Stenographisches Protokoll

12. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 29. April 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

12. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                      Dienstag, 29. April 2003


Dauer der Sitzung

Dienstag, 29. April 2003: 10.00 – 21.50 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsord­nung des Nationalrates zum Thema „Pensionssicherungsreform“

2. Punkt: Erklärung des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Pensionssicherungsreform“

3. Punkt: Bericht über den Antrag 74/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern gering­fügig beschäftigter Personen erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 76/A der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Einhebung einer Ab­gabe für Versicherte, die in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen stehen

5. Punkt: Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Media­tions-Gesetz – ZivMediatG) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilpro­zessordnung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührengesetzes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollzugsgebühren (Vollzugsgebührengesetz – VGebG) geschaffen und die Exekutionsordnung geändert wird (Exekutionsordnungs-Novelle 2003 – EO-Nov. 2003)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Ur­heberrechtsgesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov 2003)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, das Bankwesengesetz und das Versiche­rungsaufsichtsgesetz geändert werden (Bundesgesetz über das Internationale Insolvenzrecht – IIRG)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarkt­aufsichtsbehördengesetz geändert werden


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11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kartell­gesetz 1988, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Versicherungsvertragsge­setz 1958, das Atomhaftungsgesetz 1999, das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börse­gesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (VAG-Novelle 2003)

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Johanna Mikl-Leitner und Dr. Ernst Strasser ........................................................................................... 21

Angelobung der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Martin Preineder und Johann Ledolter             ............................................................................................................. 21

Personalien

Verhinderung .................................................................................................. 21

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung 56/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ...................................................................................... 39

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäfts­ordnung                     89

Redner:

Mag. Terezija Stoisits ............................................................................... 90

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ............................................................. 92

Günter Kößl .............................................................................................. 93

Rudolf Parnigoni ...................................................................................... 94

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................. 95

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................ 96

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ........................................................................................... 40

Unterbrechung der Sitzung ............................................................................. 64

Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (26 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden, in der Fassung des Ausschussberichtes 48 d. B. gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Justizausschuss rückzuver­weisen – Ablehnung .................................................................  138, 151

Aktuelle Stunde (3.)

Thema: „Familienland Österreich“

Redner:

Barbara Rosenkranz ................................................................................. 22

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................... 24

Ridi Steibl ................................................................................................ 26

Mag. Andrea Kuntzl .................................................................................. 27


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Mag. Dr. Magda Bleckmann ..................................................................... 29

Sabine Mandak ........................................................................................ 30

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ............................................................ 31

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................... 33

Sigisbert Dolinschek ................................................................................. 34

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................ 36

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 der Geschäftsordnung betreffend Prüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen hinsichtlich Privatisie­rungs- und Ausgliederungsmaßnahmen seit 1.1.2002, insbesondere Ver­kaufsvorbereitungen für Unternehmen der ÖIAG sowie Vergaben an externe Berater im Zusammenhang mit legistischen Vorhaben (Verwaltungsreform, Organisationsstruktur des Ressorts, Bundesstaatsreform, Privatisierungsge­setzgebung) und Öffentlichkeitsarbeit durch den Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses ............................................... 39

Ausschüsse

Zuweisungen ................................................................................................... 37

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Pensionssicherungsre­form“ .................................................................. 41

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................... 41

2. Punkt: Erklärung des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Pensionssicherungsre­form“ .................................................................. 41

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt .................................................................... 46

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung                          21

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................. 50

Mag. Wilhelm Molterer ............................................................................. 53

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigung) ....................................... 58

Dr. Alexander Van der Bellen .................................................................... 58

Herbert Scheibner ..................................................................................... 62

Friedrich Verzetnitsch ............................................................................... 68

Mag. Walter Tancsits ................................................................................ 71

Karl Öllinger ............................................................................................. 72

Maximilian Walch ..................................................................................... 75

Mag. Barbara Prammer ............................................................................. 77

Mag. Walter Tancsits (tatsächliche Berichtigung) ......................................... 79

Karlheinz Kopf .......................................................................................... 79

Dr. Eva Glawischnig ................................................................................. 81

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................... 84

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 85

Mag. Dr. Magda Bleckmann ..................................................................... 86

Rudolf Nürnberger .................................................................................... 88


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Ridi Steibl ................................................................................................ 89

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................ 97

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 99

Sigisbert Dolinschek ................................................................................. 99

Heidrun Silhavy ...................................................................................... 100

Dr. Helene Partik-Pablé ........................................................................... 102

Sabine Mandak ....................................................................................... 104

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................ 105

Renate Csörgits ....................................................................................... 106

Dr. Gabriela Moser .................................................................................. 107

Doris Bures ............................................................................................. 109

Mag. Werner Kogler ................................................................................ 110

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Ale­xander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung .........................................  62, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines gerechten Pensionssystems für alle – Ablehnung ..............................  74, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Pensionen, die fair, sicher und gerecht sind – Ablehnung ..........................  101, 113

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 74/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig beschäftigter Personen erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz geändert wird (63 d. B.) ................... 113

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 76/A der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz über die Einhebung einer Abgabe für Versicherte, die in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen stehen (64 d. B.)                     113

Redner:

Heidrun Silhavy ...................................................................................... 113

Mag. Walter Tancsits ............................................................................... 115

Karl Öllinger ........................................................................................... 116

Sigisbert Dolinschek ............................................................................... 117

Staatssekretärin Ursula Haubner .............................................................. 118

Franz Riepl ............................................................................................. 120

Christine Marek ...................................................................................... 121

Mag. Barbara Prammer ........................................................................... 122

Mag. Dr. Josef Trinkl .............................................................................. 123

Walter Schopf ......................................................................................... 125

Annahme des Gesetzentwurfes in 63 d. B. ...................................................... 126

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 64 d. B. ............................................ 127

5. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (24 d. B.): Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Media­tions-Gesetz – ZivMediatG) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der


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Zivilprozessordnung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührengeset­zes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 (47 d. B.) ..................................... 127

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................................... 127

Mag. Ruth Becher ................................................................................... 128

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 129

Mag. Terezija Stoisits .............................................................................. 130

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................  131, 135

Mag. Heribert Donnerbauer ..................................................................... 132

Bettina Stadlbauer .................................................................................. 132

Mag. Dr. Josef Trinkl .............................................................................. 134

Doris Bures ............................................................................................. 135

Barbara Riener ........................................................................................ 136

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 136

6. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (26 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Ge­richtsorganisationsgesetz geändert werden (48 d. B.)           ........................................................................................................... 137

Redner:

Dr. Johannes Jarolim .............................................................................. 137

Werner Miedl .......................................................................................... 139

Mag. Terezija Stoisits .............................................................................. 140


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Dr. Helene Partik-Pablé ........................................................................... 142

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................  144, 149

Dr. Christian Puswald .............................................................................. 146

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 147

Otto Pendl ............................................................................................... 148

Mag. Gisela Wurm .................................................................................. 150

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 151

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (39 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollzugsgebüh-
ren (Vollzugsgebührengesetz – VGebG) geschaffen und die Exekutions­ordnung geändert wird (Exekutionsordnungs-Novelle 2003 – EO-Nov. 2003) (50 d. B.) ........................... 151


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12. Sitzung / Seite 7

Redner:

Mag. Heribert Donnerbauer ..................................................................... 151

Bettina Stadlbauer .................................................................................. 152

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 154

Dr. Gabriela Moser .................................................................................. 155

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................... 156

Franz Glaser ........................................................................................... 156

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 157

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (40 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Ur­heberrechtsgesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov 2003) (51 d. B.)               ........................................................................................................... 158

Redner:

Dr. Johannes Jarolim .............................................................................. 158

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................................... 160

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) .................................. 162

Dr. Eva Glawischnig ................................................................................ 162

Dr. Helene Partik-Pablé ........................................................................... 164

Mag. Johann Maier ................................................................................. 165

Werner Miedl .......................................................................................... 167

Theresia Haidlmayr ................................................................................. 168

Mag. Karin Hakl ...................................................................................... 169

Mag. Christine Muttonen ......................................................................... 170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kollegin­nen und Kollegen betreffend negative Auswirkungen der Urheberrechts-No­velle insbesondere für die Musikuniversitäten und Musikstudierende – Ab­lehnung ...............................................................  166, 172

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 171

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 51 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Nutzung freier Werknutzungen (E 5) ................................................................ 172

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (33 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, das Bankwesengesetz und das Ver­sicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Bundesgesetz über das Inter­nationale Insolvenzrecht – IIRG) (49 d. B.) .............................................................................................. 172

Redner:

Mag. Peter Michael Ikrath ....................................................................... 172

Dr. Christian Puswald .............................................................................. 173

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 174

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................... 175

Dr. Christian Puswald (tatsächliche Berichtigung) ...................................... 175

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 175

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (32 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspiel­gesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (67 d. B.) .......... 176

Redner:

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................... 176

Dr. Christoph Matznetter ......................................................................... 177

Josef Bucher ........................................................................................... 178

Mag. Werner Kogler ................................................................................ 179

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser ................................................. 179

Mag. Cordula Frieser .............................................................................. 180

Marianne Hagenhofer .............................................................................. 182

Mag. Peter Michael Ikrath ....................................................................... 182

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................. 183

Peter Marizzi ........................................................................................... 184

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 185

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (27 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kartellgesetz 1988, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Versiche­rungsvertragsgesetz 1958, das Atomhaftungsgesetz 1999, das Bundesge­setz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz, das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geän­dert werden (VAG-Novelle 2003) (68 d. B.) ..................... 185

Redner:

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................ 185

Dr. Christoph Matznetter ......................................................................... 186

Josef Bucher ........................................................................................... 187

Mag. Werner Kogler ................................................................................ 188

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser ................................................. 189

Dkfm. Dr. Hannes Bauer .......................................................................... 190

Mag. Hans Moser .................................................................................... 191

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 191

Eingebracht wurden

Petition ......................................................................................................... 38

Petition betreffend „Sichere Pensionen“ (Ordnungsnummer 3) (überreicht von den Abgeordneten Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Josef Bucher, Sigisbert Dolinschek und Elmar Lichtenegger)

Gesetzesantrag des Bundesrates .................................................................. 37

58: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Regierungsvorlagen ..................................................................................... 37

11: Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation, der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorgani­sation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwick­lung über die Errichtung und Verwaltung eines Gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien

13: Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr samt Erklärung

21: Änderung von Artikel 1 des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die über­mäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können

34: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik der Philippinen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investi­tionen

35: Vorbehalt der Republik Österreich zu Anhang III des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen

36: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

37: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Großen Sozia­listischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija über die Förderung und den Schutz von Investitionen


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12. Sitzung / Seite 8

43: Übereinkommen zur Gründung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein samt Note

45: Abkommen zwischen Österreich und Belize auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

53: Kündigung des Übereinkommens über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt

56: Vereinbarung über die Bereitstellung und den Betrieb von Flugsiche­rungseinrichtungen und -diensten durch EUROCONTROL in der Bezirks­kontrollzentrale des Oberen Luftraums für die Zentraleuropäischen Flug­sicherungsdienste (CEATS) (Brüssel, 27. Juni 1997) samt Anlagen; Beson­dere Vereinbarung zur Durchführung von Artikel 6 der Vereinbarung über die Bereitstellung und den Betrieb von Flugsicherungseinrichtungen und -diens­ten durch EUROCONTROL in der Bezirkskontrollzentrale des oberen Luft­raums für die Zentraleuropäischen Flugsicherungsdienste (CEATS)

59: Budgetbegleitgesetz 2003

65: Musterschutzgesetz-Novelle 2003

73: Übereinkommen zwischen den an der multinationalen Brigade aus Ein­greiftruppen hoher Bereitschaft für Operationen der Vereinten Nationen teil­nehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärung der Republik Argentinien

Berichte ........................................................................................................ 37

Vorlage 10 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 1. Quartal 2003; BM f. Finanzen

III-17: Bericht gemäß § 37 Abs. 5 WG 2001 betreffend militärische Dienst­leistungen von Frauen in den Jahren 2001 und 2002; BM f. Landesverteidi­gung

III-20: Bericht über die Lage der behinderten Menschen in Österreich; Bun­desregierung

III-22: Bericht über die Fortschreibung des Österreichischen Stabilitätspro­grammes für die Jahre 2003 bis 2007; BM f. Finanzen

III-23: Bericht über die geplanten und durchgeführten Maßnahmen zur Ent­schärfung besonders gefährlicher Straßenstücke (Unfallschwerpunkte) auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 2. März 2001, E 63-NR/XXI.GP; BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

III-24: Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2001 (Grüner Bericht 2001); Bundesregierung

III-25: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2003 gemäß § 9 LWG; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten


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12. Sitzung / Seite 9

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Jugend-Demo­kratiepaket „Beteiligung fördern, Wahlalter senken“ (97/A) (E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der Rechte des Kindes (98/A) (E)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beteiligung des Bundes an der Verlegung der Schienentrasse der Salzburger Lokalbahn angesichts der Hangrutschung am Haunsberg (99/A) (E)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung der B 100 durch rasche Vorlage einer Novelle zum Zweckzuschussgesetz 2001 (100/A) (E)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die dringend notwendige Modernisierung des Bahnhofs der Landeshauptstadt St. Pölten (101/A) (E)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung des nach wie vor unzureichenden Lärmschutzes an der A 1 im Bereich St. Pölten (102/A) (E)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die sofortige Realisierung der Güterzugumfahrung St. Pölten (103/A) (E)

Karl Donabauer, Elmar Lichtenegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz geändert wird (104/A)

Dr. Erwin Rasinger, Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinische Masseur- und Heilmasseurgesetz geändert wird (105/A)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beseitigung der Un­gleichbehandlung im Bereich Rehabilitation (106/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung und Novellierung des ÖPNRV-Gesetzes, insbesondere hinsichtlich der darin vorge­sehenen „Verkehrsanschlussabgabe“ (107/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ökologische Modernisie­rung des Wohngebäudebestands (108/A) (E)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (109/A) (E)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österrei­chische Position zu den WTO-Verhandlungen im Bereich des Agrarhandels (110/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Lebens­mittelgesetzes (LMG) (111/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (Wahlrecht auf kommunaler Ebene für MigrantInnen aller Staatsangehörigkeiten) (112/A)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbraucherinforma­tionsgesetz (113/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ersatz von Verteidiger­kosten bei strafgerichtlichen Freisprüchen (114/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Franz Eßl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend die Errichtung der zweiten Tauern- und Katsch-


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12. Sitzung / Seite 10

berg-Tunnelröhre in Verbindung mit den Entlastungsmaßnahmen für die Bewohner der Anrainergemeinden (279/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Rolle von Kunst und Kultur bei den GATS-Verhandlungen (280/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Rolle von Kunst und Kultur bei den GATS-Verhandlungen (281/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend „Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten“ (282/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Verwendung von Micro­soft-Produkten – Schutz von personenbezogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden verfügen (283/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusammen­hang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbezoge­nen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden verfügen (284/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusam-


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menhang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbe­zogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbe­hörden verfügen (285/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Verwen­dung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbezogenen Daten und ande­rer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden verfügen (286/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbezogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden verfügen (287/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbezogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden verfügen (288/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbezogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden verfügen (289/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Datensicherheits­maßnahmen im Zusammenhang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbezogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden verfügen (290/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusam­menhang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbe­zogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbe­hörden verfügen (291/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von per­sonenbezogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden verfügen (292/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Datensicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Verwendung von Microsoft-Produkten – Schutz von personenbezogenen Daten und anderer sensibler oder geheimer Daten, über die Bundesbehörden ver­fügen (293/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend den Fragebogen der Europäischen Kommission zur „Einhaltung der Zusagen hinsichtlich der Erfüllung der auf dem Millenniumsgipfel vereinbarten Entwicklungsziele“ (294/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend „Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten“ (295/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Autobahnprojekte und weitere Straßenprojekte in Oberösterreich (296/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Autobahnprojekte und weitere Straßenpro­jekte in Oberösterreich (297/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Fluglärm in Innsbruck und Um­gebung (298/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Weiterverwendung des Pflanzenschutzmittels Aldicarb (299/J)


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Stenographisches Protokoll
12. Sitzung / Seite 12

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Lehrgänge universitären Charakters (300/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Einführung eines Teilzeitstudiums (301/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (GZ: 21.601/0-VI/C/15/03) (302/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (GZ: 21.601/0-VI/C/15/03) (303/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Umsetzung des 4-Parteien-Antrages vom 13. Dezember 2001 (Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung) (304/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Facharzt für Medizinische Genetik (305/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Umsetzung des 4-Parteien-Antrages vom 13. Dezember 2001 (Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung) (306/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Umstrukturierungen im Gesundheitsres­sort (307/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Jugend-Feriennetzkarte der ÖBB (308/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend mobile Rufnummernmitnahme (309/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Kontrollen nach dem Pyrotechnikgesetz – Änderung Pyrotechnikgesetz (310/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheitswesen: Neue Zuständigkeiten für Gemeinden (Städte), Be­zirksverwaltungsbehörden oder Länder? (311/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Tierärzte – Amtstierärzte – Fleischunter­suchungstierärzte (312/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend „Veterinärjahresbericht 2002 – Schlacht­tier- und Fleischuntersuchungen“ (313/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Erfassung von Vermittlungsgeschäften und Lizenzproduktionen von Kriegs­material und Anti-Personenminen im KMG und im APM-Verbot (314/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Kürzungen des kreativen Bildungs­angebotes (315/J)

Anton Gaál, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung betreffend Frauen beim Bundesheer (316/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gefährdung für AnrainerInnen durch unzureichende Berücksichtigung der Seveso-II-Richtlinie insbesondere im Luftfahrtrecht (317/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend weltweites totales USA-Überwachungsprojekt „Information Awareness Office“ (IAO) – Auswirkungen auf Österreich und Europa (318/J)


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12. Sitzung / Seite 13

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Behindertenfreibeträge (319/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend geplante Änderung des Bundespflegegeld­gesetzes (320/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend das Pressefoyer vom 1.4.2003 und die Niederlassungsverordnung 2003 (321/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend geschlechtsspezifische Auf­schlüsselung der Verursachung von Verkehrsunfällen (322/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend weltweites totales USA-Überwachungsprojekt „Information Awareness Office“ (IAO) – Auswirkungen auf Österreich und Europa (323/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend weltweites totales USA-Überwachungs­projekt „Information Awareness Office“ (IAO) – Auswirkungen auf Österreich und Europa (324/J)


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12. Sitzung / Seite 14

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend weltweites totales USA-Überwachungsprojekt „Infor­mation Awareness Office“ (IAO) – Auswirkungen auf Österreich und Europa (325/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend steigende Häftlingszahlen in überquellenden Gefängnissen (326/J)

Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung bei den Österreichischen Bundesforsten (327/J)

Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung bei den Österreichischen Bundesforsten (328/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend die Donauländebahn in Wien (329/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Auflösung einer Schulklasse in der Übungsvolksschule Ettenreichgasse der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien (330/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend die Umsetzung der im September 2002 beschlossenen Lehrstellenförderung (331/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Beteiligung des Bundes an der Verlegung der Schienentrasse der Salzburger Lokalbahn angesichts der Hangrutschung am Haunsberg (332/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Beteiligung des Bundes an der Verlegung der Schienentrasse der Salzburger Lokalbahn angesichts der Hangrutschung am Haunsberg (333/J)


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12. Sitzung / Seite 15

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend „Herstellung, Lagerung und Handel mit pyrotechni­schen Artikeln“ (334/J)

Anna Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Krankengeld eines liechtensteinischen Arbeitgebers anlässlich der Mutter­schaft seiner österreichischen Arbeitnehmerin (335/J)

Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Kauf von Abfangjägern (336/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Ausgleichstaxfonds (337/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Evaluierung der Behindertenmilliarde (338/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Besteuerung der Unfallrenten (339/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Besteuerung der Unfallrenten (340/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Beschäftigungsoffensive der Bundes­regierung (341/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes zur Erarbeitung eines Gleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen (342/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Integrationsklassen und Schulver­suche für SchülerInnen mit Behinderungen (343/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Agrarver­handlungen der WTO (344/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Agrarverhandlungen der WTO (345/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Anstellung und Beschäftigung von Forstorganen (Forstadjunkten, Förstern) im Bereich der Österreichischen Bundesforste AG (346/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Hubplattform an den Bahnhöfen (347/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend die fatale budgetäre Situation der öster­reichischen Universitäten mit beträchtlichen negativen Auswirkungen auf For­schung, Lehre und Verwaltung (348/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Albertina (349/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend weltweites totales USA-Überwachungsprojekt „Information Awareness Office“ (IAO) – Auswirkungen auf Österreich und Europa (350/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend weltweites totales USA-Überwachungspro­jekt „Information Awareness Office“ (IAO) – Auswirkungen auf Österreich und Europa (351/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die bauliche Erweiterung und Mängelbehebung beim Gendarmeriepostengebäude Amstetten (352/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Agrarverhandlungen der WTO (353/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Erarbeitung der Kriterien für die erhöhte Lehrlingsausbil­dungsprämie (354/J)

Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ballspielverbot auf einem öffentlichen Spielplatz in Hörsching, Oberösterreich (355/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend weltweites totales USA-Überwachungsprojekt „Information Aware­ness Office“ (IAO) – Auswirkungen auf Österreich und Europa (356/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend weltweites totales USA-Überwachungsprojekt „Information Awareness Office“ (IAO) – Auswirkungen auf Österreich und Europa (357/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Legehennen und das Tierleid durch Käfighaltung in Österreich (358/J)

*****

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Natio­nalrates betreffend dessen problematische Rolle im Zusammenhang mit einer höchst zweifelhaften Geschichtsumdeutung zugunsten des Zerstörers der österrei­chischen Demokratie Engelbert Dollfuß (2/JPR)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend den Fragebogen der Europäischen Kommission zur „Einhaltung der Zusagen hinsichtlich der Erfüllung der auf dem Millenniumsgipfel vereinbarten Entwicklungsziele“ (213/J) (Zu 213/J)

Anfragebeantwortungen


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12. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (78/AB zu 65/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (79/AB zu 66/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (80/AB zu 71/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abge­ordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (81/AB zu 80/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (82/AB zu 84/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (83/AB zu 88/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (84/AB zu 89/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen (85/AB zu 92/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (86/AB zu 86/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (87/AB zu 90/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (88/AB zu 79/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen (89/AB zu 60/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidl­mayr, Kolleginnen und Kollegen (90/AB zu 83/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen (91/AB zu 91/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen (92/AB zu 111/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (93/AB zu 124/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (94/AB zu 113/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (95/AB zu 59/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (96/AB zu 81/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (97/AB zu 95/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (98/AB zu 96/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
12. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (99/AB zu 137/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (100/AB zu 138/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (101/AB zu 155/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (102/AB zu 184/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (103/AB zu 134/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolle­ginnen und Kollegen (104/AB zu 99/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (105/AB zu 139/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (106/AB zu 97/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abge­ordneten Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen (107/AB zu 107/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolle­ginnen und Kollegen (108/AB zu 94/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Stefan Prähauser, Kolle­ginnen und Kollegen (109/AB zu 103/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Stefan Prähauser, Kolle­ginnen und Kollegen (110/AB zu 108/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolle­ginnen und Kollegen (111/AB zu 110/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (112/AB zu 158/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen (113/AB zu 106/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (114/AB zu 109/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (115/AB zu 100/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (116/AB zu 102/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abge­ordneten Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen (117/AB zu 104/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
12. Sitzung / Seite 18

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (118/AB zu 101/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen (119/AB zu 105/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (120/AB zu 98/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (121/AB zu 114/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (122/AB zu 118/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (123/AB zu 142/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (124/AB zu 143/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (125/AB zu 145/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (126/AB zu 178/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (127/AB zu 117/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (128/AB zu 198/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (129/AB zu 185/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen (130/AB zu 189/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (131/AB zu 147/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (132/AB zu 207/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (133/AB zu 112/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (134/AB zu 150/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (135/AB zu 152/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parni­goni, Kolleginnen und Kollegen (136/AB zu 175/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
12. Sitzung / Seite 19

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen (137/AB zu 224/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jo­hann Maier, Kolleginnen und Kollegen (138/AB zu 115/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jo­hann Maier, Kolleginnen und Kollegen (139/AB zu 119/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen (140/AB zu 182/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (141/AB zu 226/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (142/AB zu 135/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (143/AB zu 153/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (144/AB zu 120/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (145/AB zu 121/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen (146/AB zu 129/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (147/AB zu 133/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (148/AB zu 116/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen (149/AB zu 130/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen (Zu 149/AB zu 130/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer, Kolleginnen und Kollegen (150/AB zu 148/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (151/AB zu 123/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (152/AB zu 132/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (153/AB zu 141/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen (154/AB zu 154/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
12. Sitzung / Seite 20

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen (155/AB zu 250/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (156/AB zu 125/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (157/AB zu 128/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (158/AB zu 146/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolle­ginnen und Kollegen (159/AB zu 151/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (160/AB zu 260/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen (161/AB zu 127/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (162/AB zu 136/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen (163/AB zu 144/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen (164/AB zu 173/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Robert Rada, Kolleginnen und Kollegen (165/AB zu 126/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen (166/AB zu 131/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (167/AB zu 140/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen (168/AB zu 149/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jo­hannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen (2/ABPR zu 2/JPR)


 


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Beginn der Sitzung: 10 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsi­dent Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle sehr herzlich im Hohen Hause!

Die Amtlichen Protokolle der 10. und 11. Sitzung vom 26. März 2003 sind in der Parlaments­direktion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet ist Frau Abgeordnete Sburny.

Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Dr. Andreas Khol: Von der Bundeswahlbehörde sind die Mitteilungen eingelangt, dass die Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Johanna Mikl-Leitner sowie Dr. Ernst Strasser auf ihre Mandate verzichtet haben.

Anstelle der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic wurde die Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger, anstelle von Mag. Johanna Mikl-Leitner der Abgeordnete Dipl.-Ing. Josef Pröll sowie anstelle des Abgeordneten Dr. Ernst Strasser der Abgeordnete Johann Ledolter in den Nationalrat berufen.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Josef Pröll hat in der Zwischenzeit auf sein Mandat verzichtet; an seiner statt wurde der Abgeordnete Martin Preineder in den Nationalrat berufen.

Da die Wahlscheine bereits vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, werde ich sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch den Schriftführer werden die neuen Mandatare ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich ersuche nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Jakob Auer, um die Verlesung der Gelöbnisformel und um den Namensaufruf.


Schriftführer Jakob Auer: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Öster­reich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

(Über Namensaufruf durch den Schriftführer Auer leisten die Abgeordneten Johann Ledolter, Martin Preineder und Mag. Brigid Weinzinger die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich begrüße die neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte, wünsche ihnen eine gute Arbeit und Gottes Segen. (Allgemeiner Beifall.)

Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben ihre Absicht bekundet, zum Thema Pensionssicherungsreform Erklärungen abzugeben.

Ferner gebe ich bekannt, dass ein Verlangen von fünf Abgeordneten vorliegt, über diese Erklä­rungen gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine gemeinsame Debatte durch­zuführen.

Diese Erklärungen sowie die anschließende Debatte werden im Anschluss an die


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Aktuelle Stunde stattfinden.

Aktuelle Stunde


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Familienland Österreich“

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Redezeit: 10 Minuten. – Ich bitte Sie, das Wort zu ergreifen.

10.03


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Familien sind ein zentrales Anliegen der FPÖ, und wir haben das auch dadurch klar gemacht, indem wir im Zuge unserer vorhergehenden Regierungsbeteiligung einen Schwerpunkt darauf gelegt haben; so haben wir zum Beispiel das Kinderbetreuungsgeld – ein ganz wichtiger familienpolitischer Meilenstein! – umgesetzt. Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, dass, als wir das das erste Mal in Debatte gebracht haben, allgemein die Meinung vorgeherrscht hat: Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht, sei aber jedenfalls unfinanzierbar.

Wir haben dieses Kinderbetreuungsgeld in die Realität umgesetzt und können heute mit großer Zufriedenheit feststellen, dass es die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mit großem Wohlwollen betrachten – und selbstverständlich auch angenommen haben.

„Familie“ ist ein Begriff, der von großer Emotion geprägt ist; er findet wohl bei allen Parteien und in vielen Stellungnahmen Anwendung, wird aber dennoch sehr unterschiedlich interpretiert.

Für uns Freiheitliche ist Familie tatsächlich die Grundlage des Staates – und, um es zuerst einmal in pragmatisch-wirtschaftlicher Art und Weise darzustellen: Familie ist vor allem auch die Grundlage des Sozialstaates. Wir erleben das ja jetzt im Zuge der Pensionsreform. Probleme, die es in diesem Zusammenhang gibt, haben wir deswegen, weil die Generationenabfolge von ihrem zahlenmäßigen Wert her aus dem Lot geraten ist. Die Pensionsreform zeigt uns, dass Familienpolitik eine ganz notwendige Voraussetzung jeder Sozialpolitik ist.

Zum Drei-Generationen-Vertrag: Was jahrhunderte-, ja jahrtausendelang innerhalb der Familie funktioniert hat, nämlich dass die mittlere Generation die ältere Generation versorgt und – das ist der springende Punkt – eine junge Generation heranzieht, das hat der Sozialstaat auf die höhere, auf die staatliche Ebene übertragen, und darum erleben wir jetzt, dass ein zentraler Satz der Wirtschaftslehre, dass nämlich jeder Sozialaufwand dem jeweils laufenden Volksein­kommen zur entnehmen ist, tatsächlich stimmt.

Aus diesem Grund ist es für uns Freiheitliche ganz entscheidend, immer wieder festzuhalten: Familien­politik ist keine Ausgabenpolitik und kann deswegen auch in Zeiten, in denen das Budget knapp ist, nicht einfach gestrichen werden, sondern Familienpolitik ist eine Investi­tionspolitik. Des­halb ist es der vorhergehenden Bundesregierung auch hoch anzurechnen, dass, obwohl der Zwang zum Sparen und die Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung da waren, dennoch in Familien großzügigst investiert werden konnte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die ökonomische Grundlage des Staates ist jedenfalls eine vernünftige Familienpolitik – und das entscheidet darüber, ob wir in unseren materiellen Verhältnissen gesichert weiterleben können. Aber Familie und Familienpolitik ist natürlich viel mehr, denn: Ob eine vernünftige Familienpolitik zum Erfolg führt, das entscheidet auch darüber, wie wir leben. Der Mensch ist darauf angewiesen, dass er unter seinesgleichen lebt; er wird erst Mensch durch den Kontakt mit seinesgleichen. Ich denke, der Begriff „zoon politikon“ ist weitgehend zu verstehen: Wenn der Mensch nicht durch seinesgleichen in die menschliche Kultur, Sprache und so weiter ein­geführt wird, dann droht ihm das grausame Schicksal eines Caspar Hauser.


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Insofern ist die Familie – und das macht sie für uns so wichtig – auch der erste Kulturträger. Da unterscheiden wir uns vielleicht schon ein bisschen von den Fraktionen her: Für uns ist Familie die Organisation, die Einheit, in der Kinder, vor allem in den frühen Jahren, am besten ge­deihen können. Natürlich gibt es auch problembehaftete Familien, und selbstverständlich kann es in einem solchen Fall besser sein, dass ein Kind eventuell aus der Familie herausgenommen wird. Dennoch: Die Familie, die gut funktionierende Familie als Ideal – und als Ideal hat sie es an sich, dass man sich dem nur annähern kann – und schlechte Familien, problembehaftete Familien widersprechen diesem Prinzip als Ideal nicht, dass das eben die beste Möglichkeit für Kinder zum Heranwachsen ist.

Auch dieser Satz stimmt: Kinder sind unser wichtigstes Kapital! – oder umgekehrt: Ohne Kinder gibt es einfach gar keine Zukunft! Die besten Bedingungen können uns daher gerade nur recht sein.

Insofern ist es uns auch ganz wichtig – im Unterschied zu anderen vielleicht –, es den Eltern zu ermöglichen, vor allem in den frühen Jahren der Kinder ihre Kinder selbst zu betreuen. Die Eltern sind es ja dann auch, die die Verantwortung tragen und die vor allem das Leid erfahren, wenn etwas schief gegangen ist. Eine noch so engagierte Kindergärtnerin, Krippenbetreuerin, Lehrerin wird sich nicht den Kopf so zerbrechen, wird nicht dieselbe persönliche Betroffenheit und damit dasselbe Engagement zeigen wie eben – so ist es wohl im Regelfall – die eigenen Eltern. Wer die Konsequenz dann zu verantworten und – im schlimmsten Fall – auch zu erlei­den hat, dem muss auch die Möglichkeit gegeben werden, dass er sich, ohne dass dem mate­rielle Hindernisse gröbster Natur entgegenstehen, um seine Kinder in den frühen Jahren jeden­falls selbst kümmern kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diesbezüglich befinden wir uns auch im Einklang mit allen neuesten Forschungsergebnissen. Viele Kinderärzte sagen uns – und beweisen das auch –, dass es für sehr kleine Kinder einen ungeheuer großen Aufwand an Lebensenergie bedeutet, sich in Gruppen mit Gleichaltrigen durchzusetzen, und dass die ideale Voraussetzung, die Gruppentauglichkeit, keine willkürliche Norm ist, sondern dass das Kindergarteneintrittsalter von drei Jahren, das wir haben, ein ver­nünftiges Alter ist, dass aber ein Kind mit darunter liegendem Alter am besten in der Familie aufgehoben ist.

Ein Parlament ist ja auch dazu da, Dinge zu sagen, die nicht unbedingt jeder gerne hört, und daher – Sie wissen es vielleicht, sollten es jedenfalls bedenken –: Die PISA-Studie hat in der Bundesrepublik Deutschland einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Leistungen, die erbracht werden, und der geringen Dichte an Krippeneinrichtungen gezeigt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.) Das heißt, dass die Bedingungen für sehr kleine Kinder – auch für ihren Erfolg später – in der Familie wesentlich besser sind, als das in größeren Einheiten der Fall ist. Das sollten wir alle bedenken!

Wir wollen niemanden majorisieren, wir wollen niemandem etwas vorschreiben. Ich persönlich bin beziehungsweise – und ich kann da auch für meine Fraktion sprechen – wir sind der Meinung, dass es günstig ist, wenn sehr kleine Kinder eine Betreuungsperson für sich haben.

Ich wollte jetzt nicht persönlich werden, aber ich darf Ihnen Folgendes sagen: Ich war 15 Jahre lang ausschließlich zu Hause, und zwar gerne, und ich habe diese Aufgabe als genauso an­spruchs­voll und beanspruchend empfunden, wie hier vor Ihnen zu stehen und zu argumentie­ren. Wer seine Kinder vernünftig erziehen will, muss genauso seinen Verstand zusammenneh­men, muss ungeheuer viel Disziplin beweisen, hat eine herausfordernde Arbeit zu leisten. (Abg. Mag. Prammer: Das leisten berufstätige Frauen genauso!) Diese Arbeit ist genauso heraus­fordernd, ist mindestens so bedeutend, wie hier im Parlament zu stehen und zu argumentieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wollen niemanden majorisieren, wir wollen es jedem selbst überlassen, allerdings muss – und das ist unser größtes Prinzip – diese Wahlfreiheit auch dadurch abgesichert sein, dass sie keine großen materiellen Nachteile bringt.


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Sie von der linken Reichshälfte haben selbstverständlich Recht: Frauen, die einen Teil ihres Lebens der Kindererziehung oder, beinahe schon anachronistisch, sich ihr ganz widmen, haben schwere Nachteile zu tragen. (Abg. Mag. Prammer: Fragen Sie einmal, welche Nachteile be­rufstätige Frauen haben!) Das darf aber unserer Ansicht nach nicht dazu führen, zu sagen: Wir müssen ihnen die Kindererziehung „vom Hals schaffen“. Es geht vielmehr darum, jene Arbeit, die Frauen in der Familie leisten, die sie zugunsten ihrer Kinder und damit zugunsten der Ent­wicklung unserer Gesellschaft leisten, auch entsprechend zu honorieren.

Deswegen bin ich froh darüber, dass sich im Zuge der Nachverhandlungen zum vorgelegten Regierungsentwurf betreffend Pensionsreform die Position der Mütter beziehungsweise die Position derer – es sind ja nicht nur die Mütter, aber vor allem die Mütter –, die ihre Kinder selbst erziehen, stark verbessert hat. Kindererziehungszeiten werden nun besser angerechnet, und vor allem wird der Durchrechnungszeitraum für jene, die ihre Zeit der Kindererziehung ge­widmet haben, verringert. Das ist immerhin ein großer Erfolg, für den ich mich auch bei der frei­heitlichen Mannschaft, die das verhandelt hat, herzlich bedanken möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Familie ist die Grundlage des Staates. Das ist etwas, was wir alle zu bedenken haben. Wir inter­pretieren es etwas unterschiedlich, aber ich darf Ihnen sagen, dass wir im Grundsätzlichen doch immer wieder zusammenkommen sollten. Da darf ich noch einmal eine Bitte an Sie ausspre­chen – ich richte diese vor allem an die weiblichen Abgeordneten von der linken Reichshälfte –: Hören Sie damit auf, die Rechte von Frauen gegen Kindeswohl auszuspielen! Das ist etwas, was uns allen nicht gut tut! Ich erlebe immer wieder, dass versucht wird, einen Keil in die wich­tigste Einheit, die besteht, zu treiben (Abg. Mag. Prammer: Wer macht denn das?), die auch dann besteht, wenn vieles andere bereits verloren gegangen ist, wie wir es jetzt zum Beispiel im Krieg in Irak erleben: in die Einheit zwischen Mutter und Kind. Sie ist die wichtigste Einheit, die bestehen kann, weil sie wirklich eine ganz enge Einheit ist. Hören Sie auf, die Einheit zwischen Mutter und Kindern auf Grund von ideologischen Scheuklappen zu relativieren! (Abg. Mag. Prammer: Wer macht denn das gerade jetzt hier beim Rednerpult?) Das halte ich für bedenklich, und dafür werden wir sicher nie zur Verfügung stehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.13


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Haupt. Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Vizekanzler.

10.14


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuseher! „Das Schicksal des Staates hängt vom Zustand der Familien ab.“ Was der Schweizer Theologe und Literaturhistoriker Alexandre Rodolphe Vinet bereits um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert erkannt hat, ist auch die Maxime dieser Bundesregierung.

Weil wir wissen, wie wichtig der Zustand und das Wohl der Familien in diesem Lande sind und waren, ist es unser oberstes Anliegen, permanent an Verbesserungen der Rahmenbedingun­gen für unsere Familien zu arbeiten. Familie bedeutet für uns den gesellschaftlichen Zusam­menhalt aller Generationen, aller Generationen in einem Verband: sei es das Kind, sei es die Frau, sei es der Mann und sei es die ältere Generation. Familie bedeutet Schutz und soziale Sicherheit aller Generationen.

Verantwortungsvolle Familienpolitik umfasst daher alle Bereiche des Lebens: vom Kinderbe­treuungsgeld, dem sozialpolitischen Meilenstein der vorangegangenen Bundesregierung, über die Sicherung von Arbeitsplätzen in weltpolitisch schwierigen Zeiten bis hin zu den Rahmenbe­dingungen für zu pflegende ältere Mitmenschen, der Pflegehospizkarenz.

Wir haben in den vergangenen drei Jahren viele Maßnahmen gesetzt, die den Familien wieder jenen sozialen Status geben, den sie verdienen. An welcher der vielen Maßnahmen kann man wunderbar erkennen, dass Österreich in Sachen Familienleistungen wirklich Weltspitze ist? –


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Es ist dies die Maßnahme des Kinderbetreuungsgeldes. Den vielen Unkenrufen zum Trotz, die wir seitens einiger hier im Hohen Hause vertretener Parteien immer wieder dafür geerntet haben, ist es für mich Bestätigung genug, dass wir den richtigen Weg gegangen sind – und weiterhin auch mutig gehen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Derzeit erhalten rund 80 000 Mütter und Väter das Kinderbetreuungsgeld. Während im Oktober des Jahres 1999 1 353 Väter in Karenz waren, steigerte sich der Anteil dieser Personengruppe der Väter im Oktober 2002 auf immerhin 2 286. Es gibt aber kaum eine schönere Bestätigung für die verbesserten Rahmenbedingungen als das Geburtenplus von 3,6 Prozent im Jahre 2002: bei gleich bleibender Frauenbeschäftigung und besserer Situation der Frauen im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit.

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, es nicht bei diesem Erfolg alleine zu belassen: Wir werden das Familienland Österreich weiter ausbauen! Es gibt eine Menge zusätzlicher Familienleistungen, die schon aus der Vergangenheit heraus auch heute verbessert weiter wirken: die Familien­beihilfe, der Kinderabsetzbetrag, die Heimfahrtbeihilfe, die Gratisschulbücher, der Mehrkinder­zuschlag. Auch die Familien in späteren Jahren sollen das noch zu ihren Gunsten bekommen. Vor allem der Ausbau des Kindergeldes auf Mehrlingsgeburten, den wir im Ministerrat verab­schiedet haben, ist ein Beweis dafür, dass wir uns mit dem Erreichten nicht zufrieden geben, sondern ständig – sofern es budgetär und nachhaltig möglich ist – an Verbesserungen arbeiten.

Mit 1. Jänner 2004 werden Eltern mit Mehrlingsgeburten auch die finanzielle Entscheidungsfrei­heit bekommen, welche mit dem Kinderbetreuungsgeld für Einzelgeburten schon abgesichert wurde. Wenn durch das Kinderbetreuungsgeld die größte finanzielle Hürde einer Familie ge­nommen ist, Pensionsbegründung und Krankenversicherung damit verbunden sind, die Abferti­gung weiter bezahlt wird, dann bedeutet das, dass sich diese wichtige Zeit für Kinder endlich auch dem Stellenwert einer Erwerbstätigkeit annähert.

Die Anhebungen im Pensionspaket, die wir vergangenen Sonntag als Verbesserung zum Regierungsentwurf, der in Begutachtung war, ausverhandelt haben, sind ein beredtes Zeichen dafür, dass wir den Frauen mit Familienleistungen auch in Zukunft einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft einräumen und die Frauen in dieser Hinsicht deutlich besser stellen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Kinderbetreuungsgeld wirkt sich, wie schon gesagt, auch auf die Pensionsabsicherung aus, denn erstmals werden bis zu 18 Monate des Kinderbetreuungsgeldbezuges als echte Bei­tragszeiten angerechnet. Dazu plant unsere Familienstaatssekretärin die Ausdehnung dieser Zeiten auf 24 Monate. Das ist eine Verbesserung für alle Frauen und dient auch ihrer Absiche­rung im Alter. Genau da sehen wir: Familienpolitik ist Arbeit an und mit allen Generationen. Nur dann, wenn die jetzige Generation die Zukunft sicher gestaltet, ist es auch der heutigen Jugend möglich, morgen und übermorgen ein soziales Netz vorzufinden.

Die Aufgabe dieser Bundesregierung ist es, mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen sorg­sam umzugehen und diese gerecht aufzuteilen. Angesichts eines halb vollen „Suppentopfes“, den man geerbt hat, kann man nur sagen: Der Familienerhalter hat dafür zu sorgen, dass die Familienmitglieder auch den gerechten Anteil der Suppe in ihrer Schüssel vorfinden, um satt zu werden. (Ruf bei den Grünen: Suppenkaspar!) Das ist die Aufgabe und Verantwortung, die diese Bundesregierung und wir alle hier im Parlament haben. Das ist die Prämisse, die wir für unser Land haben, denn ein auf dem Generationenvertrag aufgebautes Sozialsystem wird nur von den Familien und von sonst niemandem aufrechterhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Letztlich geht es, sehr geehrte Damen und Herren, um die lebenswichtige Frage, wie viel Wahl­freiheit Frauen, Männer, Jugendliche und Senioren in ihrer Lebensgestaltung heute tatsächlich haben, darum, wie das soziale Netz Österreichs ausgestattet ist.

Wir können auf einzigartige Leistungen im europäischen Vergleich hinweisen:


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Österreich ist ein Familienland der Musterklasse. Wir haben Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen. Wir weiten das Kindergeld auf Mehrlingsgeburten aus. Wir schaffen eine eigenständige Alterssicherung für Frauen. Wir verankern die Kinderrechte in der Verfassung. Wir setzten Maßnahmen gegen Gewalt in Medien. Wir führen die Behinderten-Milliarde weiter. Wir, alle vier Parteien, erarbeiten im Einklang ein Gleichstellungsgesetz für Behinderte. Wir schnüren ein Maßnahmenpaket für ältere Arbeitnehmer. Wir senken die Steuern am 1. Jänner 2004 in einer ersten Etappe und werden die größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik in dieser Legislaturperiode beschließen. Wir legen dem Hohen Haus ein Pensions­sicherungspaket vor, damit auch alle künftigen Generationen auf unser soziales Österreich bauen können, und wir werden auch darin die Leistungen der Kriegsaufbaugeneration, die heute in Pension ist, voll anerkennen und weiterentwickeln.

Und: Wir sparen bei den Politikern. Endlich sind alle vier Parlamentsparteien in die Diskussion eingetreten, um, was meine Fraktion bereits 1995 für notwendig erachtet hat, auch die Politiker­privilegien im Zusammenhang mit den Pensionen abzubauen und das Politikerpensionssystem zu harmonisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir schaffen Generationensolidarität und sind nicht für einen Klassenkampf auf der Straße, sehr geehrte Damen und Herren! Wir schaffen sozialen Frieden für die Zukunft. Wir verhindern Armut. Sogar die ärgsten Kritiker des Kinderbetreuungsgeldes haben diesem eine Armut verhin­dernde Funktion attestiert. Die sozialpolitische Budgetpolitik wird den sozialen Frieden in diesem Lande sichern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Redezeit reicht leider nicht aus, um die Dimensionen der österreichischen Familien-, Sozial- und Generationenpolitik intensiver schildern zu können. Ich habe hier nur einen kurzen Auszug dessen gegeben, was in unserem Land durch die Arbeit der letzten drei Jahre Realität wurde und was wir in den nächsten Jahren vorhaben.

Wir bekennen uns dazu, dass die Familie die wichtigste Keimzelle der Gesellschaft ist, und wir bekennen uns auch dazu, dass wir gerade in dieser Hinsicht unsere Politik zum Wohle Öster­reichs, zum Wohle des sozialen Friedens, zum Wohle unserer Familien gestalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Abgeordnete Steibl. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde 5 Minuten nicht übersteigen darf. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.23


Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Frau Staatssekre­tärin! Herr Staatssekretär! Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der Spitze haben in den vergangenen zwei Jahren mit dem Schwerpunkt Familien­förderung Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas gemacht. Ich nenne hier nur Meilensteine wie etwa das Kinderbetreuungsgeld für alle, mit 18 Monaten pensionsbegründend, weiteren 30 Monaten pensionserhöhend und dem Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Karenzzeit mit dem Erfolg einer Geburtensteigerung von 2,1 Prozent im Jahr 2002. – Ich möchte an dieser Stelle auch anmerken, dass es auf EU-Ebene einen Rückgang der Geburten­rate um 0,8 Prozent gegeben hat.

Erfreulich ist auch, dass die Zahl der Männer, die Kindergeld beziehen, auf das Doppelte gestiegen ist. Väterkarenz ist uns von der ÖVP besonders wichtig.

Ich möchte aber auch noch eine Reihe weiterer positiver Punkte anmerken: Während im Jahr 2002 noch 5 467 Mütter und Väter in Karenz waren und Kindergeld bezogen haben, waren es im Oktober 2002 bereits 16 125. Ich frage jetzt die Opposition, insbesondere die SPÖ-Kolle­ginnen, wo auf Grund des Kinderbetreuungsgeldes die Frauenerwerbstätigkeit gesunken ist, wenn in diesem Bereich fast eine Verdoppelung stattgefunden hat. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Mag. Prammer und Mag. Wurm.)


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Ich glaube – und das haben wir schon sehr oft in diesem Hohen Haus diskutiert –, dass das, was wir beschlossen haben, der Opposition nicht gefällt, weil sie keine besseren Vorschläge hatte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Wir haben bessere Vorschläge!) – Auch die Grünen haben keine weiteren Vorschläge!

Der Erfolg zeigt sich ja darin, wie stark das angenommen wird: Noch nie haben so viele Mütter und Väter Kinderbetreuungsgeld in Anspruch genommen und sind auch wieder in die Berufs­tätigkeit eingestiegen. Wir sind jetzt bei einer Berufstätigkeit der Frauen in der Höhe von 60 Pro­zent und wollen seitens der Regierungsparteien diese Zahl noch auf 65 Prozent erhöhen. Ange­sichts dessen sagen Sie, dass das keine gute Sache ist?! Da sind Sie sicher auf dem Holzweg!

Die Regierung – insbesondere die ÖVP – wird weiters alles Erdenkliche tun, um, wie Bundes­kanzler Schüssel immer sagt, nicht nur das familienfreundlichste Land in Europa zu sein, sondern das familienfreundlichste Land der Welt zu werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, Beruf und Familie noch besser vereinbaren zu können, und dazu gehört die Förderung einer familien­freundlichen Arbeitswelt, natürlich mit flexiblen Arbeitszeiten, abgestimmt auch auf die Bedürf­nisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ebenso die Ausdehnung der Öffnungszeiten der Kindergärten – wir wissen auch, dass noch viel Motivationsarbeit bei den Kindergartenerhaltern notwendig ist – und auch der Ausbau der Einrichtungen zur Betreuung während der schulfreien Zeiten.

Darüber hinaus wird es natürlich auch eine Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes geben – das wurde ja beantragt –, und danach werden wir weiter verhandeln. Dort, wo Verbesserungen, Nachbesserungen notwendig sind, werden wir diese im Sinne unserer Familien auch vornehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! 2004 ist das Internationale Jahr der Familie. Mit dem zustän­digen Bundesminister Herbert Haupt, mit den Staatssekretärinnen Maria Rauch-Kallat (Zwi­schenrufe bei der SPÖ) und Ursula Haubner sowie mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel soll in zehn Themenkreisen gearbeitet werden – zum Wohle der Familien in Österreich, zum Wohle der Kinder in Österreich!

Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass das Familien-Volksbegehren aus dem Jahre 1999 bis auf einen Punkt umgesetzt wurde. Sogar die Wiedereinführung der Heimfahr­beihilfe für Schüler und Schülerinnen wurde durchgesetzt. Nur noch die Zahnspangenbezah­lung ist offen. Ich frage mich – und ich erinnere mich noch an die Familiensprecherin der SPÖ, an Kollegin Mertel, die dieses Volksbegehren ein „Zahnspangen-Volksbegehren“ genannt hat –, was da nicht erledigt wurde.

Zusammenfassend: Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der möglichst alle Bürgerinnen und Bürger in unterschiedlichster Form selbstbestimmt Verantwortung für sich, für andere und für das Gemeinwohl übernehmen. Unser Ziel ist Wahlfreiheit. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

10.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

10.29


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die „gelernte Österreicherin“ weiß aus der Erfahrung der letzten drei bis dreieinhalb Jahre, dass dort, wo Sie sagen, Sie werden einen Schwerpunkt setzen, höchste Vorsicht angebracht ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Also: Sie werden einen Schwerpunkt in der Familienpolitik setzen. – Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien! Familienpolitik ist viel mehr als die Frage des Kinder­geldes. Deswegen sage ich: Reden wir heute doch darüber, worüber Sie nicht reden! Reden wir doch heute darüber, was die Familien in Österreich heute wirklich bewegt! Reden wir dar-


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über, worüber sich die Familien in Österreich heute wirklich Sorgen machen! Reden wir darüber, was für Sie kein Thema ist, viel schlimmer noch, reden wir darüber, was Sie sich offenbar nicht einmal vor Augen halten, wenn Sie Ihre so genannten Reformen konzipieren!

Reden wir doch darüber, dass sich die Familien in Österreich heute immer größere Sorgen darüber machen, dass das Leben immer schwerer zu planen ist, dass sich in den Familien in Österreich immer mehr das Gefühl breit macht, dass man sich heute bei der Lebensplanung auf nichts mehr verlassen kann, dass sich immer mehr das Gefühl breit macht, dass von heute auf morgen überraschend wesentliche Grundlagen für die Lebensplanung über den Haufen gewor­fen werden!

Sehr geehrte Damen und Herren! Reden wir in diesem Zusammenhang doch darüber, welche Pensionsreform Sie vorlegen! Sie legen eine Pensionsreform vor, in deren Rahmen die Frauen doch tatsächlich dafür bestraft werden, dass sie nach wie vor – im Vergleich zu den Männern – viel mehr Zeit für Kinderbetreuung aufwenden. (Abg. Dr. Brinek: Stimmt ja nicht!)

Nach wochenlangem Drängen, nach einem öffentlichen Aufschrei haben Sie sich nun dazu auf­gerafft, Nachbesserungen anzukündigen. Von diesen Nachbesserungen haben wir aus der Rede des zuständigen Sozialministers heute noch nichts erfahren; kein Wort von Nachbes­serung, von Verbesserungen für Frauen im Rahmen der Pensionsreform, nach wie vor nicht! (Abg. Mag. Molterer: Schon beschlossen! Haben Sie noch keine Zeit zum Nachlesen gehabt?)

Wir sind auch schon sehr neugierig, wie die Nachbesserungen aussehen sollen, wo die Anwältin der Frauen, nämlich die Frauenministerin, den Frauen empfiehlt, wohlhabende Männer zu heiraten, damit die Männer für die Frauen, die jetzt in der gesetzlichen Pensionsversicherung Kürzungen ihrer Pension von 20, ja 30 Prozent erfahren, in eine Privatversicherung einzahlen können, um so zu gewährleisten, dass die Frauen dann doch irgendwann einmal einen An­spruch auf eine Pension haben, von der sie auch leben können. Aber wie viele Frauen in Öster­reich haben schon wohlhabende Männer, frage ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien?! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Reden wir doch darüber, wie nach Ihrer Pensionsreform das Leben in einem ganz durchschnitt­lichen österreichischen Pensionistenhaushalt aussehen wird! – Ich rede gar nicht von Men­schen, die von Mindestpensionen leben müssen. Die heutigen Durchschnittspensionen bewe­gen sich bei Frauen in der Höhe von 760 € und bei Männern in der Höhe von 1 400 €. Diese werden nach Ihren Reformplänen um 20 bis 30 Prozent niedriger sein. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Falsch!) Wie gesagt: die durchschnittlichen, nicht die niedrigsten! Lesen Sie Berechnungen, lesen Sie Zeitungen, dann werden Sie das sehen! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Großruck: Im gewerkschaftlichen Informationsblatt steht es drinnen!)

Diesen Leuten nehmen Sie viel Geld weg, sehr geehrte Damen und Herren! Beantworten Sie uns bitte die Frage: Wie sollen Pensionisten mit einer durchschnittlichen Pension in diesem Land künftig die Ausgaben für ihren Alltag bestreiten? Schauen Sie sich zum Beispiel die Wohnungspreise an! Die Wohnungen werden immer teurer, und zwar nicht nur die großen, sondern auch die kleinen, in denen die meisten Leute leben. Die Mieten steigen, die Wohnun­gen werden teurer, die Pensionen sinken. (Abg. Dr. Fekter: Die Mieten werden nicht teurer!) Sehr geehrte Damen und Herren, in welchen Wohnungen werden die alten Menschen in unserem Land in den nächsten Jahren leben? (Abg. Dr. Fekter: Warum ist in Wien Müll, Gas und Wasser so teuer?)

Ich möchte gar nicht von den Selbstbehalten reden, die Sie einführen wollen. 20 Prozent für jeden Arztbesuch, das ist viel Geld. (Abg. Scheibner: Wer sagt das? Wo steht das? Sind das schon wieder Ihre Schauermärchen?) Das wird einen Großteil des Einkommens gerade bei den älteren Menschen, die vermehrt ärztliche Behandlung brauchen, verschlingen.

Ich möchte abschließend an Sie nur eine Bitte richten: Versuchen Sie ein paar Minuten, sich die wirkliche Lebenssituation der Leute in unserem Land, der Familien in unserem Land vor Augen


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zu halten, wenn Sie Ihre Reformen konzipieren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

10.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Dr. Bleck­mann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.34


Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Reden wir darüber! Reden wir darüber, dass die SPÖ die Familien jahrzehntelang stiefmütterlich behandelt hat, dass Sie es geschafft haben, dass die Geburtenrate niedriger wurde! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) – Sie lachen! Sie haben gut lachen, Sie haben es geschafft, dass sich die österreichischen Familien dazu ent­schieden haben, nicht mehr mehr Kinder zu bekommen.

Sie haben es geschafft, dass es heute nicht mehr attraktiv ist, Kinder zu bekommen. – Inzwi­schen schon wieder, aber in der Zeit, in der Sie in der Regierung waren, haben Sie es verab­säumt, rechtzeitig Maßnahmen zu treffen, um die Pensionen zu sichern.

Reden wir darüber, dass wir seit 20 Jahren wissen, dass sich die Bevölkerungspyramide dahin gehend verändert, dass wir wenige junge Leute haben werden, die arbeiten, aber viele Pensio­nisten haben werden. Seit 20 Jahren wissen wir alle, wissen alle Politiker, dass sich dieses System so entwickeln wird. Sie haben nichts dagegen getan! Sie haben nur herumgedoktert am System, haben keine langfristigen, nachhaltigen Reformen durchgeführt. Reden wir darüber, was Sie verabsäumt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Reden wir darüber, dass sogar Ihr Parteivorsitzender Gusenbauer zugibt, dass das derzeitige System Ungerechtigkeiten in sich birgt. Ja, warum haben Sie es nicht verändert? Es ist Ihr System, das Ungerechtigkeiten enthält, die Sie geschaffen haben.

