Bildungsverlauf. Es wird festgehalten, ob man Transferleistungen aus dem Familienlastenausgleich bezogen hat, und – das finde ich auch hochinteressant – die Berufslaufbahn der Eltern sowie deren Beruf und deren Stellung. Der Eltern der Schüler! Ich sage Ihnen, das ist höchst bedenklich.

Meine Damen und Herren! Das Unbehagen, die ernste Sorge, die wir empfinden, dass wir auf einen Orwell’schen Staat zugehen, dass uns der Große Bruder beobachtet und kontrolliert – das wird hier verwirklicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

13.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

13.21

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Als Erstes möchte ich einmal sagen, dass wir zwar eine Reihe von Novellen zu behandeln haben, dass aber die SPÖ, solange ich jetzt die Debatte verfolge, eigentlich nichts dazu einzubringen hat – außer einen Neuwahlantrag (lebhafter Widerspruch bei der SPÖ) und natürlich Kritik. Die anderen Anträge möchte ich gar nicht erwähnen, denn die haben Sie immer wieder eingebracht, seit es diese Bundesregierung gibt. Diese Anträge sind nicht neu, der Neuwahlantrag ist neu, deswegen erwähne ich ihn.

Eingebracht haben Sie auch Ihre Sorge zur Chipkarte, und da, muss ich sagen, unterscheidet uns eines ganz wesentlich (Abg. Schwemlein: Das will ich auch hoffen, dass wir uns wesentlich unterscheiden!)  – zumindest für die Volkspartei kann ich das sagen, aber ich sage das auch für die Freiheitliche Partei –: Für uns gibt es einen selbständigen Menschen, der selbst entscheidet, ob er Notfallsdaten auf dieser Chipkarte haben möchte. (Abg. Gradwohl: Eben nicht! Das ist ja der Punkt! Sie sagen die Unwahrheit, Frau Gatterer! – Abg. Dr. Mertel: Sie sagen die Unwahrheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das unterscheidet uns. Wir gestehen den Menschen zu, dass sie sagen: Für mich ist das wichtig. Ich möchte, dass das auf meiner Chipkarte steht. Ich glaube, das muss man den Menschen zugestehen, denn für manche steht die Angst, dass die Gesundheit gefährdet ist, über all den anderen Fragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Und was ist mit all den anderen vernetzten Daten?)

Sie wissen genau, dass es ein Vier-Augen-Prinzip geben soll, dass es freiwillig sein soll. (Abg. Gradwohl: Soll! Soll! Soll! – Abg. Schwemlein: Gibt es auch ein Drei-Augen-Prinzip?) Und eines muss man auch dazusagen: Es haben sich viele auch nicht wohl gefühlt, wenn sie zum Chef oder in die Buchhaltung gehen und einen Krankenschein holen mussten, und jeder hat gesagt: Was hat denn die? Bei den jungen Frauen hat es geheißen: Man sieht nicht, dass sie krank ist. Ist sie vielleicht schwanger? (Abg. Böhacker: Genau!) Diese Sachen sind durchaus auch nicht angenehm. Ich finde, da hat die Chipkarte auch den großen Vorteil, dass man die


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einfach bei sich trägt und all diese Spekulationen im Betrieb, was der Patient haben könnte, wenn er einen Krankenschein holt, wegfallen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Heißt das um Mitternacht zum Arzt? Heißt es das?)

Ich möchte in erster Linie doch auf die Argumente, nachdem Sie ... (Abg. Dr. Mertel: Heißt das um Mitternacht zum Arzt?) Ich hätte nichts dagegen, ich glaube, auch über die Öffnungszeiten der Arztpraxen können wir durchaus einmal diskutieren. Ich habe damit überhaupt keine Probleme. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber ich möchte, da Sie zur 59. ASVG-Novelle ja eigentlich nichts zu sagen haben, doch auf das eingehen, was Sie uns hier vorgeworfen haben, denn das ist ja an und für sich etwas, was sehr unfair war, weil es in vielen Bereichen nicht stimmt (Abg. Dr. Mertel: Meinen Sie die Ambulanzgebühr?) und ich natürlich auch Daten und Zahlen vorlegen kann.

In Ihrem Antrag auf Neuwahlen steht zum Beispiel: Schlusslicht bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ich muss ehrlicherweise sagen, ich habe nicht gewusst, dass sich diese Diskussion in diese Richtung bewegen wird, und konnte das nicht nachprüfen. Aber sehr wohl habe ich – wie Sie wahrscheinlich auch – die letzten Arbeitsmarktdaten vom Oktober 2001 bekommen, und da hatte Österreich 4 Prozent Arbeitslosigkeit. Es stimmt, es hat eine leichte Steigerung gegeben – bedingt natürlich auch durch das Ende der Saison –, aber da möchte ich schon betonen: Im internationalen Vergleich liegt Österreich damit auf Platz 4 hinter den Niederlanden, hinter Luxemburg und hinter Irland. (Abg. Schwemlein: Frau Kollegin, das löst kein einziges Arbeitslosenschicksal!) Sie haben ja so getan, als ob Österreich an der letzten Stelle läge. Das heißt, das stimmt überhaupt nicht, was Sie hier in Ihrem Antrag stehen haben.

Als Nächstes möchte ich auf das Ranking hinweisen, weil darauf auch vom Kollegen Cap hingewiesen wurde. Im Wettbewerbsvergleich hat sich Österreich laut "International Report 2001" zum dritten Mal verbessert, und zwar ist es nunmehr auf Platz 14. Bei der Verfügbarkeit hochqualifizierter Arbeitnehmer – das ist, glaube ich, auch etwas ganz Wichtiges für die Zukunftsentwicklung – hat Österreich erstmals den ersten Platz eingenommen. Und laut dem jährlichen Report des "Economic Freedom of the World 2001" konnte Österreich unter 123 Ländern seit dem Jahr 1995 seinen Platz verbessern, und zwar von Platz 28 auf Platz 15.

Ich möchte das in diesem Zusammenhang auch deshalb sagen, weil hier so getan wird, als ob Österreich im Grunde kurz vor dem Ruin stünde. Im Gegensatz dazu ist es so – das möchte ich vielleicht noch hinzufügen –, dass Österreich nach wie vor eines der reichsten Länder der Welt ist, und zwar liegt es auf Rang 6, und auch bei der Lebensqualität hat Österreich weltweit Rang 1. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Das war auch schon zu unserer Zeit so!) Das sind alles Daten, Frau Mertel, aus dem Jahr 2001. (Abg. Schwemlein: Noch ist es so! Trotz Ihrer Regierung!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Zwischenrufe gehören zu parlamentarischen Debatten. (Abg. Böhacker: Aber nur vom Platz aus!) Wenn es zu viel wird, sodass der Redner mit seinen eigenen Ausführungen nicht mehr durchkommt, dann wird das Maß überschritten! Ich bitte, darauf Rücksicht zu nehmen!

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (fortsetzend): Ich glaube, man kann eher sagen, aus Ihnen spricht der Neid. Wenn ich allein das Budget von 1995 hernehme: Sie wissen, damals hat die Österreichische Volkspartei gesagt, wir können nicht mehr so weitermachen, es darf keine weiteren Schulden mehr geben. Damals hat es eine Neuverschuldung gegeben, für die wir nur in diesem einen Jahr 5 Milliarden Schilling Zinsendienst hatten. Mit diesen 5 Milliarden hätten wir uns das ganze Paket, das Sie kritisieren – mit Ambulanzgebühr und Unfallrentenbesteuerung und, und, und –, erspart. (Abg. Reheis: Haben Sie sich die ÖVP-Ministerien auch angeschaut? Haben Sie sich angeschaut, wie viel die ÖVP zu dieser Neuverschuldung beigetragen hat?)

Ich glaube, was aus Ihnen spricht, ist irgendwie – sage ich jetzt einmal – der blanke Neid, weil Sie es in 30 Jahren nicht geschafft haben, einmal ein Budget zusammenzubringen, das ein Nulldefizit hatte. Ich glaube aber, das ist die beste Voraussetzung dafür, dass wir auch in Zu


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kunft soziale Sicherheit garantieren können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. (Abg. Dr. Moser spricht seit geraumer Zeit mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Haupt.)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich, bevor Sie mit Ihren Ausführungen beginnen, noch Frau Abgeordnete Moser ersuchen: Frau Abgeordnete Moser, ich glaube, dass es Zeit ist, dieses Gespräch zu beenden. Es führt zu einer Störung für den Redner. (Abg. Dr. Mertel: Ja, die Grünen regen sich immer auf, aber selber halten sie sich nicht daran!)

Bitte, Herr Abgeordneter Lackner, beginnen Sie jetzt mit Ihren Ausführungen.

13.28

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Minister! Hohes Haus! Frau Kollegin Gatterer, wenn Sie eine 14,5-prozentige Steigerung der Arbeitslosenzahlen gegenüber dem Oktober des Vorjahres als geringfügig bezeichnen, dann ist das doch eine etwas zynische Interpretation konservativer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Hartinger in ihren blau-schwarzen Gewändern ist mir jetzt leider entwichen. Offensichtlich ist Blau-Schwarz jetzt das neue Markenzeichen im Hauptverband, aber ich bin ihr ja dankbar, denn sie hat hier zumindest schon in ihrer neuen Rolle als Geschäftsführerin gesprochen und wertvolle Hinweise darauf gegeben, wie es im Hauptverband weitergehen soll. Klarer Hinweis: Weg von der solidarischen Krankenversicherung hin zu einer Zwei-Klassen-Medizin! – Ich danke Ihnen für diese Ausführungen.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist merklich kälter geworden in dieser Republik, Herr Mitterlehner, aber nicht nur deshalb, weil der Winter vor der Tür steht, das ist klar, sondern weil sich auch diesmal wieder das unmenschliche Schauspiel um die Heizkostenzuschüsse wiederholen wird, und auch deswegen, weil diese Kälte, Herr Mitterlehner, der Ausdruck einer verfehlten Sozial- und Gesundheitspolitik durch diese Bundesregierung ist. Nicht mehr jene Tugenden, Herr Mitterlehner, die die wesentlichen Elemente des Wohlfahrtsstaates und natürlich auch des sozialen Friedens in diesem Lande waren, wie zum Beispiel das konsequente Eintreten für Solidarität, das Kämpfen für die sozial Schwachen in unserer Gesellschaft und das konsequente Eintreten für soziale Gerechtigkeit und die soziale Sicherheit als Fundament gesellschaftlichen Zusammenhaltes in unserer Republik, sind die politischen Maximen Ihres politischen Handelns, sondern der Fetisch Nulldefizit, ausschließlich der Fetisch Nulldefizit, Herr Mitterlehner. (Beifall bei der SPÖ.)

Und so schaut die Politik auch aus: wachsende Entsolidarisierung, Ellenbogengesellschaft, meine Damen und Herren! Es ist erstaunlich, dass Herr Tancsits in Anbetracht dieser Umstände noch lachen kann, in Wirklichkeit müsste ihm ja das Lachen schon längst vergangenen sein (Beifall bei der SPÖ), aber als typisch Konservativer nimmt er das natürlich sehr gerne hin. (Abg. Mag. Tancsits: Jawohl!) Das ist halt jetzt die zynische Interpretation, dass Sie das alles, was Sie da anrichten, dann auch noch als Reformpolitik verkaufen. Ich glaube, die Bevölkerung wird das demnächst zu würdigen wissen, Herr Tancsits. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, Herr Tancsits, verfolgen diese Politik mit einer Rasanz und einer Konsequenz, die wirklich Ängste aufkommen lässt. (Abg. Mag. Tancsits: Reden können Sie – ich mache es!) Ich weiß, dass Sie das machen, das ist ja hinlänglich bekannt. Die Untatenliste ist schon ellenlang und wird ja auch schon entsprechend gewürdigt, Herr Tancsits. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Problem bei Ihnen, Herr Kollege Tancsits, ist, dass von Ihnen jedenfalls ständig überhastete und chaotische Ziele definiert werden, die an den realen Lebenslagen der Bevölkerung ständig vorbeigehen (Abg. Mag. Tancsits: Wir machen etwas! Sie haben nichts gemacht!): Ambulanzgebühr, Unfallrentenbesteuerung und als neues Produkt das Chipkartengebührtheater, das wirklich sehr nett ist. Man kann feststellen, wie einig sich diese Bundesregierung beziehungs


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weise diese Koalition in dieser Frage ist, wenn es darum geht, die Bevölkerung wieder aufs Neue zu belasten. – Diesem Ansinnen werden wir wirklich eine Absage erteilen. Wir werden uns mit aller Vehemenz dagegenstemmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auch das Installieren von Gesundheits- und Diagnosedaten auf der Chipkarte, Herr Bundesminister, ist so ein Ding, wobei ich Ihnen zumindest eines attestieren kann: Da sind Sie wenigstens konsequent, denn dieses Ziel haben Sie bereits 1999 in einer anderen Angelegenheit verfolgt. Bei der Chipkartengebühr beziehungsweise der Abschaffung der Krankenscheingebühr werden Sie Ihren eigenen Vorsätzen von 1999 untreu, denn damals haben Sie dies in einem Abänderungsantrag sehr vehement eingefordert, meine Damen und Herren.

Herr Bundesminister! Sie haben es verabsäumt, im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik die wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen zu einer ständigen und gemeinsamen gesundheits- und sozialpolitischen Meinungsbildung, auch zu Fragen der Finanzierung, einzuladen. Sie haben es verabsäumt, den Dialog mit diesen Gruppen zu suchen, obwohl dies vom Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung sehr publikumswirksam angekündigt worden war, und Sie haben sich bewusst vom Prinzip des Dialoges und des Konsenses verabschiedet, jenen bewährten Elementen, die den Sozialstaat und den Wohlfahrtsstaat in Österreich abgesichert haben und den Menschen in diesem Land zugute gekommen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Machen Sie, meine Damen und Herren, daher den Weg frei! Geben Sie den Menschen in diesem Land eine faire Chance, zu entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen: unseren, eben das Einstehen für soziale Gerechtigkeit, oder Ihren, der die Ellenbogengesellschaft und die wachsende Entsolidarisierung sozusagen als Nebenwirkung des Nulldefizits als gegeben hinnimmt! Ich bin mir sicher, die Menschen werden sich für unser Projekt entscheiden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Nein, nein, nein!)

13.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brugger. – Bitte.

13.34

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Gesetzespaket, das wir heute unter den Tagesordnungspunkten 1 bis 7 behandeln, beinhaltet wichtige Anpassungen und Rechtsbereinigungen, die im Rahmen der letzten Änderungen der Sozialversicherungsgesetze nicht berücksichtigt wurden.

Da diese Regierung – nach 30 Jahren Sozialdemokratie – gegen die Widerstände von SPÖ und ÖGB die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten durchgesetzt hat, ist es ein logischer Schritt vorwärts, nun auch die Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten zusammenzuführen. Um die von Sozialdemokraten zementierte Zweiteilung der Gesellschaft unter den Arbeitnehmern zu beseitigen, wird mit 1. Januar 2003 eine Pensionsversicherungsanstalt aller Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen geschaffen werden.

Dieser Schritt ist gut vorbereitet: Mit 1. Januar des kommenden Jahres wird ein Überleitungsausschuss seine Arbeit aufnehmen, der bis zur Konstituierung der neuen Verwaltungskörper die Geschäfte weiterführt. Wir erwarten einen Synergieeffekt durch die Reform, Einsparungen im Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand von mindestens 10 Prozent.

Über die Chipkarte wurde schon sehr viel gesprochen, ich will aber trotzdem noch eine Kleinigkeit anfügen. In der Einführung der Chipkarte, die ab dem Jahr 2003 den Krankenschein ablösen wird, sehen wir eine große Errungenschaft zur Modernisierung im Sozialversicherungswesen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das vorliegende Gesetzespaket bringt, wie erwähnt, zahlreiche Vereinfachungen in der Verwaltung. Das ist zum Beispiel die elektronische Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen nach einheitlichen Grundsätzen, die weitere Absenkung des fiktiven Ausgedinges bei der Ausgleichszulagenberechnung und die Ermöglichung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bei einer Leistungserbringung. Den Angehörigen von DienstnehmerInnen im Ausland, die auf Grund des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld selbst krankenversi


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chert sind, bleibt der Leistungsanspruch gegenüber dem Dienstgeber gewahrt und so weiter und so fort. Das alles sind von Sachlichkeit getragene Bereiche.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was die SPÖ gegen unsere Bemühungen vorbringt, hat mit einer konstruktiven Diskussion nichts zu tun. Es sind dies alles Standardvorwürfe verbunden mit Realitätsverweigerung und einer parteipolitisch motivierten Agitation. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

13.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

13.37

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Österreicherinnen und Österreicher, aufgepasst! Diese Regierung will das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz ändern. Dabei ist eine dilettantische Regierung am Werk, die in Fragen der Chipkartengebühren ... (Empörte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Böhacker: Wissen Sie überhaupt, was Sie da vorlesen?)  – Das ist wieder ein falsches Wort, dann nehme ich es zurück und verwende ein anderes. – Da ist eine Regierung am Werk, die an ihren Taten gemessen werden kann und die sich selbst nicht einig ist, wie sie diese Taten umsetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines, liebe Österreicherinnen und Österreicher, kann man nachweisen: Sie bleiben dabei auf der Strecke, die Gesundheit bleibt auf der Strecke, das soziale System und das soziale Gefüge bleiben auf der Strecke. Sozial Schwache spüren die soziale Kälte, und Ihr kalter Griff in die Taschen von den Ärmeren in unserem Land, Ihr kalter Griff in die Taschen von den Kranken in unserem Land (Abg. Böhacker: Das haben Sie gestern schon gesagt!) ist spürbar für die Bevölkerung in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Dem erteilen wir eine klare Absage. (Abg. Böhacker: Dem "kalten Griff"?) Da vorher Wien angesprochen wurde, kann ich nur sagen, dass die Wienerinnen und Wiener dieser Bundesregierung bei den letzten Landtagswahlen ebenfalls eine klare Absage erteilt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: Warum haben wir dann diese Regierung?)

Diese klare Absage macht Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sehr nervös. Uneinigkeit, Zerstrittenheit, Diskussionen, Krisenmanagement sind an der Tagesordnung. Dieses Krisenmanagement wird dazu führen, dass der kalte Griff der Regierung die Österreicher ausräumt und abräumt. Die Österreicherinnen und Österreicher haben genug. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bringen einen Entschließungsantrag ein, damit diese Bundesregierung einmal so arbeitet, wie sie soll, damit die Leute, die jetzt in ihren kalten Stuben sitzen, weil der kalte Griff in die Taschen den Heizkostenzuschuss zu einer Farce verkommen ließ, zu ihrem Geld kommen. Es ist nicht so, Herr Minister, wie Sie gemeint haben, dass die Partnerbundesländer schuld wären und dass die Bundesregierung viel großzügiger gehandelt hätte, nein, das war nicht der Fall, sondern es war die Unkoordiniertheit dieser Regierung, das Nicht-in-Betracht-Ziehen der wirklichen Bedürfnisse der Menschen in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Heidrun Silhavy, Helmut Dietachmayr und GenossInnen betreffend Heizkostenzuschuss für Personen mit einem Haushaltseinkommen unter 12 000 S (872,1 €), eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (834 der Beilagen und Zu 834 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (59. Novelle zum ASVG) (892 der Beilagen)


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"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis zum 31. Dezember 2001 eine Regierungsvorlage zuzuleiten, damit BezieherInnen von Leistungen aus dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, dem Karenzgeldgesetz, dem Kinderbetreuungsgeldgesetz, dem Sonderunterstützungsgesetz, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz, dem Opferfürsorgegesetz, dem Heeresversorgungsgesetz, dem Impfschadengesetz und dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, die ein Haushaltseinkommen von unter 12 000 S (872,1 €) netto im Monat haben, so rasch wie möglich von der Sozialversicherung, dem Arbeitsmarktservice beziehungsweise dem Bund ein Heizkostenzuschuss durch eine Einmalzahlung von 1 500 S (109 €) ausgezahlt werden kann, um die Mehrkosten für die Monate Oktober 2001, November 2001 und Dezember 2001 abzudecken.

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, in der Regierungsvorlage vorzusehen, für den Rest der Heizperiode (Jänner 2002, Februar 2002, März 2002 und April 2002) einen zusätzlichen Betrag von 500 S (36,34 €) pro Monat für die definierte Personengruppe auszuzahlen.

In den Sozialhilfegesetzen der Bundesländer sind gleichwertige Regelungen auf landesgesetzlicher Ebene zu schaffen und die erhöhten Mittel auszubezahlen. Die finanzielle Bedeckung der zusätzlichen Kosten für die Bundesländer werden durch Überweisungen aus dem Bundesbudget gedeckt.

Die finanzielle Bedeckung ist durch die gestiegenen Einnahmen durch die Mehrwertsteuer von Treibstoffpreisen sichergestellt."

*****

Mit diesem Entschließungsantrag, Herr Bundesminister, wollen wir Sie dazu auffordern, endlich einmal so wirksam tätig zu werden, dass das die Menschen spüren, aber nicht nur mit einem kalten Griff, sondern auch mit warmen Stuben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und damit auch mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

13.42

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, ich würde gerne wissen, was Sie sagen würden, wenn Sie nicht Entschließungsanträge verlesen oder das Wort "kalt" erwähnen könnten. Aber es war ganz interessant. (Abg. Dr. Mertel: Das ist eine Überheblichkeit sondergleichen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zur Thematik selbst haben wir im Übrigen heute zwei wichtige Vorhaben. Das eine Vorhaben ist die Zusammenlegung der beiden Sozialversicherungsträger und das andere eben die Präzisierung rund um die Chipkarte. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Beruhigen Sie sich! (Abg. Dr. Mertel: Wir werden uns nicht beruhigen!)

Was die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger anbelangt, finde ich es schon sehr interessant, dass hier irgendwo schon eine bestimmte Unlogik, Frau Silhavy, deutlich wird. Jetzt sagt uns Herr Öllinger, wir werden uns möglicherweise gar nichts ersparen, weil die Zusammenlegung nicht sinnvoll ist. Sogar der Herr Finanzminister wird zitiert. Aus Studien wissen wir, es dürfte doch anders sein, es wird in etwa 10 Prozent betragen, aber nicht sofort in der Geldtasche spürbar sein.

Auf der anderen Seite kommen Sie jetzt daher und müssten eigentlich einen Entschließungsantrag stellen, weil die Zusammenlegung aus Ihrer Sicht nur parteipolitisch begründet ist, dass Sie dagegen sind. Was machen Sie aber? – Sie stellen keinen solchen Entschließungsantrag,


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sondern einen, dass man Bauern und Gewerbetreibende zusammenlegen soll. (Abg. Silhavy: Darauf wären Sie selbst nicht gekommen!) Jetzt möchte ich gar nicht auf die Sache eingehen. Sie wissen, da gibt es Unterschiede – das haben wir Ihnen im Ausschuss schon zu erklären versucht – im Leistungsbereich, im Beitragsbereich, aber das wollten Sie nicht hören, sondern Sie handeln nach dem Motto: Uns passt die Zusammenlegung eigentlich nicht so. Es haben sich zwar auch schon die Sozialpartner dafür ausgesprochen, aber zu Fleiß tun wir ihnen schon etwas. Jetzt stellen wir diesen Entschließungsantrag. – Und dann sagen Sie, das ist eine sachliche Auseinandersetzung. (Abg. Silhavy: Herr Kollege Mitterlehner, was bekommt denn die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft aus dem Budget?)

Zum Zweiten muss ich daran erinnern, dass Kollege Cap heute schon dargestellt hat, wie lächerlich doch die Regierung ist, dass sie das alles rund um die Einhebung der Gebühren nicht präzisiert hat und dass die und die Punkte noch offen sind. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe hier eine Presseaussendung aus dem Jahr 1996 – könnt ihr draußen die Zwiegespräche führen? (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP)  –, und in diesem Zusammenhang wird wörtlich festgestellt, "ab 1. Jänner 1998 entfällt die Krankenscheingebühr". Vorangestellt ist: "mit der Einführung der Chipkarte".

Meine Damen und Herren! Damals war doch ein Sozialist Sozialminister. Er hätte das alles, was heute bekrittelt wird, machen können, er hätte das alles umsetzen können, aber er hat drei Jahre all das nicht gemacht, was heute kritisiert wird.

Im Zusammenhang mit dem, was heute kritisiert wird, muss ich zum Tenor schon Folgendes sagen: Mich wundert es, meine Damen und Herren, wie pessimistisch Sie die ganze Angelegenheit betrachten, welches Weltbild, auch vom Arbeitsmarkt, gerade Sie, Frau Mertel, beispielsweise haben, wenn Sie die Meinung vertreten, jeder Arbeitgeber hat nichts anderes zu tun, als mit Krankengeschichten durch die Gegend zu gehen und zu schauen, welche Daten er da haben kann. Das entspricht nicht mehr der Linie von heute, und das war nie die Linie. (Abg. Dr. Mertel: Märchen und Wahrheit!) Ganz im Gegenteil! Bei der Knappheit an qualifizierten Kräften müssen Sie heute jedem etwas Ordentliches anbieten und können mit diesem Instrument nicht agieren. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang muss ich schon sagen: Mir gefällt es eigentlich nicht – jetzt im Sinne des Bürgers –, was Sie da machen, denn Sie erzeugen Angst und weisen in keinem einzigen Punkt auf Chancen hin. Damit Sie hören, dass auch der Bürger das anders sieht, lese ich Ihnen einen Leserbrief aus der "Kleinen Zeitung" – er ist sehr kurz – von heute, 23. November, vor:

"Es ist erstaunlich", schreibt da jemand, "welches Drama sich um die Chipkarte in Österreich entwickelt. Warum schauen die Verantwortlichen nicht über den Tellerrand, sprich nach Deutschland, wo ich schon seit sechs Jahren mit dieser Chipkarte nur positivste Erfahrungen gemacht habe. Freundliche Grüße in die Heimat! Dr. Mag. Ing. Johannes Schuchlenz, Weissach, Deutschland." (Beifall bei der ÖVP.)

Das schreibt einer, der ganz unverdächtig ist, dass er zu uns gehört oder sonst wohin, sondern der geht unbefangen an die ganze Angelegenheit heran. Das würde ich Ihnen in diesem Zusammenhang auch wünschen. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Und da auch ein klares Wort, was die Finanzierung anbelangt. Wer heute so tut, als wäre versprochen worden, dass es die Krankenscheingebühr in Zukunft nicht mehr geben sollte – das ist gesagt, das ist überlegt worden –, der muss schon sehen, dass diese dazu dient, dass man die Gebietskrankenkassen, auch mit dem Pensionistenäquivalent, im Ausmaß von 2 Milliarden Schilling insgesamt unterstützt.

Jetzt wollen Sie das Ganze nicht haben, jammern aber auf der anderen Seite, insbesondere der Herr Bittner von der Wiener Gebietskrankenkasse, dass dort die Finanzierung nicht gesichert ist. Das ist doch einigermaßen unlogisch, meine Damen und Herren. Ich kann nicht das eine


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machen und das andere ablehnen, außer Sie wollen Beitragserhöhungen wie in Deutschland. Wenn man aber die Finanzierung der Gebietskrankenkassen sichern und eine neue Serviceleistung einführen will, ohne die Leistungen zu kürzen, dann muss man auch seriös über eine Chipkartengebühr und entsprechende Einhebungsbedingungen nachdenken. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Frau Dr. Mertel, wir wollen die einzelnen Mitarbeiter mit ihrer Krankengeschichte nicht verfolgen, wir wollen ihnen gar nichts tun. Daher haben sie wahrscheinlich auch Verständnis dafür. Wir Vertreter der Wirtschaft wollen auch mit dieser Einhebung der Gebühr, was auch immer, nichts zu tun haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist eigentlich auch am 1. Jänner 1998 schon ausgesagt und uns versprochen worden. In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie uns da auch unterstützen. (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP.)

13.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornegger.

Meine Damen und Herren! Darf ich bei dieser Gelegenheit noch einmal darum ersuchen, den Geräuschpegel zu senken! Es ist wirklich schwierig für den Redner, sich entsprechend Gehör zu verschaffen, und es ist auch nicht besonders kollegial! Ich glaube, dass es wirklich hoch an der Zeit ist! (Abg. Schieder: Bei Oppositionsrednern sagen Sie das nie!)

Bitte, Herr Abgeordneter Hornegger.

13.49

Abgeordneter Franz Hornegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es mir zu Beginn nicht verkneifen: Wenn man sich so eine Debatte über die Novelle anhört und dann von Seiten der SPÖ von jedem Redner Haider, Haider, Haider hört, dann denkt man sich, so ein Haider-Syndrom, das muss etwas Schlimmes sein. (Abg. Dr. Mertel: Ich habe den Haider gar nicht erwähnt!)

Frau Mertel, Sie müssen einmal nachdenken, dass Sie Ihre Köpfe dem Gusenbauer "verankern", und dann können Sie da herauskommen und über Neuwahlen nachdenken, meine lieben Freunde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Aber jetzt zur ASVG-Novelle. Im Zuge der Änderung des Sozialversicherungsgesetzes sind auch sehr viele positive Punkte für die bäuerliche Bevölkerung umgesetzt worden, unter anderem ist das fiktive Ausgedinge um 1 Prozent gesenkt worden. Es ist natürlich Aufgabe dieser Regierung, darauf zu schauen, dass diese Absenkung noch weiter fortgesetzt wird, dass eben unterm Strich höhere Pensionen für die Bauern herauskommen.

Ein weiterer Punkt ist, dass im geänderten Sozialversicherungsgesetz auch Bestimmungen über Verwaltung und Versicherungsträger neu geregelt wurden, zum Beispiel bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern oder durch die Zusammenlegung der Verwaltung mit einer Hauptstelle in Wien sowie mit Neben- und Außenstellen in den Regionen, in den Bundesländern.

Unter anderem ist es ein sehr erfreulicher Punkt, dass im Zuge der Einführung des Kindergeldes endlich die Bäuerinnen mit allen anderen Frauen gleichgestellt wurden. Aber auch etwas nicht Erfreuliches ist im Bereich der Sozialversicherung passiert und passiert weiterhin, nämlich dass man immer wieder über neue Einnahmequellen nachdenkt. Das sieht man zum Beispiel im Bewertungsgesetz, wenn es um die Buschenschenken geht. Meiner Ansicht nach wäre es weit sinnvoller, noch mehr über Einsparungen im Bereich der Verwaltung nachzudenken.

Wenn man sich jedoch die Berichte in den Medien der letzten Tage ansieht, worin von Kassenkollaps und Konkursfall die Rede ist – und da handelt es sich um viel Geld –, ist es aus Sicht der Kassen natürlich erforderlich, aktuell über Beitragserhöhungen nachzudenken. Aber wenn Einsparungen in der Verwaltung nicht mehr möglich sind, meine Damen und Herren, muss man natürlich – da wird mir unser Bundesminister zur Seite stehen (Abg. Gradwohl  – auf die Regierungsbank deutend –: Im Moment nicht!)  – auch über Zusammenlegungen nachdenken, und zwar laut darüber nachdenken. – Herr Kollege Donabauer schaut mich an. Man muss natürlich


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über solche Dinge nachdenken, bevor Beiträge erhöht oder Pensionen gekürzt werden. (Abg. Donabauer: Erhöhungen ...!)

Eines muss ich noch Frau Kollegin Silhavy sagen: Wie und mit wem verhandelt wird, das sollte man den Versicherungsanstalten selbst überlassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

13.52

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben auch einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Helmut Dietachmayr und GenossInnen betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes in Verhandlung genommen. Ich möchte für den weiteren Gang der Beratungen darauf aufmerksam machen, dass es weder eine Pensionsversicherungsanstalt der Bauern noch eine Pensionsversicherungsanstalt des Gewerbes gibt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Donabauer: Peinlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Nun, es ist ein interessanter Aspekt hinsichtlich der Seriosität der Diskussion, wie sie von Seiten der SPÖ geführt wird. (Abg. Schieder: Immer schön, gescheite Menschen zu haben!)

Ich möchte aber eigentlich zum § 81a, zur so genannten Informationspflicht, etwas sagen. Ich habe diesen Vorschlag nicht nur unterstützt, sondern – diejenigen, die im Ausschuss waren, wissen es – ich verlange das auch. Hiedurch wird nämlich nicht Information verhindert, sondern es wird die seriöse Information der Versicherten durch den Versicherungsträger nachdrücklich verlangt. Es wird aber auch die Einlösung der Aufsichtspflicht des Ministeriums als Aufsichtsbehörde, die ja besteht, ermöglicht. Dies ist also keine inhaltliche Änderung, sondern es wird endlich die Möglichkeit geschaffen, Missbräuche zu verhindern.

Hier möchte ich nicht herumreden, sondern die Missbräuche beim Namen nennen. Wenn in einer Informationsstelle der Wiener Gebietskrankenkasse – Wien X, Senefeldergasse – eine Information aufliegt, dass der Patient in Zukunft 28 000 S an Selbstbehalt für einen Herzschrittmacher zu bezahlen hat, dann ist das keine Information des Versicherten, sondern eine unseriöse Vorgangsweise, weil man versucht hat, Menschen, die schwer krank sind, von einer notwendigen Behandlung durch den Arzt abzuhalten. (Abg. Dr. Mertel: Wie viel war das?) Dies in Zukunft zu verhindern, wird dieser § 81a mit bewirken. Wir werden damit sicherstellen, dass das Geld der Versicherten tatsächlich für Information verwendet wird, aber nicht dafür missbraucht wird, parteipolitische Werbung und Propaganda mit dem Geld der Versicherten zu machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Oberhaidinger: Das sagen ausgerechnet Sie! – Abg. Gradwohl: Kollege Tancsits, was würden Sie ...?)

Die Selbstverwaltung, zu der ich mich bekenne, ist auch Verwaltung und hat nicht politisch zu werten. Oder wie würde Ihnen etwa folgende "Information" an die Werber um Wiener Kindergartenplätze gefallen: "Meine lieben Eltern! Auf Grund der unsozialen und familienfeindlichen Einstellung der roten Wiener Landesregierung gibt es keine Plätze; und wenn doch, dann kosten sie 20-mal so viel wie in Niederösterreich." – Ich sage Ihnen ehrlich, das würde mir auch nicht gefallen. Das ist nicht Information, das ist politische Wertung. Diese hat dort diskutiert zu werden, wo sie hingehört, aber sie hat nicht mit dem Geld der Beitrags- und Steuerzahler zu erfolgen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 893 der Beilagen über die Regierungsvorlage 835 und Zu 835


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der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

§ 85a Abs. 2 in der Fassung der Z 9 lautet wie folgt:

"(2) Versicherte, für die auf Grund gesamtvertraglicher und satzungsmäßiger Regelungen anstelle der Sachleistungen bare Leistungen nach § 85 Abs. 3 zweiter Satz gewährt werden, sind, soweit die Satzung dies vorsieht, berechtigt, über Antrag gegen Entrichtung eines Zusatzbeitrages

1. Sachleistungen nach § 85 Abs. 3 erster Satz oder

2. Sachleistungen nach § 85 Abs. 3 erster Satz unter Beibehaltung der Geldleistungen nach § 96 Abs. 2 in Anspruch zu nehmen. Für die Höhe des jeweiligen Zusatzbeitrages gilt Abs. 1 zweiter Satz entsprechend. Für Beginn und Ende dieser Berechtigung gilt Abs. 1 dritter Satz entsprechend."

*****

Meine Damen und Herren! Damit wird bei dem Optionsmodell ein Zusatzbeitrag normiert. Ich bitte, auch diesen Abänderungsantrag mit zu beschließen.

Damit fasse ich zusammen: Wir beschließen heute mit der 59. Novelle zum ASVG wesentliche sozialpolitische Fortschritte. Die Chipkarte, über die jahrelang diskutiert wurde, nimmt Gestalt an. Die von der Bevölkerung erwünschte Möglichkeit, Notfalldaten zu speichern, wird geschaffen. Der Datenschutzrat hat uns gesagt – und das ist gut so –, dass das möglich ist. Mit der Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Arbeiter und Angestellten wird ein Jahrzehnte diskutiertes Vorhaben verwirklicht.

Ich weiß, Sie von der SPÖ führen den einheitlichen Arbeitnehmerbegriff nur auf den Lippen. In Wirklichkeit passt er nicht in Ihr klassenkämpferisches Denken. Wir lassen uns bei diesen sozialpolitischen Reformschritten nicht bremsen, auch nicht durch Neuwahlanträge. Suchen Sie sich einen billigeren Weg, einen ungeliebten Parteivorsitzenden loszuwerden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, ich gehe davon aus, dass Sie die entsprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung kennen.

Bevor Sie die tatsächliche Berichtigung vornehmen, gebe ich noch bekannt, dass der Abänderungsantrag, der von Herrn Abgeordnetem Tancsits eingebracht wurde, ausreichend unterstützt ist, einen ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie aufweist und daher auch mit zur Verhandlung beziehungsweise in Kürze zur Abstimmung steht.

Bitte, Frau Abgeordnete Silhavy.

13.58

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Abgeordneter Tancsits hat fälschlicherweise gesagt, wir hätten in unserem Antrag die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalt der Bauern und der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft verlangt.

Ich berichtige tatsächlich – und man kann es im schriftlich vorliegenden Entschließungsantrag nachlesen, aber jetzt weiß ich, warum sich die Abstimmung "zweite" und "dritte Lesung" nennt (Abg. Gaugg: Endlich! Wie lange sitzen Sie schon da herinnen?)  –: Herr Kollege Tancsits, wir


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85. Sitzung / Seite 89

haben verlangt, dass die Bauern-Pensionsversicherung – das ist ein Zweig der Sozialversicherung der Bauern – und die Pensionsversicherung der gewerblichen Wirtschaft, verankert in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, zu einer selbständigen Pensionsversicherungsanstalt zusammengeführt werden; und es darf dadurch kein zusätzlicher Pensionsversicherungsträger entstehen.

Wir haben ganz dezidiert auf die Pensionszweige hingewiesen: Zusammenlegung, weil dort auch der Leistungsunterschied nicht ein so großer ist. (Beifall bei der SPÖ.)

13.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

13.59

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Die SPÖ hat mit ihrer beispiellosen Schuldenpolitik die Krankenkassen an den Rand des finanziellen Ruins gebracht – und heute haben Sie nichts Besseres zu tun, als eine Neuwahldebatte anzuzünden, statt einen vernünftigen Vorschlag zur Sanierung der Krankenkasse zu bringen und ordentlich eine Sozialdebatte zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Er weiß ja gar nicht, wie er die Neuwahl finanzieren soll, der Herr Cap!)

Wie Sie die Sozial- und Gesundheitspolitik dieser neuen Reformregierung zu skandalisieren versuchen, geht aus verschiedenen Beispielen hervor. Ich erinnere Sie daran, wie zu Beginn, als wir angetreten sind, die wildesten Gerüchte von wegen "Der Patient kann sich den Arzt nicht mehr leisten" angezettelt wurden. Am Beispiel von Kopfweh, Kreuzweh und Bluthochdruck hat die Wiener Gebietskrankenkasse – mit Unterstützung der Gewerkschaft und der Sozialdemokratischen Partei – Folgendes behauptet: Wenn ein Patient mit Kopfschmerzen zu seinem Hausarzt geht, hat er einen Selbstbehalt von 2 098,33 S zu zahlen (Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!); wenn der Patient mit Kreuzschmerzen zum Arzt geht, kostet ihn das einen Selbstbehalt von 3 679,81 S; für Blutdruckmessen und Blutdruckbehandlung gilt ein Selbstbehalt von 1 971,13 S. Die Krone hat dem allen Alt-Klubobmann Kostelka aufgesetzt, als er in einer "Zur Sache"-Sendung sagte: Eine Hüftoperation wird einen Patienten jetzt 30 000 S aus der eigenen Tasche kosten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nichts davon ist eingetreten! Ganz im Gegenteil: Die Selbstbehalte, die es gibt, haben Sie eingeführt! 12 Milliarden Schilling haben Sie den Patienten aus der Tasche gezogen – und uns wollen Sie skandalisieren, weil wir Ihre maroden Krankenkassen zu sanieren versuchen. Das machen wir jetzt auch mit Erfolg! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben die Krankenkassenschulden bereits um die Hälfte reduziert. In eineinhalb Jahren haben Sozialminister Haupt und Gesundheitsstaatssekretär Waneck bei der Krankenkasse 5 Milliarden Schilling an Einsparungen erwirtschaftet. (Abg. Leikam: ... dafür kassiert?) Sie aber haben nichts getan, außer dass Sie wildeste Gerüchte zur Verunsicherung der Patienten verbreitet haben! (Abg. Leikam: Jeder kassiert so viel!)

Nun zur Chipkarte: Was Sie hier an den Tag legen, ist einfach skandalös. Ich sage Ihnen – und fasse als vorläufig letzter Redner meiner Fraktion somit zusammen –, dass es mit der Einführung der Chipkarte nicht zu einem einzigen Schilling an Mehrbelastung für die Patienten kommen wird. Kein einziger Schilling Mehrbelastung! (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Sollte eine Gebühr in der gleichen Höhe wie beim Krankenschein eingehoben werden müssen – was noch lange nicht sicher ist –, dann wird diese in eine Sonderleistung umgewandelt und kommt in voller Höhe dem Patienten zugute, indem wir Gratis-Impfungen einführen und das Vorsorgeprogramm ausbauen. Der Patient bekommt also für eine Leistung, die er wie bisher erbringt, wesentlich mehr an Gegenleistung von der Krankenkasse, ohne dass er dafür einen


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einzigen Schilling mehr bezahlen muss. Das ist Gesundheits- und Sozialpolitik der Freiheitlichen gemeinsam mit der ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eine Grippeimpfung bedeutet für die Krankenkasse netto – abzüglich aller Kosten, die für die Impfung entstehen – eine Ersparnis von 220 S pro Impfung. Da sage noch einmal ein Grünewald oder sonst irgendein Möchtegern-Sozialpolitiker, das sei Humbug! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Grabner: Er hat keine Ahnung!) Ich sage Ihnen, durch die Grippeimpfung können Sie an Folgekosten ungeschaut doppelt so viel einsparen, wie die Impfung kostet. Das müssen Sie sich hinter die Ohren schreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Datenschutz: Dabei geht es um die Eingabe von Notfalldaten in die Chipkarte, also das, was heute beschlossen wird. Ich bin sehr froh darüber. Dazu habe ich schon einmal das Beispiel eines Patienten angeführt, der als Diabetiker, Bluter infolge medikamentöser Behandlung und Allergiker zu mir kommt. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Er hat drei Ausweise – Diabetikerpass, Bluterpass und Allergiepass –, und er sagt: Kann ich das jetzt in die Chipkarte aufnehmen lassen? (Abg. Öllinger: Gibt es viele Kranke in Ihrer Gemeinde? Woran liegt das?)  – Jawohl, sage ich, das kannst du alles in die Chipkarte aufnehmen lassen. Alle deine Notfalldaten sind dann gespeichert, wenn du das willst und einen entsprechenden Antrag stellst. Das wollen, glaube ich, 90 Prozent der Patienten, die an einer gefährlichen Krankheit laborieren. Das ist auch gut so. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Datenschutzrecht sage ich Ihnen Folgendes: Sie alle waren beim Experten-Hearing dabei. Der Vorsitzende des Datenschutzrates hat Ihnen mitgeteilt, dass alles, was der Datenschutzrat verlangt hat, in diesem Gesetz enthalten ist. Mehr brauche ich dazu nicht mehr zu sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Abg. Gaugg: Nein! Nicht noch einmal! – Abg. Haigermoser: " Stöllinger!" – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

14.05

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, in einem zweiten Redebeitrag kurz auf die ... (Abg. Haigermoser: "Stöllinger!" Stalin, Öllinger, "Stöllinger"!) Danke, Sie sind auch schon einschlägig dafür gerügt worden.

Gestatten Sie mir, in einem zweiten Redebeitrag kurz auf die eingebrachten Anträge einzugehen.

Zuvor aber noch eine Bemerkung zum Kollegen Pumberger: Vielleicht sind Notfalldaten auf ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Ich habe drei Mal in aller Ruhe und Höflichkeit darum ersucht, den Lärmpegel zu senken. Wir sind gerade dabei, ihn wieder enorm ansteigen zu lassen.

Bitte, geben Sie dem Redner eine Chance! Sonst ist es nicht fair!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Vielleicht wären Notfalldaten auf dieser Chipkarte dann nützlich, wenn man auch eintragen könnte, dass man von bestimmten Ärzten nicht behandelt werden will. Das wäre vielleicht eine Anregung, die ich an den Herrn Bundesminister weitergeben möchte, vor allem nach der Rede des Kollegen Pumberger. (Heiterkeit bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Eine Frechheit, so etwas!) Das könnte in Ihren Regelungen betreffend Notfalldaten vielleicht noch verbessert werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Sie sind letztklassig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu den Anträgen, die die sozialdemokratische Fraktion eingebracht hat, kurz Stellung zu nehmen. Dem Antrag betreffend Heizkostenzuschuss werden wir unsere Zustimmung erteilen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
85. Sitzung / Seite 91

Dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion betreffend die Zusammenlegung oder Neuschaffung einer Pensionsversicherungsanstalt Gewerbliche und Bauern werden wir die Zustimmung nicht geben. Ich halte es auch nach dem, was ich darüber gesagt habe, dass die Zusammenlegung der Pensionsversicherungen Arbeiter und Angestellte von uns im Prinzip begrüßt wird, in dieser Form und mit den finanziellen Auswirkungen, die auch vom Finanzministerium kritisiert werden, nicht für vertretbar, dass wir da ein gegenseitiges Pingpongspiel machen.

Ich halte es aber darüber hinaus auch für nicht richtig und nicht gut, dass wir die Zusammenlegung von verschiedenen Sozialversicherungsträgern relativ willkürlich angehen, wie das auch im Regierungsentwurf der Fall ist. Ich hätte es für angebracht gehalten, zum Beispiel darüber nachzudenken, wie die Unfallversicherungsträger – das wäre eine sinnvolle Reform, da es dort einen großen und ein paar kleine Träger gibt – sinnvollerweise zu einem einzigen Träger hätten zusammengefasst werden können.

Der dritte Antrag der sozialdemokratischen Fraktion betrifft die Anpassung der Pensionen. Eines ist klar, meine Damen und Herren: Nach den Verlusten, die Pensionisten im letzten und im heurigen Jahr haben hinnehmen müssen – auch nach den zusätzlichen Verlusten durch den Pensionistenabsetzbetrag beziehungsweise durch die Besteuerung der Unfallrenten –, ist hier eine absolute Schieflage eingetreten.

Wir Grüne haben uns deshalb dafür ausgesprochen, dass es diesmal eine andere Pensionserhöhung geben muss, allerdings nicht eine lineare, wie sie im Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion vorgesehen ist. Wir hielten es für sinnvoller und richtiger, eine prozentuelle Steigerung mit einem Fixbetrag zu kombinieren. Das wäre angemessener und würde vor allem untere und mittlere Pensionen besser berücksichtigen. Darüber hinaus glauben wir, dass dies in der Summe selbstverständlich mit der Inflationsrate und jenen Mitteln, die für die Abgeltung der Inflationsrate aufgebracht werden müssen, zusammenhängen muss und dass da nicht gestrichen werden kann. Wir werden daher diesem Antrag nicht zustimmen.

Eine Bemerkung zu den Abänderungsanträgen der Regierungsparteien, vor allem an Sie, Herr Kollege Khol, weil Sie uns gemeinsam mit der freiheitlichen Fraktion versprochen haben, dass diese Abänderungsanträge 24 Stunden vorher eintreffen werden: Da wir hier mit dem Abänderungsantrag der Abgeordneten Gaugg, Feurstein einen Umfärbungsantrag vorliegen haben und dies ein substantieller Antrag ist (Abg. Dr. Khol: Zwei Minuten!), halte ich nur der Form halber fest, dass es sich um substantielle Änderungen handelt. (Abg. Dr. Khol: Zwei Minuten zu spät!)

Schon aus diesem Grund ist – auch für das Protokoll – nicht nur zu bemerken, dass die entsprechenden Abänderungen hier viel zu spät eingebracht wurden (Abg. Dr. Khol: Zwei Minuten zu spät!), sondern dass es sich hierbei auch um Umfärbungsanträge handelt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Fischer. )

14.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

14.09

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Die heutige Debatte war wieder einmal äußerst aufschlussreich. (Abg. Dr. Mertel: So ist es!) Wir haben von Frau Abgeordneter Haller erfahren, was hier Ministerratsbeschlüsse heute und in Zukunft sind. Es sind – ich zitiere sie – "erste Vorschläge". Wenn also in Zukunft Ministerratsvorschläge in dieses Haus eingebracht werden, dann nehmen Sie sie als das, was sie sind, meine Damen und Herren: erste Vorschläge. (Beifall bei der SPÖ.)

Etwas Zweites sehr Bemerkenswertes ist geschehen: Herr Klubobmann Westenthaler hat heute Vormittag eine Aussendung gemacht, in der er von "hervorragenden Arbeitslosenzahlen" spricht. (Abg. Ing. Westenthaler: Nein! Das stimmt nicht!) Lassen Sie sich das bitte auf der Zunge zergehen! (Abg. Ing. Westenthaler: Das habe ich nicht gesagt!) Das wird von der APA zitiert: "hervorragende Arbeitslosenzahlen". (Abg. Ing. Westenthaler: Für die APA kann ich nichts!)


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Stenographisches Protokoll
85. Sitzung / Seite 92

Ich zitiere aus der Statistik die Veränderungen zum Vorjahr: sehr starker Anstieg des Arbeitslosenbestandes um 24 808 Personen beziehungsweise 14,5 Prozent (Abg. Ing. Westenthaler: Und zu Ihrer Regierungszeit? Vergleichen Sie einmal mit Ihrer Regierung!); Anstieg in allen Bundesländern, in allen Altersgruppen, ganz besonders bei den unter 25-Jährigen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viele haben Sie gehabt? 300 000 Arbeitslose!)

Herr Klubobmann Westenthaler! Es qualifiziert Sie ohnedies ganz automatisch, wenn Sie bei diesen Zahlen von "hervorragenden Arbeitslosenzahlen" sprechen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: 300 000 unter SPÖ-Regierung!)

Jetzt komme ich noch einmal zurück auf die Freiheitliche Partei und ihre "äußerst feste" Parteilinie, die sie auch heute wieder in besonderem Maß zum Ausdruck gebracht hat. Ich bin Herrn Abgeordnetem Pumberger sehr dankbar für seine Aussendung, die er vor wenigen Tagen gemacht hat. Dadurch hat er mir eine eigene Recherche erspart, er hat uns alle gleich selbst daran erinnert, dass Pumberger 1996 die Einführung der Chipkarte gefordert hat: Die Krankenscheingebühr würde damit überflüssig. 1997 wurden ein derartiger Beschluss und gleichzeitig auch die Abschaffung der Krankenscheingebühr ebenfalls von den Freiheitlichen gefordert. Jetzt wird es natürlich besonders spannend, wann das alles auch einmal relevant war: zum Beispiel im Jahr 1999; wir können uns erinnern, damals gab es Wahlen. Herr Pumberger, solche Ankündigungen sind auch Wahlversprechen! Ich kann wieder einmal nur sagen: Versprochen – gebrochen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Was Sie heute hier machen, ist etwas ganz anderes. Herr Minister Haupt spricht noch am 14. November dieses Jahres von einer guten Regelung und einer erheblichen Verbesserung im Zusammenhang mit der Gebühr. Wenige Tage später sagt er: "nicht mit Speed die Regierung killen". – Herr Bundesminister, das kommt zu spät! Dieses "speed kills" hat bereits gegriffen und ist durchgeführt worden. Sie sind ein Jahr zu spät zu dieser Erkenntnis gekommen. Vor allem haben es die Menschen zu spüren bekommen, und sie müssen es ausbaden. Das bedauere ich ganz besonders! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Pensionserhöhung oder Nicht-Pensionserhöhung: Herr Bundesminister, ich kann Ihnen fast schon nicht mehr zuhören, wenn Sie hier am Rednerpult davon sprechen, wie stark Sie sich einsetzen werden, wenn es bei der Pensionserhöhung um die Abgeltung der Inflationsrate geht. Sie haben gestern wahrscheinlich auch "Teletext" gelesen, dort war wieder die Frohbotschaft aus Kärnten bezüglich der 2,9 Prozent zu lesen.

Herr Minister! Diese Nationalratssitzung wird kaum vorbei sein, und die Pensionistinnen und Pensionisten werden die Wahrheit erfahren: Die Inflation wird bei weitem nicht abgegolten. Das könnte ich Ihnen schon heute ins Stammbuch schreiben, so wird die Debatte ausgehen. Sie haben sich hier schon sehr oft hergestellt und versprochen und angekündigt – durchgesetzt haben Sie sich nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Der heutige Beschluss ist einfach und leicht zusammengefasst: Chaos bei der Chipkarte, ein weiterer Schritt zum "gläsernen Menschen", ein Maulkorb-Paragraph – und das ist auch etwas Unglaubliches, was der Herr Minister hier gesagt hat: Er würde sich wünschen, dass er das nicht tun müsste und dass wir diesen Paragraphen nicht benötigen würden. Was heißt denn das? (Abg. Verzetnitsch: Rohrstaberl!)  – Ja, das ist die Rohrstaberl-Mentalität! Hier sind offensichtlich ungezogene Kinder am Werk, die ganz einfach erzogen gehören.

Herr Minister! Hier handelt es sich um erwachsene Menschen, um mündige Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, und nicht um Menschen, die sich gerne von Ihnen bevormunden lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das alles wird noch lange nicht der Endpunkt sein. Es wird weitergehen. Es ist noch nicht lange her, da hat der Herr Finanzminister angekündigt, wie "wertvoll" ihm die Verfassungsgesetze seien, indem er das Antrittsalter bei den Pensionen hinaufsetzen will; dass hiedurch ein Verfassungsbruch in den Raum gestellt wird, stört den Herrn Minister nicht sehr. Wir alle können absehen, dass diese Debatte neuerlich vor der Tür steht.


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85. Sitzung / Seite 93

Es reicht Ihnen nicht, was alles Sie den Frauen schon bisher angetan haben: von der Verschlechterung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes über die Streichung der beitragsfreien Mitversicherung bis hin zur gemeinsamen Obsorge und so weiter. Ich kann das alles gar nicht aufzählen. Das alles haben Sie vor der Wahl 1999 den Menschen nicht gesagt. Was kommt denn sonst noch alles im Sozialbereich auf die Menschen zu? – Es wird – um nur ein weiteres Beispiel zu nennen – über Zumutbarkeitsbestimmungen debattiert. Auch das ist wieder eine unglaubliche Verschärfung, die Sie sich da haben einfallen lassen.

Alles in allem sind es Dutzende Wahlversprechen, die Sie alle gebrochen haben. Nicht einmal das Kindergeld haben Sie so umgesetzt, wie Sie es angekündigt haben. Da können Sie sich noch hundert Mal hier herstellen und dementieren: Auch hier haben Sie Ihr Wahlversprechen eindeutig gebrochen.

Sie wollten den Wählerinnen und Wählern ein X für ein U vormachen, aber die Wählerinnen und Wähler lassen sich ganz einfach kein X mehr für ein U vormachen! Aus diesem Grund ist es höchste Zeit, die Wählerinnen und Wähler neuerlich zu befragen, was sie von dieser blau-schwarzen Regierung halten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und zwar stimmen wir zunächst ab über den Rückverweisungsantrag, den die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen zum Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, gestellt haben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, den Gegenstand nochmals an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen somit zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend 59. Novelle zum ASVG in 892 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen einen Zusatzantrag sowie einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung der Ziffern 13, 15 und 16, eine Änderung der Ziffer 14 sowie die dadurch bedingten Änderungen der Ziffernbezeichnungen bezieht.

Wer dafür eintritt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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Stenographisches Protokoll
85. Sitzung / Seite 94

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung der Ziffer 30 sowie die dadurch bedingten Änderungen der Ziffernbezeichnungen bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffern 72, 74 und 88 bezieht.

Wer dazu seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung neuer Abs. 7 und 8 in den § 597 in Ziffer 93 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass eine Mehrheit vorliegt und damit eine Annahme.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle neuerlich eine Mehrheit fest, der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen betreffend die Schaffung einer eigenen, von der SV-Chipkarte physisch getrennten Karte mit Notfallsdaten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietachmayr und Genossen betreffend Anpassung der Pensionen zumindest mit der Inflationsrate.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Gaugg: Zu wenig!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Lapp und Genossen betreffend Heizkostenzuschuss für Personen mit einem Haushaltseinkommen unter 12 000 S (872,1 €).

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend 26. Novelle zum GSVG in 893 der Beilagen.


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85. Sitzung / Seite 95

Hiezu haben die Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffer 9 bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Gaugg, Dr. Feurstein und Genossen abstimmen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest: Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist neuerlich die Mehrheit, der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy und Genossen betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes. (Abg. Ing. Westenthaler: Wozu noch Anträge, wenn ihr eh für Neuwahlen seid?)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Blonder, das mit Neuwahlen wird schwierig werden!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend 25. Novelle zum BSVG samt Titel und Eingang in 894 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich eine Mehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Des Weiteren kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend 29. Novelle zum B-KUVG samt Titel und Eingang in 895 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle neuerlich eine Mehrheit fest, der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend 12. Novelle zum FSVG samt Titel und Eingang in 896 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig, der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wozu Neuwahlen?)


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85. Sitzung / Seite 96

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend 10. Novelle zum NVG 1972 samt Titel und Eingang in 897 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist neuerlich die Mehrheit; der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr bekommt ja keinen Kredit für den Wahlkampf! – Abg. Dr. Gusenbauer: Kein Problem! – Abg. Ing. Westenthaler: Naja, 200 Millionen Schilling Schulden werden es schon noch sein!)

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bewertungsgesetz 1955 geändert wird, samt Titel und Eingang in 899 der Beilagen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich eine Mehrheit fest, der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (802 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Bauarbeitenkoordinationsgesetz geändert werden (Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz – ANS-RG) (898 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir kommen jetzt zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. Ich erteile es ihm hiemit.

14.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ja gewusst, dass Sie dieser Debatte und vor allem meinem Beitrag unbedingt folgen wollen, Herr Bundesminister.

Wir Grüne stimmen gegen die geplanten gesetzlichen Änderungen. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Das ist ja ganz was Neues!) In ihnen wirkt die Philosophie des Bundesministers Dr. Martin Bartenstein, der da sagt, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gebe es keine unterschiedlichen Interessen mehr, sondern nur mehr das Gemeinsame, und das Gemeinsame sei der Firmenstandort. Diese Philosophie kristallisiert sich zum ersten Mal ein bisschen deutlicher in einem Entwurf heraus, der eine besonders sensible Materie betrifft, nämlich den ArbeitnehmerInnenschutz. Ich gebe zu, der Entwurf enthält natürlich auch positive Elemente. Gleichzeitig müsste man aber auch sagen, dass das ArbeitnehmerInnenschutz-Reformgesetz, das Sie heute als Paket beschließen, eigentlich SozialpartnerInnenschutz-Reformgesetz heißen sollte. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Auch nicht schlecht!) Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass die sozialdemokratische Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmt.

Ich habe bereits vorhin gesagt, die Philosophie des Bundesministers, nämlich die Standort- und Firmenstandortphilosophie, kristallisiere sich im Entwurf deutlich heraus, aber gleichzeitig überlistet sie sich auch irgendwo selbst. Warum? Es wurde zum Beispiel in Artikel 1 § 18a des Ar


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85. Sitzung / Seite 97

beitnehmerInnenschutzgesetzes eine Bestimmung hinzugefügt, die eigentlich Misstrauen ausdrückt. Bisher war es so üblich, dass Betriebsbegehungen auch von VertreterInnen von Arbeitnehmerverbänden, also der Arbeiterkammer und dem Gewerkschaftsbund, veranlasst werden und sie daran teilnehmen konnten. Jetzt kommt hinzu, dass auch die Wirtschaftskammer bei den Betriebsbegehungen anwesend sein darf.

Die Bestimmung, wonach die Arbeiterkammer bei der Betriebsbegehung anwesend sein konnte, halte ich für sinnvoll. Klar, der einzelne Arbeitnehmer ist im Betrieb der schwächere Teil, und darum macht es Sinn, wenn auch Vertreter der Arbeiterkammer, vor allem ausgebildete Experten der Arbeiterkammer, bei derartigen Betriebsbegehungen dabei sind. Aber bitte, meine Damen und Herren, erklären Sie mir, warum, wenn ich der erwähnten Grundphilosophie folge, auch der Vertreter der Wirtschaftskammer dabei sein muss! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Unternehmer werden auch schwer schikaniert!) Da handelt es sich nicht um die Unfähigkeit und das Unvermögen des Betriebs, seine Interessen und seine Rechtsstellung wahrzunehmen, er ist ohnehin in der besseren Situation, Frau Abgeordnete Partik-Pablé. Er ist in der besseren Situation!

Ich denke mir, dass ArbeitnehmerInnenschutz nicht in der Art und Weise betrieben werden sollte, dass Sozialpartnerschutz betrieben wird, und genau das ist es aber. (Abg. Ing. Scheuch: Das ist Gesprächsverweigerung!) Was soll daraus folgen? Die Arbeitsinspektion macht eine Betriebsbegehung zusammen mit der Arbeiterkammer, weil sie offensichtlich – so würde ich einmal sagen, und so spielt es sich in der Regel auch ab – vorher informiert worden ist, dass im Betrieb etwas nicht in Ordnung ist. Und nach dieser neuen Modifikation handeln das dann Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer zusammen mit der Arbeitsinspektion im Betrieb aus. Das ist Sozialpartnerschaft alt und Sozialpartnerschaft alt pur, und das wollen wir nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen einen effektiven Arbeitnehmerschutz, und den können Sie nicht dadurch erreichen, dass Sie jetzt auch noch in einem Kernbereich, nämlich dem Arbeitnehmerschutz, wenn direkt vor Ort irgendwelche Verfehlungen festgestellt werden, die Sozialpartner sich darüber beraten und mitentscheiden lassen, ob die Verfehlung, die der Arbeitsinspektor oder die -inspektorin vielleicht festgestellt hat, tatsächlich auch als solche zu betrachten ist, weil der Betrieb beziehungsweise die Betroffenen mit dieser Entscheidung nicht zurechtkommen.

Das ist ein Schritt zu viel, und es ist auch etwas verräterisch, denn nach Bartenstein soll doch das Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein gemeinsames sein. Das heißt, er misstraut seiner eigenen Philosophie, denn wenn es nur ein Interesse gibt, bräuchte man doch nicht auch noch beide Sozialpartner – verstanden offensichtlich als einander entgegengesetzte Sozialpartner – teilnehmen zu lassen. Ich würde allerdings meinen, er misstraut wahrscheinlich eher der Arbeiterkammer, wenn sie bei einer Begehung dabei ist, und darum muss jetzt eben auch die Wirtschaftskammer bei den Begehungen anwesend sein. (Abg. Ing. Scheuch: Gott sei Dank!)

Im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz neu wurden jetzt unterschiedliche Faktorenbewertungen für Büro- und büroähnliche Arbeitsplätze und solche Arbeitsplätze, die nicht Büros sind, festgeschrieben. Das halte ich für ein Problem vor allem im Zusammenhang damit, dass jetzt neu festgeschrieben wird – und das könnte auch eine positive und sinnvolle Maßnahme sein –, dass 25 Prozent der gesamten Tätigkeiten an geeignete sonstige Fachkräfte abgetreten werden können. Nun findet sich nirgends – auch im neuen Gesetzentwurf nicht – eine erschöpfende Bestimmung, wer eine geeignete sonstige Fachkraft sein könnte. Es werden zwar einige beispielhaft aufgezählt, aber nirgends taxativ.

Die Ärztekammer, die natürlich ihre Interessen in die Begutachtung und auch bis zur Beschlussfassung eingebracht hat, stellt nicht zu Unrecht fest, dass den PsychologInnen, die dazu kommen könnten – und das wäre eine sinnvolle Maßnahme, da stimme ich zu –, in ihrer praktischen Ausbildung derzeit noch jedes Ausbildungserfordernis in Bezug auf Arbeitspsychologie fehlt. Das braucht es aber, meine Damen und Herren! Ich kann nicht die Wünschelrutengänger – gut,


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85. Sitzung / Seite 98

die schließen Sie ohnehin aus – und die Feng-Shui-Berater in den Betrieb einziehen lassen. (Abg. Ing. Scheuch: Gott sei Dank sind Sie nicht dabei!)

Mit dem Begriff "geeignete sonstige Fachkräfte" versucht man zwar, das zu vermeiden, aber das weist nicht taxativ aus, was eine solche "sonstige Eignung" sein kann. Das ist der Punkt! Da wird ein Einfallstor auch für solche Zusatzqualifikationen geöffnet, die sich nicht unbedingt durch wissenschaftliche Ausbildung ausweisen müssen, sondern auch bloß Modeerscheinungen folgen können, und das muss dann nicht unbedingt immer das Beste sein.

Zweiter Teil des Gesetzes, Arbeitsinspektionsgesetz: Ich wiederhole, dass ich ein Gesetz über eine Behörde, die Kontrolltätigkeiten ausübt, in dem verankert wird, dass die Kontrolltätigkeit durch Beratungstätigkeit abgelöst oder zumindest teilweise abgelöst werden soll, für verfehlt halte. Es ist ein systemischer Fehler, wenn eine Behörde Kontrolle und Beratung in einem durchführen soll, denn das kann sich nicht ausgehen und wird auch entsprechende Verwirrungen stiften. Entweder Kontrolle oder Beratung! Es würde sich anbieten, nach bundesdeutschem Vorbild die Beratungstätigkeit jener Einrichtung zu überantworten, die es in der Bundesrepublik Deutschland macht – dort sind es die Berufsgenossenschaften, bei uns heißt das Allgemeine Unfallversicherungsanstalt –, dass also die ausschließlich die Beratungstätigkeit – und dazu wäre sie durch das Gesetz auch befugt – wahrnehmen würde.

In diesem Sinn: Das Gesetz ist ein Schritt in Richtung Bartenstein’scher Philosophie über das Unternehmen und die Interessen von ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern, nämlich dass sie eins seien, aber das sind sie, und gerade diese Reform beweist das, beileibe nicht. (Beifall bei den Grünen.)

14.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

14.35

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Ausführungen des Kollegen Öllinger kann ich nicht folgen: Wahrscheinlich hat er aber relativ wenig mit Betrieben zu tun, mit den arbeitenden Menschen dort, denn sonst würde er hier beim Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz anders handeln. Durch diese Reform des Arbeitnehmerschutzes werden sämtliche Regelungen geändert, die in der Vergangenheit verglichen mit dem konkreten Nutzen für die Arbeitnehmer unverhältnismäßig hohe Kosten für die Betriebe verursacht haben.

Das allgemeine Ziel dieser Reform ist es, die Zahl der Arbeitsunfälle und die Zahl der Berufserkrankungen, der Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen einzudämmen.

Im Arbeitnehmerschutzgesetz soll das starre System der Mindesteinsatzzeiten für Arbeitsmediziner und -sicherheitskräfte durch ein gefahrenangepasstes, differenziertes Drei-Stufen-System ersetzt werden. Es ist nun einmal ein Unterschied, ob es sich nur um Büroarbeitsplätze handelt oder um sonstige Arbeitsplätze oder um Nachtarbeitsplätze. Das ist ein großer Unterschied, und ich finde es recht sinnvoll, dass hier Unterschiede gemacht werden. Die Einsatzzeiten sonstiger Fachexperten, die Kollege Öllinger als zu wenig definiert kritisiert hat – sie sind hier aber genau definiert, es wird angeführt, dass Arbeitspsychologen, Chemiker und Toxikologen eingesetzt werden können, etwa für die Folgeevaluierungen für das Mutterschutzgesetz oder für die Arbeitsstoffevaluierung –, sollen ebenfalls in die neugestaltete Präventionszeit eingerechnet werden, sodass dadurch keine Mehrkosten für die Betriebe entstehen. Damit, Herr Kollege Öllinger, soll auch den neuen Risiken in der Arbeitswelt, wie Stress und psychosozialen Belastungen, in den Betrieben wirksam begegnet werden. Das sind neuartige Dinge, und man muss diesen neuartigen Dingen auch mit neuartigen Methoden entgegenwirken.

Weiters wird nach dem neuen Arbeitsinspektionsgesetz die Arbeitsinspektion im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben und Möglichkeiten verstärkt eine Service- und Dienstleistungseinrichtung für die Betriebe und deren Arbeitnehmer werden. Gleichzeitig soll der Ermessensspielraum der Arbeitsinspektoren, ihre Kontrollen anzukündigen – denn nach geltendem Recht ist das ja


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85. Sitzung / Seite 99

nicht beziehungsweise nur sehr eingeschränkt möglich –, entscheidend aufgewertet werden. Bei geringfügigen Übertretungen soll die geltende Verpflichtung der Arbeitsinspektion, im Wiederholungsfall jedenfalls mit Strafanzeige vorgehen zu müssen, entfallen, und gleichzeitig sollen auch im Sinne eines Vertrauensschutzes die Strafsanktionen für bestimmte geringfügige Übertretungen bei bautechnischen Maßen und dergleichen innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen überhaupt entfallen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dass jetzt auch die Wirtschaftskammer gemeinsam mit der Arbeiterkammer, gemeinsam mit der Arbeitsinspektion Begehungen in den Betrieben durchführen kann, dagegen habe ich nichts, denn sie muss das ja nicht tun, sie kann es. Es ist eine Kann-Bestimmung und keine Muss-Bestimmung, und ich weiß nicht, was man dagegen haben könnte.