Reden wir darüber, dass die Realitäten, die wir heute haben, das Ergebnis Ihrer Politik ist! Reden wir über die Realität, wie die Familien jahrzehntelang behandelt worden sind! (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Reden wir auch darüber, was diese Pensionsreform, diese Pensionssicherungsreform, bringen wird! Wir wollen, dass die Pensionen langfristig gesichert sind – das, was Sie nicht geschafft haben: der Jugend, den Kindern, den Familien auch eine Zukunft zu bieten.

Reden wir darüber, dass der Generationenvertrag eingehalten wird! Auch Sie wissen, dass es nicht möglich sein wird, dass so wenige Arbeitende so viele Pensionisten erhalten. Dazu muss das System verändert werden, und da muss man halt die Verantwortung übernehmen und sich dazu bekennen. Das haben Sie verabsäumt, denn Sie haben die Familien stiefmütterlich be­handelt – und auch die Frauen!

Reden wir darüber, was mit den Frauen passiert ist! Sie haben es nicht geschafft, die Kinder­erziehungszeiten, die Kinderbetreuungszeiten pensionsbegründend anzurechnen. Im ersten Jahr, in dem wir Freiheitliche in der Regierung gesessen sind, haben wir es geschafft, Kinder­erziehungszeiten pensionsbegründend anzurechnen. (Abg. Mag. Prammer: 30 Jahre ...!) Sie haben es in 30 Jahren nicht geschafft, richtig, Frau Prammer! Sie haben es in 30 Jahren nicht geschafft, nur versprochen, aber nicht geschafft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir erhöhen jetzt die Anspruchsberechtigung bei den Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate, pensionsbegründend. Wir bringen jetzt Verbesserungen beim Durchrechnungszeit­raum. Pro Kind – und das stärkt die Familien! – werden den Frauen drei Jahre beim Durchrech­nungszeitraum zuerkannt. Haben Sie das gewusst? Das wollen Sie nicht wissen, das sind nämlich wirkliche Verbesserungen für die Frauen! Das ist das, was wir Freiheitliche in dieses Reformpaket mit eingebracht haben, und das sind in meinen Augen sehr wohl auch sehr wichtige Punkte für die Frauen und für die Familien.


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Reden wir auch über das Kinderbetreuungsgeld! Reden wir doch darüber! Das ist nämlich ein Meilenstein der Familienpolitik, den wir Freiheitliche in diese Regierung eingebracht, umge­setzt und durchgesetzt haben.

Wenn wir uns ansehen, was die Befragten zum Kinderbetreuungsgeld sagen – die Resultate fielen äußerst positiv aus –, dann können wir feststellen: 64 Prozent sagen, die Neuregelung sei besser als die alte.

Weil Sie immer sagen, dass wir damit die Frauen an den Herd bringen wollen, möchte ich Ihnen entgegnen: 60 Prozent sagen, Familie und Beruf sind durch das Kinderbetreuungsgeld gut vereinbar.

Wir haben versprochen, dass wir Freiheitliche für die Mehrlingsgeburten auch eine Verbesse­rung beim Kinderbetreuungsgeld durchführen werden. Wir haben es jetzt schon, im vorletzten Ministerrat, durchgesetzt. Weil wir im Wahlkampf versprochen haben, dass wir die Mehrlings­geburten besser stellen, bekommen ab 1. Jänner 2004 die Eltern von Mehrlingen zusätzlich zu den 436 € pro Kind noch einmal 218 € für die Zwillingsgeburten.

Das ist es, wie wir Freiheitliche Politik machen: Wir versprechen vor den Wahlen, dass wir bei Mehrlingsgeburten Verbesserungen durchführen werden – und halten es nach den Wahlen ein. Das ist halt der Unterschied: Wir Freiheitliche wollen die Familien in Österreich stärken, Sie haben die Familien geschwächt! Wir wollen die Pensionen sichern, Sie betreiben nur Verun­sicherung! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.40


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.40


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Vizekanzler, Sie haben in Ihren Ausführungen mehr Weihrauch verstreut, als es in der ganzen Osternacht in der Kirche der Fall war. Ich „gratuliere“ Ihnen dazu. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Allerdings hat dieser Weihrauch leider mit der Realität herzlich wenig zu tun, denn so ver­lockend, so rosig und toll, wie der Herr Vizekanzler die Familien dargestellt hat, ist es in Wirk­lichkeit natürlich nicht. Die Erhöhung der Zahl der Scheidungen, der tendenzielle Rückgang bei der Zahl der Geburten und die immer weiter steigende Armut von Alleinerziehenden und vor allem auch von Familien mit mehr Kindern sollten Ihnen ganz deutliche Signale dafür geben.

Ihre Antwort darauf ist das Kinderbetreuungsgeld. Es wurde heute bereits eine Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes eingefordert. Diese gibt es ja schon, Sie müssten sie nur lesen! Aus dieser Wifo-Studie geht ganz klar eines hervor, was sicherlich positiv ist: dass Frauen eine bessere finanzielle Grundabsicherung während der Zeit des Kinderbetreuungsgeldbezugs haben. Was allerdings danach passiert, bleibt offen. Danach geraten sie wieder in die Armuts­falle.

Was aber aus dieser Wifo-Studie auch herauszulesen ist, das ist der Umstand, dass die Frauen, vor allem die jungen Frauen und die nicht gut ausgebildeten Frauen, um vieles länger bei den Kindern bleiben und daher schlechtere Wiedereinstiegschancen im Berufsleben haben. Es geht auch daraus hervor – und die Aussage von Ihnen von vorhin hat nicht gestimmt –, dass weniger Väter innerhalb der ersten 27 Monate ihres Kindes beim Kind bleiben. Das heißt, Sie haben damit nicht erreicht, dass Familienarbeit Sache von Vätern und Müttern wird, sondern durch das Kinderbetreuungsgeld erreichen Sie, dass Familienbetreuung, Kinderbetreuung noch mehr Aufgabe und Sache der Frauen wird. Das ist eine Tendenz, die wir ablehnen! (Beifall bei den Grünen.)

Sie sprechen immer so gerne von Wahlfreiheit. Es ist aber schlichtweg eine Augenaus­wischerei, was Sie da tun, denn wenn ich wählen kann, dann muss ich auch eine Alternative


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haben, und Alternativen gibt es derzeit in weiten Regionen, in vielen Gemeinden nicht. Ich weiß nicht, wo Sie Ihre Augen haben, wenn Sie behaupten, dass Frauen, dass Männer heutzutage tatsächlich eine Wahlfreiheit hätten. Vielen bleibt gar nichts anderes übrig, als zu Hause bei den Kindern zu bleiben, weil es keine qualitativ gute Kinderbetreuung gibt. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Also bitte! – Ruf: Wo leben Sie?)

Wo ich lebe? – Ich komme aus Vorarlberg, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Dort haben Sie überhaupt keine Möglichkeit, zu wählen, weil die Einrichtungen nicht da sind. Da können Sie gerne Ministerin Gehrer fragen, die wird Ihnen bestätigen, dass das so ist. Das kann nicht einmal die ÖVP in Vorarlberg leugnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie machen nicht nur falsche Versprechungen bezüglich Wahlfreiheit, sondern Sie lassen die Frauen schlichtweg im Regen stehen. Sie loben ständig die Familienarbeit, die die Frauen leisten. Wo aber, bitte, ist die eigenständige Pension für jede Frau in Österreich? Wo ist sie? – Die gibt es bis heute nicht! Wir Grüne fordern in unserer Grundsicherung eine eigenständige Pension für jede und jeden in Österreich. Wir machen uns da Sorgen. Das ist ein großes Manko, das Sie bis heute noch nicht beseitigt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt setzen Sie noch eins drauf: Jetzt machen Sie diese Pensionsreform und bestrafen damit Frauen Länge mal Breite, Frauen wie mich zum Beispiel. (Abg. Steibl: Das ist Angstmacherei!) Ich war zwölf Jahre lang bei meinen Kindern zu Hause. Den Preis zahle ich mit einer niedrige­ren Pension. Das ist Ihre Art der Familienpolitik, sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Familienpolitik: ja!, Familie: ja!, aber Familie nicht als Aufgabe der Frauen, sondern als Aufgabe der Frauen und Männer, Familie als Miteinander aller, die in ihr leben. Familie als ein Zusam­menleben von Menschen, die an und für sich unabhängig sind und deswegen zum Miteinander ja sagen können. Es soll nicht mehr diese furchtbaren Abhängigkeitsverhältnisse geben, die Sie gerne beibehalten wollen, damit ja alles beim Alten bleibt und damit Familien ja nicht zer­bröckeln, aber nicht deswegen, weil sie gut funktionieren, sondern weil den Frauen gar nichts anderes übrig bleibt, als bei ihren Familien, bei ihren Männern zu bleiben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler. – Bitte.

10.45


Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Begriff „gelernte Österreicherin“ – das sei Andrea Kuntzl ins Stammbuch geschrieben – ist mir eigentlich schon zuwider. Ich glaube nicht, dass Sie mit diesen Ihren Positionen die Mehrheit der Österreicherinnen vertreten.

Ich bin überzeugt davon, dass Sie das nicht tun, denn die österreichischen Frauen sind Frauen mit Gefühl und Engagement, die sehr wohl wissen, wie viel Zeit für Kinder bedeutet, und die daran interessiert sind, Beruf und Zeit für Kinder miteinander zu vereinbaren. Sie sind da nicht auf dem richtigen Weg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Vorrednerinnen von den Grünen und der SPÖ haben es ja auch heute wieder sehr gut geschafft – sie tun das ja bereits die längste Zeit und haben das auch in den letzten Jahren immer getan –, Familienpolitik, Familieninteressen gegen Frauenpolitik und Fraueninteressen auszuspielen. Sie versuchen, immer einen Widerspruch zu konstruieren und familienpolitische Interessen gegen Frauenpolitik und Fraueninteressen auszuspielen.

Für mich ist das ein bedauerlicher Zugang. Ich glaube auch nicht, dass das ein richtiger Zugang ist. Ich halte das für einen sehr bedenklichen Zugang. Das ist natürlich auch eine Frage der Ideologie. Es stellen sich die Fragen: Wie viel bedeuten uns Familie und Kindererziehung?


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Welchen Stellenwert hat für uns Familie? Welche Einstellung haben wir insgesamt zu Partner­schaft in der Familie?

Dazu kann ich nur sagen, dass wir von Seiten der ÖVP-Fraktion schon immer die Meinung vertreten haben, dass Familienpolitik und Frauenpolitik ganz stark ineinander übergehen und dass Familien- und Frauenpolitik letztlich auch einen gemeinsamen Nenner haben.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist – das ist eine Tatsache –, in dieser Regierung sehr rasch entsprechende Schritte zu setzen. Tatsache ist aber auch, Frau Kollegin Kuntzl, dass Sie jahrzehntelang Zeit gehabt hätten, auch in Regierungsverantwortung, auch im Familienministerium, viele dieser Maßnahmen zu setzen. Sie haben es ganz einfach nicht getan. Sie haben es nicht getan! (Beifall bei der ÖVP.)

Reden wir darüber! Wieso haben Sie nicht dafür gesorgt, dass Kinderbetreuungszeiten pen­sionsbe­gründend sind? Wieso haben Sie all die Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren für Familien, für Frauen, für Kinder gesetzt haben, nicht getroffen? – Ich sage es Ihnen: Weil Sie keine Ideen hatten, weil Sie ganz einfach nicht dazu bereit waren.

Ich freue mich auch, dass wir nun mit Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat eine Frau von Seiten der ÖVP in der Regierung haben, die gerade diese beiden Bereiche sehr gut mitein­ander vernetzen wird – auch aus ihrer persönlichen Erfahrung, aus ihrer beruflichen Qualifika­tion und aus ihrer politischen Erfahrung heraus.

Ich freue mich auch darüber, dass es uns gelungen ist, in der ÖVP/FPÖ-Regierung wirklich in kürzester Zeit all diese Maßnahmen umzusetzen. Das Familien-Volksbegehren des Familien­bundes ist, wie bereits erwähnt wurde, bis auf einen Punkt umgesetzt.

Meine Kolleginnen von der SPÖ! Wenn Sie meinen, dass das Kinderbetreuungsgeld ein Anreiz sei, sich gegen Erwerbsarbeit zu entscheiden, so sage ich Ihnen darauf: Es ist die Chance, mehr Zeit für Kinder zu haben. Es ist die Chance, die Qualität der Beziehungen in den Familien zu verbessern. Das ist unsere Antwort darauf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen, dass alle Mütter Kinderbetreuungsgeld bekommen – auch Hausfrauen, auch Bäuerinnen, auch Studentinnen. Wir wollen das! Wir stehen dazu! Wir halten das auch für den richtigen Weg.

Wir werden natürlich – auch das ist klar – weiter begleitende Maßnahmen setzen müssen, wir werden innovative Kinderprojekte initiieren und forcieren – auch für die Betreuung der 10- bis 15-Jährigen. Ich halte das für sehr wichtig. Ich glaube, dass wir neue, innovative Kinderbe­treuungsmodelle und -varianten brauchen, die sich an der Arbeitswelt orientieren, aber auch an die neuen Herausforderungen der Arbeitswelt und die veränderten Gegebenheiten in den Fami­lien anpassen. Wir müssen ganz einfach neue Wege gehen und auf die Veränderungen in den Familien Rücksicht nehmen – in Richtung Einzelkinder, in Richtung Scheidungskinder, in Rich­tung Alleinerzieherinnen. Auch das ist uns sehr wichtig.

Auch der von Bundskanzler Schüssel ausgehandelte Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung bis zum Schuleintritt der Kinder ist ein wichtiger Schritt, ist eine wichtige Maßnahme. Auch das ist etwas, was nicht gegen die Frauen spricht, sondern ganz im Gegenteil, denn wir werden – und das werden wir hier heute noch diskutieren – auch dafür sorgen, dass Frauen, die sich dafür entscheiden, Kinderbetreuung zu forcieren, auch keine Nachteile bei der Pensionsberechnung haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich sage ganz ehrlich und sage das ganz bewusst: Ich teile nicht die Meinung, dass es ein Verrat an der Emanzipation ist, wenn Frauen sich dafür entscheiden, sich mehr Zeit für Kinder zu nehmen. Ich glaube, dass das ein guter, ein richtiger Weg ist, sich eine Zeit lang auch diesem Bereich speziell zu widmen.


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Wir wollen da natürlich auch die Väter einladen. All diese Angebote richten sich auch an die Väter. Wir haben ein partnerschaftliches Miteinander im Auge. Da sind Gesetze alleine auch zu wenig. Gesetze alleine können Gleichberechtigung, Partnerschaft nicht forcieren. Da geht es auch um ein Umdenken in den Köpfen der Menschen und letztlich auch um eine neue Ein­stellung.

Wir werden jedenfalls – das ist unser Anliegen – auch in dieser Regierung, in der Regierung Schüssel II, weiter den Weg verfolgen, im Interesse der Familien, aber auch im Interesse der Frauen und der Kinder jene Maßnahmen zu setzen, die Österreich zum familienfreundlichsten, aber auch zum kinderfreundlichsten Land machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.51


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren und auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich habe ein ziemlich mulmiges Gefühl (Abg. Großruck: Aspirin C!) – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht –, wenn ich daran denke, dass sich in einigen Minuten der Herr Bundeskanzler hier herstellen und die härteste und brutalste Pensionskürzungsreform der Geschichte der Zweiten Republik präsentie­ren wird, die massiv in die Familien Österreichs eingreifen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mehr als kalt und zynisch, wenn Bundesminister Bartenstein – beim Hereinfahren habe ich es im Autoradio gehört – im Radio sagt: Das ist eine frauen- und familienfreundliche Reform! Das ist mehr als kalt und zynisch, denn das Gegenteil ist der Fall, und nichts von dem, was der Herr Bundeskanzler heute sagen wird, wird das entkräften.

Viele von uns besuchen derzeit wahrscheinlich viele Veranstaltungen, denn diese Pensions­kürzungsreform wird massiv diskutiert.

Ich war gestern mit Kollegem Schöls auch bei einer derartigen Veranstaltung. Da war ein Bei­spiel einer Familie, einer so genannten Kernfamilie, bestehend aus Mutter, Vater und Kind. Der Vater arbeitet seit 30 Jahren in Schicht bei der OMV, die Mutter ist Krankenschwester, arbeitet auch im Radldienst, sprich Schichtdienst. Die erwachsene Tochter lebt zu Hause und hat laut Vater einen guten Job. Dieser Mann hat sich diese Pensionskürzungsmaßnahmen für seine Familie durchgerechnet, und rausgekommen dabei ist Folgendes: Er verliert 20 Prozent, seine Frau 36 Prozent und die Tochter auch weit über 30 Prozent. Das sind 100 Prozent in einer Familie! (Abg. Scheibner: Wie können Sie das wissen, wo es heute erst beschlossen worden ist?) Eine ganze Pension ist weg. Das soll eine gute Familien- und Sozialpolitik sein? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das ist Astrologie, was Sie da betreiben!)

Daher ist mir ein bisschen mulmig zumute, wenn wir heute über Familienpolitik – losgelöst von Ihren Kürzungsmaßnahmen kann man das nicht tun – sprechen.

Der Familienbericht 1999 war gestern eine gute Grundlage dafür, mich auf diese Aktuelle Stunde vorzubereiten. Das Gegenteil von dem, was Kollegin Bleckmann sagt, steht drinnen. Der Familienbericht erscheint alle zehn Jahre, und in den letzten zehn Jahren waren wir in Regierungsverantwortung. (Abg. Scheibner: In den letzten zehn Jahren waren Sie nicht in Regierungsverantwortung!) Da sind sehr viele Maßnahmen gesetzt worden, die zu Verbesserungen im Bereich der Familien geführt haben, Herr Kollege Scheibner! Alle zehn Jahre erscheint dieser Bericht.

Wir waren 30 Jahre lang in Regierungsverantwortung. Das, was Sie zusammengebracht haben, war eine einzige Maßnahme. Sie haben monatelang darüber gestritten, wie diese Maßnahme heißen soll: Kinderscheck, Kinderbetreuungsgeld, Kindergeld. (Abg. Scheibner: Sie waren dagegen! Warum waren Sie dagegen? Warum waren Sie gegen das Kinderbetreuungsgeld?) Plakate haben Sie entworfen, Sie haben einander konkurrenziert. Das Geschmackloseste war


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das von Ihrem Landeshauptmann mit den Kinderpopos, und so weiter und so fort. Das ist her­ausgekommen.

Es gibt mittlerweile eine Studie zu diesem Kinderbetreuungsgeld, wo schon aus der Überschrift klar hervorgeht, dass es Verschlechterungen für Frauen enthält. (Abg. Scheibner: Was jetzt: Ist das Kinderbetreuungsgeld gut oder schlecht?) – Nein, Herr Kollege Scheibner, aber Verbesse­rungen sind notwendig! Wir hören aber nichts davon.

Ich möchte endlich hören, wie Sie dieses Kinderbetreuungsgeld verbessern, damit es Frauen leichter möglich wird, Beruf und Familie zu vereinbaren. (Abg. Scheibner: Legt einmal etwas vor! Sie sind immer nur dagegen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsache ist, je länger die Frauen aus dem Beruf draußen sind, desto schlechter – und das besagen die Ergebnisse dieser Studie – werden sie be­zahlt, wenn sie wieder einsteigen, und desto weniger Pension werden sie erhalten.

Das ist nicht Familienpolitik in dem Sinn, wie wir sie befürworten. Das ist frauen- und familien­feindliche Politik, die Sie machen! Sie führt zu massiven Benachteiligungen bei Frauen. Professor Badelt sagte das schon im Jahre 1999, wie dem Familienbericht zu entnehmen ist, obwohl Sie uns jetzt das Gegenteil einreden wollen. (Abg. Scheibner: Aber da waren Sie wirklich noch in der Regierung!)

Damit Kind und Beruf wirklich miteinander vereinbar sind, müssen Sie neue Anreize schaffen. Kollegin Kuntzl hat es schon gesagt: Familienpolitik ist etwas mehr als nur eine Maßnahme, die Sie eingeführt haben. (Abg. Mag. Molterer: Eine gute Maßnahme!)

Die nächste Generation, um die es geht, das sind die Kinder und die Jugendlichen von heute. Voriges Jahr auf dem Weltkindergipfel haben die Kinder und Jugendlichen eine wirklich moderne Definition von Familie kreiert. In § 15 heißt es: Ein modernes Konzept von Familie ist die Anerkennung der verschiedenen Formen der Familie in unterschiedlichen soziopolitischen Systemen.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere zum Abschluss an die Worte des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung, dass Österreich 2010 das familien- und kinderfreundlichste Land der Welt sein soll.

Österreich wird 2010 nur dann das kinder- und familienfreundlichste Land, wenn es das beste Bildungs- und Ausbildungssystem der Welt hat – wir sind weit davon entfernt –, wenn der Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen im internationalen Vergleich am besten abgedeckt ist, und viele Punkte mehr umgesetzt werden.

Wir werden nicht müde werden, bei jeder Gelegenheit dieses Versprechen einzufordern. (Beifall bei der SPÖ.)

10.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.56


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe meiner Vorrednerin Recht, wenn sie sagt, dass sich Familienpolitik nicht nur auf eine Maßnahme beschränkt. Familienpolitik umfasst bereits die Zeit vor der Geburt, die Erziehung, die ganze Lebenszeit, bis hin zum Ableben. Das ist keine Frage!

Wir alle sollten uns dessen bewusst sein, dass die Leistungen, die von Familien, vor allem aber von Frauen für die Gesellschaft erbracht werden, und zwar unbezahlt erbracht werden, für eine funktionierende Gesellschaft unabdingbar sind.


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Es sollte daher ein familienpolitisches Anliegen aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier sein, die Familien in ihren Aufgaben finanziell, ideell zu unterstützen und ihre Leistungen anzuerkennen, sowie die Rahmenbedingungen für eine echte Wahlfreiheit für alle Eltern in Zukunft zu schaffen, so wie es in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist.

Wenn hier eingewendet wurde, dass die SPÖ mehr als 30 Jahre lang Verantwortung getragen hat, dann muss ich sagen: Alles hat gewisse Abnützungserscheinungen, man muss neue Wege gehen. Ich vernehme auch, dass niemand von der SPÖ oder auch von den Grünen jetzt gegen das Kinderbetreuungsgeld ist. Es war ein Meilenstein im Rahmen der familienpolitischen Maß­nahmen in Österreich, das ist unbestritten.

Es gibt aber auch viele andere Dinge, die dazu geführt haben, dass Familien geholfen wird. Ich erinnere nur an die Einführung der Heimfahrtbeihilfe für Schülerinnen und Schüler und an die Neueinführung der Heimfahrtbeihilfe für Lehrlinge, die von der SPÖ/ÖVP-Regierung kurzfristig abgeschafft worden ist und bei Eintritt der FPÖ in die Regierung mit 1. September 2002 wieder eingeführt worden ist. Jetzt können sowohl Schüler als auch Lehrlinge, wenn sie für Ausbil­dungszwecke in einer Zweitunterkunft wohnen, eine Heimfahrtbeihilfe erhalten, und zwar rück­wirkend mit 1. September 2002. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das Ganze ist pauschaliert und hängt von der Entfernung der Unterkunft ab.

Die „Abfertigung neu“, die eingeführt worden ist, bewirkt auch eine Fortzahlung der Abferti­gungsbeiträge für Zeiten des Kinderbetreuungsgeldbezuges, für die Dauer der Bildungskarenz, einer Familienhospizkarenz, die ebenfalls erst vor kurzem geschaffen worden ist, und für Teil­zeitbeschäftigte.

Zur Familienhospizkarenz: Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Einführung der Familien­hospizkarenz mit 1. Juli 2002 sind wesentliche Möglichkeiten geschaffen worden, sterbende Angehörige auf ihrem letzten Lebensweg zu begleiten oder erkrankte Kinder zu betreuen. Es gibt da einen Härteausgleich. Es ist möglich, Pflegegeld ab Stufe 3 zu beziehen, wenn jemand die Stufe 3 schon hat, ab Stufe 4. Die Kranken- und Pensionsversicherung sowie Abfertigungs­ansprüche bleiben erhalten. Es gibt auch Kündigungs- und Entlassungsschutz und ein vorzeiti­ges Rückkehrrecht. Der Anspruch auf Urlaubs- und Sonderzahlung im Falle einer Karenz ist ebenfalls gegeben. Ich glaube, dafür müssten die Sozialdemokraten doch Feuer und Flamme sein.

Das neue Kinderbetreuungsgeld ist heute schon des Öfteren erwähnt worden. Im Prinzip ist das ein familienpolitischer Meilenstein, der zuerst in Kärnten eingeführt worden ist. (Abg. Dipl.‑Ing. Scheuch: Bravo!) Es ist aber so, dass das Bundeskinderbetreuungsgeld noch nicht jenes Ausmaß erreicht hat, wie es in Kärnten zurzeit der Fall ist. Wir wollen in Zukunft den Aus­bau des Kinderbetreuungsgeldes forcieren, auch für Mehrlingsgeburten, denn die Anschaf­fungskosten und der Zeitaufwand für Betreuungsleistung sind bei Mehrlingsgeburten natürlich wesentlich höher. Es ist uns ein besonderes Anliegen, im Falle von Mehrlingsgeburten auch etwas zu tun.

Erlauben Sie mir, zum Abschluss aber noch auf einen wesentlichen Erfolg im Hinblick auf Armutsbekämpfung hinzuweisen. Die Familienbeihilfe ist ab 1. Jänner 2002 erhöht worden. Ab 1. Jänner 2003 erfolgte eine Erhöhung der Familienbeihilfe für Kinder ab dem 3. Lebensjahr um 7,3 € monatlich. Auch für ältere Kinder erfolgte eine Verbesserung. Eine Erhöhung des Zu­schlages für erheblich behinderte Kinder ist ebenfalls erfolgt, auch eine Erhöhung des Mehr­kindzuschlages um 36 €. Weiters ist das Pflegegeld für Kinder ab der Geburt eingeführt worden.

Das sind doch Maßnahmen, die in den letzten Jahren gesetzt worden sind, die hervorzuheben sind und gegen die eigentlich niemand sein kann.

Geschätzte Damen und Herren! Wir werden unsere Arbeit auf diesem Weg fortsetzen und für die österreichischen Familien Wesentliches weiterbringen. Unterstützen Sie uns bei dieser Arbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.02



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12. Sitzung / Seite 36

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Frau Mag. Weinzinger gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.02


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich werde mich bemühen, mich als wirkliche Österreicherin zu erweisen und mit möglichst viel Gefühl zu spre­chen. Da es auch bei Empörung um ein Gefühl geht, wird mir das nicht sehr schwer fallen ange­sichts dieser Debatte und der Pensionsreform, die wir heute auch noch diskutieren werden.

Herr Vizekanzler! Sie haben heute in Ihrer Darstellung ein Bild der Familie und einen Familien­begriff skizziert, wie er nicht einmal mehr in den kitschigsten Hollywood-Filmen vorkommt und der sich dadurch auszeichnet, von der Realität vieler Familien sehr weit entfernt zu sein.

In vielen Familien gibt es Patchwork-Konstellationen, Wiederverheiratungen, verschiedene Part­ner, verschiedene Familien im selben Haushalt und – horribile dictu für manche hier im Saal – vielleicht sogar gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit Kindern, die zusammenleben. Das alles fällt für Sie offenbar nicht unter Familie.

Lassen Sie mich daher nur einen Aspekt von Familie auch noch ansprechen, den Sie hier sehr schamhaft verschweigen und der in glattem Widerspruch zu dem steht, was der Herr Vize­kanzler gesagt hat! Er hat gemeint: Familie bedeutet Schutz.

Ich kann Ihnen nur sagen, für 300 000 Menschen, Frauen nämlich, pro Jahr in Österreich be­deutet Familie nicht Schutz, sondern Gewalt. Die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen ist sehr hoch, und zwar der Gewalttaten von Männern im Angehörigen- und Familienkreis. Schätzungen zufolge wird von vier Mädchen im Schnitt eines sexuell belästigt – im Regelfall von Familien­angehörigen der engeren oder weiteren Familie.

Was ist die Botschaft, die die Regierung für diese Familien hat? – Sie streichen Unterstützun­gen, kürzen Projekte und sperren Beratungseinrichtungen zu. Sie haben einen Familienbegriff, der auf dem pater familiae aufbaut, auf einem – das Wort ist nicht zu Unrecht davon abgeleitet – patriarchalen Modell, einen Familienbegriff, den man im Übrigen inzwischen auch in die Politik importiert, wie mehrere Länder und auch manchmal die Bundesregierung schon zeigen, und der davon ausgeht, dass man eine ökonomische Einheit der Familie definiert, in der die Frau im Regelfall eher das Anhängsel und ökonomisch abhängig ist.

Wenn es schon in Ihrer Vorstellungswelt so ist, dann frage ich Sie: Warum sind Sie nicht so konsequent und sagen, es gibt ein Pensionssplitting, es werden die erworbenen Pensionsan­sprüche des erwerbstätigen Partners fifty-fifty mit dem nicht erwerbstätigen Partner oder der Partnerin geteilt? Seien Sie doch konsequent, zumindest in Ihrem eigenen Weltbild! (Beifall bei den Grünen.)

Was bietet diese Regierung den Familien und vor allem jenen, die Betreuungsarbeiten für Kin­der oder andere Betreuungspflichtige leisten, sonst noch? Reden wir doch einmal wirklich über das – leider wird die Zeit jetzt dazu nicht reichen –, was die Regierung im Bereich Weiterbil­dung, Jobs, Wiedereinstiegshilfen, Mobilität für Frauen, Situation von Frauen im ländlichen Raum und so weiter denn tut, hinsichtlich der Betreuung von schulpflichtigen Kindern, Kindern unter drei Jahren, Kindern am Nachmittag, wenn der Kindergarten um 15 Uhr schließt und so weiter.

Reden wir einmal ernsthaft darüber, und legen wir nicht nur sonntagsredenhafte Bekenntnisse ab! Schauen wir uns an, was diese Bundesregierung hinsichtlich Familienarbeit, die sie ja automatisch den Frauen zuordnet, mit der Pensionsreform bietet: eine Durchrechnung, die Frauen eklatante Nachteile bringt. 40 Jahre einer Erwerbsbiographie, die durch Karenzzeiten, Lücken, Teilzeit- und geringfügige Beschäftigung gekennzeichnet ist, bedeutet eine glatte Schlechterstellung, deutlich auch auf dem Kontoauszug ablesbar, für Frauen.


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12. Sitzung / Seite 37

Ich halte es für zynisch, wenn die angeblich für Frauen zuständige Ministerin Rauch-Kallat sagt, es werde für Frauen keine Schlechterstellung geben, die Einkommensschere gehe nicht weiter auf. Ihr Ratschlag an Frauen mit geringem Einkommen – es sind immerhin 17 Prozent der Frauen, die weniger als 1 000 € verdienen – ist daher logischerweise, sich einen reichen Mann zu suchen. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Falsch!)

Was bietet die Regierung den Frauen in der Pensionsreform sonst noch? – Es gibt Kinderbe­treuungszeiten, die verstärkt angerechnet werden. Aber was ist denn der Regierung die Kinder­betreuung wert? – Weniger als der Präsenzdienst, denn der Präsenzdienst wird einkommens­abhängig für die Pension verrechnet, die Kinderbetreuung nur nach dem Ausgleichszulagen­richtsatz. Wissen Sie, was die Steigerung, die Sie uns jetzt als großen Fortschritt verkaufen wollen, ausmacht? – Im Jahr zirka 12,50 €!

Schönen Dank im Namen der Frauen, schönen Dank an diese Regierung, die uns eine frauen­feindliche Pensionsreform vorlegt, und schönen Dank an die Frau Ministerin, die heute mit ihrer Zustimmung zu dieser Reform inhaltlich abgedankt hat! (Beifall bei den Grünen.)

11.07


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Ich erkläre damit die Aktuelle Stunde für beendet.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sit­zungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 279/J bis 330/J.

Zurückziehung: 213/J.

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 2/JPR.

2. Anfragebeantwortungen: 78/AB bis 168/AB.

Ergänzung zur Anfragebeantwortung: Zu 149/AB.

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 2/ABPR.

3. Regierungsvorlagen:

Budgetbegleitgesetz 2003 (59 der Beilagen),

Musterschutzgesetz-Novelle 2003 (65 der Beilagen).

4. Gesetzesantrag des Bundesrates:

Gesetzesantrag des Bundesrates: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz geändert wird (58 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 1. Quartal 2003 (Vorlage 10 BA);


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Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 3 betreffend „Sichere Pensionen“, überreicht von den Abgeordneten Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Josef Bucher, Sigisbert Dolinschek und Elmar Lichtenegger.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation, der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisa­tion der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines Gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien (11 der Beilagen),

Änderung von Artikel 1 des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Ein­satzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unter­schiedslos wirken können (21 der Beilagen),

Übereinkommen zwischen den an der multinationalen Brigade aus Eingreiftruppen hoher Bereit­schaft für Operationen der Vereinten Nationen teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärung der Republik Argentinien (73 der Beilagen);

Finanzausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik der Philippinen über die Förde­rung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (34 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (36 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Großen Sozialistischen Libysch-Arabi­schen Volks-Dschamahirija über die Förderung und den Schutz von Investitionen (37 der Bei­lagen),

Abkommen zwischen Österreich und Belize auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (45 der Beilagen);

Justizausschuss:

Kündigung des Übereinkommens über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt (53 der Beilagen);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Übereinkommen zur Gründung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein samt Note (43 der Beilagen);

Verkehrsausschuss:

Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im inter­nationalen Luftverkehr samt Erklärung (13 der Beilagen),

Vereinbarung über die Bereitstellung und den Betrieb von Flugsicherungseinrichtungen und ‑diensten durch EUROCONTROL in der Bezirkskontrollzentrale des Oberen Luftraums für die Zentraleuropäischen Flugsicherungsdienste (CEATS) (Brüssel, 27. Juni 1997) samt Anlagen;


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12. Sitzung / Seite 39

Besondere Vereinbarung zur Durchführung von Artikel 6 der Vereinbarung über die Bereit­stellung und den Betrieb von Flugsicherungseinrichtungen und -diensten durch EURO­CONTROL in der Bezirkskontrollzentrale des oberen Luftraums für die Zentraleuropäischen Flugsicherungsdienste (CEATS) (56 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuss:

Vorbehalt der Republik Österreich zu Anhang III des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (35 der Beilagen);

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich (III-20 der Beilagen);

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Fortschreibung des Österreichischen Stabili­tätsprogrammes für die Jahre 2003 bis 2007 (III-22 der Beilagen);

Landesverteidigungsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung gemäß § 37 Abs. 5 WG 2001 betreffend militärische Dienstleistungen von Frauen in den Jahren 2001 und 2002 (III-17 der Beilagen);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2001 (Grüner Bericht 2001) (III-24 der Beilagen),

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2003 gemäß § 9 LWG (III-25 der Beilagen);

Verkehrsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über die geplanten und durchgeführten Maßnahmen zur Entschärfung besonders gefährlicher Straßenstücke (Unfall­schwerpunkte) auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 2. März 2001, E 63-NR/XXI.GP (III-23 der Beilagen);

C) Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 GOG:

Verlangen der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen auf Prüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen hinsichtlich Privatisierungs- und Ausgliede­rungsmaßnahmen seit 1.1.2002, insbesondere Verkaufsvorbereitungen für Unternehmen der ÖIAG sowie Vergaben an externe Berater im Zusammenhang mit legistischen Vorhaben (Ver­waltungsreform, Organisationsstruktur des Ressorts, Bundesstaatsreform, Privatisierungsge­setzgebung) und Öffentlichkeitsarbeit (eingelangt am 9. April 2003).

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 56/AB


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beant­wortung 56/AB der Anfrage 44/J der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und


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Kollegen betreffend Bestellung von Dr. Christian Romanoski zum Leiter der Abt. III/5 der Rechtssektion des Innenministeriums durch den Herrn Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, das sind die Erklärungen des Bundeskanzlers und Vizekanzlers, sowie 3 und 4 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz haben wir Konsens über die Dauer der Debatten der Tagesordnung erzielt. Eine Tagesblockzeit von 10 „Wiener Stunden“ wurde vereinbart. Daraus ergeben sich für ÖVP und SPÖ je 175, für die Freiheitlichen 120 sowie für die Grünen 130 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatten in der Zeit bis 15 Uhr getroffen: Zunächst erfolgt eine Erklärung des Bundeskanzlers mit 20 Minuten sowie eine Erklärung des Vizekanzlers mit 20 Minuten, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 20 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 10 Minuten und danach nochmals je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 10 Minuten.

Die restliche Redezeit bis 15 Uhr wird vom Vorsitz führenden Präsidenten gegebenenfalls gleichmäßig auf die Fraktionen aufgeteilt.

Weiters besteht darüber Einvernehmen, dass während der Zeit der Fernsehübertragung pro Fraktion nicht mehr als eine Wortmeldung zur tatsächlichen Berichtigung vorgenommen wird, nicht aber während der vom Vorsitz führenden Präsidenten zu verteilenden Restredezeit.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich darf darüber hinaus noch folgende Mitteilung machen. Wir haben das letzte Mal, als eine Debatte im Fernsehen übertragen wurde, über Wunsch des ORF, damit er Zeit hat für die Mittagsnachrichten, von 13 Uhr bis 13.15 Uhr unsere Sitzung unterbrochen.

Wir haben diesmal in der Präsidialkonferenz lange darüber beraten, ob wir nicht vom ORF erreichen können, dass er zeitversetzt berichtet, sodass wir ohne Unterbrechung tagen können. Der ORF hat uns per Brief mitgeteilt, dass das technisch fast nicht möglich ist, weil es Schwie­rigkeiten mit der Magnetaufzeichnung gibt. Daher werden wir diesmal wieder um 13 Uhr für 15 Minuten unterbrechen, um keine Fraktion zu benachteiligen und um die Zuschauerinnen und Zuschauer die Mittagsnachrichten und den Wetterbericht sehen lassen zu können. Das geht nicht anders.

Wir werden aber nicht nachlassen, ich werde noch einmal das Gespräch suchen, damit wir un­unterbrochen beraten können und es doch technisch ermöglicht wird, dass alle, die sprechen, im TV zu Wort kommen. – So weit zu diesem Punkt.


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1. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des National­rates zum Thema „Pensionssicherungsreform“

2. Punkt

Erklärung des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des National­rates zum Thema „Pensionssicherungsreform“


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Im Anschluss an diese Erklärungen wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entspre­chend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte stattfinden.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Erklärung das Wort. 20 Minuten Redezeit. – Bitte.

11.11


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist sinnvoll, dass wir heute, an dem Tag, an dem der Minis­terrat die Budgetbegleitgesetze, die die Voraussetzung dafür sind, dass nächste Woche ein Doppelbudget für die Jahre 2003 und 2004 vorgelegt werden kann, beschlossen hat, eine grundsätzliche Erklärung vor allem über das Thema Pensionssicherungsreform abgeben, das ein zentrales Arbeitsvorhaben im Regierungsprogramm und ein Vorhaben ist, das die Lebens­planung, das Vertrauen, die Einrichtungen der sozialen Sicherheit in Österreich und Millionen Menschen direkt betrifft.

Meine Damen und Herren! In der Analyse der Probleme waren wir uns eigentlich einig. Die Pen­sionsreformkommission hat drei Jahre lang getagt und hat im Wesentlichen Einigung darüber erzielt, dass wir ein neues Modell brauchen, das auf 65 Jahre gesetzliches Pensionsantrittsalter für Männer und – solange es verfassungsrechtlich die Differenzierung im Frauenalter gibt – 60 Jahre für Frauen aufbaut. Das ist das gesetzliche Pensionsantrittsalter. Vorher soll man nur dann in Pension gehen können, wenn man krank ist, einen Unfall hat, invalide ist, erwerbs­unfähig ist. Selbstverständlich muss es in einem Sozialstaat jederzeit diese Möglichkeit geben.

Zweitens steht außer Streit, dass wir eine lebenslange Durchrechnung von 40 Jahren anstre­ben, und zwar in Schritten anstreben, aber am Ende sollen nicht die 15 besten Jahre wie der­zeit, sondern die Lebenseinkommenssituation von 40 Jahren eine Rolle spielen. 65 Jahre beziehungsweise 60 Jahre gesetzliches Pensionsantrittsalter, 40 Jahre Durchrechnungszeit­raum und 45 Versicherungs- und Beitragsjahre sollen zu einer Nettoersatzrate in der Höhe von 80 Prozent von dieser neuen Lebensbemessungskurve führen. Darüber bestand eigentlich Ein­vernehmen in der Pensionsreformkommission. Da waren die Sozialpartner dabei, darüber ist drei Jahre lang diskutiert worden, das ist in den Sondierungsgesprächen zur Bildung dieser Bundesregierung intensivst diskutiert worden, und ich glaube, das ist auch ein vernünftiges Konzept.

Das ist im Wesentlichen in der gesamten Europäischen Union bereits verwirklicht. Manche Län­der – so etwa die skandinavischen Länder – haben schon ein höheres gesetzliches Pensions­antrittsalter mit etwa 67 Jahren, die Deutschen diskutieren das gerade sehr intensiv und auch sehr kontroversiell, aber ich meine, wir kommen mit diesem Pensionssicherungsreform-Modell aus. (Abg. Öllinger: „Wir kommen aus“, das darf doch nicht wahr sein!)

Wichtig ist: Wie kommen wir dorthin? Welche konkreten Schritte gibt es, und welche Vor­schläge kann man den Menschen zumuten? Wie kann man das gemeinsam entwickeln?


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Vizekanzler Herbert Haupt und ich sowie das gesamte Regierungsteam und alle Mitarbeiter und Experten haben sehr intensiv einige Vorschläge diskutiert, geprüft und berechnet, und wir schlagen Ihnen folgende Maßnahmen vor:

Erstens: Die Maßnahme der 40-jährigen Durchrechnung – von 15 auf 40 Jahre – soll nach einem langen Übergangszeitraum von 25 Jahren ab dem Jahr 2028 verwirklicht sein. Da kann niemand sagen, das sei überfallsartig. – Das ist ein schrittweises, vorsichtiges, behutsames Hineingleiten in diese Lebenssituation.

Der zweite Punkt ist die Frage: In welchem vernünftigen Zeitraum kann man das Frühpensions­alter auslaufen lassen? – Das soll selbstverständlich nicht schlagartig erfolgen, weil dabei die Lebensplanung von Menschen auf dem Spiel steht. Wir schlagen Ihnen gemeinsam heute vor und vertreten das auch vor der Öffentlichkeit, dass wir innerhalb eines Übergangszeitraumes von zehn Jahren, beginnend mit dem 1. Juli 2004 – bis dorthin hoffen wir, dass sich auch die Beschäftigungssituation wesentlich entspannt haben wird – bis zum Jahr 2013, dieses gesetz­liche Pensionsantrittsalter erreichen werden, also 65 Jahre für die Männer, 60 Jahre für die Frauen.

Drittens stand außer Streit, dass 45 Beitragsjahre 80 Prozent der Lebenseinkommenssumme für die Pension garantieren sollen. Da hatten wir ursprünglich vor, die 2 Prozent Steigerungs­betrag in einem Zug zu senken, genau wie wir das übrigens vor drei Jahren in einem Zug angehoben haben; wir werden das aber jetzt innerhalb von drei Jahren machen.

Es sind also vorgesehen: 25 Jahre Übergangszeitraum für 40 Jahre Durchrechnung, zehn Jahre Übergangszeitraum für das Auslaufen der Frühpension, drei Jahre Übergangszeitraum für das Erreichen der Situation, dass 45 Beitragsjahre herangezogen werden können, um 80 Prozent zu er­halten. Das ist, so glaube ich, ein vernünftiges, ein faires, ein sozial verantwort­bares Konzept, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Diskussion ist nicht neu, sie ist in Österreich immer wieder geführt worden. Es hat viele Anläufe gegeben, aber nicht den großen Wurf, sodass man tatsächlich sagen hätte können, das hat jetzt Hand und Fuß für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.

In Deutschland gibt es, wie schon erwähnt, heftigste Diskussionen. Am Sonntag Abend gab es nicht nur in Österreich im Fernsehen in „Offen gesagt“ eine sehr kontroversielle Diskussion, sondern zum gleichen Zeitpunkt fand in der ARD eine hochinteressante, spannende Diskus­sion, eine Expertenrunde mit dem Berliner Bürgermeister Wowereit, einem hochrangigen sozial­demokratischen Funktionär, dem Jusoführer, dem bayerischen Staatsminister Huber, Professor Rürup, mit dem deutschen Gewerkschaftspräsidenten und mit Unternehmervertretern statt. Im Prinzip stehen dort diese Eckpunkte in einem viel höheren Maß außer Streit als bei uns.

Ganz offen gestanden sollten wir uns schon auch Folgendes in Erinnerung rufen: Als das ASVG im Jahre 1956 geschaffen wurde, lag der Pensionsantritt im Durchschnitt bei 63 Jahren – jetzt erfolgt er um fünf Jahre früher. Damals lag die durchschnittliche Lebenszeit eines Pensionisten bei vielleicht acht oder neun Jahren – heute kann ein Mann mit 21 Jahren und eine Frau mit 25 oder 26 Jahren durchschnittlicher Lebenserwartung nach der Pensionierung rechnen. Das ist großartig, denn wir haben damit eigentlich eine ganze Generation neu gewonnen. (Abg. Öllin­ger – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Oberösterreichische Landesregierung!) Das ist eine faszinierende Chance für unsere Gesellschaft, zugleich ergibt sich aber natürlich auch die Notwendigkeit, darauf zu reagieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Wir machen es uns nicht so einfach, wie manche Vorschläge in diesen Tagen lauten: ein bisschen die Beiträge erhöhen, einige Pensionisten abkassieren und das andere unverändert lassen, zumindest bis nach 2010. Wie es wäre, wenn nichts geschieht, darf ich Ihnen etwa anhand einer, so glaube ich, unverdächtigen Information einer sehr vernünftigen Arbeiter­kammer – Sie können es gleich nachlesen – erläutern. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Wenn wir nichts machen, dann müssten wir innerhalb der nächsten 40 Jahre die Beiträge um 50 Pro-


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zent erhöhen oder die Pensionen um 45 Prozent kürzen (Abg. Eder: Das ist bitte Unsinn! – Abg. Öllinger: Tun Sie ja, Sie kürzen ja!) oder das Pensionsantrittsalter um zehn Jahre erhöhen. (Abg. Öllinger: Das ist eine Verhöhnung!)

Meine Damen und Herren! Dass das kein Weg sein kann, den eine verantwortungsvolle Bundesregierung und verantwortungsvolle Politiker – das sind wir doch alle, hoffe ich – gehen können, steht außer Frage. Das tun wir nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben daher die Wahl: entweder jetzt vernünftige, berechenbare und vorsichtig gesetzte maßvolle Einschnitte zu machen oder später dramatische Einbußen zu haben. Professor Marin hat einst geschrieben: Wer den richtigen Zeitpunkt versäumt, glaubt, es sich leicht machen zu können, gefährdet eigentlich den Sozialstaat, den zu schützen er oder sie vorgibt.

Das kann nicht unsere Verantwortung sein! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wir haben den Mut zur Verantwortung. Wir schlagen Ihnen daher eine Pensionssicherungs­reform vor, die sinnvoll und auch absolut gegenüber der Öffentlichkeit vertretbar ist. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kernpunkt dieser Reform ist, dass bereits in Pension befindliche Menschen nichts zu befürchten haben. Ein Arbeiter, ein Angestellter, ein Gewerbetreibender, ein Bauer (Abg. Wimmer: Politiker!) haben überhaupt nichts zu befürchten, wenn sie schon in Pension sind. (Zwischenruf des Abg. Eder.) Bei anderen Konzepten ist es anders. Bei unserem Konzept garantieren wir, dass in die bestehenden Pensionen der Arbeiter und Angestellten, der Bauern und Gewerbetreibenden nicht eingegriffen wird. Es ist wichtig, diesen Menschen keine Angst zu machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens: Wer heute schon in Pension gehen könnte, aber länger arbeiten will, kann dies tun, ohne irgendetwas befürchten zu müssen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es drohen ihm keine Abschläge, keine Verlängerung des Durchrechnungszeitraums, keine Maßnahmen, die in irgendeiner Weise negativ durchschlagen, denn wir wollen doch keinen Run in die Frühpension auslösen. Wir wollen gemeinsam denen, die arbeiten wollen, die Chance geben, länger in Beschäftigung zu bleiben. Wir betreiben keine Angstmache, sondern bieten konkrete Lösungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Sorge der Opposition, da gehe es um kurzfristige Überfälle, habe ich mit den langfristigen Übergängen bereits ein ganz wichtiges und wirksames Gegenargument entgegensetzen können. (Abg. Öllinger: Langfristige Überfälle!)

Dritter Punkt: Für ältere Mitarbeiter brauchen wir dringend Begleitmaßnahmen. Die Bundes­regierung weiß das und hat daher in diesen Budgetbegleitgesetzen einige ganz wesentliche Begleitmaßnahmen vorgeschlagen. Zum ersten Mal gibt es eine wirklich wirksame und spürbare Senkung der Lohnnebenkosten: Für Ältere etwa über 60 Jahre sind das Senkungen in der Höhe von 13 Prozent. Für Jüngere, also ab 56 und 58 Jahren, ist es etwas weniger, aber es ist immer noch ein gewaltiger Anreiz, um ältere Mitarbeiter länger zu beschäftigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Da freut sich Barten­stein!)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich freue mich sehr, dass jetzt endlich auch die SPÖ auf diesen Zug aufspringt und sagt: Jawohl, Lohnnebenkostensenkungen für ältere Mitarbeiter machen Sinn! – Das war ja nicht immer so. Aber ich freue mich sehr über die Zustimmung zu diesem Punkt, den wir längst eingefordert und heute auch verwirklicht haben.

Weiters werden wir Älteren, die schon in der Altersteilzeit sind, garantieren, dass jeder, der mit dem Stichtag 1. April einen Vertrag mit seinem Arbeitgeber hat, keinerlei Einbußen hat; er kann zum vorgesehenen Zeitpunkt vertraglich in Pension gehen. Alle Horrormeldungen, da müssten sich weinende Arbeitnehmer anstellen, weil sie in die Arbeitslose gehen müssen (Abg. Öllinger: Das ist Zynismus, was Sie da sagen!) und dort quasi wesentlich weniger bekommen, sind weit


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gefehlt. Wer heute in der Altersteilzeit ist, bleibt darin, seine/ihre Rechte bleiben gewahrt. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Genauso haben wir für die Menschen mit langer Versicherungszeit – 45 Beitragsjahre bei Männern, 40 Beitragsjahre bei Frauen – vorgesorgt, sodass sie weiterhin bis 2007 mit 55 bezie­hungsweise 60 Jahren in Pension gehen können; das ist geltende Regelung. Aber darüber hinaus bekommt der Sozialminister die Möglichkeit, ein Dauerrecht für besonders gefährdete Berufsgruppen zu schaffen, die von Gesundheitsrisken oder erschwerenden Arbeitsverhält­nissen betroffen sind.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir mit diesen Maßnahmen – das meinen wir sehr ernst – einen ganz wichtigen Impuls setzen, damit wir in Zukunft die Erfahrung der Älteren auch wirklich in unserem Wirtschaftsprozess weiterverwerten können. Wir werden sie noch bitter brauchen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Groß­ruck – in Richtung SPÖ –: Jetzt sind sie enttäuscht!)

Eines muss uns zu denken geben, nämlich dass Österreich innerhalb der Europäischen Union eines jener Länder ist, die den niedrigsten Anteil von in Beschäftigung stehenden Arbeit­nehmern zwischen 55 und 65 Jahren haben. In Österreich sind es unter 30 Prozent. Bei den über 60-Jährigen sind es sogar nur 14 Prozent. Der Schnitt der EU liegt jeweils mindestens um 10 Prozent höher. Überlegen Sie einmal, was es bedeuten würde, dieses Humankapital für Österreichs Wirtschaft und seine Ressourcen nutzbar zu machen! – Ich meine daher, wir sind da absolut auf dem richtigen Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

In der Diskussion gab es berechtigterweise immer wieder den Hinweis: Wie ist es mit den Kin­dererziehungszeiten oder wie ist es mit denen, die etwa Pflege im Rahmen der Familienhospiz­karenz machen? – Darauf reagieren wir. Wir hätten vorgehabt, das im Rahmen der Gesamt­harmonisierung der Pensionssysteme zu machen, aber es ist durchaus vernünftig, das vorzu­ziehen und diese Antwort gleich jetzt anzubieten.

Der Vorschlag, den wir haben, würde bedeuten, dass pro Kind drei Jahre aus der Durch­rechnungszeit herausgenommen werden. Nehmen wir ein ganz konkretes Beispiel: Eine Frau, die zwei Kinder hat – die 15 besten Jahre bleiben aufrecht –, hätte damit bis zum Jahr 2010 überhaupt keinerlei Auswirkung zu verspüren, wenn die Durchrechnungszeit erweitert wird. Ich glaube, dass wir überdies noch sinnvollerweise auf Anregung der Frauenministerin und der Familienstaatssekretärin eine Aufwertung der Kinderzeiten auf 150 Prozent in den nächsten Jahren durchführen werden. (Abg. Dr. Glawischnig: In 28 Jahren!) Wobei ich hinzufüge, Frau Abgeordnete Glawischnig, dass die Berücksichtigung dieser drei Jahre pro Kind rückwirkend erfolgt (Abg. Öllinger: Das wirkt sich nicht auf die Pension aus!) – rückwirkend auch für Kinder, die 1950 oder 1960 auf die Welt gekommen sind. Überdies werden für die Zukunft pensionsbe­gründend 24 Monate eingeführt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das ist völlig irrele­vant!)

Meine Damen und Herren! Daher sage ich Ihnen ganz offen: In puncto Kinder- und Familien­freundlichkeit, in puncto Behutsamkeit hinsichtlich der Interessen und Rechte der Frauen kann uns niemand in diesem Hohen Hause übertreffen. Darauf legen wir großen Wert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es hat niemand frühere Regierungen daran gehindert, diese Maßnahmen, die wir hier vorschla­gen, in das Dauerrecht zu übernehmen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, es sind gerade von den Frauenpolitikerinnen aller politischen Parteien in der Vergan­genheit sehr wertvolle Bei­träge gekommen. (Abg. Broukal: An Ihrem Widerstand gescheitert!)

Manche Dinge sind kritisiert worden, weil auf Grund von Durchrechnung, Abschlägen im Falle der vorzeitigen Pensionierung möglicherweise Kumulierungen, Anhäufungen entstehen können. Das ist ein berechtigter Einwand. Darauf haben wir mit intensiven Diskussionen reagiert. Wir hatten jetzt schon eine Deckelung bei den Abschlägen von der Frühpension, die nun ausläuft.


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Ab dem Jahr 2009 gibt es daraus praktisch keine Verluste, weil diese Frühpension ausläuft. Wohl aber bei den Durchrechnungszeiten könnte ein solcher Verlust entstehen.

Wiederum: Wir hätten das im Rahmen der Gesamtharmonisierung selbstverständlich vorge­schlagen. Wir ziehen es vor, auch wenn das erst in zehn, 15 Jahren wirksam wird. Wir geben jetzt schon die richtige Antwort, um auch den Horrorprognosen den Boden zu entziehen, die da manchmal lauten, allein aus diesem Titel würden manche 25 Prozent ihrer Pension verlieren. (Rufe bei der SPÖ: Wer?)

Unsere Antwort heißt – hören Sie jetzt genau zu! –: bis 2007 ein maximaler Verlust von 3,5 Pro­zent, bis 2015 7 Prozent und darüber hinaus 10 Prozent. (Abg. Öllinger: Das reicht doch auch schon!)

Fragen Sie einmal Abgeordneten Gusenbauer, wie er seine 10 Prozent Verlust im Durchschnitt rechtfertigen will. – Meine Damen und Herren! Mehr ist das auch nicht, um das hier einmal ganz deutlich zu sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass wir einige ganz wichtige Anregungen geboten und auch auf die öffent­liche Diskussion reagiert haben. Für mich ist völlig klar, dass in einer solch wesentlichen Frage, die alle Österreicherinnen und Österreicher irgendwann einmal berührt, bei der man rechtzeitig handeln muss, auch eine faire, sachliche, offene Diskussion notwendig ist.

Die Frage, die sich uns stellt, ist: Handeln wir jetzt oder verschieben wir, verwässern wir, verzö­gern wir? – Das ist der entscheidende Punkt! Wenn jemand ein Haus besitzt und merkt, dass es bei einem Dachziegel hereinzuregnen beginnt, dann sollte er meiner Meinung nach nicht zuwar­ten, bis die Probleme noch größer werden, sondern er sollte rechtzeitig anfangen, die Reparatur so anzusetzen, dass dem Haus letztlich nichts geschieht. Genau darum geht es bei unserem gemeinsam aufgebauten sozialen Gefüge. (Abg. Öllinger: Das war ein guter Witz!)