Von den vorgesehenen bürokratischen Erleichterungen und Neuregelungen der Unterweisung entsprechend der jeweiligen Gefährdungssituation und der teilweisen Erhöhung der Schlüsselzahlen für die verpflichtende Einrichtung eines Arbeitsschutzausschusses erwartet man sich und erwarte vor allem ich mir eine spürbare finanzielle Entlastung auch für die Arbeitnehmer und für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Was vom Kollegen Öllinger nicht erwähnt worden ist, ist die Neufassung des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes. Dadurch sollen vor allem die seit dem In-Kraft-Treten dieses für österreichische Verhältnisse neuen Gesetzes aufgetretenen Auslegungsfragen und Fehlinterpretationen jetzt einer ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung unterzogen und damit beseitigt werden. Gemeint ist die Qualifikation der Koordinatoren, dass auch der Bauherr die Koordination vornehmen kann, mehrere Koordinatoren nacheinander oder nebeneinander geführt werden können. Auch die Vorgangsweise bei Katastrophenfällen und sonstigen unaufschiebbaren Arbeiten ist gegeben.

Letztendlich sollen aber Privilegien ausländischer Unternehmer hinsichtlich der Strafbarkeit durch diese Änderung des Gesetzes beseitigt werden, damit die österreichischen Unternehmen nicht mehr gegenüber den ausländischen benachteiligt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

14.40

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zum Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz: "Arbeitnehmerschutz" ist der erste Teil des mehrfach zusammengesetzten Wortes, und ich wundere mich jetzt angesichts der leeren Bankreihen schon etwas, denn zwei Parteien beanspruchen, Arbeiterpartei zu sein (in Richtung SPÖ und Freiheitliche weisend)  – die eine hier, die andere hier –, und die in der Mitte nimmt die christliche Soziallehre für sich in Anspruch, sodass ich annehmen muss, dass die Mehrheit der Abgeordneten jetzt wahrscheinlich gerade anderswo als Experten Arbeitsplätze auf ihre Sicherheit überprüfen. Das wäre schön, aber das hier im Saal gezeigte Interesse ist an und für sich nicht rühmlich.

Um dieses Gesetz zu kritisieren, braucht es eigentlich gar nicht viel mehr als der Regierungsvorlage und deren Kommentare. Die Zuhörer auf der Galerie wird vielleicht schon interessieren, dass in diesem Gesetz im Vorblatt definiert ist, was "Arbeitssicherheit" sein soll, was darunter verstanden wird, nämlich – da steht geschrieben –: menschliches Leid und damit verbundene wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten, arbeitsbedingte Erkrankungen zu reduzieren.

Aber unter welchen Bedingungen, unter welchen Prämissen? Was ist das Pendant zu dieser Arbeitssicherheit, welches die Regierung hier genauso auflistet? Es steht nämlich da: Unverzichtbar ist für die Regierung dabei die "weitestgehende Entlastung der Betriebe". Die Regierung will "unverhältnismäßig" große Kosten und Belastungen für die Betriebe vermeiden. – Zitatende.

Das ist schon genehm, nur: Diskutieren wir doch einmal darüber, was im Zusammenhang von Risiko und Erkrankung "unverhältnismäßig" heißt. Ich denke, dass darüber zu wenig gespro


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chen wurde, denn wohin sich der Zeiger dieser Waage wendet, sieht man schon daran, dass selbst aus dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Kritik kommt, die einfach und schlicht heißt: Eine generelle Reduktion der Einsatzzeit von Arbeitsmedizinern für Arbeitnehmer ist grundsätzlich abzulehnen. Aber die Einsatzzeiten jener, die mit Arbeitsschutz beauftragt sind, die dafür zuständig und auch kompetent sind, reduzieren sich um sage und schreibe – im Schnitt jetzt, over all – 60 Prozent.

Also muss man fragen, wie der Zusammenhang zwischen Erkrankung und dadurch entgangener Wirtschaftsleistung und volkswirtschaftlicher Rendite ist, welchen Schaden die Volkswirtschaft selbst nimmt, wenn Leute im Krankenstand sind. Da dürfte die Rechnung nicht ganz aufgehen. Ich brauche jetzt nicht Herrn Professor Rasinger zu zitieren, der über Folgekosten von Grippeschutzimpfungen und was man sich dadurch einspart, philosophiert hat – sicherlich nicht ganz unrichtig. Auch wenn Ihre Leute krank sind, entstehen der Wirtschaft Kosten. Dass angesichts dessen das Primat des Sparens bei der Arbeitssicherheit und im Arbeitnehmerschutz und Ihre wirtschaftliche Belastung in der Weise im Vordergrund stehen, verstehe ich aber dann, wenn man der angeführten Argumentation folgt, nicht mehr. (Beifall bei den Grünen.)

Ganz spannend ist dabei, und das sollten die Zuhörer auch wissen, was denn die Einsatzzeiten sind, die den Betrieben und der Wirtschaft so teuer kommen: für Betriebe mit Büroarbeit oder ähnlicher Arbeit 1,2 Stunden pro Arbeitnehmer und Jahr – das ist nicht sehr viel. Interessant ist nur, dass nach Kilokalorien gerechnet wird, wenn man also im Büro arbeitet 2 100 bis 2 700 Kilokalorien. – Herr Kollege Pumberger, dass Geistesarbeit, Denkarbeit auch Kalorien verbrauchen könnte, scheint Ihnen nicht klar zu sein. (Abg. Dr. Lichtenberger: Er hat keine Erfahrung damit!) Und auch das sind Gefahren: Stress, psychische Belastungen, mentale Belastungen, Mobbing et cetera, p.p. (Beifall bei den Grünen.)

Das kostet den Betrieb gerechnet pro Arbeitnehmer und Arbeitnehmerstunde zwischen 51 und 39 Groschen, was nicht wahnsinnig viel ist. Jetzt sparen Sie aber ein, und jetzt, finde ich, wird es wirklich witzig: Unter den zehn großen Aufgabengebieten der Arbeitsmediziner, die in dieser Zeit kaum seriös zu bewältigen sind, befinden sich eine Reihe von wichtigen Dingen. En gros – vielleicht übertreibe ich jetzt diskret, aber so steht es jedenfalls in den Kritiken vieler kompetenter Stellen – wird hier aufgenommen: Ernährungsberatung, Wellness – und hören Sie! – Massagen, Coaching, Supervision. Das halte ich für einen Witz! Wie wollen Sie denn in 1,2 Stunden Supervision, Coaching, Wellness unterbringen? Also das ist eine Augenauswischerei par excellence, der ich wirklich nicht mehr folgen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ganz interessant ist auch, was in Ihrer Vorlage, im Vorblatt steht – ich zitiere –: "Die im vorliegenden Entwurf vorgesehenen Änderungen stellen zum Teil eine Rücknahme solcher über die EU-Mindestvorschriften hinaus gehender Regelungen dar ..." (Abg. Dr. Lichtenberger: Aha, da haben wir es schon!) Also bitte, was haben Sie gestern hier nicht alles vertreten, dass Mindeststandards natürlich überschritten werden müssten, dass wir sie ohnehin überall um den Faktor xy und mehr überschreiten würden, und dann steht das Gegenteil in Ihren Papieren. (Abg. Dr. Lichtenberger: So schaut es also mit der Verwaltungsreform aus!) Ich empfinde das zumindest als ehrlich, und auch das ist etwas Neues, aber gut ist es nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Es steht dann auch noch drin, dass Meldepflichten teilweise entfallen. In anderen Bereichen reden wir von Dokumentation, Chipkarte, darüber, was wir alles wissen müssen, um richtig handeln zu können, und hier werden Meldepflichten und Dokumentationsmöglichkeiten zurückgenommen. Dokumentation, Evaluierung von Gefahren und so weiter wird auch noch in der Präventionszeit untergebracht. Was bleibt denn da überhaupt noch für den Arbeitnehmer an direkter Betreuung? Ärzte machen doch keine Ferndiagnosen per Computer, sie halten keine Reden und auch keinen Fernunterricht.

Interessant ist auch noch der Entfall von Strafsanktionen für die Verletzung der Aushangpflicht. Ein Betrieb erspart sich etwas, indem er etwas nicht aushängt, und wird dann auch noch von der Bestrafung entlastet. – Also irgendetwas ist da nicht ganz rund. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich bin wirklich kein Wirtschaftsfeind, aber hier sollte doch noch etwas gemacht werden. Wenn man in diese Denkarbeit noch einige Kilokalorien investiert, wird sich vielleicht etwas ändern, vorher anscheinend nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

14.48

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Professor Grünewald, ein guter Arbeitnehmerschutz liegt im Interesse des Betriebes und der Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Ofner. ) Hierin sind wir uns beide einig; was die Maßnahmen, was den Weg dorthin anbelangt, gibt es jedoch einige Differenzen, einige Unterschiede. Ich möchte mich bemühen, das jetzt ein wenig auszuleuchten.

Aus meiner Sicht sprechen die Zahlen an und für sich eine deutliche Sprache. Es war in den letzten Jahren, 1995 bis 2000, ein ständiger Rückgang bei den Arbeitsunfällen zu verzeichnen. Nur einmal, von 1998 auf 1999, hat es einen leichten Anstieg um 3,9 Prozent gegeben, und dieser war unserer Meinung nach mit dem Meldeverhalten der Betriebe im Zuge der Umstellung der Präventivdienste zu begründen, und zwar deswegen, weil einfach viele keinen Krankenstand mehr gemeldet haben, sondern dann eben auf Grund der Beratung einen Unfall.

Aber schon von 1999 auf 2000 gibt es wieder einen Rückgang um 2,2 Prozent zu verzeichnen. Das bedeutet auch: Insgesamt liegt Österreich in ganz Europa bei den Arbeitsunfällen hinter Finnland an der zweitbesten Stelle. Es gibt also eine sehr hohe Qualität, was den Arbeitsschutz in dem Bereich anbelangt.

Nun wollen wir das mit Unterstützung der Arbeitsinspektion entsprechend gewährleisten, und hierbei ist die Tendenz – das steht auch im Gesetz –, stärker in Richtung Beratung statt in Richtung Strafen zu gehen. Was ist die Konsequenz bis jetzt? Es gibt im Vergleich 2000/1999 einen leichten Anstieg der Kontrollen, von 95 400 auf 96 300. Demgegenüber steht ein starker Anstieg der Beratungen von 19 600 auf 25 000.

Was ist der Effekt gewesen? Die Übertretungen haben stagniert, sind in etwa gleich geblieben, die Strafanzeigen sind um 25 Prozent zurückgegangen. Daher: Beratungen sind wesentlich effizienter für den Arbeitnehmerschutz als Kontrollen, insbesondere wenn sie auf Strafen hinauslaufen. Das heißt, es gibt eigentlich eine sehr, sehr positive Entwicklung.

Das nunmehr vorliegende Gesetz versucht, genau diese Intentionen, das heißt, dass einerseits die Arbeitsunfälle zurückgehen und andererseits die Betriebe von Bürokratie und dergleichen mehr entlastet werden, entsprechend zu unterstützen. Und genau diesen Punkt Bürokratieabbau haben Sie beispielsweise angesprochen.

Wenn es bei Verletzung der Aushangpflicht keine Strafe mehr gibt, dann klingt das im ersten Moment so, als müsse man nicht mehr aushängen. Im Gesetz jedoch ist das gekoppelt mit der Verpflichtung, EDV-Maßnahmen in der Weise zu nutzen. In unserer modernen Zeit muss ich doch nicht alles auf das schwarze Brett stecken, wenn ich andere Möglichkeiten habe. – Das ist nur ein Punkt.

Beratung statt Strafe ist ein weiterer Punkt, den Sie, glaube ich, auch angesprochen haben. Der Entfall der Verpflichtung bei geringfügiger Übertretung ist jetzt vorgesehen, im Wiederholungsfall ist aber jetzt jedenfalls eine Strafe auszusprechen – und das waren in der Regel eher Kleinigkeiten.

Im bürokratischen Bereich gibt es also entsprechende Entlastungen, teilweise sind es emotionale Dinge, beispielsweise dass der Arbeitsinspektor, der sich bis jetzt nicht anmelden durfte, das in Zukunft nach seinem Ermessen – wenn es der Amtshandlung nicht schädlich ist und auch den betrieblichen Erfordernissen entspricht – definieren kann. Er kann es ausrichten, kann sei


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ne Maßstäbe festlegen. Das ist keine Einschränkung der Kontrolle, aber in der Praxis hat es immer wieder Fälle gegeben, in denen irgendwelche Unterlagen vorgelegt werden mussten, und da wäre es günstig gewesen, wenn er sich angemeldet hätte, bisher durfte er das aber nicht.

Also: "Beratung statt Strafe" zieht sich hier durch. Das ist sehr positiv, am positivsten ist es natürlich bei den Mindesteinsatzzeiten. Es ist einfach nicht einzusehen, dass ich einen Büroarbeitsplatz genauso behandle – wie das vorher eben der Fall war – wie einen Arbeitsplatz eines Bauarbeiters, der auf dem Gerüst steht – der ist ganz anderen Gefahren ausgesetzt –, wenn ich das arbeitsmedizinisch und sicherheitstechnisch evaluiere.

Daher ist aus unserer Sicht die Differenzierung der wichtigste Beitrag, ohne den Schutz zu verletzen, hier praxisgerecht vorzugehen: 1,2 Stunden für den Bürobereich, 1,5 Stunden für andere Arbeitnehmer und 1,7 Stunden für die Nachtarbeit – im Wesentlichen; es ist eine etwas andere Aufteilung. Aber es wird der Schutz entsprechend gewährleistet.

Ich verstehe schon, dass die Arbeitsmediziner keine Freude haben, auch nicht damit, dass man jetzt 25 Prozent der Präventionszeit selbst gestalten kann, aber trotzdem: Es ist das eine dem Schutz und insgesamt auch der besseren Praxis, der besseren Abwicklung dienende Maßnahme.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich daher zum Schluss sehr herzlich bei unseren Partnern im Bereich der Sozialpartnerschaft, also von der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer, dafür bedanken, dass der Vorschlag jetzt in dieser Form vorliegt. Ich danke aber auch dem Herrn Bundesminister und insbesondere Frau Sektionschefin Dr. Szymanski und ihren Mitarbeitern, ohne deren kooperative Verhandlungsführung die Lösung, wie sie heute vorliegt, nicht zustande gekommen wäre. Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sehe dieses Gesetz als wirklich gelungenen Versuch, einerseits das Ziel, einen Rückgang bei den Arbeitsunfällen auch in Zukunft zu erreichen, ins Auge zu fassen und andererseits die Betriebe in Richtung weniger Bürokratie zu entlasten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

14.53

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Hohes Haus! Arbeitnehmerschutz war schon immer ein wichtiges Anliegen all jener, die sich für die Bedürfnisse und Probleme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzten und auch für deren Rechte kämpfen. Dieser Schutz der arbeitenden Bevölkerung wird, wie schon in den letzten Jahren und Jahrzehnten, auch in Zukunft einen wichtigen Schwerpunkt der Arbeit der Sozialdemokratischen Partei darstellen.

Erfreulicherweise konnte die Zahl der Arbeitsunfälle zwischen 1994 und 1998 um rund 25 Prozent reduziert werden. Dieser Rückgang hat auf der einen Seite viel menschliches Leid erspart, auf der anderen Seite hat sich die österreichische Wirtschaft dadurch jährlich rund 9 Milliarden Schilling erspart. Es kam jedoch im Vorjahr leider erstmals wieder zu einem Zuwachs von rund 4 000 Unfällen. Mit ein Grund dafür ist der Umstand, dass traditionelle Belastungen durch Arbeitsstoffe, nicht ergonomische Haltungen und Sicherheitsmängel in Summe in den letzten Jahren nicht abgenommen haben, so, wie sich die Globalisierung, gesteigerter Wettbewerb, Umstrukturierungen und Rationalisierung insgesamt destabilisierend auf die Arbeitsbedingungen auswirken. Auch Mobbing wird immer mehr zum Problem.

Daraus ergeben sich wachsender Leistungsdruck, Flexibilisierung der Arbeitszeit und Angst um den Arbeitsplatz, was die Gesundheit der arbeitenden Menschen auf neue Weise belastet. Die Folge ist, dass in den letzten Jahren vor allem arbeitsbedingte psychische Belastungen drastisch zunahmen. Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magengeschwüren und Krebs ist die Zunahme an psychischen Erkrankungen besonders alarmierend.


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Zunächst von Seiten der Wirtschaft und der schwarz-blauen Bundesregierung unter dem Titel "Durchforstung des Arbeitnehmerschutzrechts" aufgestellte Drohungen, welche die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer akut gefährdet hätten, konnten abgewendet werden.

Vor allem aber gelang es, wichtige Forderungen der Arbeitnehmerseite in den Kompromiss aufzunehmen. Es ist dies ein Kompromiss, der vor allem zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt wurde und der erneut ein Beweis dafür ist, dass die von dieser Bundesregierung schon so oft zu Grabe getragene Sozialpartnerschaft lebt und Lösungskompetenz besitzt. Vor allem deshalb wird dieses heute zu beschließende Gesetz von uns mitgetragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Unerfreulich ist jedoch die geplante Zusammenlegung der Unfall- mit der Krankenversicherung. Damit demontiert man die Unfallversicherung, und die Verunfallten sollen nach der unsozialen Unfallrentenbesteuerung nun zum zweiten Mal die Zeche zahlen. Es folgen somit weitere schwere Belastungen für die Schwächeren. Die Wählerinnen und Wähler haben die vielen unsozialen Maßnahmen, welche diese Bundesregierung bisher schon eingeführt hat, sicher nicht erwartet und auch nicht verdient.

Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ, sollten sich wieder zu den Menschen bewegen und sich deren Sorgen anhören. Das Drüberfahren und Belasten versteht die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher nicht, und das muss ein baldiges Ende haben. Deshalb: Wählen  – statt die Fleißigen, die Tüchtigen, die Unfallrentner und die Pensionisten weiterhin mit unsozialer Belastungspolitik zu quälen! (Beifall bei der SPÖ.)

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

14.57

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Um meine Ausführungen vielleicht doch um 15 Uhr beenden zu können, fasse ich mich kurz.

Ich bedanke mich bei den Sozialpartnern, ich bedanke mich auch bei jenen drei Parteien, die dieser Vorlage ihre Zustimmung geben werden, weil ich das für ein ermutigendes Signal der Zusammenarbeit und des Konsenses in diesem Land in einer wichtigen Frage halte.

Wenn ich vor der Wahl stehe: volles Haus, aber nur eine Zwei-Parteien-Einigung, oder: eher leeres Haus und eine derartige Konsenslösung, dann ist mir Letzteres lieber.

In diesem Sinne auch Dank an die sozialdemokratische Fraktion für die Kooperation als Opposition, wenngleich ich nur der guten Ordnung halber auch sage: Diese statistisch bedingte Erhöhung der Zahl der Arbeitsunfälle ist im Jahr 1999 passiert, nicht im Jahr 2000, war aber, wie gesagt, rein statistisch bedingt, nicht tatsächlich. Über die Jahre gerechnet, ist sie um ein Viertel zurückgegangen.

Ich halte klar fest: Das primäre Ziel dieser Reform ist, die Sicherheit der Arbeitsplätze und die Sicherheit der Arbeitnehmer in diesem Lande zu erhöhen. Wenn es möglich ist, Bürokratie und obrigkeitsstaatliches Denken nebenher abzubauen, so ist uns allen das recht. Wir brauchen keine Amtskappeln, sondern wir brauchen Beratung in diesem Lande und ganz zum Schluss auch, wenn es nicht anders geht, die Strafe. Das muss im Endeffekt auch sein.

Die Unvereinbarkeit, Herr Abgeordneter Öllinger, sehe ich nicht. Denken Sie an die Polizei, deinen Freund und Helfer, im Falle des Falles straft auch sie.

Ihre Argumentation hat den Eindruck erweckt, dass Sie eigentlich auch zustimmen wollen, weil Sie wissen, dass das eine gute Sache ist, aber Sie dürfen nicht, damit es noch das Nein einer Oppositionspartei gibt. Aber sei’s drum, das ist akzeptiert.


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Nicht akzeptieren kann ich die Argumentation des sehr geehrten Herrn Abgeordneten Grünewald. Ich darf schon darauf verweisen, wenn er sich lustig macht über die ... (Bundesminister Dr. Strasser stellt den Sessel von Bundesminister Dr. Bartenstein etwas zur Seite, damit dieser mehr Platz zum Stehen hat!) Jetzt wird mir mein Sessel von einem Kollegen weggenommen – so schnell geht das in der Politik. (Heiterkeit. – Bundesminister Dr. Strasser: Ich habe ihn nur da hergestellt!)

Meine Damen und Herren! Die 2 100 bis 2 700 Kalorien für einen Büroarbeitsplatz sind nämlich nicht meine Erfindung. Auch nicht jene der Sektionschefin Szymanski und ihres Teams – herzlichen Dank auch an sie. Herr Kollege Grünewald, das kommt von einem Kollegen von Ihnen, und zwar aus den "Arbeitsmedizinischen Berufskundeunterlagen" aus dem Jahr 1992; die Autoren sind Scholz und Wittgens. Ich bitte, sich gegebenenfalls mit diesen beiden Herren oder auch Damen auseinander zu setzen – ihr Geschlecht ist mir nicht bekannt.

Wirtschaftsfeind mögen Sie keiner sein, ein bisschen Wirtschaftsfremde kann ich Ihnen allemal attestieren.

Österreich liegt in Europa an zweiter Stelle in Sachen Arbeitnehmerschutz, die Finnen sind noch ein kleines Stück besser. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Lassen Sie uns gemeinsam mit dieser Novelle und deren Umsetzung daran arbeiten, dass wir die Nummer Eins in Sachen Arbeitnehmerschutz werden. Das ist es nämlich, was wir gemeinsam oder fast gemeinsam wollen, wenn ich die grüne Fraktion hier wegrechne. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 8.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2781/AB

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 2781/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Haidlmayr, die Debatte zu eröffnen. – Bitte.

15.01

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Strasser, ich habe von Ihnen am 8. November 2001 diese Anfragebeantwortung erhalten und finde in diesen Dokumenten genau das, was ich seit Jahren, zumindest seit eineinhalb Jahren, an Sie predige, wieder. Das heißt, Herr Minister, Sie haben eineinhalb Jahre lang versucht, jenen Männern, die Zivildienst machen wollen, etwas vorzumachen. Die Dokumentation hier zeigt genau jenes Ergebnis, das ich Ihnen seit den letzten beiden Novellierungen des Zivildienstgesetzes vorgeworfen habe, wie sich heute bestätigt, mit Recht vorgeworfen habe. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Wenn ich mir nur das Zahlenmaterial anschaue, das Sie mir haben zukommen lassen – Sie wissen, dass ich immer sehr ausführliche Statistiken führe; das habe ich Ihnen schon mehrmals bewiesen –, und diese Daten mit Ihren Ergebnissen der Zuweisungen im Juni vergleiche, dann sehe ich ganz deutlich, wohin sich die Schieflage entwickelt hat. Ich sehe, dass Sie, Herr Minister – das ist ganz deutlich daraus ersichtlich –, bei der Zuweisung zum Zivil


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dienst nicht nur Ihre Liebkinder hatten, sondern nach wie vor haben, dass sich dieses "Liebesverhältnis" nicht abgeschwächt, sondern noch mehr verstärkt hat. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Minister! Sie wissen ganz genau, dass es Ihnen mit der letzten Zivildienstgesetz-Novelle, hinsichtlich derer Sie gesagt haben, Sie wollen den Zivildienst an Kopf und Gliedern reformieren, gelungen ist, den Zivildienst an Kopf und Gliedern zu ruinieren.

Über die Ergebnisse in Österreich, darüber, wie die Situation der Zivildiener ausschaut, Herr Minister, müssen Sie sich auch einmal erkundigen. Das dürfen Sie nicht nur mir überlassen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Ich fühle mich selbstverständlich verantwortlich für alle Zivildiener in Österreich, und Sie, Herr Minister, Sie wären verantwortlich, nehmen aber Ihre Verantwortung nicht wahr. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Die so genannte angemessene Verpflegung ist nur ein Beispiel dafür, dass Sie die Verantwortung gegenüber Zivildienstleistenden nicht wahrnehmen, denn sonst müsste gerade von Ihrer Seite schon lange ein Aufschrei gekommen sein. Auch Sie müssen nämlich wissen – ich nehme an, Sie haben zum Beispiel zu Landesrat Aichinger in Oberösterreich bessere Kontakte als ich –, dass etwa in Oberösterreich, das nur stellvertretend für alle neun Bundesländer steht, Zivildiener mit 39 S pro Tag an Essensgeld heimgeschickt werden! (Abg. Öllinger: Das ist unglaublich! – Abg. Großruck: Wohin werden sie geschickt? Heim?)

Herr Minister! Die Zivildiener werden deshalb mit 39 S – teilweise bekommen sie auch 80 S – heimgeschickt, weil die Organisationen nicht in der Lage sind, um 80 S dreimal am Tag eine warme Mahlzeit anzubieten. Deshalb drücken sie den Zivildienern ein wenig Geld in die Hand, und die sollen dann in der Lage sein, sich mit diesem Geld zu ernähren. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Ich habe Ihnen im Zuge der Diskussion über die vorige Zivildienstgesetz-Novelle auch gesagt, dass ich es unverantwortlich von Ihnen finde, den Zivildienst mehr oder weniger zur Gänze zu privatisieren und sich von Ihrer Verantwortung als jener Minister, der für die Zivildiener zuständig ist, freizukaufen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Wer hat denn 20 000 Zivildiener hinterlassen? Wer hat denn einen Überhang von 20 000 hinterlassen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Grünen.)

Herr Minister! Sie sind es, der nicht nur dafür verantwortlich ist, dass Zivildienstbescheide ausgestellt werden, sondern Sie sind es auch, der dafür verantwortlich ist, dass die Zuweisungen an die Einrichtungen so funktionieren, dass alle Einrichtungen dieselbe Zahl oder denselben Prozentsatz an Zuweisungen zur Bedarfsmeldung bekommen. Daran hat man sich natürlich nicht gehalten, und es gibt nachweislich Organisationen, die bevorzugt behandelt worden sind. – So weit, so schlecht.

Herr Minister! Das, was Sie aber jetzt vorhaben, gipfelt wirklich in einer Ungeheuerlichkeit. Sie haben in der vorigen Zivildienstgesetz-Novelle, und zwar im § 54a, die Verabschiedung von Ihrer Verantwortung für die Zivildiener mehr oder weniger festschreiben lassen. Sie haben festschreiben lassen, dass nicht mehr Sie, sondern ein Unternehmen für die Zuweisung der Zivildiener zuständig sein soll. Das, Herr Minister, ist fahrlässig! (Beifall bei den Grünen.)

Wie Sie Ihre Fahrlässigkeit ausreizen, sieht man ganz deutlich, wenn man nur die Zeitungen der letzten Tage hernimmt. Es kommt ja nicht von ungefähr, Herr Minister, dass Sie jetzt die Zuweisung der Zivildiener an eine der größten Trägerorganisationen, also an jene Organisation, die die meisten Zivildiener pro Jahr lukriert, übergeben wollen. Herr Minister, das ist unvereinbar! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Sie können doch nicht einer Einrichtung, die selbst österreichweit den größten Bedarf an Zivildienern anmeldet, jetzt auch noch dieses Instrument in die Hand geben – nach


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dem Motto: Jetzt könnt ihr euch aussuchen, wen ihr wollt und wie viel ihr wollt, und was noch übrig bleibt, das sollen dann die anderen haben.

Herr Minister! Sie sind verantwortlich für die Zuweisung, Sie haben diese Verantwortung wahrzunehmen, und Sie müssen mit Ihren Geschenken an gewisse Trägerorganisationen aufhören. Es darf nicht passieren, dass die größte Trägerorganisation jetzt plötzlich die Zivildiener zur Gänze in der Hand hat – nicht, weil sie sie an sich gerissen hat, sondern weil Sie die Verantwortung loswerden wollten, egal auf welche Weise.

Herr Minister! Was sagen Sie dazu? Wie nehmen Sie Stellung dazu, dass die größte Organisation für die Zuweisung zuständig sein soll? Ist das für Sie vereinbar? – Ich hoffe nicht! (Abg. Mag. Mühlbachler: Wer ist denn die größte Organisation? Sagen Sie mir das bitte, ich möchte es wissen!) – Darum geht es nicht! (Abg. Schwarzenberger: Ist das das Rote Kreuz? – Abg. Mag. Mühlbachler: Das ist die Volkshilfe! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es geht darum, dass derjenige, der selbst Zivildiener in Anspruch nimmt, nicht die Organisation sein darf, welche die Zivildiener österreichweit zuweist – das liegt in der Verantwortung des Bundes und ausschließlich des Bundes! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Mühlbachler: Wieso schimpfen Sie so?)

Herr Minister! Ich selbst war jahrelang Zivildienstvertreterin einer kleinen Organisation, und wenn ich in meiner Organisation dieses Geschenk von Ihnen bekommen hätte, hätte ich natürlich auch danke gesagt. Ich hätte mir dann nämlich, wenn ich schon für ganz Österreich zuweisen darf, selbst ausgesucht, welche Zivildiener ich mir nehme. Natürlich nehme ich mir nur jene Zivildiener, bei denen ich die wenigsten Kosten habe, deren Wohnort dem Dienstort am nächsten liegt und so weiter. Da gibt es sehr viele Kriterien, wonach Einrichtungen sehr viel Geld einsparen, wenn sie ihre Zivildiener selbst auswählen können. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler.  – Abg. Schwarzenberger: Sie behaupten also, Sie wären eigennützig!)

Wie es in Zukunft aber für Organisationen ausschauen soll, die keine Günstlinge des Herrn Bundesministers sind, das fragen Sie sich nicht! Diese Vereine sind bis heute immer schlechter gestellt worden, und in Zukunft werden sie überhaupt nicht mehr die Möglichkeit haben, sich ihre Zivildiener selbst auszusuchen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Zum Beispiel? Welche Vereine?)

Es kommt noch etwas dazu, was Sie auch vergessen: Wenn ich als Zivildiener heute einen Versetzungsantrag stellen möchte, dann habe ich ihn selbstverständlich an das Ministerium zu richten. Wenn ich in Zukunft diesen Versetzungsantrag stellen möchte, dann muss ich ihn an diese eine Einrichtung richten. Bin ich aber gleichzeitig Zivildiener dieser Einrichtung, dann kann ich mir schon ausrechnen, ob diese Versetzung durchgehen wird oder nicht.

Herr Minister! Sie sind fahrlässig, Sie gehen mit dem Zivildienst wirklich fahrlässig um. Sie wissen, wie notwendig der Zivildienst in Österreich ist. Nehmen Sie das zurück, stellen Sie sich Ihrer Verantwortung und fühlen Sie sich zuständig für die Zivildiener! Nur so, Herr Minister, kann es gelingen, dass die wichtigsten Aufgaben des Zivildienstes noch erfüllt werden. Wenn Sie alles an Privatorganisationen weitergeben, dann ist der Zivildienst kaputt, und dann ist er ganz kaputt. (Beifall bei den Grünen.)

15.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Thema der Besprechung der Anfragebeantwortung hat sich Herr Bundesminister Dr. Strasser zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister. (Abg. Großruck: Frau Haidlmayr, hören Sie zu! Jetzt hören Sie, wie das wirklich ist!)

15.12

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde auch heute Frau Abgeordnete Haidlmayr nicht überzeugen; das ist nicht das erste Mal, sondern, wie ich glaube, schon das dritte oder vierte Mal.


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Ich habe das Amt mit einem "Rucksack" im Bereich der Zivildiener übernommen. Es war nicht nur kein Geld vorhanden, sondern wir hatten eine Warteliste von 17 000 Männern, die den Zivildienst ableisten wollten und die zum Teil in ihrer Lebensplanung massiv beeinträchtigt waren.

Ich habe die Verantwortung übernommen und habe gemeinsam mit den führenden Beamten unseres Hauses, den Zivildienstorganisationen und Zivildienern sowie den Verantwortlichen des Innenausschusses ein neues Konzept und eine völlig neue Grundlage für die Einrichtung des Zivildienstes, der vor 25 Jahren entstanden ist, geschaffen. Jetzt, Ende des Jahres, haben wir fast ein Jahr, über das wir eine Bilanz über diese Neuausrichtung des Zivildienstes in Österreich ziehen können. – Sie haben im Übrigen dieses neue Gesetzeswerk damals scharf kritisiert.

Heute dürfen wir festhalten: Wir haben so viele Zivildiener zuteilen können wie noch nie in der Geschichte des österreichischen Zivildienstes. Wir haben seit dem 1. Jänner 2001 so viele Trägerorganisationen, wie wir sie in der Geschichte des österreichischen Zivildienstes noch nie hatten. Wir haben aber nicht nur so viele Trägerorganisationen wie noch nie, sondern wir haben auch neue Felder erschlossen wie die Jugendarbeit, die Umweltarbeit, und die ersten Zivildiener arbeiten bereits dort.

Wir haben eine Großentrümpelungsaktion in bürokratischer Hinsicht vorgenommen, die allen Beteiligten – den Beamten unseres Hauses, den Zivildienstorganisationen und den Zivildienern – eine wesentliche Vereinfachung organisatorischer Natur gebracht hat. Darüber hinaus haben wir dem Bund und den Zivildiensteinrichtungen noch Geld erspart.

Wir haben eine "Win-Win"-Situation für alle geschaffen – für die Republik, für die Zivildiener und für die Zivildienstorganisationen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war mir aber nicht genug. Es liegt nämlich in der Natur der Sache, dass es, wenn man eine völlige Neuausrichtung macht, da und dort sein kann, dass es Kinderkrankheiten gibt, dass das eine oder andere nicht so funktioniert, wie man es sich vorstellt. Deshalb habe ich den Auftrag gegeben, nach den ersten beiden Zuteilungsterminen – im Februar 2001 und im Juni 2001 – eine Evaluierung unserer Vorgangsweise, eine Überprüfung der Ziele, die wir uns am Beginn des Jahres gesetzt haben, und der Ergebnisse, die wir im ersten Halbjahr zustande gebracht haben, durchzuführen.

Wir haben alle – die Organisationen, die Zivildiener, die Beamten aus unserem Haus und die Länder, die damit befasst sind – an einen Runden Tisch geladen. Das Ergebnis war eine aufrichtige Gratulation an die Beamten des Hauses im Zusammenhang mit der Funktionsweise und der Arbeit nach dem neuen Zivildienstgesetz – es gibt einige kleine Punkte, die durchaus aufgenommen wurden und bei einer etwaigen Novellierung des Zivildienstgesetzes diskutiert werden sollten –, nur Frau Abgeordnete Haidlmayr konnten weder ich noch die Zivildienstorganisationen, noch die Länder davon überzeugen, dass wir einen guten neuen Boden gelegt haben. (Abg. Öllinger: Das spricht für die Frau Haidlmayr! – Abg. Schwarzenberger: Das spricht für die Blindheit!)

Das, was mich aber besonders unangenehm berührt – ich möchte das hier nicht verschweigen –, ist, dass eine Organisation als "Liebkind" und als "Günstling" bezeichnet wird. Sie machen das, ich muss das einfach so sagen, im Schutz der parlamentarischen Immunität. Daher muss sich die Organisation, mit der Frau Abgeordnete Haidlmayr das Rote Kreuz Österreichs meint, hier vor diesem Nationalrat sagen lassen, sie sei ein Liebkind oder ein Günstling des Ministers. (Abg. Haidlmayr  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Das ist hier belegt! Damit belegt!)

Ich möchte Sie wirklich inständig bitten, Frau Abgeordnete, dass Sie diesen großen Vorwurf an eine der wichtigsten Blaulicht-Organisationen, die wir im Land haben, entweder dokumentieren oder zurücknehmen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haidlmayr  – neuerlich ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Hier ist es belegt, Herr Minister! Hier habe ich einen Beleg dafür!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wir werden selbstverständlich und mit großer Festigkeit und gemeinsam mit den Ländern, mit den Organisationen unseren begonnenen Weg fortsetzen. Wir wollen eine weitere Professionalisierung der Zivildienstorganisation – das haben wir eingeleitet und werden wir umsetzen.

Wir werden uns auch sehr genau anschauen müssen, was alles im Bereich des Auslandszivildienstes passiert. Ich möchte nicht zuschauen, wenn wir vom Bund Jahr für Jahr mehr Geld für die so genannten Auslandszivildiener zur Verfügung stellen, aber gleichzeitig jene jungen Männer, die im Ausland oft unter schwierigen Bedingungen ihre Arbeit tun, dieses Geld nicht bekommen. Wir müssen davon ausgehen – ich darf Ihnen hier die Zahlen nennen –, dass wir 1999 12,9 Millionen Schilling, im Jahre 2000 14,2 Millionen Schilling, im Jahre 2001 rund 16 Millionen Schilling und im Jahre 2002 rund 19 Millionen Schilling für den Auslandszivildienst vorgesehen haben beziehungsweise vorsehen.

Ich sehe nicht ein, dass der Bund seine finanziellen Aufwendungen zum Teil gewaltig steigert, von 1998 bis zum Jahr 2002 verdreifacht, junge Männer, die im Ausland ihren Dienst tun, das Geld, das ihnen zusteht, aber nicht bekommen. Hier gibt es Unklarheiten. Ich habe daher Auftrag gegeben, dass das genau untersucht wird, weil ich nicht mit anschauen will und kann, dass junge Männer, die ihre Arbeit tun, Geld, das ihnen zusteht, nicht bekommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Debatte ein. Jede Fraktion hat das Recht, zum Gegenstand Stellung zu nehmen. Die Redezeit beträgt jeweils 5 Minuten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

15.19

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Diese Debatte bietet die Möglichkeit, ein wenig über die Ehrlichkeit in der Politik zu reden (Abg. Mag. Mühlbachler: Parnigoni, weißt du, wohin das Geld kommt?), nämlich unter dem Motto: Versprochen und gehalten, beziehungsweise: Wie schaut die tatsächliche Politik des Herrn Strasser in dieser Frage aus?

Ich erinnere daran, dass im Rahmen der Novellierung des Zivildienstgesetzes populistisch geäußert wurde: 8 Monate Zivildienst sind genug. – Dann kam ein kurzer Rülpser der FPÖ, vorbei ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Abgeordneter! Wir rülpsen nicht! Die FPÖ rülpst nicht!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, so geht es nicht!

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Also: eine sehr deutliche Meinungsäußerung der FPÖ – und der Herr Minister hat seine Idee begraben.

Dann kam die Forderung: Die Zollwache muss ins Bundesministerium für Inneres. – Bis heute ist nichts geschehen.

Der Herr Minister hat eine Erhöhung der Aufenthaltsquote verlangt. – Bis heute hat er sich damit nicht durchgesetzt. (Abg. Mag. Mühlbachler: Reden wir jetzt vom Zivildienst?)

Eine Art Gedenkdienstgesetz ist für Mitte 2001 zugesagt worden. – Bis heute ist das nicht umgesetzt worden. (Abg. Mag. Mühlbachler: Du hast die falsche Rede!) Mehr Exekutive auf der Straße ist zugesagt worden. – Ganz im Gegenteil: Für den Zeitraum 2000 bis 2002 werden mehr als 800 Gendarmeriebeamtinnen und -beamte weniger für die Sicherheit im Lande zur Verfügung stehen. (Zwischenruf des Abg. Ellmauer.  – Abg. Wattaul: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren! Faktum ist: Es ist eine extreme Verschlechterung der Situation der Zivildiener – und damit bin ich beim Thema – herbeigeführt worden. (Abg. Mag. Mühlbachler: Da haben wir gerade etwas anderes gehört!) Dafür sind in Wirklichkeit Sie der Hauptverantwortliche, Herr Bundesminister! Das kann alles gar nicht wahr sein, was Sie gesagt haben. Wie


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kommen sonst 200 Zivildiener dazu, gegen die Gesetzesnovelle beim Verfassungsgerichtshof zu klagen, und zwar deshalb, weil in Wirklichkeit die Ausbildung für die Zivildiener gestrichen worden ist? (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Diese Zivildiener klagen auch, weil Sie Ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllen im Hinblick darauf, dass die Wahl der Vertrauensmänner der Zivildiener entsprechend durchgeführt werden kann und sie ihre Aufgaben erfüllen können. Tatsächlich wurde den Zivildienern ihre Aufwandsentschädigung massiv gekürzt. 48 Prozent hat man ihnen weggenommen, mit läppischen 43 S Verpflegungsgeld wurden sie abgespeist. Das ist keine "Win-win"-Situation, sondern das ist eine "Loser"-Situation für die Zivildiener. Das ist Faktum, das ist die Realität! (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Festzuhalten ist auch, da Sie sagen, Sie haben einen "Rucksack" von 17 000 Zivildienern übernommen, dass es derzeit immer noch 14 000 zuweisbare Zivildiener gibt. (Abg. Schwarzenberger: Das sind weniger als 17 000!)  – Okay. (Abg. Schwarzenberger: Einem und Schlögl haben jedes Jahr mehr gehabt!) Ich will ganz klar darauf hinaus, dass man da natürlich etwas tun kann. Aber wenn man eine Novelle macht, in der man unterschiedlich hohe Subventionen gewährt, nämlich 6 000 S für bestimmte Bereiche, 3 000 S für andere, und es noch Organisationen gibt, die 3 000 S an Strafgeld bezahlen müssen, damit sie einen Zivildiener bekommen, dann engt man natürlich ein. Dann kann man diesen "Rucksack" nicht entsprechend abbauen, den übrigens die ÖVP voll mitzuverantworten hat – für den Fall, dass sie da etwas zu kritisieren hat. (Abg. Kößl: Den Innenminister haben wir noch nie gestellt! – Abg. Großruck: Den Schlögl hat er schon vergessen! Den gibt es nicht mehr! – Ruf bei der ÖVP: Wer war Schlögl?)

Meine Damen und Herren! Das ist vielleicht auch eine Anregung, darüber nachzudenken, inwieweit man hier eine andere Vorgangsweise wählen könnte. Die Motivation wird nur dann funktionieren, wenn es entsprechend mehr Geld gibt und wenn man den Trägerorganisationen, die jetzt etwa Strafgeld bezahlen müssen, ganz einfach auch die Möglichkeit gibt, mehr Zivildiener aufzunehmen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. )

Meine Damen und Herren! Zur Frage der Bevorzugung des Roten Kreuzes: Da hat sich ja der Streit zwischen dem Herrn Minister, der da sehr emotional war, und der Kollegin Haidlmayr entwickelt. Herr Minister! Sie sind ja ein Manager, sagen Sie immer. Wenn Sie als Manager eine Firma damit beauftragen, eine Ausschreibung für ein Produkt vorzunehmen, dann werden Sie nicht jene Firma damit beauftragen, die sich zugleich auch um die Lieferung des Produktes bewirbt. Das ist nämlich ein Ausschließungsgrund. Das ist unvereinbar. Das ist eine Bevorteilung. Das ist nicht möglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eine ganz klare Angelegenheit, dass jemand, der den größten Nutzen aus dieser Angelegenheit zieht, natürlich nicht zugleich mehr oder weniger bei der Ausschreibungsgestaltung dabei sein kann. In diesem Fall heißt das, dass derjenige, der den Nutzen daraus zieht – da muss man schon sehr genau darauf achten –, nicht unbedingt auch die Zivildienstverwaltung innehaben kann.

Ich bin dafür, dass das Rote Kreuz und alle anderen Trägerorganisationen genügend Zivildiener bekommen. Aber das sollte fair vor sich gehen. Herr Bundesminister! Sie waren selber Zivildiener. Strengen Sie sich an und verändern Sie die Situation! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte. (Abg. Mag. Mühlbachler: Was hat der Parnigoni gegen das Rote Kreuz?)

15.25

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Haidlmayr, Sie haben hier gesagt, dass Sie die Verantwortung für die Zivildiener tragen. Ich teile diese Verantwortung mit Ihnen, Frau Abgeord


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nete Haidlmayr, weil ich weiß, dass die Zivildiener aus vielen karitativen Bereichen nicht wegzudenken sind und hervorragende Leistungen erbringen.

Nur: Man muss die Kirche im Dorf lassen, auch wenn man den Innenminister am liebsten in der Luft zerreißen möchte, wie Sie das gerne tun. Man muss anerkennen, dass jetzt vieles geschehen ist im Hinblick darauf, was in der Vergangenheit schlecht gelaufen ist. Wir haben heute gehört, dass es 17 000 von diesen so genannten Rucksackfällen gegeben hat, also von Zivildienern, die gerne eingeteilt hätten werden wollen, aber keinen Platz bekommen haben. Jetzt sind es nur noch 14 000.

Herr Abgeordneter Parnigoni! Sie haben gesagt: noch immer 14 000. – Da muss ich Ihnen schon Folgendes entgegnen: Auch was die Zivildiener betrifft, hat sich wieder herausgestellt, dass Sie von der SPÖ während Ihrer Regierungszeit Murks gebaut haben, und diese Koalitionsregierung soll nun in eineinhalb Jahren alles wieder gutmachen. Das geht ganz einfach nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es waren noch nie so viele Zivildiener zugeteilt. Es gibt einen Auslastungsgrad von 96,3 Prozent. Es gibt praktisch keine Einrichtungen mehr, die noch Zivildiener brauchen. Man kann den Einrichtungen ja nicht Zivildiener aufdrängen, denn diese haben auch ihre finanziellen Konzepte und Budgets. Dieser Vorwurf ist ganz einfach lächerlich!

Frau Abgeordnete Haidlmayr! Teilweise war Ihre Darstellung auch falsch. Sie werfen dem Minister vor, dass er den Zivildienst ruiniert. Wie bei dieser Auslastung von 96,3 Prozent, wenn die Einrichtungen zufrieden sind, weil sie alle benötigten Zivildiener zugeteilt erhalten haben, der Zivildienst ruiniert sein kann, also das müssen Sie wirklich einmal erklären. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Teilweise machen Sie auch völlig falsche Vorhalte, denn Sie haben gesagt: In Zukunft wird bei der Zuteilung der Zivildiener nicht mehr der Wunsch der Einrichtungen maßgebend sein; das heißt, die Einrichtungen können sich nicht mehr aussuchen, welche Zivildiener sie haben wollen. – Das stimmt ganz einfach nicht! Im Gesetz steht: Es ist auf die Bedürfnisse und auf die Wünsche der Einrichtungen Rücksicht zu nehmen. Und wie ich die Vergabepraxis und auch das Vorgehen des Ministeriums kenne, wird es dort niemanden geben, der sagt: Ihr bekommt diesen Zivildiener nicht, obwohl ihr ihn gerne haben wollt. – Ganz im Gegenteil! Man wird die Wünsche der Einrichtungen auch berücksichtigen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )  – Herr Abgeordneter Öllinger, ich habe nur fünf Minuten Redezeit!

Eines möchte ich noch sagen. Herr Minister! Ich glaube, da muss man sich wirklich etwas überlegen. Wir haben schon bei der Novelle zum Zivildienstgesetz darauf hingewiesen – und Sie haben das auch bedauert –, dass es verschiedene Klassen des Zivildienstgeldes gibt. Das heißt, manche Einrichtungen wie die Rettung und so weiter bekommen 6 000 S für einen Zivildiener, Behindertenorganisationen, Altenbetreuung und so weiter erhalten nur 3 000 S refundiert. Das ist ganz einfach eine riesige Ungerechtigkeit und eine sehr große Härte, Herr Minister. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja!) Da würde ich Sie wirklich bitten, dass Sie sich überlegen – ich weiß schon, das ist auch budgetär zu überlegen –, das Zivildienstgeld zu vereinheitlichen.

Ich habe damals bei der Novelle zum Zivildienstgesetz einen Fall zitiert, der mir selber passiert ist. Ich wollte, dass meine behinderte Tochter in den vierten Stock transportiert wird. Ich hatte niemanden dafür, also habe ich Rettungsorganisationen angerufen, und zwar drei. Diese haben 950 S dafür verlangt, dass ein Kind in den vierten Stock hinaufgebracht wird. Das heißt, diese Rettungsorganisationen verdienen Geld, erhalten auch von den Trägerorganisationen, Krankenversicherungen et cetera Vergütungen und bekommen auch noch das höchste Zivildienstgeld, während Behindertenorganisationen, Altenbetreuung, wo Zivildiener wirklich schwere Arbeit leisten, nur 3 000 S bekommen. Diese Einrichtungen sind ohnehin finanziell am Ende. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und den Grünen.)  – Danke vielmals. Das ist sehr nett. Das ist, glaube ich, das erste Mal, dass ich Applaus von den Grünen bekomme. (Abg. Öllinger: Mehr als von Ihrer eigenen Partei! – Abg. Dr. Lichtenberger: Aber die Freiheitlichen haben mitgeklatscht!)


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Herr Minister! Bitte schauen wir uns das gemeinsam an: Vielleicht kann man an anderer Stelle einsparen, sodass man hier in diesem sensiblen Bereich Gerechtigkeit schafft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. Er hat das Wort.

15.30

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Partik-Pablé, es ist natürlich ein Unterschied, ob eine Non-Profit-Organisation einen Zivildiener einsetzt oder ob es eine Organisation ist, die für ihre Leistungen Geld verlangt.

Bezüglich der Ausführungen von Frau Kollegin Haidlmayr und Herrn Kollegen Parnigoni möchte ich sagen, dass ich eigentlich gar nichts anderes erwartet habe, als dass sie eine gute Einrichtung wie den Zivildienst schlecht machen. (Abg. Dr. Hannes Bauer: Sie ist ja von uns erfunden worden, wie können wir sie da schlecht machen?)

Ich möchte an dieser Stelle dem Herrn Innenminister meinen Dank dafür aussprechen, dass er innerhalb kürzester Zeit nach dem Desaster, das er vorgefunden hat, diesen Zivildienst wirklich von Kopf bis Fuß reformiert hat. (Abg. Parnigoni: Desaster?) Es war notwendig – wie so vieles im Innenressort. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Es ist wirklich eine üble Sache, die da von den Grünen gespielt wird; man sollte bei der Wahrheit bleiben! Was wurde im Februar 2000 von Innenminister Strasser vorgefunden? – 17 000 Zivildienstanwärter waren in der Warteschlange, das Geld für 2000 war im Jahre 1999 verbraucht worden, und die jungen Menschen, die eigentlich auf den Zivildienst warteten, hatten keine Möglichkeit, eine Lebensplanung vorzunehmen. Ich glaube, das wurde wirklich wesentlich verändert. (Abg. Dr. Mertel: Wie denn?) Es ist innerhalb eines Jahres gelungen, dass sich um 3 000 Personen weniger in der Warteschlange befinden. Da ist eine gewaltige Leistung vollbracht worden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist eigentlich unverantwortlich, dass man junge Menschen im Regen stehen ließ, obwohl der Rechnungshof seit Jahren darauf aufmerksam machte, dass die Art von Zivildienst, die in der Vergangenheit vollzogen worden ist, nicht finanzierbar ist. (Abg. Öllinger: Warum ist sie nicht finanzierbar?)

Frau Kollegin Haidlmayr! Bundesminister Strasser und seinem Team ist es gelungen, die Situation im Zivildienst in Ordnung zu bringen. Ich sage Ihnen, was mir die Kollegen von der Rettung berichten. Die Dienststellen in meiner Region haben einen ungebremsten Zulauf, die Bezahlung ist in Ordnung, und der Zivildienst ist kein Selbstbedienungsverein mehr für Organisationen, die die Zivildiener überall, nur nicht für den Zivildienst eingesetzt haben. Frau Kollegin! Sie wissen das sehr genau, und das tut natürlich weh. Es werden Zivildiener jetzt wieder dort eingesetzt, wo es erforderlich ist.

Ein Wort zum Auslandszivildienst. Hohes Haus! Auch der Auslandszivildienst ist mit der letzten Zivildienstgesetz-Novelle vernünftig strukturiert worden. Den Vereinen stehen für die Jahre 2001 und 2002 größere Geldmittel zur Verfügung als in der Vergangenheit. Die Trägerorganisation, der Auslandsdienst-Förderverein, hat sich bewährt. Die Leute dort leisten ausgezeichnete Arbeit. Es sei aber an dieser Stelle dafür nicht nur dem Trägerverein gedankt, sondern auch den Zivildienern, die mit ihrem ausgezeichneten Einsatz im Ausland Österreich in die Welt tragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Haidlmayr! Erklären Sie uns bitte, wie es sein kann, dass jene Organisationen, die Zivildiener ins Ausland entsenden, mit den öffentlichen Geldern nicht auskommen! Man muss ordentlich wirtschaften! Auch hier möchte ich Kritik anbringen: Es kann nicht sein, dass verschiedene Trägerorganisationen Zivildiener ins Ausland schicken, das Geld aber von diesen Trägerorganisationen nicht richtig eingesetzt wird.


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Sie von den Grünen kritisieren ein System, von dem Sie hoffentlich wissen, dass es wesentliche Verbesserungen für die Zivildiener gebracht hat. In Wirklichkeit missbrauchen Sie den Zivildienst und die Zivildiener für parteipolitisches Taktieren und für ein parteipolitisches Spielchen. Sie missbrauchen junge Menschen, die in unserem Staat große Verantwortung tragen. Das ist billiger Populismus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

15.35

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst zu meinem Herrn Vorredner: Wenn eine Diskussion über Zivildiener im Hohen Haus mit Missbrauch gleichgesetzt wird, dann beginne ich mich zu fragen, wie man in diesem Hohen Haus Debatten ohne Polemik und ohne polemische Antwort überhaupt noch führen kann. (Abg. Kößl: Sachbezogen, bitte!)

Herr Kollege! Ich würde sagen, Sie haben sich hier schwerstens im Ton vergriffen. Wenn es darum geht, sachbezogen zu debattieren, dann hätten Sie das auch tun können. (Beifall bei den Grünen.)

Vorerst möchte ich den Beamten meinen Dank aussprechen, die diese Anfragebeantwortung entworfen haben. Die Statistiken sind wie immer klar, übersichtlich und gut gegliedert – was man nicht von allen Anfragebeantwortungen, die uns aus diversen Ministerien zugehen, sagen kann, aber diese ist sehr gut erklärt.

Nun zu einigen Punkten, die in der Debatte aufgekommen sind und die dringend ins rechte Licht gerückt werden müssen.

Erstens: Auf Grund der Kritik der Kollegin Haidlmayr, dass eine Organisation, die selber Zivildiener bekommt, die Zuteilung der Zivildiener übernimmt, ist eine Kontroverse entstanden. Ich kann nur unterstreichen, dass das eine Schräglage ist! (Beifall bei den Grünen.) Ich möchte aber eines klar festhalten, und zwar, dass das kein Angriff auf das Rote Kreuz ist! (Abg. Schwarzenberger: Was ist es dann? – Abg. Ellmauer: Sie sind gegen das Rote Kreuz!)

Hören Sie mir bitte zu! Es ist kein Angriff auf das Rote Kreuz – deswegen hat Frau Kollegin Haidlmayr den Namen der Organisation ja gar nicht genannt. Auch jede andere Organisation, die vom Ministerium beauftragt würde, die Zuteilung vorzunehmen, obwohl sie selber auch Zivildiener hat, käme in dieselbe Situation und Schräglage.

Es ist das Modell, das wir hier an den Pranger stellen. Ich halte es für absolut negativ, dass eine Organisation, die selbst Zivildiener bekommt, an die anderen Organisationen, mit denen sie zusammenarbeiten muss und soll – das ist ja auch gut so –, Zivildiener zuteilen soll. Da wird es immer Schwierigkeiten geben. Auch wenn die Organisation sich hundertprozentig korrekt verhält, wird es Probleme, Nachfragen et cetera geben. Das gehört in eine unabhängige Hand, das können nicht die machen, die vom System profitieren.

Herr Minister! Bitte denken Sie noch einmal darüber nach! Hier muss die Systematik verändert werden. (Abg. Zweytick: Nein! Es geht um die Sache!) Damit bringt man Missmut, schlechte Stimmung und ein schlechtes Klima in den gesamten Bereich der Organisationen, die Zivildiener bekommen beziehungsweise haben.

Ich halte das für dringend erforderlich. Das ist eine sachliche Auseinandersetzung über zwei Modelle. Ich weiß nicht, ob es noch gelingt, Sie davon zu überzeugen. Wenn es gelänge, hätten wir einen großen Schritt zur Aufrechterhaltung der guten Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Organisationen, die Zivildiener haben, gemacht. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Herr Minister! Sie haben in den Vordergrund gestellt, wie viel Geld nun eingespart worden sei. Auf wessen Kosten ist Geld eingespart worden? – Wir stellen fest, dass sich mittler


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weile etliche Organisationen auf Grund der unterschiedlichen Entgelte und Sätze unter diesen neuen Verhältnissen gar keine Zivildiener mehr leisten können. (Abg. Zweytick: Das stimmt ja nicht! Es sind ja mehr Organisationen geworden!)

Drittens: Herr Minister! Ich frage mich, nach welchen Kriterien Sie die Evaluierung vorgenommen haben, denn das entscheidet natürlich über das Ergebnis – das wissen wir beide. Wenn es das einzige Ziel der Evaluierung war, möglichst wenige Zivildiener zu haben und möglichst wenig Geld auszugeben (Abg. Zweytick: Mehr Organisationen greifen auf Zivildiener zurück!), kommt man zu einem anderen Ergebnis, als wenn man den Zivildienst als interessantes und wichtiges Moment in der Gesellschaft betrachtet und nach Einsatzkriterien vorgeht.

Viertens: Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrem Redebeitrag gegenüber den Organisationen, die die Auslandszivildienste organisieren, eine schwer wiegende Anschuldigung durchklingen lassen: Sie haben gesagt, Sie fragen sich, wohin das Geld verschwunden ist, weil die Leute es nicht bekommen haben. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Mag. Mühlbachler: Das interessiert uns auch! Wo ist es denn?)

Herr Bundesminister! Wenn diese Anschuldigung so im Raum stehen bleibt, dann werden sich einige sehr engagierte Menschen sehr getroffen fühlen, weil sie wegen eines Falles an den Pranger gestellt werden, der wahrscheinlich eine ganz andere Basis hat, als Sie das dargestellt haben. (Abg. Mag. Mühlbachler: Sie haben nicht zugehört! Es wird der Sache nachgegangen!)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist beendet!

(Beifall bei den Grünen für die das Rednerpult verlassende Abg. Dr. Lichtenberger. )

Weitere Wortmeldungen dazu gibt es nicht; daher schließe ich die Debatte.

Es wurden keine Anträge gestellt, daher gibt es auch keine Abstimmung.

Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kehren wieder zur Tagesordnung zurück und setzen bei Punkt 8 dieser Tagesordnung fort.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

15.42

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! "Mehr Service und weniger Bürokratie" soll in Zukunft auch der Auftrag für die Arbeitsinspektorate sein. Den Begriff "Service" verbindet man mit Zusammenarbeit, und ich verstehe eines nicht: Herr Kollege Dobnigg ist nicht hier ... (Rufe bei der SPÖ: Oja!) Ah, er sitzt am falschen Platz. Ich verstehe nicht, dass einerseits die Sozialpartner dem Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz zustimmen und andererseits, wahrscheinlich weil der 5. Dezember nicht mehr weit ist, hier im Haus schon die roten Teuferln an die Wand gemalt werden.

Ich kann es mir nur dadurch erklären, dass Herr Kollege Dobnigg, der ein Multifunktionär ist, Angst hat, dass sein Einflussbereich etwas geschmälert wird, wenn auch die Dienstgebervertreter bei der Durchführung des Arbeitnehmerschutz-Reformgesetzes mitwirken können.

In diesem Zusammenhang auch ein Wort an Herrn Kollegen Öllinger: Ich schätze in seinen Reden manche seiner Darstellungen und auch die soziale Einstellung, die er bisweilen zu erkennen gibt. Aber eines verstehe ich nicht, und zwar, dass man beim Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz eine Polarisierungshaltung einnimmt und dass er dagegen ist, dass hier die Dienstneh


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mervertreter mitwirken sollen. (Abg. Öllinger: Es heißt Arbeitnehmer schutz und nicht Arbeitgeber schutz!)

Ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel, nämlich das Arbeitsmarktservice. Dort war es früher ganz ähnlich: Das alte Arbeitsamt stand im absoluten Einflussbereich der linken Reichshälfte, und das hat ihm nicht gut getan. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Deswegen wurde das Arbeitsmarktservice geschaffen. Seit es das Arbeitsmarktservice gibt – und es wird unter Herrn Bundesminister Bartenstein weiterentwickelt –, kann ganz anders und mit mehr Vertrauen gearbeitet werden. Zu den Betrieben und zu den Dienstnehmern, den Kunden, wird ein Vertrauensverhältnis hergestellt, und die Arbeit der Bediensteten des Arbeitsmarktservice ist eine ganz andere geworden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dobnigg, Dr. Hannes Bauer und Leikam.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich meine, dass die Regierungsvorlage des Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Bauarbeitenkoordinationsgesetz geändert werden, sowohl für Dienstnehmer als auch für Dienstgeber Vorteile bringt. Es ist ein Kompromiss, der auch mit den Sozialpartnern ausgehandelt wurde – das wurde schon erwähnt, und das ist gut so.

Dieses Gesetz wird eine Regelung bringen, die mit Regelungen in anderen EU-Ländern im positiven Sinne vergleichbar ist und uns auf dem Gebiet der modernen und einfacheren Verwaltung wieder ein Stück weiterbringt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Arbeitssicherheit ist ein hohes Gut, mit dem man nicht spaßen soll. Mit Arbeitssicherheit können auch wirtschaftliche Nachteile für Betriebe und somit auch für die Dienstnehmer – immer für beide in gleichem Maße – abgewendet und verhindert werden. Die ständige Weiterentwicklung der Arbeitssicherheit ist daher eines der vorrangigsten sozialpolitischen Ziele dieser österreichischen Bundesregierung.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Sie wollen das nicht wahrhaben, aber es ist so! Sie sind in dieser Hinsicht etwas zurückgeblieben, wir hingegen versuchen, den Weg nach vorne zu gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.  – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Hannes Bauer. )

Mit der Reform des Arbeitnehmerschutzgesetzes auf legistischem Wege wird es eine Regelung geben, die nicht nur den Dienstnehmern konkreten Nutzen bringt, sondern auch die Betriebe von bisher notwendigen, unverhältnismäßig großen bürokratischen Bürden entlastet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist ein wesentliches Ziel, dass – wie schon erwähnt – verstärkt Service- und Dienstleistungseinrichtungen für die Betriebe und ein Vertrauensverhältnis zu den Betrieben geschaffen werden. Herr Bundesminister! Ich würde es begrüßen, wenn die Bezeichnung nicht mehr "Arbeitsinspektorat" lauten würde – denn Begriffe wie "Kontrolle" und "Inspektorat" sind nicht Vertrauen erweckend –, sondern wenn man in Zukunft einen anderen Namen dafür finden könnte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf entspricht dem ILO-Übereinkommen Nr. 81 über die Arbeitsaufsicht in Gewerbe und Handel und steht in vollem Einklang mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft.

Wie schon erwähnt wurde, war in den letzten Jahren ein Rückgang bei den Arbeitsunfällen zu verzeichnen. Die Senkung der Häufigkeit von Arbeitsunfällen muss unser besonderes Ziel sein, und es kann weiterverfolgt werden, wenn – wie vorgesehen – die Fortschritte in der Arbeitsmedizin und der Arbeitspsychologie verstärkt Beachtung finden. Auch ich darf der Sektionschefin Frau Dr. Szymanski und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen recht herzlich für die bisherige Durchführung und Begleitung des Arbeitsinspektionsgesetzes danken und sie ersuchen, für die Wirtschaft und für die Dienstnehmer in diesem Sinne weiterzuarbeiten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.48


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

15.48

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat sich auch zum Ziel gesetzt, Bürokratie abzubauen und damit den Staat schlanker zu machen, denn nur ein schlanker Staat kann auf Veränderungen in der Gesellschaft schnell reagieren, und nur ein schlanker Staat bietet die Gewähr, dass wir ohne neue Schulden neue Chancen für unsere Bürger eröffnen können.

Dies gilt insbesondere auch für die Wirtschaft. Wir waren mit diesem Weg erfolgreich. Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs hat sich laut World Competitivness Report 2001 zum dritten Mal in Folge verbessert. Waren wir 1998 noch auf Platz 22, so liegen wir heuer auf Platz 14 der zwanzig wettbewerbsfähigsten Länder der Welt – ein schöner Erfolg, auf den alle Österreicher, aber auch die Bundesregierung mit Recht stolz sein können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mit dem heute vorliegenden Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz setzen wir diesen erfolgreichen Weg fort. Wesentliches Ziel dieser Vorlage ist, österreichische Betriebe von bürokratischen Hemmnissen zu entlasten, im Bereich des Arbeitnehmerschutzgesetzes vermeidbare Kosten zu vermeiden und die Betriebe so im internationalen Wettbewerb noch wettbewerbsfähiger zu machen, ohne die Sicherheit der Mitarbeiter zu verschlechtern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesem Entwurf liegt eine Einigung der Sozialpartner zugrunde, denen es gelungen ist, in dieser wichtigen, aber doch auch sensiblen Frage zueinander zu finden. Es ist ein starkes, aber auch bedeutsames Zeichen für die Sozialpartner, die sich über alle Parteigrenzen hinweg im Interesse der Wirtschaft, aber auch zum Wohle der Beschäftigten bemüht haben, zueinander zu finden.

Ich stehe nicht an, den Verhandlern zum vorliegenden Ergebnis herzlich zu gratulieren und Ihnen auch ein Wort des Dankes zu sagen.

Die Inhalte der Reform betreffen insbesondere das Arbeitsinspektionsgesetz, indem der Service- und Dienstleistungscharakter des Arbeitsinspektorates weiter verfestigt wird. Der Grundsatz "Beratung statt Strafe", Herr Kollege Öllinger, hat in weiten Bereichen zu einer erfolgreichen Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeitsinspektoren geführt. Die Arbeitsinspektorate werden schon lange nicht mehr als die gefürchteten Strafbehörden, sondern als wichtige Partner der Wirtschaft gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich danke den dort tätigen Beamten, dass sie diesen Wandel mitvollzogen haben. Diese Schwerpunktverlagerung war richtig: Die Arbeitsunfälle sind seit 1995 um 20 Prozent zurückgegangen. Im internationalen Vergleich – der Herr Bundesminister hat es bereits gesagt – liegt Österreich an hervorragender zweiter Stelle.

Wir sehen, Beratung und Information sind effiziente Mittel zur Umsetzung von Sicherheits- und Gesundheitsmaßnahmen. – Ich hätte gerne auch Professor Grünewald und Kollegen Öllinger – er ist nicht mehr da – Folgendes gesagt: Das System von Strafen ist genau das, was Sie im Schulbereich immer wieder kritisieren. Aber im Arbeitnehmerschutzbereich möchten Sie das als erfolgreiche Strategie entwickeln. Sie sehen, wie unglaubwürdig Sie mit Ihrer Argumentation hier sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Über Ihre wirtschaftsfachliche Qualifikation, Herr Professor, kann ich nichts sagen. Der Herr Minister hat da den besseren Überblick, weil er etwas höher sitzt als ich. Er hat es Ihnen bereits dekretiert, dass Sie zwar Verständnis, aber sehr wenig Praxis in der Wirtschaft haben dürften.


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Es ist daher notwendig und richtig, dass wir unnötige Bürokratie abbauen. Aber vor allem ist eines wichtig: Obrigkeitsstaatliches Denken hat in der Beziehung zwischen Arbeitsinspektorat und Betrieb nichts mehr zu suchen.

Der zweite Schwerpunkt betrifft die Neuregelung der Einsatzzeiten von Arbeitsmedizinern und Sicherheitstechnikern, wonach das starre und unflexible System endlich der Vergangenheit angehören und ein gefahrenangepassteres Verhalten der eingeteilten Sicherheitskräfte möglich sein wird.

Das gilt auch für zusätzliche Kräfte, die in den Betrieben Eingang finden werden. Ich mache mich nicht lächerlich über einen Feng-Shui-Berater, der eventuell gemeinsam mit den Mitarbeitern, mit dem Betriebsrat, mit dem Betriebsinhaber zu Verbesserungen beiträgt, sodass sich die Mitarbeiter dann wohler fühlen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Herr Minister Bartenstein hat hier soeben gesagt, er will Österreich auf den ersten Platz, was den Arbeitnehmerschutz anlangt, bringen. Wir werden ihn als Gesetzgeber auf diesem Wege gerne begleiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort. – Bitte.