Meine Damen und Herren! Daher das ehrliche Angebot an die Sozialpartner und an die Parla­mentsfraktionen: Arbeiten Sie mit uns mit! Wir wollen eine neue Politikerpensionsreformrege­lung einbringen, die dieselben Spielregeln enthält wie alle anderen – plus einen spürbaren Solidarbeitrag. Arbeiten Sie mit an einer Punktation und an einem späteren Gesetz, in dem die Harmonisierung aller unüberschaubar gewordenen Pensionssysteme erfolgt! Arbeiten Sie mit uns mit!

Ich sage auch sehr offen – bei allem Respekt, Herr Präsident Verzetnitsch –: Wichtig ist, dass man an den Verhandlungstisch zurückkehrt (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen – Zwischenrufe bei der SPÖ), genauso, wie die Sozialpartner in den letzten drei Jahren in der Pensionsreformkommission gewesen sind.

Ich lade Sie daher ganz offiziell von dieser Stelle aus ein: Arbeiten Sie an diesem wichtigen Projekt für alle Österreicherinnen und Österreicher mit! Ich sage Ihnen aber auch sehr offen: Dem Druck der Straße wird und darf in der Demokratie nicht gewichen werden! Das sage ich hier ganz deutlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich zitiere jetzt „Die Zeit“, die nun wirklich nicht im Verdacht steht, dem Neo-Liberalismus ver­pflichtet zu sein, die wörtlich, angesichts der Diskussion in Deutschland, die ähnlich verläuft, geschrieben hat:

„Gesetze werden vom frei gewählten und demokratisch gewählten Gesetzgeber gemacht. Was Bundestag und Bundesrat verfassungskonform beschlossen haben, gilt – ob es einem Interessenverband oder einer Gewerkschaft gefällt oder nicht. Wer dieses Gesetzgebungs­monopol nicht akzeptiert, verlangt schließlich das Recht des Stärkeren.“

Meine Damen und Herren! Ich sage das daher auch im Vertrauen darauf, dass das richtig ver­standen wird. Ich weiß, dass es hier unterschiedliche Auffassungen gibt – ja geben muss –, aber ich erwarte von uns allen, dass wir den österreichischen Weg des kritischen Aufeinander-


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Zugehens, des kritischen Dialogs ernst nehmen und die Dinge ... (Zwischenruf des Abg. Verzet­nitsch.)

Herr Präsident Verzetnitsch, lassen Sie mich in aller Ruhe meine Gedanken hier erklären! Es ist wichtig, auch für die Diskussionskultur im Haus, zu zeigen, dass man einander zuhören kann. – Wir haben manch kritischen Stimmen in der Begutachtung zugehört, und wir erwarten, dass Sie auch zuhören, wenn wir versuchen, etwas Sinnvolles, etwas Gutes für Österreich zu leisten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mit dieser Pensionssicherungsreform bleiben die jetzigen Pensionen in Österreich weiterhin sicher, und die jungen Menschen können darauf vertrauen, auch selbst noch eine sichere Pen­sion zu bekommen. Österreich bleibt mit unserer Politik zukunftsfähig. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.32


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen und erteile nun dem Herrn Vizekanzler das Wort. Auch für ihn sind 20 Minuten Redezeit verein­bart. – Bitte, Herr Vizekanzler.

11.33


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseher zu Hause und hier auf der Besuchergalerie dieses Hohen Hauses, die Sie die Plenarsitzung mit­verfolgen! (Abg. Eder: Der „kleine Mann“!) Hohes Haus! Wir haben heute im Rahmen einer Aktuellen Stunde bereits in der Früh die Familienpolitik und die Generationenpolitik dieses Staates erörtert. Nunmehr legen wir von Seiten der Bundesregierung die Bundesfinanzge­setze für die Jahre 2003 und 2004 samt den Budgetbegleitgesetzen als gemeinsames Vorhaben der Bundesregie­rung dem Parlament zur weiteren Bearbeitung vor. In diesem Paket ist auch das Budgetbegleit­gesetz über die Pensionsreform enthalten.

Hohes Haus! Die österreichische Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, die künftigen Pensionen abzusichern. Man muss den Menschen in diesem Staat die Wahrheit sagen (Abg. Dr. Fischer: Wer hindert Sie daran?): Ein gutes und ein abgesichertes Sozialsystem kann sich ein Staat nur dann leisten, wenn die Wirtschaft floriert und wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ihren Verdiensten und ihren Steuer- und Beitragsleistungen dieses Sozial­system absichern. Daher ist es besonders wichtig, dass diese Bundesregierung mit dem Budget und mit den Budgetbegleitgesetzen samt dieser Pensionsreform den Wirtschaftsstandort Öster­reich absichert und zukunftsträchtig erhält, denn nur dann werden wir uns auch das hohe Niveau des Sozialstaates Österreich für alle leisten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir sind verpflichtet, die Wahrheit offen und ehrlich zu schildern – alles andere wäre aus meiner Sicht eine Fortsetzung der Politik des vergangenen Jahrzehnts, als die jeweiligen Bundes­kanzler Vranitzky und Klima mittels zweier Briefe den Pensionisten eine Beruhigungspille ver­passt haben, um in den Jahren darauf genau das Gegenteil von dem zu machen, was in den Briefen der älteren Generation versprochen worden ist. Daher sind die Menschen verunsichert worden. – Wir wollen die Menschen nicht mehr verunsichern, wir werden ihnen die Wahrheit sagen.

Wir haben unsere Vorhaben dahin gehend ausgerichtet, dass jene Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg diese Zweite Republik unter schwierigsten Umständen aufgebaut hat, in ihrer Pension, in der sie sich heute befindet, ungeschoren die sozialen Leistungen, die sie sich im Pensionssystem aufgebaut hat, in Zukunft genießen kann – ein Versprechen, das alle Politiker aller Couleurs dieses Parlaments in den letzten Monaten und Jahren mehrfach gemacht haben. Diese Bundesregierung setzt das mit den vorliegenden Vorhaben zur Pensionsreform um.

Wir werden eine Absicherung der Pensionen auch für die jüngere Generation vornehmen. Die jüngere Generation ist derzeit verunsichert. Die Berichte, die wir von der Europäischen Union


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betreffend den Zustand des österreichischen Pensionssystems bekommen haben, sind nach­lesbar. Die Europäische Union hat uns im März 2003 Folgendes mitgeteilt:

Die Absicht der Bundesregierung für eine Reform des Rentensystems wird begrüßt. Der gemeinsame Bericht stellt fest, dass durch die Schwerpunkte auf der ersten Säule die Auf­wendungen aus dem Budget im EU-Vergleich hoch sind – im EU-Vergleich hoch sind! Der gemeinsame Bericht formuliert, dass die Reform in der Tat eine Notwendigkeit ist.

Die Europäische Kommission hat bezüglich der Grundzüge der Wirtschaftspolitik 2003/05 aus­geführt: Trotz einer Reform im Jahre 2000 und maßvoller Leistungszuwächse in den vergange­nen Jahren ist die Tragfähigkeit des Rentensystems auf lange Sicht angesichts der prognosti­zierten Bevölkerungsalterung nicht gesichert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben keine Zeit, die Pensionsreform, die 1995 und 1996 im Rahmen der Diskussion unter dem auch heute im Fernsehen zu sehenden Experten Rürup für Österreich angedacht worden ist, weiterhin auf die lange Bank zu schieben. Als Sozial­minister der Republik hätte ich mir gewünscht, dass sehr viele Vorschläge der Jahre 1995/97 schon damals umgesetzt und nicht verwässert worden wären. Wir hätten dann harmonischere und lange Übergangsfristen. Daher, glaube ich, ist es gut, dass das österreichische Parlament und die Regierungsparteien heute nicht wieder den Fehler der Jahre 1995 bis 1997 wiederholen und diese Pensionsreform hinausschieben, sondern sie zügig angehen.

Die Türe, sehr geehrte Damen und Herren, für die Sozialpartner ist offen. Das, was wir am letzten Sonntag in den Verhandlungen erreicht haben, ist für mich ein wichtiges Anliegen bei dieser Pensionsreform, die nun in abgeänderter Form gegenüber dem Begutachtungsentwurf vorliegt, gewesen. Wir verlängern die „Hackler-Regelung“ bis 1. Jänner 2007 (Zwischenruf des Abg. Öllinger), und sie wird dann im Dauerrecht – im Dauerrecht, Herr Kollege Öllinger! – für jene, denen die medizinischen und arbeitsmedizinischen Gutachter auf Grund der Dauer und Eigenart ihres Berufes eine kürzere Lebensdauer voraussagen, verankert. (Abg. Dr. Fekter: Passen Sie auf, Kollege Öllinger!)

Eine Verlängerung dieser so genannten Hackler-Regelung im Dauerrecht zu verabschieden sollte auch für die Sozialpartner ein wichtiges Anliegen sein, nämlich das gemeinsam im Interesse ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so auszugestalten, dass nicht nur die Prävention am Arbeitsplatz, die Arbeitsschutzmaßnahmen und die Arbeitssicherheit verbessert werden, sondern dass auch diesen betroffenen Arbeitnehmern, die es trotz all dieser Bemühun­gen gibt – Österreich hat es in diesem Jahr zum ersten Mal auf unter 100 000 Arbeitsunfälle ge­bracht, das ist eine Verbesserung von mehr als 20 000 –, in der so genannten Hackler-Rege­lung ab 2007 eine Verbesserung garantiert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es sollte auch ein Anliegen der Arbeiterkammer sein, es sollte auch ein Anliegen der Ge­werk­schaften sein, und es wird auch mit Sicherheit ein Anliegen der Wirtschaftsbetriebe und ihrer Vertretungen sein, hier mitzuarbeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren! In den letzten Tagen haben uns die Sozialpartner versichert, dass sie bis 30. September dieses Jahres an einem harmonisierten Pensionssystem für alle ab 2004 mitwirken wollen. Als Sozialminister bin ich daran interessiert, dass neben den Experten der Sozialpartner, die seit drei Jahren in der Reformkommission des Bundes mitgewirkt haben, auch offiziell die Sozialpartner die nächsten Wochen und Monate nutzen, um die von allen als gerecht vertretene Harmonisierung aller Pensionssysteme mit zu entwickeln, mit zu gestalten und auszugestalten. Die Bundesregierung hat heute mit der von ihr verabschiedeten Punktation für ein harmonisiertes Pensionssystem in Österreich für alle diesen Weg offen gehalten, und zwar ausdrücklich.

Ich halte nichts davon, dass man aus tagespolitischen Gründen, um sich für regionale oder sonstige Wahlen einen Vorteil zu erkämpfen, die Menschen auf die Straße schickt. Ich halte jedoch viel davon, dass alle, die in dieser Demokratie berufen sind mitzuwirken – das sind die Parlamentarier beider Häuser –, die Diskussionsmöglichkeiten der nächsten Wochen gemein-


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sam nutzen, um dieses wichtige Vorhaben für den Staat und für alle Generationen abzu­sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! In den letzten Tagen und Wochen war die Situation der Frauen und die behauptete Disparität zwischen den einzelnen Berufsgruppen ein Diskussions­punkt. Wir haben in den Verhandlungen am Wochenende nach der Begutachtungsfrist erreicht, dass die gleichen Deckelungen im Hinblick auf den Durchrechnungszeitraum sowohl für den ASVG-Bereich als auch für den Beamtenbereich gelten.

Wir haben erreicht, dass die „Hackler-Regelung“ verlängert wird und dass darüber hinaus nun­mehr eine „Hackler-Regelung“ im bleiben­den Recht vorgesehen ist – da lade ich die Sozialpart­ner nachträglich ein mitzuwirken –, die auch in Zukunft im bleibenden Recht all jene berück­sichtigen soll, die von ihrer Arbeitswelt her mit einer kürzeren Lebenserwartung und deutlich schlechteren Gesundheitsbedingungen zu rechnen haben.

Wir haben eine Verbesserung der Anrechnung der Kindererziehungszeiten im Dauerrecht erreicht. Wir haben eine Deckelung der Durchrechnungsverluste mit den Stufen von 3,5 Prozent bis 31. Dezember 2007, 7 Prozent bis 31. Dezember 2015 und 10 Prozent bis zum Jahre 2028 erreicht. Wir haben eine Neuordnung der Steigerungsbeträge aller Zu- und Abschläge durch eine Einschleifregelung über drei Jahre von 2 Prozent auf 1,78 Prozent in Quartalsschritten erreicht. Wir haben die Einführung der Altersteilzeitregelung im Übergangsrecht. Wir hatten schon im Begutachtungsentwurf die flankierenden Maßnahmen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Während man in der Bundesrepublik Deutschland bei deutlich steigenden Arbeitslosenzahlen unter der Verantwortung Ihrer befreundeten Partei, der Sozialdemokraten unter Schröder, heute eine Pensionsreform bis zu einem Pensionsantritts­alter von 97 Jahren diskutiert (Rufe bei der SPÖ: 67! 67! – Abg. Eder: Nervös ein bisschen?) – bis zum 67. Lebensjahr –, ist diese Bundesregierung der Meinung, dass es Zeit ist, die Reform zügig so umzusetzen, dass das gesetzliche Pensionsantrittsalter, das seit Jahrzehnten gilt und bei 65 Jahren liegt, in Österreich beibehalten werden kann und nicht nach oben gesetzt werden muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Während Ihre Parteifreunde in der Bundesrepublik Deutsch­land darüber diskutieren, das Arbeitslosengeld auf die Höhe der Notstandshilfe schneller und zügiger herabzusetzen, diskutieren wir darüber, Arbeitnehmern, die über 55 und über 60 Jahre alt sind, eine deutliche Rückerstattung ihrer Lohnnebenkosten im gleichen Ausmaß wie den Betrieben zu gewährleisten, um die Situation für ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube daher, dass sich jeder, der in diesem Staate Verantwortung übernommen hat, dieser Verantwortung nicht nur bewusst sein muss, sondern diese Verantwortung auch zu tragen hat. Die Verantwortung für uns alle hier im Parlament ist es, das Sozialgefüge in Österreich weiter zu entwickeln und weiter auszugestalten. In der jetzigen Diskussion gibt es für mich schon einen Gewinner, und das sind jene, die Kindererziehung im Sinne des Generationenvertrages der ersten Säule geleistet haben. Laut Generationenvertrag können das nur jene – egal ob Frau mit Kind, ob Mann mit Kind, ob Partnerschaft oder ob Familie mit Kind – in diesem Staat einlösen und nicht jene, die ein Single-Dasein anstreben und sich auf den Generationenvertrag verlassen. Daher ist es in einem Staat, in dem die erste Säule des Pen­sionssystems (Abg. Öllinger: Kaputt gemacht wurde!) nach wie vor auch in Zukunft die tragende Säule des Pen­sionssystems sein wird, staatspolitisch wichtig, diese so auszugestalten, dass die Familien­leistungen endlich, im Gegensatz zur Zeit vor 1995, gerecht anerkannt werden. Das ist das Bemühen dieser Bundesregierung! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist nicht zynisch, sondern Realität, sehr geehrte Damen und Herren, wenn es in Europa von den 15 Staaten der Europäischen Union 14 Staaten gibt, die ihr Pensionssystem auf einem Drei-Säulen-Modell aufgebaut haben, dass auch diese Bundesregierung konsequent die zweite und dritte Säule, die wir in der letzten Legislaturperiode geschaffen haben, ausbaut und weiter


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entwickelt, um auch den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der zweiten und in der dritten Säule jenen Ausgleich zu gewährleisten (Abg. Öllinger: Wie denn? Wie denn? Wie funktioniert das?), der in der ersten Säule auf Grund der Demographie in der Zukunft nicht mehr möglich ist. Jeder, der den Menschen mehr verspricht, als im Steuertopf zu verteilen ist, handelt unredlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie sich die jungen Menschen in diesem Lande ansehen, die in 20 Jahren in Pension gehen werden, dann haben diese im Abfertigung-neu-Modell die Wahlmöglichkeit (Abg. Öllin­ger: Oje!), ihre Abfertigungsansprüche herauszunehmen oder diese Abfertigungsansprüche für eine Zusatzpension für die Zukunft zu lukrieren. (Abg. Öllinger: Das wird mager!) Es hat jeder Einzelne für sich die Möglichkeit, die Entscheidung darüber zu treffen.

Sie können sich die Kapitalisierungseffekte über 20 oder 30 Jahre auch bei geringen Zahlungen von geringen Einkommen ansehen. Das sind durchaus Leistungen, die in der Lage sind, die erste Säule voll tragfähig zu ergänzen, sodass man auch dann im Alter keine Einkommens­verluste hinnehmen muss. Diese 1,53 Prozent in der zweiten Säule werden für die Besser­verdienenden von den Betrieben genauso eingezahlt wie für die Schlechterverdienenden. Im Gegensatz zu früher, als Sie, die Sozialdemokraten, die alleinige Verantwortung für die Abferti­gungen hatten, haben nunmehr 100 Prozent der in den Unternehmen Beschäftigten die Mög­lichkeit, eine Abfertigung zu lukrieren, und nicht mehr nur 15 Prozent Privilegierte, die die entsprechenden Zeiten erreicht haben. Ich glaube daher, dass es nicht zynisch ist, auf diese Möglichkeit hinzuweisen, sondern im internationalen Vergleich nur gerecht und berechtigt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Prognosen, die uns die Sozialdemokratie im Herbst des Vorjahres gegeben hat: 340 000 Arbeitslose haben Sie uns für Ende Februar dieses Jahres prognostiziert. Mit 294 000 Arbeitslosen liegen wir deutlich zu hoch! Aber wir sind immerhin 26 000 Arbeitslose unter der Prognose des Arbeitsmarktservice und 46 000 Arbeitslose unter Ihren Prognosen gelegen. So schlecht kann die Wirtschaftspolitik der österreichischen Bundesregierung nicht gewesen sein, dass wir nicht deutlich bessere Zahlen erreicht haben, als Sie uns prognostiziert haben – oder Sie haben mit Absicht die Prognosen höher gesetzt, um für die damaligen Wahl­kämpfe Stimmung zu machen. Das Zweitere will ich Ihnen nicht unterstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da Sie sich in den letzten Tagen über die Chancen der jungen Menschen in diesem Staate unterhalten haben (Abg. Dr. Wittmann: Das ist Zynismus!), darf ich Sie auch auf die Arbeits­losenzahlen des heutigen Tages hinweisen. Bei den Frauen haben wir mit Ausnahme der Akademikerinnen nur positive Werte, da die Arbeitslosigkeit abgenommen hat, und zwar über alle Gruppen. Bei der Jugend zwischen 19 und 25 gibt es auch eine durchaus erfreuliche Ent­wicklung. Aber ich gebe schon zu: Wir werden weiter arbeiten müssen, damit Frauen, die in akademischen Berufen sind, auch akademische Berufe ergreifen, die Chancen auf dem Arbeits­markt haben, und damit wir nicht zusätzlich arbeitslose Frauen produzieren.

Ich darf Ihnen die Zahlen in Erinnerung rufen: Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen bei den Frauen ist um 2,7 Prozent gesunken, die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen bei den Männern ist um 2,1 Prozent gesunken, bei den 15- bis 19-Jährigen minus 4,5 Prozent, bei den Frauen von 19 bis 25 Jahren minus 0,2 Prozent, minus 2,8 Prozent bei den 15- bis 19-Jährigen und bei den 15- bis 25-Jährigen minus 0,5 Prozent. Ich glaube daher, wenn man sich auch die Zugänge ansieht – minus 10,3 Prozent bei den Frauen, bei den Arbeitslosen insgesamt minus 6,8 Pro­zent –, dass wir durchaus in der Talsohle der Wirtschaftsentwicklung, international gesehen, in Österreich eine Erholungsphase diagnostizieren können, auf der wir in Zukunft durch gute Rahmenbedingungen aufbauen wollen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Öllinger. – Abg. Öllinger: Eine „Erholungsphase“ nennen Sie das?! Eine „Erholungsphase“ nennen Sie das, höchste Arbeitslosenzahlen!)

Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir alle werden im internationalen Ver­gleich gemessen. (Abg. Öllinger: Herr Vizekanzler! Bitte unterbrechen Sie hier!) Österreich ist, was die Arbeitslosigkeit betrifft, nach wie vor das zweitbeste Land bei der Jugendbe­schäftigung


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in Europa. Wir sind das drittbeste Land in der Beschäftigung von allen 15. Wir haben in wich­tigen Benchmarks deutlich aufgeholt. Nur in einem Bereich sind wir nach wie vor Drittletzter, das ist bei der Beschäftigung der über 60-Jährigen. Ich glaube daher, sehr geehrte Damen und Herren, dass diese Maßnahmen der Bundesregierung zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Dosierung kommen, um das österreichische Pensionssystem zukunftsträchtig zu erhalten und gemeinsam mit allen, die daran interessiert sind – Sozialpartner, Parlamentarier aus allen Parteien –, die Weiterentwicklung des Pensionssystems als harmonisches Pensions­system über alle Berufsgruppen in Österreich voranzutreiben und zu diskutieren. Die Türe für Verhand­lungen ist offen. Wer sie zuschlägt, muss dafür die Verantwortung tragen! (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

11.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke auch dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen nunmehr in die Debatte über diese Erklärungen ein. Die Redezeiten sind bekannt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.54


Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler hat uns gerade berichtet, er wäre froh gewesen, wenn es 1995/1996 eine tief greifendere, sprich schärfere Pensionsreform gegeben hätte. Das würde seine Tätigkeit heute erleichtern! – Ich kann mich erinnern, als 1995/1996 die FPÖ in Opposition war, war sie es, die gesagt hat, das, was hier beschlossen wird, ist das Allerschlimmste für die österreichischen Pensionisten, und sie war nicht einmal bereit dazu, dem zuzustimmen, was im Jahr 1995 beschlos­sen wurde. – So viel zu Ihrer Glaubwürdigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wer macht es jetzt? – Zwischenruf des Abg. Dr. Fassl­abend.)

Zum Zweiten, Herr Fasslabend: „Sozialstaat ist in der Sackgasse. Wer zahlt morgen die Ren­ten?“ – Das könnte durchaus aus den jüngsten Publikationen der ÖVP sein. Es ist aber bereits aus einer Publikation der ÖVP aus dem Jahr 1959! Seit 1959 wird immer wieder gesagt, dass das Pensionssystem nicht finanzierbar ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon der Meinung, man sollte sich immer einen Soll-Ist-Vergleich anschauen. Schauen wir uns doch die Prognosen an, die im Jahr 1991 entwickelt wurden! Wie hat sich in der Realität der Pensionsaufwand entwickelt? – Wenn Sie nur einen Funken Ehrlichkeit haben – nur einen Funken! –, dann werden Sie beim Blick auf die Ergebnisse feststellen, dass die reale Entwicklung der Pensionskosten in Österreich nicht der pessimistischsten Annahme entsprochen hat, nicht der optimistischsten Annahme entsprochen hat, sondern dass die Aufwendungen sogar unter der optimistischsten Annahme geblieben sind! Daher halte ich nichts davon, wenn Pensionsdiskussionen immer auf der Ebene von Kassandrarufen stattfinden, die dann in der Realität zum Glück nicht eintreffen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Wahrheit ist doch, dass die Pensionsreformen der neunziger Jahre zumindest in dieser Legislaturperiode greifen – auch deswegen, weil geburtenschwächere Jahrgänge, zum Beispiel bei den Männern, in Pension gehen. Dies führt dazu, dass bis zum Ende der Legislaturperiode der Bundesbeitrag im Verhältnis zum Volkseinkommen sogar sinkt. Das ist die Wahrheit! Auch wenn man sich die Berichte Ihrer Pensionsreformkommission durchliest – Herr Amon, ich gehe davon aus, Sie haben es getan oder werden es tun –, wird man feststellen, dass auch darin die Pensions­reformkommission mitteilt: Das große Problem der Finanzierung von Pensionen beginnt mit dem Jahr 2015 und ist stärker steigend ab dem Jahr 2020.

Daher ist es richtig, heute darüber zu diskutieren, wie man die Pensionen vernünftig so refor­mieren kann, dass man für diesen Tag im Jahr 2015 oder 2020 vorsorgt. Dazu stehe ich absolut! Aber eine solche Diskussion hat nichts damit zu tun, dass man kurzfristig für den Finanzminister und seine Budgetlöcher Geld besorgen muss, eine solche Diskussion hat ausschließlich die Perspektive, langfristige Einsparungen durchzuführen.


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Ich finde es einigermaßen frivol, dass Sie an dem Tag, an dem Sie nach wie vor, wenn auch mit gewissen Korrekturen, ein Pensionskürzungsmodell vorlegen, gleichzeitig im Ministerrat be­schließen, dass Sie Abfangjäger für das österreichische Bundesheer ankaufen! Da entsteht in der Tat der Anschein, dass das Geld, das den Pensionisten kurzfristig bis zum Jahr 2006 weg­genommen wird, dazu dienen soll, dass Sie sich die Abfangjäger leisten können. Zumindest ist die Optik außerordentlich schlecht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wie kann das Pensionssystem langfristig gesichert werden? – Herr Bundeskanzler! Sie haben heute nichts gesagt zu den – zugegebenerweise vorhandenen und sich über Jahrzehnte ent­wickelt habenden – Ungleichheiten im österreichischen Pensionssystem. Die Harmonisierung ist nicht nur ein Element zu mehr Pensionsgerechtigkeit, die Harmonisierung der Pensions­systeme kann auch dazu führen, dass das Pensionsgeld gerechter aufgeteilt wird, und daher ist die Harmonisierung auch Teil der Finanzierung einer Pensionsreform.

Ich frage mich: Wenn Sie heute einen ersten Schritt setzen und einmal die Pensionen kürzen – heißt das, dass unter dem Titel Harmonisierung im Herbst die zweite Kürzung nachkommt, und zwar wieder für das ASVG oder nur für andere oder auch für beide? – Alle Pensions­experten sind sich darüber einig: Ein wirklich großer Wurf besteht darin, dass man durch eine Harmoni­sierung der Pensionssysteme das Geld, das für die Pensionen zur Verfügung steht, gerechter unter allen Pensionisten verteilt. Und genau das haben Sie unterlassen, und das werfen wir Ihnen mit Recht vor! (Beifall bei der SPÖ.)

Über lange Strecken Ihrer Rede habe ich den Eindruck gehabt, dass Sie Ihr Pensionsre­formkonzept völlig über den Haufen geworfen haben, denn Sie haben die meiste Zeit davon gesprochen, dass es am Ende 80 Prozent Nettoersatzrate geben wird – auch für diejenigen, die heute jung sind und im Jahr 2025, 2028 oder 2034 in Pension gehen werden. Nach den Ausführungen des Herrn Vizekanzlers gehe ich davon aus, dass das offensichtlich nicht der Fall ist, denn er hat bereits darüber gesprochen, dass zur Ergänzung der so genannten ersten Säule, was wir als Pension begreifen, eine zweite Säule dazukommen muss, damit man wieder auf eine gewisse Pensionshöhe kommt. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis er dann von der dritten Säule reden wird. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt, es interessiert uns, wie viel jeder Österreicher zusätzlich zu seinen Beiträgen, die er ins Pensionssystem einzahlt, noch an Zusatzzahlungen über eine so genannte zweite oder dritte Säule leisten muss, damit er zu dem angestrebten Ziel kommt (Abg. Scheibner: Bei Ihnen sind es 15 Prozent! Bei Ihrem System sind es 15 Prozent!), nämlich 80 Prozent des Lebens­durchschnittseinkommens als Pension zu haben. Ich habe den Eindruck, diese Mogelpackung wird erst Schritt für Schritt aufgeschnürt, denn der Bundeskanzler und der Vizekanzler haben sich zumindest in dieser Frage ganz massiv widersprochen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich glaube, man soll im Parlament offen und ehrlich reden. Herr Bundeskanzler, Sie haben doch ... (Abg. Mag. Molterer: Tun Sie das sonst nicht?) – Ich gehe davon aus, dass Sie das sonst auch machen; ansonsten werden Sie am Sonntag, so nehme ich an, den Weg zum Beichtstuhl finden, Herr Kollege Molterer! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Aber im Parlament, so glaube ich, ist es besonders wichtig, vor allem dann, wenn die ÖVP als Ziel gehabt hat, dass das, was wir unter Pensionen verstehen, in Zukunft nur 50 Prozent der Pen­sionen ausmachen soll, dass weitere 10 oder 15 Prozent aus der so genannten Abfertigung Neu kommen sollen, also der zweiten Säule, und dann weitere 20 bis 25 Prozent aus der so genann­ten dritten Säule kommen sollen. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Nein, nein, nein!)

Ich stelle mir die Frage – es soll mich freuen, Herr Bundeskanzler –: Haben Sie nun dieses Kon­zept, dass jeder Österreicher dreimal zahlen muss, damit er einmal eine Pension bekommt, über Bord geworfen und sind zum Umlageverfahren zurückgekehrt, oder haben Sie uns heute nicht die ganze Wahrheit gesagt? – Hier wäre eine Aufklärung im Sinne der Pensionssicherheit in unserem Land dringend notwendig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Ehrlich gesagt: Den großen Wurf kann ich hier nicht erkennen. Es handelt sich um eine Reihe von Anpassungen. Sie haben nun einige Übergangsfristen eingeführt, manche davon werden eine Wirkung entfalten, andere nicht. Aber die Grundstruktur des Pensionssystems im Rahmen des Umlageverfahrens betreffend haben Sie keinen großen Wurf vorgelegt, denn die Harmoni­sierung liegt nicht vor, die bestehenden Ungerechtigkeiten werden nicht beseitigt, und an den niedrigen Frauenpensionen wird auch Ihr Vorschlag, dass man drei Jahre Kindererziehungs­zeiten herausrechnen kann, leider nichts ändern. Das ist eine homöopathische Dosis für ein großes Problem, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Im Übrigen kenne ich niemanden in Österreich, der der Meinung ist, man sollte die Pensions­reform auf das nächste oder übernächste Jahr verschieben. Alle Akteure, die sich in den letzten Wochen zu Wort gemeldet haben, haben sich dazu bekannt, dass wir eine Pensionsreform im heurigen Jahr machen, die mit dem nächsten Jahr wirksam werden kann. (Abg. Kopf: Aber Ihre wird nicht wirksam!) Ich verstehe daher nicht, wieso Sie den Vorschlag der Wirtschaftskammer und der Gewerkschaften, die Ihnen angeboten haben, bis 30. September dieses Jahres ein fertiges Konzept für eine Pensionsreform auf den Tisch zu legen, nicht angenommen haben.

Das bedeutet überhaupt keine Verschiebung der Pensionsreform. Das führt ausschließlich dazu, dass auf einer breiten Grundlage etwas erarbeitet wird, was letztendlich für alle Öster­reicherinnen und Österreicher wirksam wird.

Ich sage Ihnen daher: Demokratie ist keine Ein­bahnstraße! Im Parlament zu sagen, wir sind zur Zusammenarbeit bereit, und dann, wenn die Wirtschaftspartner kommen, ihnen die Tür zu weisen, das ist zu wenig, Herr Bundeskanzler! Demokratie muss beidseitig sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ellmauer: Wer hat denn mit Streik gedroht? – Abg. Scheibner: Wir haben gar nichts gemacht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen uns auch im Klaren darüber sein, dass die Zukunft unserer Pensionen – der Herr Vizekanzler hat auf die Bedeutung der Beschäfti­gungsentwicklung hingewiesen – neben all dem, was man an Pensionen zugesteht, in erster Linie davon abhängig ist, wie die Beschäftigungssituation in Österreich aussieht. Dass Sie, Herr Vizekanzler, sich angesichts von Rekordarbeitslosenzahlen herstellen und sagen, es tritt bereits eine Entspannung ein, dazu möchte ich festhalten, das Sie uns das auch im vergangenen Jahr immer wieder gesagt haben, nur hat diese Entspannung niemand in Österreich gespürt.

Die Wahrheit ist, dass wir, wenn man die Zahl der arbeitslosen Menschen und diejenigen, die Arbeit suchen und in Schulungen sind, zusammenzählt, nach wie vor eine viel zu hohe Arbeits­losigkeit haben. Es wäre bedeutend besser und der allerbeste Beitrag, den eine Bundesregie­rung zur Pensionssicherung leisten könnte, etwas für die Beschäftigungsentwicklung in unse­rem Land zu tun, denn das ist das Einzige, was die Pensionen in Zukunft auch tatsächlich sichert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie europäische Vergleiche heranziehen – sehr gern! –, dann erklären Sie uns, wieso Österreich an vorletzter Stelle in der Europäischen Union liegt, was den Zuwachs von Arbeits­plätzen betrifft. Wie schaut Ihre Arbeitsmarktpolitik als Bundesregierung aus? Wie schaut eine offensive Wirtschaftspolitik von Ihrer Seite aus, die nur dazu beitragen würde, dass Österreich den Durchschnitt in der Arbeitsplatzentwicklung in Europa erreichen würde? – Dafür sind keiner­lei Initiativen vorgestellt worden.

Das Traurige ist, dass allein durch Ihre Misserfolge in der Beschäftigungspolitik in den letzten beiden Jahren den Sozialsystemen 350 Millionen € entgangen sind. Wenn Sie heute sagen, wir haben Finanzierungsschwierigkeiten, dann sage ich, ein gut Teil dieser Finanzierungsschwierig­keiten kommt davon, dass mit dem Ansteigen der Arbeitslosigkeit sowohl der Pensionsversiche­rung, der Krankenversicherung als auch der Unfallversicherung 350 Millionen € entgangen sind. Eine bessere Wirtschaftspolitik würde auch vollere Kassen für die Sozialpolitik in Österreich bedeuten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Ihre heute vorgestellten Veränderungen werden dieses Pensionssystem nicht gerechter machen. Es sieht so aus, dass die langfristigen Folgen, vor allem für die Jungen in unserem Land, durch die Vorschläge, die Sie gemacht haben, nicht entschärft worden sind. Es schaut im Übrigen so aus, dass auch dabei größter Wert darauf gelegt wird, das Budget im Jahr 2006 im Griff zu haben, damit die Arbeit des Herrn Finanzministers beim Ausgeben in anderen Berei­chen etwas leichter wird. Aber es ist weder der große Wurf, noch bringt es langfristige Sicher­heit, noch entspricht es den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit.

Eine vernünftige, verantwortungsvolle Regierung in Österreich würde hergehen und die ausge­streckte Hand der Wirtschafts- und Sozialpartner ergreifen, würde all die Reformkonzepte, die bisher in der Öffentlichkeit präsentiert wurden, auch das sozialdemokratische Reformkonzept, auf Herz und Nieren prüfen und diskutieren, ob es nicht in einzelnen Bereichen bedeutend besser ist – zumindest sagen das eine Reihe von Versicherungsmathematikern, die das bereits geprüft haben.

Sie würde dann auf Basis einer soliden Diskussion im heurigen Jahr eine Pensionsreform verabschieden, die dazu führt, dass die Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren nicht künstlich erhöht wird, dass man – ganz im Gegenteil! – den Menschen, die knapp vor der Pension stehen, nicht Angst macht, sondern einen Arbeitsplatz gibt, und dass die Jungen die Gewissheit haben, dass sie zu fairen Bedingungen auf Basis einer einzigen Zahlung, nämlich des Beitrags zur Pensionsversicherung, auch tatsächlich eine faire Pension bekommen.

Dreimal zahlen für eine Pension, die man am Ende des Tages bekommt, das halte ich, Herr Kollege Stummvoll, nicht für fair! Es haben die vergangenen Generationen einmal für eine Pension im Umlageverfahren bezahlt, und auch die heute erwerbstätige Generation nimmt für sich auch in Anspruch (Abg. Scheibner: So einfach ...!), dass man die Pensionsbeiträge be­zahlt, um eine den Lebensstandard sichernde Pension zu haben.

Dreimal zahlen für eine Pension, das ist zu viel! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Das war alles?)

12.11


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.12


Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Wer in diesen Tagen und Wochen in Österreich unterwegs ist – wir alle sind das, davon gehe ich aus –, ist selbstverständlich mit der Diskussion konfrontiert, die viele Menschen mit uns führen, die wir politisch Verantwortung tragen – die viele Menschen mit uns über die Frage führen: Wie ist die Perspektive für die Altersvorsorge tatsächlich? Wie ist die langfristige Perspektive für die Pensionssicherung? Wie ist die langfristige Perspektive auch für die jungen Menschen in diesem Lande?

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung in vielen Gesprächen mit den Menschen sagen, die Antwort lautet eigentlich unisono: Ja, wir wissen, es ist eine tief greifende Reform notwendig. (Abg. Öllinger: „Sehr tief greifend“!) Die Antwort lautet unisono von allen, ob Jung oder Alt: Ja, wir wissen, dass diese Reform jetzt notwendig ist. Und die Aufforderung, die wir als diejenigen bekommen, die die Verantwortung von den Wählerinnen und Wählern über­tragen bekommen haben, ist Folgende: Macht diese Arbeit jetzt! Macht nicht den Fehler der Vergangenheit, zu warten, zu verzögern, zu zaudern, zu verwässern, sondern macht die Arbeit jetzt, weil jetzt der richtige Zeitpunkt ist, diese Reform zur Sicherung (Abg. Öllinger: Bei den Politikerpensionen!) der Pensionen für bereits in Pension befindliche Menschen und für die Jungen umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was die Menschen in diesem Lande von uns erwarten, ist, das Notwendige zu tun und das Not­wendige jetzt zu tun. Wir sollen, Herr Kollege Gusenbauer, nicht Kassandrarufe ausstoßend, durch die Lande gehen, sondern wir müssen den Menschen in diesem Lande Fakten liefern, sie


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mit Fakten informieren, damit sie wissen, warum diese Schritte jetzt notwendig sind. Und diese Fakten sind unverrückbar.

Meine Damen und Herren! Gott sei Dank ist die Lebenserwartung in den letzten 30 Jahren im Schnitt um über acht Jahre gestiegen. Das ist eine Errungenschaft, auf die wir stolz sind. Dadurch ist die Situation im Vergleich zum Jahre 1970 eingetreten, Herr Kollege Öllinger, dass damals die durchschnittliche Lebenserwartung eines Pensionisten, also nach dem Pen­sionsan­tritt, ungefähr achteinhalb Jahre betragen hat und die Menschen heute – Gott sei Dank! – weit über 20, 21, 22 Jahre lang ihre Pension genießen können – ich hoffe, in Gesund­heit genießen können. Und dieser Zeitraum wird noch länger werden, weil die Lebenserwartung steigt.

Es gab in diesen 30 Jahren eine Entwicklung dahin gehend, dass die Zahl der Jahre, in denen die Menschen in Arbeit sind, im Jahre 1970 bei rund 43 Jahren, im Jahre 2001 bei ungefähr 37 Jahren gelegen ist. Was uns gemeinsam doch wohl Sorgen bereitet – ich schließe da an die Familiendiskussion an –, ist Folgendes: In diesem selben Zeitraum ist die Zahl der Geburten, die im Jahre 1970 bei 112 000 gelegen ist, auf heute 75 500 pro Jahr abgesunken.

Wissen Sie, was der logische Effekt daraus ist? – Dass im Jahre 1970 auf 1 000 Erwerbstätige etwa 350 Pensionisten gekommen sind und die Demographie dazu führt, dass im Jahre 2030 zu erwarten ist, dass auf 1 000 Aktive, auf 1 000 Beitragszahler, etwa 1 000 Pensionisten kommen werden. Das heißt, das Verhältnis von drei zu eins ändert sich auf eins zu eins.

Wenn wir hier nicht reagieren, meine Damen und Herren, dann werden uns die jungen Men­schen in diesem Land das wohl wichtigste Gut einfach aufkündigen, nämlich den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft, der im Generationenvertrag begründet ist. (Abg. Öllinger: Den haben Sie schon aufgekündigt!) Daher handeln wir! Daher handeln wir jetzt, meine Damen und Herren, und warten nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was wenige Menschen in diesem Lande wissen – auch das soll klar gesagt werden –: Nur etwa 3 Prozent aller Menschen, die pro Jahr in Pension gehen, gehen zum gesetzlich vorgesehenen Pensionsantrittsalter in Pension, also mit 60 oder 65. 97 Prozent aller Menschen, die pro Jahr in Pension gehen, gehen früher in Pension. (Abg. Öllinger: Bei der Reform kein Wunder!) Es wäre doch nicht verantwortbar, meine Damen und Herren, dass der Gesetzgeber ein gesetz­liches Pensionsalter vorgibt, auf dessen Basis alle Strukturen und Systeme beruhen, und wir schauten zu, täten nichts, gefährdeten damit genau diesen sozialen Zusammenhang und stellten durch Nichtstun in Wirklichkeit diese erste Säule, die sichere Säule des umlagefinan­zierten Pensionssystems, in Frage. Mit uns nicht, meine Damen und Herren! Wir handeln! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Menschen haben auch ein Recht darauf zu erfahren, was geschähe, wenn nichts geschieht. Ich zitiere nochmals, weil sie so eindrucksvoll ist, aus einer Unterlage der Arbeiterkammer Vor­arlberg, in der zu lesen steht: Wenn nichts geschieht, dann müssten bis zum Jahr 2045 die Beitragssätze um 53 Prozent angehoben werden.

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was das heißt? – Das heißt, dass wir, wenn wir nichts tun, den Jungen zumuten würden, dass mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Sozialaus­gaben verwendet werden muss. Wer würde das denn mittragen? Denken wir doch auch an diese Generation, die in Zukunft die Säule des sozialen Zusammenhalts ist!

Weiters sagt die Arbeiterkammer: Wenn nichts geschieht, dann müssten die Pensionen um 45 Prozent gekürzt werden. – Niemand will das, aber das können wir nur dann verhindern, wenn wir jetzt handeln.

Oder: Es müsste das Pensionsantrittsalter um mehr als zehn Jahre erhöht werden. – Auch das will niemand.

Und genau deswegen handeln wir jetzt, handeln wir heute, handeln wir verantwortungsvoll mit einer sehr klaren Zielsetzung: Wir wollen ein einheitliches Pensionsrecht, ein harmonisiertes Pensionsrecht für alle schaffen, wir wollen auf dem bewährten Drei-Säulen-Modell genau diese


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Absicherung im Alter nicht nur heute, nicht nur morgen, sondern auch für die Jungen in Zukunft auf Dauer gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gehe daher auf einige dieser Fragestellungen ein. Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben dankenswerterweise gesagt: Bestehende Pensionen bleiben nach diesem Konzept unberührt. – Das haben sich die Menschen, die in Jahrzehnten ihre Pension erarbeitet haben, auch verdient – jene Generation, die Österreich aufgebaut hat.

Aber jetzt kommt die SPÖ mit einem Konzept, Herr Kollege Gusenbauer, und sagt: Man muss in bestehende Pensionen eingreifen. (Rufe bei der SPÖ: Falsch!) – Was bedeutet denn das? Sie sagen damit ganz offen, Herr Kollege Gusenbauer, dass die Pensionen und die Pensio­nisten vor Ihnen nicht sicher sind. Bei uns von der ÖVP sind sie in guter, in sicherer Hand! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie schlagen vor, 10 Prozent von dem einzuheben, was über die ASVG-Höchstpension hinaus­geht. Wer sich mit diesem Ihrem Vorschlag beschäftigt, wird sehr schnell darauf kommen, dass das derzeit im Wesentlichen zwei Gruppen betrifft: jene Beamten, die eine Pension haben, die höher als die ASVG-Pension ist – das stimmt. Und die zweite Gruppe ist eine, die sich selbst – etwa durch ein betriebliches Pensionssystem – eine höhere Pension erarbeitet hat. Nun schlagen Sie vor, in diese Pensionen einzugreifen, sie zu kürzen, in bestehende Rechte ein­zugreifen! (Abg. Dr. Gusenbauer: Wie beim Herrn Stummvoll!)

Wenn Sie, Herr Kollege Stummvoll – Entschuldigung, Herr Kollege Gusenbauer (ironische Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei der SPÖ) –, Ihr System weiterdenken, dann sage ich Ihnen, was passieren wird: Sie schlagen vor ... (Unruhe bei der SPÖ.) – Offensichtlich wollen Sie nicht, dass man sich mit Ihrem Modell beschäftigt. Eben erst haben Sie mich dazu aufgefordert, das zu tun, und ich tue das auch!

Sie schlagen also vor, die Mittel aus diesem Eingriff in bestehende Pensionen dafür zu verwen­den, dass in Zukunft eine gewisse Absicherung garantiert wird. Gleichzeitig sagen Sie aber, Sie machen ein einheitliches Pensionsrecht, bei dem es ja eine höhere Pension als die ASVG-Pension nicht geben soll. – Gut. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Wenn Ihr Finan­zierungskonzept funktioniert, dann wird der nächste Schritt, den Sie von der Sozialdemokratie in Österreich vorschlagen, der sein, die freiwillig angesparten eigenen Beitragsleistungen durch die freiwillige Höherversicherung anzugreifen.

Weiters schlagen Sie vor, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass in die Abfertigung Neu einge­griffen werden soll. Und Sie schlagen vor, in die betriebliche Vorsorge einzugreifen, denn sonst würde Ihr System ja nicht funktionieren.

Heute gestehen Sie, in dem Sinne, dass Sie die Maske haben fallen lassen, dass Sie eigentlich einen Konsens, der in Österreich besteht, verlassen: Sie stehen nämlich nicht mehr zum Drei-Säulen-Modell. Das ist die Wahrheit! Sie untergraben die zweite und die dritte Säule mit Ihrem Modell und Sie nehmen Zukunft weg, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Binder und Dr. Jarolim.)

Sie haben gefragt, Herr Kollege Gusenbauer und meine Damen und Herren von der SPÖ: Was ist denn mit der Harmonisierung des Pensionsrechts? – Hier ist der Ministerratsvortrag, der heute beschlossen wurde. (Der Redner hält ein Exemplar desselben in die Höhe.) Darin heißt es, die Bundesregierung schlägt vor und lädt alle Beteiligten ein, dieses Pensionsrecht, dieses neue, harmonisierte Pensionsrecht, für alle Gruppen zu verwirklichen.

Ich zitiere – weil Sie die Frage gestellt haben –: Das vorrangige Ziel der Bundesregierung ist unter Zugrundelegung der demographischen Entwicklung die Sicherung des auf dem Umlage­verfahren beruhenden Pensionssystems. – Das ist die Zielsetzung.

Ich lade alle ein, an dieser Harmonisierung mitzuarbeiten, wobei wir uns das Ziel gesetzt haben, dass wir bis zum 1. Jänner 2004 dem Parlament einen entsprechenden Entwurf zur Beschluss­fassung vorlegen werden. (Abg. Öllinger: Pensionssicherung nennen Sie das?) Ich erwarte mir


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dabei die Mitarbeit von allen. Ich halte als Parlamentarier und Klubobmann der Österreichischen Volkspartei Folgendes fest: In dieser Republik werden die Gesetze immer noch vom Parlament gemacht. In dieser Republik wird auch die politische Diskussion – das hoffe ich, Herr Präsident Verzetnitsch – in diesem Hohen Haus geführt. (Abg. Mandak: Aber nicht nur! – Abg. Öllinger: Darf man woanders auch diskutieren?)

Ich fordere Sie, Herr Präsident Verzetnitsch, auf, auch im Interesse der Tausenden Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, von denen ich dieses Signal bekommen habe: Kehren Sie an den Verhandlungstisch zurück, dorthin, wo Entscheidungen getroffen werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Präsident Verzetnitsch! Nehmen Sie nicht nur die eine, sondern beide ausgestreckten Hände des Bundeskanzlers und der Bundesregierung an! (Einige Abgeordnete der SPÖ strecken jeweils beide Arme in abwehrender Weise von sich.) Treten Sie in diesen Diskussions­prozess! Bringen Sie Ihre Argumente in die Diskussion ein! Das ist der Platz, wo auch tatsäch­lich Weichen gestellt werden.

Herr Präsident Verzetnitsch! Ich sage Ihnen auch sehr offen: Motivieren Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter dazu, ein neues Gewerkschaftsmotto zu finden und nicht dem alten Motto anzuhängen, das heißt: Verzögern, verwässern, verhin­dern. – Das ist zumindest nicht meine Gewerkschaft, bei der ich Mitglied bin, Herr Präsident Verzetnitsch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich spreche auch die Frage der Politikerpensionen an und sage: Ja, da muss es Veränderun­gen geben, und zwar substantielle Veränderungen. Wir sind diesbezüglich in gutem Gespräch. Ich bekenne mich dazu, dass wir hier einen Vier-Parteien-Konsens anstreben. Wir haben in einigen Punkten – so kann ich doch sagen – grundsätzliche Übereinkunft erzielt. Einige Fragen müssen wir in den nächsten Tagen noch klären. Ich hoffe und appelliere an Sie, dass wir einen Vier-Parteien-Konsens erzielen können, der parallel mit der Beschlussfassung der allgemeinen Pensionsreform hier im Hohen Haus verabschiedet werden wird. Alles, was wir dabei von den Menschen verlangen – und wir verlangen etwas, das stimmt –, muss letztendlich auch im Bereich der Politik eins zu eins umgesetzt werden. (Abg. Öllinger: Eins zu eins?)

Eine Fragestellung, Herr Kollege Gusenbauer, die Sie angesprochen haben, ist das Thema Frühpensionen. Ich zitiere aus einer Aussendung vom 17. Jänner 2003: SPÖ-Chef bekennt sich dazu, die Frühpensionen auslaufen zu lassen. – Zitatende.

Was beinhaltet denn Ihr Modell? – Sie sagen zwar, grundsätzlich sei es richtig, die Frühpen­sionen auslaufen zu lassen, aber Sie sagen weder wie noch vor allem wann das geschehen soll. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Abg. Mag. Prammer: Das ist unglaublich!) Sie stellen das irgendwo in eine Nebelwand und machen damit einen katastrophalen Fehler, der mich persönlich – das sage ich Ihnen offen – enttäuscht, weil ich speziell bei Ihnen gedacht habe, dass in der Phase der Sondierungsgespräche eigentlich bei Ihnen die Erkenntnis da war, dass es notwendig ist, diesen Schritt zu setzen, und zwar jetzt.

Was motiviert Sie dazu, auf Ihr ursprüngliches Konzept zu verzichten? Hat Sie der Mut verlas­sen? – Ich sage Ihnen: Es ist nicht verantwortlich, ein Kernelement, nur weil es eine Diskussion darüber gibt – die zu führen ist – einfach herauszunehmen. Sie nehmen damit Ihrem eigenen Konzept eigentlich eine ganz entscheidende Grundlage weg. Ihr Konzept verliert damit jegliche Glaubwürdigkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist dasselbe wie bei der Frage der Durchrechnung. Sie haben in diversesten Erklärungen gesagt, es sei für Sie selbstverständlich, dass man in Richtung lebenslange Durchrechnung gehen müsse. Das sagen Sie auch in Ihrem Modell. Darum verstehe ich nicht, dass Sie die Kritik an den Plänen der Bundesregierung hochhalten, da wir doch genau das tun, was Sie als richtig ansehen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer.) Heute haben Sie interessanterweise in Gegensatz zu dem, was in diversesten SK-Aussendungen steht, gesagt: Jawohl, es ist richtig, diese Durchrechnung zu machen. Was wir von der ÖVP machen – das unterscheidet


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uns von Ihrem Konzept –, ist: Wir machen bei der Durchrechnung Deckelungen, damit die Effekte aus der Durchrechnung auch verträglich werden (ironische Heiterkeit der Abg. Mag. Wurm), damit dieser richtige und notwendige Schritt in einer Art und Weise erfolgt, der den sozialen Bedürfnissen auch tatsächlich Rechnung trägt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ord­neten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gusenbauer! Sie sagen beispielsweise – heute auch wieder in Ihrer Rede –, dass Sie ein Problem mit der Änderung des Steigerungsbetrages haben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Eine Aufwertung!) Was machen Sie denn? – Sie schreiben in Ihr Konzept hinein – das unter­streiche ich, weil es richtig ist –: Mit 45 Beitragsjahren soll es 80 Prozent Nettoersatzrate geben.

Wer 80 durch 45 dividiert, wird draufkommen, das unter dem Strich 1,78 herauskommt. (Heiter­keit und Beifall bei der ÖVP.) Das ist genau das, was die Bundesregierung macht: 1,78 Prozent! (Abg. Dr. Trinkl: Nach Adam Riese. – Abg. Dr. Fekter: Volksschule!) Aber wir machen das in einer Art und Weise, dass das über drei Jahre einschleifend und damit auch richtig angelegt ist im Sinne der Gerechtigkeit, die ein Maßstab ist, den wir haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ihr Konzept, Herr Kollege Gusenbauer, würde ich daher ein Konzept der Fragezeichen nennen – ein Konzept, das in bestehende Pensionen eingreift, damit die zweite und die dritte Säule gefährdet, meine Damen und Herren, und damit Zukunft gefährdet. Und Ihr Konzept, Herr Kollege Gusenbauer, ist eines, das eigentlich zu Lasten der Jugend geht. (Abg. Öllinger: Reden Sie über Ihr eigenes Konzept!) In Ihren eigenen Unterlagen schreiben Sie nämlich: Jawohl, es wird durchschnittliche Kürzungen von 10 und 15 Prozent geben (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen), aber für spätere Generationen. – Das heißt, für die heute Jungen.

Ich zitiere dazu zum Abschluss Folgendes:

„Was Gusenbauer nun vorlegte, ist ein Schlag ins Gesicht der Jungen – und aller, die nur ein bisschen rechnen können. Der Populismus (und die Angst vor Parteifreunden?) Gusenbauers ist traurig. Zeit umzusatteln, Herr Gusenbauer. Wie wäre es mit einer kleinen feinen Osteria? Als treuer Kunde wäre ich dabei. Um die Zukunft muss ich mich ohnehin nicht sorgen. Oder?“

Das stammt nicht, wie Michael Häupl jetzt sagen würde, aus der „Giftküche Lopatka“, sondern aus einem „Presse“-Kommentar von Rainer Nowak. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben das doch selber gelesen, meine Damen und Herren!

Oder: Ich finde es eine sehr nette Charakterisie­rung des Gusenbauer-Modells: Er will sich duschen, aber dabei nicht nass werden. – So wird Zukunft nicht funktionieren, meine Damen und Herren von der SPÖ!

Zukunft funktio­niert so, wie diese Bundesregierung es sich vorgenommen hat: Nachhaltig, zukunftsfest und gerecht die Pensionssicherungsreform jetzt anzugehen, weil das eben not­wendig ist.

Zum Schluss noch ein Zitat, Herr Kollege Gusenbauer, liebe Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion – ein Zitat, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

„Es ist fraglich, ob der deutsche Kanzler dieses Programm gegen die eigenen Parteikollegen auch nur halbwegs durchbringt. Die ,Pensionsraub-Schreier von der hiesigen Opposition sollten sich trotzdem einmal mit ihrem deutschen Parteifreund auf ein wirtschaftspolitisches Plauder­stündchen zusammensetzen. Denn der ökonomische Erkenntnisprozess scheint zumindest an der Parteispitze bei den Sozialdemokraten in Deutschland weiter zu sein als hierzulande.“

Deswegen heißt auch das Konzept Schröder: Mut zur Veränderung!

Der aber fehlt Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.32



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordne­ter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet.

Bitte den zu berichtigenden Sachverhalt wiederzugeben, den tatsächlichen Sachverhalt gegen­überzustellen und das Zeitlimit zu beachten! – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.32


Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Abgeordneter Molterer hat behauptet, die SPÖ wolle in bestehende Pensionen eingreifen – und in Zukunft auch in die private Vorsorge und in die „Abfertigung neu“.

Ich berichtige tatsächlich: Die SPÖ greift weder in bestehende Pensionen ein, noch hat sie vor, in die private Vorsorge oder in die „Abfertigung neu“ einzugreifen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sehr wohl aber haben wir vor, von Leuten wie etwa Herrn Stummvoll und anderen Beziehern von Höchstpensionen einen Solidarbeitrag zu verlangen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Kennen Sie Ihr eigenes Modell nicht?) Frühpensionen heben wir an, wenn es der Arbeitsmarkt zulässt. Und was unser Konzept betrifft, können Sie gerne einige Gratis-Nachhilfestunden von mir bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.33


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Die Redezeit beträgt nach wie vor 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.34


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine APA-Aussendung von heute, von 10.27 Uhr, besagt, dass der Ministerrat eine gesetzliche Grundlage für die Beschaffung von Abfangjägern beschlossen hat. Und keine Stunde später – manchmal arbeitet die Bundesregierung wirklich schnell – liegt auch der ent­sprechende Gesetzentwurf dazu schon vor.

Das ist ein ganz kurzes Gesetz, das kann man sogar vorlesen. § 1 besteht aus zwei Sätzen: „Der Bundesminister für Landesverteidigung wird ermächtigt, für den Bund 18 Stück Luftraum­überwachungsflugzeuge zum Kaufpreis von bis zu xx Mio. € zu kaufen.“ – Der Kaufpreis ist nicht genannt.

Der zweite Satz lautet: „Der Bundesminister für Finanzen hat für die finanzielle Bedeckung zu sorgen.“ (Abg. Öllinger: Das macht er doch gerne!)

Erste Bemerkung meinerseits: Der zeitliche Zusammenhang dieser Aktion mit den Pensions­kürzungen ist schon provokant. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Was denkt sich nicht nur unsereins? Was denkt sich jeder Mann und jede Frau auf der Straße? – Dafür haben sie Geld! – Offensichtlich. (Abg. Eder: Klar!)

Zweite Bemerkung: Herr Finanzminister! Der Kaufpreis wird nicht genannt. Wir wissen unge­fähr, was das kosten wird; rund 2 Milliarden €, sagen wir. (Abg. Öllinger: Das wäre zu güns­tig!) – Plus/minus, je nach Ausstattung und so weiter.

„Der Bundesminister für Finanzen hat für die finanzielle Bedeckung zu sorgen.“ – Ich muss schon froh sein, wenn wir heute kein Pensionsgesetz vorgelegt bekommen, in dem lapidar stünde: Der Bundesminister für Finanzen hat für die finanzielle Bedeckung zu sorgen. Das hielte auch ich für unseriös. Aber bei den Abfangjägern kann man es machen. Dort genügt es vollkommen, dem Bundesminister für Finanzen aufzutragen, er soll das Geld beschaffen.

Dabei fällt mir noch einiges aus dem letzten Jahr und noch von Beginn dieses Jahres ein. Hat es nicht geheißen, diese Abfangjäger werden nichts kosten oder jedenfalls in dieser Legislatur­periode nichts kosten? Hat es nicht geheißen, sie werden ganz wenig kosten, wenn überhaupt etwas, weil es eine Wirtschaftsplattform gibt – Idee des Herrn Bundeskanzlers –, die diese Abfangjäger bezahlen wird? Eine Wirtschaftsplattform, die sich aus Firmen zusammensetzt, die


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von den so genannten Gegengeschäften profitieren und daher bereit sein werden – so das Kon­zept, das uns erklärt wurde, auch öffentlich so präsentiert wurde –, diese Prozente abzuzweigen und die Abfangjäger zu kaufen?

Wir von den Grünen haben das nie geglaubt; Sie selbst, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, offenbar auch nicht. Hier steht nichts von einer Wirtschaftsplattform, von irgendwelchen Firmen, die sich an den Kosten beteiligen, heute, nächstes Jahr oder irgend­wann, sondern der Bundesminister für Finanzen hat für die finanzielle Bedeckung zu sorgen. Dafür muss jederzeit Geld da sein – nach Ansicht von ÖVP und FPÖ. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Einsparungen im Pensionssystem, wie Sie das nennen, die Kürzungen im Pensions­system, wie wir das vorzugsweise nennen: Wie hoch werden diese sein? – Für die bisherigen Maßnahmen hat es eine grobe Schätzung von plus/minus eine Milliarde € bis 2006/2007 gegeben. (Abg. Öllinger: Mehr!) – Vielleicht sogar mehr.

Wir wissen nicht, wie sich die Maßnahmen, die Sie heute beschlossen haben, auswirken. Diesbezüglich haben Sie einen Informationsvorsprung. Sagen wir 2 Milliarden €! Das ist zufällig genau der gleiche Betrag, der für die Abfangjäger ausgegeben werden wird – ohne mit einer Wimper zu zucken und ohne sich Sorgen über die langfristigen Folgen für den Bundeshaushalt, über die militärische Notwendigkeit zu machen und so weiter und so fort. Da geht es!

Ich habe vorhin erwähnt: Eine der Schwierigkeiten der heutigen Diskussion ist, dass ÖVP und FPÖ – jedenfalls teilweise – natürlich viel mehr Informationen als SPÖ und Grüne haben. Sie haben heute im Ministerrat irgendetwas beschlossen, wir haben es jetzt mündlich von Ihnen gehört. Wir haben gestern gerüchteweise gehört, was das sein könnte, was heute beschlossen wurde. (Ruf bei der ÖVP: Wir informieren Sie heute!) Genau wissen wir es nämlich nicht. Es ist jetzt Treu und Glauben, ob das stimmt oder auch nicht, was Sie uns heute hier sagen.

In diesem Zusammenhang irritiert mich eine Aussage des Herrn Vizekanzlers vom 29. April, das ist heute (Abg. Scheibner: Das stimmt auf jeden Fall!), so wie der Ministerratsbeschluss. Heute sagte der Herr Vizekanzler, für alle noch im Uraltsystem befindlichen Politiker werde nun end­lich das Ende der Zeit kommen. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Das ist gut! Das würden wir wirklich unterstützen. (Abg. Öllinger: Haupt räumt auf – mit sich!)

Herr Minister Haupt! Herr Vizekanzler Haupt! Wenn ich nicht irre, sind Sie selbst ein im Uralt­system befindlicher Politiker. Das sei nicht Ihre Schuld, das habe der Nationalrat seinerzeit so beschlossen, haben Sie gesagt. Und für Sie werde nun endlich das Ende der Zeit kommen. Das haben Sie selbst heute angekündigt. (Abg. Öllinger: Ja! – Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Wie darf ich das verstehen? – Wir Grünen haben bezüglich der „Politikerpensionen-alt“ dage­gengestimmt. Es geht ja nur um diese, und ich persönlich habe es wirklich satt, mich dauernd für Pensionen „rechtfertigen zu müssen“ – unter Anführungszeichen –, die andere, nämlich im „Uraltsystem“, wie es der Herr Haupt nennt, befindliche Politiker betreffen. (Abg. Dr. Bleck­mann: Warum haben Sie dann im Jahre 1997, als das beschlossen wurde, zugestimmt?) Wir Grünen haben damals sogar gegen die Übergangsregelungen gestimmt, und der gesamte grüne Klub ist damals in das neue System übergetreten. (Abg. Dr. Bleckmann: Aber Sie haben zugestimmt!)

Der wesentliche Vorschlag der Grünen lautet folgendermaßen: Okay, machen wir endlich Schluss mit den seinerzeitigen Regelungen, die ein Zwei-Klassen-System der Politiker geschaf­fen haben und nach wie vor aufrecht erhalten, machen wir es genau so, wie es im Jahre 1997 beschlossen wurde! Die bezahlten Pensionsbeiträge der Politiker fließen entweder in das ASVG-System oder dorthin, wo man sozusagen im Zivilberuf versichert ist, und die Über­schüsse fließen in eine selbst gewählte Pensionskasse. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)


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Herr Klubobmann Scheibner ist genau auf dieser Linie und hat sich auch öffentlich entspre­chend geäußert. Aber ich merke in unseren Gesprächen auf Klubobmannebene oder auf ande­ren Ebenen nichts davon, aber schon gar nichts, dass mit dieser Maßnahme ernst gemacht wird.

Das ist in meinen Augen aber der Kernpunkt! Selbst Herr Vizekanzler Haupt wäre dieser Mei­nung, denn anders kann das Ende der Zeit für solche „Uraltpolitikerpensionen“, für „Politiker­pensionen-alt“ nicht kommen. Alles andere ist Beiwerk, ist Symptomkorrektur. Die Erhöhung des Solidarbeitrages ist selbstverständlich, die Anhebung des Pensionsantrittsalters ist selbst­verständlich – aber der Kernpunkt ist das!

Meine Damen und Herren! Übel stößt es einem schon auf, wenn Sie Maßnahmen vorschlagen, die, wie man aus entsprechenden Falluntersuchungen weiß, Menschen, die im nächsten Jahr 700 € oder 800 € Pension zu erwarten haben, diese ihre Pension um 10, 20 Prozent kürzen würden. (Beifall bei den Grünen.)

Mag sein, dass durch Ihre Maßnahmen von heute diese Kürzung auf 15 oder 10 oder 5 Prozent zurückgeht, aber ich sage Ihnen eines: Ich als Beamter habe eine höhere Pension zu erwarten, und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine politische Partei Pensionen von 600, 700, 800, 1 000 € überhaupt zum Kürzen sozusagen ausschreibt! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.) Es hätte ja eine Generallinie der Pensionsreform sein müssen, diese Pensionen, von denen man ohnedies kaum leben kann, nicht anzutasten.

Diejenigen, die eine „Uraltpolitikerpension“, wie es Herr Vizekanzler Haupt so treffend bezeich­net hat, beziehen, stellen eine Altherrenriege, muss ich leider sagen, dar. Frauen kommen darin selten vor, deswegen erwähne ich sie auch nicht. Sie kommen zwar im Altsystem vor, aber im Wesentlichen ist es eine Herrenriege. Ich bringe einige Beispiele: Herr Vizekanzler Haupt: rund 12 000 € Pensionsanspruch, Herr Bundeskanzler Schüssel: rund 12 000 € Pen­sionsanspruch, Herr Fasslabend: rund 12 000 € Pensionsanspruch (Abg. Dr. Trinkl: Was bekommt eigentlich ein Universitätsprofessor?), Herr Staatssekretär Kukacka: rund 12 000 € oder etwas weniger Pensionsanspruch, Herr Stummvoll: rund 12 000 € Pensionsanspruch.

Das stößt einem schon irgendwie auf! – Warum? (Abg. Mag. Molterer: Mich haben Sie aber jetzt nicht erwähnt!) – Sie habe ich jetzt nicht erwähnt.

Im ASVG-System, über das Sie ja jetzt so intensiv herziehen, beträgt der Deckel meines Wissens rund 2 300 €. Bei diesen „Uraltpolitikerpensionen“, wie es Herr Vizekanzler Haupt formuliert, beträgt der Deckel fast 13 000 € – nicht 2 300 €, sondern fast 13 000 €. Doch nicht nur das! Das ist der Deckel für eine Zusatzpension, meine Damen und Herren.

Ich traue mich zu wetten, dass jeder der hier Genannten außerdem noch entweder als Beamter oder im ASVG-System oder im GSVG-System oder irgendwo anders noch separat versichert war. (Abg. Jakob Auer: Wie viel erhält ein Universitätsprofessor?) Vielleicht halten Sie mir noch vor, dass ich in meinem Zivilberuf Universitätsprofessor bin. Das ist zwar Ihr gutes Recht, aber ich finde daran nichts Ehrenrühriges. (Abg. Jakob Auer: Was erhält ein Universitätsprofessor? 100 Pro­­zent!) Ich werde als Beamter hoffentlich, wenn Sie das nicht verhindern, eine Pension beziehen, aber ich bin im neuen Politikersystem. (Abg. Jakob Auer: 100 Prozent Ihres Letzt­bezuges!) Ich kann auf diese Zwischenrufe schlecht eingehen, weil ich sie akustisch kaum verstehe. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Jakob Auer: Ja, das kann ich mir vor­stellen! – Abg. Dr. Trinkl: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!)

Der Vollständigkeit halber: Herr Gusenbauer bekommt eine ASVG-Pension. Das hat ihn nicht gehindert, Vorsitzender der SPÖ zu werden – von wegen Anreizeffekte oder sonst irgend­etwas; das habe ich zumindest der Zeitung entnommen. Mein Kollege Öllinger, ein Sozial­experte, wird eine ASVG-Pension bekommen. Das hat ihn nicht gehindert, ein prominenter Poli­tiker zu werden.

Ich will damit sagen: Wir brauchen diese Altlasten nicht! Ich hoffe sehr, dass wir in diesem Punkt einen Vier-Parteien-Konsens zustande bringen werden. Kollege Scheibner und ich sind


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schon dafür. (Abg. Scheibner nickt zustimmend.) Aber Sie sind, Herr Kollege Scheibner, in einer Regierung, deren anderer Partner, die ÖVP, das eindeutig nicht will. Auch von Seiten der SPÖ habe ich bis jetzt nicht gehört, dass sie das wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Die Opposition ist in dieser Frage auch gespalten!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Eines der Probleme im Zusammenhang mit dieser Pensionsreform konnten Sie bis heute weder uns noch der Öffentlichkeit erklären: Warum jetzt Pensionskürzungen in größtem Ausmaß, wenn nach Ihren eigenen Aussagen im Herbst die große Pensionsreform, die Vereinheitlichung der Pensionssysteme, das, was auf 30, 50, ja 100 Jahre ausgerichtet sein wird, kommt?

Wäre nicht die Logik genau umgekehrt gewesen? Wäre es nicht logisch gewesen, zuerst das große Modell vorzustellen – vielleicht hätte es sogar einen Konsens gegeben, denn über die langfristig notwendigen Reformteile herrscht in diesem Hohen Haus tatsächlich ein großes Maß an Übereinstimmung – und dann zu überlegen, wie wir dorthin kommen, wie die notwendigen Übergangsregelungen über fünf, zehn, 20, 30 Jahre sein müssen?

Das hätte man nachvollziehen können. Im „Kurier“ stellt Herr Stanzel mit Recht die Frage – ich zitiere –:

„Warum werden jetzt hochkomplizierte Reformen in allen Pensionssystemen (ASVG, GSVG, Beamte, Eisenbahner usw.) vorgestellt, wenn in einem halben Jahr bereits die nächste Reform mit einer Harmonisierung aller Systeme kommen soll?“

Das versteht wirklich kein Mensch! Das führt auch im Einzelnen zu Reformen oder zu Maßnah­men, die in sich widersprüchlich sind. Was hat es für einen Sinn, bei den Frühpensionen nicht nur über die Abschläge und Zuschläge zu operieren, sondern auch die Erhöhung des Pensions­antrittsalters festzuschreiben, wenn ohnedies, wie angekündigt, im großen Modell dann sozusagen die freie Wahl des Pensionsantritts innerhalb eines bestimmten Intervalls – sagen wir: zwischen 60 und 70 – wieder gewährleistet werden soll? – Das hat überhaupt keinen Sinn und bedeutet nur eine Erschwernis für die jetzt oder demnächst oder in den nächsten Jahren in Pension Gehenden.

Meine Damen und Herren! Dass wir langfristig – am Höhepunkt der Probleme dann 2030, 2040 – eine Pensionsreform brauchen, bestreitet niemand, aber eine überfallsartige Kürzung von Pensionen zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht fiskalisch und ist auch aus keinen anderen Gründen geboten. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir nicht brauchen, das ist eine schlagartige Zerstörung der Lebensplanung von Leuten, die jetzt, im nächsten Jahr, in drei Jahren oder in fünf zu bestimmten Bedingungen in Pension gehen wollten und sich darauf eingestellt haben. Es bestand keine Notwendigkeit, die Lebens­planungen dieser Leute in dieser Form auf den Kopf zu stellen – auch nicht nach Ihren eigenen Daten und Unterlagen.

Es bestand insbesondere keine Notwendigkeit, die Pensionsansprüche der Frauen derart asymmetrisch, sage ich, ungleichmäßig, unverhältnismäßig im Vergleich zu jenen der Männer zu kürzen. Warum tat man dann dies? Es bestand keinerlei Notwendigkeit dazu. Sie selbst sagen ja – das entspricht Ihren eigenen Daten, und es wurde auch heute schon erwähnt –, dass der Bundeszuschuss zur Pensionsversicherung im Vergleich zum Sozialprodukt in den kommenden Jahren leicht zurückgehen wird.

Natürlich, auf lange Sicht werden wir etwas tun müssen, und dafür hätten wir auch Zeit. Ob diese große Pensionsreform am 1. Jänner 2004 oder am 1. Jänner 2005 in Kraft tritt, das, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ist ziemlich egal, wenn das Problem seinen Höhepunkt 2020, 2030 und 2040 erreicht.

Diese Pensionsreform reicht auch nicht aus – das zu betonen ist mir auch wichtig –, um das demographische Problem, das auf uns zukommt, nämlich die Zunahme der Menschen im Alter


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über 65 Jahre und die Abnahme der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren, in den Griff zu bekommen.

Da genügt es nicht, nur im Pensionssystem etwas zu machen. Wir müssen genauso im Bil­dungssystem sehr viel machen. Wir haben nicht nur für die älteren Arbeitnehmer, sondern endlich einmal auch bei den Jugendlichen und den Lehrlingen darauf Rücksicht zu nehmen, dass das die entscheidenden Investitionen für die Zukunft sind und sie gleichzeitig, sofern sie die Produktivität, das Wachstum steigern, das Finanzierungsproblem im Jahr 2020, 2040 er­leichtern werden.

Angesichts dessen, dass Sie die Willkürlichkeit dieser Maßnahmen nicht erklären können, aus welcher Problemfälle entstehen: Die einen verlieren 10 Prozent, die anderen verlieren 20 Pro­zent, die Dritten verlieren 40 Prozent – je nach Kumulation der einzelnen Maßnahme –, muss ich sagen: Es ist kein System dahinter erkennbar! Selbst wenn es jetzt im Schnitt weniger ist, ist trotzdem die Willkür dieser Maßnahmen nicht zu verkennen.

Diese Maßnahmen greifen auch in die niedrigsten Pensionen ein. Ich kann mich nur wundern, wie die frühere „Partei der kleinen Leute“ das in den Verhandlungen mit der ÖVP hat zulassen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Des Weiteren sind auch die Frauenpensionen von diesen Maßnahmen betroffen. Aber was wir nach wie vor nicht haben, das ist ein einheitliches, gerechtes, harmonisiertes, vor allem ein transparentes und nachvollziehbares, auf die Dauer tragfähiges Pensionssystem der Zukunft. Das haben Sie erst für den Herbst oder für das nächste Jahr angekündigt. Nach Ihren eigenen Aussagen ist es so.

Angesichts dieser Problematik, meine Damen und Herren, der Willkürlichkeit bei den entstehen­den Pensionskürzungen, angesichts der Nichtrücksichtnahme insbesondere auf die niedrigsten Pensionen und auch auf die Frauenpensionen, sehen wir uns gezwungen, einen Misstrauens­antrag gegen den Bundeskanzler in Zusammenhang mit seinem Vorgehen betreffend die Reform des Pensionssystems zu stellen.

Dieser Antrag ist, wie Sie wissen, formal ganz kurz, und er lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Öllinger, Dr. Glawischnig, Kollegen und Kolleginnen be­treffend Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler im Zusammenhang mit seinem Vorgehen betreffend die Reform des Pensionssystems

Der Nationalrat wolle beschließen:

Dem Bundeskanzler wird durch ausdrückliche Entschließung gemäß Art. 74 Abs. 1 Bundes-Ver­fassungsgesetz das Vertrauen versagt.

*****

Das war mein Schlusswort. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.53


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Entschließungsantrag betreffend Miss­trauen gemäß Artikel 74 Bundes-Verfassungsgesetz ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht mit zur Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.53


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Die heute abge-


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gebenen Erklärungen von Kanzler und Vizekanzler und die jetzt durchgeführte Debatte sollten eigentlich dazu dienen, hier Gelegenheit zu einem Meinungsaustausch über die verschiedenen Konzepte zur nachhaltigen Sanierung und Sicherung der Pensionsvorsorge und unserer Pen­sionen zu geben. (Abg. Öllinger: Meinungsaustausch?)

Herr Abgeordneter Öllinger! Ich hoffe, Sie werden auch etwas vom Konzept der Grünen hier einbringen (Abg. Öllinger: Kein Problem!); Herr Klubobmann Van der Bellen hat es nämlich verabsäumt, uns das Konzept der Grünen vorzustellen. Ich nehme an oder hoffe, dass es ein derartiges Konzept gibt. (Abg. Öllinger: Wir haben es mit der ÖVP verhandelt! Da waren Sie noch nicht dabei!)

Herr Klubobmann Van der Bellen! Sie haben gesagt, Sie könnten auf Zwischenrufe nicht einge­hen, weil Sie sie nicht verstanden hätten. Ich sage Ihnen den Zwischenruf, der in Bezug auf die unterschiedliche Höhe von Pensionen gemacht worden ist. Er hat geheißen, dass ein Universi­tätsprofessor mit 100 Prozent seines Letztbezuges in Pension gehen kann. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber wenn es stimmt, dann wird Sie das sicher freuen. Aber auch das ist mit der Pension anderer Arbeitnehmer nicht zu vergleichen.

Über die Rede des SPÖ-Klubobmannes Gusenbauer – er ist momentan nicht im Saal – war ich wirklich erstaunt. Ich habe mich gewundert, dass seine Rede plötzlich aus war, dass er plötzlich seine Ausführungen beendet hat, ohne das zu tun, was wir eigentlich von ihm erwartet haben, nämlich, dass er uns endlich sein Konzept vorstellt, das seit Tagen angekündigt worden ist. Seit Tagen sind wir erpicht darauf, zu erfahren, was die große Sozialdemokratische Partei für die nachhaltige Sicherung der Pensionen anzubieten hat.

Zunächst einmal hat es geheißen, die SPÖ habe zwar ein Konzept, gebe es aber nicht bekannt, da es zu kompliziert sei und die Bevölkerung nur verwirren würde. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein, nein!) Stichwort: Die Leute sind zu dumm, um es zu verstehen – anscheinend nach Meinung der SPÖ. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Dann hat man von Seiten der SPÖ gesagt: Wir haben es schon, aber die Experten müssen es noch durchrechnen. – Gut.

Dann hat es geheißen, das Präsidium werde es vorstellen, aber man wolle es noch immer nicht in der Öffentlichkeit präsentieren.

Dann sind uns einige Punkte zur Kenntnis gelangt, vor allem, dass Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, in bestehende Pensionen eingreifen wollen. – Das ist für uns, die wir das ablehnen, sehr interessant, meine Damen und Herren, denn wir sagen: Egal in welchem Pensionssystem – außer bei dem der Politiker – jemand ist, in bestehende Pensionen soll nicht eingegriffen werden, denn die Generation, die heute in Pension ist, hat dieses Land aufgebaut! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Diese Menschen haben es verdient, ihren Lebensabend in Sicherheit verbringen zu können, und sie sollen nicht durch eine derartige Diskussion verunsichert werden.

Wo wir in bestehende Pensionen eingreifen wollen, meine Damen und Herren, das ist der Pen­sionsbereich der Politiker, denn da gibt es verschiedene Systeme. Ich gebe ausnahmsweise Herrn Klubobmann Van der Bellen Recht, wenn er sagt, dass es in diesen Systemen massive Ungerechtigkeiten gibt, dass es Privilegien für Altpolitiker gibt, die bereits in Pension sind. Da soll es hohe Solidarbeiträge, Abschläge in zweistelliger Höhe geben. Ich hoffe, dass wir das auch in der Richtung regeln können, dass noch aktive Politiker, die im alten System sind, in ein gerechtes System übertreten sollen und dass bei jenen Politikern, die dazu nicht bereit sind, zumindest das Pensionsantrittsalter so wie im ASVG auf 65 angehoben wird und entspre­chende Ab­schläge vorzunehmen sind. Genau da wollen wir in bestehende Rechte eingreifen, meine Damen und Herren. Diesbezüglich lässt sich ein Konsens finden. (Abg. Binder: Ver­trauens­schutz!)

Ja, den Vertrauensschutz soll es geben! Aber den Vertrauensschutz, den Sie, Frau Kollegin, für Ihre Kaste, für die Politiker jetzt verlangen, den verlangen wir nicht! Wir verlangen den Ver-


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trauensschutz für alle anderen Pensionisten, und zwar dort, wo Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, in bestehende Rechte eingreifen wollen. Das wollen wir nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber wir haben nichts anderes erwartet! Sie haben immer gesagt, man könne nicht diskutieren. Setzen wir uns doch zusammen und versuchen wir, gemeinsam eine Reform zu machen! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Hier ist das Hohe Haus, hier ist der Gesetzgeber, hier können Sie Ihre Vorschläge einbringen, wenn sie vorhanden sind. Aber leider, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, ist Ihr Vorschlag, in bestehende Pensionen einzugrei­fen, alles, was Sie hier bis jetzt eingebracht haben. Sie wollen Pensionskürzungen von 10 bis 15 Prozent. (Abg. Öllinger: Sie sind nicht mehr auf der Überholspur, das ist eher schon die Schleimspur!) Das ist alles, was wir bis jetzt von Ihnen gehört haben. Das ist herzlich wenig. Da ist es besser, Sie beschäftigen sich mit der Reform der Bundesregierung und der Regierungs­parteien und mit den jetzt beschlossenen Abänderungen, die notwendig gewesen sind. Dann werden Sie sehen, dass das eine gute Reform ist. (Abg. Öllinger: Nein! Nein!)

Selbst die wirklichen Experten, wie etwa Professor Marin, sagen, diese Abänderungen gegen­über dem Begutachtungsentwurf seien sensationell. (Ironische Heiterkeit des Abg. Öllinger.) Und ich muss sagen: Manche Maßnahmen sind großzügiger abgefedert, als das selbst die Experten für möglich gehalten haben.

Das ist die Politik der österreichischen Bundesregierung: offen und ehrlich zu sagen, dass Systeme geändert werden müssen, dass aber diese Änderungen sozial und gerecht durchzu­führen sind! Daran mitzuwirken, sind auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, eingeladen (Abg. Öllinger: Aufwertungsfaktoren!) – anstatt in der Öffentlichkeit große Diskus­sionen zu führen, die Bevölkerung zu verunsichern, in bestehende Pensionen eingreifen zu wollen, aber keine Vorschläge für eine nachhaltige Sanierung und Sicherung der Altersvorsorge zu bringen. Das ist die Politik der Opposition! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn das so beibehalten wird, dann können wir Sie nicht einbinden, denn wo keine umsetz­baren Vorschläge auf dem Tisch liegen, dort können wir diese auch nicht in Gesetzesmaterien einfließen lassen. (Abg. Öllinger: Bitte ändern Sie die Aufwertungsfaktoren! Das ist der erste Vorschlag!)

Wir werden im zweiten Teil der Debatte noch Gelegenheit haben, über die Vorschläge zu dis­kutieren. Jetzt muss ich leider Schluss machen (Abg. Öllinger: Schade!), weil die Nachrichten auf dem Programm stehen, aber Scheibner, die Zweite, kommt dann in einer Viertelstunde, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Nach dem Wetter­bericht!)

13.00


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich tue das, was der Nationalrat offenbar schon selber tut (die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen und schicken sich an, den Sitzungssaal zu verlassen), nämlich die Sitzung unterbrechen. Ich gebe dem Kollegen Scheibner bekannt, dass er um 13.15 Uhr neuerlich zu Wort gelangt, und zwar mit einer restlichen Redezeit von 14 Minu­ten.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 13 Uhr unterbrochen und um 13.15 Uhr wieder aufgenommen.)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme zur vereinbarten Zeit die unterbrochene Sitzung wieder auf, die für die Zwecke der ORF-Mittagsnachrichten unterbrochen wurde, und darf Herrn Abgeordneten Scheibner bitten, seine Rede fortzusetzen. Die Uhr ist auf 14 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.16


Abgeordneter Herbert Scheibner (fortsetzend): Herr Präsident! Hohes Haus! (Abg. Riepl  auf leere Bankreihen der Freiheitlichen weisend –: Wo ist Ihre Fraktion?) – Herr Abgeordneter,


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es ist ja schön, wenn Sie mir zuhören, aber ich hätte – so wie vor der Unterbrechung – auch gerne mit Ihrem Klubobmann Gusenbauer hier diskutiert, denn als Debattenredner hat er die Linie der SPÖ dargelegt; aber er ist noch immer nicht da. Ich gehe davon aus, dass die Abge­ordneten der Freiheitlichen und der ÖVP schneller aus der nachrichtenbedingten Pause zurück­kommen werden als Ihr Klubobmann, aber das ist schade, weil wir ja mit Ihnen über die Maß­nahmen der Pensionsreform diskutieren wollten. (Abg. Eder: Wenn Sie weiter reden ...!)

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Tatsache ist, dass seit vielen Jahren in den demokratischen Ländern, vor allem natürlich in den sozial entwickelten Ländern, über die Altersversorgung diskutiert wird, besonders über die Garantie dieser Altersversorgung. Und ich denke, wir können stolz darauf sein, dass Österreich eines jener Länder ist, die weltweit die beste Altersversorgung für die ältere Generation vorzuweisen haben.

Meine Damen und Herren! Dieses Versorgungssystem ist derzeit praktisch ausschließlich nach dem Umlageprinzip gestaltet. Man braucht aber kein Professor, kein Experte und kein Mathe­matiker zu sein, um zu wissen, dass dieses Umlagesystem natürlich nur so lange funktioniert, solange das Verhältnis zwischen jenen Menschen, die im Arbeitsprozess stehen, und jenen, die sich im Ruhestand befinden, ein ausgeglichenes ist. Wir alle wissen, dass gerade in den letzten Jahren dieses Verhältnis massiv in Schieflage gekommen ist. Während sich 1970 ein Arbeitneh­mer in Österreich im Durchschnitt über 42 Jahre im Arbeitsprozess und danach 8,8 Jahre im Ruhestand befunden hat, befand sich 2001 ein Arbeitnehmer durchschnittlich nur mehr 37 Jahre lang im Arbeitsprozess, aber etwa 20 Jahre im Ruhestand.

Es ist ja eine positive Entwicklung, dass immer mehr Menschen immer länger im Ruhestand leben. Aber auf der anderen Seite gibt es die negative demographische Entwicklung, dass es immer weniger Geburten gibt und damit immer weniger junge Menschen – zur Garantie dieses Umlagesystems – in den Arbeitsprozess kommen.

Angesichts dieser Entwicklung gibt es zwei Möglichkeiten, meine Damen und Herren: Entweder man macht so weiter wie bisher, dass man kleine Reformen und Reförmchen beschließt und der Bevölkerung verspricht, dass sich in Wahrheit nichts ändern und das System schon irgendwie finanzierbar sein werde. (Abg. Öllinger: Sie machen aber schon zwei Reformen binnen eines Jahres! Ist das jetzt eine kleine oder eine große?) Wir haben heute schon darüber diskutiert, was es bedeuten würde, wenn man im bestehenden System keine Maßnahmen setzen würde: Man müsste die Beitragssätze um 53 Prozent erhöhen, die Pensionen um 45 Prozent kürzen und das Pensionsantrittsalter um elf Jahre anheben! (Abg. Öllinger: Das machen Sie!)

Das ist nicht im Sinne eines Generationenvertrages! Das wäre nicht im Sinne eines gesicherten Zusammenlebens der Generationen, für das das Prinzip weiter gelten sollte, dass die im Beruf befindliche Altersgruppe für die Ausbildung der Jugend mit verantwortlich ist und sorgt, aber auch gleichzeitig mit ihren Beträgen für die Altersvorsorge eine Garantie übernimmt.

Daher ist klar, dass wir in die Richtung eines Drei-Säulen-Modells gehen müssen, meine Damen und Herren, um vor allem den heute 20-, 30- und 40-Jährigen auch eine Perspektive für eine gesicherte Altersversorgung zu geben.

Es wäre leicht, Herr Abgeordneter Öllinger, so wie andere in der Vergangenheit zu sagen: Das alles ist unangenehm, dieser Verantwortung stellen wir uns nicht, das hat die nächsten zehn bis 20 Jahre Zeit. – Das wäre leicht, und so leicht haben es sich die Vorgänger dieser Regierung vielleicht gemacht. Damals hat man sogar noch versucht, mit den Pensionisten Wahlkampf zu betreiben! Ich erinnere an die Vranitzky-Briefe, in denen praktisch erklärt wurde: Wählt die SPÖ, dann bleibt bei den Pensionen alles gut und schön; wenn andere an die Regierung kommen, dann gibt es Kürzungen.

Wenige Tage nach der Wahl haben Sie von der SPÖ dann die Kürzungen im Pensionssystem, Eingriffe in bestehende Pensionen, also das, was Sie auch jetzt in Ihren Konzepten mit dabei haben, umgesetzt.


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Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren! Wir sagen offen und ehrlich, es gibt eine Garantie für all jene, die sich jetzt im Ruhestand befinden. Sie werden von den Reformen, die wir jetzt vorhaben, nicht betroffen, mit Ausnahme der Politiker. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber eine mittel- bis langfristige Umstellung auf ein Drei-Säulen-Modell – mit einer Harmonisie­rung aller Pensionssysteme, der Abschaffung aller Sonderpensionsrechte sowie einem einheit­lichen Pensionssystem für den öffentlichen Dienst, für den privaten Sektor und alle anderen Bereiche, etwa auch die Sozialversicherungen, Kammern und Interessenvertretungen –, das ist ein gerechtes System, das die Bevölkerung von uns verlangt. Dafür stehen wir auch, genauso wie für die langfristige Schaffung eines einheitlichen Pensionskontos. Auch das ist eine wichtige Maßnahme, um mehr Transparenz zu schaffen für die Beträge, die einbezahlt werden, und die Pensionen, die dann auch konsumiert werden können.

Das bedeutet nicht, dass das jetzige System von einer Säule auf drei gleichberechtigte Säulen umgestellt werden soll. Es ist keine Frage, dass die staatliche Vorsorge auch in Zukunft den Kernpunkt der Pensionen ausmachen muss. Aber die notwendigen Einschränkungen im staat­lichen System, die auf Grund der demographischen Entwicklung erfolgen müssen, sollen durch die zweite Säule kompensiert werden, durch die Pensionskassen. (Abg. Öllinger: Die nötigen­den Einschränkungen, nicht die notwendigen!)

Wir haben ja mit der „Abfertigung neu“, durch die 100 Prozent der Arbeitnehmer in Zukunft in den Genuss einer Abfertigung kommen, eine richtungsweisende Entscheidung für diese zweite Säule getroffen, weil jeder Arbeitnehmer dann für sich selbst entscheiden kann, ob er diese Beträge in diese zweite Säule investieren möchte.

Die Harmonisierung des Systems und die Schaffung eines einheitlichen Pensionskontos, das ist natürlich eine mittel- bis langfristige Maßnahme, aber die Bundesregierung hat bereits den ersten wichtigen Schritt in diese Richtung gesetzt.

Für die Übergangszeit sind Maßnahmen dafür vorzusehen, dass wir das faktische Pensionsalter an das gesetzliche anzugleichen haben, aber mit verträglichen Übergangsbestimmungen. Zehn Jahre Übergangsfrist, meine Damen und Herren – ich glaube, das ist ausreichend Zeit, um sich auf diese Veränderung einzustellen.

Die entsprechende Durchrechnungszeit als Übergang für das einheitliche Pensionskonto in einem Zeitrahmen von 25 Jahren – das ist eine ausreichende Übergangsfrist. In sozialer Hin­sicht für uns wichtig und auch freiheitliche Programmatik ist, dass wir eine Deckelung der Ab­schläge, die durch die verlängerte Durchrechnung möglich sind, vorgesehen haben.

Meine Damen und Herren! Für uns von ganz besonderer Bedeutung ist auch, dass es für be­stimmte Gruppen besondere Regelungen gibt: etwa für Familien und für kindererziehende Frauen, damit diese von den Reformen nicht im negativen Sinn betroffen sind, sondern ganz im Gegenteil.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Da Sie das in der vorigen Debatte kriti­siert haben und sich als die VertreterInnen der Frauen und vor allem der Familie dargestellt haben, frage ich mich: Wo gab es denn in den 30 Jahren sozialdemokratischer Regierungs­beteiligung derart massive Verbesserungen für die Familien und für die Frauen wie unter dieser Regierung? Ich erinnere etwa an das Kinderbetreuungsgeld, das Sie von der SPÖ abgelehnt haben und bis heute kritisieren, obwohl es eine massive Besserstellung für die Frauen und für die Familie darstellt. (Abg. Mag. Wurm: Geht Kindererziehung die Männer auch etwas an?) Oder: Ich erinnere an die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten. – All das sind Dinge, die Sie in 30 Jahren hätten umsetzen können. Aber die Familien und die kindererziehen­den Frauen sind für Sie nicht von wirklich großer Bedeutung gewesen. Aber wir werden dieses Prinzip auch bei dieser Pensionsreform durchhalten.

Aber auch die von Ihnen kritisierten kurzfristigen Maßnahmen werden abgefedert, etwa für die Versicherten mit langer Versicherungsdauer oder für jene Menschen, die in schwierigen Beru­fen tätig sind und denen wir garantieren, dass sie auch in Zukunft ohne Befristung mit 55 bezie-


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hungsweise 60 Jahren in Pension gehen können. (Die Abgeordneten Öllinger und Dr. Gla­wischnig: Das stimmt nicht!) – Das alles sind doch Maßnahmen, über die wir hier diskutieren können und sollten!

Wenn Sie sagen, dass durch die kurzfristig wirksamen Maßnahmen das Budget profitiert, dann sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Das Budget profitiert nicht, sondern es profitieren die Arbeitnehmer, die Bevölkerung und auch die Pensionisten in diesem Land! Wenn Sie etwa das Gesamtbudget hernehmen, dann wissen Sie, dass per 1. Jänner 2004 eine erste, aber spür­bare Etappe einer steuerlichen Entlastung für die Bevölkerung beschlossen wurde. Das wird sich gerade für die Kleinverdiener, gerade für die Pensionisten auswirken, weil Einkommen bis monatlich 1 000 € steuerfrei gestellt werden, egal, ob Aktivbezug oder Pension. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig: Aber nur 500 Millionen €, nicht 2 Mil­liarden!)

Das sind die Reformen dieser Bundesregierung: sozial verträglich und gerecht. Dabei würde ich mir wünschen, dass Sie mitarbeiten, dass Sie Ihre konträren Vorschläge auch einbringen. Aber bis jetzt hat man nichts davon gehört.

Herr Abgeordneter Gusenbauer ist jetzt wieder da, ich kann es ihm daher persönlich sagen. – Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich habe darauf gewartet, dass Sie hier endlich umfassend Ihr Reformkonzept präsentieren werden, das Sie uns bis jetzt so lange vorenthalten haben. Aber wir haben leider nichts gehört. Daher bleibt uns als verantwortlichen Regierungsparteien eben nur, diese Reformen so zu beschließen, wie wir sie ausgearbeitet haben. (Abg. Parnigoni: Vier Ländervertreter sind dagegen! Was ist mit den vier Ländern, die dagegen waren?)

Aber das Angebot steht nach wie vor: dass Sie sich bei der Harmonisierung und bei der Schaffung eines einheitlichen Pensionskontos mit einbringen, denn das werden die schwierigen Reformen sein, wozu auch die Sozialpartner eingeladen sind. Damit könnten wir für die nächsten 20, 25 Jahre wirklich eine Systemänderung schaffen. Hoffentlich haben Sie vor, Ihre Ideen mit einzubringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich hoffe nur eines, meine Damen und Herren: dass Sie den Mangel an Ideen nicht durch andere Maßnahmen kompensieren wollen. (Abg. Öllinger: Ach!) Na was ist das, Herr Kollege Öllinger? Was ist das, wenn man hier die Reformvorschläge nicht einbringt und sagt, wir haben sie zwar, aber wir wollen die Bevölkerung nicht verwirren – das hat die SPÖ gesagt – und wollen deshalb diese Dinge nicht alle offen legen (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist alles gestern präsentiert worden! Haben Sie nicht aufgepasst?), aber auf der anderen Seite mit Kampfmaß­nahmen gedroht wird? Man verfällt da sogar in eine gewisse Kriegsrhetorik, auch von Seiten sozialdemokratischer Gewerkschafter. Bevor man eine Vorlage im Parlament hat, wird schon gedroht, werden erste Streikmaßnahmen angekündigt und zum Teil auch schon durchgeführt, meine Damen und Herren. (Abg. Parnigoni: Es war ein einstimmiger Beschluss! Walch hat mitgestimmt!) – Ja, fein! Sie beschließen Streiks, schon bevor Sie wissen, wogegen Sie anzu­kämpfen haben, um in Ihrem Jargon zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht die Tradition, die wir hier in Österreich haben! Wir wollen den politischen Diskurs! Dieser ist hier im österreichischen Nationalrat zu führen, er ist in der öffentlichen Debatte zu führen, aber nicht auf der Straße! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Die Bevölkerung soll keine Nachteile dadurch erleiden, nur weil Ihre politisch orientierten Gewerkschafter alles blockieren wollen. Das ist nicht die Vorgangsweise, die die Bevölkerung von uns und vor allem von Ihnen erwartet.

Die wenigen Vorschläge der SPÖ, die bekannt geworden sind, sind von den Experten entspre­chend bewertet worden. Das ist ein Verschieben auf die Ewigkeit, das ist ein Versuch, zu duschen, ohne nass zu werden, ein Fairnessmodell, das nur für die Mai-Kundgebungen taugt. – Das sind keine politischen Beurteilungen, sondern Beurteilungen von Experten und Journalis­ten. Und dem Abgeordneten Gusenbauer wurde sogar empfohlen, eine Osteria aufzumachen – aber so weit möchte ich gar nicht gehen, Herr Abgeordneter Gusenbauer. (Abg. Dr. Gusen­bauer: Sehr lustig!)


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Ich würde mir nur wünschen, dass Sie die Energie, die Sie derzeit in die politische Agitation, in die Vorbereitung von Streikmaßnahmen, in die Vorbereitung von Maßnahmen zur Blockade des öffentlichen Lebens legen, zur konstruktiven Arbeit an einer langfristigen, gerechten Pensions­reform nutzen. Dann wären Sie auch ein glaubwürdiger Partner bei den Verhandlungen.

Wenn Sie das nicht tun, dann wird die Bevölkerung eben sehen, dass einzig und allein die Regierungsparteien Verantwortung übernehmen – auch wenn das vordergründig vielleicht unpopulär sein mag –, Verantwortung für die jetzigen Generationen, aber auch Verantwortung für künftige Generationen, weil wir es auch zu verantworten haben werden, ob und in welchem Ausmaß auch künftige Generationen ihren Lebensabend in sozialem Wohlstand verbringen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Sehr niedrig!)

13.30


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeiten der nächsten vier Redner betragen einvernehm­lich je 10 Minuten.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Die Uhr ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.30


Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Scheibner, man könnte Ihnen antworten: Korrektur ist angesagt, keine Kosmetik! Das ist nämlich auch in einer heutigen Zeitung gestanden – wenn Sie schon Zeitungen zitieren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich wäre froh, wenn wir heute den vielen jungen Menschen auf der Galerie tatsächlich eine Diskussion über eine umfassende Reform bieten könnten, und nicht über kurzfristige Geldbe­schaffungsaktionen. Genau darum geht es nämlich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn wir berechtigterweise immer wieder mit der Frage konfrontiert werden: Welche Konzepte gibt es?, dann muss doch jeder seriös denkende Mann sich einmal die Frage stellen (Zwischen­rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen) – auch die Bevölkerung, auch Frauen, keine Frage; die Gender-Problematik steht uns von der SPÖ sicher näher als manchen anderen –: Welches Ziel will man denn tatsächlich erreichen? – Diese Frage muss seriös beantwortet werden. Ist es das Ziel, das wir jetzt erleben, eine kurzfristige Geldbe­schaffungsaktion, oder ist das Ziel eine umfassende Pensionsreform? – Zum Letzteren braucht man auch die Mitwirkung aller Bevölke­rungsgruppen.

Es kann nicht angehen, dass, wenn die Sozialpartner ihre Hand anbieten, man ihnen sagt: Nein, da sind Sie nicht mit dabei!, um fünf Minuten später vom Bundeskanzler zu hören: Wir strecken ja die Hand aus. – Eine Just-in-time-Sozialpartnerschaft gibt es nicht! Wenn Sie es wollen, werden wir nicht springen, sondern nur dann, wenn wir davon überzeugt sind, dass wir gemeinsam zu einer besseren Lösung beitragen können. Nehmen Sie das zur Kenntnis, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Wir brauchen Just-in-time-Lösungen!)

Herr Abgeordneter Molterer, Sie monieren, dass es das umfassende Konzept nicht gibt. Wo ist denn das umfassende Konzept der Koalitionsregierung? Ich frage Sie: Wo ist das umfassende Konzept der Koalitionsregierung? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.) Das ist umfassend? – Das ist überhaupt nicht umfassend! Das ist eine kurzfristige Geldbeschaffungs­aktion! Das gibt keine Antworten auf längerfristige Pro­bleme! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ist es nicht so, Herr Klubobmann Molterer, dass Ihr Generalsekretär vor wenigen Tagen gesagt hat: Ziel der Pensionsreform ist es auch, 1 Milliarde einzusparen? Diese sei nämlich nötig, um die große Steuerreform zu machen! – So etwa nach der Devise: Gib dein Geldbörsel her, und ich gebe es dir halb leer wieder zurück! – Das kann doch wirklich nicht das Ziel einer Pen­sions­reform sein! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Und Sie unternehmen neuerlich den Versuch, den überparteilichen Gewerkschaftsbund zu spalten. Das wird Ihnen aber nicht gelingen! Denn auch heute hat es eine Erklärung der GÖD gegeben, der Sie ja politisch im Besonderen nahe stehen, die besagt, sie bekennt sich zu den gemeinsamen Aktivitäten des ÖGB. – Also hören Sie und auch Herr Tancsits und andere auf, dauernd zu sagen, das sei eine sozialdemokratische Aktion! – Ich bekenne mich zur Sozial­demokratie, ich bin stolz darauf! Aber ich bekenne mich auch zum überparteilichen Gewerk­schaftsbund und dessen Maßnahmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ist es nicht so, dass Herr Abgeordneter Fasslabend vor wenigen Monaten gefragt hat: Was soll es denn für einen Sinn machen, das gesetzliche Pensionsalter auf 67 Jahre anzuheben, wenn die Betriebe die Leute mit 56 Jahren hinausschmeißen?

Es wäre ja spannend, Herr Bundesminister Bartenstein, zum Beispiel zu wissen: Wie sieht die Altersstruktur in Ihrem Unternehmen aus? Wie viele Leute über 60 sind dort beschäftigt? – Oder: Es wäre auch spannend, bei Herrn Prinzhorn zu wissen: Wie viele Leute über 60 sind in seinem Unternehmen beschäftigt? (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Fast alle werden über 60!)

Oder trifft das zu, was in einer Aussendung der Industriellenvereinigung steht, dass nämlich die Betriebe der Industrie zunehmend Ältere loswerden wollen? – Das steht in einer Aussendung der Industriellenvereinigung der Vorwoche. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das stimmt einfach nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben in diesem Konzept keine Antwort – (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Aber Sie haben keine Ahnung!) – auf das Problem der 120 000 Men­schen, die durch Maßnahmen dieses Konzeptes auf dem Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden werden. Sie haben keine Antwort darauf, wie Sie denn das Arbeitslosenübergangsgeld, wie Sie es hier angeführt haben, tatsächlich finanzieren wollen. Diese Antworten haben Sie nicht! Sie haben auch keine Antwort darauf, wie Sie die Ersatzzeiten – für die Zeit beim Bundes­heer, beim Zivildienst oder auch für die Kindererziehung – tatsächlich finanzieren wollen. Damit belasten Sie das Pensionssystem, das Sie in Wahrheit um 1 Milliarde erleichtern wollen, ohne eine Antwort darauf zu haben!

Ist es nicht so, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass in Ihren Konzepten bis vor kurzem enthalten war – man wird sehen, ob sich das tatsächlich be­wahrheitet –, dass Sie im Jahr 2005 eine Kürzung der Pensionen um 13,5 Prozent vornehmen wollen? – Ich betone: Wir reden über Kürzungen von Pensionen! Wissen Sie, wie hoch die Durchschnittspension ist? Ich nehme zumindest an, dass Sie es wissen: Sie beträgt 1 100 €, unter 700 € bei Frauen! Und da reden Sie über Kürzungen dieser Pensionen? (Abg. Mag. Mol­terer: Laut SPÖ-Konzept um 10 bis 15 Prozent!)

Da reden Sie über die zweite und dritte Säule. Es wäre ja spannend, in diesem Haus mit Ihnen allen einmal eine Debatte darüber abzuführen, was Sie denn unter der zweiten und dritten Säule tatsächlich verstehen! Denn hier findet ja immer wieder eine Vermischung von Begriffen statt: von Mitarbeitervorsorge, Eigenvorsorge und der Betriebspension, die angeboten wird. (Abg. Mag. Molterer: Bei der SPÖ nicht, die kürzen alles!)

Reden wir über die Altersvorsorge, reden wir über die zweite und dritte Säule! Glauben Sie tat­sächlich, dass die Abfertigung, die maximal ein Jahresentgelt ausmacht, die Verluste, die Sie den künftigen Pensionisten mit Ihrem vorliegenden Konzept bereiten, tatsächlich ausgleichen, auffangen kann? Ein Jahresentgelt fängt das nicht auf, was Sie den Pensionistinnen und Pen­sionisten in Zukunft zumuten, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungs­koalition.

Wenn wir über Betriebspensionen reden: Wie viele gibt es denn? (Abg. Dipl.-Ing. Missethon: In Donawitz gibt es keine, die haben Sie abgeschafft!) – Wenn Sie über die Abfertigung reden, in Ordnung, dann wenden Sie sich gleich an die Wirtschaftskammer und sagen ihr, dass


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1,53 Prozent an Beiträgen nicht ausreichen. Da werden Sie mindestens 7 Prozent an Beiträgen abzuliefern haben, damit das in der Pension ausgeglichen werden kann.

Wie viele Betriebspensionen gibt es? (Abg. Mag. Molterer: Herr Präsident Verzetnitsch, haben Sie vergessen, dass Sie das mitgestaltet haben? Distanzieren Sie sich nicht von Ihrem eigenen Erfolg!) – Ich distanziere mich überhaupt nicht! Aber der Erfolg, den wir errungen haben, war, die Abfertigung für alle sicherzustellen, und nicht, eine von Ihrer Seite beabsichtigte Pensions­kürzung zu finanzieren. Das ist die klare Antwort, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie sagen ja selbst, auch in Ihren Erläuternden Bemerkungen – das ist keine Gewerkschafts­publikation –, durch den quasi erzwungenen späteren Pensionsantritt könne man die Verluste abmindern. – Durch den quasi erzwungenen späteren Pensionsantritt? Was ist das für eine Antwort auf die Probleme der 120 000 Menschen, die jetzt keine Antwort darauf haben?

Wo ist in Wirklichkeit das Konzept dieser Bundesregierung, die Menschen länger in Beschäfti­gung zu halten? Wo ist denn das Konzept, das dazu führt, dass man auch im Bund nicht mit 55 Jahren mit einem Golden Handshake entfernt wird, nur damit die Rechnung der Personal­einsparung stimmt? – All das sind keine befriedigenden Antworten.

Es ist auch keine befriedigende Antwort, wenn jetzt in doppelseitigen Inseraten dafür geworben wird: „Millionen brauchen eine kompetente Beratung für ihre private Vorsorge.“ – Wir bekennen uns zur umlagefinanzierten ersten Säule als Grundstock, aber nicht nur als Almosen, sondern als Sicherung des Lebensstandards! Das muss unser Ansatz sein! Und wenn jemand Geld hat für die zweite und dritte Säule, dann soll er es tun, dann soll er in diese Modelle investieren! Aber die Menschen, die mit durchschnittlich 1 400 € netto jetzt ihr Auslangen finden müssen, werden Ihnen keine Antwort darauf geben können, was sie sich tatsächlich für eine zweite und dritte Säule leisten können.

Und die Wirtschaft hilft ihnen da nicht! Von dort höre ich nur dauernd, die Lohnnebenkosten seien zu hoch. Die Wirtschaft wird ihnen das auch nicht sichern – oder sind Sie bereit, Herr Abgeordneter Prinzhorn, in Ihrem Betrieb für alle Beschäftigten eine private Pensionsvorsorge zu finanzieren? Ich betone, für alle Beschäftigten, und nicht nur für ein paar Leute, die Ihnen genehm sind? (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Ich habe in meinem Betrieb eine eigene Lösung für alle gefunden!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben folgende Situation: Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, bedarf einer ausführlichen Analyse. Wir werden nicht in einem Schnellschuss-Verfahren Antworten darauf geben, sondern wir werden das seriös, wie Gewerkschaften es gewohnt sind, analysieren. Wir werden uns aber nicht daran hindern lassen, wenn es uns richtig erscheint, Maßnahmen zu ergreifen. Demokratie anerkennen wir, Entscheidungen der Regie­rung anerkennen wir, Entscheidungen der Politik hier im Hause anerkennen wir ebenso! Wir anerkennen aber auch unser Recht, gegen etwas aufzutreten, was nicht richtig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das muss unser Ziel sein! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie werden es nicht erleben, dass wir etwas aus Jux und Tollerei machen, etwa nur weil man ein Angebot nicht annimmt, am Donnerstag vergangener Woche zu uns gesagt hat: Ihr könnt zwar mitreden, wir bauen aber den ersten Stock, und ob das Haus ein Fundament hat, interes­siert uns nicht. Ihr könnt dann später mitreden, vielleicht bauen wir auch über das erste Haus.

Der Herr Bundeskanzler hat heute gemeint: Wenn ein Dachziegel locker ist, dann muss man aufpassen, dass es nicht ins Haus hineinregnet! – Herr Bundeskanzler – auch bildlich gespro­chen –: Es reicht aber nicht, den Keller so zu sanieren, dass das Wasser im Haus bleibt. Wir müssen dafür sorgen, dass ein Fundament für die Menschen, ob jung oder alt, geschaffen wird, das den wahren Charakter einer Pensionsreform hat und nicht den einer reinen Geldbeschaf­fungsaktion – für Geld, das man dann für Abfangjäger, für Steuerreformen oder irgendetwas anderes einsetzen will.


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Damit haben Sie uns nicht in Ihren Reihen. Sie haben uns in Ihren Reihen, wenn es um um­fassende Reformen geht, und zwar mit allen Parteien, mit den Sozialpartnern, aber nicht in dieser Form. Nehmen Sie das zur Kenntnis, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Anhal­tender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.41


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Tancsits. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

13.41


Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vize­kanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zum Einstieg replizierend auf Herrn Präsidenten Verzetnitsch, der mich freundlicher­weise zitiert hat, noch bevor ich geredet habe: Über ein Durchschnittseinkommen, einen Durch­schnittsverdienst ein Arbeitsleben lang, 35 Jahre, kapitalisiert ergibt das Jahreseinkommen rund 10 Prozent der Nettoersatzrate. – Mir werden Sie das nicht glauben, fragen Sie daher bitte bei der Wiener Städtischen und bei der Bawag nach, auf deren Berechnungen ich mich hier berufe! (Abg. Parnigoni: Das kann aber nicht stimmen! – Abg. Nürnberger: Das habe ich nicht verstanden! Erklär das einmal!)

Jetzt aber zum Thema Pensionsreform. Die Notwendigkeit ist eigentlich unbestritten. Ein Eck­punkt, das Auslaufen der vorzeitigen Alterspension (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Tancsits!


Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (fortsetzend): ... wurde von mir zum ersten Mal im Jahr 1997 angeregt. Die damalige Regierung hat sich nicht über die Umsetzung getraut. Das zeigt meiner Meinung nach, was es bringt, wenn man sich notwendige Maßnahmen nicht um­zusetzen traut. Nach dem Konzept des Herrn Kollegen Gusenbauer vorzugehen und bis zum Jahr 2010 zu warten würde bedeuten, dass die Angleichung dann nicht in zehn, sondern in drei Jahren durchgeführt werden muss. Das wollen wir aber nicht. Die Menschen haben ein Recht darauf, sich in ihrer Lebensplanung auf fünf bis zehn Jahre im Voraus auf gesetzliche Bestim­mungen einstellen zu können.

Der zweite Eckpunkt des heute vorliegenden Entwurfs ist der Versuch, durch eine längere Be­wertung von Gesamtarbeitszeiten, also durch die so genannte Durchrechnung, mehr Gerechtig­keit herzustellen. Auch darin sind wir – wenn ich diese Rechnung hinterfragen darf – weit­gehend einer Meinung, denn 80 Prozent nach 45 Jahren, das bedeutet ja Durchrechnung des Lebenseinkommens und Rückführung des Steigerungsbetrages auf 1,78 Prozent. (Abg. Sil­havy: 80 Prozent wovon, Herr Tancsits?)

Ich gebe aber zu, meine Damen und Herren: Der Weg bis zur Vorlage des Entwurfes in der jet­zigen Fassung war nicht unumstritten. Selbstverständlich ist dieses Reformwerk von verschie­denen Interessengruppen hinterfragt worden, und selbstverständlich wurden verschiedene Maßnahmen dazu verlangt. Es hat sich im Vergleich zu dem versandten Begutachtungsentwurf auch vieles verändert, und manches wird vielleicht in der parlamentarischen Behandlung noch abzuschleifen sein.

Ich denke, dass sich gerade die Arbeitnehmervertreter der Österreichischen Volkspartei, auch jene der Freiheitlichen in diese Gespräche und Verhandlungen eingebracht haben und heute ein Entwurf als Grundlage für die parlamentarische Behandlung vorliegt, den etwa Herr Bernd Marin im „Mittagsjournal“ folgendermaßen charakterisiert hat – ich zitiere aus der APA –:

Er sei „,positiv überrascht über das Ausmaß der Abmilderungen‘ im Vergleich zum Begut­achtungsentwurf. Weit über 30 Prozent der ursprünglich geplanten Einsparungen würden nun nicht mehr lukriert. Die Kritik habe offenbar ,mehr als gefruchtet‘. Die Abmilderungen seien sehr viel großzügiger als von vielen Experten gefordert.“ – Na gut, Expertenmeinungen ändern sich da und dort. (Abg. Öllinger: Das kann man wohl sagen!)


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Ich zitiere weiter: „Der ,Fehler‘ der letzten Pensionsreform, dass man schon nach 40 Jahren und nicht erst nach 45 Jahren 80 Prozent der Bemessungsgrundlage erreiche, werde nun ... rückge­führt werden.“

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte auf einen besonderen Bereich dieser notwendigen Veränderungen eingehen, weil ich auch in den Diskussionen der letzten Wochen immer wieder Stellung dazu bezogen habe. Es geht mir um die Erhaltung, ja Verstärkung der familienpolitisch positiven Handschrift dieser Bundesregierung und dieser Regierungszusam­menarbeit.