15.53

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Trinkl, ich kann Ihre Begeisterung nicht ganz teilen (Abg. Steibl: Ein guter Mann, der Josef!), vor allem, wenn Sie nur von Wettbewerbsfähigkeit sprechen und nur die eine Sicht der Dinge darstellen wie Bürokratieabbau und dergleichen mehr.

Ich nehme es vorweg: Gesundheitsförderung bedeutet wohl mehr, als ein Freisein von Krankheiten zu fördern. Ich glaube, da sollten alle, die sich ernsthaft mit dieser Thematik beschäftigen, einer Meinung sein. Letztendlich liegt auch diese WHO-Definition dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das wir bisher hatten, zugrunde.

Ich glaube, es ist auch wichtig, die Geschichte ein bisschen zu durchleuchten. Sie als Vertreter der Wirtschaftskammer wissen ganz genau, dass die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung im Frühjahr 2000 Hauptforderungen zur Reform dieses Gesetzes gestellt haben: Die Verhältnismäßigkeit im Arbeitnehmerschutz müsse gegeben sein, das heißt, Maßnahmen müssten nur dann gesetzt werden, wenn aus Sicht des Arbeitgebers die Kosten akzeptabel sind. Weiters wurden verlangt eine starke Reduktion der Beratungszeiten, insbesondere der Arbeitsmedizin, und eine Kontrolle im Regelfall nur nach Anmeldung durch das Arbeitsinspektorat.

Die Forderungen auf Seiten der Arbeitnehmervertreter hingegen waren: vermehrte und gezieltere Beratung der Betriebe durch Präventivfachkräfte – vor allem hinsichtlich arbeitsbedingter psychischer Belastungen –, die Erhaltung und Effizienz der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat und qualifizierte Gesundheitsförderung in den Betrieben. Vor allem diese qualifizierte Gesundheitsförderung in den Betrieben ist, so denke ich, ein wesentlicher Punkt.

Es ist wirklich eine Freude, dass sich die Sozialpartner zu dieser betrieblichen Gesundheitsförderung bekannt haben. Es ist dies nicht nur ein Gewinn für das Leben, die Gesundheit, das Wohlbefinden des Arbeitnehmers, sondern zeigt auch, dass intelligente, vorausschauende, denkende Betriebe erkannt haben, dass gesunde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch ein wirtschaftlicher Vorteil für die Betriebe sind.

Es ist uns ganz wichtig zu betonen, dass wir zu diesem Gesetzentwurf, der auf diesem Kompromiss der Sozialpartner beruht, stehen, dass wir uns auch dazu bekennen und ihn auch befürworten. Aber ich denke mir, es ist auch wichtig, in diesem Zusammenhang ein paar Punkte aufzuzeigen. Sie wissen, dass wir ein bisschen skeptisch sind, was die Neuregelung der Mindesteinsatzzeiten anlangt. Wir freuen uns natürlich darüber, dass die Zahl der Arbeitsunfälle zurückgegangen ist, dass wir wirklich große Fortschritte in diesen Bereichen gemacht haben, aber wir


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befürchten, dass unter Umständen durch diese Reduktion der Mindesteinsatzzeiten auch wieder Verschlechterungen eintreten können.

Genau aus diesem Grund haben wir es geschafft, eine Ausschussfeststellung einstimmig zu beschließen, nämlich dass wir auch in Zukunft die quantitativen und qualitativen Ziele hinsichtlich Unfallreduktion, hinsichtlich arbeitsmedizinischer Fortschritte überprüfen werden und dass wir dieses Gesetz als ein dynamisches und lebendiges Gesetz in Zukunft dahin gehend überprüfen und notfalls wieder abändern werden.

Ich denke mir, das ist ein wesentlicher Punkt, genauso wie wir jetzt diesen Abänderungen die Zustimmung erteilen, weil wir eben erkennen, dass es notwendig ist, auf die Gegebenheiten einzugehen.

Ein Punkt, der mir sehr wichtig und wesentlich erscheint, ist, dass es in Zukunft möglich ist, Arbeitspsychologinnen und -psychologen beizuziehen. Sie wissen, dass Leistungsdruck, Stress, Mobbing und mitunter auf falsche Arbeitsorganisation zurückführende Rahmenbedingungen ein immer größeres Problem für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden. Mobbing ist heute mehr als ein Schlagwort. Mobbing ist ein tatsächlicher Belastungsfaktor für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. – Daher begrüßen wir diese Maßnahme.

Auch ich möchte mich seitens meiner Fraktion bei Frau Sektionschefin Szymanski und ihrem gesamten Team bedanken. Natürlich möchte ich nicht verhehlen, dass auf das ganze Arbeitsinspektorat mehr Verantwortung zukommt, weil es in Zukunft selbst ermessen muss, wie bei Kontrollen vorgegangen werden soll. Wir haben aber auf Grund der Erfahrungen aus der Vergangenheit ganz großes Vertrauen in das Arbeitsinspektorat.

Ich denke, das Arbeitsinspektorat hat schon lange nicht mehr Straffunktion, sondern höchstens Kontrollfunktion. Und Kontrolle schadet zwischendurch auch nicht.

Meine Damen und Herren! Es ist uns in Verhandlungen zwischen dem Ausschuss und heute gelungen, einen Vier-Parteien-Abänderungsantrag zu formulieren, den ich nun einbringen möchte.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Dr. Mitterlehner, Öllinger, Dr. Pumberger und GenossInnen zur Regierungsvorlage 802 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Bauarbeitenkoordinationsgesetz geändert werden (Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert

1. Im Artikel II wird folgende Ziffer 10a eingefügt

"10a. § 30 Abs. 2 lautet:

(2) Wenn aus betrieblichen Gründen Raucher und Nichtraucher gemeinsam in einem Büroraum oder einem vergleichbaren Arbeitsraum arbeiten müssen, der nur durch Betriebsangehörige genutzt wird, ist das Rauchen am Arbeitsplatz verboten."

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass es gelungen ist, einen Vier-Parteien-Antrag zu formulieren. Sie wissen, dass das eine langjährige Forderung


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der Arbeitsmedizin ist, vor allem im Hinblick auf den Schutz der Nichtraucher am Arbeitsplatz. Vielleicht erscheint es Ihnen eigenartig, dass ich als Raucherin diesen Antrag einbringe, aber ich denke mir, wenn es uns um die Gesundheitsbedürfnisse der arbeitenden Menschen geht, dann müssen wir uns auch zu diesen arbeitsmedizinischen Erkenntnissen bekennen.

Herzlichen Dank für Ihre Zustimmung! Wir als SPÖ-Fraktion geben der gesamten Vorlage inklusive dem Abänderungsantrag unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der von Frau Abgeordneter Silhavy vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Trettenbrein. – Bitte.

16.00

Abgeordneter Harald Trettenbrein (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine erste Wortmeldung im Hohen Haue bezieht sich auf die Änderung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes. Primäres Ziel der Änderung ist, die hohe Zahl der Arbeitsunfälle zu senken und Berufskrankheiten vorzubeugen, da es heute vermehrt zu neuen Berufskrankheiten kommt, wie zum Beispiel Stress, der natürlich auch durch Mobbing hervorgerufen werden kann.

Mit dieser Gesetzesänderung wird ermöglicht, dass in Zukunft Arbeitspsychologinnen, Arbeitspsychologen und andere Experten zum Einsatz kommen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Auch der Ermittlung und Beurteilung von Gefahren für ArbeitnehmerInnen wird im neuen Gesetz dahin gehend Rechnung getragen, dass auf Körperkraft, Alter und Qualifikation besonders Rücksicht genommen werden muss. Ich bin überzeugt, dass diese Regierung in der Arbeitnehmerpolitik auf dem richtigen Weg ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Beispiele dafür sind: die Abfertigung, aber auch das Kindergeld, das im nächsten Jahr bundesweit eingeführt wird. – Meine Damen und Herren! Für mich ist Arbeitnehmerpolitik gleichzeitig auch Familienpolitik. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade in Bezug auf das Kindergeld bin ich als Kärntner Abgeordneter stolz darauf, dass Kärnten unter Landeshauptmann Dr. Jörg Haider die Vorreiterrolle dafür übernommen hat. (Bei-fall und Bravorufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich konnte in meiner beruflichen Laufbahn verschiedenste Arbeits-bereiche kennen lernen. Das reicht von der Kochlehre in Tirol über Saisonarbeit und Selbständigkeit im Gastgewerbe bis hin zu meiner jetzigen Tätigkeit als Arbeiter in der weltweit größten Snowboardfabrik. In diesem Betrieb bin ich seit zehn Jahren als Betriebsrat tätig und täglich, meine Damen und Herren, vor Ort bei meinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als Arbeitnehmervertreter sehe ich meine Aufgabe im Parlament vor allem darin, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich wahrzunehmen.

Geschätzte Damen und Herren! In diesem Sinne möchte ich meine Arbeit hier in diesem Hause zum Wohle aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufnehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Es ist nicht seine erste Rede. (Abg. Haigermoser: Aber auch nicht die letzte!)  – Bitte.


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16.04

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wie wichtig und richtig diese Novelle zum Arbeitneh-merschutz-Reformgesetz ist, hat man am Applaus gesehen, den mein Vorredner erhalten hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist dies aber auch daran zu erkennen, dass dieser Novelle eine Einigung der Sozialpartner vorausgeht, und daher glaube ich, dass das Ziel, das diese Novelle verfolgt, ganz richtig ist, nämlich die Zahl der Arbeitsunfälle weiter zu senken. Es ist gelungen, in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Arbeitsunfälle von 138 000 auf 110 000, also um mehr als 20 Prozent, zu reduzieren. Auch ist es gelungen, die arbeitsbedingten Erkrankungen und die Berufskrankheiten von der Anzahl her zu senken. – Das ist eine ganz gute Tendenz, und dieser Trend muss weiter fortgesetzt werden.

Diese Novelle zielt darauf ab, dass es trotz einer maßvollen Reduktion der Einsatzzeiten bei den Arbeitsmedizinern doch zu einer Verbesserung der Qualität kommt. Wir haben bisher ein "starres und unflexibles System" – so steht es in den Erläuterungen in der Novelle – der so genannten Mindesteinsatzzeiten für Arbeitsmediziner gehabt. Dieses starre System wird jetzt durch ein modernes, durch ein den Gefahren angepasstes Mehrstufensystem ersetzt. Das ist höchste Zeit, das ist auch der Wille fast aller – mit Ausnahme weniger – Mediziner, die direkt davon betroffen sind. Arbeitnehmerschutz soll aber nicht Schutz der Arbeitsmediziner, sondern soll im Interesse der Arbeitnehmer und auch im Interesse der Sicherheit der Arbeitsplätze sein. Es freut mich, dass wir dieses Ziel mit dieser Novelle erreichen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weise auch darauf hin, dass uns die Österreichische Ärztekammer zwar noch schriftlich mitteilen wird, wir mögen doch mehr Zeit für Arbeitsmediziner aufwenden, aber meine Freunde von der Ärztekammer – die Funktionäre nämlich; die Ärzte sind ganz anderer Meinung! – schreiben uns nicht, wie wichtig Arbeitnehmerschutz auch im Hinblick auf das Passivrauchen ist.

Daher haben wir heute diesen Abänderungsantrag, der von allen vier Parteien unterstützt wurde, eingebracht, und er wird auch – davon gehe ich aus – beschlossen werden. Die Initiative "Ärzte gegen Raucherschäden" bestätigt das und hat auch diese Initiative angeregt. Ich bedanke mich für diese Initiative beim Vorsitzenden Primarius Aigner und seinen Stellvertretern Professor Kunze und Professor Neuberger, mit dem ich gestern noch ein Telefonat führte.

Der karzinogene Faktor des Passivrauchens ist unbestritten, und auch die Zahl der chronisch obstruktiven Bronchitis kann gesenkt werden, wenn ein Rauchverbot am Arbeitsplatz eingeführt wird.

Wir haben heute eine moderate Abänderung zu beschließen. Ich freue mich über diesen Schritt zu mehr Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz infolge vermehrten Nichtrauchens, und ich freue mich schon auf die nun folgende Abstimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Du gehst jetzt eine rauchen!)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

16.07

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Als Arbeitnehmerin bin ich natürlich über jede Verbesserung, die den Arbeitnehmerschutz betrifft, sehr froh. Durch die Zusammenarbeit der Sozialpartner ist diese Arbeitnehmerschutzreform zu Stande gekommen.

Als einen Fortschritt sehe ich, dass in Zukunft auch Arbeitspsychologen in die Beratungen mit einbezogen werden können, denn, meine Damen und Herren, die traditionellen Gefahren haben in Summe nicht abgenommen, jedoch nehmen die psychischen Belastungen infolge Leistungsdruck, Stress, Mobbing und so weiter – das wurde schon angeführt – zu. – Daher leiden auch immer mehr Kolleginnen und Kollegen an Depressionen.


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Im Arbeitsinspektionsbericht wird auch festgestellt – das hat schon der Herr Bundesminister angeführt –, dass die Zahl der Arbeitsunfälle 1999 zugenommen hat, obwohl sie im Jahr 2000 wieder ein bisschen abgenommen hat. Deshalb ist meiner Überzeugung nach Vorsorge zur Verhinderung von Arbeitsunfällen aus Sicht der Arbeitgeber auch in finanzieller Hinsicht ein Gewinn.

Wenn man sich die Berichte der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt anschaut, merkt man, dass jeder einzelne Arbeitsunfall im Betrieb durchschnittlich 27 000 S kostet. Ein Fortschritt im Arbeitnehmerschutz wird aber nur möglich sein, wenn der Arbeitgeber auch mehr Ressourcen für die Gesundheitsförderung ermöglicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wichtig ist auch, dass die Belegschaftsvertretung die Aufteilung der Präventionszeiten mitgestalten kann. Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit der Arbeitspsychologen und der Arbeitsmediziner. Es muss verstärkt Aufklärung über die Gefahren am Arbeitsplatz erfolgen. In Informationen müssen diese aufgezeigt und auf sie hingewiesen werden.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, auch darauf zu achten, dass die Mindesteinsatzzeiten wirklich eingehalten werden.

Ich sehe jetzt Herrn Abgeordneten Gaugg nicht, aber er sagte heute als Arbeitnehmervertreter, es wird eine Kraut- und Rübenpolitik gemacht. (Abg. Ing. Scheuch: Wurde! Wurde! Wurde!) Offensichtlich hat er aber noch nicht bemerkt, dass er Mitverursacher dieser Kraut- und Rübenpolitik ist (Beifall bei der SPÖ – Abg. Ing. Scheuch: Wir haben keine Landwirtschaftsdebatte!) und dass diese durch die Belastungen, durch die Maßnahmen, die von Ihnen gesetzt werden, auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Tragen kommt.

Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie die Wählerinnen und Wähler. Die werden Ihnen dann sagen, was sie davon halten. (Beifall bei der SPÖ.)

16.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen mir dazu keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 802 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Silhavy, Dr. Mitterlehner, Öllinger, Dr. Pumberger und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den Zusatzantrag und dann über die noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen lassen.

Es liegt, wie gesagt, dieser Vier-Parteien-Zusatzantrag vor, der sich auf die Einfügung einer neuen Z 10a in Artikel II bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Zusatzantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über alle anderen Bestimmungen des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte auch da alle Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.


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9. Punkt

Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (828 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden (878 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor.

Damit gehen wir sogleich in die Beratungen ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

16.13

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Gleich vorweg, meine Damen und Herren: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden der Erhöhung der Familienbeihilfe selbstverständlich zustimmen, denn jedes Mehr an Förderung für unsere Familien kann man nur positiv bewerten.

Ich bin aber natürlich auch dafür, dass Studierende, die Studienbeihilfe beziehen, auch in den Genuss einer erhöhten Familienbeihilfe kommen, denn interessanterweise werden jene Studierenden ab dem 19. Lebensjahr, deren Eltern sich eine Studentin oder einen Studenten leisten können, 300 S mehr an Familienbeihilfe beziehen, jenen aber, deren Eltern sich das nicht leisten können und die daher Studienbeihilfe beziehen, werden die 300 S angerechnet werden – diese werden also von der Erhöhung der Familienbeihilfe nicht profitieren!

Meine Damen und Herren! Meine Skepsis und meine Kritik an der Familienpolitik dieser Bundesregierung will ich aber nicht verschweigen. (Abg. Dr. Brinek: Natürlich nicht!) Diese Bundesregierung hat vom ersten Augenblick an, seit Amtsantritt, Familienleistungen gekürzt, alle Familien in Österreich massiv belastet und von ihnen bis zur Existenzbedrohung abkassiert.

Familienpolitik ist umfassend zu sehen, und daher haben Sie von der Freiheitlichen Partei und der ÖVP ein breites Feld, eine breite Spielwiese. Davon haben Sie für tiefe Einschnitte und Belastungen auch Gebrauch gemacht. Ich darf nur an die massiven Gebührenerhöhungen erinnern: Passgebühren, Rezeptgebühren, Ambulanzgebühren, erhöhte Behandlungsgebühren, Verteuerung beim Autofahren, Einführung von Studiengebühren, Unfallrentenbesteuerung, Familienzuschläge gekürzt.

Die Härten, meine Damen und Herren, summieren sich – bis zur Existenzbedrohung!

Sie von FPÖ und ÖVP handeln nach dem Motto: Auf der einen Seite nehmen wir den Österreicherinnen und Österreichern, vor allem den Familien, Geld weg, um es auf der anderen Seite, dann allerdings nur tröpferlweise, zurückzugeben und etwas zu verteilen – so auch beim Kinderbetreuungsscheck, jetzt Kinderbetreuungsgeld genannt, das ja von Ihnen seit 1996 propagiert wird. Jetzt soll es angeblich am 1. Jänner 2002 in Kraft treten. (Abg. Mag. Trattner: Nicht "angeblich"!)

Aber das, meine Damen und Herren, ist nicht der richtige Weg zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist auch nicht der richtige Weg, um damit den von Ihnen gewünschten Effekt zu erzielen und Ihre Zielvorstellung umzusetzen, nämlich die Geburtenzahlen zu erhöhen. Auch in den Reihen der ÖVP macht sich bereits Skepsis breit. Der Präsident des Österreichischen Familienbundes Mag. Gumpinger fordert in einer Presseaussendung, Strategien gegen den Tiefstand bei den Geburtenzahlen zu entwickeln, falls das Kinderbetreuungsgeld keine wirkliche Verbesserung der Geburtenrate bringen wird. Also auch er ist Ihren Maßnahmen gegenüber skeptisch!


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Meine Damen und Herren! Wir SozialdemokratInnen und auch viele unabhängige Experten und Expertinnen fordern seit Jahren solche Strategien: Wir fordern mehr Kinderbetreuungseinrichtungen mit hohen Qualitätsstandards hinsichtlich der Ausstattung, hinsichtlich qualifizierten Personals und mit Öffnungszeiten, die sich an den Bedürfnissen der Mütter, der Väter und der Kinder orientieren. Wir fordern arbeitsrechtliche Maßnahmen wie das Recht auf Teilzeit bis zum Schuleintritt des Kindes mit dem Recht auf Rückkehr an den Arbeitsplatz, effiziente Wiedereinstiegshilfen und Qualifizierungsoffensiven für Frauen, einkommensabhängiges Karenzgeld, das auch den Männern, den Vätern ermöglicht, an der Betreuung der Kinder mitzuwirken. – All das haben Sie von ÖVP und FPÖ immer vom Tisch gewischt und einfach ignoriert.

Was haben Sie noch gemacht? Wie haben Sie gehandelt? – Wir messen Sie an den Taten. (Abg. Egghart: Was haben Sie davor gemacht?) Sie haben die Kindergartenmilliarde gestrichen, die Wiedereinstellungsbeihilfe nach der Karenz gestrichen, Sie haben die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik gekürzt, was sich auch wieder auf den Wiedereinstieg auswirkt. Eine massive Schröpfaktion, vor allem bei den Beziehern kleiner Einkommen! All das können Sie im "profil" nachlesen. (Abg. Egghart: Das ist Ihr Hauspostille, Frau Kollegin!) Im letzten "profil" vom 19. November 2001 findet sich diese "Liste der Grausamkeiten".

Selbst Ihnen von ÖVP und FPÖ müsste längst bewusst geworden sein, dass sich durch monetäre Leistungen, durch reine Geldleistungen die Geburtenzahlen nicht erhöhen lassen und dass Sie damit den Müttern und Vätern nicht wirklich helfen. Sie betreiben ausschließlich eine ideologisch motivierte Familienpolitik und nehmen die Realität nicht wahr, nämlich die Vielfalt der Familienformen.

Es ist Ihnen auch die Situation der AlleinerzieherInnen vollkommen gleichgültig, ihre wachsende Zahl, ihre vielfältigen Probleme und ihre schwierige soziale Situation. Sie verschwenden keine Minute, darüber nachzudenken, wie man diesen Müttern, aber natürlich auch den Vätern wirklich helfen könnte, sondern Sie machen es sich einfach: Sie laufen einfach einem Familientyp nach (Abg. Egghart: Es gibt nur eine Familie, Frau Kollegin!)  – lesen Sie die einschlägige Literatur, Sie verstehen nichts davon, lesen Sie nach! (Beifall bei der SPÖ)  –, der längst nicht mehr dominiert. Er kommt vielleicht vereinzelt vor, aber er dominiert nicht mehr. (Abg. Egghart: Es gibt nur eine Familie!)

Sie ignorieren zusätzlich die tatsächlichen Bedürfnisse der Berufstätigen, ja, Sie setzen sogar Maßnahmen, um Frauen aus der Erwerbstätigkeit zu drängen und ihre schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt noch weiter zu verschlechtern. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Egghart. )

Die Familienpolitik von FPÖ und ÖVP ist herzlos! Ihre Familienpolitik für österreichische Familien ist keine Politik für Familien, sondern eine Politik gegen Mütter und gegen Väter. (Beifall bei der SPÖ.)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

16.20

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Gleich zu Beginn meiner Rede möchte ich, Frau Kollegin Mertel, daran erinnern, dass es Ihre Regierung war, die durch die Sparpakete I und II den österreichischen Familien 20 Milliarden Schilling weggenommen hat. Ich betone: 20 Milliarden Schilling! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel  – eine Ausgabe des "profil" in die Höhe haltend –: Hier steht: "Die Liste der Grausamkeiten"!)

Es war Ihre Regierung, die dadurch den Anteil der Familienförderungen am BIP gewaltig gekürzt hat. – Erst seit Antritt dieser Regierung ist der Anteil der Familienförderungen am BIP nachweisbar gestiegen, und er wird in Zukunft durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes und durch die heute zu beschließenden Maßnahmen erneut steigen. Ich bekenne mich dazu, das ist ganz klar!


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85. Sitzung / Seite 123

Meine Damen und Herren! Wir ändern heute das Familienlastenausgleichsgesetz 1967. Es wird die Familienbeihilfe um zirka 100 S oder 7,3 € für jedes Kind ab dem vierten Lebensjahr und im gleichen Ausmaß für erheblich behinderte Kinder erhöht. Die Opposition wird diesem Artikel 1 der Regierungsvorlage zustimmen, und das finde ich schön.

Nicht schön finde ich, dass man dem Artikel 2 der Regierungsvorlage nicht zustimmen wird, der eine kleine Präzisierung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes betrifft. Das finde ich eigentlich schade. Aber Sie haben sich schon wieder in Ihrem Redebeitrag festgefahren, Frau Kollegin Mertel.

Es ist ein Faktum, dass die EU ihre Position zum österreichischen Kinderbetreuungsgeld bereits – und zwar gewaltig! – relativiert und die positiven Auswirkungen des Kinderbetreuungsgeldes auf die zukünftige Konjunktur in Österreich erst gestern wieder ausdrücklich bestätigt hat. Auch die österreichischen Pilotprojekte bestätigen den Erfolg dieser Maßnahme.

Es gibt ja auch, Frau Kollegin Mertel – tun Sie doch nicht so, als ob Sie das nicht wüssten! –, europaweit Initiativen zur Neuregelung im Bereich der Kinderbetreuung: In Norwegen gibt es den Cash-Support, sehr ähnlich unserem Kinderbetreuungsgeld. In Deutschland wird über Parteigrenzen hinweg ein Erziehungsgeld diskutiert. Die Städte Stockholm und Hamburg haben bereits die Kinderbetreuungsförderung von Objekt- auf Subjektförderung umgestellt. Man sieht also: Da ist europaweit etwas in Bewegung! Aber Sie sträuben sich immer noch dagegen!

Nochmals zurück zum Kinderbetreuungsgeld und zum Artikel 2 der Regierungsvorlage. Auch die Grünen halten ihre Frontal-Opposition aufrecht, indem sie einen Abänderungsantrag einzubringen planen. (Abg. Öllinger: Das ist notwendig!)

Das ist nur eine Flucht nach vorne, die Sie da ergreifen, Herr Kollege Öllinger! Sie wissen nämlich ganz genau, dass im Rahmen des Föderalismus für die Kinderbetreuung eigentlich die Bundesländer zuständig sind und dass sich die Bundesländer durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes ab 1. Jänner 2002 Millionen Schilling an Familienförderungen, die sie bisher gezahlt haben, ersparen werden. Daher ist es doch bitte nur sinnvoll, wenn die Länder diese bisher gezahlten Familiengelder nicht zweckentfremdet verwenden, sondern wiederum für Familien einsetzen, und das genau im Bereich der Übergangsfristenregelung, für die Sie die Mittel jetzt zusätzlich vom Bund haben wollen. Aber es macht doch wirklich keinen Sinn, dass der Bund noch einmal einspringen soll, wo eigentlich die Länder gefordert sind!

Im Bundesland Tirol zum Beispiel macht diese Ersparnis im Zeitraum von 2002 bis 2005 100 Millionen Schilling aus. Soll das Land Tirol dieses Geld für irgendetwas anderes verwenden? Wäre das in Ihrem Sinn? (Abg. Öllinger: Wie macht es die Frau Haubner in Oberösterreich?)  – Ich sage: nein! Diese Mittel sollen wirklich dafür verwendet werden, die Regelung für die Stichtagsverliererinnen, wie wir sie nennen, oder die Übergangsfristenregelung, wie Sie es bezeichnen, zu finanzieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dazu hat diese Regierung die Bundesländer schon vor Monaten aufgefordert. Es gibt ja in den einzelnen Bundesländern bereits festgelegte Initiativen dazu. Tun Sie nicht so, Herr Kollege Öllinger, als ob Sie das nicht wüssten! (Abg. Öllinger: Das ist ja lächerlich!)

Wenn Frau Kollegin Kuntzl im Vorfeld des Familienausschusses gemeint hat, die Regierungsparteien müssten in der Familienpolitik umdenken, dann sage ich: nein, natürlich nicht!

Im Gegenteil: Diese Regierung ist nachweislich "TOP 1" in der europäischen und in der weltweiten Familienpolitik! Sie von der Opposition müssen umdenken – und das sofort! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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85. Sitzung / Seite 124

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

16.25

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! An die Adresse der Kollegin Mertel: Bezüglich der Erhöhung der Familienbeihilfe für Studierende und den gleichzeitigen Abzug der Höchststudienbeihilfe möchte ich sagen:

Erstens: Die Erhöhung der Familienbeihilfe tritt mit 2003 in Kraft.

Zweitens: Im Frühjahr 2002 wird das Studienförderungsgesetz novelliert.

Drittens: Frau Bundesminister Gehrer hat diese Novellierung schon vor langer Zeit vorgesehen, und wir werden die Änderung rechtzeitig einbringen.

Das heißt, dieses Manko, wenn es überhaupt eines ist, ist keines, weil diese Gesetzesbestimmung noch gar nicht in Kraft getreten ist – und bis es soweit ist, ist die entsprechende Novellierung durchgeführt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zum ewigen Krankjammern von Seiten der SPÖ – es sind nur wenige SPÖ-Abgeordnete da; offensichtlich interessiert Sie das Thema "Familie" doch nicht so, wie das in den Medien von Ihnen immer kundgetan wird –: Österreich hat sich in den letzten eineinhalb Jahren in vielen Bereichen positiv weiterentwickelt.

So hat sich etwa die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich zum dritten Male in Folge verbessert. Oder: Laut jüngsten Berichten liegt Österreich bei der relativen Armutsrate in der EU hinter Dänemark, Schweden und Finnland an der vierten Stelle. Ich glaube, dass man das auch einmal hier sagen muss, und das sollten Sie auch endlich begreifen.

Um die Armutsgefährdung weiter zu verringern, wird nun neben der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, das ein Meilenstein in der Familienpolitik ist und eine goldrichtige Maßnahme darstellt, die Familienbeihilfe des Bundes als Grundleistung angehoben. So setzt die ÖVP mit der FPÖ ihre erfolgreiche Familienpolitik fort! (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen keine Zurufe von Seiten der SPÖ. Sie sagen nämlich immer, dass wir in der Familienpolitik umdenken sollten. Liebe Frau Kollegin Prammer und Frau Kollegin Mertel! Wir denken nicht um, sondern wir denken vor! Das ist die Politik der Regierungspartei ÖVP! (Beifall bei der ÖVP.)

Ein paar Punkte seien noch angemerkt, denn das wird immer vergessen – nur negative Dinge werden aufgezeigt oder krankgejammert, positive Dinge wollen Sie ja nicht hören –:

Erstens: Das Familien-Volksbegehren wurde fast zur Gänze erfüllt.

Zweitens: Das Kinderbetreuungsgeld tritt, wie schon erwähnt, mit Anfang Jänner kommenden Jahres in Kraft.

Drittens: Die Familienbeihilfe wird pro Jahr um 1 200 S erhöht.

Meine Damen und Herren! Wir werden klarerweise diese erfolgreiche Familienpolitik fortsetzen! Ich zähle kurz auf, was ansteht und was in der nächsten Zeit erledigt werden wird.

Erstens: Wir werden in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Soziales und Generationen eine Koordinationsstelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie einrichten. Das soll europaweit geschehen.

Zweitens: Wir werden das Familien-Audit, eingeführt vom Bundesminister Bartenstein, europaweit zertifizieren lassen.

Drittens: Wir werden im Bereich Wiedereinstieg und Weiterbildung weitere Maßnahmen setzen, begleitet von mehreren Projekten.


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85. Sitzung / Seite 125

Viertens: Wir werden Job-Chancen für Frauen in neuen Technologien schaffen.

Fünftens: Es soll eine Karenz zur Begleitung sterbender Angehöriger eingeführt werden – ein Ansatz, der von Minister Bartenstein stammt. Man muss ja auch in Generationen denken. Das werden wir spätestens im nächsten Frühjahr beschließen.

Sechstens – nun ein Schwenk in Richtung Frauenpolitik –: Das Pensionssplitting für eine bestimmte Gruppe, die das jetzt noch notwendig braucht, wird auch kommen.

Siebenter und letzter wichtiger Punkt: Partner- und Elternbildung. – Wie schon in der gestrigen Diskussion über Drogenpolitik sage ich auch heute wieder: Mütter und Väter gehören bei ihrer wichtigsten Aufgabe begleitet.

Natürlich werden wir auch unsere kluge Senioren- und Generationenpolitik fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Die ÖVP hat Familie zum Thema gemacht! (Beifall bei der ÖVP.) Familienpolitik kann in der politischen Arbeit nur lauten: neue Ideen und neue Lösungen als Grundlage für unsere Zukunft! (Beifall bei der ÖVP.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

16.31

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist relativ einfach: Der Erhöhung der Familienbeihilfe können wir vor allem deshalb mit gutem Gewissen zustimmen, weil die Senkung der Familienbeihilfe, die in den vergangenen Jahren stattgefunden hat, damals nicht unsere Zustimmung gefunden hat. Jetzt wird nur etwas wieder hergestellt beziehungsweise repariert, was in den vergangenen Jahren durch die Sparpaket I und II den Familien weggenommen wurde. (Zwischenruf des Abg. Dolinschek. )

Aber lassen Sie mich, Herr Kollege Dolinschek, nun einen Punkt ansprechen, wo ich ein Problem sehe: Sie haben als eine Ihrer ersten Maßnahmen, als Sie in die Regierung kamen, die Familienzuschläge in der Arbeitslosenversicherung für die Notstandshilfebezieher – beim Kinderbetreuungsgeld haben Sie es völlig gestrichen: Arbeitslosengeld und Notstandshilfe – deutlich reduziert, nämlich um mehrere hundert Schilling.

Das heißt, übersetzt: Denjenigen, die ganz arm sind und die sich in einer denkbar schlechten Situation befinden, haben Sie mehrere hundert Schilling weggenommen, und jetzt geben Sie ihnen über die Familienbeihilfe nur 100 S pro Kind zurück. Ich betone: Nur 100 S, obwohl Sie ihnen vorher pro Kind mehrere hundert Schilling weggenommen haben! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dolinschek. – Na sicher, sagen Sie nicht nein! Es ist so, Kollege Dolinschek! (Beifall bei den Grünen.)

Ich nehme durchaus positiv zur Kenntnis, Frau Kollegin Steibl, dass bei den Stipendien im nächsten Jahr eine Anhebung erfolgen soll und dass daher der sozial ungünstige Effekt, den wir befürchtet haben, nicht eintritt. Im Familienausschuss konnte uns ja diesbezüglich noch keine Auskunft gegeben werden. Sie haben damals offensichtlich noch nicht gewusst, dass bei beiden Stipendien eine Anhebung erfolgen wird. – So weit, so gut! Ich würde mich freuen, wenn wir im nächsten Jahr eine entsprechend hohe Anhebung der Stipendien hier beschließen könnten. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Da Kollegin Haller in ihrer Rede dem Thema Kinderbetreuungsgeld breiten Raum gewidmet hat, möchte ich auch darauf Bezug nehmen. Wir bringen auch einen Abänderungsantrag in diesem Zusammenhang ein. Es geht aber nicht nur um die Übergangsfristen, diesbezüglich hat uns Kollegin Haller etwas Wesentliches verschwiegen.


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Frau Abgeordnete Haller hat nämlich gesagt: Übergangsfristen können und wollen wir uns jetzt nicht leisten! Weil sich die Länder ohnehin etwas ersparen, sollen sie gefälligst die Übergangsregelung finanzieren!

An dieser Stelle muss ich aber daran erinnern, dass vor der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes eine Generalsekretärin der Freiheitlichen Partei versprochen hat, das Kinderbetreuungsgeld werde mit 1. Juli 2000 kommen und alle Frauen, die nach diesem Zeitpunkt ein Kind geboren haben werden, kämen in dessen Genuss, auch wenn, wie diese Generalsekretärin dazugesagt hat, dass das Gesetz möglicherweise erst so beschlossen werden wird, dass es mit 31. Dezember 2001 oder mit 1. Jänner 2002 in Kraft treten wird.