Neben der für alle wichtigen und besonders für weibliche Erwerbsbiografien notwendigen Be­grenzung der Verluste auf Grund der Durchrechnung mit den 3,5, 7 und 10 Prozent – eventuell gedruckte Plakate, Aussendungen über, wie wir heute früh hörten, Verluste von 36 Prozent und Ähnliches sind damit Makulatur – gibt es drei spezifische Maßnahmen für erziehende Eltern: erstens drei Jahre Abzug vom Durchrechnungszeitraum pro Kind, zweitens eine entsprechende Anhebung der pensionserhöhenden Kindererziehungszeiten – beides rückwirkend für vor dem Jahr 2000 geborene Kinder – und drittens 24 Monate pensionsbegründende Kindererziehungs­zeiten für die Zukunft.

Meine Damen und Herren! Wie sieht hingegen der SPÖ-Entwurf aus? – Er enthält den gleichen Fehler wie schon im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld, nämlich: nur dann die Tatsache der Elternschaft finanziell anerkennen, wenn in der Zeit davor gearbeitet wurde! (Abg. Silhavy: Das stimmt ja nicht! Sie haben es nicht verstanden!) Für all jene, die etwa freie Dienstnehmer waren, die vorher nicht gearbeitet haben, egal, ob sie dann noch 25, 30 Jahre lang ins System einzahlen, keine Anerkennung. Dazu sage ich: Das ist unsozial und mit uns nicht zu machen! Uns ist für die Pensionsbegründung jedes Kind gleich viel wert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte dem SPÖ-Konzept trotz allem noch einige Worte widmen; Sie (in Richtung SPÖ) haben es – ich verstehe das – ja weitgehend unbehandelt lassen. Wie ist denn das zu verste­hen: Nach 2010 fangen wir an!? Heißt das, dann wird innerhalb von drei Jahren das Antrittsalter angehoben? Oder die Meldung am vergangenen Samstag, auf den Arbeitsmarkt werde Rücksicht genommen: Wie vereinbart sich denn das mit dem Grundsatz des Vertrauensschut­zes? Wird dann anhand der Arbeitsmarktstatistik entschieden, wann man in Pension gehen kann? Wie sieht es dann zum Beispiel auf dem Wiener Arbeitsmarkt aus? Wird man – im Hinblick auf die bekannte Performance des Wiener Arbeitsmarktes – in Wien früher in Pension gehen als in anderen Bundesländern? – All das entspricht nicht unseren Grundsätzen!

Noch ein Wort zur zweiten und dritten Säule. – Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben die „Abfertigung neu“, die Mitarbeitervorsorge mit beschlossen. Sie haben im Septem­ber 2002 die Zukunftsvorsorge mit beschlossen. Bedeutet Ihre heutige Absage zu dieser ergänzenden zweiten und dritten Säule, dass Sie nicht nur hinter die von Klima und Hostasch zaghaft angegangenen Reformen zurückgehen, sondern auch die Funktionsperiode Gusen­bauer I in Frage stellen und auch diese Beschlüsse widerrufen wollen? Es kann doch nicht möglich sein, dass Sie den Menschen, denen wir zusätzliche Möglichkeiten für die Zukunft eröffnet haben, diese wiederum in Abrede stellen wollen?! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Unsere Vorschläge und Maßnahmen sind laut Marin – und ich denke, das auch guten Gewis­sens sagen zu können – eine gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen. Viele meiner Vorredner haben es gesagt: Wir laden alle dazu ein, an der Umsetzung mitzuwirken, um den im Erwerbsleben Stehenden, den vor der Pension Stehenden und den in der Pension Befindlichen Vertrauen zu geben und den Jungen eine Perspektive auf eine vernünftige Altersvorsorge zu eröffnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.51


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

13.51


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Klubobmann Scheibner! Sie haben eingefordert,


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dass hier im Hohen Haus der politische Diskurs stattfinden soll. Ist das so? (Abg. Scheibner: Ich habe auf Ihre Vorschläge gewartet! Die sind nicht gekommen!) Findet so der politische Diskurs statt, dass uns am Anfang der Sitzung ein Budgetbegleitgesetz mit 91 Novellierungen übermittelt wird? Eine Novellierung davon betrifft die jetzt für wenige Stunden zur Debatte stehende weit reichende Änderung des Pensionsgesetzes, die wir später im Budgetausschuss wenige Stunden lang diskutieren werden, um sie dann Anfang Juni im Plenum verabschieden zu können. Ist das Ihre Vorstellung von politischer Diskussion über weit reichende, tief in das Leben und die Zukunft von jungen Menschen hineinreichende Veränderungen, Herr Klubob­mann Scheibner? Ist das Ihre Vorstellung? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unsere Vorstellung, Herr Klubobmann Scheibner, sieht anders aus. Unsere Vorstellung, Herr Klubobmann Scheibner – wir haben auch versucht, das in den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP klarzustellen –, wäre folgende: Nehmen wir uns die Zeit! Nehmen wir uns die Zeit, die es braucht, um eine für die Zukunft haltbare nachhaltige Veränderung im Pensionssystem, die aber auf dem Prinzip von sozialer Gerechtigkeit basiert, zu schaffen! Dazu braucht es Zeit. Zeit – und das kann nicht heißen: einmal im Ausschuss diskutieren, einmal im Plenum diskutie­ren, dann abstimmen im Juni, und vorbei ist die Gaudee. (Abg. Scheibner: Das sagt ja nie­mand!) Das kann es nicht sein, Herr Klubobmann Scheibner! Nehmen wir uns die Zeit, die es braucht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das kann auch bedeuten, dass wir erst im nächsten Jahr fertig werden. Alle Parteien sollen die Möglichkeit haben, alle Verbände sollen die Möglichkeit haben, jeder, der sich daran beteiligen will, soll die Möglichkeit haben, auch der Bürger und die Bürgerin sollen die Möglichkeit haben, sich daran zu beteiligen. Dem stehe ich mit sehr viel Sympathie gegenüber: Alle sollen die Möglichkeit haben, die Grundprinzipien einer Pensionsreform mitzuvollziehen, nachzuvollziehen und ja sagen zu können oder gegebenenfalls auch nein sagen zu können. Aber Sie mit Ihrem überfallsartigen Konzept nehmen den Menschen diese Möglichkeit der Beteiligung!

Ein kurzer Aufschrei, und dann ist es vorbei. – Das ist Ihr Konzept, aber das ist ein autoritäres Politikverständnis. Das entspricht nicht im Entferntesten jener Form, in der große Pensionsrefor­men in anderen europäischen Ländern angegangen werden. Egal ob in der Schweiz oder in Schweden: Wenn es große Änderungen geben soll, braucht es die Zustimmung der großen Parteien und Verbände. Dann muss den Menschen auch ausreichend erklärt werden, worum es geht und weshalb das notwendig ist. – Das aber haben Sie nicht getan!

Ja, auch wir Grünen sagen, es braucht Änderungen im Pensionssystem. Und ich sage gleich dazu, Herr Klubobmann Scheibner, weil Sie eingefordert haben, wir sollten heute über unsere eigenen Pensionskonzepte, über das der Sozialdemokraten, über das der Grünen diskutieren: Ich hätte ganz gerne, dass die Bundesregierung ihr Pensionskonzept darlegt. Was wir haben, ist ein Pensionssicherungsgesetz, Herr Klubobmann Molterer, und Sie selbst haben angekün­digt, dass die eigentliche Änderung, die Harmonisierung der Pensionssysteme, im Herbst erfol­gen werde. – Wo ist denn Ihr Konzept dafür? Haben Sie uns das heute offen gelegt? – Nein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das heißt, wir diskutieren jetzt eine Pensionssicherungsreform mit weit reichenden Änderungen, aber wie Ihr zukünftiges Konzept aussieht, das verraten Sie nicht. (Abg. Scheibner: Sie haben nicht zugehört!) Aber über die Konzepte der Oppositionsparteien wollen Sie diskutieren. Unse­res haben wir in den Verhandlungen mit der ÖVP zu diskutieren versucht, und dieses Konzept bedeutet nicht nur eine Existenzsicherung im Alter, sondern auch, dass der Bundeszuschuss für die Pensionssysteme nicht so wie in Ihrem Konzept, Herr Klubobmann Molterer, auf null und unter null heruntergefahren wird (Abg. Wattaul: Unter null geht auch?) – ich werde es Ihnen noch erklären –, sondern dass der Bund, aber auch die Länder, die ja auch Pensionsaufwen­dungen für ihre Landesbediensteten tragen, das Ausmaß an Zuschüssen, das sie heute haben, beibehalten. Nicht mehr, sondern beibehalten! (Abg. Mag. Molterer: Wir steigern es sogar!)

Herr Klubobmann Molterer, Sie sind ja Oberösterreicher und werden daher vielleicht dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung beziehungsweise der Statistischen Abteilung mehr


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glauben als mir. Ich zeige Ihnen jetzt, was das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung zu Ihrer Pensionsreform errechnet hat. (Der Redner hält eine Graphik des Amtes der Ober­österreichischen Landesregierung in die Höhe und erklärt anhand dieser Folgendes:)

Das sind die Aufwendungen ohne Pensionsreform. Beginnen wir mit der Periode 2003 bis 2007: 4,3 Prozent des BIP, aber nicht nur für die Sozialversicherungspensionen, sondern auch für die Beamtenpensionen. Nach Darstellung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung – diesem werden Sie wohl glauben – sinkt dieser Anteil – ohne Reform! – in der Periode 2008 bis 2012 auf 3,4 Prozent, steigt dann leicht auf 3,6 Prozent an und erreicht in der Periode 2018 bis 2022 4,7 Prozent. Dann ist ein Anstieg zu verzeichnen, und genau darüber sollten wir disku­tieren, denn dieser Anstieg in der Periode 2020 bis 2040 wird mit den Mitteln, die der Bund dann zur Verfügung haben wird, allein nicht bewältigbar sein.

Was machen Sie? – Auch das errechnet das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung; Ihre Reform, noch ohne die kosmetischen Korrekturen: Sie starten in der Periode 2003 bis 2007 mit 3,7 Prozent, senken die Bundeszuschüsse für beide Pensionssysteme auf 0,85 Prozent, und dann, in den Perioden 2013 bis 2017 und 2018 bis 2022, bleibt es bei minus 0,27 Prozent.

Herr Klubobmann Molterer! Würde ich Ihnen jetzt eine Graphik für das ASVG zeichnen, wo, glauben Sie, würde das ASVG liegen? – Bei minus 5 Prozent mindestens! Das heißt nichts anderes, Herr Klubobmann Molterer, als dass nach Ihrem Konzept – und das ist die eigentliche Tragik – die überwiegende Mehrzahl der Sozialversicherungsbezieher ab dem Jahr 2020, die nämlich im ASVG erfasst sind, alle bisherigen Bundeszuschüsse auch für die anderen Pen­sionssysteme mitzahlt. Es gibt ein Minus. (Abg. Mag. Molterer: Das ist einfach grotesk falsch!) Sie müssen sich die Zahlen, die das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung errechnet hat, ansehen, dann würde Ihnen vielleicht auch schlecht ob des Ausmaßes an Raubbau bei den Pensionen, das Sie jetzt zu verantworten haben, Herr Klubobmann Molterer! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wissen Sie, wie viel der Bund im Jahr 2006 mehr zahlt? Er wird um mehr als 2 Milliarden € mehr zahlen!)

Herr Klubobmann Molterer, ich habe 10 Minuten Redezeit und nicht 20 Minuten wie Sie, daher muss ich mich beschränken. Einverstanden, Herr Molterer, es sind Maßnahmen zur Pensions­sicherung notwendig. Aber warum kann man das nicht anders herum angehen? – Zuerst das große Konzept und im Rahmen eines großen Konzeptes auch die Maßnahmen zur Pensions­sicherung. Das wäre ein Fortschritt.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines gerechten Pensionssystems für alle

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, den vorliegenden Entwurf („Pensionssicherungsge­setz“) der Bundesregierung im Rahmen der Budgetbegleitgesetze zurückzuziehen und dem Nationalrat binnen eines Jahres eine Regierungsvorlage zur Reform der Pensionssysteme vorzulegen, die von folgenden Überlegungen getragen ist:

Harmonisierung aller Pensionssysteme, die aus öffentlichen Mitteln gefördert oder finanziert werden;

Festlegung angemessener Übergangszeiten;

Existenzsicherung durch das öffentliche Pensionssystem;

Einführung eines progressiven Pensionssicherungsbeitrages für Pensionen über der ASVG-Höchstpension;


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nachhaltige Sicherung und Finanzierung des öffentlichen, auf dem Umlageverfahren basieren­den Pensionssystems.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese Regierungsvorlage unter Einbeziehung aller großen gesellschaftlichen Gruppierungen – Parteien, Verbände, Sozialpartner, zivilgesellschaft­liche Organisationen und kirchliche Organisationen – zu erstellen und die BürgerInnen über die Grundlinien der Reform mitentscheiden zu lassen.

*****

Einige Anmerkungen noch, Herr Klubobmann Molterer: 680 € macht die Durchschnittspension der Frauen aus. Ab dem Jahr 2028 gibt es nach Ihrem Konzept keine Deckelung der Verluste mehr; bis dahin maximal 10 Prozent. Das heißt aber auch, Sie geben zu, dass die Verluste höher sind als 10 Prozent, sonst bräuchten Sie sie nicht im Übergang mit 10 Prozent zu deckeln. (Abg. Mag. Molterer: Sollen wir den Deckel wegnehmen oder was?) Das heißt aber auch, dass ab 2028 die Verluste höher sein werden als 10 Prozent. Und das wird vor allem die Frauen betreffen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Mich wundert das kurze Gedächtnis des Professors Marin. Er hat noch vor wenigen Wochen gesagt, die Nichtaufwertung der Aufwertungsfaktoren sei kalte Enteignung. (Zwischenbemer­kung von Vizekanzler Mag. Haupt.) Sie haben nichts geplant im Zusammenhang mit den Auf­wertungsfaktoren, und deshalb ist Ihr Entwurf tatsächlich noch immer eine kalte Enteignung, ein Pensionsraub an den jüngeren Generationen, vor allem aber an den Frauen. Und das ist unver­antwortlich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.01


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben von Abgeordnetem Öllinger, Freundin­nen und Freunde eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.

14.02


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Werte Regierungsmit­glieder! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte ist schon sehr interessant. Schaut man, wer in diesem Haus am lautesten schreit, dann muss man sagen (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Der Walch!): eigentlich diejenigen, die dieses System verursacht haben.

Ganz besonders aber freut es mich, dass einige hier herinnen schon einlenken. Anscheinend hat in einigen Köpfen doch ein gewisser Sinneswandel stattgefunden. Auf einmal ist das Papier gelesen worden. Sensation! Kollege Verzetnitsch hat sogar gesagt: genau analysiert. Lieber Fritz, ich danke dir dafür! Jetzt stellst du dich wieder auf die Seite der arbeitenden Menschen.

Der ÖGB, die SPÖ, die Grünen, alle in diesem Haus, alle, über die Parteigrenzen hinweg, haben gesagt, wir müssen eine Reform machen.

Die SPÖ hat in den letzten Jahrzehnten überhaupt nichts gemacht in Sachen Pension – nur Privilegien gegründet. Es gibt sozusagen ein Drei-Klassen-Pensionssystem in Österreich. Es gibt Nicht-Privilegierte, nämlich ASVG-Versicherte, es gibt Privilegierte in hohen Beamtenposi­tionen – der kleine Gendarm, der kleine Postmeister verdient ja in Wirklichkeit auch nicht viel und erhält nur eine minimale Pension –, und als 1997 die Politikerpensionen abgeschafft wurden, hat sich die SPÖ noch ein Hintertürchen offen gelassen und gesagt: Moment! Für die damaligen Mitglieder der Regierung sowie Nationalrats- und Landtagsabgeordneten muss man schon etwas beibehalten, etwa eine fesche Entgeltfortzahlung, die Sicherung entsprechender Pensionen und vieles andere mehr.

Ihr hättet 1997 die Möglichkeit gehabt, so wie viele freiheitliche Abgeordnete vom alten ins neue System überzutreten. Wieso habt ihr denn das nicht gemacht? (Beifall bei den Freiheitlichen. –


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Abg. Mag. Wurm: Stadler, oder?) Nur predigen und dann nicht umsetzen – das, muss ich euch sagen, wird es jetzt nicht spielen!

Jetzt ist von der Koalition ein Konzept erarbeitet worden. Ich bin auch nicht ganz glücklich über gewisse Regelungen, aber ich weiß ganz genau: Wenn wir für unsere Jugendlichen, für unsere Nachkommen eine Pension sichern wollen, dann müssen wir jetzt etwas unternehmen! Grund­voraussetzung dafür ist für mich die Schaffung eines einheitlichen Pensionssystems in Öster­reich. (Ruf bei der SPÖ: Dich haben sie sauber eingekocht!)

Das kommt in nächster Zeit. Bis zum Herbst sind alle Anwesenden aufgefordert, inklusive der Sozialpartner ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Geh, Kollegin, schrei nicht so viel, das nützt nichts! Du könntest einmal deine Stimme verlieren. Sei eine Demokratin, wie wir es normaler­weise gewohnt sind, und lass mich ausreden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.) Mich stört, wenn eine Person männlichen Geschlechts dreinredet, aber noch mehr, wenn Frauen das tun. (Rufe der Empörung bei der SPÖ und den Grünen.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss euch wirklich bitten: Vergleicht den in Begutachtung entsandten Entwurf mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag! – Dieser trägt wieder freiheitliche Handschrift. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Freiheitliche Handschrift ist die Schleifspur!)

Was ist in der Öffentlichkeit verbreitet worden? – Im Zusammenhang mit der Altersteilzeit sei im Begutachtungsentwurf enthalten, dass dann, wenn diese ausläuft und das vorzeitige Pensions­antrittsalter noch nicht erreicht ist, ein Arbeitslosengeld plus 20 Prozent ausbezahlt wird. – Nein, dem ist nicht so! Bitte lesen! Es steht drinnen, dass in bestehende Verträge nicht eingegriffen wird. All jene, die den Vertrag vor dem 1. April 2003 abgeschlossen haben, können nach Aus­laufen des Vertrages ihre Pension antreten.

Nächste Situation: Die berühmte „Hackler-Regelung“ – eine ungute Bezeichnung –, die vor­zeitige Alterspension bei langen Beitragsjahren, bleibt bis 31. Dezember 2006 unverändert – mit allem Drum und Dran. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ und den Grünen: „Wahnsinn“!)

Unser Sozialminister heißt nicht umsonst Sozialminister, er hat während der ÖVP-FPÖ-Regie­rung in Österreich wirklich viel geschafft. (Abg. Reheis: Was zum Beispiel? – Abg. Öllinger: Sozialverunsicherungsminister!) Heute hat sich zwar irgendjemand das Kindergeld oder die „Abfertigung neu“ auf seine Fahnen geheftet, aber das stimmt nicht. – All das waren Vorschläge der Freiheitlichen und sind auf Grund der Durchsetzungskraft der Freiheitlichen auch tatsächlich umgesetzt worden, kann ich nur sagen. Man sollte bei der Wahrheit bleiben. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Sozialpartner und wir alle gemeinsam sind aufgefordert, bis 2006 den neuen Vorschlag der Bundesregierung aufzugreifen, um für jene Leute, die einen besonders gesundheitsgefährden­den Arbeitsplatz haben, so zum Beispiel die Bauarbeiter, jene am Fließband, die Dachdecker und viele andere mehr (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber keine Frauenberufe!) – auch für Frauen­berufsgruppen –, ein System zu schaffen, wonach sie nach wie vor mit 60 beziehungsweise 55 Jahren in Pension gehen können. Ich ersuche euch, diese Chance wahrzunehmen! Ihr versprecht es immer vor den Toren oder bei Versammlungen. Nehmt einmal das ernst, was ihr versprecht, arbeitet mit und polemisiert nicht ständig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im jetzt vorliegenden Entwurf sind viele Abfederungen enthalten. Jetzt steht die Debatte im Budgetausschuss an, und alle haben die Möglichkeit, ihre Initiativen einzubringen. Das ist natürlich schwierig, wenn man keine Vorstellungen hat, wenn man keine Ideen hat, wenn man glaubt, als Opposition immer nur kritisieren zu müssen. Das verstehe ich, aber eines muss man schon wissen: Irgendwann einmal ist es zu Ende, irgendwann einmal nimmt das die Bevölke­rung auf und sagt: Moment, das stimmt ja gar nicht, was die da erzählen!

Wissen Sie, was in letzter Zeit passiert ist? Leute haben mich angerufen und mir gesagt, sie hätten bei zuständigen Ämtern erfahren, dass sie, wenn sie 2007 in Pension gehen, mit 40 Pro-


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zent Abschlag zu rechnen haben. – Derartige Lügen zu verbreiten ist unverantwortlich! Es ist unverantwortlich, wie man in Österreich derzeit mit Gefühlen von Menschen, die in nächster Zeit in Pension gehen, umgeht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Ein Aufruf noch. – Ich bin ja selbst Betriebsratsvorsitzender, und ich kann euch nur eines sagen: Ich gehe zu meinen Kolleginnen und Kollegen auf den Baustellen und erkläre ihnen, was der­zeit passiert – und zwar ehrlich! Ich sage ihnen auch das Negative, nicht nur das Positive. Das Positive zu verbreiten ist leicht, aber man muss auch das Negative sagen. Man muss ihnen auch sagen, dass man für ihre Kinder eine Pension schaffen will, auf dass diese gesichert ist. Die Kollegen draußen verstehen das.

Was Sie aber tun, ist polemisieren! Die Abhaltung von Betriebsversammlungen, von Informa­tionsveranstaltungen sehe ich völlig ein, aber nicht das, was, wie ich gestern durch einen Anruf von der VOEST Linz erfahren habe, gestern dort beschlossen wurde: Egal wie heute die Entscheidung hier in diesem Haus ausgeht – wir werden streiken! Wir werden die Straßen sperren! Wir werden die Zufahrten zur VOEST sperren und vieles andere mehr!

Freunde, so stelle ich mir eine Politik in Österreich nicht vor! Wenn es gerechtfertigt ist, können wir über alles reden (Abg. Mag. Wurm: ... der Ministerrat ...!), aber lest zuerst einmal dieses Programm! Lest dieses Programm und überlegt genau – so wie ich gesagt habe: Lesen – den­ken – sprechen! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Helfen wir zusammen, damit die Pensionen in Österreich gesichert sind! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.10


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten, Frau Abgeordnete. – Bitte.

14.10


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Walch, was haben Sie letzte Nacht gemacht? – Jedenfalls nicht Ihr eigenes Konzept gelesen, denn – nur zur Klarstellung, weil das ja auch für die Menschen, die zu Hause vor den Fernsehgeräten sitzen, wichtig ist –: Wie schaut denn die „Hackler-Regelung“ neu und echt, wie Sie sagen, aus?

Diese „Hackler-Regelung“ lautet – und nun passen Sie gut auf! –: Auch in nächster Zeit gehen Männer mit 60, Frauen mit 55 Jahren in Pension. – „Hurra!“, schreien alle. – Was Sie ihnen nicht dazusagen, ist, um wie viel die Pension gekürzt sein wird: Bei Männern wird sie auf 65 Prozent gekürzt, und bei Frauen wird sie auf 57 Prozent gekürzt. (Rufe bei den Freiheit­lichen: Falsch! Falsch!) Das ist Ihr Pensionskürzungskonzept, das trägt Ihre Handschrift (neuer­liche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Zwischenrufe bei der ÖVP), und das werden auch Sie verantworten müssen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir haben es bereits mehrfach gesagt: Halten Sie doch inne! Halten Sie doch inne im Interesse der Menschen dieses Landes! – Sie selbst wollen im Herbst eine Pensionsreform, eine Harmo­nisierung durchführen. Ich frage Sie: Warum dann heute diese Maßnahmen? – Ich kann es Ihnen schon sagen: Weil sich – und Herr Kollege Öllinger hat es ja gezeigt – diese so genannte Pensionsreform im Budgetbegleitgesetz befindet, und wenn sie nicht eine einseitige Budget­beschaffungsmaßnahme wäre oder sein sollte, dann bräuchte sie auch nicht in diesem Budgetbegleitgesetz enthalten zu sein und dann hätten wir auch Zeit, über den Sommer – alle Fraktionen hier in diesem Haus gemeinsam mit den Sozialpartnern – eine sachliche Diskussion zu führen und das zu tun, was auch Herr Kollege Öllinger und andere Vorredner sehr deutlich gesagt haben, nämlich dafür zu sorgen, dass ab dem Jahr 2015 die so genannte Babyboom-Generation auch noch mit akzeptablen Pensionen in Pension gehen kann. Darum geht es nämlich – und nicht um diese Geldbeschaffungsaktion, die Sie hier planen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ganz besonders betroffen – und auch das ist bereits erwähnt worden – sind die Frauen. Ich kann es nicht anders sagen: Sie haben sie wieder vergessen! (Vizekanzler Mag. Haupt und


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Bundesminister Dr. Bartenstein: Was? Was?) Sie haben die Frauen eindeutig wieder vergessen, denn das, was wirklich notwendig wäre, berücksichtigen Sie weder in diesem Pen­sionskonzept noch sonst irgendwo. Was ist es denn, das es ausmacht, dass man zu einer fairen und vernünftigen Pension kommt? – Durchgängige Versicherungszeiten! Das ist zu­nächst die große Überschrift, das brauchen wir! Das heißt aber auch, dass wir den Frauen genauso wie ihren männlichen Kollegen die Chance geben müssen, dementsprechend be­schäftigt sein zu können. Und dazu braucht es Rahmenbedingungen! Wir haben hier in diesem Haus schon Hunderttausende Male über die Kinderbetreuungseinrichtungen gesprochen. Wir haben davon gesprochen, wie wichtig Arbeitsmarktmaßnahmen sind, damit Frauen dafür fit gemacht werden, auch nach der Kinderpause zurück in den Beruf zu finden. – Das alles ist für Sie aber nicht wichtig. Sie kürzen die Pensionen ganz besonders bei den Frauen, und heute präsentieren Sie sich als die großen „Retter in der Not“, indem Sie bei den Kindererziehungs­zeiten noch ein kleines Schräublein drehen. (Abg. Silhavy: ... bis 2028!)

Was drehen Sie denn da an diesem Schräublein? – Das sollten wir den Frauen schon auch deutlich sagen. Sie legen nämlich fest, dass tatsächlich der Durchrechnungszeitraum gedeckelt wird, aber irgendwann! Das heißt, das, was Sie heute vorschla­gen, greift im Jahr 2020 oder danach. Und auch das, was Sie vorgeschlagen haben, nämlich die Ausdehnung der pensions­begründenden Zeiten von 18 auf 24 Beitragsmonate, Frau Staats­sekretärin Haubner – weil Sie mir sehr aufmerksam zuhören, was mich sehr freut –, gilt erst für jene Generation – so steht es in Ihren Gesetzen –, die heute das Kindergeld bezieht. Es gilt nicht für jene Frauen, die in den letzten 20 Jahren Kinder betreut haben, sondern jene Frauen, die jetzt Kinder betreuen, haben dann vielleicht Glück und können diese Kindererziehungs­zeiten lukrieren. – Das ist die Diskri­minierung und die Benachteiligung, die die Handschrift der ÖVP und der Freiheitlichen trägt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber das Ganze ist ja noch nicht genug: Thema Durchrechnungszeitraum. – Ich persönlich habe es bereits gesagt, auch hier an diesem Rednerpult, und ich wiederhole es gerne: Ich bin eine Befürworterin der lebenslangen Durchrechnung, und zwar zunächst deshalb, weil ich der Überzeugung bin, dass das gerecht ist. Es ist nämlich nicht gerecht, dass ich, wenn ich 45 Versicherungsjahre habe und davon 15 Jahre auf Basis der Höchstbeitragsgrundlage und den Rest knapp über der Geringfügigkeitsgrenze, dann bis an mein Lebensende die Höchst­pension erhalte. Das kann nicht gerecht sein. Die Frauen haben übrigens immer profitiert, wenn wir die Durchrechnungszeiträume verlängert haben, denn was ist dabei gleichzeitig immer auch geschehen? – Die Aufwertungsfaktoren wurden berücksichtigt! Wir können rechnerisch bewei­sen, dass Frauen, auch wenn es durchaus zu einer Lebensdurchrechnung kommt, dabei aber gleichzeitig eine faire Aufwertung jener Zeiten erfolgt, die lange zurückliegen – und in denen die Frauen in der Regel ihr gutes Einkommen hatten –, eine bessere Pension hätten, als sie sie jetzt haben – und vor allen Dingen auch eine bei weitem bessere Pension als jene, die sie nach Ihrem Konzept erhalten sollen.

Das wären unsere Vorschläge, aber das interessiert Sie nicht sehr. (Abg. Donabauer: Warum haben Sie das nicht gemacht?) – Das kann ich Ihnen gerne sagen. Ich werde gerne darauf eingehen. – Sie haben die sukzessiven Maßnahmen, die darauf ausgerichtet waren, dass Frauen durchgängige Versicherungszeiten haben, jäh unterbrochen, ganz abrupt unterbrochen. Können Sie sich erinnern, wann zum letzten Mal die Kindererziehungszeiten aufgewertet wurden? Könne Sie sich noch daran erinnern? – Es liegt lange zurück, ich gebe es ja zu. Das war im Jahr 1998! Da ist das letzte Mal unter Lore Hostasch aufgewertet worden. (Abg. Dona­bauer: Und vorher? Und vorher?) – Sie aber haben seither den Frauen immer nur die Karotte hingehalten, und immer, wenn sie danach gegriffen haben, haben Sie sie ihnen wieder wegge­zogen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Donabauer.)

Ich möchte noch etwas besonders hervorheben, nämlich das Thema Solidarabgabe. – Wie können Sie sich allen Ernstes in solch einer Debatte hier herstellen und beim Thema Solidar­abgabe die Augen zumachen und die Ohren zuhalten? – 7 Prozent aller Pensionistinnen und Pensionisten in Österreich haben eine höhere Pension als die höchste ASVG-Pension. Das heißt, sie haben mehr als 2 360 € im Monat. 7 Prozent, so könnte man sagen, ist ja nicht viel, das ist ignorierbar. Nur: Diese 7 Prozent beziehen 22 Prozent des gesamten Pensions­volu-


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mens! Aus diesem Grund, so glaube ich, ist es auch gerechtfertigt, von diesen Pensio­nistinnen und Pensionisten eine spezielle Abgabe einzufordern, nämlich die Solidarabgabe, um uns fit zu machen für jene Jahre, von denen ich auch zu Beginn gesprochen habe, in denen nämlich die Babyboom-Generation in Pension geht.

Das wären nachhaltige Konzepte, meine Damen und Herren! – Sie haben sich diese nicht ein­mal angehört, Sie haben uns nicht zu Diskussionen eingeladen, Sie werden das wahrscheinlich auch in den Ausschüssen nicht tun. Aber eines ist sicher: Die Bevölkerung ist nicht so dumm, wie Sie sie gerne darstellen möchten! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können noch so schöne Worte finden, sich noch so schöne Ausreden erdenken: Die Bevöl­kerung spürt das, sie merkt es – und sie wird Ihnen die Rechnung dafür präsentieren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.19


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Tancsits zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Geschäftsordnung.

14.19


Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Prammer sagte soeben: „Sie kürzen die Pensionen ganz besonders bei den Frauen.“ – Das ist nicht richtig!

Richtig ist hingegen, dass alle eventuell im Vergleich kürzenden Maßnahmen, insbesondere aber auch deren Begrenzung durch die Deckelung, für Männer und Frauen gleichermaßen gelten, aber dass durch die Höherbewertung und Pensionsbegründung von Kindererziehungs­zeiten sowie durch die Abrechnung von Kindererziehungszeiten aus dem Durchrechnungszeit­raum gerade Frauenpensionen gegenüber anderen in Zukunft bevorzugt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: ... ein Beispiel! – Abg. Krainer: Ein Beispiel, bitte! Ein Bei­spiel, bitte! Das war ziemlich verschossenes Pulver!)

14.20


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. Ihre Redezeit ist vereinbarungsgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

14.20


Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fakten sind klar: Niemand bestreitet die Notwendigkeit dieser Pensionsreform, denn, meine Damen und Herren (Ruf bei der SPÖ: Die Dosierung ist falsch!), viel zu lange hat man mit der notwendigen Anpassung gewartet, hat Reformen verschoben und hat, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, mit Lügenbriefen an die Pensionisten den Menschen etwas vorgemacht! (Ruf bei der SPÖ: Wer? – Abg. Krainer: Schüssel!)

Jetzt wundern Sie sich, dass die Menschen überrascht sind vom Umfang und von der Tiefe der Einschnitte, die notwendig sind. Sie haben nicht einmal das Verantwortungsbewusstsein, wenigstens jetzt, angesichts der Notwendigkeit dieser Maßnahmen, diese mit uns mitzutragen. Nein, Herr Kollege Gusenbauer (Abg. Dr. Gusenbauer erhebt sich von seinem Platz und begibt sich zu Abg. Nürnberger) – auch wenn Sie jetzt den Saal verlassen; nein, Sie bleiben ja, wie ich sehe, doch da! –, Sie machen dort weiter, wo Ihre Vorgänger aufgehört haben. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann darf ich Ihnen vorlesen, was Kollege Zankl Ihnen in der heutigen Aus­gabe der „Kleinen Zeitung“ ausrichtet, indem er schreibt:

„Was Alfred Gusenbauer ... präsentierte, war kein Jahrtausendentwurf, sondern eine Propa­gandabroschüre für Mai-Kundgebungen.“ (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und weiters: „Das Papier ... ist nicht viel mehr als eine Sammlung von Überschriften. ... Statt eine differenzierte Alternative zu bieten, setzt Gusenbauer auf eine totale Ablehnung: ...“


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Zum Drüberstreuen noch ein Zitat von Rainer Nowak, der heute schon einmal zitiert wurde, aus der „Presse“:

„Was Gusenbauer nun vorlegte, ist ein Schlag ins Gesicht der Jungen – und aller, die nur ein bisschen rechnen können.“ (Beifall bei der ÖVP.)

Und was macht der ÖGB, Herr Verzetnitsch, Herr Nürnberger? – Sie missbrauchen Ihre schärfste Waffe (Abg. Verzetnitsch: Das, was wir mit der Wirtschaftskammer ausgemacht haben!), das Streikrecht! – Das haben Sie nicht mit der Wirtschaftskammer ausgemacht. Erzählen Sie keinen Schmarren! (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) – Sie missbrauchen dieses Streikrecht für die Durchsetzung politischer – nicht betrieblicher, nicht tariflicher, sondern politischer Anliegen. Und ich sage Ihnen: Hier in diesem Hohen Haus, meine Herren, ist der Platz für politische Auseinandersetzung – und nicht in unseren Betrieben und auch nicht auf der Straße! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Verständnis für jene, die sich Sorgen machen, ob denn der Arbeitsmarkt jenes zusätzliche Arbeitskräftepotential, das aus der An­hebung des Pensionsantrittsalters resultiert, aufnehmen kann, vor allem in der derzeitigen Kon­junktursituation.

Aber ich kann die diesbezüglich Besorgten beruhigen und ihnen versichern: Es wurde darauf Bedacht genommen. Wir heben das Pensionsantrittsalter schrittweise, in einem Zeitraum von zehn Jahren erst an, und wir beginnen erst am 1. Juli nächsten Jahres damit. (Abg. Dr. Gla­wischnig: „Erst“?) Und außerdem – und das wird gerne negiert – bescheinigt uns das Wifo beziehungsweise es sagt uns voraus, dass uns bereits im Jahre 2008 auf dem Arbeitsmarkt etwa 165 000 Arbeitskräfte fehlen werden! (Abg. Öllinger: Das wissen Sie jetzt?) Das heißt, diese Maßnahme auf der einen Seite und diese Situation auf der anderen Seite wirken zur selben Zeit in dieselbe Richtung: Die eine wird durch die andere kompensiert. Es entsteht durch diese Maßnahme also nicht nur kein Problem, sondern per saldo bleibt immer noch ein zusätzlicher Arbeitskräftebedarf bestehen.

Überdies unterstützen wir die Beschäftigung Älterer auch noch durch eine signifikante Entlas­tung der Lohnnebenkosten, gerade bei den älteren Menschen.

Meine Damen und Herren! Viele meiner Freunde in der Wirtschaft machen sich auch Sorgen über die Folgen für ihre Mitarbeiter bei der Altersteilzeit. Ich kann auch diese beruhigen: Die Altersteilzeit wird verlängert, und wer schon einen solchen Vertrag hat, kann zum geplanten Zeitpunkt in Pension gehen. (Abg. Öllinger: Aber nicht mehr, wenn er in der Blockzeit drinnen war!)

Meine Damen und Herren! Ich gehöre selbst zu jener Gruppe, die eine längst fällige Harmoni­sierung aller Pensionssysteme haben will. Das ist die größte Herausforderung für uns alle in den nächsten Monaten. Aber nicht das Verschleppen von Reformen ist angesagt, und daher richte ich auch den Appell an alle, nicht aus der heute hier zur Diskussion stehenden Reform politisches Kleingeld zu schlagen, sondern an der zweiten Etappe auch wirklich konstruktiv mitzuwirken. (Abg. Dr. Fischer: ... „Schluss der Debatte!“ Das habt ihr schon einmal gemacht!)

Daher mein Appell vor allem an die sozialdemokratischen Gewerkschafter: Akzeptieren Sie bitte das, was Bernd Marin uns attestiert hat: dass in dem vorliegenden Entwurf substantielle Ver­änderungen und Verbesserungen gemacht worden sind. Verlassen Sie die Straße, kehren Sie zurück an den Verhandlungstisch, lassen Sie unsere Betriebe in Ruhe arbeiten und beschädi­gen Sie nicht und gefährden Sie nicht dort Arbeitsplätze! Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Gewerkschaften, so, wie Sie dies auch damals bei der „Abfertigung neu“ gezeigt haben. Sie können es! Nehmen Sie Ihre Verantwortung auch jetzt bei der Harmonisierung der Pensionssysteme wahr und wirken Sie daran mit! (Abg. Dr. Fischer: ...! Zum Verzetnitsch haben Sie gesagt, das ist ein Schmarr’n, und da reden Sie so ...!)

Zum Abschluss, meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den Grünen: Herr Professor Van der Bellen, ich bin einigermaßen enttäuscht. Sie verquicken hier das Thema Abfangjäger


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mit dem Thema Pensionsreform. (Abg. Mandak: Das ist unangenehm!) Man mag nicht dersel­ben Meinung sein, was die Wahrung der Lufthoheit, was die Verteidigung der Neutralität, was die Erfüllung des Verfassungsauftrages betrifft. Aber es ist intellektuell einigermaßen unter­fordernd, wenn Sie dann hergehen und 2 Milliarden € angebliche Einsparung aus der Pensions­reform – was natürlich nie und nimmer stimmt (Abg. Dr. Glawischnig: Es ist Oberösterreich, das das ausgerechnet hat!) –, wenn Sie die jährliche Einsparung aus der Pensionsreform gleichsetzen mit einer einmaligen Investition, die hier stattfinden soll. (Abg. Öllinger: Ihr Landeshauptmann hat das ausrechnen lassen!)

Ich bin eigentlich froh, Herr Kollege Van der Bellen, dass Sie nicht mehr Lehrer beziehungs­weise Professor am BWZ sind, denn sonst müsste ich mir ehrlich gesagt langsam überlegen, meine Tochter von dort herauszunehmen, weil mir mein Geld zu schade dafür wäre, sie dort aus­bilden zu lassen, denn ich befürchte, sie würde dort in Betriebswirtschaft sehr, sehr wenig lernen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Das ist beschämend! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

14.27


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Ihre Redezeit, Frau Abgeordnete, beträgt 10 Minuten. – Bitte.

14.27


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Kollege Kopf, ich kann voll und ganz verstehen, dass es Ihnen höchst unangenehm ist, dass wir heute die Frage der Abfang­jägerbeschaffung und die 2 Milliarden €, die das mindestens kosten wird, hier in die Diskussion einbringen. Ich verstehe, dass Ihnen das sehr, sehr unangenehm ist. Aber glauben Sie mir: Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht darauf, das zu wissen! – Sie haben das heute im Ministerrat beschlossen, und das bedeutet die Fixierung der größten militärischen Beschaf­fungsaktion in der Zweiten Republik.

Parallel dazu beschließen Sie einen der radikalsten Einschnitte in das Pensionssystem, ohne auch nur irgendwie rot zu werden, ohne mit der Wimper zu zucken, und verkaufen das alles auch noch unter dem Titel „Pensionssicherungsreform“! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Richtig! Richtig!)

Not macht erfinderisch, sehr erfinderisch. Worin die blau-schwarze Bundesregierung schon in der letzten Legislaturperiode sehr erfinderisch war, war, Sachverhalte mit Begriffen völlig ver­dreht darzustellen. Ich erinnere etwa an den „Integrationsvertrag“, der mit Integration und mit einem Vertrag gar nichts zu tun hatte, sondern mit einer Zwangsabschiebung bei fehlenden Deutschkenntnissen. Ich erinnere auch an die Aussage der Regierung, sie würde bei sich selbst sparen. Herausgekommen ist eine Steuererhöhung. Und jetzt spricht man von der so genann­ten Pensionssicherungsreform, womit ein großes Trugbild aufgebaut wird.

Das ist gegenüber der Bevölkerung extrem unfair. Sie argumentieren in ein Bewusstsein hinein, das vorhanden ist – viele Leute sagen, es müsse etwas geschehen –, aber Sie nennen den Menschen nicht die wahren Zahlen. Mit dem Totschlagargument der Bevölkerungsentwick­lung begründen Sie einen der radikalsten Einschnitte, angesichts dessen selbst der so ge­nannte Rechnungshofpräsident (Abg. Mag. Molterer: „So genannte“?), der sicher jemand ist, der immer nach Effizienz und Wirtschaftlichkeit strebt (Abg. Mag. Molterer: Nicht „so ge­nannte“!), einer der „Obersparmeister der Republik“, gesagt hat: Nicht notwendig! Härten, die vermeidbar sind!

Das verkaufen Sie unter dem Trugbild „Pensionssicherung“. Das ist sehr, sehr unfair gegenüber der Bevölkerung! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

Die Bevölkerung ist reformbereit. Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist es aber noch nicht gelungen, ein entkräftendes Argument zu dem vorzubringen, was heute schon Thema war, nämlich dass die Bundeszuschüsse zum Pensionssystem tatsächlich sinken und dass viele der Grausamkeiten, die im vorliegenden Entwurf verpackt sind, überhaupt nicht


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notwendig sind und immer noch die große Frage im Raum steht: Warum müssen wir jetzt jährlich 2 Milliarden € einsparen? (Abg. Mag. Molterer: Ich habe mir gedacht, die Grünen denken an die Jugend! – Offensichtlich gar nicht!)

Wozu ist das tatsächlich notwendig? – Damit Sie dann am Ende der Legislaturperiode eine Steuerreform machen können, die Sie als Geschenk an Ihre Klientel für die bevorstehenden Wahlen verteilen? Ist das der tatsächliche Grund? – Sie haben zu diesem Argument heute noch nichts gesagt. Ich möchte einmal ernsthaft wissen: Wozu sind diese Brutalitäten jetzt in dieser Form notwendig, wenn der Bundeszuschuss nachweislich sinkt? (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

Viele Menschen lassen sich jetzt aber nicht mehr Sand in die Augen streuen, und ich habe volles Verständnis für die Menschen, die nicht im Parlament sitzen, die keine anderen Möglich­keiten haben, sich in irgendeiner Form zu artikulieren, als jetzt Protest zum Ausdruck zu brin­gen. Ich finde das völlig in Ordnung, und ich unterstütze auch diese Maßnahmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Klubobmann Molterer! Sie haben heute sehr viel von Verantwortung gesprochen – von Verantwortung, die Sie den Menschen abverlangen (Abg. Mag. Molterer: Die wir wahrneh­men!), Verantwortung gegenüber den künftigen Pensionsbeziehern. – Ich fordere einmal Ihre Verantwortung ein: erstens die Verantwortung, ganz präzise die konkreten Zahlen auf den Tisch zu legen – und nicht immer nur so global mit Verantwortung zu argumentieren – und dann den sanftesten Weg zu wählen, durch den wir das Pensionssystem tatsächlich mittelfristig sichern können.

Ich fordere von Ihnen die Verantwortung, nicht nur Budgetentlastung als Ziel zu verfolgen, son­dern auch bestehende Ungerechtigkeiten einmal anzugehen. Die Frauenfrage ist heute schon sehr oft angesprochen worden. Warum ist das kein Ziel einer Pensionsreform? Warum sind die bestehenden Ungleichheiten für Sie so selbstverständlich? Die setzen wir halt einfach fort, das Schlimmste ist jetzt ohnedies weg, sagen Sie heute. Warum ist es kein Ziel, diese Unge­rechtigkeiten abzubauen? (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist ein hilfloser Versuch, etwas zu beschönigen, was nicht zu beschönigen ist. Es tut mir wirklich Leid. Ich wünsche Ihnen, dass Sie im nächsten Leben als Krankenschwester wieder geboren werden, mit Geburtsjahr 1948, und dann versuchen, 45 Beitragsjahre zusammenzubringen. Viel Vergnü­gen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich fordere Verantwortung auch, was die berühmten Politikerpensionen betrifft. Auch hier gibt es keine präzisen, konkreten Vorschläge. Das erschöpft sich in Bekenntnissen wie: Ja, da muss etwas getan werden. – Was mich so wundert: Wenn Sie den Menschen in Österreich die zweite und die dritte Säule so sehr anpreisen – das ist ja alles so „ursuper“! –, dann frage ich mich, warum Sie so lange brauchen, um die so genannten Altpolitiker in das neue System über­zuführen, in dem sie mit der zweiten und dritten Säule doch eigentlich eine sehr gute Ausgangs­basis für die Zukunft hätten. Das ist doch Ihrer Meinung nach ein wunderbares System! Also warum diesbezüglich nicht schon heute ein konkretes Modell vorlegen? (Beifall bei den Grünen.) – Ich habe den Eindruck, das hätten Sie überhaupt vergessen, hätte es nicht massive Intervention von Seiten der Oppositionsparteien gegeben.

Jetzt noch zu zwei Gruppen, die besonders betroffen sind. Die Frauen waren heute schon ein Thema, aber ich möchte endlich einmal dieses Märchen, dass das den Jungen etwas nützt, ein bisschen entkräften. Was hier, mit all den Schritten, die sonst noch geplant sind, an kumulierten Maßnahmen vorgelegt wird! – Ich nenne hier nur die Abbaumaßnahmen im öffentlichen Dienst – 35 000 Beamte werden abgebaut! (Abg. Scheibner: Aber durch Nichtnachbeset­zung!) – oder auch die Frage der Abschaffung der Frühpension im Zusammenhang mit dem fehlenden Arbeitsplatzangebot. Wen trifft denn das? Sie sagen jetzt: Die älteren Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer werden wir schützen, wir werden für sie die Lohnnebenkosten sen­ken. – Aber glauben Sie nicht, dass das einen gewissen Verdrängungswettbewerb hervorruft? Glauben Sie nicht, dass, wenn man bei der Wurst vorne etwas wegschneidet, hinten etwas


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fehlt, dass das irgendjemanden treffen wird? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis.) Wer, glauben Sie, ist das?

Und bei den Frauen ist das ein sehr, sehr trauriges Kapitel. Die letzten vier Jahre waren verlo­rene Jahre. (Abg. Steibl: Aber geh!) Es ist eine peinliche Situation, dass wir im EU-Vergleich auf den letzten Platz zurückgerutscht sind, was die Schere zwischen Männer- und Frauenein­kommen betrifft. Das ist das Ergebnis der blau-schwarzen Frauenpolitik der letzten Jahre! Ich finde es hochnotpeinlich, dass niemand von der Regierungsbank aufsteht und sagt: Unser wichtigstes Ziel bei der Pensionsreform ist, diese Ungleichheiten endlich einmal in Angriff zu nehmen! – Da wird irgendwie hantiert mit einer Erhöhung der Kinderbetreuungszeiten von 18 auf 24 Monate, und dann wiederum nur für die Kindergeldbezieherinnen – Generationen von Frauen, die vorher Kinder erzogen haben, vielleicht auch Männer, schauen dabei durch die Finger. Ich frage mich, wo Ihr Gerechtigkeitssinn ist. Den haben Sie, den haben vor allem die Freiheitlichen auf dem Weg in die Regierung verloren, restlos verloren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Langsam, langsam, langsam! Seien Sie nicht so böse heute!)

Ich bin heute sehr böse, weil mich das tatsächlich sehr ärgert. Und Ihnen wünsche ich ein anderes Frauenschicksal, dass Sie als Frau wieder geboren werden (Heiterkeit), aber im letzten Jahrhundert, nicht in diesem, nämlich in den sechziger Jahren. (Abg. Scheibner: Ich wünsche Ihnen ein Männerschicksal, denn das wäre auf jeden Fall ein Verlust!)

Das Schlimme an dieser Reform ist ja auch, dass sie so überfallsartig geschieht, dass es Ihnen völlig egal ist, ob das verfassungswidrig ist, ob das gegen irgendeine EU-Richtlinie, zum Bei­spiel die Gleichbehandlungsrichtlinie, verstößt. Sie haben selbst per Verfassungsgesetz mitbe­schlossen, dass die Männer- und Frauenpensionen im Jahr 2020 in Bezug auf das Pensionsan­trittsalter gleichgestellt werden. Sie haben verfassungsrechtlich abgesichert, dass es keine Abschaffung der Frühpensionen der Frauen gibt. Unser liebster Verfassungsrechtler, Herr Pro­fessor Mayer, hat gesagt, ohne Verfassungsgesetz können Sie das für Frauen nicht abschaffen.

Sie setzen sich darüber einfach hinweg! Sie werden das, wie ich befürchte, am 4. Juni einfach einfachgesetzlich beschließen und setzen sich damit über Verfassungsrecht hinweg! Sie setzen sich über EU-Recht hinweg, das verbietet, indirekte Diskriminierungen für Frauen weiter zu ver­vielfältigen, was Sie pausenlos tun. Das ist Ihnen alles Wurscht – und deswegen bin ich heute so böse, Herr Scheibner, ganz einfach! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Eine Ungleichbehandlung ist das!)

Ich habe mir noch nicht alle Verbesserungen angesehen, die Sie heute beschlossen haben, aber eine davon ist ein echter Witz, muss ich sagen – Herr Bundesminister Bartenstein hat sie uns beim Eingang schon dargelegt –, nämlich dass die Anrechnung bei der Bemessung der Kindererziehungszeiten in Etappen erfolgen soll. Eine Verbesserung wird in Etappen gemacht, und die Gesamtetappe umfasst sage und schreibe 25 Jahre! – Das ist wirklich ein Witz. Wie können Sie das den Frauen zumuten? Warum können Sie eine Verbesserung nicht sofort, gleichzeitig mit den Einschnitten in Kraft treten lassen? Nein, das geht bis zum Jahr 2028! – Ich bin fassungslos, wirklich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Wie die Durchrechnung!) Das soll eine Verbesserung sein? – Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, es tut mir wirklich Leid.

Unsere Vorschläge: Wir haben immer schon gesagt, es ist sehr wichtig, einmal einen Grund­stein zu legen in Form einer Grundsicherung, einer Grundsicherung im Alter. Hier haben wir die größten Probleme, gerade bei den Frauenpensionen. Ich verstehe nicht, warum das auf so wenig Widerhall bei Parteien stößt, die sich als christlich-sozial bezeichnen, die sich als Partei des „kleinen Mannes“, der „kleinen Frau“ bezeichnen, warum diese Dinge nicht in Angriff genommen werden können.

Wir werden uns weiter darum bemühen, aber ich hoffe, Sie kommen in den nächsten drei, vier Wochen noch ein bisschen zur Einsicht – dies ist vor allem an die Freiheitlichen gerichtet – und


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beschließen dieses entsetzliche Ding an Grausamkeiten nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus hat sich der Herr Bun­deskanzler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

14.37


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich danke meinem Kollegen Karlheinz Kopf sehr dafür, dass er mir zu Lasten seiner Redezeit die Möglichkeit gegeben hat, kurz vor allem auf die Ausführungen von Seiten der grünen Fraktion zu replizieren, die heute ein Miss­trauensvotum gegen mich eingebracht und einige Begründungen vorgelegt hat, auf die ich gerne eingehen möchte.

Sie haben in diesen beiden Entschließungsanträgen das Misstrauensvotum gegen mich – und wahrscheinlich stellvertretend für mich gegen die Regierungspolitik – damit begründet, dass sich unsere Maßnahmen, unsere Pensionssicherungsreform im Wesentlichen auf den ASVG-Bereich beschränken.

Verehrte Abgeordnete der grünen Fraktion! Das ist einfach nicht richtig. Wir haben Ihnen ein Gesamtkonzept vorgelegt, durch das sowohl ASVG als auch Bauernpensionen, Gewerbepen­sionen und Beamtenpensionen eins zu eins betroffen sind.

Der zweite Grund, warum Sie Misstrauen gegen mich empfinden und darüber auch abstim­men wollen, ist, dass wir eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen Pensionssysteme in Öster­reich nicht einmal andeuten und zum Beispiel andere Versicherte, etwa Politiker und Politi­kerin­nen, kaum mit Veränderungen zu rechnen haben.

Ihr Misstrauen ist absolut unbegründet: Wir haben heute im Ministerrat – wir werden es gerne für Sie vervielfältigen – die Eckpunkte eines Gesamtkonzeptes für die Harmonisierung der 30 oder 35 verschiedenen Pensionssysteme in Österreich vorgelegt, wollen das – hoffentlich – mit den Sozialpartnern und Ländern im Herbst ausarbeiten, und die vier Klubobmänner sind jetzt schon in Verhandlungen für substantielle Änderungen bei den Politikerbezügen.

Frau Abgeordnete Glawischnig! Es ist absolut unfair und ich hätte es von Ihnen auch nicht erwartet, dass Sie hier behaupten, es seien hier keine konkreten Zahlen zur Politikerbezugs­regelung genannt worden. Sie wissen genau, dass wir von der Regierung im Interesse einer gemeinsamen Regelung heute darauf verzichtet haben, Ihnen hier quasi die Dinge vorzugeben. Aber Sie wissen ganz genau, dass sowohl bei der Dauer als auch bei der Höhe der Bezugs­fortzahlung, als auch beim Solidaritätsopfer und beim vollen Nachvollzug gerade diese Regie­rungsfraktionen mit Ihnen vollinhaltlich Hand in Hand gehen wollen. Verbreiten Sie hier nicht Unwahrheiten! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Wittauer.)

Sie behaupten, Sie empfinden mir gegenüber deswegen Misstrauen, weil wir Rechtsunsicher­heit schaffen. – Das Gegenteil ist wahr: Gerade deshalb, weil wir lange Übergänge vorsehen – 25 Jahre bei der Durchrechnung, zehn Jahre beim Auslaufen der Frühpension, drei Jahre bei den Steigerungsbeträgen –, haben wir Rechtssicherheit geschaffen, und ich glaube, das ist fair und gerecht – genauso wie bei der Altersteilzeit.

Sie behaupten, es sei hier eine nachhaltige Verschlechterung für Frauen vorgesehen. – Das ist einfach nicht richtig. (Abg. Öllinger: Doch!) Dadurch, dass wir 24 Monate als pensionsbegrün­dend vorsehen – im Unterschied zu früher, da gab es das überhaupt nicht – und pro Kind drei Jahre bei der Durchrechnung abziehen, ist eine absolut gerechtfertigte Bevorzugung der Frauen gegeben; und das ist für uns selbstverständlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie behaupten, Sie müssen mir misstrauen, weil wir den internationalen Verpflichtungen Öster­reichs zur Reduktion der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern widersprechen. – Frau Abgeordnete und Herr Professor! Ich muss Sie schon korrigieren: In der EU gibt es die klare Richtlinie, dass das Pensionsantrittsalter für Frauen und Männer nach Übergangsfristen gleich


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sein soll. Wir sind jenes Land innerhalb der Europäischen Union, das als letztes die Gleichzie­hung des Pensionsantrittsalters für Männer und Frauen vorsehen wird, und zwar im Jahr 2028. (Abg. Mag. Lunacek: Die Einkommensschere ...!) Behaupten Sie daher nicht, dass wir mit dieser Maßnahme, die an der Ungleichbehandlung, an der positiven Diskriminierung sozu­sagen, der Bevorzugung der Frauen überhaupt nichts ändert, internationales Recht verletzen. In diesem Punkt ist Ihr Misstrauen absolut nicht gerechtfertigt, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP.)

Da Sie Ihr Misstrauen damit begründen (Rufe bei den Grünen: Redezeit!), dass künftige Generationen mit Einkommenseinbußen von 40 und mehr Prozent belastet sind (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), Frau Abgeordnete, möchte ich Ihnen ausdrück­lich sagen: Das ist nicht wahr! Durch die Deckelungen, die wir einführen, werden abnehmend 15 Prozent „Deckel“ eingeführt bei den Abschlägen (Rufe bei der SPÖ: Redezeit!) und ein maximaler „Deckel“ von 10 Prozent. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Bundeskanzler, ich bitte, die Redezeit zu beachten!


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel (fortsetzend): Letzter Satz: Sie behaupten, dass der Bundesbeitrag sinken wird. – Die Wahrheit ist: Das stimmt nicht. Im Jahr 2000 waren es 10 Mil­liarden € (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), im Jahr 2006 werden es 12 Milliarden €, im Jahr 2012 18 Milliarden €, im Jahr 2022 24 Milliarden € sein. Ihr Misstrauen ist daher absolut nicht gerechtfertigt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit der Wieder­gabe der zu berichtigenden Behauptung.

14.43


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundeskanzler! Es ist mir in der kurzen Zeit leider nicht möglich, all Ihre Behauptungen tatsächlich zu berichtigen. Ich beginne am Anfang, damit, was Sie in Ihrer Einführungsrede gesagt haben.

Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, Personen mit langer Versicherungsdauer unter beson­ders belastenden Arbeitsbedingungen erhalten die Möglichkeit einer neuen vorzeitigen Alters­pension, die ins Dauerrecht übernommen wird. – Das ist unrichtig!

Herr Bundeskanzler! Diese Regelung wird nicht ins Dauerrecht übernommen, sondern gilt, wie der Entwurf und die Erläuterungen auch eindeutig besagen, bis zum Jahr 2019. Sie kann wegen des Bundesverfassungsgesetzes über das unterschiedliche Pensionsalter gar nicht ins Dauer­recht übernommen werden. Es ist Übergangsrecht, das Sie hier neu schaffen.

Sie haben weiters in Ihrer jetzigen Rede behauptet, dass es eine Harmonisierung bei den Politi­kerpensionen geben soll. – Das ist unrichtig.

Herr Bundeskanzler! Die Steigerungsbeträge, die Sie bei den Politikerpensionen vorsehen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Politikerpensionen auf Grund eines völlig anderen Rechtsanspruches zuerkannt werden und Steigerungsbeträge von 6 Prozent bei den Abgeord­netenpensionen beziehungsweise 12,5 Prozent pro Jahr enthalten. Daher kann es keine Harmonisierung bei den Politikerpensionen geben, die gerechtfertigt wäre. Nur durch die Ab­schaffung der Politikerpensionen wäre diese Gerechtigkeit herstellbar.

Herr Bundeskanzler! Sie haben weiters behauptet, dass es durch die Neuregelung zu einer Bevorzugung der Frauen bei den Kindererziehungszeiten käme. – Das ist unrichtig.

Herr Bundeskanzler! Es gibt nach wie vor eine Benachteiligung der Frauen bei den Kinder­erziehungszeiten gegenüber den Ersatzzeiten im Präsenzdienst. Ersatzzeiten im Präsenzdienst werden mit dem Durchschnittsgehalt angerechnet, Kindererziehungszeiten werden nur mit der


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150-prozentigen Ausgleichszulage angerechnet – auch in Zukunft nach Ihrem Vorschlag –, und das ist eine Benachteiligung der Frauen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.45


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten, Frau Abgeordnete. – Bitte.

14.45


Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Kolleginnen und Kollegen der Opposition haben immer wieder die Fragen gestellt: Worum geht es eigentlich? Wozu ist denn das überhaupt notwendig? – Ich sage Ihnen noch einmal die Ist-Situation: Im Jahr 1970 hatten wir 42,7 Jahre Erwerbstätigkeit, also Er­werbsjahre, im Jahr 2001 waren es 37 Erwerbsjahre. 1970 hatten wir 8,8 Pensionsbezugsjahre, 2001 hatten wir 20,3 Bezugsjahre; das sind mehr als zehn Pensionsbezugsjahre mehr als 1970.

Und wenn Sie sagen, das, was jetzt gemacht wird, sei Pensionsraub an den Jüngeren (Abg. Öllinger: Genau so ist es!), dann sage ich Ihnen: Dann, wenn nichts gemacht würde, wäre es Pensionsraub, denn dann würde es zu keiner Sicherung der Pensionen kommen. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Nein, Sie sollten sich auch mit Zahlen beschäftigen!)

Wenn es so wäre, wie Sie es sich vorstellen, dann sollten wir am besten überhaupt nichts verändern (Abg. Öllinger: Na geh!), alle bekämen noch einmal 100 € auf ihre Pension drauf – das wäre am allerschönsten, und das würden wir uns auch wünschen. Aber wir wissen, wir können nur das tun, was machbar und was möglich ist. (Abg. Öllinger: Lesen – denken – reden!)

Unfair ist das, was Sie vorschlagen und tun, unfair ist das, wie Sie es sich vorstellen, näm­lich nichts zu tun. Das ist Pensionsraub! – Aber sogar die SPÖ hat schon erkannt, dass es not­wendig ist, etwas zu tun.

Und was haben wir gemacht? – Unser Vizekanzler und Sozialminister hat einen Begutachtungs­entwurf auf die Reise geschickt, zu dem es viele Stellungnahmen gegeben hat. In den Verhand­lungen übers Wochenende wurden die Stellungnahmen eingearbeitet. Jene Punkte, die zu Kritik geführt haben, wurden berücksichtigt und eingearbeitet. Und das ist wohl das Wichtige: dass Punkte wie Verbesserungen für die Frauen, aber auch die Festschreibung der „Hackler-Regelung“ in den neuen Entwurf eingearbeitet wurden.

Ich weiß schon, dass Sie das nicht gerne hören und nicht gerne lesen, aber es ist eben sehr viel mit eingearbeitet worden. Und es ist jetzt sogar so gut, dass Professor Marin, der einer der größten Kritiker war, heute im „Mittagsjournal“ gesagt hat, er sei „überrascht“ – ich zitiere ihn – „über das Ausmaß der Abmilderungen“ und hätte das nicht erwartet. (Abg. Öllinger: Ich bin auch überrascht, aber über den Marin!) – Auch Sie sind überrascht. (Abg. Öllinger: Über den Marin!) Sie sehen, es ist hier möglich, sehr wohl etwas zu erreichen.

Professor Marin sagt weiter, er hätte es nicht erwartet, denn wenn man nachrechnet, kommt man auf über 30 Prozent an Einsparungen, die plötzlich nicht mehr in der geplanten Form statt­finden sollen. – Das ist sensationell. (Abg. Öllinger: Das glaubt doch Ihre eigene Fraktion nicht! Ihre eigene Fraktion glaubt das nicht!) Es ist gut, dass es die Möglichkeit gegeben hat, Verbes­serungen in den Entwurf einzuarbeiten. Ich denke, auch Sie müssen anerkennen, dass das gemacht wurde. Ich weiß schon, es kann nie genug sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber jeder Tag, den wir länger warten, ist einfach problematisch, denn er führt dazu, dass die zukünftigen Pensionen irgendwann einmal nicht mehr gesichert sind. (Abg. Öllinger: Dann tragen Sie Ihren Teil dazu bei!) Sie wissen selbst, dass sich das Verhältnis derer, die einzahlen, geändert hat. Drei haben früher für einen eingezahlt, in der Zukunft wird es so sein, dass ein aktiv Arbeitender für einen Pensionisten zahlen wird müssen. Ein Arbeitender soll mit seinem Beitrag für einen Pensionisten zahlen. Sagen Sie mir, wie Sie das ermöglichen wollen, wie Sie


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das garantieren wollen! – Sie lächeln, aber Sie von den Grünen haben keinerlei Vorschläge präsentiert darüber, wie Sie es sich vorstellen. (Abg. Öllinger: Aber schon vor zwei Jahren!) Nein, aber ein Misstrauensantrag, das war Ihre Idee, nur: Das ist ein bisschen zu wenig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Besser als die Grünen hat es die SPÖ gemacht, sie hat wenigstens ein Konzept angekün­digt, das nach langen Berechnungen und Überlegungen präsentiert wurde. (Abg. Dr. Glawisch­nig: Was ist denn das FPÖ-Modell?) Und jetzt werden die Streikmaßnahmen, die angekündigt werden, unterstützt. (Abg. Öllinger: Wo sind Ihre Vorstellungen?)

Ich finde es besonders infam, dass sogar Altpolitiker wie ein Charly Blecha, der von der SPÖ kommt, zu Streikdemonstrationen aufrufen. Er sagt, Österreichs Pensionisten sind demonst­rationsbereit. – Das ist wirklich infam. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Ihm ist wohl entgangen – er streut da den Pensionisten Sand in die Augen –, dass es für aktive Pensionen keinerlei Beeinträchtigungen gibt, denn diese sind gesichert. Wenn er sich als Senioren- und Pensionis­tenvertreter hinstellt und sagt: Hier muss demonstriert werden!, dann streut er den Pensionisten wirklich Sand in die Augen.

Ich habe hier eine Tafel, auf der steht, wie viel Ihr Kollege an Pensionen erhält, nämlich 12 554 € – im Gegensatz zu einer Mindestpension von 613 € –; das erhält Kollege Blecha. (Die Rednerin zeigt eine Aufstellung.) Und dieser ruft dazu auf, er erdreistet sich, dazu aufzurufen, dass es Streiks der Pensionisten geben soll – das ist wirklich infam! (Abg. Dr. Glawischnig: Sie sind ja mit ihm einer Meinung, Sie wollen ja in bestehende Pensionen nicht eingreifen! Sie unterstützen ja Herrn Blecha!)

Kollegen von der SPÖ! Sie sollten in Ihren Bereichen, beim ÖGB, harmonisieren und all die Dinge, die für den Herbst geplant sind, in Ihren eigenen Bereichen machen, bei Ihren eigenen Pfründen einmal sauber machen und sich an die ASVG-Regelungen anschließen und an die geplante Harmonisierung anpassen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Wir Freiheitlichen haben in diesen Entwurf die Verbesserungen für die Frauen eingebracht. Und man kann nicht vom Tisch wischen, dass für die Frauen in Zukunft drei Jahre pro Kind im Durchrechnungszeitraum angerechnet werden. Das ist eine Verbesserung für die Frauen (Abg. Dr. Glawischnig: Wie viel bringt das?), und das können Sie nicht einfach vom Tisch wischen und sagen: Das gibt es nicht, das ist nicht! (Abg. Öllinger: Abgerechnet, nicht „angerechnet“! – Ich müsste Sie schon wieder tatsächlich berichtigen! Aber es ist falsch, was Sie hier sagen!) Und dass die pensionsbegründenden Zeiten von 18 auf 24 Monate erhöht werden, ist auch Faktum, ist auch am Tisch und ist eine Verbesserung für die Frauen.

Sie können so viel tatsächlich berichtigen, wie Sie wollen, es wird nichts helfen, denn Sie müssen auch einmal draufkommen, dass es hier sehr wohl Verbesserungen gibt, auch wenn Sie es nicht hören wollen, nicht hören können und nicht sehen wollen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig: Wir würden sehr gerne Verbesserungen hören!)

Der nächste Punkt, der auch festgeschrieben ist, ist, dass es zur Harmonisierung der Pensio­nen kommen wird, dass es bis zum Jahr 2033 – ich weiß, es ist ein langer Zeitraum, aber der Entwurf der SPÖ sieht sogar 2034 vor! – zu einer Angleichung der Pensionen von ASVG-Ver­sicherten und Beamten kommt. Das ist schon der erste Schritt der Harmonisierung, die stufen­weise vor sich gehen wird. Es ist wichtig, im Herbst zu einer wirklichen Harmonisierung aller Bereiche zu kommen – mit Sozialversicherungen, mit anderen Bereichen wie zum Beispiel dem Gewerkschaftsbund; vielleicht gibt es ja dort auch den einen oder anderen Fall, den man in die Harmonisierung einbeziehen kann.

Natürlich müssen auch die Politikerpensionen mit einbezogen werden – da haben Sie in uns wirkliche Partner! Wir haben schon vor vier Wochen ... (Abg. Öllinger: Wo? Wer?) – Ihr Klub-


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obmann Van der Bellen hat selbst gesagt, dass Klubobmann Scheibner sehr wohl die Dinge in die Verhandlungen eingebracht hat und dass es da sogar Übereinstimmungen gibt!

Wir wollen die Anhebung – das habe ich schon vor vier Wochen seitens der Freiheitlichen präsentiert – des Politiker-Pensionsantrittsalters auf 65 Jahre. Ich denke, damit werden wohl alle einverstanden sein! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Wir wollen die Abschaffung der Doppelbezüge, sodass es eben nicht gleichzeitig Pensionen und Aktivbezüge für Politiker gibt – das trifft vielleicht den einen oder anderen hier im Haus, aber das wird ja wohl durchsetzbar sein!

Und wir wollen eine Solidarabgabe, und da erwarte ich mir auch eine Solidarabgabe – wieder für Sie, von der SPÖ (die Rednerin zeigt eine Tafel) – von Ihrem Ex-Minister Löschnak, der selbst sagt, für ihn komme eine Solidarabgabe nicht in Frage. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gla­wischnig.) – Löschnak! Das betrifft Sie nicht so, das betrifft die Kollegen von der linken Seite.

Eine Forderung nach Eingriffen in Politikerpensionen ist unerklärlich, damit verlässt man den Rechtsstaat, sagt Löschnak. – Sie jedoch fordern eine Solidarabgabe! Was will die SPÖ wirk­lich: Wollen Sie eine Solidarabgabe für alle, auch für Ihre Politiker, oder nur für einzelne andere, aber nicht für die eigene Klientel? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es ist Ihr Taferl, schauen Sie es sich an, das ist nämlich das Sittenbild der SPÖ. Wenn es darum geht, in die eigenen Bereiche einzugreifen, ist das ein Schlag ins Gesicht der „kleinen Leute“; auch 12 000 € Polit-Pension. – Das ist das Ergebnis Ihrer Gesetze.

Wir Freiheitlichen wollen der Jugend die Pensionen garantieren, wir wollen für die Pensionisten die Pensionen sichern, und wir wollen für alle soziale Härten vermeiden und eine Ausgewogen­heit herbeiführen, damit wir die Pensionen, aber auch eine sichere Zukunft für ganz Österreich garantieren können – und das werden wir. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Wir haben in der Präsi­diale die Redezeit während der Fernsehübertragungszeit bis 15 Uhr genau festgelegt. ÖVP und SPÖ haben davon am wenigsten Gebrauch gemacht, es trifft sich daher gut, dass die beiden nächsten Redner von SPÖ und ÖVP sind, und ich teile ihnen je 2 Minuten zu.

Herr Abgeordneter Nürnberger, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.

14.55


Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Walch ist jetzt nicht im Saal, aber du, Kollege Dolinschek, wirst es ihm ausrichten. Abgeordneter Walch hat gesagt: Lesen, denken, sprechen!, er hat aber einen ganz wichtigen Punkt vergessen: das Rechnen! Rechnen ist wichtig!

Und wir haben, geschätzter Herr Bundeskanzler, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit bereits gerechnet, und ich nenne Ihnen einmal erste Fakten.

Ich habe gestern bei der Betriebsversammlung bei Opel Austria drei Beispiele gebracht, Bei­spiele, die nicht konstruiert sind, die nicht künstlich sind, Beispiele von bestimmten Personen, und das haben nicht wir berechnet, sondern durch die Pensionsversicherung berechnen lassen.

Ein 52-jähriger Beschäftigter, Werner Sch., verliert 230 €, ein 40-Jähriger, Herbert Sch., 305 € und eine 33-Jährige, Manuela S., 406 €.

Das Ergebnis der Vorlage, die Sie heute präsentiert haben, ist, dass sich das um keinen einzigen Cent ändert! Die Beträge bleiben so, wie sie nach dem Entwurf waren. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Und weil so viel von Harmonisierung und Gerechtigkeit geredet wurde, sage ich Ihnen Folgen­des zu Ihren beiden Papieren, die wir heute bekommen haben, zu Ihren Unterlagen: Die Ein­sparungssummen – weil Herr Abgeordneter Scheibner gesagt hat, es sei nichts für das


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Budget – schauen so aus: Im Bereich des ASVG werden 2004/2005/2006 1,12 Milliarden € ein­gespart – und dann harmonisieren wir?

Und dazu muss man sich die Aussagen von Herrn Walch in der Sendung „Offen gesagt“ ver­gegenwärtigen. Die ASVG-Versicherten haben den höchsten Eigendeckungsgrad – 86 Prozent zahlen Sie selbst! –; eine andere Berufsgruppe, die Bauern, zahlt sich die Pensionen nur zu 28 Prozent selbst und erspart sich im Jahr 2004 1 Million € und bekommt im Jahr 2005 noch 1 Million € mehr, und im Jahr 2006 trägt sie 1 Million € dazu bei. – Das ist Harmonisierung? – Das lehnen wir ab!

Herr Bundeskanzler! Das Angebot der Sozialpartner steht. Nehmen Sie mit uns den Dialog auf! Wir sind bereit, wie wir es mit den Arbeitgebern ausgemacht haben – in der Substanz hat sich nichts verändert, Herr Abgeordneter Mitterlehner –, bis 30. September etwas Vernünftiges zu machen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Wenn nicht, tragen Sie, Herr Bundeskanzler, die Verantwortung für die Aktionen in den kommenden Wochen. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

14.57


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Ihre Redezeit beträgt ebenfalls 2 Minuten. – Bitte.

14.58


Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! (Der Beifall bei der SPÖ für den Abgeordneten Nürnberger hält noch immer an.) – Danke für den Applaus! Danke für den Applaus für diese Bundesregierung!

Die Notwendigkeit einer raschen und greifenden Pensionssicherungsreform ist nahezu unbe­stritten – außer bei den Abgeordneten der SPÖ und der Grünen, wahrscheinlich auch deshalb, weil sie selbst noch immer kein logisches Konzept haben (Abg. Öllinger: Nicht immer die gleiche Leier!) und Angst machen, denn Angst machen ist einfacher, als Lösungen anzubieten. Nein zu sagen ist zu wenig! (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Die heute im Ministerrat beschlossene Pensionssiche­rungsreform ist eine Zukunftssicherung, die fair und gerecht ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Behauptungen wie zum Beispiel jene der SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl kann ich nicht nachvollziehen. Sie sagt, Frauen würden offenbar dafür bestraft, dass sie mehr Zeit für Kinder­betreuung aufwenden. – Das ist schlichtweg falsch!

Richtig ist vielmehr: Zum ersten Mal werden 24 Monate Kindererziehungszeiten als pensionsbe­gründend anerkannt,

zweitens werden für alle Kinder, die in den letzten fünf Jahrzehnten geboren wurden, 36 Mo­nate – drei Jahre! – aus der Durchrechnung herausgenommen,

weiters wird die Bemessungsgrundlage für die Kindererziehungszeiten von heute 650 € in Schritten um 2 Prozent pro Jahr erhöht. (Abg. Öllinger: Ja, in Schritten, in Schrittchen, in kleinsten Schrittchen!)

Und da Kollegin Prammer in ihrer Rede gemeint hat, die Bevölkerung sei nicht so dumm, wie wir glauben, möchte ich darauf antworten: Die Bevölkerung weiß, insbesondere junge Mütter und Väter, was ein Generationenvertrag bedeutet, und ist dafür, dass gerecht und nachhaltig gehandelt wird, wie diese Bundesregierung nunmehr dieses Pensionssicherungssystem vorge­schlagen hat. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.59


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 56/AB


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zur kurzen Debatte über die Anfragebe­antwortung des Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 56/AB.


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Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Frau Abgeordnete Stoisits, die Debatte zu eröffnen. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.01


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren Staatssekretäre und Minister auf der Regierungsbank! Sie dürfen ruhig da bleiben – auch die Rechte von AsylwerberInnen in Öster­reich und die Frage des Umgangs mit Flüchtlingen in Österreich sind Themen, die in einem be­sonderen Blickpunkt der österreichischen Öffentlichkeit stehen: gerade und insbesondere seit es die blau-schwarze Regierung vorher und jetzt eben diese schwarz-blaue Regierung in zwei­ter Auflage gibt.

Herr Bundesminister Strasser, ich bin Ihnen sehr dankbar für den Satz in Ihrer Anfragebeant­wortung, die heute Gegenstand dieser Kurzdebatte ist, der lautet – ich zitiere –:

„Das Asylrecht ist seit jeher eine sehr komplexe Materie. Die Klärung der Frage, ob jemandem Asyl gewährt wird, erfordert die Auseinandersetzung mit dem jeweils konkreten, oft umfang­reichen Sachverhalt.“

Und weiters schreiben Sie: „Eine seriöse Beantwortung dieser Fragen ist daher leider nicht möglich.“

Ich gebe Ihnen Recht: Eine seriöse Beantwortung von Fragen, wie ich sie gestellt habe, in denen es um konkrete Akten eines Beamten des Bundesministeriums für Inneres, der in der Asylabteilung derjenige war, der entschied, ging und in denen beispielsweise die Frage aufge­worfen wurde, ob jemand, der ein Folteropfer ist und über Ungarn nach Österreich einreist, in Österreich Asyl bekommen soll oder nicht, erfordert eine ausführliche Befassung mit dieser Materie. – Das wurde aber einfach mit dem Hinweis „Sicherer Drittstaat; wird nicht geprüft“ entschieden.

Sie, Herr Minister, haben Recht, wenn Sie mir schreiben, dass eine seriöse Beantwortung solcher Fragen nicht möglich ist, zumindest nicht innerhalb von acht Wochen, weil das eben umfangreicher Recherchen bedarf. In diesem Fall: Suchen in Akten, Rückverfolgen, et cetera. Aber genau diese Fragen wurden von mir gestellt, weil ich Ihnen von diesem Beamten, nämlich Dr. Romanoski, und seinen Bescheiden Zitate präsentiert hatte, jenem Beamten, der heute der oberste Asylbeamte dieser Republik ist. Das hat, als das an die Öffentlichkeit gelangte, Herr Bundesminister – ich sage es einmal so –, jedenfalls Verwunderung bei all jenen Menschen ausgelöst, die mit Asyl- und Flüchtlingsfragen zu tun haben; ebenso aber große Empörung bei jenen, die jemals mit diesem Beamten in Kontakt gekommen sind, sei es persönlich oder auch und vor allem durch dessen Bescheide.

Darum, Herr Bundesminister Strasser, bitte ich Sie, dass Sie sich, wenn Sie sich selbst ernst nehmen wollen, damit auseinander setzen. Und Sie schreiben ja: „Das Asylrecht ist ... eine komplexe Materie.“ Diese Materie ist vielfach kompliziert, und man muss sich daher ausgiebig mit diesem Sachverhalt auseinander setzen. – Ja, bitte, Herr Minister, tun Sie das, aber verlan­gen Sie das auch von den Beamtinnen und Beamten Ihres Hauses, und machen Sie nicht das, was Sie im Dezember 2002 getan haben, nämlich genau diesen Beamten mit dieser Aufgabe zu betrauen!


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Jetzt möchte ich gar nicht auf die erhobenen Vorwürfe in Richtung dessen politischen Verhal­tens eingehen – das sage ich jetzt sozusagen ganz sanft und ohne irgendeinen Beige­schmack –, auf ein Verhalten, das ich nicht goutiere, und Sie, Herr Bundesminister, sicherlich auch nicht, sollten diese Behauptungen, die es gibt, stimmen.

Diese Vorwürfe und Behauptungen sind nicht von der Hand zu weisen – noch dazu in einem Fall, wo jemand, gegen den solche Vorwürfe erhoben werden, mit einer so hohen und überaus sensiblen Position in einem Ressort betraut wird, einer Position, bei der es immer wieder um Asylrechtsfragen geht. Da ist doch bitte auch die Tatsache, jedenfalls die Gefahr zu berücksich­tigen, dass Österreich dabei international in ein schlechtes Licht geraten könnte.

Ich sage: Da sollten Sie, Herr Minister – ich sage das in die Zukunft gerichtet –, doch agieren; in der Vergangenheit haben Sie das jedenfalls nicht getan, aber noch ist es nicht zu spät.

Herr Bundesminister, zu dieser geforderten und notwendigen Sensibilität in den Fragen der Per­sonalauswahl: In anderen Zuständigkeitsbereichen beziehungsweise Sachgebieten gibt es ja Ähnliches aus Ihrem Ressort zu berichten, wo eben die Qualifikation, die Frage sozusagen des beamtischen Vorlebens von Damen und Herren MitarbeiterInnen Ihres Ressorts, die von Ihnen in bestimmte Positionen gehievt wurden, mehr als fraglich ist. (Abg. Mag. Molterer: Was ist ein „beamtisches Vorleben“?) – Das ist der eine Punkt dieser Diskussion, dieser Besprechung Ihrer Anfragebeantwortung.

Der zweite Punkt betrifft die Frage, wie Sie sich auseinander gesetzt haben mit der Besorgnis, die ich durch diese Anfrage zum Ausdruck gebracht habe, und zwar wie Sie sich insgesamt dem Thema Asylrecht, Bundesbetreuung, Umgang mit Asylwerbern, Umgang mit Flüchtlingen und dem Procedere möglicher Verbesserungen in dieser Sache widmen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Sache entschie­den. Ich sage Ihnen: Ich bin die Justizsprecherin der Grünen; mein Glaube an den österreichi­schen Rechtsstaat ist nach wie vor ungebrochen. Und das ist es, was ich gerade als Politikerin immer und immer wieder demonstrieren möchte, ja muss, denn das Wichtigste und eine der Grundfesten des demokratischen Systems in jedem demokratischen Land ist doch der Glaube an den Rechtsstaat!

Vielfach gibt es von unabhängigen Richtern, von Gerichten Entscheidungen, die mir nicht gefal­len: weil ich sie inhaltlich für nicht richtig halte, weil ich bestimmte politische Motivationen und politisches Umfeld nicht so goutiere oder anders einschätze, aber mein Glaube an die Rechts­staatlichkeit ist dennoch ungebrochen.

Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat, wie das eben vor kurzem passiert ist, genau in dieser sensiblen Angelegenheit Bundesbetreuung und der Frage entschieden, ob sich der Staat das Recht herausnehmen darf, Not und Elend auf das gute Herz der Mitmenschen abzuwälzen, sich die Republik ihrer Verpflichtung entledigen darf, sich mittelloser Asylwerber, die ein Recht auf Unterbringung und Versorgung nach dem Bundesbetreuungsgesetz haben, anzunehmen, indem sie sagt: Gott sei Dank, Österreich ist ein Land, in dem die Menschen ein großes Herz haben; da gibt es vor allem die Caritas, die Diakonie, die „Volkshilfe“, das Integrationshaus und auch den UNHCR, der aber nicht unmittelbar eine karitative Organisation ist, was braucht sich da der Innenminister um mittellose Asylwerber zu kümmern?!

Diese Linie – das gestehe ich hier auch ein – hat aber in Wirklichkeit schon lange vor Ihrem Amtsantritt, Herr Bundesminister Strasser, begonnen. Bei diesem Verfahren, das in der Revi­sion entschieden und zurückverwiesen wurde, das jetzt neu zu führen ist, lagen doch die Fakten schon lange auf dem Tisch, und zwar schon zu einer Zeit, Herr Bundesminister Strasser, bevor Sie Innenminister wurden. Sie schließen da ja nur sozusagen an eine schlechte Tradition an. – Aber heute, Herr Dr. Strasser, sind Sie der Innenminister! Heute sind Sie der­jenige, der aufgefordert ist, auf Grund dieser Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu han­deln, einer Entscheidung, in der klipp und klar und eindeutig gesagt wird, dass sich in einer wirtschaftlichen Notlage von auf eine staatliche Leistung zur Aufrechterhaltung seiner Existenz


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Angewiesenen und insofern völlig der Fremdbestimmung seines Schicksals Unterworfenen – Zitat aus dieser Entscheidung – die Republik, der Staat, den Sie, Herr Minister, personifizieren, auch in dem, was Sie jetzt in Gang setzen können, nicht entziehen darf.

Der Oberste Gerichtshof hat in dieser seiner Entscheidung sogar eine Wortwahl getroffen, über die ich wirklich ziemlich überrascht war, und zwar positiv überrascht. Wörtlich schrieb er, der Staat dürfe nicht damit „spekulieren“, dass ihm private Organisationen die Sorge für Hilfsbe­dürftige abnehmen. – Das tun Sie jedoch ständig! So wie andere auf der Börse spekulieren, spekulieren Sie mit dem guten Herzen der Christinnen und Christen in unserem Lande, eben von Caritas, Diakonie, „Volkshilfe“ und anderer! Es handelt sich im Übrigen nicht nur um christ­lich motivierte Organisationen, die auf diesem Gebiete tätig sind. Jedenfalls spekulieren Sie damit, dass diese „das Geschäft schon übernehmen werden“. – Und das ist unredlich, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich betone: Das ist unredlich! Und, Herr Minister Strasser: Ihre persönliche Gesinnung ist Ihre Angelegenheit. – Unsere Angelegenheit ist es jedoch, hier das einzufordern, was Recht ist, nämlich dass der Rechtsstaat Rechtsstaat bleibt.

Es geht nicht an, dass Sie in einer ignoranten Art und Weise, wie Sie sie in den letzten Tagen gezeigt haben, gar nichts sagen beziehungsweise sagen: Was interessiert das Innenministe­rium ein Revisionsurteil des Obersten Gerichtshofes?! Wir bleiben bei der Bundesbetreuungs­richtlinie, die schlicht und einfach aussagt: Wenn einer aus Armenien kommt, gibt es für ihn, ganz egal, ob er hilfsbedürftig ist, ob er mittellos ist, ob er alle Kriterien des Bundesbetreuungs­gesetzes erfüllt oder nicht, keine Betreuung durch die Republik. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister, ich fordere Sie auf, dass Sie schnellstens diese Art und Weise, wie Sie Politik gestalten, verändern, korrigieren, sage ich, denn es ist ja nicht alles schlecht, was passiert. Ich würde angesichts dessen, was Sie jetzt im Zusammenhang mit dem Asylrecht vor­haben – das sagen mir die NGOs und auch die kirchlichen Organisationen, und auch ich selbst weiß es –, sagen, bei 70 Prozent davon kommt man ganz bestimmt auf einen im wahrsten Sinne des Wortes grünen Zweig, aber 30 Prozent davon bedürfen der Diskussion, die Sie aber den NGOs und den kirchlichen Organisationen verwehrt haben.

Das Parlament wird Sie zu dieser Diskussion zwingen, und wir werden als grüne Fraktion alles tun, dass das neue Asylgesetz nicht husch-pfusch hier behandelt, sondern inhaltlich diskutiert wird, dass Experten herangezogen werden und wir uns die Expertise jener, die in diesem Be­reich arbeiten, auch zu Nutze machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.11


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Strasser zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.11


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Abgeordnete Stoisits, zuerst möchte ich einmal danke sagen für – ich zitiere Sie – Ihre „sanfte“ Wortmeldung. Aber auch bei einer sanften Wortmeldung muss ich sagen: Nicht nur nicht in acht Wochen kann man so eine Anfrage beantworten, sondern man kann sie überhaupt nicht beantworten, denn es sind hier Tatsachenbehauptungen aufgestellt worden, die nicht nachvollziehbar sind. Solche Dinge sind halt leider nicht zu beantworten.

Zum Zweiten: Der in der Anfrage genannte Beamte ist ein ausgezeichneter Mitarbeiter des Bun­desministeriums für Inneres, der eine langjährige Praxis auf diesem Gebiet hat und auch über profunde Kenntnisse des Rechtsbereiches verfügt. Deshalb wurde er mir auch als ein im höchsten Ausmaß qualifizierter Bewerber für die in Rede stehende Funktion vorgeschlagen. Unter anderem auch deshalb ist er mit dieser Aufgabe betraut worden.


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Ich möchte Sie sehr klar und eindeutig bitten: Sie haben hier eine ganze Reihe von – ich weiß nicht, ich glaube, ich verwende hier Ihren Ausdruck – Merkwürdigkeiten genannt. Darf ich Sie herzlich einladen: Wenn Sie Kenntnis über irgendwelche Merkwürdigkeiten haben, dann behal­ten Sie das nicht für sich, sondern sagen Sie uns das! Wir gehen jedem Verdacht nach! Wir gehen jeder wie auch immer gearteten und vermeintlichen Ungerechtigkeit nach, natürlich auch wenn bei unseren Mitarbeitern etwas passiert sein könnte. Ich habe extra für solche Fälle ein eigenes Büro für interne Angelegenheiten eingerichtet, das jedem dieser Fälle nachgeht.

Um das eine darf ich Sie aber auch bitten: Wenn es nur um nebulose Vorhaltungen geht, dann darf ich Sie bitten, dass Sie solche nebulosen Vorhaltungen unterlassen, denn das haben sich unsere Beamten nicht verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Um auch das einmal mehr hier klarzustellen: Österreich ist und war immer ein Land, das in Not geratenen Menschen geholfen hat. Österreich ist ein Asylland für jene, die Asyl brauchen. Wir müssen aber sehr genau darauf achten, dass nicht unter dem Titel Asyl Menschen zu uns kommen, die die Verfahren blockieren und gerade für jene blockieren, die dieses Asylrecht brauchen. Daher haben wir eine breite Diskussion mit den im Parlament vertretenen Parteien, mit allen Non-profit-Organisationen, mit den Kirchen, mit allen, die Interesse haben, eingeleitet, um eine Neugestaltung, eine wesentliche Beschleunigung, eine raschere Abwicklung der Asyl­verfahren zu erreichen. Ich werde in Kürze einen entsprechenden Begutachtungsentwurf vorle­gen, mit dem wir danach trachten, dass wir mit 1. Jänner 2004 zu rascheren Verfahren für alle Beteiligten kommen werden.

Zu dem Grundsatzerkenntnis, das der OGH zu einem Fall aus 1996 gefällt hat: Es wundert mich sehr, Frau Abgeordnete, dass Sie dieses Grundsatzerkenntnis positiv überrascht, denn wenn Sie die Arbeit des Innenministeriums gerade in den letzten drei Jahren verfolgt haben, dann müssen Sie feststellen, dass der Oberste Gerichtshof nichts anderes getan hat, als seine Beschlusslage mit einem Grundsatzerkenntnis in die Richtung zu ändern, die über Initiative Österreichs jetzt in ganz Europa Gesetz wird oder bereits Gesetz wurde.

Es ist Ihnen sicher bekannt, dass mit der Richtlinie, die im Jänner 2003 auch mit meiner Stimme beschlossen worden ist, eine Grundsatzunterstützung für alle Asylwerber ab 6. Februar 2005 in ganz Europa obligatorisch ist, selbstverständlich auch in Österreich. Und es ist Ihnen sicher auch bekannt, dass wir in Österreich daran arbeiten, dass wir die Umsetzung vor dem Datum 6. Februar 2005, also früher als von der Europäischen Union angestrebt, schaffen, nach Möglichkeit bereits mit der Inkraftsetzung eines neuen Asylrechtes mit 1. Jänner 2004. Deshalb werden wir auch noch vor dem Sommer mit den 15a-Verträgen mit den Ländern in die Begut­achtung gehen, und wir hoffen, dass wir die 15a-Verträge in der zweiten Hälfte des Jahres 2003 abschließen können. Damit wird gewährleistet, dass das, was der Oberste Gerichtshof nach der Praxis und der Arbeit der Vorausplanungen des Innenministeriums im Nachhinein nachvoll­zogen hat, auch in einem Grundsatzbeschluss nachvollzogen wird.

Das ist eine substantielle Änderung der von Ihnen da und dort zu Recht angekreideten Migra­tions- und Asylpolitik der letzten 15 Jahre. Das hat sich in den letzten drei Jahren grundsätzlich verändert. Wir befinden uns hier genau in der Mitte des europäischen Entscheidungsprozesses, des europäischen Mainstreams. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Redezeit der folgenden Redner beträgt nun 5 Mi­nuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

15.18


Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Von Frau Mag. Stoisits wurde am 23. Jänner 2003 eine Anfrage betreffend Bestellung von Herrn Dr. Christian Romanoski zum Leiter der Abteilung III/5 der Rechtssektion im Innenministerium an den Herrn Innenminister gerichtet. Am 20. März 2003


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hat es eine schriftliche Anfragebeantwortung dazu gegeben. Ich habe mich heute und gerade jetzt gewundert, warum es zu einer Kurzdebatte hier im Parlament darüber kommt. Ich habe ge­hofft und erwartet, dass es stichhaltige Beweise gibt, die diese Berichte in den Zeitungen oder das, was hier in dieser Anfrage behauptet worden ist, auch untermauern. Ich habe das nicht herausgehört. Es ist das nach meinem Ermessen hier wieder einmal eine sehr populistische Aktion.

Geschätzte Damen und Herren! Herr Dr. Christian Romanoski ist seit Jahrzehnten im Innenres­sort tätig und hat seine Arbeit bisher tadellos geleistet. Bis zum 1. Jänner 1998 war er Referent der Flüchtlings- und Fremdensektion, und in dieser Zeit soll es Verfehlungen gegeben haben, die heute Anlass zu dieser Kurzdebatte sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Vorge­setzten von Dr. Romanoski und auch die SPÖ-Innenminister zugeschaut hätten, wenn es Unregelmäßigkeiten gegeben hätte. Deshalb ist es überhaupt keine Frage, dass ein Beamter, dessen Beförderung ansteht, auch befördert wird, wenn er sich in seiner Dienstleistung bewährt hat.

Geschätzte Damen und Herren! Nur ein Satz zu dieser OGH-Entscheidung: Es ist ein Erkennt­nis zu einem Einzelfall, der sich 1996 zugetragen hat, und es ist eine Rückweisung zum Erstge­richt. Mehr ist es nicht! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.21


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

15.21


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Diese Debatte gibt die Gelegenheit, ein wenig auch die Handlungsweise des Innenministe­riums, des Innenministers im Besonderen und den Umgang des Innenministers mit den Men­schen und mit dem Recht ganz allgemein kurz zu beleuchten. Da wird schon eine Linie erkenn­bar. Ich erinnere mich an den Amtsantritt des Bundesministers, wo er etwa den Rechtsschutz­beauftragten nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht zeitgerecht bestellt hat. Andererseits hat er aber in der Zeit seit seinem Amtsantritt mit hoher Geschwindigkeit versucht, parteipoli­tisch motivierte Postenbesetzungen in enormem Ausmaß durchzuführen, wobei sich wiederum herausgestellt hat, dass eine Reihe dieser Besetzungen rechtswidrig ist, und da steht durchaus die Frage des Amtsmissbrauchs im Raum.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Da hätten sich die Mitarbeiter wirklich eine andere Behandlung verdient, da hätten sie sich von Ihnen Fairness verdient. Da hätten sich jene, die Sie sozusagen politisch liquidiert haben, wirklich verdient, dass immer auf die fachliche Qualifikation – wie bei Romanoski – genau Bedacht genommen worden wäre, dass Sie das, was die Kommissionen Ihnen vorgeschlagen haben, immer berücksichtigt hätten, was Sie in vielen Fällen bei den Reformen im Bereich der Landesgendarmeriekommanden und in vielen anderen nicht getan haben.

Seit Ihrem Amtsantritt im Jahr 2000 haben Sie in vielen Bereichen diese Postenbesetzungen vor allem parteipolitisch motiviert durchgezogen, aber um die wichtigen Fragen, etwa was den Umgang mit mittellosen Flüchtlingen betrifft, haben Sie sich in Wirklichkeit, trotz einer mehr­jährigen Amtszeit, nicht gekümmert. Obwohl Sie von diesem – und das nehme ich doch wohl an – OGH-Prozess gewusst haben, obwohl Ihnen bekannt war, dass da etwas auf Sie zukom­men kann, haben Sie in keinster Weise eine entsprechende Handlung gesetzt und nicht die Chance wahrgenommen, etwa die Bundesbetreuung neu zu regeln. Sie haben die Dringlichkeit ganz eindeutig nicht erkannt.

Dieses aktuelle OGH-Erkenntnis ist aus juristischer Sicht natürlich schon interessant, und es ist nicht so, wie Kollege Kößl sagt: Das ist halt nur ein Erkenntnis zu einem Einzelfall und nur eine Zurückweisung zur ersten Instanz. So ist es nicht, denn eines ist ganz klar: Der Oberste Ge­richtshof hat klar festgestellt, dass hier eine Grundrechtsgeltung, speziell beim Gleichheits­grundsatz, zu bejahen ist. Das heißt in Wirklichkeit, dass der Staat in Zukunft jeden bedürftigen Asylwerber in die Bundesbetreuung aufzunehmen hat beziehungsweise dessen Grundversor-


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gung sicherstellen muss, wenn er sich nicht bei jedem Einzelfall dem Prozessrisiko aussetzen will und nicht in die Situation kommen will, dass er nach Jahren wieder einen Prozess verliert.

Herr Bundesminister! Es ist bezeichnend: Sie haben bis heute nicht auf diese Situation reagiert, Sie haben die Situation durch Ihren Sprecher herunterspielen lassen und gemeint: Warten wir einmal ab, was da weiter passiert! Zweifellos hat aber die Ent­scheidung des OGH zur Folge, dass es in Zukunft nicht mehr so einfach sein wird, die Auf­nahme von Flüchtlingen in die Bun­desbetreuung abzulehnen. Das heißt, die Zahl der Flücht­linge, die in die Bundesbetreuung gehen, wird zwangsläufig steigen. Daher wäre es vorsorglich gewesen, wenn man darauf reagiert und entsprechende Konzepte vorgelegt hätte, aber das haben Sie nicht getan. Das lässt tief blicken, Herr Bundesminister, und das passt zur Linie, wie Sie mit Menschen umge­hen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

15.26


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Stoisits, Sie spielen sich immer als Hüterin der Rechtsstaatlichkeit und des Parla­mentarismus auf, aber heute haben Sie mit Ihrer Forderung nach Besprechung einer Anfrage­beantwortung eigentlich ein parlamentarisches Instrumentarium gröblichst missbraucht. Sie wollten das Urteil des Obersten Gerichtshofes behandeln, Sie wollten dem Innenminister wieder einmal um die Ohren reiben: Na da siehst, was passiert!, und deshalb haben Sie diese Anfrage, mit der Sie einen Beamten des Innenministeriums wirklich verunglimpfen, benützt, um Ihren Diskussionsbeitrag daran aufzuhängen. Das, finde ich, ist eine Vorgangsweise, die wirklich nicht richtig ist. Und vor allem: Spielen Sie sich dann nicht immer als Hüterin des Parlamentaris­mus auf!

Ich gehe deshalb, weil Sie dieses Instrumentarium missbraucht haben, auf Ihre Ausführungen überhaupt nicht ein, sondern ich gehe auf Ihre Anfrage ein, die mich schon empört hat, als ich sie gelesen habe, als Sie sie eingebracht haben. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Sehr billig! Sehr billig!)

Diese Anfrage ist ein typisches Zeichen dafür, wie eine Atmosphäre des Verdachtes geschaffen wird, wie man jemanden verunglimpft, wie man jemanden missliebig macht, mit dessen Ent­scheidungen, mit dessen politischer Meinung man nicht einverstanden ist. Ich würde mich wirk­lich schämen, Frau Abgeordnete Stoisits, wenn ich eine solche Anfrage an den Innenminister richtete und mich damit vor einen Karren spannen ließe, der nur Gerüchte enthält. Das würde ich an Ihrer Stelle vehement ablehnen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Romanoski, der in dieser Anfrage erwähnt wird, hat zuletzt im Jahr 1997 einen Asylbescheid unterschrieben – 1997! Also vor mehr als fünfein­halb Jahren hat Herr Romanoski zuletzt Entscheidungen getroffen; jetzt ist er nur noch mit EU-Materien befasst. – Und jetzt kommt Frau Abgeordnete Stoisits und bringt hier gravierende Vorwürfe vor, die sich auf die Bescheide beziehen, die vor fünf Jahren erlassen worden sind, ja Frau Stoisits wirft ihm sogar Dienstverletzungen vor und fragt, ob er deswegen nicht vor ein Strafgericht gestellt worden ist. Dienstverletzungen, die natürlich hätten auffallen müssen, stellt sie jetzt zur Dis­kussion.

Worauf die Beweise beruhen, das muss man sich in dieser Anfrage einmal anschauen: auf wirklich nur nebulosen Gerüchten. Irgendein unbekannter, nicht benannter Redakteur trifft auf irgendjemanden, der wieder nicht genannt wird, der ihm sagt, dass Herr Romanoski angeblich Kontakte zu einer rechtsextremen Zeitung hätte, die in Wirklichkeit eine konservative Zeitung ist. Es gibt also überhaupt nichts Konkretes. Ich habe mir eigentlich erwartet, dass Frau Stoisits heute ihre Anschuldigungen konkretisieren wird, dass sie sagen wird, wer der Redakteur ist, der Herrn Romanoski beschuldigt, wer diese Kontaktpersonen sind. – Nein, das hat sie nicht ge­macht! Vielmehr hat sie auf dem Rücken eines Beamten, der seine Arbeit ordnungsgemäß macht, ihre politischen Anliegen dem Innenminister dargebracht. Und das ist wirklich unseriös,


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meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nur jemanden anpatzen, mit dessen politischer Meinung man nicht einverstanden ist, das ist wirklich nicht zu akzeptieren. – Über die Entscheidungen möchte ich überhaupt nicht reden, denn es hat jeder, der von so einer Entscheidung betroffen ist, auch ein Rechtsmittel, und es gibt Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, es gibt Richtlinien und alles Mögliche.

Im Übrigen, Frau Abgeordnete Stoisits: Herr Romanoski hat nicht aus eigenem Gutdünken oder durch Befürwortung des Ministers diesen Job bekommen, sondern es hat ein Ausschreibungs­verfahren stattgefunden, aus welchem Herr Romanoski als Bester hervorgegangen ist. Das sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen! Sagen Sie das alles den Leuten, die Ihnen die Gerüchte nahe gebracht haben und die Sie motiviert haben, eine solche Anfrage zu stellen!

Folgendes möchte ich Ihnen auch noch sagen: Gerade wir Politiker, die wir nie vor solchen Gerüchten gefeit sind, bei denen immer wieder Denunziationen versucht werden – was mir schon alles über einzelne Kollegen erzählt wurde: von ihrem Privatleben, von ihrem Berufsleben und so weiter! –, sollten ganz entschieden dagegen sein und nicht solche Anfragen stellen, wenn uns solch unbewiesene Gerüchte zugespielt werden. (Abg. Gradwohl: Was war denn in den letzten Jahren?)

Ich werde Ihnen etwas sagen: Wenn mir jemand so ein Gerücht erzählt – auch über Sie! –, dann sage ich, dass ich mit dem Kollegen, mit dem Abgeordneten darüber reden werde, um zu prüfen, ob das stimmt oder nicht. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Be­vor ich das getan habe, würde ich niemals eine schriftliche Anfrage an den Minister stellen. (Abg. Gradwohl: Jetzt auf einmal! Was war denn in den letzten Jahren?) Nein, nicht „jetzt auf einmal“, sondern schon immer! Das ist mein Grundsatz! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.31


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. – Bitte.

15.31


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin darf ich – fast schon als tatsächliche Berichtigung – an­merken, dass rechtskräftige Bescheide kein „Gerücht“ sind! Das ist schon ein kleiner Unter­schied! Und im Übrigen kann man das erschöpfend behandeln mit dem Sprichwort: „Wie der Schelm ist, so denkt er!“ (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben uns noch gefehlt im Parlament! Sie haben uns wirklich noch gefehlt! Es kommt nichts Besseres nach!)

Zur Anfrage selbst und zu Herrn Minister Strasser, der ja einmal im Geruch gestanden ist, bei der Caritas in die Lehre gegangen zu sein, und der sich seither offensichtlich jeden Tag redlich bemüht, das Gegenteil zu beweisen. Es ist schon merkwürdig, wenn Herr Minister Strasser sagt: Kommen Sie doch bitte und nennen Sie mir alle Merkwürdigkeiten, die Ihnen auffallen! – Fast im gleichen Atemzug meinte er dann allerdings: Ja aber, Frau Abgeordnete Stoisits, diese Anfrage kann ich Ihnen leider nicht beantworten; das geht nicht! – Na was jetzt?! Fragen wird man ja wohl noch stellen können. (Bundesminister Dr. Strasser: Keine Verdächtigungen, son­dern Tatsachen! Das ist ein kleiner Unterschied!)

Zur Aussage, Österreich ist ein Asylland für all jene, die es brauchen. – Da wird es jetzt inhalt­lich spannend, denn wer entscheidet, wer Asyl braucht? Da haben wir einerseits ein Betreu­ungsgesetz und andererseits eine Betreuungsrichtlinie. Und wenn man es mit der Rechtsstaat­lichkeit tatsächlich so gut meint, wie Herr Minister Strasser es hat anklingen lassen, müsste er sofort seine Richtlinie aus dem Oktober 2002 zurücknehmen, weil diese in einem gewissen Widerspruch zum Gesetz steht. Laut Gesetz ist nämlich als Asyl- und als Betreuungsgrund anzugeben, wieweit eine Hilfsbedürftigkeit gegeben ist, und von Fall zu Fall ist auch über die Asylgründe selbst zu entscheiden.


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In der Richtlinie jedoch wird pauschaliter festgehalten, dass Menschen aus bestimmten Ländern dafür nicht in Frage kommen. Und bevor da jetzt noch irgendwelche Phantasien entstehen, sei daran erinnert, was denn diese Betreuung ausmacht. Da geht es nicht irgendwie um ein existenzsicherndes Einkommen, sondern da geht es ganz simpel um ein Dach über dem Kopf, darum, jeden Tag genug zu essen und, falls notwendig, also im Krankheitsfall, eine medizi­nische Versorgung zu haben.

Unter dieses Limit kann man schon gar nicht mehr gehen, sollte man meinen. Herr Minister Strasser ist jedoch darunter gegangen und ließ sogar im Winter dutzendweise Asylwerber auf die Straße setzen!

Daher ist es natürlich nicht irrelevant, nachzufragen, welche leitenden Beamten es in diesem Ressort gibt, die weisungsgebunden agieren, und welche Politik in diesem Ressort betrieben wird. Angekündigt wurde ja bereits die Vorlage eines neuen Asylgesetz-Entwurfs – ich bin ge­spannt, wie ausführlich die Diskussion darüber sein wird, vor allem, wie lange die Begutach­tungsfrist sein wird (Bundesminister Dr. Strasser: Vier Wochen!) beziehungsweise ob das von der Tendenz her so sein wird wie bei der vergangenen Diskussion mit den NGOs, wo sich die „Diskussion“ – unter Anführungszeichen –, der „Dialog“, der immer eingefordert wird, darauf be­schränkt hat, 40 Powerpoint-Folien zu zeigen, und dann hieß es: Schluss!, und zwar noch bevor es Stellungnahmen dazu gab.

Man darf gespannt sein, was in dieser Gesetzesvorlage stehen wird und ob die Befürchtungen, die das UNHCR bereits gehegt hat, zutreffen, denn dann hätten wir einen neuen Notstand in der Asylpolitik Österreichs (Beifall bei den Grünen), wenn nämlich daran gedacht sein sollte, eine Beschleunigung der Verfahren ohne Aufstockung des Personals zu erzielen, ohne Ausbau der Möglichkeiten für Asylwerberinnen und Asylwerber, bereits in erster Instanz ihre Rechte geltend zu machen und die Möglichkeit zu haben, auch danach noch Asylgründe anzugeben.

Stellen Sie sich vor, es kommt jemand unter einem schweren Schock, unter Trauma aus einem Kriegsgebiet zu uns, oder eine Frau flieht mit ihrer Tochter, der die Genitalverstümmelung droht beziehungsweise die selbst davon betroffen ist: Wie wahrscheinlich ist es, glauben Sie, dass man in der verwirrenden Situation an der Grenze, wo man erstmals mit einer fremdsprachigen Bürokratie konfrontiert ist, über persönliche psychotisch-dramatische Erlebnisse sprechen kann?!

Nehmen Sie bitte den Gedanken mit, dass hinter jedem Bescheid ein Mensch mit seinem Leben steht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist wieder Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. Welch Zufall! – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.36


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kein Déjà-vu, sondern die nächste Debatte. Durch die Unterbrechung bin ich am Wort und möchte anknüpfen an die Ausführungen mehrerer Vorredner, an die des Herrn Bun­deskanzlers, an die der Klubobleute von ÖVP und FPÖ, die gemeint haben, die Diskussion über die Pensionsreform müsse im politischen Dialog hier im Hause geführt werden und nicht auf der Straße. – Das halte ich, ehrlich gestanden, für ein merkwürdiges Verständnis von politi­scher Partizipation. Warum bitte sollen wir mit Wählerinnen und Wählern, mit Menschen, die


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von der Reform betroffen sind, kein Gespräch führen? Was soll daran schlecht sein?! Warum sollen nicht Menschen, die betroffen sind, ihren Widerstand artikulieren?!

Frau Abgeordnete Bleckmann meinte hier, es sei „infam“, wenn ein Pensionistenvertreter nach dem alten Pensionssystem eine hohe Politikerpension bekommt und trotzdem zum Streik rät. – Da muss ich Sie schon fragen: Ist es nicht wirklich infam, wenn jemand, der, wie Herr Vize­kanzler Haupt, ebenfalls 12 000 € an Politikerpension bezieht, jenen, die 600 oder 700 € Pen­sion haben, sagt: Ihr sollt nicht streiken! Ihr sollt euch nicht wehren! Ihr sollt nicht Widerstand leisten, sondern eure Abgeordneten werden schon – wenn so tatkräftig wie bei den Freiheit­lichen, na dann gute Nacht! – eure Argumente im Parlament einbringen!? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Mehrfach – ja fast schon auffällig oft – wurde seitens der Regierungsparteien betont, dass man nicht daran denke, das Umlageverfahren abzuschaffen, sondern dass nur optional eine zweite oder dritte Säule entstehen soll. – Alles, was so oft und auffällig betont wird, noch dazu bei einer solch einschneidenden Reform, wie sie hier vorliegt, weckt mein Misstrauen – und nicht nur jenes, das wir hier mit unserem Misstrauensantrag dem Herrn Bundeskanzler gegenüber zum Ausdruck bringen.

Nur an einem Punkt frage ich bei Herrn Klubobmann Scheibner nach, der behauptet hat, jeder könne doch selbst entscheiden, ob und wie viel er in eine private Pensionsvorsorge einzahlen möchte. (Abg. Scheibner: Nein, bei der „Abfertigung neu“, Frau Kollegin! Sie müssen mich schon richtig zitieren!) – Ja, gern, aber erklären Sie mir doch bitte, Herr Klubobmann, wie sich beispielsweise eine Frau, die – das sind immerhin 17 Prozent – weniger als 1 000 € brutto im Monat verdient, frei entscheiden soll, ob sie pro Monat mindestens zirka 150 € in eine private Pensionsvorsorge einzahlen soll, um einmal nur ein unteres Limit zu nehmen! Da kann doch von freier Entscheidung keine Rede mehr sein! Da geht es doch ums Existenzminimum! Und damit ist diese zweite Säule auch schon reine Fiktion. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Pensionsreform ist frauenfeindlich! Daran ändern auch die Behauptungen nichts, die ja fast schon skurril sind, dass Frauen bei dieser Pensionsreform „bevorzugt“ würden. – Da ver­sucht man, aus einem Nachteil, dass nämlich zu einem wirklich überwältigenden Anteil alles, was Kindererziehung, Haushalt, Betreuungspflichten gegenüber Nicht-Minderjährigen betrifft, heute nach wie vor den Frauen aufgebürdet und von diesen übernommen wird, eine „Bevor­zugung“ zu konstruieren.

Wenn man da ein klitzekleines Bisschen an Verbesserungsmaßnahme versucht – auf diese werde ich gleich zu sprechen kommen –, wird daraus plötzlich automatisch eine „Bevorzugung“ von Frauen, die nachweislich ein Drittel weniger als Männer verdienen und bereits jetzt um die Hälfte weniger an Pension als Männer haben.

Wie Ihre „Verbesserungen“ ausschauen, meine Damen und Herren von den Regierungspar­teien, werde ich Ihnen an Hand folgenden Beispiels aufzeigen: Die großartige „Verbesserung“, die offensichtlich in Form einer Erleuchtung an diesem Wochenende passiert ist, ist die, dass gesagt wird, Frauen beziehungsweise auch Männer sollen noch in einer bestimmten Phase in Früh­pension gehen können. Das heißt, eine Frau – und das ist sogar so in den Erläuterungen ange­führt – soll mit 55 Jahren in Pension gehen können, so zum Beispiel eine Kranken­schwester.

Rechnen Sie mir doch bitte einmal vor, wie eine Krankenschwester, die eine Ausbildung zu absolvieren hat, also frühestens mit 18 oder 19 Jahren in den Beruf eintritt, bis zum 55. Lebens­jahr zu 40 Beitragsjahren für die Durchrechnung kommt!

Das ist ein Maßnahme, die man leicht irgendwo hinschreiben kann, sie ist aber für kaum eine Frau relevant, maximal für Hilfsarbeiterinnen, die eine durchgängige Erwerbszeit haben, also zwischendurch keinen Monat arbeitslos waren (Abg. Öllinger: Die ist aber schon vorher kaputt!), denen keine Zeit fehlt, die nicht einen längeren Zeitraum krank waren – also eine


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Summe von Eigenschaften, die es gerade bei Hilfsarbeiterinnen erfahrungsgemäß fast nicht gibt.