Das hat nicht nur diese Generalsekretärin gesagt, das haben auch eine Frau Landesrätin in Oberösterreich und auch die damalige Familienministerin gesagt. Wir kennen deren Namen: Die Landesrätin ist Frau Haubner, die Generalsekretärin war Frau Zierler, sie sitzt hier im Parlament, und die Frau Bundesministerin Sickl haben wir inzwischen durch Rücktritt verloren. Aber das heißt ja nicht, dass diese Versprechen ungültig sind!

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie haben das den Leuten versprochen, aber jetzt sagen Sie, die Länder müssten das machen. Schauen wir uns an, Frau Kollegin Haller, was das Land Oberösterreich gemacht hat! (Abg. Haller blättert in Unterlagen.)  – Frau Kollegin Haller, vielleicht können Sie mir zuhören!

Das Land Oberösterreich, wo Frau Haubner Landesrätin ist, hat tatsächlich eine Ausgleichsmaßnahme gesetzt, eine Übergangsbestimmung für all jene Mütter – oder Kinder, in Ihrer Terminologie –, die vor dem 31. Dezember 2001 ein Kind geboren haben, also zwischen dem 1. Juli 2000 und dem 31. Dezember 2001.

Frau Kollegin Haller! Wie schaut diese Übergangsbestimmung, die Ihre Parteifreundin Haubner mit beschlossen hat, aus, was ist ihr Effekt? – Pro Kind lediglich 550 S an Kinderbetreuungsgeld.

Frau Haubner, die öffentlich gesagt hat, diese 6 000 S gebe es überall, dem müsse Rechnung getragen werden, es könne nicht so sein, dass diejenigen Mütter, die ihre Kinder vorher geboren haben, draufzahlen, kommt nun daher und zahlt 550 S aus. Das ist doch jämmerlich, Frau Kollegin Haller! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haller: Sagen Sie das der oberösterreichischen Landesregierung!)

Ich sage Ihnen noch etwas: Oberösterreich hat – und das wird im gesamten Bundesgebiet innerhalb des AMS so sein – für all jene Frauen, die nach dem 1. Jänner 2002 Kinderbetreuungsgeld beziehen können, die gleichzeitig vielleicht nach eineinhalb Jahren arbeiten gehen, aber wenig verdienen, die also den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nicht verlieren – rechnen Sie: 6 000 S Kinderbetreuungsgeld plus 6 000 S durch die Arbeit, das macht 12 000 S aus; in so einem Fall hat es bis jetzt die Einrichtung beziehungsweise die Möglichkeit gegeben, vom AMS eine Kinderbetreuungsbeihilfe in der Höhe von zirka 3 000 S zu erhalten –, die Kinderbetreuungsbeihilfe gestrichen!

Was heißt das? – Das heißt, dass diesen Frauen dann, wenn sie in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen, keine Kinderbetreuungsbeihilfe mehr gewährt wird. (Abg. Haller: Sie wollen also dreifach abscheinen!) Das heißt, dass diesen Frauen der Einstieg in den Arbeitsmarkt erschwert wird. (Beifall bei den Grünen.)

Ebenfalls gestrichen wurde – das wissen Sie auch, Frau Kollegin Haller – der Mutter-Kind-Pass-Bonus, und zwar generell. Sie haben, als Sie das Kinderbetreuungsgeld verkauft haben, nicht gesagt, dass es ab 1. Jänner 2002 den Mutter-Kind-Pass-Bonus nicht mehr geben wird. – So weit zu den "Meriten" des Kinderbetreuungsgeldes.

Ich stehe dazu: Das Kinderbetreuungsgeld hat auch positive Aspekte, das habe ich schon in der Debatte im Ausschuss gesagt, aber es ist ein unausgereiftes, unausgegorenes Konzept, und zwar vor allem deshalb, weil es keine Übergangsbestimmungen gibt. Sie weigern sich, sie


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zu machen, obwohl Ihnen die Familienverbände – der Katholische Familienverband, der ÖVP-Familienbund und die Beratungsstellen – die Türe geradezu eintreten. Die wissen nämlich aus ihrer Beratungsarbeit, was das für die Frauen, denen Sie das versprochen haben, bedeutet.

Keine Übergangsbestimmungen bedeuten, keinen Groschen Kinderbetreuungsgeld zu erhalten. Wenn ein Kind am 31. Dezember 2001 auf die Welt kommt, dann hat es Pech gehabt, denn das bedeutet null Schilling Kinderbetreuungsgeld. Wird das Kind jedoch am oder nach dem 1. Jänner 2002 geboren, dann bedeutet das 200 000 S ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Öllinger, Ihr Klub bittet mich, Sie auf die freiwillige Redezeitbeschränkung aufmerksam zu machen. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Ich danke, Herr Präsident! Ich habe das schon zur Kenntnis genommen.

Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren! Von einem Tag hängt es ab, ob es 200 000 S für die betreffenden Frauen gibt!

Deshalb bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Karl Öllinger betreffend die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgeldgesetz (828 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichts 878 der Beilagen geändert werden

Der Nationalrat möge beschließen:

Artikel 2 der Regierungsvorlage (828 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichts 878 der Beilagen wird wie folgt geändert:

Nach Ziffer 2 wird folgende Ziffer 3 angefügt:

3. § 49 Abs. 1 lautet:

"Dieses Bundesgesetz tritt – mit Ausnahme der §§ 24 Abs. 4 und 38 Abs. 3 – am 1. Jänner 2002 in Kraft und ist für Kinder, die nach diesem Zeitpunkt geboren werden, im vollen Umfang anzuwenden. Für Kinder, die vor dem 1. Jänner 2002 geboren wurden," (Abg. Haller spricht mit Abg. Knerzl)  – Frau Kollegin Haller, passen Sie auf, dem sollten Sie doch zustimmen können! – "bestehen die Restansprüche auf Kinderbetreuungsgeld bis maximal zur Vollendung des 36. Lebensmonats, soweit die sonstigen Voraussetzungen nach diesem Bundesgesetz erfüllt sind."

*****

Das, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, wären Sie eigentlich allen Frauen, die ihre Kinder nach dem 1. Juli 2000 geboren haben, schuldig, weil Sie denen das Kinderbetreuungsgeld versprochen haben, weil oft genug gesagt wurde, dass es eine entsprechende Abhilfe geben werde.

Ich stelle fest: Aus der Rede und auch aus den Zwischenrufen der Kollegin Haller geht hervor, dass Sie dort, wo Sie konkret in Notfällen befindlichen Personen helfen könnten, das nicht tun! (Beifall bei den Grünen.)


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16.41


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht worden und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

16.41

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte einen anderen Aspekt in die Debatte einbringen, und zwar die Position der Kinder. Ich meine, dass es auch sehr interessant ist, wie in einer Gesellschaft mit Kindern umgegangen wird, und ich bin der Meinung, dass die Familienbeihilfe besser Kinderbeihilfe heißen und konkret den Kindern zugute kommen sollte.

Es gab in dieser Woche von der Katholischen Jungschar eine Veranstaltung zum 12. Jahrestag der UNO-Kinderrechtskonvention. Dabei waren Vertreterinnen und Vertreter von drei Parlamentsparteien anwesend; eine Partei hat gefehlt. Sie dürfen drei Mal raten, welche Partei das war – es gab keinen Vertreter von den Freiheitlichen. Das heißt, die Freiheitlichen nehmen es mit den Kindern nicht so wichtig. (Abg. Haller: Was?!)

Das ist auch sehr bezeichnend, denn es gibt sehr viele Funktionäre von Freiheitlichen, die immer wieder gegen Kinder auftreten, die gegen Lärm, gegen Partizipation, gegen Selbstbestimmung, gegen Selbstwertgefühl von Kindern auftreten. (Abg. Haller: Was?!)

Ich kann Ihnen einen konkreten Vorfall aus Wien schildern: Es hat sich ein freiheitlicher Bezirksrat im fünften Wiener Gemeindebezirk darüber aufgeregt, dass Kinder in einem Kindergarten im Hof gespielt haben und er in seiner Ruhe gestört war. – So viel zur "Kinderfreundlichkeit" der Regierungspartei FPÖ. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Mein Gott!)

Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Regierungsparteien bald einer Wahl gestellt und abgewählt werden müssen!

Die Erhöhung der Familienbeihilfe stellt einen Tropfen auf einen heißen Stein dar, wenn gleichzeitig die Mittel für Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gekürzt, gesperrt, eingeschränkt werden. Es sind – wie wir alle wissen – vom AMS über 30 Milliarden Schilling in das Budget geflossen, um die "Angstlochkraxelei" des Herrn Finanzministers zu subventionieren. Darunter müssen Familien, müssen Kinder in unserem Land leiden.

Es gibt für Frauen mit Kindern vom AMS keine finanzielle Unterstützung und keine Ausbildungsmaßnahmen mehr. – So viel von Seiten der Regierungsparteien zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. – Nein, danke, kann man da nur sagen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auf der einen Seite werden, wie gesagt, die Mittel für Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von dieser Regierung gekürzt. Auf der anderen Seite verkünden Sie die Frohbotschaft, dass mit dem Kindergeld jetzt alles gelöst werden könne. Es ist in Ihren Augen sozusagen das Manna, das vom Himmel fällt, das den Familien bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hilft, dass den Familien hilft, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Aber in Wirklichkeit werden die Familien mit diesem Kindergeld nicht sehr weit kommen, sondern nur – das kann man jetzt schon abschätzen – dazu gezwungen werden, zusätzlich arbeiten zu gehen. Vor allem die Frauen werden wieder in die Doppelfalle des Kindergeldes geraten, das heißt, sich auf Grund der geringen Höhe des Kindergeldes die Kinder umschnallen können und daneben arbeiten gehen müssen. Sie werden dadurch eine Doppel-, Dreifach-, Vierfachbelastung haben und keinerlei finanzielle Absicherung.

Ich frage Sie: Wo bleiben da die Kinder in unserem Land? Die viel beschworene Familienfreundlichkeit, die Sie immer wieder in Ihren Reden strapazieren, ist eine sehr phantasievolle und kann in der Wirklichkeit nicht gemessen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Fragen der Bildung für die Kinder in unserem Land haben wir schon gestern abgehandelt. Auch da hat sich gezeigt, dass die Regierungsparteien für die Kinder und die Familien in unserem Land nicht sehr viel übrig haben. Man könnte da eigentlich für die Regierungsparteien einen sehr guten Slogan kreieren, nämlich: Schwarz-Blau bedeutet Zukunftsklau! (Beifall bei der SPÖ.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, ich bitte, die zu berichtigende Behauptung zu wiederholen und sie dem tatsächlichen Sachverhalt gegenüber zu stellen. – Bitte.

16.45

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Vorrednerin, Kollegin Lapp, hat behauptet, dass sich die Politik der Freiheitlichen gegen die Partizipation von Kindern richte.

Ich berichtige tatsächlich: Es sind zwei Bundesländer, die das Wahlalter auf kommunaler Ebene auf 16 Jahre festgesetzt haben. Das sind Kärnten und die Steiermark, und die Freiheitlichen waren da überall federführend tätig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Dolinschek. Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt. – Bitte.

16.46

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Kollegin Lapp, weil Sie Beispiele zum Thema Kinderfreundlichkeit gebracht haben, muss ich Ihnen sagen: Auch ich könnte Beispiele sonder Zahl bringen, die zeigen, dass in auch in Ihrer Partei Dinge vorkommen, die nicht dem entsprechen, was wir hier vorhaben. Solche Dinge gibt es überall. Ich möchte Ihnen aber sagen, dass die Freiheitlichen auf jeder Ebene, in sämtlichen Bundesländern, in den Landtagen, in den Gemeinden, sehr stark daran gearbeitet haben, eine neue Familienförderung aufzubauen – so zum Beispiel das Kinderbetreuungsgeld! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Öllinger verwechselt Äpfel mit Birnen, indem er uns vorwirft, dass unsere Generalsekretärin Zierler unsere ehemalige Ministerin Sickl und die Landesrätin von Oberösterreich, Frau Haubner, das Kinderbetreuungsgeld schon für ein Jahr früher versprochen hätten.

Herr Kollege Öllinger! Das sind doch lediglich Vorschläge gewesen. Diese Personen haben alle am Kinderbetreuungsgeld gearbeitet. Sie haben Vorschläge gemacht, aber die Demokratie lebt, wie uns allen bekannt ist, von Mehrheiten. Man muss zuerst eine Mehrheit finden und diese dann dazu bringen, dass Vorhaben umgesetzt werden. Genau das ist jetzt passiert. Außerdem gibt es für alles eine Stichtagsregelung. Der Stichtag ist jetzt da, und nun wird das beschlossen.

Der Grundgedanke des Kinderbetreuungsgeldes ist, dass niemand durch ein Kind in soziale Bedrängnis kommen sollte. Aus diesem Grunde hat diese Bundesregierung jetzt mit Stichtag 1. Jänner 2002 das Kinderbetreuungsgeld in ganz Österreich eingeführt. Kärnten ist schon ein Jahr vorher in den Genuss des Kinderbetreuungsgeldes gekommen. Es bringt das den Jungfamilien insgesamt 9 Milliarden Schilling. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes wird nicht nur die Betreuungsleistung der Eltern anerkannt und teilweise abgegolten, sondern auch die Wahlfreiheit in Bezug auf Kinderbetreuung vergrößert und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenfalls gefördert.

Aber um auch Familien mit Kindern ab dem vierten Lebensjahr gleichfalls finanziell besser zu stellen, wird die Familienbeihilfe als Grundleistung angehoben. Ab jenem Monat, in dem das Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat, wird bei der Gewährung der Familienbeihilfe jetzt zusätzlich eine Altersstaffelung eingeführt und die Familienbeihilfe ab diesem Zeitpunkt für jedes Kind um 7,3 € pro Monat angehoben. Diese Regelung soll am 1. Jänner 2003 in Kraft treten. Der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder soll ebenfalls ab 1. Jänner 2003 um 7,3 € pro Monat angehoben werden.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Oppositionsparteien! Wenn Sie mit dem Kinderbetreuungsgeld nicht einverstanden sind, dann sei Ihnen Folgendes gesagt: Die Beurteilung des


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Kinderbetreuungsgeldes ab dem nächsten Jahr sollte man der Bevölkerung überlassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadler. Gleichfalls 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

16.49

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Rängen und im Hohen Haus! Unser Herr Bundeskanzler hat in der gestrigen Fragestunde hier noch einmal die Wichtigkeit des Schutzes sozial schwacher Menschen, wie etwa Frauen, Kinder und Behinderte, mehrmals zum Ausdruck gebracht. Die Anhebung der Familienbeihilfe und die neue Altersstaffelung für Kinder ist ein weiteres Zeichen der positiven Familienpolitik unserer neuen Bundesregierung.

Frau Kollegin Lapp – ich sehe sie im Moment nicht –: 6 000 S im Monat sind kein "Manna, das vom Himmel fällt", es ist aber so viel, dass es unsere jungen Familien finanziell entscheidend unterstützt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Unterstützung und Stärkung unserer Familien in Form des Kinderbetreuungsgeldes, unabhängig von der Erwerbstätigkeit der Frauen, sind wichtig und notwendig, weil die Betreuung unserer Kinder ein wesentlicher Beitrag für unsere Gesellschaft ist. Viele Studien belegen, dass die Betreuung eines Kindes in den ersten drei Jahren durch einen Elternteil die schönste und beste für das Kind ist. Viele Eltern wollen auch – obwohl Sie von der Opposition es nicht wahrhaben wollen – in den ersten Jahren bei ihren Kindern bleiben.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Ihren ständigen Vorwurf, das bedeute ein Zurückdrängen der Frauen an den Herd, glauben Sie doch mittlerweile selbst nicht mehr. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Ich finde es sogar vermessen, wenn Sie das behaupten, weil Sie den Frauen offensichtlich nicht zutrauen, dass sie diese Entscheidung frei und persönlich treffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ihr Motto in der Vergangenheit war "entweder – oder", unser Motto heißt "sowohl – als auch": sowohl arbeiten als auch Kinder zu Hause betreuen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zum Stichtag 1. Jänner 2002. Kollege Öllinger ist nicht da, aber ich stimme ihm zu, dass Frauen nach der festgelegten Übergangsregelung kein Kinderbetreuungsgeld bekommen, wenn sie keinen Anspruch auf Karenzgeld haben. Die Bundesländer haben bereits Vorsorge getroffen. Von Tirol zum Beispiel weiß ich, dass der Erziehungszuschuss des Landes bereits im Budget 2002 veranschlagt worden ist, und das sind nicht 500 S, sondern über 4 000 S im Monat.

Zum Schluss möchte ich mich noch bei der Bundesregierung und bei allen Verantwortlichen, die diese großartige Errungenschaft in der Familienpolitik erreicht haben, bedanken, weil dadurch endlich die Leistung aller Familien an der Gesellschaft in gleichem Maße honoriert wird. Das nenne ich soziale Gerechtigkeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Egghart: So sehen selbständige Frauen aus! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.52

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Stadler, Sie irren! Wir trauen den Frauen Eigenentscheidung zu; wir setzen diese sogar voraus. Das ist unser Prinzip. Diesbezüglich sind wir also nicht unterschiedlicher Meinung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Das ist aber neu!)


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Meine Damen und Herren! Tatsache ist, dass in westlichen Kulturen die Geburtenrate stark zurückgeht. Die Rückgänge sind von Jahr zu Jahr und auch von Land zu Land unterschiedlich, aber die Tendenz – das gebe ich zu – ist unverkennbar: Es werden weniger Kinder geboren!

Die Strategien beziehungsweise die politischen Ansätze, dem gegenzusteuern, sind ebenfalls sehr unterschiedlich. In Frankreich, um ein Positivbeispiel anzuführen, gibt es aber einen neuen Geburtenrekord. Dort ist es durchaus üblich, dass auch Karrierefrauen mehrere Kinder bekommen. Was glauben Sie, meine Damen und Herren, ist das Geheimnis dieser Entwicklung? Modell Kinderscheck? – Mitnichten! (Abg. Egghart: Zuzug, Frau Kollegin!) Ausgezeichnete Kinderbetreuungseinrichtungen, das ist das Geheimnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese ausgezeichneten Kinderbetreuungseinrichtungen werden vom Staat und von den Gemeinden bereitgestellt. (Abg. Böhacker: Und wer zahlt das?)

Meine Herren von der FPÖ! Sie tun so, als ob Sie mit einigen hundert Schilling Frauen dazu anhalten könnten, Kinder zu gebären. (Abg. Böhacker: Wie schaut es denn in Wien aus mit den Kinderbetreuungseinrichtungen?)  – Hören Sie mir zu! Sie glauben, mit ein paar hundert Schilling können Sie die Frauen dazu bringen, Kinder zu bekommen. Vordergründig argumentieren Sie damit. In Wirklichkeit haben Sie mit dem Kinderthema – sowohl die ÖVP als auch die FPÖ, aber in erster Linie die FPÖ – Wahlkampf betrieben. Und jetzt, weil Sie in der Regierung sind, müssen Sie von der FPÖ beweisen, dass Sie nicht gelogen haben. (Abg. Egghart: Das ist nationales Interesse!) Das ist der Grund!

Ich frage Sie – Herr Öllinger hat das angesprochen –: Haben Sie nicht? Die Frauen können das Geld natürlich gebrauchen, das ist überhaupt keine Frage, aber was sie in erster Linie brauchen, ist die Gewissheit, dass ihre Kinder gut versorgt werden. Ich habe selbst zwei Söhne, und ich bin gestern Großmutter geworden (allgemeiner Beifall – Rufe: Herzliche Gratulation!), es ist mein erstes Enkelkind, und ich muss sagen, meine Schwiegertochter wird nicht in den Genuss des Kindergeldes kommen, weil es keine Übergangsregelungen gibt. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Daher sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen: Ihr Projekt mit dem Kinderscheck in der Kärntner Probegemeinde hat nicht funktioniert. Es gab nämlich im Gegensatz zu früher zehn Geburten dann nur mehr zwei Geburten; ein eklatanter Unterschied im Vergleichszeitraum. (Abg. Böhacker: Jetzt ist der Kinderscheck schuld, dass weniger Kinder auf die Welt kommen! – Liebe Oma, das glaubst du selbst nicht!)

Daher appelliere ich an Sie: Österreich darf nicht Deutsch Griffen werden! (Beifall bei der SPÖ.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Weinmeier. Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt. – Bitte.

16.56

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war eines der wichtigsten Ziele der neuen Bundesregierung, der Familienpolitik eine neue Qualität zu geben, und das ist nach wie vor Ziel dieser Re-gierung.

Die positive Weiterentwicklung in der Familienpolitik erfolgt tatsächlich Schlag auf Schlag, nämlich in der Form, dass jetzt mit der Erhöhung der Familienbeihilfe der nächste positive Schritt gesetzt wird. Die Opposition in ihrer Ablehnung dieser Familienpolitik kommt offenbar gar nicht mehr damit zurecht, ihre Ablehnungsfront zu organisieren oder neu zu ordnen.

Ich erwähne nur ein paar positive Beispiele: die Verbesserungen im Kindschaftsrecht, die sehr wichtige familienpolitische Impulse gebracht haben, auch der Mehrkindzuschlag wurde heuer schon von 400 S auf 500 S erhöht, dann natürlich der große Wurf des Kinderbetreuungsgeldes und jetzt eben der nächste Schritt mit der Erhöhung der Familienbeihilfe um 1 200 S pro Jahr ab dem vierten Lebensjahr des Kindes, das heißt, es wird eine neue Stufe eingeführt.


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Meine Damen und Herren! Was hier von einigen Oppositionsrednern als "Almosen" bezeichnet wurde, sind immerhin fast 2 Milliarden Schilling, die der österreichische Staat mehr für die Familien ausgeben wird.

Der ideologische Kampf der Opposition gegen das Kinderbetreuungsgeld löst sich inzwischen von selbst auf, weil sie bemerkt hat, dass das Kinderbetreuungsgeld sehr positiv angenommen wird und dass sich die Familien schon darauf freuen. Wie ratlos die Opposition in Bezug auf die Familienpolitik geworden ist, das zeigten die Ausführungen der Frau Abgeordneten Prammer im Ausschuss und ebenso jene der Frau Abgeordneten Mertel heute hier im Plenum, die auch bemerkt hat, dass die Geburtenrate dramatisch sinkt. (Abg. Dr. Mertel: Ich nicht!)

Meine Damen und Herren! Seit 30 Jahren sinkt die Geburtenrate, und wenn Sie das erst jetzt bemerken, dann ist das peinlich für Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Das ist schlimm für Sie, dass Sie nicht zuhören können!)

Frau Abgeordnete Mertel, es ist peinlich für Sie, dass Sie erst jetzt bemerken, dass die Geburtenrate sinkt. Sie haben nichts dagegen getan – wir aber tun etwas dagegen, meine Damen und Herren! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel: Was denn?)

Der Vergleich in der Familienpolitik zeigt die Tatsachen auf. Die SPÖ-Familienpolitik bedeutete permanente Kürzungen für die Familien. Ich erwähne noch einmal, dass zu SPÖ-Zeiten das Karenzgeld in Zeit und Höhe gekürzt wurde und dass die Geburtenbeihilfe abgeschafft wurde. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Mertel beziehungsweise Frau Abgeordnete Prammer! Ja, das Sinken der Geburtenrate erfordert Maßnahmen. Wir setzen diese Maßnahmen – während Sie nichts dagegen getan haben. Wir setzen diese Maßnahmen auch in einem zweiten Schritt in der Familienpolitik, nämlich mit der Erhöhung der Familienbeihilfe.

Abschließend kann ich sagen: Das Jahr 2001 ist ein gutes Jahr für die Familien. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.00

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Kinder und ihre Familien als Keimzelle des Staates sind unsere Zukunft! Gerade in einer Woche, in der der von der UNICEF proklamierte Weltkindertag war, sollten wir uns das wieder in Erinnerung rufen und stolz darauf sein, dass Österreich mit dieser Bundesregierung zu einem der kinderfreundlichsten Länder der Welt wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Regierung hat ihre Kinder- und Jugendfreundlichkeit mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, der Sanierung des Staatshaushaltes vor allem für die Kinder und der Neuregelung im Bereich der Bundes-Jugendvertretung unter Beweis gestellt. – Frau Kollegin Mertel! So falsch kann diese Regierung mit ihrer Kinder- und Familienpolitik nicht liegen, denn Ihre Schwesterpartei, die SPD, hat gestern in Nürnberg beim Parteitag einen Leitantrag beschlossen, in dem es heißt – ich zitiere –, langfristiges Ziel sei gleiches Kindergeld für alle. – Sie von der SPÖ sind anscheinend noch nicht ganz so weit, aber vielleicht kommen Sie einmal dorthin.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! All diese positiven Maßnahmen für unsere Kinder und Familien sind auch dringend nötig, denn die Geburtenzahlen im September dieses Jahres haben erneut einen historischen Tiefstand erreicht. Im September 2001 sanken die Geburtenzahlen in Österreich um 6 Prozent. Das Land Oberösterreich hat das ebenfalls erkannt und eine besonders kinder- und jugendfreundliche Politik gestartet: Es wurde beschlossen, dass ein


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85. Sitzung / Seite 133

außerordentlicher Familienzuschuss von monatlich 40 € ab 1. Jänner 2002 eingeführt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Außerdem wird in Oberösterreich im nächsten Jahr ein weiterer Zuschuss zum Wohle der Kinder gewährt, und zwar um die Untersuchungsmüdigkeit im Zusammenhang mit dem Mutter-Kinder-Pass zu bekämpfen, nämlich ein Zuschuss von 370 € pro Jahr.

Herr Kollege Öllinger! Der Familienzuschuss bei der Geburt von Kindern, der in Oberösterreich eingeführt wurde und je nach Einkommen pro Jahr 960 beziehungsweise bis zu 2 400 € beträgt, ist ein weiterer deutlicher Beweis dafür, dass in diesem Bundesland Familienpolitik groß geschrieben wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Kinderbetreuungsgeld neu, das jetzt durch die erhöhte Familienbeihilfe ergänzt wird, wurde eine langjährige Forderung von uns durchgesetzt. Wir werden uns weiterhin darum bemühen, dass Österreich nicht nur das kinderfreundlichste, sondern auch das familienfreundlichste Land der Welt bleibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.03

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Ellmauer, bleiben wir gerecht und bei der Wahrheit: Kinderfreundlich und familienfreundlich ist Österreich tatsächlich, ein vorbildliches Land im Vergleich zur gesamten Welt, aber das basiert schon auf der Aufbauarbeit der letzten 30 Jahre, an der ja auch Sie mit Ihrer Partei beteiligt waren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Kollege Ellmauer hat nämlich gemeint, im letzten Jahr sei Österreich zu diesem hervorragenden Land geworden. Und das, würde ich meinen, ist "ein bisschen" anmaßend.

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich spricht nichts gegen die Erhöhung der Familienbeihilfe. Im Gegenteil: Sie ist zu begrüßen. Es gibt nur einen Wermutstropfen dabei, nachzulesen in der Stellungnahme der Österreichischen Hochschülerschaft: Wenn die Familienbeihilfe erhöht wird, wird dies bei der Berechnung der Höhe der Studienbeihilfe miteingerechnet und die Studienbeihilfe dadurch gekürzt. Dieser Einwand ist tatsächlich berechtigt und müsste auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren! Gegen eine Ausweitung von Familienleistungen ist nichts einzuwenden. Betroffen aber macht, dass vor allem Familien mit Kindern viele massive Kürzungen gerade im Sozialbereich im letzten Jahr spüren und erleben mussten. Unter dem Motto "Was wir nahmen" geben Sie jetzt den Familien wieder Geld zurück, aber das nur zu einem kleinen Bruchteil. Kinder, Familien mit Kindern brauchen unsere Unterstützung, aber nicht einseitig. Finanzielle Unterstützung deckt einen Bereich ab, Sachleistung und eine umfangreiche Infrastruktur und Serviceleistungen sind weitere notwendige und wichtige Säulen für ein solides Fundament der Familienpolitik.

Nebenbei bemerkt meine ich, dass der Begriff "Familien beihilfe" wieder in "Kinder beihilfe" umbenannt werden sollte, da diese den Kindern tatsächlich zugute kommt.

Überhaupt nicht klar und eindeutig ist die langfristige Finanzierung jener Leistungen, die heute beschlossen werden. Ich verweise auf eine Stellungnahme des Rechnungshofes, die besagt:

"Nicht nachvollziehbar ist hingegen aufgrund der übermittelten Unterlagen der Hinweis, wonach die Mehrkosten für den Ausgleichsfonds im Rahmen dessen künftiger Gebarung gedeckt werden."

Es wäre ein aufklärendes Wort des Herrn Ministers, der jetzt nicht anwesend ist, oder vielleicht des Herrn Staatssekretärs notwendig.


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85. Sitzung / Seite 134

Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel hat gestern in der Fragestunde darauf hingewiesen, dass er ein glühender Verfechter der Rechte der Kinder sei. Auch Herr Bundesminister Haupt meinte, Kinder stünden im Mittelpunkt. Doch wenn es um die tatsächliche Umsetzung von Interessen und Wünschen und Bedürfnissen von Kindern geht, so ist, meine ich, die Regierung säumig. Wurde doch der Punkt Wahlaltersenkung im Familienausschuss wieder vertagt. Wo bleiben konkrete Vorschläge für das Mitspracherecht von Kindern und Jugendlichen bei ihrer eigenen Lebensgestaltung, bei ihren Lebensräumen, bei ihren Lebensumfeldern? Auch die Verankerung der Kinderrechtskonvention in der österreichischen Verfassung lässt noch auf sich warten.

Wieder folgen den Worten keine Taten! Die Förderung der individuellen Begabungen und Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes, das Wecken der Neugierde auf die Welt und auf das Leben und die Chancengleichheit sind dabei das oberste Gebot. Vielfalt statt Einfalt ist gefragt. Wenn ich an meine Vorredner und Vorrednerinnen von den Regierungsparteien denke, fällt mir nur der Satz ein: Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! (Beifall bei der SPÖ.)

17.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte.

17.07

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, man kann es drehen und wenden, wie man will: Man kann eigentlich nichts dagegen haben, wenn Familien wieder mehr Geld zugeführt wird. Das hat auch die EU erkannt, die beim letzten Rat festgestellt hat, dass das österreichische Kinderbetreuungsgeld als ein Instrument zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie anerkannt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man kann auch nichts dagegen haben, dass ab dem Jahr 2003 den Familien wieder 2 Milliarden Schilling mehr zukommen werden. Was aber sehr wesentlich ist – und ich kann das als vierfacher Familienvater sagen, der nicht mehr in den Vorteil dieser Erhöhungen kommt, der aber jahrzehntelang erleben musste, dass Familien in Österreich vernachlässigt wurden, denn die "Zwei Auto-, ein Hund-, kein Kind-Ehe" wurde stark bevorzugt (Beifall bei den Freiheitlichen)  –, ist, dass es endlich einmal zur Trendumkehr gekommen ist, dass jetzt eine Politik betrieben wird, die dem Kind wieder eine zentrale Stellung in der Familie einräumt, und das werden wir auch fortsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Knerzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

17.09

Abgeordneter Anton Knerzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Zum Familienlastenausgleichsgesetz haben Vertreter der Sozialdemokratischen Partei beziehungsweise die Frauen dieser Partei zu meiner Verwunderung gemeint: Die Familienleistungen belasten Familien. – Ich kann dazu nichts sagen, ich weiß nicht, wie Sie das gemeint haben. Frau Dr. Mertel hat das erwähnt.

Frau Kollegin Parfuss! Sie haben uns vorhin mitgeteilt, dass gestern in Ihrer Familie ein neuer Erdenbürger geboren wurde. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich und kann Ihnen als steirischer Abgeordneter versichern: Ihre Schwiegertochter wird diese 6 000 S ab 1. Jänner 2002 bekommen. (Abg. Öllinger: Nein, sie kriegt sie nicht!) Sie haben so getan, als würden Sie es noch nicht wissen. Jetzt wissen Sie es: 6 000 S stehen ins Haus. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich dazu! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf: Monatlich!)

Sie haben auch die Familienpolitik von uns Freiheitlichen sehr stark kritisiert. Sie fordern mehr Kinderbetreuungseinrichtungen, obwohl wir ohnehin sinkende Geburtenzahlen zu verzeichnen haben. Ich darf Ihnen sagen: Zuerst brauchen wir die Kinder und dann die Betreuungseinrichtungen! Ich glaube, das versteht jeder hier im Haus. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Zu allen anderen Familienleistungen kann ich nur sagen: Die ÖVP und wir haben diese familienpolitischen Lösungen erarbeitet, und ich glaube, den Familien steht nichts mehr im Wege. – Alles Gute! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Freigaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

17.1


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1

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes und die Erhöhung der Familienbeihilfe zeigt diese Bundesregierung eindeutig, dass Familien und Frauen oberste Priorität haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die 30-jährige sozialdemokratische Familien- und Frauenpolitik hingegen hat den Frauen die Möglichkeit der Wahlfreiheit und Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf niemals zugestanden. Es gibt daher in Österreich leider immer noch viele Frauen, die jahrelang wertvolle Familienarbeit für unsere Gesellschaft geleistet haben, aber erhebliche Schwierigkeiten hatten, sich in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren, meist wegen fehlender Qualifikation und Weiterbildung.

Es liegt also klar auf der Hand, dass familienpolitische Maßnahmen mit entsprechenden arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen verknüpft werden müssen.

Was aber verstehen Sie von der SPÖ unter familien- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen? – Vor der letzten Nationalratswahl haben Sie uns vorgezeigt, was Sie unter arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, von denen so viele Mütter und Väter betroffen waren, verstehen: Seitens der ehemaligen Sozial- und Arbeitsministerin Hostasch wurden im Rahmen des Projekts Bad Aussee zwar österreichweit 40 000 arbeitslose Frauen und Männer im Rahmen des vier bis sechs Wochen dauernden Job-Coaching-Projekts untergebracht, allerdings nur zu dem Zweck, wieder einmal Formulierungen für Bewerbungen zu erlernen!

Unter diesen Frauen und Männern befanden sich aber auch rund 7 000 arbeitslose Frauen und Männer, die bereits Einstellungszusagen hatten. Das muss man sich einmal vorstellen! 7 000 arbeitslose Frauen und Männer, die bereits Einstellungszusagen hatten, wurden im Rahmen dieses Projekts noch einmal gefördert. Geld, rund 650 Millionen Schilling, wurde für diese Alibimaßnahmen verschleudert – für Alibimaßnahmen, die ausschließlich der Politur der Arbeitslosenstatistik dienten.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Letztendlich wurden diese Betroffenen von Ihnen nur benutzt und waren danach das, was sie vorher waren: arbeitslos! Aber nachhaltige und effiziente Qualifizierungsmaßnahmen, um den betroffenen Familien aus der Armutsfalle zu helfen, blieben aus.