Sie haben Änderungen angebracht, die Sie als Verbesserungen zu verkaufen versuchen, die aber reine Kosmetik sind und den betroffenen Frauen nichts bringen! Sie streuen ihnen damit nur Sand in die Augen, die Pensionsreform als solche jedoch bleibt weiterhin frauenfeindlich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.41


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann Scheibner zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die einschlägigen Bestimmungen des § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung.

15.41


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Ich werde mich bemühen, diese Bestimmungen einzuhalten.

Frau Abgeordnete Weinzinger hat behauptet, ich hätte in meinem Debattenbeitrag gemeint, dass Arbeitnehmer die freie Wahl hätten, Beiträge in eine private Pensionsvorsorge zu zahlen. Sie hat dazugesagt, das sei in den meisten Fällen nicht möglich. – Diese Beurteilung lasse ich Ihnen unbenommen.

Allerdings habe ich nicht über die freie Wahl, in eine private Pensionsvorsorge zu investieren (Abg. Öllinger: Und der Zukunftsvorsorge!), referiert, sondern ich habe angeführt, dass durch die Einführung der „Abfertigung neu“ Arbeitnehmer nun die freie Wahl haben, ihre Ansprüche aus dieser „Abfertigung neu“ in eine Pensionskasse einzubezahlen (Abg. Öllinger: Das ist nichts Neues!) und damit in die zweite Säule des Pensionssystems zu investieren – nicht, wie Sie behauptet haben, in die dritte Säule. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Das ist nicht neu! Die Abfertigung konnte ich schon immer einzahlen in eine Pensionsvorsorge!)

15.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek zu Wort. – Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. (Rufe von Abgeord­neten der SPÖ sowie Gegenrufe der Abgeordneten Scheibner und Dr. Partik-Pablé.)

15.42


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was wäre, wenn bei den Pensionen nichts passiert? (Abg. Lackner: Sigi, du bist ...!) – Kollege Lackner, ich habe erst begonnen! Wie du weißt, setze ich mich dafür ein, dass die arbeitenden Menschen eine gerechte Pension bekom­men (Abg. Öllinger: Das müssen wir uns anschauen!), dafür, dass die derzeitigen Pensionen langfristig garantiert sind und die zukünftigen gesichert werden.

Denn wenn wir nichts tun, wird es, das wissen wir alle – du genauso gut wie ich –, zu einem Kollaps kommen. Dann heißt das: Entweder 50 Prozent Versicherungsbeitrag zahlen oder bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag arbeiten. In diesem Fall wird uns aber die jüngere Generation den Generationenvertrag aufkündigen. Das geht jedenfalls nicht! (Abg. Öllinger: Und deshalb seid ihr für 40 Prozent Pensionskürzung? Das darf doch nicht wahr sein!)

Kollege Öllinger! Wir beide wissen, dass die Lebenserwartung immer höher wird. Ich habe nicht so viel Zeit, dass ich auf jeden eingehen kann, aber du weißt auch, dass die Lebenserwartung – Gott sei Dank – gestiegen ist, dass die Menschen länger in Ausbildung und viel kürzer im Er­werbsleben sind. Die entsprechenden Zahlen sind von 1970 bis 2001 gestiegen. Das Verhältnis Beitragszahler zu Pensionisten ist nicht mehr, wie es ursprünglich war. Wir wissen, dass früher auf 1 000 Bei­tragszahler 350 Pensionisten gekommen sind. Im Jahr 2030 wird das Verhältnis ungefähr 1 : 1 sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass bei dieser Pensionsreform, so wie sie vorge­sehen ist, mit der Harmonisierung aller Pensionssysteme genau das Richtige gemacht wird.


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Endlich einmal wird es für alle gleich hohe Beitragszahlungen und gleiche Pensionshöhen geben. Jeder, der mehr verdient, kann dann auch noch anders vorsorgen – keine Frage!

Ich bin auch voll bei Ihnen, wenn Sie einen Solidaritätsbeitrag jener, deren Pension über der ASVG-Höchstpension liegt, fordern. Das soll auch so geschehen.

Es sind bereits sehr viele Änderungen in dieses Budgetbegleitgesetz eingearbeitet worden. Zu den Übergangsregelungen: Das Pensionsantrittsalter wird nicht von heute auf morgen umge­stellt, der Steigerungsbetrag auch nicht; dies wird in Etappen geschehen, nämlich innerhalb von drei Jahren in vier Etappen. Das ist wenigstens etwas! Jene Leute, die jetzt knapp vor der Pen­sion stehen, können damit rechnen, dass es nur ganz langsam geht.

Gleiches gilt für die Abschläge und die „Hackler-Regelung“. Wir haben uns besonders für die „Hackler“ eingesetzt, also jene Leute, die schwer gearbeitet und lange Versicherungszeiten haben. Über diese habe ich von der SPÖ bis jetzt überhaupt nichts gehört, die hat sich zu diesem Thema über all die Jahre gänzlich verschwiegen (Beifall bei den Freiheitlichen), außer, eine Propagandabroschüre herauszugeben und mit „1. Mai“-Kundgebungen und Streikaufrufen zu operieren. (Widerspruch des Abg. Reheis.) Das ist mir etwas zu dünn! Überhaupt streiken ohnehin nur jene Leute beim Gewerkschaftsbund, die im öffentlichen Dienst sind. Jene, die in der Privatwirtschaft beschäftigt sind, streiken nicht, weil sie gar keine Zeit dazu haben. Das ist das Problem! (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Frau Kollegin Trunk! Ich habe Gelegenheit gehabt, mit Ihnen darüber zu sprechen. Sie haben mir, da ich überhaupt keinen diesbezüglichen schriftlichen Vorschlag der Gewerkschaft kenne (Abg. Mag. Trunk: Das ist die blaue Lüge!) – außer den Arbeiterkammer-Berechnungen dar­über, was wäre wenn –, auf meine Aufforderung hin ein Papier mit ein paar Punkten überreicht. (Abg. Mag. Trunk: Ja!)

Ich sage Ihnen klar und deutlich: Ich kann jeden einzelnen Punkt mittragen. (Demonstrativer Beifall der Abg. Mag. Trunk.) Ich habe Ihnen aber weitere Unterlagen gegeben, in denen vorge­schlagen wird, in die Politiker-Pensionsprivilegien einzugreifen. Dazu haben Sie gesagt, das ginge nicht, das lehnten Sie ab! (Abg. Mag. Trunk: Das stimmt nicht!) Das haben Sie anlässlich einer Podiumsdiskussion gesagt! Sie haben mir gesagt, das könnten Sie nicht mittragen. (Abg. Mag. Trunk: Ich habe mich geweigert, unter FPÖ ...!) Das ist aber Ihr Problem, dafür kann ich nichts.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist uns gelungen, bei den Frauenpensionen eine wesent­liche Verbesserung zu erreichen. Pro Kind werden einer Frau drei Jahre angerechnet, die Be­messungsgrundlage wird in Zukunft auf bis zu 150 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes steigen. Ich hätte mir zwar gewünscht, dass das etwas schneller geht, bin aber auch damit zufrieden. Wenn es möglich ist, werden wir in diesem Punkt noch weitere Verbesserungen an­bringen, ebenso bei der „Hackler-Regelung“, bei der meiner Ansicht nach noch einige Verbes­serungen nötig sind.

Ich werde in den nächsten zwei bis drei Wochen meine ganze Kraft dafür einsetzen, dass es da noch zu Verbesserungen kommen wird. Seien Sie unbesorgt, wir werden versuchen, gemein­sam mit dem Koalitionspartner noch Verbesserungen umzusetzen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Sil­havy zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Vielleicht kann man das ein bisschen richtig stellen!)

15.47


Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Die Erklärungen des Bundeskanzlers, der nicht mehr anwesend ist, und des Herrn Vizekanzlers, der auch nicht mehr hier ist, hinsichtlich einer Zielsetzung, nämlich die Pensionen


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für die Zukunft der Jugend sichern zu wollen, werden schon allein durch die Tatsache Lügen gestraft, dass es bei all diesen Maßnahmen rein um ein Budgetproblem geht.

Sie wollen zwischen 2004 und 2006 760 Millionen € an Einspa­rungen allein aus dem ASVG-Bereich erzielen. Das ist der Grund dafür, dass es nicht zu einer umfassenden und fairen Re­form für alle Bevölkerungsgruppen im Herbst kommen kann! Deswegen beschneiden Sie rück­sichtslos die Rechte der betroffenen Menschen im ASVG-Bereich.

Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, sind bereit, den von Ihnen immer so gerne zitierten unterprivilegierten ASVG-Versicherten in den nächsten drei Jahren Belastungen im Ausmaß von 760 Millionen € aufzubürden. So schaut es aus! Wo ist denn Kollege Walch? So schaut es in Wahrheit aus, Kollege Walch! Das ist der wahre Hintergrund Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Und es wäre vielleicht auch ganz nett gewesen, wenn Herr Kollege Walch es nicht vorgezogen hätte, hier frauendiskriminierende Äußerungen von sich zu geben (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mandak. – Ruf: Welche Äußerung?) – Welche Äußerung? Frau Kollegin Dr. Partik-Pablé, ich sage es Ihnen gerne. Allerdings kann ich nicht Oberösterreichisch (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann sagen Sie es uns auf Steirisch!), daher werde ich es ins Deutsche übersetzen:

„Mich stört, wenn eine Person männlichen Geschlechts dreinredet, aber noch mehr, wenn Frauen das tun.“

Meinen Sie, dass das nicht frauendiskriminierend ist? Meinen Sie, dass das die absolute Ge­schlechtergleichbehandlung bedeutet, liebe Frau Dr. Partik-Pablé? Ich würde an Ihrer Stelle ein­mal die parteipolitischen Scheuklappen ablegen und die Worte so hören, wie sie gesagt worden sind. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Dr. Fekter und Scheibner.)

Meine Frage war: Warum diese Eile? Warum ist nicht Zeit bis zum Herbst? Und warum nicht ein einheitliches Pensionssystem für alle, für das ja angeblich alle Parteien des Hohen Hauses sind und das sie vertreten? Also geht es doch nur um das Budgetproblem, und es geht auch nur um Maßnahmen im ASVG-Bereich, die gerade diese Versichertengruppe besonders hart trifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber diese fehlende Bereitschaft zum Gespräch, die Unfähigkeit, einen Dialog zu führen, scheint es nicht nur im Hohen Haus zu geben. Ich habe da eine interessante E-Mail eines Wäh­lers an den Herrn Bundeskanzler. Er wollte dem Herrn Bundeskanzler seine Sorgen hinsichtlich der geplanten Maßnahmen mitteilen. Diese Mail wurde am 22. April, um 8.46 Uhr, mit dem Be­treff „Pensionskürzungsaktion“ an den Herrn Bundeskanzler abgeschickt. Die Antwort, siehe da, lautete noch am selben Tag, dem 22. April, um 17:36:58: was deleted without being read“, auf Deutsch: wurde gelöscht, ohne gelesen zu werden! (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Gradwohl: Schämen Sie sich!) – Das ist die Art von Dialog, die Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, pflegen!

Und weil wir für den Dialog sind, weil wir für einen echten Dialog eintreten, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Mag. Prammer, Verzetnitsch, Silhavy und KollegInnen be­treffend Pensionen, die fair, sicher und gerecht sind, eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärung des Bundeskanzlers zur „Pensionssicherungsreform“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

die Regierungsvorlage zur „Pensionssicherungsreform“ zurückzuziehen,


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den Sozialpartnern die Gelegenheit zu geben, bis zum 30. September 2003 einen eigenen Vor­schlag gemeinsam zu erarbeiten,

das Gesprächsangebot der SPÖ anzunehmen und im Herbst auf Grundlage der Vorschläge der Sozialpartner, der Oppositionsparteien und aller anderen ernsthaften Vorschläge eine sozial ge­rechte Pensionsreform zu beschließen,

ein gemeinsames Pensionssystem für alle ÖsterreicherInnen, in das schrittweise alle hinein­wachsen, sodass in 30 Jahren alle ÖsterreicherInnen nach dem gleichen Recht in Pension gehen und niemand mehr in der Pensionshöhe bevorzugt wird,

ein Pensionssystem, das dauerhaft garantiert, dass am Ende der Reform nach 45 Jahren Arbeit und einem Pensionsalter von 65 Jahren 80 Prozent netto als Pension zusteht und so der Lebensstandard gesichert wird,

für Politiker die gleichen Veränderungen vorzusehen wie für alle anderen,

keine Abfangjäger anzuschaffen und so die Ausgaben des Staates zu verringern, an Stelle der Kürzung von Pensionen.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie haben uns heute schon öfters aufgefordert, konstruktive Vor­schläge zu machen. (Abg. Scheibner: Das war aber nicht konstruktiv!) Damit haben Sie einen konstruktiven Vorschlag vorliegen. Sie brauchen nur zuzustimmen und damit auch für eine Mehrheit zu sorgen, dann können wir gemeinsam diese Problematik so in Angriff nehmen, dass die Jugend auch tatsächlich einmal eine gesicherte Pension hat und nicht wie bei Ihrem Modell einfach nur gekürzt wird, der Lebensstandard gesenkt wird und sie auf die private und indivi­duelle Risikovorsorge verwiesen wird. (Beifall der SPÖ.)

15.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.53


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Schüssel hat heute in seinem Bericht gesagt: Diese Bundesregierung hat Mut zur Verantwortung. (Abg. Dr. Jarolim: Muss das stimmen?) – Ja, ich weiß schon, dass Sie nicht einmal den Mut zur Verantwortung anerkennen, aber angesichts der Panikmache, der Angst­mache und des Mangels an konstruktiver Mitarbeit – denn, Frau Abgeordnete Silhavy, das Ein­bringen von Entschließungsanträgen zeigt überhaupt noch keine Gesprächsbereitschaft, das heißt, dass Sie an einer Pensionsreform überhaupt nicht mitarbeiten wollen (Abg. Silhavy: Oh ja, aber nur eine ... und faire!) – ist wirklich Mut notwendig.

Als die SPÖ noch die Regierung dominierte, haben Sie niemals den Mut aufgebracht, wirkliche Pensionsreformen durchzuziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ. Mit jedem Jahr, das vergangen ist, ist der Reformbedarf größer geworden. Experten sagen: Hätte man schon 1990, oder spätestens 1995, mit tief greifenden Reformen begonnen, dann wäre es nicht notwendig, heute so einschneidende Maßnahmen zu setzen, dann könnten die Maßnah­men sanfter sein.

Aber Sie haben immer nur beschwichtigt. Sie haben immer nur Pensionsregelungen von einem Jahr zum anderen gemacht. Sie haben immer eine Augen-zu-Politik gemacht, Sie haben nie­mals den Menschen vor Augen geführt, wie die Zukunft der Pensionen aussehen wird. Sie


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haben jenen Menschen, die jetzt beziehungsweise vor fünf Jahren oder zehn Jahren ins Er­werbsleben eingetreten sind, nie gesagt, wie es einmal mit ihrer Pension sein wird. Das haben Sie nie gemacht. Sie haben immer verschwiegen, wie es 2010, 2020 ausschauen wird (Abg. Dr. Jarolim: ... Stummvoll!) – und das fällt jetzt uns, ja allen auf den Kopf, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt müssen wir uns von der EU sagen lassen, dass – wortwörtlich – die Tragfähigkeit des Systems nicht gesichert ist. Es gab immer wieder Diskussionen hier im Parlament, bei denen die Frage, wie es mit den Pensionen weitergeht, diskutiert worden ist. Ich erinnere mich an eine Veranstaltung der österreichischen Versicherungswirtschaft, bei der ein Vertreter des damals sozialistisch geführten Sozialministeriums – Frau Minister Hostasch oder Herr Minister Hesoun – auf die Frage, wie es mit den Pensionen weitergehen werde, gesagt hat: Na, ist es bisher gegangen, wird es in Zukunft auch gehen! – Das war die zukunftsweisende Antwort eines Sektionschefs eines sozialistischen Ministers! Also Sie müssen sich schon ordentliche Vorwürfe gefallen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ.

An diese Argumentation, nämlich dass es jetzt gegangen sei und deshalb auch in Zukunft gehen werde, erinnerte mich die heutige Äußerung des Herrn Dr. Van der Bellen, der gemeint hat: Na ja, ob wir am 1. Jänner 2004 oder am 1. Jänner 2005 eine Pensionsabsicherung für die jungen Leute machen, ist eigentlich egal! – Bitte, das geht doch in dieselbe Richtung: Wurschteln wir weiter so fort, egal, wann etwas passiert, irgendwo wird es schon weitergehen!

Herr Abgeordneter Gusenbauer hat heute gesagt: Jeder, der von einem dringenden Handlungs­bedarf redet, ist eine Kassandra, der will eigentlich nur Übles und erfreut sich daran, negative Botschaften auszusenden. Er hat weiters gesagt, dass jene Reformen, die 1995 beschlossen worden sind, ohnehin bis zum Ende der Legislaturperiode wirken werden. – Auch das ist die alte Verschiebungstaktik, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dabei wollen wir einfach nicht mitmachen. Wir wollen, dass auch die jungen Menschen, die heute ins Arbeitsleben eintreten, einmal eine gesicherte Pension haben. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist heute schon mehrfach angeschnitten worden, ich möchte es noch einmal verdeutlichen: Die Fakten besagen, dass der Eintritt ins Arbeitsleben immer später erfolgt, die Pensionsjahre immer länger, die Arbeitsjahre immer kürzer werden. 1970 hat man 42,7 Jahre gearbeitet, 8,8 Jahre war man in Pension. 1990 hat man 38 Jahre gearbeitet, 17,7 Jahre war man in Pension. 2001 hat man 37 Jahre gearbeitet und wird 20,3 Jahre in Pension sein.

Das ist zwar schön für den Einzelnen, und der Anstieg der Lebenserwartung sollte natürlich auch weiterhin forciert werden, aber es muss auch finanziell vorgesorgt werden.

Ich bitte Sie wirklich – dies ist schon mein Schlusssatz –: Nehmen Sie mit uns konstruktive Gespräche auf! Belassen Sie es nicht nur bei den Entschließungsanträgen! Gemeinsam werden wir vielleicht eine gute Lösung schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.58


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Parni­goni hat es während seiner Ausführungen für richtig befunden, dem Herrn Bundesminister für Inneres „politische Liquidation“ vorzuwerfen. Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat daraufhin einen Ordnungsruf verlangt.

Ich werde diesen nicht aussprechen, würde aber trotzdem bitten – vielleicht Herrn Abgeordne­ten Posch –, dass er seinen Kollegen ein bisschen darüber aufklärt, was mit „politischer Liqui­dation“ gemeint sein könnte.

Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mandak zu Wort. – Bitte. (Abg. Mag. Posch: Was sind das für präsidiale Sitten? – Abg. Dr. Jarolim: Wieso der Posch? Wir haben den


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Kaipel dafür vorgesehen! – Abg. Mag. Posch: Ich billige das nicht, aber ...! – Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Dr. Jarolim. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

15.59


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Pensionsreform ist unsozial, ein Signal der sozialen Kälte und der Ignoranz. – Das sagt nicht irgendjemand, das sagt der stellvertretende Landeshauptmann des Landes Vorarlberg, seines Zeichens stellvertretender Parteivorsitzender der Freiheitlichen Partei. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Die Kindererziehung und die Altenbetreuung dürfen nicht durch Minderung sozialer Leistungen bestraft werden. – Das sagt nicht irgendjemand, das schreibt die ÖVP-Landesrätin Schmid aus Vorarlberg in einem offenen Brief an den Bundeskanzler.

Die Vorarlberger Landesregierung schließlich hat in ihrer Stellungnahme zum vorliegenden Ge­setzentwurf ebenfalls auf Härten hingewiesen und den Vertrauensschutz eingefordert. (Präsi­dent Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der einen Regierungspartei, Sie können sich vor­stellen, was in Ihrem Entwurf stehen muss, damit Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Land Vorarlberg, einem bei Gott gestandenen ÖVP/FPÖ-Land beziehungsweise ÖVP-Land – FPÖ-Land nicht mehr so arg –, eine derartige Kritik an den Forderungen der eigenen Partei üben. Nehmen Sie sich diese Kritik zu Herzen und motzen Sie nicht über unsere Kritik an dieser Änderung des Pensionssystems! Sie ersehen schon aus den Meldungen Ihrer eigenen Kolle­ginnen und Kollegen, wie Recht wir damit haben! (Beifall bei den Grünen.)

Natürlich kann man jetzt sagen: Das waren Reaktionen vom Wochenende, über Nacht ist alles anders geworden, wir diskutieren heute – so habe ich manchmal den Eindruck – über ein anderes Modell. Ich frage mich jedoch Folgendes: Wie berechenbar ist diese Regierung, wenn über Nacht ganz wesentliche Reformvorhaben derartig verändert werden, dass sie quasi inner­halb von 48 Stunden nicht mehr wieder zu erkennen sind? Auch Sie selbst müssen sich fragen: Wie berechenbar ist Ihre Politik, welchen Vertrauensschutz bietet Ihre Politik? (Abg. Dr. Fekter: Das hat euch überrascht, dass wir das so verbessert haben, gell?)

Beides ist unserer Meinung nach nicht gegeben, deshalb auch die Einbringung des Miss­trauensantrages gegen Bundeskanzler Schüssel. (Beifall bei den Grünen.)

Zwei Themen dieser heutigen Debatte im Plenum sind besonders bedenklich. Das eine ist die Pensionsreform, das andere ist die Art, wie hier in diesem Haus, das als Zentrum der Demo­kratie Österreichs gelten sollte, mit Demokratie und mit demokratischen Rechten der Bürgerin­nen und Bürger dieses Landes umgegangen wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Es war nicht nur ein Debattenbeitrag, es waren nicht zwei, sondern es war eine ganze Reihe von Debattenbeiträgen von Rednerinnen und Rednern, in denen in Frage gestellt wurde, ob es in diesem Staat legitim ist, dass Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gehen, sich wehren, Widerstand leisten und streiken, weil eine Pensionsreform im Raum steht, die unsozial ist, die auf ihrem Rücken ausgetragen wird und die sie nicht wollen.

Das, was Sie hier tun, ist demokratiepolitisch bedenklich. Es sind nicht Sie, die bestimmen, wer mit welchem Mittel an etwas Kritik übt, sondern es gibt ganz klare Gesetze, es gibt – Gott sei Dank! – eine Verfassung, die Meinungsfreiheit, ein Demonstrationsrecht und Versammlungsfrei­heit garantiert. Gott sei Dank haben wir diese, und Sie werden die Menschen in Österreich nicht daran hindern, von diesen Rechten Gebrauch zu machen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Gradwohl.)


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Mit Ihren eigenen Änderungen am Entwurf zu einer Pensionsreform zeigen Sie, dass Sie selbst dieses ganze Konzept nicht wirklich durchdacht haben, denn sonst wären so gravierende Ände­rungen innerhalb kürzester Zeit weder notwendig noch sinnvoll.

Uns Grünen werfen Sie vor, wir wollen verzögern, verwässern und verhindern. Ich fordere Sie auf: Denken Sie nach, diskutieren Sie, denken Sie dann noch einmal nach und entscheiden Sie dann demokratisch! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.04


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Ach­leitner. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

16.04


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Bestehendes garantieren, Zukünftiges sichern und Gerechtigkeit herstellen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) – Das waren und sind die drei großen Ziele der Freiheitlichen für die Pensionssicherungsreform. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Frühere SPÖ- und ÖVP-Regierungen haben es trotz einer Zweidrittelmehrheit im Parlament verabsäumt, Vorschläge von Pensionsexperten aufzunehmen und diese auch wirklich erfolg­reich umzusetzen. Daher ist jetzt dringender Handlungsbedarf gegeben, damit auch für die künftigen Generationen das österreichische Pensionssystem nachhaltig gesichert werden kann.

Es ist höchste Zeit, dass konkrete Maßnahmen erarbeitet und auch tatsächlich gesetzt werden; es wäre natürlich am besten, wenn alle Parteien gemeinsam für solch ein wichtiges Projekt wie die Pensionssicherung zusammenarbeiten. Doch leider haben weder die SPÖ noch die Grünen in den vergangenen Wochen einen konstruktiven Beitrag für dieses Reformpaket geleistet. Keinen einzigen konstruktiven Vorschlag während der Begutachtungsfrist einzubringen, Ge­werkschaften durch Falschinformation zu mobilisieren und nur destruktive Aktionen wie Streik­aufrufe unterstützen und Misstrauensanträge gegen die Regierung einbringen zu starten, das zeugt nicht von Verantwortungsbewusstsein der SPÖ und der Grünen.

Auch heute konnten sich die Zuschauer vor den Fernsehgeräten und hier auf der Besucher­galerie im Hohen Haus während der Debatte ein Bild davon machen, dass das Einzige, was SPÖ und Grüne der Reform entgegenbringen, vorderhand Hohn und Spott sind. Und das dis­qualifiziert Sie selber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dass für die Aufrechterhaltung des Generationenvertrages einschneidende Maßnahmen not­wendig sind, das ist jeder Österreicherin und jedem Österreicher bewusst. Uns Freiheitlichen war aber von Anfang an klar, dass besonders die Frauen als jene Gruppe, die einen wesent­lichen Beitrag zur Generationensolidarität leisten, nicht die Verliererinnen dieser Pensions­sicherungsreform sein dürfen.

Frauen leisten sieben Milliarden Stunden an Familien-, Pflege- und Hausarbeit. Und die Gesell­schaft profitiert von dieser Umsorgung der Kinder und der Pflege der älteren Menschen. Des­wegen muss diese Familien- und Pflegearbeit als Arbeitsleistung anerkannt werden und sich positiv auf die Alterssicherung auswirken.

An die Adresse der Kollegin Prammer, die jetzt leider nicht anwesend ist: Wir Freiheitliche haben die Frauen nicht vergessen! Als soziales Gewissen dieser Regierung haben wir Freiheit­liche gewichtige Verbesserungen für die Frauen erreicht. Staatssekretärin Ursula Haubner hat wie eine Löwin dafür gekämpft (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) und auch gegen den Wider­stand der ÖVP durchgesetzt, dass Kindererziehungszeiten und die Pflegezeiten berücksichtigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dadurch werden nun drei Jahre pro Kind für die Durchrechnung anerkannt. Auch die Betreu­ungszeiten während der Familienhospizkarenz werden von der Durchrechnung herausgenom-


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men. Auch die Verbesserung bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten konnte durch Staatssekretärin Ursula Haubner verhandelt und erreicht werden.

Erst seit der Regierungsbeteiligung der FPÖ wurde es möglich, dass Kindererziehungszeiten als pensionsbegründend angerechnet werden. 18 Monate waren dies bisher, in Zukunft werden es 24 Monate sein, was bedeutet, dass eine Frau, die zwei Kinder hat, sie geboren und erzogen hat, statt 180 Monate Erwerbstätigkeit nur noch 132 Monate erwerbstätig sein muss. Das bringt einen großen Vorteil gerade für jene Frauen, die keine durchgehende Erwerbskarriere haben, und ist ein wichtiger Schritt in Richtung Eigenvorsorge, in Richtung Absicherung von Frauen im Alter.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dass es einen verbesserten Gesetzentwurf gibt, ist einzig der Umsicht und sozialen Kompetenz des Vizekanzlers Herbert Haupt und der Staatssekretärin Ur­sula Haubner zu verdanken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch der Abg. Dr. Fekter.)

Auch wenn die ÖVP ursprünglich kein allzu großes Interesse an maßgeblichen Verbesserungen hatte (Abg. Dr. Fekter: Nein, nein! Die ÖVP auch!), ist es uns Freiheitlichen gelungen, Verbes­serungen für die Frauen zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Csörgits. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.09


Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Es ist schon sehr verwunderlich, dass zwar heute auf Wunsch des Herrn Bundeskanzlers eine Aussprache zur so genannten Pensionssicherungsreform stattfindet, die Regierungsbank aber verwaist ist. Das zeigt die Wertigkeit, die diese Bundesregierung derart gravierenden Maßnah­men beimisst. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mandak.)

Man überlegt Reformen, von denen die Mehrheit der Bevölkerung betroffen ist, und man ver­langt einen Dialog. Zu einem Dialog gehören aber immer mindestens zwei – aber dann ist die entscheidende Person genauso wie der Herr Vizekanzler, aber auch die Frauenministerin nicht anwesend. Das zeigt die Wertigkeit, die diese Regierung dieser Pensionsreform und vor allem den Ausmaßen dieser Reform beimisst. (Abg. Dr. Spindelegger: Der Bundeskanzler war so lange anwesend!)

Wir haben uns heute schon vom Herrn Bundeskanzler, vom Herrn Vizekanzler und auch von meiner Vorrednerin anhören dürfen, wie ach so frauenfreundlich diese Bundesregierung ist und dass man angeblich noch Verbesserungen und Korrekturen angebracht hat. Ich bestreite, dass diese Bundesregierung so frauenfreundlich ist, denn wäre sie so frauenfreundlich, dann hätte auch der Erstentwurf nicht so aussehen dürfen, wie er ausgesehen hat. Dieser Entwurf war extrem frauenfeindlich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es hat interessanterweise auch sehr lange gedauert, bis diese Bundesregierung draufgekom­men ist, dass es darin ganz schöne Grausamkeiten für die Frauen gibt. Das hat sehr lange gedauert. So hat zum Beispiel Frau Bundesministerin Rauch-Kallat anlässlich einer Sendung des „Report“ im April, als man ihr die Frage gestellt hat, ob denn die Pensionspläne gerecht seien, gesagt: Mit dieser Frage habe ich mich noch nicht auseinander gesetzt.

Man braucht keine Pensionsmathematikerin zu sein, man braucht sich nur einmal die Lebens­verläufe von Frauen anzuschauen, dann weiß man ganz genau, dass die Anhebung des Durch­rechnungszeitraumes ohne Rahmenbedingungen, ohne einen Aufwertungsfaktor gerade die Frauen trifft, nämlich jene Frauen trifft, die nach wie vor noch immer berufsbedingte Pausen haben, genau jene Frauen trifft, die in atypischer Beschäftigung sind – die übrigens dank Ihrer Politik in diesem Land extrem stark zugenommen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Aber freiwillig!)


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Wenn es um die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit geht, braucht man sich nur die Statistiken anzuschauen: Man wird feststellen, dass 90 Prozent der Bezieher dieser Pensionsform Frauen sind. Schafft man das ganz einfach überfallsartig ab, dann werden wieder Frauen in die Arbeitslosigkeit gedrängt. – So schaut es aus, meine Damen und Herren! Da brauche ich keine Pensionsmathematikerin zu sein. Das weiß ich, weil ich mich damit be­schäftige, wie es den berufstätigen Frauen in Österreich tatsächlich geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Man muss sich ansehen, welche Probleme Frauen, die am Fließband arbeiten, Kranken­schwestern, Frauen, die an Kassen im Supermarkt beschäftigt sind, Hausbesorgerinnen haben. Diese Frauen sind bei dieser Pensionsreform, wie Sie sie immer so schön bezeichnen, nicht berücksichtigt worden. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben in den letzten Tagen und Wochen sehr viele Mails, Briefe und Anrufe von betroffenen Frauen bekommen, die entsetzt waren, die verängstigt, aber auch zornig waren. Insbesondere jene, die knapp vor der Pensionierung stehen und ihre Pensionszeiten noch nicht ganz erreicht haben, sind total verunsichert, weil gerade auch die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension genau jene Personen betrifft, die heute schon – auch dank Ihrer Politik! – nicht in Beschäftigung stehen, sondern arbeitslos sind.

Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen machen zum Vorwurf, dass wir nicht diskussions­bereit und nicht konstruktiv wären! Ich möchte ganz deutlich festhalten, dass wir für eine umfas­sende Pensionsreform stehen, aber für eine faire Pensionsreform und für ein einheitliches Pensionssystem, das auch jungen Menschen die Gewissheit gibt, abgesichert zu sein.

Wir bekennen uns zum Vertrauensschutz und zum Umlagesystem und haben als Sozialpartner gemeinsam Vorschläge erarbeitet. Der Herr Bundeskanzler hat des Öfteren betont, er hätte uns beide Hände entgegengestreckt. Die Frage ist, wie man die Hände entgegenstreckt. Man kann es so machen (mit ausgestreckten Armen eine einladende Geste mit den Händen machend), man kann es aber auch so (die Arme ausgestreckt, aber beide Hände in Abwehrstellung) machen, und wir haben den Eindruck, dass es so (letztere Geste wiederholend) gemeint war. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir stehen dazu, dass wir gemeinsam bis zum 30. September 2003 einen Vorschlag vorberei­ten. Wir sind gesprächsbereit, aber wir lehnen einen Husch-Pfusch, Grobheiten jetzt und Abfe­derungen irgendwann und eine reine Geldbeschaffungsaktion, wie dieser Vorschlag eine solche beinhaltet, ab. Dafür sind wir nicht zu haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Moser. Wunschgemäß 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.15


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich darf mit einem Zitat beginnen, und zwar mit einem Zitat vom 23. April 2003:

Die geplante Pensionsreform stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Lebensplanung vieler Bürger dar. Dadurch wird auch das Baugesetz des sozialen Rechtsstaats nach der österreichi­schen Bundesverfassung berührt. Deshalb fordern die unterzeichneten Bürger ... 

Insgesamt sind es dann fünf, sechs Punkte, die da aufgelistet sind, und diese Forderungen und diese Stellungnahme wurden von einem Herrn Dipl.-Ing. Uwe Scheuch und von einem Herrn Sigisbert Dolinschek unterzeichnet. – 23. April 2003!

Herr Bundeskanzler! Wie ist es um Ihren Koalitionspartner bestellt, der da sagt, die geplante Pensionsreform stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Lebensplanung vieler BürgerInnen dar? Bitte, das ist passiert! Letzte Woche hat Ihr Koalitionspartner hier in diesem Haus diese Petition eingebracht. Es ist das überhaupt eine Absurdität sondergleichen: Diejenigen Abgeord-


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neten von Ihnen in den freiheitlichen Reihen, die es ja in der Hand haben, ob hier eine Mehrheit im Sinne des Herrn Bundeskanzlers zu Lasten der Bevölkerung und der Betroffenen entsteht oder nicht, bringen auf einmal eine Petition ein! Und heute sitzen sie da, und die Kolleginnen und Kollegen gerade aus Oberösterreich plädieren für einen gemeinsamen Weg. Ich sage: Gerne, nichts leichter als das! Gehen wir einen gemeinsamen Weg! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben Entschließungsanträge, und wir können auch auf Ihre Petition der Vorwoche zurück­greifen. Kein Problem, nur tun müssen wir es, und tun müssen es vor allem Sie. Sie müssen den Mut haben, zu dem zu stehen, was Sie hier fordern, und Sie müssen auch den Mut haben, wirklich einen gemeinsamen Weg zu beschreiten.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Herr Kollege Stummvoll! Sie waren vergangenes Wochenende am Parteitag. (Abg. Dr. Stummvoll: Wieso wissen Sie das?) Darf ich Ihnen viel­leicht auch noch ein paar Worte in Erinnerung rufen, Worte, die die Eingangsstatements bilde­ten – ich zitiere –:

Politik hat auch etwas mit Verlässlichkeit zu tun. Sie darf nicht Angst machen, sie muss Ver­trauen schaffen. – So Herr Landeshauptmann Pühringer.

Ich darf in Erinnerung rufen: Das Rezept ist richtig, die Dosis ist falsch. – Derselbe Autor.

Ich darf darauf hinweisen, dass das, was dort verlangt worden ist – da plädiere ich speziell auch für Sie, Herr Kollege Fasslabend vom ÖAAB –, nicht eingelöst worden ist, auch nicht gestern in der Nacht, auch nicht heute in der Früh. Sie sind uns nach wie vor das schuldig, was dort Ihr Landeshauptmann und stellvertretender Parteiobmann verlangt hat.

Wieso lächeln Sie (in Richtung des Abg. Dr. Stummvoll) so Unschuld heischend? Das stimmt ja nicht! Nach wie vor sind diese Forderungen des ÖAAB leider nicht eingelöst (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), sind auch die Forderungen maßgeblicher Landespoli­tiker in keiner Weise berücksichtigt.

Ich darf, gewissermaßen zum Drüberstreuen, daran erinnern, was ebenfalls ein hoher ÖAAB-Funktionär, seines Zeichens immerhin Landeshauptmann-Stellvertreter, Herr Hiesl, bei diesem Sonderparteitag, bei diesem Spezialparteitag von sich gegeben hat: Es muss noch weiter gearbeitet werden. Zufrieden, sagte er weiters, sind wir noch lange nicht. Und: Wenn das Parla­ment diese Reform entwickelt, kann ich damit leben. – So weit Hiesl.

Das Parlament soll entwickeln und nicht Ihr Diktat und Ihren Ministerratsvortrag einfach be­schließen! Entwickeln sollen wir, gemeinsam etwas auf den Weg bringen. Warum machen Sie das nicht? Warum gehen Sie zurück auf ein paar Peanuts, die geändert worden sind, auf eine Substanz, die der Herr Bundeskanzler im Hinblick auf reine Budgetersparnisse und im Hinblick auf eine Anschaffungspolitik bei den Abfangjägern ausgerichtet hat und die dann jahrzehnte­lang vor allem von den Frauen dieses Landes ausgebadet werden muss?

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute das Bild vom Dachziegel bemüht: Das Dach ist schad­haft, ein Dachziegel fehlt. Sie meinten, das sei ein passendes Bild zur Pensionsreform. Ich sage: Ja, es stimmt, weil der Dachziegel locker ist und herunterfällt und die Existenz von Perso­nen auf Jahrzehnte hinaus gefährdet! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bitte nehmen Sie Abstand von Ihrer „Dachziegel“-Politik! Machen Sie ordentliche, seriöse, sichere Pensionsreformen auf der Basis der Eckpfeiler, die hier gleich abgestimmt werden – in Form unseres Antrages, in Form der Petition, die eingereicht worden ist und auch in Form dessen, was Ihre Landeshauptleute verlangen. Nehmen Sie sie bitte ernst! (Beifall bei den Grünen.)

16.20


Präsident Dr. Andreas Khol: Als vorläufig letzte Rednerin hiezu hat sich Frau Abgeordnete Bures zu Wort gemeldet. Wunschgemäß stelle ich Ihnen die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte.


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16.21


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss dieser Debatte versuchen, ein Resümee zu ziehen. Ich denke, dass alle, die diese Debatte verfolgt haben, eines gesehen haben: Diese Regierung und leider allen voran Sie, Herr Bundeskanzler, wollen mit dem Pen­sionskürzungsprogramm, das Sie planen, einen sozial ungerechten Weg für Österreich be­schreiten.

Besonders zynisch am heutigen Tag ist natürlich, dass Sie gleichzeitig von Prestigeprojekten nicht Abstand nehmen. Sie beschließen nämlich auch den Ankauf von sündteuren Abfang­jägern. Das ist Ihnen offensichtlich wichtiger als ein ambitioniertes und faires Pensionsreform­paket! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ich habe Ihnen heute sehr genau bei Ihrer Erklärung zugehört, worum es ja jetzt bei der Debatte geht. Sie haben von Behutsamkeit geredet, aber in Wirklichkeit, Herr Bundeskanzler, ist diese Reform mit Grausamkeiten gespickt. Herr Bundeskanzler! Sie haben von Vertrauen gesprochen, aber in Wirklichkeit sagen Ihnen selbst Verfassungsrechtler, dass Ihre Reform den Vertrauensschutz verletzt.

Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrer Erklärung vom großen österreichischen Weg gespro­chen, aber in Wirklichkeit haben gerade Sie diesen erfolgreichen Weg verlassen. Sie haben die Tür zugeschlagen und setzen mutwillig den sozialen Zusammenhalt und den sozialen Frieden in Österreich aufs Spiel. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Als Sie von Abfederungen gesprochen haben, haben sich viele daran erinnert, wie das Abfedern bei den Ambulanzgebühren und das Abfedern bei der Besteuerung der Unfallrenten war. Viele Menschen hatten, als Sie heute von Abfederungen gesprochen haben, immer mehr das Gefühl, dass sie bei Ihrer Reform nur Federn lassen müssen.

Und Sie haben letztendlich von Zukunftsfähigkeit gesprochen, aber in Wirklichkeit haben viele Menschen gerade auf Grund Ihrer Politik in den letzten Wochen und Monaten immer mehr Zu­kunftsangst.

Herr Bundeskanzler! Niemand mehr glaubt Ihnen, glaubt der Politik dieser Regierung mehr. Niemand mehr hat Vertrauen in Ihr Wort. Es gibt auch niemanden in Österreich, der die heute vorliegende Reform begrüßt. Ich habe keine Jubelrufe über diese Reform gehört, ich habe auch nicht gehört, dass es sich um eine vernünftige Reform handelt. Das Gegenteil ist der Fall: Diese Reform ist verantwortungslos und unvernünftig! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Viele haben Ihnen nahe gelegt, doch diesen Schritt, Ihr Pensionskürzungsprogramm, zurückzu­nehmen. Diesen Wunsch nach einem Neustart in der für die Menschen so wichtigen Diskussion hat nicht nur die SPÖ heute auch in Form eines Antrages formuliert, sondern dieser Wunsch nach einem Neustart wird von den Gewerkschaften in Österreich geteilt. Wie ich einer Aussen­dung entnehmen kann, teilt auch der ÖAAB diese Auffassung; auch er wünscht sich einen Neustart. Es wünscht sich die Wirtschaft in diesem Land einen Neustart, es wünscht sich sogar Kardinal Schönborn mittlerweile einen Neustart.

Und was tun Sie? Was tun die Regierungsparteien? Was tun Sie, Herr Bundeskanzler? Sie sitzen hinter mir – weiter halsstarrig, weiter abgehoben, weiter uneinsichtig, und Sie wollen auf Ihrem brutalen und kalten Kurs bleiben.

Meine Mutter hat immer sehr viele Sprichwörter verwendet, und es gibt da eines, das lautet: Jeder bekommt, was er verdient. – Herr Bundeskanzler, daher verdienen Sie heute diesen Misstrauensantrag. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Großruck: Aber er bekommt ihn nicht!)

Herr Bundeskanzler, Sie sind dialogunfähig. Diese Regierung ist dialogunfähig – dialogunfähig gegenüber den Sozialpartnern, dialogunfähig gegenüber dem Parlament, sie fährt über die In­teressen der Menschen drüber. Es geht jetzt nicht um mehr Geschwindigkeit, sondern es geht


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um mehr Gerechtigkeit. Die SPÖ steht für ein faires, ein soziales Modell, und wir haben durch unser Modell bewiesen, dass es auch möglich wäre, eine sozial gerechte, nachhaltige Reform umzusetzen.

Und wir unterscheiden uns auch noch in einem anderen Punkt: Wir stehen zu einem Bündnis mit der Bevölkerung, mit den betroffenen Menschen. Daher werden wir ab sofort das Bündnis mit dem Bürger eingehen und vertiefen, und wir werden eine Bürgerinitiative starten, die Ihrem unsozialen Belastungskurs, Ihrem unsozialen Pensionskürzungsprogramm eine Absage erteilt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.26


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Kogler gemeldet. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte.

16.26


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Vize­kanzler! Herr Bundeskanzler! – Noch sitzt er da – an die Vorrednerin gewandt –, aber mög­licherweise sitzt er gar nicht mehr so lange da, wie manche von Ihnen vermuten, jedenfalls in dieser Rolle, auch wenn der heutige Misstrauensantrag möglicherweise keine Mehrheit findet (Heiterkeit bei der ÖVP – Abg. Scheibner: Ziehen Sie ihn zurück!), auch wenn er es auskostet und glaubt, die Dramaturgie hat funktioniert. In seiner Welt gar nicht schlecht (Abg. Dr. Fekter: Da sind Sie selber überrascht, was? Das hat euch am falschen Fuß getroffen!): erster Punkt: zuerst einen völlig indiskutablen Entwurf vorlegen, auch wenn Sie jetzt diskutieren wollen.

Zweiter Punkt: Politikerpensionen – eine kleine Pseudopunktation.

Dritter Punkt: eine kleine, zugegeben zynische Provokation mit den Abfangjägern.

Und last but not least insgesamt dasselbe Bild wie vorher: Ich, der große Reformer, und die anderen dürfen sich in den Retuschen auch noch etwas abschneiden.

Wie lange kann das halten? – Möglicherweise länger, als vielen in unserer Republik lieb ist. Das mag schon sein. Nur: Berechtigt ist dieser Misstrauensantrag heute allemal. Ich sage Ihnen auch, warum: Weil es nicht richtig ist, dass die heutigen Oppositionsparteien – und ich darf die SPÖ eigentlich mit einschließen, denke ich – in den seinerzeitigen Verhandlungen eigene Vor­schläge gemacht hätten. Das ist eben nicht richtig.

Ich darf nur ein, zwei Beispiele herausgreifen, wo gerade Sie, Herr Bundeskanzler, noch einmal persönlich interveniert haben, um bestimmte – wie ich meine: sinnvolle – Vorschläge zu torpe­dieren.

Was etwa den Bundeszuschuss zu den Pensionen betrifft, haben Sie heute gesagt und sich damit gerechtfertigt, dass dieser in absoluten Zahlen ja steige, während wir mittlerweile alle wissen, dass er am Volkseinkommen gemessen prozentuell auf längere Sicht sogar sinkt.

Wenn Sie jetzt die absoluten Zahlen bemühen, dann wird man eben künftig nicht mehr über die Steuer- und Abgabenquote reden, sondern über ständig steigende Steuern und Abgaben. Nur tut das vernünftigerweise niemand, jedenfalls nicht die Opposition, weil es Sinn macht, sich an solchen Quoten zu orientieren. Sie stellen sich hier her und sagen relativ simpel, dass es eben so sei. Das wirkliche Problem aber sprechen Sie damit nicht an, das Problem, das wir sehr wohl erkennen: Dass es nämlich nicht so bleiben kann, wie es ist. Das bestreitet ja niemand. Man muss auf Grund der demographischen Entwicklungen tatsächlich eingreifen, aber man muss sich die demographischen Entwicklungen anschauen, bevor man eine Budgetsanierungsmaß­nahme erarbeitet.

Die demographischen Entwicklungen zeigen ein eindeutiges Bild – es gibt verschiedene An­stiegsszenarien, aber man kann sich, glaube ich, darauf verständigen, Folgendes zu sagen –: Ab dem Jahr 2020 kann man wirklich von einem gröberen Problem reden, wenn nicht recht­zeitig etwas geschieht. Aber was ist rechtzeitig? – Rechtzeitig ist auch noch in einem halben


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Jahr – leicht! Es ist nur dann nicht rechtzeitig, wenn ich etwas anderes im Schilde führe, nämlich bestimmte Beschneidungsmaßnahmen durchziehen will, die relativ kurzfristig Wirkung entfalten, um damit möglicherweise auch in Brüssel gut dazustehen und eine Steuersenkung – aber da stellt sich die Frage: für wen? – über die Runden bringen zu können. Da werden wir Sie daran erinnern, dass wir vielleicht dann auch nicht über die Steuer- und Abgabenquote reden, sondern über das Gesamtvolumen, und das steigt selbst unter dem Kollegen Grasser ständig.

Der Punkt ist schlicht und ergreifend: Sinnvoll wäre es natürlich, beim faktischen Pensionsan­trittsalter etwas zu unternehmen; und das heißt, auch beim Frühpensionsalter.

Sie nicken, Kollege Molterer; auf Sie wollte ich gerade zu sprechen kommen. Wir haben näm­lich eigentlich relativ erfrischend in dieser Sache verhandelt.

Wenn es nämlich so ist, dass man hier etwas tun muss, dann sollte man sich sinnvollerweise den Arbeitsmarkt anschauen, damit man nicht ein Problem neu schafft und dort wieder neue Arbeitslose „produziert“, die man wahrscheinlich noch weniger – so hoffe ich – haben will als Frühpensionisten. Billiger ist es für das Budget, das gebe ich schon zu, aber ob das rechtfertig­bar ist angesichts der damit verbundenen Schicksale, das ist eine andere Frage. Und ob das gesellschaftspolitisch gescheit ist, ist eine weitere Frage, die wir klar mit Nein beantworten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Sie haben etwas anderes vor, das sollten Sie aber einmal offen legen.

Es haben Sie ja auch viele in der eigenen Partei nicht verstanden – wahrscheinlich bis heute nicht –, aber es bleibt ihnen ja nicht viel übrig.

Kollege Molterer und ich und andere in der Budget- und Pensionsgruppe haben auch sinnvolle Dinge verhandelt, wie etwa, das Frühpensionsalter so anzuheben, dass es nachgerade ein nützliches Instrument werden könnte, wenn man Pensionsantrittsalter und Arbeitsmarktdaten gemeinsam betrachtet. Dann nämlich, Herr Bundeskanzler, würden wir in den Jahren 2010 bis 2012 (Ruf bei der ÖVP: Zeit!) – das ist eine freiwillige Vereinbarung, beruhigen Sie sich! – genau diese Monate brauchen, die Sie jetzt völlig ohne Not und vor der Zeit sozusagen herunterräumen. Und das ist ein unverzeihlicher Unsinn, der durch nichts rechtfertigbar ist – außer durch überzogene Einsparmaßnahmen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) – Kollege Jarolim, lassen wir das!

Als Nächstes haben wir uns darauf verständigt, dass das eine gescheite Idee ist, und wir könnten das so modulieren, dass wir genau das Ziel erreichen, von dem ich gesprochen habe. Die Einigkeit war eigentlich relativ greifbar, aber Sie, Herr Bundeskanzler, haben es sich nicht nehmen lassen zu sagen: Nein!, es muss bis 2009 die Geschichte so heruntergefahren werden. Und Sie sagen nicht dazu, was uns die Experten vom Wirtschaftsforschungsinstitut, vom IHS gesagt haben, was da zusätzlich an Problemen erzeugt wird. Ich frage mich, wozu wir uns diese Institute überhaupt halten. Jetzt stehen Sie da und sagen: Jeder, der sich diesem Vorschlag nicht anschließt, ist ein Reformverweigerer!, und was weiß ich. Wie ein manierierter Ayatollah: Ich habe die Wahrheit, und da geht es lang. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) – Ich kann das nicht mehr nachvollziehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das ist nämlich insofern ein Problem, als wir damals – und das wirkt eben nach; das ist keine „Beziehungskiste“, da geht es nicht um Gefühle, da geht es um politische Vernunft – wechsel­seitig ein Verhandlungsangebot gestellt haben. (Abg. Scheibner: Das hat Sie hart getroffen!) Wenn Sie dann so damit umspringen und eine solche Reform über die Kante biegen wollen und den anderen vorwerfen, dass sie keine Vorschläge hätten, beißt sich dieses Argument in den Schwanz.

Ich empfinde das als relativen Missbrauch Ihrer Mehrheit, Ihrer relativen Mehrheit, die Sie haben, und Sie werden ja noch sehen, wie weit Sie damit kommen. Mit den fußmaroden Begleitkollegen der blauen Truppe, mittlerweile marodierend, ist das ja nur eine Frage der Zeit. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Dann wird die Frage sein, ob wir die Karten neu mischen müssen, oder ob Sie glauben, dass Sie weiter irgendwelche Trümpfe in der Hand haben, die Ihnen längst schon hinten „heraus­gezupft“ worden sind. Aber das wird alles Ihr Problem sein. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Jetzt geht es einmal darum, zu demonstrieren, dass dieses Misstrauen gerechtfertigt ist. Und das ist nicht nur eine Masche der Opposition in diesem Haus, sondern es geht ja auch darum, wie mit den Schicksalen von Menschen in dieser Republik umgesprungen wird. Das ist ja geradezu ein stellvertretendes Misstrauensvotum! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Reden Sie bitte noch weiter, das ist sehr interessant!) – Ihnen bleibt das auf Grund Ihrer Schwäche erspart. (Abg. Scheibner: Reden Sie weiter, bitte! Das ist sehr interessant!) – Gut, mache ich. (Heiterkeit.)

Ich darf kurz noch zu diesem einen Punkt mit dem Abfangjäger-Finanzierungsgesetz kommen. Dieses Gesetz an sich ist ja eine so genannte Trägerrakete, lese ich in der APA. – Wissen Sie, was das ist? – Das ist ein relativer Rohrkrepierer, der unter Umständen nicht einmal formal­rechtlich halten wird (Abg. Dr. Jarolim: Das ist zu befürchten, ja!), weil Sie den einzigen Zweck, den dieses Gesetz hat, dass dort nämlich eine bestimmte Summe zu nennen ist, die genau die Notwendigkeit erzeugt – die Sie im Übrigen vor einem Jahr noch abgestritten haben –, dass dieses Gesetz gemacht werden muss, dass also eine bestimmte Summe – eine sehr hohe, wie wir wissen! – es notwendig macht, dass das Parlament hier sozusagen die Freigabe im Vorhin­ein gibt, nicht erfüllen.

Was schreiben Sie? – Sie schreiben an dieser Stelle „xx Mio. €“! Sie sind sogar zu feig, dass Sie „ungefähr 2 Milliarden“ hineinschreiben! Hätten Sie dann eben einen Abänderungsantrag gestellt! Materiell-rechtlich ist das die glatte Beugung, formalrechtlich möglicherweise ein Pro­blem, denn Sie sagen nichts anderes als: Ich mache heute ein Gesetz, dass ich in Zukunft ein Finanzierungsgesetz brauche. Den einzigen Inhalt erwähnen Sie gar nicht, und dazu haben Sie allen Grund, weil Ihre Abfangjäger von Tag zu Tag teurer werden – aber damit werden wir Sie in den nächsten Wochen konfrontieren –, und das ist auch ein Missbrauch! Allein das hätte schon einen Misstrauensantrag verdient. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Was haben Sie denn mit der ÖVP verhandelt?)

Kollege Prinzhorn zeigt auf die Uhr, aber in dem Punkt weiß er, wovon ich rede: Ihm ist das Ganze ja selbst nicht recht. Das ist einfach nur ein Baustein einer Chronique scandaleuse einer sich ankündigenden Milliardenschiebung, und damit werden wir uns noch oft genug auseinan­der setzen. (Abg. Scheibner: Was haben Sie denn damals verhandelt mit der ÖVP?)

Herr Bundeskanzler und liebe KollegInnen auf der Ministerbank! Legen Sie eine dritte, vierte und fünfte Säule an, denn wenn wir Sie nur einigermaßen für den Schaden haftbar machen, den Sie hier gerade anrichten, in Promillebereichen, dann wird auch das womöglich nicht reichen. (Bravorufe und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.36


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler gemäß Artikel 74 Absatz 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Zu einem solchen Beschluss des Nationalrates ist gemäß der Bundesverfassung die Anwesen­heit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich. Ich stelle die Anwesenheit der Hälfte der Abge­ordneten hiemit fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensan­trag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines gerechten Pensionssystems für alle.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag hat nicht die erforderliche Mehrheit. Er ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Al­fred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pensionen, die fair, sicher und gerecht sind.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag hat auch keine Mehrheit. Er ist daher abgelehnt.

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 74/A der Abgeordne­ten Sigisbert Dolinschek, Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienst­gebern geringfügig beschäftigter Personen erlassen und das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz geändert wird (63 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 76/A der Abgeordne­ten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Einhebung einer Abgabe für Versicherte, die in geringfügigen Beschäftigungsverhältnis­sen stehen (64 der Beilagen)


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Silhavy. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.39


Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Wir diskutieren heute über zwei Anträge, die die pauschalierte Abgabe ... (Abge­ordnete der Freiheitlichen stehen bei der Regierungsbank und sprechen mit Vizekanzler Mag. Haupt.)

Wir werden sehen, ob der Herr Vizekanzler vielleicht doch auch mir ein Ohr schenkt während der Debattenzeit. Ich meine, das Thema, das wir gerade behandeln, ist auch für ihn nicht un­interessant. Es geht nämlich um ... (Vizekanzler Mag. Haupt schickt sich an, den Saal zu verlassen.) – Er schenkt mir leider nicht das Ohr, er verlässt den Saal. Ich bedauere ...


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Darf ich die Abgeordneten bitten, der Frau Abgeordneten, die die Erstrednerin ist und ein wichtiges Thema einbegleitet, Gehör zu schenken. (Abg. Dr. Bleckmann steht weiter bei der Regierungsbank und spricht mit Regie­rungsmitgliedern.)

Frau Kollegin Bleckmann, wir haben normalerweise ein Abkommen, dass wir den anderen Abgeordneten nicht den Rücken zuwenden.

Bitte, Frau Abgeordnete Silhavy.


Abgeordnete Heidrun Silhavy (fortsetzend): Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es geht um die pauschalierte Abgabe von Dienstgeberbeiträgen für geringfügig be­schäftigte Personen. Der Grund, warum das so wichtig ist und warum ich es bedauere, dass der Herr Vizekanzler den Saal verlassen hat, ist, dass es darum geht, dass die Bundesregierung


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gefordert war, bis längstens 31. März dieses Jahres das bestehende Gesetz zu reparieren, nämlich insofern, als der Verfassungsgerichtshof gesagt hat, dass diese pauschalierte Abgabe nicht im ASVG tituliert sein soll, sondern dass man eine andere Regelung finden muss.