Angesichts der demographischen Entwicklung in Österreich liegt es ganz klar auf der Hand, dass die entsprechenden familien- und arbeitsmarktpolitischen Weichenstellungen schon vor Jahren hätten erfolgen müssen. – Das möchte ich auch Ihnen ans Herz legen, Frau Parfuss, wenn Sie davon reden, dass nichts getan wird. – Es hätte schon von Ihnen getan werden müssen.

Diese Bundesregierung setzt nach dem Kinderbetreuungsgeld und den damit in Zusammenhang stehenden arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen mit der Erhöhung der Familienbeihilfe einen weiteren Schritt zu einer modernen, verantwortungsbewussten Familienpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.14

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Ich weiß, Herr Präsident, dass es ganz korrekt sein muss, deshalb Folgendes:

Kollege Knerzl hat in seiner Rede behauptet, dass die Schwiegertochter der Kollegin Binder für ihr Kind, das gestern geboren wurde (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Parfuss! Parfuss!)  – Entschuldigung! –, ab 1. Jänner 2002 Kinderbetreuungsgeld erhalten wird.

Ich stelle tatsächlich richtig: Sie wird keinen Groschen erhalten, weil das Kind gestern geboren wurde und daher ab 1. Jänner 2002 nicht anspruchsberechtigt ist.

Die Kollegin hat mir aber versichert, dass Sie Ihnen, Herr Knerzl, die Aufforderung zur Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes schicken wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 828 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ferner hat die Abgeordnete Dr. Mertel ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den Zusatzantrag, dann über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer 3 in Artikel 2 bezieht.

Ich bitte, jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 2 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen .


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10. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (770 der Beilagen): Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 2002) (869 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen jetzt zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Riepl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Mitglieder des Hohen Hauses! Das Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskassa, das heute zur Diskussion steht, löst das bisher bestehende Gehaltskassengesetz aus dem Jahr 1959 ab. Für die Angestellten in öffentlichen Apotheken wird durch dieses Gesetz die Grundlage für eine gesicherte Existenz, ähnlich den öffentlich Bediensteten, geschaffen.

Die Entlohnung der Beschäftigten der Apotheken erfolgt nämlich nicht durch den Dienstgeber, sondern durch die Gehaltskassa, die wiederum durch festgelegte Beiträge und durch eine Umlage von den Eigentümern der Apotheken gespeist wird. Das System ist nicht neu, es wurde adaptiert, und es hat sich bisher bewährt. Die Neuregelung des Gesetzes ist auch EU-rechtskonform.

Das Gesetz beinhaltet weiters eine Neuregelung der Familienzulagen, aber auch eine Neuregelung der Dienstzeitanrechnung der Beschäftigten in den Apotheken.

Mit diesem Gesetz werden also zeitgemäße und hohe arbeits- und sozial-, aber auch lohnrechtliche Standards festgelegt. Als Sozialdemokrat und Gewerkschafter begrüße ich dieses Gesetz ausdrücklich. Meine Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage daher auch zustimmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was ich aber an dieser Stelle anmerken möchte, ist die latente Inaktivität dieser Bundesregierung, sich um die Gleichwertigkeit der sozialen und arbeitsrechtlichen Standards für alle Arbeitnehmergruppen zu bemühen.

Ich möchte das auch begründen. Zum Beispiel findet sich in § 34 des vorliegenden Gesetzes nunmehr ein klar formulierter gesetzlicher Anspruch auf einen Todfallsbeitrag im Ausmaß des dreifachen Monatsbezugs, der im Falle des Todes eines Beschäftigten neben der Abfertigung zur Auszahlung gelangt. Das ist an sich gut und gerechtfertigt, aber warum nur für die Beschäftigten in den Apotheken? Warum gibt es nicht für alle Arbeitnehmer in unserem Lande einen derartigen gesetzlichen Anspruch?

Die Regierungsparteien sind die Antwort auf diese Frage bisher schuldig geblieben. Vielleicht bekommen wir heute noch im Laufe der Debatte eine Antwort darauf.

Das, was ich vorschlagen und anregen möchte, ist, gesetzlich normierte Ansprüche für bestimmte Arbeitnehmergruppen auch anderen nicht vorzuenthalten, sondern eine Gleichwertigkeit anzustreben.

Unsere Fraktion ist gerne bereit, da konstruktiv mitzuarbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

17.21

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Riepl, ich freue mich, dass wir bei der Modernisierung der Gehaltskasse für das phar


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mazeutische Personal auch einmal Ihre Zustimmung haben. Verbesserungswünsche gibt es immer, aber Sie haben ja gesagt, dass Sie dazu bereit sind, hier mitzuarbeiten.

Ich freue mich jedenfalls, dass wir für die Apotheker gemeinsam hier etwas tun können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

17.22

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich möchte nur noch auf ein paar wichtige Neuerungen hinweisen, die das Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich mit sich bringt.

Wir stehen für Sicherheit: Die Einrichtung des Wohlfahrts- und Unterstützungsfonds wird ausdrücklich als gesetzliche Aufgabe der Gehaltskasse normiert.

Wir stehen für Gleichbehandlung und gleiche Chancen.

Wir stehen für Familien: Die Gewährung von Familienzulagen wird in diesem Zusammenhang neu geregelt.

Wir stehen für Absicherung: Für den Reservefonds wird eine Mindesthöhe vorgesehen, was bisher nicht der Fall war.

Und abschließend: Wir stehen für Zeitgeist und Modernisierung: Veraltete Bestimmungen werden gestrichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wochesländer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

17.23

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Bei einem Gesetz, wie es das Pharmazeutische Gehaltskassengesetz ist, braucht es, glaube ich, wirklich keine Debatte. Meine Vorredner haben schon die Funktionalität dieses Gesetzes erklärt und natürlich auch auf den hohen Zufriedenheitsgrad jener hingewiesen, die davon betroffen sind, nämlich die Mitarbeiter in den Apotheken, und zwar sowohl in den öffentlichen als auch in den Anstaltsapotheken.

Ich glaube, ich darf oder kann gar nicht weiter ausholen, es würde den Rahmen sprengen, über eine Sache zu debattieren, die perfekt und toll organisiert ist. Nur eines muss ich schon noch sagen: Dass Herr Riepl sogar da noch eine Laus im Pelz findet, das ist eine Sensation! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 770 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbericht 869 der Beilagen angeschlossenen Abänderung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

11. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 467/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern (870 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 469/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen betreffend die Dokumentation und Auswertung von Schlichtungsstellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Behandlungsfehlern im Gesundheitsbericht (871 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Debattenredner hat sich Herr Abgeordneter Ing. Kaipel zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.25

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Bedauernswert, wer krank wird; ein armes Schwein, bei dem die Behandlung danebengeht – nämlich deshalb, weil die Betroffenen keine Rechtsgrundlage finden werden, um zu ihrem Recht zu kommen.

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen jede Maßnahme, die nach Behandlungsfehlern eine außergerichtliche, eine schnelle und unbürokratische Schadensersatzlösung gewährleistet, allerdings nur dann, wenn die Entschädigung auch adäquat ist.

Ich unterstelle Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dass Sie das nicht wollen, denn Sie lassen zu, dass die Entscheidungen weitestgehend im rechtsfreien Raum ohne ausreichende Rechtskenntnisse der Entscheidungsstellen erfolgen. Da besteht schon die Gefahr, dass Abfindungen nicht der tatsächlichen Entschädigungshöhe entsprechen.

Wenn man schaut, wer in diesen Schlichtungsstellen sitzt, dann wird diese Vermutung nur noch verstärkt: Auf der einen Seite sind Mitglieder der Ärztekammer darin vertreten. Da kann man schon davon ausgehen, dass der eine Arzt dem anderen nicht wehtun wird. Auf der anderen Seite sitzen die Vertreter der Rechtsträger in diesen Gremien, bei denen natürlich auch auf Grund des Geldmangels die Neigung bestehen wird, mit den Argumenten, das Verfahren werde lange dauern, es würden hohe Rechtsanwaltskosten anfallen und überdies sei das Ergebnis offen, eine Einigung unter dem tatsächlichen Wert zu erreichen.

Das, meine Damen und Herren, ist nicht unser Zugang. Wir Sozialdemokraten wollen nicht, dass die Patienten unter Druck kommen, wollen nicht, dass sie billig abgespeist werden.

Wir Sozialdemokraten haben daher die beiden vorliegenden Anträge eingebracht. Sie sind Ihnen im Detail bekannt. Es geht dabei nicht darum, die Ärzte zu kriminalisieren, sondern darum, eine optimale Lösung für die Patienten zu finden – und das bedarf einer eindeutigen Rechtsgrundlage, das bedarf einer österreichweiten Normierung der Arbeit der Schiedsstellen, und das bedarf auch der Einbindung aller Medizinberufe. Genau das bewirken wir mit diesen beiden Anträgen.


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Doch Sie von den Regierungsfraktionen haben unsere Anträge im Ausschuss abgelehnt. Das ist nicht besonders verwunderlich, ich denke, sogar ein Erfolg, denn üblicherweise werden die Anträge der Opposition ja nur vertagt. (Abg. Dr. Pumberger: Seien Sie froh, dass wir wenigstens abgelehnt haben!) Daher freuen wir uns und sind auch dankbar dafür, über diese wichtigen Anträge heute hier im Plenum reden zu dürfen.

Herr Staatssekretär Waneck, es ist zu billig, wenn Sie sich auf die Länder ausreden und uns erklären, Österreich sei halt ein föderalistischer Staat, und die Länder hätten halt hier mitzureden. Da, wo es Ihnen genehm ist, fahren Sie ja auch drüber, wie etwa bei den Arbeitern, bei den Arbeitslosen, bei den Pensionisten, bei den sozial Schwachen – und jetzt auch bei den Kranken.

Sie erklären uns auch, dass Sie für eine Versicherungslösung sind, und präsentieren uns dann eine 10-S-Lösung. Es ist wirklich ein Skandal, wenn Sie den betroffenen Patienten, den Geschädigten den Schaden auch noch selbst zahlen lassen. Sie betreiben damit eine Systemumkehr, wo nicht der Täter schuld ist, sondern das Opfer.

Sie wissen, dass diese Lösung ungerecht ist, weil nicht alle in den Topf einzahlen, und Sie wissen auch, dass es sich im Ergebnis um Almosen handelt, die nicht geeignet sind, eine entsprechende Abgeltung zu geben.

Herr Staatssekretär, ich frage Sie: Warum verhindern Sie eine gemeinsame, vernünftige und umfassende Dokumentation, die Sie ja auch als Grundlage für eine vernünftige Lösung brauchen würden, die, wie ich höre, auch den Ländern angenehm wäre? Warum? – Die Antwort darauf haben Sie selbst im Ausschuss gegeben: weil Sie der Meinung sind, dass dies eine überzogene Forderung sei. Das bestätigt, dass Sie eigentlich keine andere Lösung wollen, und das bestätigt auch, dass Sie entschlossen sind, weiterhin Klientelpolitik auf Kosten der Kranken zu betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.29

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kaipel, Sie haben ein eigenartiges Verständnis, wie die Regierungsparteien mit Ihren Anträgen umgehen sollen. Wenn wir vertagen, dann ist es Ihnen nicht recht. Es ist Ihnen offensichtlich lieber, wenn wir Ihre Anträge ablehnen, damit Sie dazu reden können. Sagen Sie dem Antragsteller Lackner, dass Sie froh sind, dass die Regierungsparteien den Antrag Lackner ablehnen! – Ich verstehe diese Ihre Gedankengänge nicht ganz.

Aber ich kann Ihnen in einem Recht geben, Kollege Lackner: dass die Patienten 30 Jahre lang "arme Schweine" waren, wenn eine Behandlung danebengegangen ist, denn in 30 Jahren sozialistischer Gesundheitspolitik wurde in Bezug auf verschuldensunabhängige Entschädigung für die Patienten nichts gemacht.

Staatssekretär Waneck, ich möchte dir gratulieren. Wir haben es gemeinsam mit der ÖVP zusammengebracht, eine verschuldensunabhängige Patientenentschädigung zu schaffen. Kollege Rasinger war daran auch ganz wesentlich beteiligt. Das freut mich. Die Patienten sind froh darüber. Sie mussten bisher jahrelange, ja jahrzehntelange prozessuale Streitigkeiten durchmachen. Oft haben sie den Prozessausgang gar nicht mehr erlebt, weil das so lange gedauert hat.

Nun gibt es eine verschuldensunabhängige Patientenentschädigung, und trotzdem bleibt der Rechtsweg noch offen. Es ist nicht so, dass dann der Rechtsweg nicht mehr beschritten werden könnte.

Aber, Herr Kollege Lackner, wenn Sie die Schlichtungsstellen, die Sie in Ihren Anträgen anführen, kritisieren, möchte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen: Es gibt gute Schlichtungsstellen, es ist nicht alles optimal, das weiß ich. Es kann eine Verbesserung geben. (Abg. Lackner:


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Jetzt kennen wir uns nicht mehr aus! Jetzt sagen Sie selbst, es ist nicht optimal!) Aber es ist nicht immer so, dass die Ärztekammer die Patienten, die zu Schaden kommen, billig abspeist; sie willigen ja ein. Man kann sicherlich von Verbesserungen sprechen – keine Frage. Ich möchte aber auch einmal der Patientenanwaltschaft meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen, denn diese leistet großteils sehr, sehr gute Arbeit.

In diesem Sinne bin ich froh, dass wir schon Vorarbeit geleistet haben und dass die Patientenrechte mit den Patientenchartas in vielen Bundesländern gestärkt wurden – in Wien noch nicht. Es freut mich auch, dass wir die verschuldensunabhängige Patientenentschädigung schon haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: 6 Minuten, ein Wahnsinn!)

17.32

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Klubobmann Westenthaler, es tut mir Leid, dass mir die Patienten drei Minuten mehr wert sind als Ihrem Kollegen Pumberger. Ich hoffe, das erregt Sie nicht zu sehr. (Abg. Ing. Westenthaler: Es kommt nicht auf die Zeit an!) Es kommt nicht auf die Zeit an, sondern auf den Inhalt. Ja, da werde ich wahrscheinlich auch noch mithalten können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wahrscheinlich aber nur!) Wahrscheinlich!

Eine große Studie der Stanford University in den USA beziffert den Prozentsatz von geschädigten stationär behandelten Patienten mit zirka 3,7 Prozent. In Österreich spricht man von Promillewerten. Da muss man sich natürlich fragen: Woher kommt dieser große Unterschied, dass in Amerika viel mehr Patienten zu Schaden kommen als in Österreich? Da muss man natürlich schon vermuten, dass eine gewisse Grauzone zu verzeichnen ist.

Tatsache ist, dass in Sachen Patientenrechte in den letzten Jahren zweifellos viel geschehen, viel gemacht worden ist – auch auf gesetzlicher Ebene. Das ist keine Diskussion. Trotzdem werde ich Ihnen nachweisen können, dass nach wie vor Patientinnen und Patienten im Falle eines Schadenersatzanspruches – berechtigt oder vermutet – immer noch auf dem kürzeren Ast sitzen. 90 Prozent aller Verfahren werden nicht positiv im Sinne der Patientenansprüche abgehandelt. Das ist doch etwas! Nur 10 Prozent kommen zu ihrem Recht, wobei ich zugebe, dass da natürlich die Grauzone beinhaltet ist.

Wenn Sie sich fragen, welche Ursachen da zugrunde liegen, ist die Antwort darauf auch nicht so schwierig. Sie werden zugeben, dass man sich in einer Medizin, die sich immer weiter vorwagt, immer mehr an Grenzen stößt, wo heute etwas behandelt wird, was vor Jahren noch als unheilbar oder unbehandelbar angesehen wurde, zwangsläufig auf Risikogebieten und -feldern wieder findet, bei denen man Behandlungsschäden einkalkulieren muss. Das ist einmal ein Grund.

Zweitens wird es durch die immer kompliziertere Medizin einfach schwierig, zwischen schicksalhaften Verläufen – sozusagen: das ist Schicksal, so etwas kommt zu einem gewissen Prozentsatz bei Behandlungen einfach vor – und schuldhaften Schäden zu unterscheiden. Das ist schwierig.

Patienten haben nur eine Chance bei grob fahrlässigem Verhalten von Ärztinnen und Ärzten. Es sind aber nur etwa 9 oder 10 Prozent aller Behandlungsschäden auf grob fahrlässiges Verhalten zurückzuführen, alle anderen auf leichte Fahrlässigkeit. Sie können sich vorstellen, dass weder Ärztinnen und Ärzte noch ihre Versicherungen sehr damit einverstanden sind, wenn in öffentlichen Zivilprozessen ein schnelles, ehrliches, offenes Schuldbekenntnis kommt. Da machen dann die Versicherungen ihren Klienten sogar Schwierigkeiten.

Dritter Grund ist, dass in diesen Konfrontationsmodellen immer sehr viel an Reputation der Ärzte auf dem Spiel steht und diese natürlich – ich will das jetzt gar nicht moralisch bewerten –


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85. Sitzung / Seite 142

von vornherein mauern und sich Patient und Arzt in Gutachterkriege hineinbegeben müssen. Diese bedeuten ewig lange, höchst riskante Zivilprozesse, bei denen Patienten oft bereits nach halber Strecke aufgeben. Und diese bedeuten auch teure Zivilprozesse.

Das könnte man alles ändern, wenn man sich trauen würde, dem Schritt, den Waneck mit diesem Modell zögernd und nur unvollständig und nicht ganz fehlerfrei gesetzt hat, endlich den entscheidenden Schritt im Sinne einer umfassenden verschuldensunabhängigen Haftungsregelung in der Medizin folgen zu lassen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich würde wirklich bitten, dass man auch diesen Anträgen der SPÖ und ihren Intentionen mehr folgt und hier etwas tut: weg vom Konfrontationsmodell hin zu einer Versicherungslösung, weg von Zivilprozessen. Man sollte auch eine Haftungsablöse überlegen, sodass wirklich nur bei groben Fahrlässigkeiten Richter bemüht werden. Wenn man nur die Kausalität prüft, kann man schneller zu einem Ergebnis im Sinne der Patienten kommen. Eine reine Beweislastumkehr, bei der der schwarze Peter von der einen Hand in die andere geschoben wird, ist meiner Meinung nach nicht zielführend.

Nur, eines sage ich Ihnen schon noch, nämlich wozu Ihr Modell geführt hat: In Tirol hat man als Entschädigungsbeauftragten denselben vorgeschlagen, der die Schiedsstelle der Ärztekammer leitet. Man hat sogar den Kammeramtsdirektor der Schiedsstelle in Tirol vorgeschlagen oder zumindest im Talon gehabt, und auch den Gutachter der Schiedsstelle. – Also wenn das gut ist, dann weiß ich nicht! Und wenn Frau Landesrätin Zanon durch Ihr Gesetz, nämlich durch § 27a, die Möglichkeit hatte, zu sagen, die Patientenvertretung habe als Entschädigungsbeauftragte Parteistellung und sei daher untragbar, dann aber den Vorsitzenden der Schiedskommission der Ärztekammer beruft, so ist da irgendetwas faul! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch etwas sage ich Ihnen: Sollte es Ihnen, der Partei der Kleinen und Armen, der Arbeiter und der Geknechteten, nicht aufgefallen sein: Zahlen tun diese 10 S nur die – unter Anführungszeichen – "Normalklassepatienten". Die Sonderklassepatienten sind davon ausgenommen. Wirklich eine "hehre" Tat: den Wohlhabenden noch 10 S, die sie wahrscheinlich gar nicht brauchen, zu geben! Ich glaube, dass das auch gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. (Abg. Ing. Westenthaler: Nicht einmal in 6 Minuten haben Sie es geschafft!)

Nicht einmal in 6 Minuten? – Aber Sie hätten es wahrscheinlich nach einer halben Stunde auch nicht verstanden, Herr Westenthaler! – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung Grüne –: Der Professorenhochmut! – Abg. Haigermoser: Hochmut kommt vor dem Fall!)

17.38

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kaipel hat behauptet, das Ganze sei ja nur "Almosen". – Sie hätten wirklich jede Menge Zeit gehabt – 30 Jahre, länger, wenn Sie wollen –, mehr als Almosen zu spenden. Sie haben es nur nicht gemacht! Man tut sich dann sehr leicht, etwas zu kritisieren, was man selber verabsäumt hat, und dann noch auf Formalismen herumzureiten und zu sagen, wie grauslich die 10 S seien!

Denken Sie doch einmal an das grausliche Schicksal derer, die gar nichts bekommen! Da schauen Sie einfach weg! Ihnen ist der Formalismus lieber. Sie wollen die große Lösung, die mit den Ländern einfach nicht möglich war. Wien hat sich quer gelegt, das Burgenland hat sich quer gelegt. Dann der Bundesregierung einen Vorwurf zu machen, halte ich für billig. Ich meine, man sollte anerkennen, dass das ein wichtiger Schritt nach vorne war.


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85. Sitzung / Seite 143

Schon im Jahre 1989 habe ich das mit Minister Ettl in das damalige Regierungsprogramm hineinverhandelt. Es war auf Grund der knappen Finanzlage schlicht und ergreifend nicht möglich, das finnische Modell, welches viele gerne gesehen hätten, durchzusetzen.

Mir würde auch vieles an dem Modell von Professor Pichler oder Professor Barta gefallen. Ich wüsste auch viele Verbesserungsvorschläge. Aber eine Umsetzung war auf Grund des Geldmangels einfach nicht möglich. Deshalb ist mir dieser Schritt nach vorne lieber.

Was wollen Patienten, wenn sie einen Schaden erlitten haben? – Sie wollen nicht zehn Jahre lang klagen, bis sie vielleicht vom Richter hören müssen, es war doch ein schicksalhafter Verlauf. Dann bekommen sie gar kein Geld und fühlen sich doppelt bestraft, weil sie auch noch die Verfahrenskosten tragen müssen.

Deshalb erstens: rasch helfen, zweitens: ohne Kosten für den Patienten, drittens: fair, und viertens: Der Weg zum Zivilgericht ist niemandem verbaut, es sind weiterhin Kunstfehler-Prozesse möglich. Mir ist deshalb dieser Schritt nach vorne, der uns in Europa gar nicht so schlecht ausschauen lässt, lieber, als gar nichts zu tun und ewig herumzukritisieren und so zu tun, als ob das alles Almosen wären. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.41

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich, Herr Dr. Rasinger, ist es unbestritten, dass sich in den letzten Jahren doch ein wenig etwas in Richtung Entschädigung von PatientInnen bewegt hat. Aber das darf doch nicht heißen, nur weil sich ein wenig etwas bewegt hat, dass jetzt wieder Stillstand herrschen soll.

Herr Rasinger, Sie haben eines vergessen. Sie haben gesagt, den Patienten solle schnell und kostenfrei geholfen werden. Da stimme ich Ihnen zu. Aber das Dritte ist auch nicht unwesentlich: Es soll ihnen so geholfen werden, dass sie auch eine bedürfnisgerechte Entschädigung bekommen. Aber solange es die derzeit bestehenden Obergrenzen gibt, wird es niemals eine bedürfnisgerechte Entschädigung geben. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Pumberger, Sie wissen das ganz genau, ich erzähle Ihnen ja da wahrscheinlich nichts Neues; Sie werden auch schön öfters Kontakt mit Menschen gehabt haben, die bei einer Rückgratoperation verletzt worden und seither querschnittgelähmt sind und deshalb ihr Leben lang im Rollstuhl sitzen müssen. Um 300 000 S können sie sich nicht einmal einen Lift einbauen lassen, damit sie in ihre eigene Wohnung kommen können. Da bringen eben 300 000 S nichts! Das ist zwar nach Herrn Dr. Rasinger auch etwas, aber die geschädigte Person hat damit nicht einmal die Chance, auch nur annähernd irgendwie zu überleben.

Darum geht es, Herr Pumberger! Es muss darum gehen, dass Patienten, die geschädigt wurden, auch wirklich die Chance haben, selbstbestimmt leben zu können, und nicht mehr oder weniger weit unter der Armutsgrenze leben müssen. Sie wissen ja aus der Praxis, dass diese Menschen dann deshalb, weil diese Situation eingetreten ist, in Pflegeheimen, in Behindertenheimen landen, weil sie sich ihre eigenständige Existenz zu Hause, in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr leisten können. Darum muss es gehen, und das muss auch das Ziel einer Versicherung sein!

Es wird immer davon gesprochen, das können wir uns nicht leisten, das kostet so viel, et cetera. Ich glaube – da bin ich mir sogar sicher –, Sie werden eine entsprechende Versicherung finden. Wenn es für jene, denen solche Fehler passieren können – ich sage: passieren können; jeder, der arbeitet, macht auch Fehler, das ist völlig klar –, eine entsprechende Kasse gibt, in die sie einzahlen, dann belastet das das Budget nicht, denn das ist eine ganz klare Versicherungsleistung auf Grund einer Haftpflichtversicherung, für die diese Berufsgruppe eingezahlt hat.


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85. Sitzung / Seite 144

Deshalb ist es für mich so unverständlich, dass Sie diese zwei Dinge in Verbindung bringen und sagen: Wir haben dafür kein Geld! – Wir brauchen dafür kein Geld, wir brauchen nur die Bereitschaft, dass jene Berufsgruppe, die es betrifft – in dem Fall sind es hauptsächlich Ärzte –, für eine Haftpflichtversicherung entsprechend einzahlt, damit die geschädigten Patienten eine bedürfnisgerechte Entschädigungsleistung bekommen. Das ist der Kern der Sache, und daran müssen wir arbeiten!

Ich bitte Sie, Herr Pumberger, dass Sie das unterstützen und nicht sagen, ein bisschen etwas ist hier gemacht worden, und jetzt legen wir uns auf das Ruhekissen und sind glücklich, dass wir ein bisschen etwas getan haben, auch wenn vielleicht die nächsten zehn Jahre in diesem Bereich nichts mehr weitergeht. Das kann es nicht sein! (Beifall bei den Grünen.)

17.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.45

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Trotz aller Diskussion, wir kommen nicht darum herum: Mehr Rechte für Patienten, das hat diese Bundesregierung und das hat im Besonderen Herr Staatssekretär Waneck in kürzester Zeit mit zwei wichtigen Maßnahmen bewirkt, und zwar als erste Bundesregierung – vorher hat es das einfach nicht gegeben.

Das eine war die Einrichtung der Härtefonds, das andere war die Erstellung der Patientencharta. Mit den Härtefonds gibt es zum ersten Mal – vorher nicht da gewesen – eine verschuldensunabhängige, schnelle Hilfe für Härtefälle; eingehoben werden dafür 10 S pro Pflegetag. 10 S kann sich jeder von Ihnen leisten.

Leider, das muss ich auch sagen – und da bitte ich alle Fraktionen, auf ihre Organisationen in den Ländern einzuwirken –, gibt es keine bundeseinheitliche Lösung, weil sich eben die Länder nicht dazu bereit erklären, eine bundeseinheitliche Lösung zu realisieren. Aber da sind Sie alle gefordert.

Zum Zweiten: Die Patientencharta zeigt zum ersten Mal detailliert auch die Rechte der Patienten auf, das heißt das Recht auf Behandlung und Pflege, auf Würde und Integrität, auf Selbstbestimmung, auf Dokumentation und – das ist mir ganz wichtig – ganz besondere Rechte für die Kinder. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wie immer, wie Sie es jetzt als gute Opposition auch müssen, kritisieren Sie die Maßnahmen mit Ihren zwei Anträgen, Herr Kollege Lackner. Sie kritisieren die Maßnahmen, die bis jetzt gesetzt wurden. Auf Landesebene aber, meine Damen und Herren – und das ist das wirklich Erstaunliche (die Rednerin hält eine Broschüre in die Höhe); ich darf Ihnen hier eine Broschüre zeigen –, werben Sie dafür! Da wirbt die ÖVP – und da wirbt die SPÖ mit der Frau Landesrat Stöger mit einer eigenen Broschüre für die Rechte des Patienten im Krankenhaus. (Abg. Haigermoser: Lackner, stimmt das?) So gut, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ist diese Regierung.

Das zeigt mir wieder einmal mehr – wie sollte ich das anders interpretieren? –, dass es da ein gewisses Indiz für eine Bewusstseinsspaltung Ihrerseits gibt: Regierungspartei kann ich nicht mehr sein, gute Opposition bin ich noch nicht, das heißt, ich bin eben ganz einfach gespalten. Und da fällt mir spontan nur eines ein, nämlich ein sehr schönes Lied: Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken? Wem künd’ ich mein Entzücken, wenn – in diesem Fall – traurig pocht mein Herz? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir werden alle einmal Patienten sein, wir sind alle Patienten. Jedem von uns wird dann bewusst, wie verletzlich man wirklich ist. Jeder braucht das Vertrauen zu seinem behandelnden Arzt, zu seiner Krankenschwester, zu seinem Assistenten.


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Ich möchte schließen mit dem Motto unserer Kinderklinik in Linz, das neben den Kindern auch Väter und Mütter begrüßt: Zusammenkommen ist der Anfang, zusammenarbeiten ist der Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.48

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Unser aller Ziel sollte es unbestrittenerweise sein, eine Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auf dem höchstmöglichen Qualitätsniveau sicherzustellen. Das ist das Ziel dieser Regierung. Mit diesen Anträgen, sehr geehrter Herr Lackner und GenossInnen, wollen Sie nur Fehler und Mängel verwalten und Betroffene abfinden – das dient diesem Ziel in keiner Weise.

Unbestritten ist – und das ist auch schon aus den Ausführungen meiner Vorredner hervorgegangen –, dass es gewisse Beweisschwierigkeiten gibt. Diese gibt es aber nicht nur in diesem einen Bereich, die gibt es nicht nur im Bereich der Patienten und der in der Gesundheitsversorgung auftretenden Fehler und Mängel, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Aber diese Beweisschwierigkeiten können wohl nicht dazu führen, dass Beweisprobleme dann von den Patienten auf diejenigen verlagert werden, die den Menschen helfen wollen: auf die Ärzte, auf die Krankenschwestern und Krankenpfleger, auf das Personal in den Krankenhäusern.

Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse, die dazu führen, dass es durch solch verstärkte Haftungen zu Beweisschwierigkeiten für die Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes kommt, dass die Kosten für die Haftpflichtversicherung geradezu explodieren oder, das andere Extrem, dass man sich durch exzessive Freizeichnungen von den Haftungen möglichst befreit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ, Sie wollen mit Ihren Anträgen hier eine Verwaltung von Mängeln und Fehlern erreichen. – Diese Regierung war, wie in vielen Bereichen, auch hier wieder einmal schneller und hat einerseits mit der Einrichtung des Härtefonds reagiert, mit der Zurverfügungstellung finanzieller Mittel, um Probleme, die auftreten können, abdecken zu können, und andererseits auch mit einer Ärztegesetz-Novelle, durch die genau dort, wo es darum geht, solche verschuldensunabhängigen Verhandlungen zu führen, Verhandlungen auch im außergerichtlichen Bereich zu führen, die Verjährungsfristen gehemmt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Acht Bundesländer in diesem Staat haben bereits Patientenanwälte und Patientenvertretungen eingerichtet, um allen Beteiligten zu ihrem Recht zu verhelfen und Mittel aus diesen Härtefonds zu verteilen. Die einzige Ausnahme, die es gibt, ist das Burgenland, und dort ist ein sozialdemokratischer Landesrat verantwortlich. Bitte setzen Sie in Zukunft in diesem Bereich Ihren Schwerpunkt! (Beifall bei der ÖVP.)

17.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte.

17.51

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Irgendwie ist die Haltung etwas schizophren, wenn hier wechselweise, wie es gerade passt, die USA zitiert werden. Auf der einen Seite haben sie angeblich das schlechteste Gesundheitssystem, was ich durchaus bestätigen kann, weil dort 40 Millionen Menschen oder 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt davon ausgenommen sind. Vielleicht ist dieser hohe Prozentsatz der Grund, warum man dort letztlich nur die Möglichkeit hat, über Gerichte zu seiner Behandlung zu kommen. Auch der diesbezügliche Vergleich lässt in mir den Verdacht aufkommen, dass dadurch vorwiegend teure Anwaltsbüros am Leben erhalten werden.


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85. Sitzung / Seite 146

Ich meine, wir leben hier in Europa und sollten uns an Europa orientieren. Ich darf nur drei Punkte mit jeweils einem Satz anschneiden:

Der Vater der vorliegenden verschuldensunabhängigen Patientenentschädigung ist Herr Professor Pickl. Er war Mitarbeiter in dem Arbeitskreis, in dem dieses Modell erarbeitet wurde, das letztlich von den Bundesländern angenommen wurde. Und es wurde deswegen angenommen, weil wir das gemacht haben, was auch gefordert war und was wir sofort umgesetzt und aus dem eigenen Budget bedeckt haben, nämlich die Koordinierungsstelle für den Fonds, sodass die Bundesländer schließlich bereit waren, das entsprechend umzusetzen.

Ich selbst bin auch nicht glücklich über die jetzige Regelung. Sie ist aber ein Anfang, und sie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die hier anwesenden Nationalräte sind alle Vertreter der Bundesländer. Sie können sehr wohl darauf hinwirken, dass im Rahmen der Artikel-15a-Vereinbarung dann jener Betrag zustande kommt, der ursprünglich vorgesehen war und in Hinkunft auch notwendig sein wird.

Aber lassen wir die Kirche im Dorf! Wir haben jetzt einen Anfang gemacht. Wir haben derzeit genügend Mittel dafür. Wir haben es umgesetzt. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen. Seien wir damit zufrieden, dass wir etwas in die Tat umgesetzt haben, was 30 Jahre lang fruchtlos diskutiert wurde! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

17.53

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Professor Grünewald, Sie haben gemeint, dass der Herr Staatssekretär das nur zögernd und unvollständig umgesetzt hat. – Zögernd glaube ich wohl nicht. Es ist so, wie wir gehört haben: Die SPÖ hätte 30 Jahre lang Zeit gehabt, so etwas umzusetzen. Soweit ich mich erinnern kann, hat der Herr Staatssekretär das innerhalb von drei Monaten umgesetzt. Es war eine seiner ersten Aktionen. Ich glaube, schneller geht es nicht! Diesbezüglich möchte ich mich bei Herrn Staatssekretär Waneck auch recht herzlich bedanken.

Zweitens: Dem Wort "unvollständig" kann auch nicht ganz stimmen! Ich nehme an, Herr Professor Grünewald, Sie wissen, dass durch den Föderalismus die Länder für die Umsetzung beziehungsweise die Durchführung dieser Entschädigungslösung verantwortlich sind und dass das daher zu deren Obliegenheiten und Kompetenzen zählt. Der Herr Staatssekretär hatte keine Möglichkeit, dabei auf die Länder Einfluss zu nehmen.

Ich möchte aber auch einen anderen Bereich, nämlich den der Patientencharta, ansprechen. Frau Kollegin Povysil hat gesagt, in Oberösterreich vermarktet das eine sozialistische Landesrätin. Ich darf das Beispiel Wien nehmen. Ich weiß, dass im Wiener Landtag unsere Fraktion zum zweiten Mal den Antrag gestellt hat, dass diese Patientencharta in Wien als letztem Bundesland umgesetzt wird. Ich darf hier den Appell an die Kollegen von der Sozialdemokratie richten, vielleicht doch die Kollegen im Wiener Landtag dazu zu bewegen, diese Patientencharta auch umzusetzen. Das ist ja letztendlich im Sinne der Patienten, und da wollen Sie ja auch hin, hoffe ich. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wochesländer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

17.55

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zum Entschließungsantrag der sehr geschätzten Kollegen Lackner und Genossen kann einem nur eines einfallen, und zwar: Es lebe die Doppelgleisigkeit! – und sei es nur, damit die Roten die eigenen Fehler zudecken und sich gegen Maßnahmen der Regierung stellen können. Etwas anderes ist es nicht, denn gerade das größte Bun


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desland ... (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )  – Herr Kollege, ich glaube, Sie haben heute schon einen Rüffel bekommen, dass Sie sich ein bisschen zurückhalten sollen. Also bitte! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gerade das größte Bundesland Wien, mit dem höchsten Patientenaufkommen, den meisten Ärzten und Krankenanstalten hat noch immer nicht die Patientencharta unterschrieben. Da können Sie etwas tun, Herr Kollege! Sie aber fordern einen Gesetzentwurf, der sich explizit mit Rechtsgrundlagen auseinander setzt, die beim besten Willen nicht unter einen Hut zu bringen sind. Eine Festschreibung von – unter Anführungszeichen – "eindeutigen Rechtsgrundlagen" ist ja in keiner Form der Gesetzgebung vorhanden; es wird ja auch sonst der Richter dazu gebraucht, dass er feststellt, was wirklich los ist und wie der Fall liegt.

Das wäre gerade bei dieser Materie meines Erachtens völliger Nonsens. Ich glaube, nicht einmal Ihr angeblicher "Rechts-Einstein", Herr Dr. Jarolim, hätte es jemals geschafft, zum Beispiel in der furchtbaren Causa ... (Abg. Dr. Khol: "Eurolim"!)  – Ach so, das habe ich falsch verstanden. Er hat sich noch nicht bei mir vorgestellt, und die Chipkarte gibt es noch nicht, auf der ich es lesen hätte können. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Möglich ist es natürlich schon, dass er präventiv etwas gefunden hätte, was zum Beispiel auf die Causa mit den Schwestern im Krankenhaus Lainz, auf diese furchtbare Sache gepasst hätte, aber glauben kann ich so etwas nicht.

Herr Kollege Lackner! Ich kann Ihnen nur sagen: Es wäre viel besser, hier nicht zu querulieren, sondern die Unterzeichnung der Patientencharta bei Ihren Wiener Freunden einmal endgültig fix zu urgieren. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.57

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um diese Tagesordnungspunkte zeigt einmal mehr, dass manche diese Anträge entweder nicht gelesen oder nicht verstanden haben. Anders kann ich mir das, mit Verlaub, nicht erklären. (Abg. Wochesländer: Doppelgleisigkeit! Sie ignorieren die Patientencharta!)

Lieber Kollege Auer! Wir haben mit diesen Anträgen niemanden angegriffen. Wir haben versucht, politisch wirklich etwas weiterzuentwickeln, was auch notwendig ist – was übrigens auch Herr Staatssekretär Waneck einmal gesagt hat; ich zitiere ihn –, da die derzeitige Lösung im § 27a KAG nur eine Zwischenlösung sein kann. – Also Formalismen, lieber Kollege Rasinger, sind das keine. Ich weiß nicht, was du unter Formalismen verstehst. Das wäre bei einer Versicherung, die sich der Versicherte selbst bezahlt, ungefähr so, als ob ich mich für die Eventualität versichern lassen müsste, dass ich am Gehsteig von einem Auto angefahren werde. Das wäre schon eine ein bisschen komische Geschichte, nicht?

Das ist also zumindest "reparaturbedürftig", und ich denke, wir sollten uns dabei auf einer gleichen Ebene bewegen. Durch diese Anträge ist niemand angegriffen worden, sondern wir haben versucht, die derzeit bestehende Lösung vorsichtig weiterzuentwickeln, und zwar zum Wohle der Patientinnen und Patienten – nicht mehr, aber auch nicht weniger, Herr Kollege Rasinger! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das ist auch irgendwie symptomatisch. Wenn man die letzte Sitzung des Gesundheitsausschusses Revue passieren lässt, die leicht chaotisch geprägt war, um es einmal sehr vornehm zu formulieren, dann muss man festhalten, es standen 13 Punkte auf der Tagesordnung, sofern ich mich richtig erinnere. Drei Punkte haben wir schlussendlich behandelt, zwei davon werden heute abgelehnt, und einen Punkt haben wir beschlossen. Der Rest ist vertagt worden, Kollege Rasinger, und zwar auch gute Anträge der Opposition, die offensichtlich das gleiche Schicksal


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85. Sitzung / Seite 148

erfahren sollen wie die Anträge, die Sie heute vornehm, aber doch, entsorgen. (Abg. Dr. Pumberger: Das war Ihr Wunsch, dass wir das ...!)

Herr Kollege Pumberger, bitte vermengen Sie nicht immer zweierlei Dinge! Ich versuche gerade, Ihnen sehr fein zu erklären, dass wir durchaus bereit sind, in gewissen Bereichen mit Ihnen gemeinsam die Gesundheitspolitik weiterzuentwickeln. Sie aber reden wieder hinein und liefern neuerlich den Beweis dafür, dass Sie von der Materie relativ wenig verstehen – außer dass Sie eben ein paar zynische Zwischenrufe machen, die aber in diesem Haus ohnehin schon keinen Mensch mehr interessieren; damit das einmal klar ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Nochmals, Herr Kollege Pumberger: Wir sind bereit, die Anträge, die wir eingebracht haben, die aber damals vertagt worden sind, gemeinsam als Vier-Parteien-Anträge wieder einzubringen, weil wir glauben, dass diese Anträge für die Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitssystems wichtig sind. Wir reichen Ihnen die Hand. Wir wollen das. Wir sind bereit, Gesundheitspolitik zu machen, und daher war es auch notwendig, heute einmal im ersten Block aufzuzeigen, warum wir eine Veränderung in diesem Lande wollen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 870 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 871 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

13. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird (472/A)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die aktuellen Meldungen der letzten Tage verfolgt, so lässt sich daraus auch ein gutes Bild für diesen Antrag darstellen. Die Semperit-Holding mit Sitz in Wimpassing steht vor dem elften Jahr mit Rekordergebnis: Das Ergebnis ist ein Umsatzplus von 7,1 Prozent bei der Geschäftstätigkeit, insgesamt ein Umsatzplus von mehr als 10 Prozent.

Dem gegenüber steht das Semperitwerk in Traiskirchen mit einer unsicheren Zukunft, ohne klare Zukunftsaussichten, und die dortige Belegschaft ist sogar mit der drohenden Schließung dieses Standortes konfrontiert.


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85. Sitzung / Seite 149

Der ÖIAG-Vorstand Michaelis stellt die VA-Tech als Krisenfall dar. Das erinnert an Äußerungen des Aufsichtsratsvorsitzenden der ÖIAG im heurigen Jahr. Und Frau Abgeordnete Pecher begründet die Unterbewertung der ÖIAG-Anteilsbeteiligungen mit dem hohen Staatsanteil.

Worum geht es eigentlich? – Faktum ist, dass viele Bereiche im internationalen Betriebswesen sehr wohl über einen hohen Staatsanteil verfügen. Aber der Unterschied zu der österreichischen derzeitigen Politik besteht darin, dass sich diese Anteilseigner zu ihrem Unternehmen bekennen und nicht die Ausverkaufspolitik in den Vordergrund rücken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus diesem Grund geht es mit dem Antrag auf Umwandlung der ÖIAG von einer Privatisierungs- zu einer Beteiligungsholding zur längerfristigen Wahrnehmung der Interessen Österreichs um die Chancen für die Zukunft, nicht nur für diese Betriebe, sondern vor allem auch für die Zulieferbetriebe, die klein- und mittelständische Wirtschaft Österreichs. Darum geht es in Wirklichkeit bei diesem Antrag.

Wenn Sie daran denken, dass mehr als 5 Prozent der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Betrieben tätig sind, dann werden Sie erkennen: Es ist mehr denn je an der Zeit, zu einer Änderung der Politik zu kommen, wie das auch viele andere Beispiele beweisen. Das sieht man an Erfahrungen, die man macht, wenn man Konzernzentralen aus dem Land treibt, wenn man die Privatisierung nur unter dem Blickwinkel der Ertragslage des Privatisierungserlöses sieht und nicht gleichzeitig auf die Wirkung für den jeweiligen Standort achtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen, gerade in diesem Zusammenhang auch die morgige Ausgabe der "Kronen Zeitung" zu lesen, und zwar den Wirtschaftsteil, in dem Georg Wailand schreibt – ich zitiere –:

"Was mit Semperit passiert ist, sollte eine Warnung an alle übereifrigen Ausverkaufs-Prediger sein: Österreich als wirtschaftlich erfolgreiches Land sollte in der Lage sein, wichtige Konzerne mit ihrem Stammsitz in Österreich zu halten. Das ist sehr wohl eine Aufgabe der Regierung. Wenn es überhaupt noch so etwas wie eine Wirtschaftspolitik bei uns gibt, dann sollte das ein wichtiger Bestandteil dabei sein!" – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist mehr denn je an der Zeit, all jenen zu folgen, die mit etlichen Studien beweisen, wie wichtig es ist, Konzernstandorte, Betriebsstandorte, wo die tatsächlichen Entscheidungen fallen, im Lande zu halten.

Wir alle wissen ganz genau, dass die großen Kapitalvermögen in Österreich eben nicht vorhanden sind. Auch deswegen ist es wichtig, dass der Staatsbesitz nicht als ein negatives Beispiel dargestellt wird, sondern dass man anerkennt, dass er in Wirklichkeit als ganz entscheidender Faktor für den Erhalt von vielen Unternehmungen im eigenen Land dienen kann – vor allem dann, wenn sich die Politik in die Gestaltung der Unternehmen nicht einmischt.

Ich verweise noch einmal sehr deutlich sowohl auf die Äußerungen des Aufsichtsratsvorsitzenden im heurigen Jahr im Zusammenhang mit einem sehr großen Unternehmen Österreichs als auch auf die letzten Äußerungen von ÖIAG-Vorstand Michaelis im Zusammenhang mit der VA-Tech.

Solche Äußerungen dienen nicht der Standortsicherung, sondern dienen letztendlich nur dem Verschleudern von Aktien, weil dadurch der Aktienkurs sinkt. Vielleicht mag das für den einen oder anderen eine gewisse Taktik sein. Wenn es aber um den Erwerb, um den Erhalt österreichischer Unternehmen geht, dann muss man eine andere Politik formulieren, und daher lade ich Sie ein, unserem Antrag näher zu treten und der Umwandlung der derzeitigen Privatisierungsholding ÖIAG in eine Beteiligungsholding zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Desaster mit Neuwahlantrag! Haben Sie über das Fiasko mit dem Neuwahlantrag auch gelesen? – Abg. Verzetnitsch  – das Rednerpult verlassend –: Ich rede jetzt über die Belange der Wirtschaft!)

18.06


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85. Sitzung / Seite 150

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.06

Abgeordneter Ing. Gerhard Bauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Präsident Verzetnitsch, ich habe Ihren Antrag gut studiert, auch dessen Begründung. Ich muss sagen, ja, darin sind gute unternehmerische Interessen und Gedanken enthalten. Da verbindet uns sogar eine Seelenverwandtschaft. Ich gebe Ihnen Recht. Aber ich muss Ihnen sagen, Sie kommen mit Ihrem heutigen Antrag um zwei Jahre zu spät, und mit der Ideologie, die Sie in der Begründung formuliert haben, sogar um 20 Jahre zu spät! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Wo ist jetzt Ihre Seele in dem Spiel?)

Da ist meine Seele mit im Spiel, denn ich will jetzt gar nicht wieder mit Zahlen kommen. Die kommen zum Schluss, wenn ich vom Verschleudern rede. Meine Seele sagt Ihnen, vor zwei Jahren haben wir mit dem ÖIAG-Gesetz 2000, wenn wir ganz schnell skizzieren, § 1: die Wesensmerkmale, § 8: das Privatisierungsverfahren und § 9: das Beteiligungsmanagement festlegen müssen. Ich betone: nicht wollen, sondern müssen!

Im § 8 wurde eindeutig festgelegt – das war eine ganz geschickte Variante –, dass die makroökonomische Basis für den Staat geschaffen wurde, als Wirtschaftslenker nur mehr die Rahmenbedingungen vorzugeben und damit Arbeitsplätze zu sichern. (Abg. Verzetnitsch: Genau darum geht es!) Und genau das wurde auch geschaffen, und ich glaube, das war ein wichtiger Teil einer Sozialvorsorge. Und mit dem § 9 haben wir ohnehin das Beteiligungsmanagement gehalten: das Beteiligungsmanagement in der Form von maximal 25 Prozent plus eine Aktie, oder wie man im Wirtschaftsdeutsch sagt, die Sperrminorität. Dafür habe ich auch etwas übrig, denn diese sichert nationale Interessen, und gegebenenfalls auch ländliche Versorgungsstrukturen.

Aber wie war denn die Situation, als wir die ÖIAG übernehmen mussten? – Nicht einmal die Zinsen haben wir durch Ihre Dividenden zahlen können, die damals ausgeschüttet wurden! Dazu möchte ich sagen, Herr Edlinger: Nicht Krankjammern und nicht Gesundbeten hätte geholfen, sondern einen Wunderheiler hätten wir gebraucht! Das muss man feststellen, weil Sie immer von Verschleudern reden. Ich wiederhole: einen Wunderheiler!

Irgendwie hat mich das – ich gehöre schon zur älteren Generation – auch an die Nachkriegszeit erinnert. Wissen Sie, damals haben, um den Schutt wegzuräumen, die so genannten Trümmerfrauen agiert. Und ich muss sagen, wir hätten, als wir die ÖIAG übernommen haben, eigentlich so etwas Ähnliches gebraucht. (Abg. Verzetnitsch: Vielleicht erinnern Sie sich auch daran, dass die Staatsbetriebe nicht mit dem Welthandelspreis konkurriert haben, um die Klein- und Mittelbetriebe ...!)

Wissen Sie, woran ich mich erinnere? – Dass wir von 1956 bis 1975 157 Milliarden Schilling an Steuern bekommen und 131 Milliarden investiert haben. Und dann kam ein gewisser Herr Kreisky, und aus unseren Cash-Betrieben wurden Crash-Betriebe, und dann wurden es Zuschussbetriebe. Daran erinnere ich mich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Damals hätten Sie berühmt werden können – und jetzt kommen meine berühmten 20 Jahre –: Damals hätten Sie schon protestieren sollen gegen die Versorgungs-Hinterhofpolitik und hätten sagen müssen: Wir lassen die Verstaatlichte nicht missbrauchen! (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.  – Abg. Mag. Trattner: Pelargoni!)

Herr Kollege Edlinger, ich bin auch lernfähig. Ich bin gestern in die Putzerei gegangen und habe die Flecken entfernen lassen, nämlich die roten "Piranhas", die in der Verstaatlichten in Form von Funktionären herumgeschwommen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Präsident Verzetnitsch, Sie waren doch ein Mahner in der Wüste. Sie wären doch als Prophet in die Geschichte eingegangen. Wir zwei sind doch vorigen Mittwoch zusammen im Ausschuss gesessen, und ich habe gesagt, nur schwarze Zahlen in den Bilanzen garantieren Ar


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Stenographisches Protokoll
85. Sitzung / Seite 151

beitsplätze. – Der Herr Minister hat genickt, und Sie haben nicht widersprochen. Ich hätte Ihnen das kollegial ebenfalls gewünscht. Das wäre doch für Sie zehnmal gescheiter gewesen, als sich heute mit den Gagenkaisern in Ihrer Gewerkschaft herumzuärgern. (Abg. Verzetnitsch: Was soll das?! – Abg. Dr. Mertel: Der verwechselt das mit einem Wirtshaustisch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was das soll, kann ich Ihnen sagen: Sie kommen heute scheinverwandelt heraus, vom Saulus zum Paulus, und haben eigentlich das Verursacherprinzip vergessen. Am besten wäre für Sie ein Beichtstuhl, und Sie kommen her und verlangen von mir die Absolution für Ihre sozialistischen Wirtschaftssünden! Die kann ich Ihnen nicht erteilen!

Jetzt, da wir den Zug unter Dampf gesetzt haben, jetzt, da der Zug fährt, jetzt würden Sie den Leuten am liebsten weismachen, Sie springen noch vor die Lok und ziehen die Lok, damit sie endlich fährt! – Das glaubt Ihnen doch keiner mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Kummerer und Dr. Rada: Redezeit! – Abg. Dr. Pilz: Ihren Ausweis, bitte!)

Ich sage Ihnen etwas, ganz leidenschaftslos: 100 Milliarden Schilling Schulden haben wir übernommen, Herr ÖGB-Präsident, und jetzt sind wir auf 27,5 Milliarden Schilling herunten und haben nicht einmal mehr den Zeitdruck, verkaufen zu müssen, weil heute die Dividenden schon die Zinsen decken. Wissen Sie, wie angenehm das ist? (Abg. Verzetnitsch: 37 Milliarden ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wer das bezahlt hat, fragen Sie? Wer hat das bezahlt? Was hätten wir denn machen sollen? – Mit Ihnen wären wir doch insolvent gewesen, das wissen Sie doch genau. Wenn ich heute in meinem Unternehmen nicht einmal die Zinsen bezahlen kann, dann ist es am besten, ich melde Konkurs an. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pilz: Herr Präsident! Fingerabdruck! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: So erfolgreich musst du erst einmal sein! – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

18.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.13

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Warum siedeln Industrieunternehmen ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, ihre Konzernzentralen oder ihre Produktionsstätten in bestimmen Ländern an? – Weil die Rahmenbedingungen für diese Industrieunternehmen attraktiv sind. Attraktive Steuersysteme: Stichwort Schweiz, niedrige Produktionskosten: Stichwort Ostländer, und liberale Gesetze für Forschung und Technologie: Stichwort Amerika.

Meine Damen und Herren! Sicher nicht siedeln Industrieunternehmen ihre Standorte dort an, weil ihre Eigentümervertreter das so wünschen, und schon gar nicht, weil eine Sperrminorität mit nationalen Interessen das so vorschlägt – sie wären zumindest schlecht beraten, wenn sie das so täten.

Herr Verzetnitsch hat richtigerweise erklärt, dass auch er vorschlägt, dass sich mit dieser gedachten 25-plus-1-Beteiligung die Politik nicht einmischen soll, sich nicht in diese Standortentscheidungen einmischen soll.

Die ÖIAG-Verbindlichkeiten wurden in den letzten zwei Jahren von 86,6 Milliarden Schilling um 70 Prozent reduziert, betragen aber immer noch immerhin 27,5 Milliarden Schilling. Die Einnahmen können aber schon die Zinslast decken, das ist jedoch für ein Unternehmen dieser Größenordnung auch noch kein Ruhmesblatt.

Meine Damen und Herren! Es geht darum, jetzt bei der ÖIAG für die verbleibenden Unternehmen eine optimale Lösung zu finden: einerseits im Hinblick auf den Erlös, denn an diesem Erlös sind die Steuerzahler, ist die österreichische Bevölkerung interessiert, und es geht andererseits


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natürlich auch darum, optimale Lösungen im Interesse der Unternehmen selbst zu finden. Ich denke in diesem Zusammenhang an die komplizierten Verhandlungen der Telekom, entweder einen strategischen Partner oder eine Investorengruppe zu finden, und ich bin davon überzeugt, dass es diesen Unternehmen wesentlich schwieriger fallen würde, ein optimales Verhandlungsergebnis zu erzielen, wenn man jetzt einen Staatsanteil von 25 Prozent und einer Aktie festschreiben und zementieren würde.

Ich gebe eines zu bedenken, weil hier der Anschein erweckt wurde, dass im Fall der Firma Semperit dieser Antrag nichts mehr helfen würde und helfen wird: Wichtig ist jetzt, für die ÖIAG-Unternehmen optimale Lösungen zu finden, und in dem Moment, zu dem wieder Überschüsse erwirtschaftet werden, kann man meiner Meinung nach überlegen, ob man mit diesen Überschüssen Investitionen in neue Projekte oder Unternehmen tätigt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Abg. Haigermoser  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Kogler –: Der "Industrieexperte"!)

18.16

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, was den Ausschlag für die Beiträge der RednerInnen seitens der Regierungsfraktion und vor allem für jenen von Herrn Ing. Graf gegeben hat, ein derartiges Statement abzuliefern. Vielleicht war er gedanklich noch bei den vorigen Tagesordnungspunkten, die eher medizinisch induziert waren. Er hat uns ja dann sein wirtschaftliches Seelenleben angeboten. (Abg. Haigermoser: Spiel nicht Oberlehrer!)

Mein Resümee ist: Ich habe noch nie eine so konkrete Aufladung des Begriffs "Voodoo-Ökonomie" erfahren dürfen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Jedenfalls: Wenn das blaue Wirtschaftsphilosophie ist, geschätzter Herr Zweiter Präsident, dann wundert es mich auch nicht, wenn bei denen, die wirklich das Sagen haben, Entsprechendes herauskommt. Und genau darauf hat sich ja – und jetzt sind wir tatsächlich bei der Sache – der Antrag des Kollegen Verzetnitsch bezogen. (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie schon einmal etwas gearbeitet? In einem Betrieb? Irgendwo?)

Bitte, Kollege! Es ist wirklich beeindruckend, dass Sie sogar um 19 Uhr noch in der Lage sind, sich selbst zu unterbieten. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Nicht einmal die Uhrzeit kann er lesen! Lernen Sie die Uhrzeit, Herr Kogler!)  – Das hat einfach keinen Sinn. Sie verlängern nur die Anwesenheit von uns allen hier. Wir kommen zum Ernst der Sache, auch wenn es Ihnen nicht passt.

Der Antrag des Kollegen Verzetnitsch hat natürlich genau in der Philosophie und in der Strategie der Bundesregierung angesetzt, was die Wirtschaftspolitik im Allgemeinen und die Strategie bezüglich der ÖIAG im Besonderen betrifft, und darum soll es jetzt gehen.

Es herrscht einfach eine übereifrige Verkaufshysterie, die verbreitet worden ist. Dagegen wendet sich der Antrag, und darüber nachzudenken lohnt sich allemal. Es ist ja ganz einfach erklärt, wozu das strategische Eigentum herangezogen werden kann. Die Entscheidungen würden eher vor Ort fallen, das ist doch ganz logisch, und die Gefahr, dass wir hier bei uns in noch stärkerem Maße verlängerte Werkbänke haben, ginge zurück. Darum geht es.

Ein Allerletztes sei – da keine ernsthafte Debatte mit den Vertretern der Regierungsfraktionen mehr möglich scheint – direkt an Frau Kollegin Pecher gerichtet, deren Redebeitrag ich sehr ernst genommen habe. Frau Kollegin Pecher, Sie haben bestimmte Standortfaktoren aufgezählt, die dafür ausschlaggebend sind, dass sich Industriebetriebe hier ansiedeln. Einen Faktor haben Sie aber nicht genannt: Der soziale Friede und die Lebensqualität sind auch Faktoren für die Ansiedelung von Betrieben, und last but not least die Lohnstückkosten und nicht die Lohnnebenkosten.


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Das alles ist so weit bekannt. Ich wollte diesen Katalog nur ergänzen, und dann können wir anlässlich weiterer Debatten über den Antrag des geschätzten Kollegen Verzetnitsch diskutieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 472/A dem Industrieausschuss zu.

14. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz geändert wird (497/A)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Mag. Maier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.19

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag verbinden wir zwei Zielsetzungen: Zum einen wollen wir, dass in diesem Gesetz wie auch in den anderen Rechtsmaterien des agrarischen Betriebsmittelrechts die Regelung eines Proben- und Revisionsplanes rechtlich, gesetzlich abgesichert wird. Wir halten dies für notwendig, weil im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung – das wissen wir alle, nicht nur auf Grund der Berichte der Europäischen Kommission – Fehler passiert sind.

Im Lebensmittelgesetz, im agrarischen Betriebsmittelrecht gibt es diesen Proben- und Revisionsplan, der einen Auftrag an die Landeshauptleute darstellt, eben nicht. Neben dem Pflanzenschutzmittelgesetz sollte eine derartige Regelung im Futtermittelgesetz, im Saatgutgesetz und so weiter festgelegt werden.

Das zweite Anliegen, das wir mit diesem Antrag verbinden, liegt darin, dass wir eine Schutzbestimmung für die Bauern und für die Händler schaffen wollen. Nach § 25a Lebensmittelgesetz hat nämlich der zuständige Bundesminister die Öffentlichkeit zu informieren, wenn gesundheitsschädliche Lebensmittel in Verkehr gebracht werden. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eine gesetzliche Verpflichtung.

Bedauerlicherweise gibt es eine derartige Regelung im agrarischen Betriebsmittelrecht nicht. Auch wenn Saatgut gesundheitsschädlicher Art illegal in Verkehr gebracht wird – dasselbe gilt für Pflanzenschutzmittel –, hat der zuständige Bundesminister vom Gesetz her nicht die Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu informieren. Es geht hier ganz konkret um die Bauern und um die Händler.

Bundesminister Molterer hat mir in einer Anfragebeantwortung mitgeteilt, dass er diesen Vorschlag prüfen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wir laden Sie ein, diesem Antrag zuzustimmen, weil wir diese Regelung sachlich für gerechtfertigt halten, und auf der anderen Seite wollen wir natürlich auch dem Kontrollprinzip der Europäischen Union entsprechen. Das Kontrollprinzip der Europäischen Union lautet: vom Feld bis zum Tisch. – Es müssen die Kontrollinstanzen und Kontrollmöglichkeiten stimmen. Bedauerlicherweise ist das im agrarischen Betriebsmittelrecht, im Gegensatz zum Lebensmittelrecht, nicht gegeben.


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Das Pflanzenschutzmittelgesetz ist eine der Materien des agrarischen Betriebsmittelrechtes. Wir dürfen Sie namens unserer Fraktion einladen, wenn dieser Antrag im zuständigen Ausschuss diskutiert wird, diesem Anliegen der Bauern, Händler und Unternehmer, aber auch der Konsumenten zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zellot. Freiwillige Redezeitbeschränkung. 3 Minuten. – Bitte.

18.23

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Maier hat den Inhalt des Antrages ja bereits ausgeführt. Es ist für mich natürlich ganz verständlich, dass Sie Sorgen um die Konsumenten haben. Ich bin aber der Meinung, dass die Landwirtschaft beziehungsweise die praktizierende Landwirtschaft vor allem in der Pflanzenproduktion mit dem Pflanzenschutz und mit den Bestimmungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes sehr sorgfältig, sehr sorgsam umgeht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das wird im Zusammenhang mit den verschiedenen Umweltprogrammen und, wie wir auch gestern diskutiert haben, durch die scharfen, genauen und effizienten Kontrollen der Agrarmarkt Austria deutlich.

Das Pflanzenschutzmittelgesetz sieht auch die Überwachung durch das Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft vor. Es regelt auch, wozu die Aufsichtsorgane berechtigt sind, es regelt die Entnahme von Proben von Pflanzenschutzmitteln und die Teilung von Proben, und es enthält auch klare Bestimmungen für den Fall, dass sich ein Geschäfts- oder Betriebsinhaber weigert, eine Amtshandlung in diesem Zusammenhang zu dulden.

Mit diesem Gesetz wird aber auch die genaue Kontrolle geregelt, vor allem die zollamtliche Überwachung, in weiterer Folge die Untersuchung und die Begutachtung der Proben und schließlich die allenfalls bei der zuständigen Verwaltungsbehörde zu erstattende Anzeige.

Ich erwähne das hier ganz bewusst, damit auch klar wird, dass die österreichische Landwirtschaft, in diesem Fall eben vor allem die Pflanzenproduktion, durch das Pflanzenschutzmittelgesetz sehr effizienten und natürlich auch sehr scharfen Bestimmungen unterliegt.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es für den Konsumentenschutz – auch für Sie als obersten Konsumentenschutzexperten, Herr Abgeordneter Maier – in Zukunft oft besser wäre, den Konsumenten klarzumachen, dass im Bereich der bäuerlichen Produktion ein sehr sorgfältiger Umgang mit Pflanzenschutzmitteln erfolgt, und dann wären die Lebensmittel auch besser zu verkaufen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.26

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Maier hat einen Antrag eingebracht, der in der Sache sicherlich zu diskutieren ist; bedauerlicherweise schießt er aber immer gerne über das Ziel. Es ist auch kein Wunder: Seine Geschäftsgrundlage ist das Misstrauen. Er verlangt Regelungen, die es zum Teil schon gibt, er verlangt mehr Bürokratie, er verlangt Schikanen – allerdings nur für die österreichischen Bauern, denn bei Produkten aus anderen Ländern ist ihm das meistens egal.

Bei Wein aus Chile genügt es, wenn er billig ist. Bei Trauben aus Argentinien genügt es, wenn sie billig sind. (Abg. Auer: So ist es! Genau so ist es! – Wo ist er denn, der Jacky Maier?) Er fragt auch nicht nach Pflanzenschutzmitteln bei Zucker aus Serbien und auch nicht bei Schweinen aus Belgien, ob diese tierschutzgerecht gehalten wurden. Es ist leider so, dass ihm neuerdings auch der Weizen aus der Ukraine ganz egal ist – aber die österreichischen Bauern, die nervt er gerne! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wir wissen, dass wir in diesem Wettbewerb bestehen müssen, und wir tun das mit Qualität, wir tun das mit Rücksicht auf die Umwelt und Verantwortung – und unserer Konsumenten wissen das und schätzen das: Sie schätzen die Qualität unserer Bioprodukte, unserer Gütesiegel-Produkte, unsere preiswerte Topqualität.

Der Nikolaus kauft gerade in Österreich ein, und am 6. Dezember wird er diese Qualitätsprodukte zustellen.

Herr Maier! Sie werden nichts davon haben, denn zu Ihnen kommt der Krampus! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Pirklhuber, ich habe auf meinem Computer die Angabe, wonach für die Grünen keine Redezeit mehr übrig ist. (Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsordnung!) Ich bedauere außerordentlich, aber ich muss mich an die Aufzeichnungen, die ich hier auf meinem Bildschirm habe, halten. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist gut so!)

Zur Geschäftsordnung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.28

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich ersuche erstens um Durchsicht der Aufzeichnungen betreffend die Redezeit von Regierungsmitgliedern. Unserer Information nach hat Bundesminister Haupt die Redezeit um 7 Minuten überzogen; das ist den Abgeordneten seiner Fraktion abzuziehen.

Außerdem ersuche ich um Überprüfung unserer Redezeiten, da die diesbezüglich vorhin geäußerten Wahrnehmungen nicht mit unserer Protokollführung übereinstimmen. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung Grüne –: Ihr habt eine Protokollführung?!)

18.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, selbstverständlich werden wir das machen. Ich kann Ihnen nur versichern, dass jeweils die Redezeit der Opposition nach den Wortmeldungen der Regierungsmitglieder nach oben revidiert wird. Daher muss ich annehmen, dass dem Rechnung getragen wurde; aber wir werden das selbstverständlich überprüfen.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

18.29

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Ich verstehe Ihre Traurigkeit wegen der Redezeit überhaupt nicht: Wenn ich mir Ihre Klubredezeit anschaue, dann kommt bei Ihnen auf jeden Abgeordneten doppelt so viel Zeit wie bei den Freiheitlichen oder bei den Sozialdemokraten oder bei der ÖVP. Ich glaube, es wird doch genug Zeit sein, dass sich jeder hier zu Wort melden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Maier! Wenn ich mir diese Forderung anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass die Arbeiterkammer als Konsumentenschützerin etwas überfordert ist. Wie Kollege Schultes schon angeführt hat, sind die österreichischen Bauern die am meisten kontrollierten innerhalb der Europäischen Union. Wenn man sich die Richtlinien anschaut, nach denen die österreichischen Bauern produzieren, dann muss man, glaube ich, sagen, dass Ihre Anträge und Ihre Wünsche mehr oder weniger überflüssig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Bauer hat natürlich, wenn er am ÖPUL-Programm teilnimmt – egal, ob als Biobauer oder als ökologisch wirtschaftender Bauer –, die Pflicht, Aufzeichnungen zu führen, die Pflicht, die Pflanzenschutzmittel, die er verwendet, anzuführen. Er hat das mit den Einkaufsrechnungen zu belegen. (Abg. Gradwohl: Thema verfehlt!) Es gibt hier also sehr gute Kontrollen.


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Auf der anderen Seite habe ich die Konsumentenschützer der Arbeiterkammer aber vermisst, als es um den BSE-Skandal innerhalb der EU ging. Aber das waren eben ausländische Bauern, da hat es nichts ausgemacht. Nur die österreichischen Bauern werden da immer herangezogen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen sagen: Die österreichischen Bauern wirtschaften sehr gut, wirtschaften ökologisch – für den Konsumenten. Ich finde das gut so, und ich glaube, diese Anträge kann ich reinen Gewissens ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 497/A dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zu.

Die Tagesordnung ist hiemit erschöpft.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 552/A bis 565/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3132/J bis 3158/J eingelangt.

Verlangen im Sinne des § 99 (2) GOG

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Weiters gebe ich bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Selbständigen Antrag 556/A der Abgeordneten Mag. Kogler und Dr. Kräuter auf Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof der Bundesministerien für Verkehr, Innovation und Technologie sowie für soziale Sicherheit und Generationen sowie für Wirtschaft und Arbeit, beziehungsweise deren Vorgängerressorts, hinsichtlich der Vollziehung aller dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Bestimmungen einschließlich des Ausschreibungsgesetzes 1989, insbesondere auch im Hinblick auf finanzielle und laufbahnmäßige Begünstigungen von Personen im politischen Nahebereich, zum Beispiel Ministerbüros der Regierungsmitglieder, seit dem 4. Februar 2000 ein Verlangen von 20 Abgeordneten im Sinne des § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellt wurde.

Diese Gebarungsüberprüfung ist ohne Beschluss des Nationalrates durchzuführen, da die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 18.33 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.32 Uhr