Es ist der 31. März vergangen. Die Bundesregierung, die es bei der Pensionsreform und in anderen Bereichen so eilig hat, ja nicht einmal eine Diskussion zu diesen Themen zulassen will, hat in diesem Fall mehr als genügend Zeit gehabt, hat aber diese Zeit trotzdem tatenlos ver­streichen lassen, sodass es notwendig war, dass Abgeordnete dieses Hauses Anträge zur Behandlung dieses Themas einbrachten.

Was ist die Konsequenz? – Wir, die SPÖ-Fraktion, haben einen Antrag eingebracht, in dem wir wollten, dass die Dienstgeber den gleichen Beitrag wie die Dienstnehmer, wenn sie sozusagen in die Option hineingehen, zahlen müssen, damit auf der einen Seite die Sozialversicherungs­beiträge auch da gewahrt sind und damit auf der anderen Seite nicht sozusagen ein zusätz­licher Anreiz gegeben ist, immer mehr geringfügig Beschäftigte zu haben, sondern Menschen auch tatsächlich in Teilzeit- oder Vollzeitarbeit zu beschäftigen.

Der Antrag der ÖVP lässt das Recht so, wie es war. Eine Änderung erfolgt nur insofern, als dass dies eine Abgabe wird und aus dem ASVG genommen wird. Sie haben damit alle Chancen vertan, irgendwelche Verbesserungen herbeizuführen. Die Frau Staatssekretärin hat es ja auch in der Ausschussdebatte gesagt, das ist ein ernstes Thema. Es gibt einen zuneh­menden Anstieg der Zahl von geringfügig Beschäftigten. Es ist typisch wieder ein weibliches Thema.

Wir haben vorher darüber gesprochen, wie sich die geplante Pensionsreform auswirkt. Frau Staatssekretärin, vielleicht können Sie uns das sagen. Wie wirkt sich das für eine heute 30-jährige Frau, die geringfügig beschäftigt ist und jetzt sozusagen freiwillig in die Pensionsver­sicherung einzahlt, weil sie geringfügig beschäftigt ist, aus? Im Jahr 2028 wird ja die Deckelung von 10 Prozent beim Durchrechnungszeitraum aufgehoben.

Ich denke, das ist eine Problematik, die eine enorme Dimension hat, die man einfach nicht über­sehen kann. Da werden die Maßnahmen, die heute angekündigt worden sind, alle miteinander nicht reichen. Selbst der Präsident des Katholischen Familienverbandes – ich meine, das ist wirklich eine ganz unverdächtige Person, was ihr Naheverhältnis zur Sozialdemokratie anbe­langt – stellt heute in einer Aussendung fest, dass die geplanten Abfederungsmaßnahmen für Mütter im Rahmen der Pensionsreform „reine Kosmetik“ sind, Teilzeitbeschäftigte gingen „über­haupt leer aus“.

Nun frage ich mich: Wie ist die nächste Station, nämlich jener Menschen, die nicht teilzeitbe­schäftigt im herkömmlichen Sinn, sondern sozusagen geringfügig be­schäftigt sind? Angesichts dessen, was wir vorher gerade diskutiert haben, nämlich einschnei­dendste Maßnahmen im ASVG-Bereich, denke ich, das ist eine schlimme Situation, dass die Bundesregierung ein Jahr lang untätig war und nicht andere Lösungen für geringfügig Beschäf­tigte getroffen worden sind.

Es ist schade, dass Herr Bundesminister Bartenstein nicht da ist, weil natürlich ein Teil des Zu­wachses von Beschäftigung auf atypische Beschäftigungen hinausläuft – das sind nicht nur die Geringfügigen, das gebe ich schon zu – und weil ein Teil des Zuwachses an weiblicher Beschäftigung sozusagen in Wirklichkeit nichts anderes ist als der verlängerte Bezug des Kinderbetreuungsgeldes, die in der Form noch als Beschäftigte mitgezählt werden. Wir werden dann erst sehen, wie sich dieses halbe Jahr später auf den Arbeitsmarkt auswirken wird, ob die Frauen tatsächlich diese Beschäftigung haben. Es stellt sich die Frage, wie jene Frauen, die jetzt nebenbei geringfügig arbeiten gehen, weil sie vom Kinderbetreuungsgeld allein nicht leben können – und damit bin ich wieder bei den geringfügig Beschäftigten –, in Zukunft behandelt werden. Wie wird sich die Pensionsreform, die Sie planen, auf diese Gruppe auswirken? (Abg. Öllinger: Schaut nicht gut aus!)

Ich befürchte, dass es da zu ganz dramatischen Kürzungen kommen wird. Wenn man von Zu­kunftssicherung spricht, wenn man plant, künftige Pensionen zu sichern – wir bezweifeln das ja


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ohnedies, und wir haben ja auch anhand von Zahlen konkret belegt, dass es nicht um die Sicherung geht –, dann finde ich es schade, dass es gerade wieder die Frauen sind, gerade Frauen, die ohnedies oft keine andere Wahlmöglichkeit haben, nämlich geringfügig Beschäf­tigte, die von Ihnen komplett im Stich gelassen werden. Das ist äußerst bedauerlich, und das tut mir persönlich – muss ich ehrlich sagen – wirklich sehr weh, vor allem weil Sie auch eine Chance vorübergehen haben lassen, nämlich arbeitsmarktpolitisch einen Lenkungseffekt zu haben.

Ich halte zwar nicht viel von den Lenkungseffekten, wie sie diese Bundesregierung schon be­schlossen hat, denn bei den Ambulanzgebühren hat sich genau das Gegenteil herausgestellt. Aber im arbeitsmarktpolitischen Bereich, wo sich der Markt nicht von selbst regelt, versuchen Sie, die Unternehmer möglichst von allen Regeln zu befreien und die Arbeitnehmer sozusagen diesem Kräfteverhältnis zwischen Unternehmer einerseits und Menschen, die nichts anderes zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft, zu überlassen, und zwar zu Lasten der Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer.

Ein zweiter Punkt: Auf Grund der Tatsache, dass die Neuregelung zwei Monate später in Kraft treten wird, entgehen der Sozialversicherung 10 Millionen €. Man könnte sagen, angesichts des Budgets, angesichts der einschneidenden Maßnahmen im ASVG, die Sie planen, sind 10 Millio­nen € nicht viel. Wenn Sie überlegen – nicht wir! –, welche Belastungen Sie Pensionisten, Kran­ken, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auferlegen können, damit diese Sozialsysteme finanziert werden, dann, muss ich sagen, sind 10 Millionen € auch kein Klacks. Dann ist es auf das Versäumnis dieser Bundesregierung zurückzuführen, weil sie nicht gehandelt hat, weil sie säumig geblieben ist, dass diese 10 Millionen € fehlen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Die nachfolgenden Rednerinnen und Redner von uns werden auch darauf eingehen, was man mit den 10 Millionen € machen hätte können. Frau Staatssekretärin, werden diese 10 Millio­nen €, die der Sozialversicherung entgangen sind, über Bundesmittel jetzt der Sozialversiche­rung rückerstattet? Das ist meine Frage an Sie. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.47


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Wunschgemäß beträgt die Redezeit 6 Minuten. – Bitte.

16.47


Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mitte der neunziger Jahre waren einige Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen, aus denen neue Institutionen zwischen der selbständigen und der nicht selbstän­digen Erwerbstätigkeit resultierten. Neue Selbständige, freie Dienstnehmer sind die rechtlichen Regelungen, unter anderem auch die geringfügige Beschäftigung, die in der Zwischenzeit von 205 000 Menschen in Österreich in Anspruch genommen wird, die aber nicht, um einem Irrtum vorzubeugen, in der Arbeitsmarktstatistik als Beschäftigung zählt, sondern extra gezählt wird. Über 90 Prozent der geringfügig Beschäftigten – das wissen wir zumindest aus der Statistik des Jahres 2001 – verfügen auch über andere Versicherungsverhältnisse: Mitversicherung, Schüler, Studenten, Pensionisten, andere Arbeitsverhältnisse, selbständige oder unselbständige.

Also das Prekäre, wie es auch genannt wird, ist in Wirklichkeit eine Ventilfunktion, wo man Zuverdienstmöglichkeiten schafft, die unter einer gewissen vom Gesetzgeber einhellig definierten Bagatellgrenze liegen. Trotzdem wollte man nicht, dass mit dieser Institution Miss­brauch betrieben wird und dass etwa ein Unternehmen auf die Idee kommen könnte, Voll- oder Teilzeitarbeitsplätze auf mehrere Geringfügige aufzuteilen.

Daher hat es in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre eine intensive Diskussion darüber gege­ben und einen sozialpartnerschaftlichen Konsens, durch einen zusätzlichen Sozialversiche­rungsbeitrag für mehr als eineinhalb geringfügig Beschäftigte diesen möglichen Missbrauch hintanzuhalten. Eine gute Lösung, wie ich meine. Der Inhalt der Regelung wird auch vom Ver­fassungsgerichtshof nicht in Frage gestellt. Der Verfassungsgerichtshof geht in seinem auf-


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hebenden Erkenntnis vielmehr einzig und allein auf die Tatsache ein, dass hier ein falscher Kompetenztatbestand gesetzt wurde, dass nämlich dem Sozialversicherungsbeitrag bei einein­halbfacher geringfügiger Beschäftigung nicht unbedingt ein Versicherungsverhältnis und eine Leistung daraus gegenüberstehen.

Daher wird heute die Konsequenz gezogen, diese im Materiellen unveränderte Bestimmung neu nicht als Sozialversicherungsbeitrag, sondern als Bundesabgabe zu regeln.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir damit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes, geringfügige Beschäftigung weiter zu ermöglichen, nachkommen, auch dem Wunsch vieler, die etwas dazuverdienen wollen, nachkommen, aber gleichzeitig auch Missbrauch hintanhalten.

Lassen Sie mich aber zwei Bemerkungen zu dem machen, was meine Vorrednerin, die jetzt offensichtlich nicht mehr im Saal ist, gesagt hat! Ich sehe keine Notwendigkeit, vom ausdisku­tierten Konsens der Sozialpartner und der politischen Parteien aus den Jahren 1997/98 abzu­gehen und jetzt eine verschärfende Regelung zu treffen, wo sich diese doch bisher bewährt und Missbrauch eindeutig hintangehalten hat.

Lassen Sie mich aber auch zum Zweiten, zum Zeitpunkt etwas sagen: Natürlich war es notwen­dig, hier eine neue Diskussion über den Weiterbestand dieser Regelung zu führen. Uns wäre es auch lieber gewesen, hätten wir vom Verfassungsgerichtshof bis 1. Juni Zeit bekommen, diese Sanierung durchzuführen. Die Frist war im Erkenntnis nicht so weit gesetzt. Ich denke, wir anerkennen vollinhaltlich und auch in den formalen Bedingungen die Erkenntnisse des Verfas­sungsgerichtshofes. Das gehört zum freien Spiel der Kräfte.

Wenn ich aber diese checks and balances anerkenne, dann muss ich auch dem Gesetzgeber zugestehen, dass er nicht sofort und auf Zuruf reagiert und seine Zeit für diese Neuregelung in Anspruch nimmt. Diese wird heute getroffen. Noch einmal: politischer und sozialpartnerschaft­licher Konsens als Fundament. Ich verstehe nicht, warum die SPÖ heute nicht mehr mitgeht. Es erfolgt eine gute Regelung neu als Maßnahme zur Missbrauchsverhinderung und zur Weiter­ermöglichung geringfügiger Beschäftigung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.53


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten ein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.53


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident! Da niemand von der Bundesre­gierung anwesend ist, spreche ich eben, so wie es sich auch gehört, mit Ihnen.


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Frau Staatssekretär ist hinter Ihnen, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Dann bin ich wieder beruhigt. Das Problem ist, dass ich so wenig Möglichkeit habe, jetzt mit Mitgliedern der freiheitlichen Fraktion zu sprechen, weil diese offensichtlich ihren Dreisatz, den Kollege Walch aufgestellt hat, der da lautete: Lesen, denken, reden!, irgendwie überprüfen, ob er mit ihrer eigenen Praxis in Übereinstimmung steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion! (Abg. Dr. Fekter: Das war jetzt unheimlich klass, Herr Kollege Öllinger! Das war wirklich klass!) – Ich kann es auch erklären, Frau Kollegin Fekter. Die Kolleginnen und Kollegen der freiheitlichen Fraktion ... (Abg. Dr. Fekter: Eine derartige Überheblichkeit hätte ich von Ihnen nicht erwartet, Herr Kollege Öllinger!) – Was ist daran überheblich, wenn man die Reihenfolge dieses schönen Dreisatzes innerhalb der freiheitlichen Fraktion etwas problematisiert? Der Punkt ist doch der, dass die frei­heitliche Fraktion beim vorigen Tagesordnungspunkt, als wir die Pensionen diskutiert haben, ihre eigene Petition, die sie offensichtlich nicht gelesen hat, niedergestimmt hat, weil das im Wesentlichen das materiell-rechtliche Substrat für unseren Entschließungsantrag war. Da stellt sich dann schon die Frage: Wie hält es eine Fraktion mit den Prinzipien, die sie selbst aufstellt?


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Jetzt zu diesem Tagesordnungspunkt, meine sehr geehrten Damen und Herren – das wurde schon von Kollegin Silhavy angesprochen –: Wie halten Sie es in Bezug auf diesen Punkt mit den Prinzipien, die Sie beim vorigen Punkt aufgestellt haben? Schnell muss die Regierung han­deln, hat für den vorigen Punkt gegolten. Hier erleben wir eine Bundesregierung, die sagt, das hat schon Zeit, der Verfassungsgerichtshof hat uns da eine kurze Frist gegeben, 31. März. Die Frist ist allerdings nicht von heute auf morgen gekommen, das wissen Sie auch. Im Ausschuss ist etwas ehrlicher, als es hier Kollege Tancsits dargestellt hat, diskutiert worden. Man kam von Seiten der Regierungsparteien zu dem Ergebnis, wir konnten nicht früher reagieren, denn da lagen ja Wahlen dazwischen. Sie wissen, wann die Wahlen waren. Sie hätten also schon reagieren können, Sie hätten auch schon in der letzten Gesetzgebungsperiode die Vorbereitun­gen oder den Beschluss im Parlament fassen können. Es ist nicht passiert, es war Ihnen nicht wichtig. Stellen wir es halt so fest!

Zu dem Punkt, den Kollege Tancsits angesprochen hat, den er sehr lange begründet hat: Seit 1997 gibt es eine Regelung für die geringfügig Beschäftigten, die auf Seiten der Beschäftigten die Optionsmöglichkeit sicherstellt. Diese können per Option und per Beitragszahlung in das System Krankenversicherung und Pensionsversicherung hineinoptieren.

Gut, aber eigentlich nicht sehr gut. Sie wissen, Frau Staatssekretärin, von diesem Recht und von dieser Möglichkeit können von jenen, die tatsächlich auf geringfügige Beschäftigung ange­wiesen sind – und diese gibt es, manchmal haben sie zwei oder drei geringfügige Beschäfti­gungen, manchmal eben nur eine –, nur sehr wenige Gebrauch machen, weil sie nicht das Geld haben und das Geld schlicht und einfach zum Überleben brauchen. Denen ist es keine große Hilfe, wenn Sie ihnen diese Option anbieten.

Es wäre also von der Systematik durchaus richtiger und sauberer, das so zu machen, wie es die sozialdemokratische Fraktion in ihrem Antrag vorgeschlagen hat, nämlich sich prinzipiell zu überlegen, ob man nicht auch für die geringfügig Beschäftigten einen beiderseitigen Beitrag, nämlich einen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag verankert, und damit hat sich die Sache. Dann sind sie versichert, dann gibt es nicht mehr die Optionsmöglichkeit, von der auch die nicht Gebrauch machen können, die es gerade am dringendsten bräuchten.

Auf die eine Frage, die Ihnen Kollegin Silhavy schon gestellt hat, meine ich, kennen Sie die Ant­wort selbst gut genug. Was ist mit diesen geringfügig Beschäftigten jetzt im neuen Pensions­recht? – Wenn jemand wirklich einige Jahre oder etliche Jahre geringfügig beschäftigt war, dann gehört der oder eigentlich die – denn überwiegend sind es Frauen – zu den absoluten VerliererInnen Ihrer Pensionsreform. Diese können schon heute sagen: Danke, liebe Bundes­regierung des Jahres 2003, dieses Elend habt ihr uns eingebrockt! – Frau Staatssekretärin, da wäre eine Antwort von Ihrer Seite, die zumindest erkennbar macht, dass man an diese Gruppe denkt, schon noch notwendig.

Im Übrigen: Wir stimmen dem zu, auch dieser Abänderung. Sie ist besser als nichts. Bei dieser Bundesregierung sind wir überhaupt manchmal schon froh, wenn sie etwas mehr als nichts macht. (Beifall bei den Grünen.)

16.59


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dolinschek. Wunschgemäß ist die Uhr auf 5 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.59


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Anlass für die heutige Beschlussfassung ist ein Erkenntnis des Verfassungs­gerichtshofes vom 7. Februar 2002. Darin hat der Verfassungsgerichtshof den seit 1998 gesetzlich verankerten Dienstgeberbeitrag für Personen mit geringfügiger Beschäftigung in der bestehenden Form als verfassungswidrig gewertet und ab 31. März 2003 aufgehoben.

Die Bestimmungen konnten sich weder auf den Kompetenztatbestand des Sozialversicherungs­wesens noch auf den Kompetenztatbestand des Abgabenwesens stützen. Dieser Dienstgeber­beitrag wurde 1998 eingeführt, weil immer häufiger eine Zersplitterung von regulären Vollzeit-


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und Teilzeitarbeitsplätzen in mehrere geringfügige Beschäftigungen festzustellen war. Ohne Er­satzregelung würde die Pensions- und Krankenversicherung jährlich 50 Millionen € verlieren.

Das Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig Beschäftigter sieht nun vor, dass Unternehmer diese Bundesabgabe im Ausmaß von 16,4 Prozent der monat­lichen Arbeitsverdienste in Summe der geringfügig Beschäftigten einschließlich Sonderzahlun­gen zu entrichten haben, die dem Sozialversicherungszweck gewidmet ist und von den Kran­kenversicherungsträgern eingehoben wird. 76,5 Prozent entfallen auf die Pensionsversicherung und die übrigen 23,5 Prozent auf die Krankenversicherung, sie sind dem Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger zu überweisen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dieser Gesetzesinitiative soll nun die verfassungskon­forme Grundlage dieses Kompetenztatbestandes des Abgabenwesens wieder fortgeschrieben werden, indem der Inhalt der aufgehobenen Bestimmungen in das Dienstgeberabgabegesetz transferiert wird.

Geschätzte Damen und Herren! Es erschien angemessen, dass Dienstgeber von geringfügig beschäftigten Personen, deren Tätigkeit ebenso zum wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebes beiträgt wie die Tätigkeit von Vollzeitbeschäftigten, zur Finanzierung des sozialen Schutzes ihrer Dienstnehmer heranzuziehen sind. Gleichzeitig wollte man die Wettbewerbsvorteile von Dienstgebern mit geringfügig Beschäftigten gegenüber Dienstgebern mit pflichtversicherten Be­schäftigten beseitigen und so die Neigung des Dienstgebers, geringfügig Beschäftigte einzustel­len, um die Beitragspflicht zu umgehen, eindämmen.

Nun hat man eben diese Regelung gewählt. Der Vorschlag ist im Prinzip auch von den Sozial­partnern gut geheißen, ausgearbeitet und vorgeschlagen worden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist wichtig, diesen verfassungskonformen Zu­stand wiederherzustellen. Grundsätzlich sollten wir aber weiterhin eine Diskussion darüber füh­ren, wie es mit geringfügig Beschäftigten in Österreich überhaupt ausschaut, welche Versiche­rungsmöglichkeiten für diese Gruppe bestehen und was wir in diesem Bereich verbessern können. Diskussionen über geringfügig Beschäftigte sind also auf jeden Fall auf parlamenta­rischer Ebene auch in Zukunft zu führen, um Verbesserungen zu erreichen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.02


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Staatssekretärin Haub­ner. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

17.02


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Plenums! Ich denke, wir sollten, so wie ich es schon im Ausschuss gesagt habe, zwei Dinge nicht vermischen: Das eine ist das Formale, um das es heute geht – eine Gesetzesinitiative, die eine bisher bewährte Rechtslage und Gesetzeslage fortschreibt, wurde aus rein formalen Gründen vom Verfassungs­gerichtshof aufgehoben, und es soll mit dieser heutigen Beschlussfassung wieder Rechtssicher­heit geschaffen werden. Diese Gesetzesbestimmung wurde 1997 im Einvernehmen mit den Sozialpartnern beschlossen. – Das ist das eine.

Das Zweite ist die Diskussion um eine qualitative Verbesserung in einem Bereich, in dem zu zwei Drittel Frauen beschäftigt sind. Die Zahlen für den März 2003 lauten: In Österreich gab es insgesamt 218 931 geringfügig Beschäftigte, von diesen waren 154 919, also mehr als zwei Drittel, Frauen. Die Tendenz ist leicht steigend.

Wenn wir über die Qualität dieser Arbeitsverhältnisse diskutieren, stellt sich daher die Frage: Wollen wir überhaupt, dass mehr Frauen mehr atypische, in dem Fall auch geringfügig beschäf­tigte Dienstverhältnisse übernehmen? – Das ist für mich die grundsätzliche Frage, denn gerade im Rahmen der Diskussion um die Pensionsreform taucht immer wieder das Problem auf, dass Frauen zu wenig Beitragszeiten oder zu gering bewertete Beitragszeiten haben und daher im


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Alter auch eine sehr geringe Pension bekommen. Sie wissen, die Alterspension von Frauen ist um fast zwei Drittel niedriger als jene der Männer. Die durchschnittliche Alterspension von Frauen beträgt 637 €.

Daher stellt sich für mich die Frage: Was wollen wir eigentlich? Wollen wir ein Arbeitsverhältnis weiterschreiben, bei dem zwar zugegebenermaßen entsprechende Kranken- und Pensionsver­sicherungsbeiträge sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern geleistet werden, aber dadurch wiederum eine Bemessungsgrundlage vorliegt, die relativ niedrig ist? Oder wollen wir, dass diese Beschäftigungsverhältnisse trotzdem in Zukunft die Ausnahme sind und gerade jenen Frauen, die arbeiten wollen oder müssen, vielmehr die Chance geben, dass sie ordentlich versicherte Arbeitsverhältnisse eingehen können?

Zurzeit ist es so – das wissen Sie genauso wie ich –, dass Frauen im Besonderen die Möglich­keit haben, sich freiwillig zu versichern. Sie, Herr Abgeordneter Öllinger, haben gesagt, das könne sich kaum jemand leisten. Ich weiß, der Verdienst bei einem geringfügigen Arbeitsver­hältnis ist gering. Der Beitrag beträgt rund 43 € pro Monat. Aber es ist so, dass viele Frauen diese Möglichkeit nicht so sehr wegen des Sich-nicht-leisten-Könnens nicht in Anspruch nehmen, sondern dass viele Frauen gar nicht wissen, dass es diese Möglichkeit gibt.

Daher sollten wir, bevor diese Frage endgültig geklärt wird, zunächst die Frauen besser infor­mieren und ihnen sagen, dass sie diese Möglichkeit haben. Wenn die neue Pensionsreform greift, ist es ganz besonders wichtig, dass sie das wissen, dass sie sich versichern können, weil dann sind das Beitragszeiten, die für die Durchrechnung wichtig sind. Und den Durchrech­nungszeitraum werden wir für Frauen, vor allem wenn sie neben der Erwerbstätigkeit auch Kinder haben, verkürzen.

Wenn eine Frau – das ist heute schon oft angesprochen worden, aber ich sage es trotzdem noch einmal – pro Kind ... (Abg. Öllinger: So viele Kinder kann man gar nicht haben, dass das besser wird!) – Es genügt ein Kind, dann werden drei Jahre herausgenommen. Frauen haben sehr unregelmäßige Erwerbsverläufe. Viele Frauen arbeiten nicht ein ganzes Leben lang ge­ringfügig beschäftigt. Frauen haben geringfügig beschäftigte Arbeitsverhältnisse, sie arbeiten Teilzeit und haben Gott sei Dank auch sehr viele Vollzeitjahre.

Daher denke ich, es ist gerade jetzt im Zusammenhang mit dieser Diskussion wichtig, auf der einen Seite zu sagen: Wer ein Arbeitsverhältnis im Ausmaß einer geringfügigen Beschäftigung hat, soll sich, um es später für die Pension auch lukrieren zu können, freiwillig versichern. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Was machen wir überhaupt? Wollen wir das wirklich?

Daher lade ich die Damen und Herren von der Opposition, die das auch schon im Sozialaus­schuss angesprochen haben, ein, im Rahmen einer Arbeitsgruppe gemeinsam zu überlegen, was wir in diesem Zusammenhang machen können. Mir persönlich sind die Frauenanliegen ganz besonders wichtig, und ich weiß, dass die frauentypischen Erwerbsverläufe eben so sind. Wir brauchen uns da wirklich nichts vorzumachen.

Weiters wurde noch gefragt, warum dieses Gesetz erst jetzt, nämlich mit 1. Juni 2003, in Kraft trete. Der Herr Vizekanzler, damals „nur“ Bundesminister Mag. Haupt hat vor dem Som­mer 2002 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um die Frage zu klären: In welche Richtung sollen wir dieses Gesetz ändern – entweder in Richtung Abgabengesetz oder in Richtung Verfas­sungsgesetz? – Diese Arbeitsgruppe hat getagt, und dann – Sie alle wissen es – fanden die Wahlen statt. Wir aber sind nicht jene gewesen, die die Wahlen ausgerufen haben. (Abg. Öllin­ger: Das weiß man nicht so genau!) Daher war es nicht möglich, diese Änderung zeitgerecht einzubringen. Dafür gibt es also eine ganz einfache Erklärung.

Wenn Sie sagen, dass 10 Millionen € für die Sozialversicherung verloren gegangen sind, dann, muss ich sagen, bedauere ich das wirklich, aber ich denke, die Sozialversicherungen sind Ein­richtungen, in denen es noch sehr viele Privilegien gibt – vielleicht kann man da ansetzen und diese 10 Millionen € einsparen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich möchte zum Abschluss noch Folgendes sagen: Wir haben heute sehr viel von Qualitätsver­besserungen gesprochen. Ich denke, es ist gerecht, etwas für jene zu tun, die fleißig arbeiten, damit sie auch im Alter Sicherheit haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang meinen lieben Kollegen Max Walch in abgewandelter Form zitieren: Wir Freiheitlichen haben gerade auch jetzt im Zusammenhang mit der Begutachtung des nun vorliegenden Pensionsreformentwurfes ge­zeigt, dass wir diejenigen sind, die zuhören, die denken und dann handeln! Und so könnten wir es auch bei diesem Problem machen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.10


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Riepl. Er will 5 Minuten zu uns sprechen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.10


Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt, wie schon meine Vorredner ausgeführt haben, um Beiträge, die Arbeitgeber für Arbeitnehmer an die Sozialversicherung zahlen – zahlen sollen, zahlen müssen. Es geht darum, dass der Verfassungsgerichtshof eine beste­hende Pauschalierung von Arbeitgeberbeiträgen für geringfügig Beschäftigte im Frühjahr ver­gangenen Jahres aufgehoben hat und der Regierung ein Jahr Zeit gab, eine Reparatur vorzu­nehmen.

Darauf wurde allerdings vergessen, so möchte ich fast sagen, Frau Staatssekretärin! Die Frist ist abgelaufen, und zu spät wird nunmehr diese heutige Reparatur beschlossen – ganz konkret um zwei Monate zu spät, denn die heutige Regelung tritt erst mit 1. Juni in Kraft. Das heißt, die Arbeitgeber ersparen sich für die Monate April und Mai, Beiträge für ihre geringfügig Beschäf­tigten zu bezahlen. Darauf ist aber schon hingewiesen worden.

Ich halte das für eine Art Lohnnebenkosten-Geschenk der Regierung, indem man nämlich ein­fach sagt, es hat zwar ohnehin eine Arbeitsgruppe gegeben, die konnte aber wegen der Wahlen nicht weiter tagen. In Wirklichkeit schaut es aber so aus, als ob das Absicht gewesen wäre und man erst im letzten Augenblick noch Maßnahmen setzt. (Abg. Dr. Fekter: Haben Sie nicht zugehört, was die Frau Staatssekretärin gesagt hat? – Zwischenbemerkung von Staatssekretä­rin Haubner.)

Liebe Frau Staatssekretärin, Sie persönlich können nichts dafür, denn Sie waren damals noch nicht in dieser Funktion tätig, das ist richtig. Aber letztendlich lassen Sie die Kollegen, die eigentlich dafür die Verantwortung haben, jetzt im Stich. Das ist auch ein „schönes“ Bild, das wir da erleben. (Staatssekretärin Haubner: Ich bin stark genug!)

Wer haftet eigentlich für den Schaden, den die Sozialversicherung durch diesen Beitragsentfall erleidet? Wer haftet eigentlich dafür? Wer trägt dafür eigentlich die Verantwortung? Sie oder der Herr Vizekanzler oder die ganze Regierung? – Es geht immerhin um die „Kleinigkeit“ von „nur“ 10 Millionen € oder rund 140 Millionen Schilling, die da jetzt fehlen. Der Sozialversicherung werden durch diese Regierung und diese Politik systematisch – in diesem Fall würde ich fast sagen, was heißt fast, ich sage es: fahrlässig – die Einnahmen gekürzt, geschmälert. Es wird dann womöglich noch behauptet, die Krankenkassen können ja nicht wirtschaften.

Das ist eine Vorgangsweise, die meiner Meinung nach unakzeptabel ist, und angesichts der man die Frage stellen muss: Wer hat dafür eigentlich die Verantwortung zu tragen? – Nach den bisherigen Wortmeldungen von Rednern der Regierungsparteien und auch nach Ihrer Wort­meldung, sehr verehrte Frau Staatssekretärin, habe ich niemanden gefunden beziehungsweise habe ich nicht herausgehört, dass jemand sagt: Da ist uns etwas passiert, wir versuchen, das rasch zu erledigen. Herr Tancsits bringt zwar ein paar Tage vor Ende dieser Frist geschwind einen Antrag ein, aber sonst ist nichts geschehen! (Abg. Dr. Trinkl: Heute ist es passiert! Frau Hostasch war damals Ministerin, Herr Riepl!)


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Sehr verehrte Damen und Herren! Was passiert, wenn zwei Monate lang beispielsweise Studenten keine Studiengebühren bezahlen? – Dann gibt es Sanktionen, dann dürfen sie nicht mehr weiterlernen. Was passiert, wenn ein Arbeitgeber zwei Monate lang keinen Lohn bezahlt? – Dann wird er sich vor dem Arbeitsgericht wieder finden, und dort wird der Arbeits­richter im Namen der Republik ein Urteil sprechen. (Abg. Dr. Trinkl: 1997 haben Sie nicht daran gedacht!)

Wenn aber die Regierung beziehungsweise die Regierungsparteien durch Nicht-Handeln Scha­den verursachen, wie man es nun tatsächlich erleben muss – 140 Millionen Schilling Schaden für die Sozialversicherungen, die jeden Schilling brauchen würden –, dann gibt es keine Sanktionen, dann gibt es keine Verurteilung und nicht einmal eine Entschuldigung. Nein, Herr Tancsits redet als Arbeitnehmervertreter, als ob das alles in Ordnung wäre und geht auf unsere Kritik mit keinem Wort ein. (Abg. Mag. Tancsits: Sie haben das falsche Gesetz beschlossen!)

Sie gehen zur Tagesordnung über, und das kritisieren wir von der sozialdemokratischen Frak­tion sehr deutlich, damit möglichst viele Menschen in diesem Land erfahren, wie Sie mit den Krankenkassen und mit den Sozialversicherungen umgehen. Nach den Ambulanzgebühren, die mehr kosten, als sie bringen, ist das nunmehr ein weiteres Beispiel dafür, dass den Sozialver­sicherungen Schaden zugefügt wurde.

Frau Staatssekretärin! Ich habe den Eindruck, das wird langsam in der Regierung zum System: Man legt den Sozialversicherungen Belastungen auf, ordnet ihnen neue Aufgaben zu und minimiert die Beitragsgrundlagen.

Sie sagen, es sei sich von der Zeit her nicht ausgegangen. Ich frage Sie: Warum ist das nicht im Jänner passiert? – Wir haben im Jänner eine Sitzung gehabt. Damals waren die Wahlen längst vorbei. Die handelnden Personen hätten diesen Antrag jederzeit einbringen können. Das Argu­ment, das sei nicht zeitgerecht möglich gewesen, das – seien Sie mir nicht böse – nehme ich Ihnen nicht ab. Das ist nicht richtig, denn wir hätten den Antrag im Jänner im Rahmen der ersten Sitzung dieser Legislaturperiode ohne weiteres behandeln und das Problem so sanieren können, dass kein Schaden für die Sozialversicherungen entstanden wäre.

Ich bitte Sie, bei Ihrer künftigen Regierungstätigkeit mehr Augenmerk darauf zu legen, dass solche Dinge nicht mehr passieren. Und ich frage noch einmal, ich frage Sie ganz konkret: Wer haftet jetzt dafür? (Beifall bei der SPÖ.)

17.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Marek. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.16


Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Antrag der Abgeordneten Dolinschek, Mag. Tancsits, Kolleginnen und Kollegen entspricht exakt der Sozialpartnerlösung aus dem Jahr 1997, die damals in einem breiten Konsens erarbeitet wurde.

Die Bekämpfung von Missbrauch, gerade bei geringfügigen Dienstverhältnissen ist natürlich auch der Österreichischen Volkspartei und mir ein wichtiges Anliegen. Allerdings muss dies mit anderen Mitteln erfolgen, als die SPÖ dies in ihrem Antrag vorschlägt. Demnach sollten nämlich geringfügige Dienstverhältnisse für Arbeitgeber deutlich unattraktiver gestaltet werden, um diese Beschäftigungsform zu Gunsten von Teil- und Vollarbeitszeitmodellen zurückzudrängen. Das klingt an sich nicht schlecht, nur wird es leider so nicht funktionieren.

Es wäre blauäugig, zu denken, dass das so eintreten würde. Ganz im Gegenteil: Es würden dann oftmals gar keine Dienstverhältnisse mehr zustande kommen und die betroffenen Perso­nen zum Teil sogar in die Schwarzarbeit gedrängt werden. Und gerade für Frauen, die etwa zwei Drittel der geringfügigen Dienstverhältnisse in Anspruch nehmen, wäre dies eine deutliche Verschlechterung.


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Gemäß einer Studie des Instituts für Höhere Studien, IHS, befinden sich zwei Drittel der gering­fügig Beschäftigten mit der Intention des Nebeneinkommens neben einer Ausbildung, selbstän­diger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit, aber auch neben Kinderbetreuung in solchen Jobs. Für viele Personen bedeutet eine solche Tätigkeit den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Und was diese Möglichkeit gerade für Frauen bedeutet, brauche ich hier wohl nicht weiter zu erläutern.

Ich darf die erwähnte Studie weiter zitieren, wonach in der Regel bei langfristiger Beobachtung, nämlich zu 95 Prozent – Kollege Öllinger ist leider nicht anwesend – kein Mehrfacheinkommen auf Grund paralleler geringfügiger Beschäftigungen bestand. Auch der Zufriedenheitsgrad der mehr als 16 200 befragten Personen mit geringfügiger Beschäftigung war außergewöhnlich gut. Lediglich 17 Prozent gaben an, mit ihrer Beschäftigungssituation weniger oder gar nicht zufrie­den zu sein.

Wie wir bereits gehört haben, sind außerdem etwa 70 Prozent aller geringfügig Beschäftigten in anderen Versicherungsverhältnissen erfasst, etwa durch Mitversicherung oder durch Versiche­rung auf Grund selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit. Und auch das Angebot des Opting-in bietet den Betroffenen die ausgesprochen günstige Möglichkeit, sich zu einem fairen Preis selbst versichern zu können. Die Befürchtung, dass die finanziellen Mittel für die freiwillige Versicherung nicht vorhanden wären, konnte in der Studie ebenfalls widerlegt werden.

Es stellt sich daher die Frage, wie verantwortungsvoll ein bewusstes Zurückdrängen dieser Be­schäftigungsform wäre, und auch, wie weit man diejenigen Personen damit unterstützen könnte, denen man helfen will. Meiner Meinung nach kaum. Wenn ich beispielsweise von meiner eigenen Situation ausgehe, kann ich nur sagen, dass ich heilfroh war, als allein erziehende Mutter während der Karenz geringfügig dazuverdienen zu können. Leider gab es damals – mein Sohn wurde 1993 geboren – noch nicht die Möglichkeit des Opting-in, und leider gab es auch noch kein Kinderbetreuungsgeld.

Was ich aber in meiner täglichen Praxis als Betriebsratsvorsitzende eines Wiener High-Tech-Unternehmens erlebe, ist die rasante Veränderung unserer Arbeitswelt. Durch die Entwicklung von neuen Technologien, die zunehmende Mobilisierung und Flexibilisierung sowie durch die steigenden Anforderungen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergeben sich Pro­bleme, aber auch große Chancen, von denen wir vor zehn Jahren noch nicht einmal zu träumen gewagt haben.

In diesen Bereichen muss die Politik Rahmenbedingungen erarbeiten und festlegen, die es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, die Chancen tatsächlich zu ergreifen, aber auch entsprechenden Schutz vor potenziellen Gefahren bieten. Die Arbeitswelt hat sich verän­dert, ebenso wie die Menschen, die in den meisten Branchen – Gott sei Dank! – deutlich selbst­bewusster und eigenverantwortlicher geworden sind als früher. Begriffe wie Teleworking, Work-Life-Balance und Diversity sind längst nicht mehr nur Schlagworte und erfordern dringend Anpassungen von bestehenden Regelungen und Verordnungen. Ebenso müssen wir an laufenden Verbesserungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf arbeiten. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche! (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.)

Das sind die Themen, mit denen ich mich bereits seit mehreren Jahren intensiv beschäftige. Ich hoffe sehr, dass ich mit Ihnen gemeinsam im Hohen Haus, dem ich seit 20. Dezember des Vorjahres angehöre, da etwas positiv bewegen kann. Ich freue mich auf eine gute, konstruktive Zusammenarbeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Prammer. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte.

17.21


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Es war sehr interessant, Frau Staatssekretärin, Ihnen zuzuhören. Sie haben uns mitgeteilt, dass es vor dem Sommer die Intention des damaligen Sozialministers gab, eine Arbeitsgruppe einzusetzen. (Staatssekretärin Haubner: Sie hat bestanden!) – Sie hat sogar bestanden. Was ist da disku-


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tiert worden? – Keine inhaltliche Veränderung, sondern nur eine formale Änderung, nämlich die Frage: Geben wir das Ganze in ein anderes Formalrecht oder machen wir ein Verfassungsge­setz?

Ich bin ganz erstaunt, Frau Staatssekretärin! Ihnen nehme ich ab, dass es Ihnen um inhaltliche Fragen geht. Aber offensichtlich ist es im Sommer vergangenen Jahres den Regierungsparteien nicht um eine Debatte über inhaltliche Änderungen gegangen, sonst hätten Sie nämlich eine andere Arbeitsgruppe einsetzen müssen. Es ist also sehr interessant, das zu hören, denn ange­sichts dessen fehlt mir jeder Glaube, dass von Seiten der ÖVP geplant ist, auch tatsächlich inhaltliche Veränderungen vorzunehmen.

Worum geht es? – Es geht ganz einfach darum – ich bekenne mich dazu, im Gegensatz zu meiner Vorrednerin, Frau Kollegin Marek –, es nicht so leicht und durchaus unattraktiver zu machen, die Zahl geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse explodieren zu lassen. Es hat vor dieser Versicherungspflicht immerhin eine jährliche Zunahme von geringfügigen Beschäfti­gungsverhältnissen in Höhe von rund 10 Prozent gegeben. Nach Einführung dieser Versiche­rungspflicht seitens der Unternehmer ist das auf 3 bis 4 Prozent reduziert worden.

Es hilft also, wenn man hier stärkere Maßnahmen setzt. Das ist auch der Grund dafür, warum wir den Antrag gestellt haben, bereits bei einem geringfügigen Dienstverhältnis die Ver­siche­rungspflicht seitens des Unternehmers einzuführen.

Auf das, was mir wirklich sehr wichtig ist, hat auch Frau Kollegin Marek hingewiesen. Herr Kollege Tancsits hat gemeint, 10 Prozent seien nur geringfügig beschäftigt, der Rest habe ohne­dies auch etwas anderes. – Das stimmt eben nicht! Es ist rund ein Viertel bis ein Drittel der geringfügig Beschäftigten, die kein anderes Einkommen haben, die kein anderes Beschäfti­gungsverhältnis haben.

Was heißt das, wenn ich es auf die so genannte Pensionsreform umlege, die jetzt in erster Linie Frauen trifft? – Sie können es sich jetzt aussuchen, sie haben die Wahl zwischen Pest oder Cholera. Denn entweder steigen sie in die Option, in das freiwillige Weiterversichern ein. Das haut ihnen natürlich alles zusammen, was den Durchrechnungszeitraum betrifft. Oder sie sagen, wir optieren nicht, dann sind wir halt nicht versichert. Aber dann haut es ihnen alles zusammen, was die Versicherungszeiten betrifft. – Also sie können es sich aussuchen, was sie wollen. Sie sind auf alle Fälle am Ende des Tages die so genannten „Geschnapsten“, wie man das in Österreich so salopp sagt.

Das ist in Wirklichkeit das Schlimme daran! Da ist tatsächlich Handlungsbedarf gegeben, und ich mache kein Hehl daraus, dass ich glaube, wir müssen in einer Solidargemein­schaft leben, in der es darum geht, kein Beschäftigungsverhältnis außerhalb dieser Solidarge­meinschaft zuzu­lassen – egal, ob es sich um geringfügig Beschäftigte, um Teilzeitbeschäftigte oder die anderen neuen Beschäftigungsformen handelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur so hat unsere Solidargemeinschaft auch in Zukunft wirklich Bestand. Es hilft nichts, am Ende dieses Erwerbslebens den Menschen vorrechnen zu müssen, was ihnen alles fehlt. Gleichzeitig haben die Beiträge auch im Versicherungstopf gefehlt.

Frau Staatssekretärin, wir haben Ihnen bereits im Ausschuss unsere Kooperation angeboten. Dabei bleibt es auch. Ich glaube wirklich, dass bei den geringfügig Beschäftigten dringender Handlungsbedarf gegeben ist und dass es höchste Zeit ist, hier eine zweite Etappe zu nehmen, nachdem die erste 1997 eingeführt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

17.26


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Dr. Trinkl. 5 Minuten wunschgemäß. – Bitte.

17.26


Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Verehrte Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es haben jetzt mehrere Redner auf


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die Missbrauchsmöglichkeit oder die Missbrauchsvermeidung hingewiesen, die durch die Einbe­ziehung von geringfügig Beschäftigten ins Auge gefasst werden sollte.

Ich darf Sie daran erinnern, es gibt in Österreich 210 000 geringfügig Beschäftigte in 80 000 Un­ternehmen. Durch den heutigen Gesetzesantrag einer pauschalen Abgabe für Dienstgeber von geringfügig Beschäftigten sind 15 000 Unternehmen in Österreich betroffen. 15 000 bei 210 000 geringfügig Beschäftigten!

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition! Ich sehe diese gewaltige Gefahr des Missbrauches als tatsächlich nicht gegeben. Tatsache ist, dass geringfügige Beschäftigun­gen aus verschiedenen Gründen zustande kommen. Diese können auf Seiten des Arbeitgebers sein, dass er meinetwegen eben nur diesen Job an einem Tag als Aushilfe anbieten kann, aber genauso auch auf Seiten des Abreitnehmers, der eben nur dieser einen Tätigkeit nachgehen kann.

Ich darf Sie daran erinnern, dass viele geringfügige Beschäftigungen bewusst auch im privaten Bereich angestrebt wurden, um eben vor allem diesen Mitarbeitern, meist Damen, den Weg aus der Illegalität heraus zu ebnen. Das war damals der Beweggrund.

Auf der anderen Seite war es über 40 Jahre in diesem Lande so, dass die überwiegende Mehr­heit der Meinung war, dass geringfügige Beschäftigungen nicht in die Sozialversicherung ein­bezogen werden sollten, weil man eben von Kleinsteinkommen keine Beiträge nehmen wollte, aber auf der anderen Seite natürlich auch keine Ansprüche erwachsen sollten.

Ende der neunziger Jahre – das ist bereits gesagt worden – hat sich das verändert. Damals war das Schlagwort: Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungspflicht. Wir haben damals für Arbeitnehmer das Opting-in zu einem sehr günstigen Tarif – man spricht hier vielfach auch von einer Diskont-Versicherung – ermöglicht und haben gesagt, jene Arbeitgeber, die mehrere geringfügig Beschäftigte haben, sollten einen Beitrag leisten.

Ich darf Sie schon daran erinnern, vor allem meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, dass diesen Beschlüssen damals intensive Verhandlungen der Sozialpartner vorange­gangen sind. Wir bekennen uns auch heute noch, Herr Präsident Verzetnitsch, zu diesen damaligen Übereinkünften. Nicht so, so glaube ich, die SPÖ, sonst wäre ihr Antrag heute nicht denkbar.

Ihr Antrag trifft 15 000 Unternehmer. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.) Sie wollen, dass bereits ab Erreichen der Geringfügigkeitsgrenze die Sozialversicherungspflicht beziehungs­weise jetzt diese Abgabepflicht entstehen soll. Wir wollen das nicht. Wir wollen geringfügige Beschäftigungen im privaten Bereich, wo üblicherweise nur ein geringfügig Beschäftigter verwendet wird, draußen lassen.

Sie wollen auch in Kauf nehmen, dass wir geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten auch der Versicherungspflicht unterwerfen. Das ist nicht unser Weg. Wir wollen zwischen Beschäfti­gungsverhältnissen in Unternehmen und in privaten Haushalten trennen. Das war damals richtig, und das ist auch heute noch richtig. Sie werden daher verstehen, dass wir Ihrem Antrag nicht beitreten können, weil er, so glaube ich, weit über das Ziel hinausschießt.

Herr Kollege Riepl! Sie haben hier tränenreich beweint, dass durch die zugegebenermaßen verspätete Vorlage dieses Antrages 10 Millionen € verloren gehen. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir gemeinsam in der Regierung waren, dass es Ihre Ministerin Hostasch war, die diesen verfassungsrechtlich nicht gedeckten Vorschlag hier dem Hohen Haus präsentiert hat. Also tragen Sie zumindest an der Behebung dieser Lösung auch ein gutes Quäntchen Mitschuld.

Eines darf ich schon sagen: Der Verfassungsgerichtshof wird sicher nicht den Schaden tragen, der aus einer solchen Vorlage entsteht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf Sie noch daran erinnern, Sie haben heute hier in einer stundenlangen Debatte gefor­dert, dass die Pensionsreform bis zum Jahr 2010 verschoben wird. Sie riskieren damit, dass


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Jahr für Jahr 1 Milliarde € zusätzlich für das Pensionssystem aufgewendet werden muss, die wir nicht haben.

Sie sind sehr großzügig, wenn es darum geht, Ihre Vorstellungen durchzubringen, aber Sie sind kleinlich, wenn es darum geht, Einkommen, die tatsächlich sehr gering sind, auch entsprechend günstig zu beurteilen. Wir bekennen uns zu der damals getroffenen Lösung, und wir möchten sie jetzt in verfassungskonformer Art auch für die Zukunft sicherstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Als letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Schopf zu Wort gemeldet. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

17.31


Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Werte Mitglieder der Regierung! Werte Damen und Herren! Hohes Haus! Zu Beginn möchte ich auf eine Bemerkung von Frau Staatsekretärin Haubner eingehen: Jene Frauen, die geringfügig beschäftigt sind, wären in vielen Fällen bereit, sich selbst zu versichern, aber das Problem liege darin, dass die Frauen zu wenig informiert sind. (Staatssekretärin Haubner: Das stimmt auch!)

Liebe Frau Staatsekretärin, ich bin schon jahrelang im Beratungsdienst im Rahmen des Ge­werkschaftsbundes tätig, und ich habe Hunderte Kolleginnen, die im Bereich der Geringfügig­keit beschäftigt sind, beraten. Ich habe bei jeder Beratung immer auf die freiwillige Versicherung hingewiesen. Das Hauptproblem ist daher nicht die Information. Alle Kolleginnen sagten mir, sie können es sich einfach nicht leisten, weil der Verdienst in diesem Bereich derartig gering ist, dass sie keine Möglichkeit haben, von sich aus Sozialversicherungsbeiträge abzuliefern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist von meinen Vorrednern bereits erwähnt worden, dass der Verfassungsgerichtshof letztendlich dieses Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben hat. Ich möchte nochmals den Termin dieser Aufhebung betonen. Er war nicht vor zwei Monaten oder vor vier Monaten, sondern am 7. März – nicht 2003, sondern 2002! Ich wiederhole: Am 7. März 2002, also vor über einem Jahr, wurde diese Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

Warum eine derartige Regelung 1998 eingeführt wurde, wurde heute schon erläutert. Wir wissen auch sehr genau, dass sich diese Bestimmung, dieses Gesetz, sehr positiv auswirkte. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten ging zurück, die Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich tätig waren, wurden weniger. Dieser, wie ich meine, richtige und positive Trend drohte sich aber – und droht zurzeit – auf Grund der Untätigkeit der ÖVP und der Freiheitlichen leider wieder umzukehren, da es bis heute keine derartigen Neuregelungen gibt.

Es wäre sehr einfach gewesen, in den letzten Monaten, in den letzten Wochen oder bereits vor einem Jahr dieses Gesetz zu reparieren beziehungsweise einen entsprechenden neuerlichen Antrag in diesem Hause zu behandeln. Erst vor wenigen Tagen, konkret seit 26. März, also viel zu spät, wurde ein diesbezüglicher Antrag eingebracht, der wieder eine entsprechende Abgabe von Seiten der Dienstgeber vorsieht.

Diese Regelung – so ist es auch im Antrag ersichtlich – soll am 1. Juni in Kraft treten. Ich meine, dass eine derartige Maßnahme, ein derart viel zu spätes Handeln unentschuldbar ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollegen und Kolleginnen der Sozialdemokratie haben darauf hingewiesen: Durch dieses Nichtstun, mit dieser groben Fahrlässigkeit wurde der österreichischen Sozialversicherung ein Schaden in der Höhe von über 10 Millionen € – das sind, Frau Staatsekretärin, 140 Millionen Schilling – zugefügt; konkret 2 Millionen € der österreichischen Krankenversicherung und über 8 Millionen der österreichischen Pensionsversicherung.

Wenn man sich das im Detail anschaut, sieht man, was man mit diesen 140 Millionen Schilling alles hätte machen können, Frau Staatsekretärin! Man hätte zum Beispiel alleine im Bereich der


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Pensionsversicherungsanstalt 2 000 Arbeitnehmern, die rehabilitationsbedürftig sind, ganz kon­kret mit Reha-Aufnahmen und Reha-Tätigkeiten helfen können. Man hätte zum Beispiel in Oberösterreich für 3 200 Kinder zur Gänze eine festsitzende Zahn- oder Kieferregulierungs­möglichkeit schaffen können. Es ist daher durch dieses Versäumnis eine grobe Fahrlässigkeit und ein massiver Fehler von Seiten der Regierung passiert.

Es ist für diese Regierung gerade typisch, dass Fehler wie diese passieren. Ganz „zufällig“ werden die Dienstgeber durch diesen Fehler in eben dieser Größenordnung von 10 Millionen € Vorteile haben. Wenn es aber um Belastungen für Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen, für Arbei­ter und Angestellte, für Pensionisten, aber auch für Kranke geht, dann drückt die Regierung ordentlich auf das Tempo. Ich erinnere an die heutige Diskussion im Bereich der Pensionsre­form. Wenn man Geld und Vorteile für die Dienstgeber herausholen will, dann wird sehr viel Zeit geschunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist eine Tatsache, dass bereits über 200 000 Menschen im Bereich der Geringfügigkeit beschäftigt sind. Wir wissen – die Frau Staatsekretär hat es heute bereits erwähnt –, dass es ein leichtes Ansteigen dieser Personengruppe in den nächsten Monaten oder Jahren gibt. Es ist daher wichtig, nicht nur diese Abgabe heute oder demnächst zu regeln, sondern vor allem muss die Situation der geringfügig Beschäftigten tatsächlich verbessert werden. Das heißt, wir brauchen für diese Personengruppe eine Versicherung, eine Versicherungspflicht.

Volkspartei und Freiheitliche haben jedoch auch in diesem Bereich, was die Qualität des Geset­zes betrifft, nichts unternommen. Von der ÖVP haben wir nichts anderes erwartet. Und die Freiheit­lichen beweisen wieder einmal, dass ihr Gerede, lieber Kollege Max Walch, vom „kleinen Mann“ nur Heuchelei ist. (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege! Der Vorwurf der Heuchelei bedeutet an sich einen Ordnungsruf. Ich würde bitten, dass Sie das nicht auf Kollegen Walch bezogen haben.


Abgeordneter Walter Schopf (fortsetzend): Ich habe das natürlich nicht auf Kollegen Walch bezogen. Hätte man aber bei diesem Gesetzesantrag so schnell gehandelt wie bei manchen Zwischenrufen, dann bräuchte man sich heute nicht mit dieser Problematik auseinander zu setzen.

Mit einem Wort, sehr geehrte Damen und Herren: Ich meine, diese Regierung ist eine immer größere Zumutung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese werden sich – das wissen wir sehr genau – das nicht mehr länger gefallen lassen. Das kann ich Ihnen heute hier verspre­chen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig beschäftigter Personen erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 63 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für dieses Gesetz eintreten, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetz auch in dritter Lesung zustim­men, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 64 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

 

5. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (24 der Beilagen): Bundesge­setz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Mediations-Gesetz – ZivMediatG) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilprozessordnung, der Strafprozessord­nung, des Gerichtsgebührengesetzes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 (47 der Beilagen)


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Dr. Fekter mit einer freiwilligen Redezeitbe­schränkung von 6 Minuten. – Liebe Frau Abgeordnete, sprechen Sie zu uns!

17.41


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine werten Damen und Herren! Ich bin sehr stolz darauf, dass wir heute dieses Mediations-Gesetz beschließen werden, weil wir damit eine Pionierleistung erbringen. Wir hatten keinerlei Möglichkeiten, uns zu erkundigen, wie andere Länder das machen, denn wir sind Vorreiter in Sachen Mediation.

„Mediation“ ist ein Begriff, der in weiten Teilen der Bevölkerung noch gar nicht bekannt ist. Da­her haben wir eine Definition in das Gesetz aufgenommen, die ich nun vorlesen möchte:

„Mediation ist eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit, bei der ein fachlich aus­gebildeter, neutraler Vermittler (Mediator) mit anerkannten Methoden die Kommunikation zwi­schen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwor­tete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen.“ – Zitatende.

Es ist so, dass der Zivilprozess, der eigentlich für Konfliktlösungen und Entscheidungen da ist, Jahrhunderte alt ist. Wenn wir uns am römischen Recht orientieren, dann ist er sogar Jahr­tausende alt. Die Mediation ist ein ganz neues und junges Institut, das wir erstmalig nach einem Pilotversuch und nach Begleitforschung in das Eherecht und das Kindschaftsrechts-Änderungs­gesetz als Rechtsinstitut aufgenommen haben. Jetzt schaffen wir das dazugehörige Berufsrecht sowie Rahmenbedingungen für das Verfahren.

Wir schränken in diesem Gesetz zwar die Gültigkeit beziehungsweise den Regelungsbereich auf Zivilrechtsmaterien ein, ich glaube aber, dass es starke Effekte weit über den Zivilrechts­bereich hinaus geben wird.

Ich kann mir auch vorstellen, dass wir die Mediation in anderen Bereichen verstärkt einsetzen. Denken Sie an das Nachbarrecht, wo ja Konfliktparteien oft jahrelang keine Gesprächsbasis finden! Oder denken Sie an die Wirtschaftsmediation oder neuerdings beispielsweise auch an die Mediation bei Konflikten zwischen Vermieter und Mieter, wenn es konkret in strittigen


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Bereichen um Investitionen in das Haus oder Reparaturen am Haus geht! Da ist Mediation am Platze, um eine Einigung zwischen beiden Parteien zu finden.

Nicht immer ist der Richterspruch jene Lösung, die befriedigend ist; auch das Gesprächsklima voranzutreiben ist oft eine gute Lösung. Aus diesem Grund glaube ich, dass die Mediation die Konfliktregelungsmethode schlechthin für das dritte Jahrtausend ist. Mit diesem Gesetz schaffen wir einerseits Rechtssicherheit für den Berufsstand, andererseits aber auch Rechts­sicherheit für die Parteien.

Es war uns auch wichtig, ein sehr hohes Qualifikationsniveau zu verankern. Damit dieses erhalten bleibt, ist die Fortbildung für eingetragene Mediatoren verpflichtend.

Es ist weiters selbstverständlich, dass wir die Verschwiegenheitspflicht plus das Zeugnisent­schlagungsrecht oder die Fristenhemmung, die ja in den Materiengesetzen diesbezüglich ver­ankert waren, jetzt in dieses neue Gesetz aufnehmen. Daher finden Sie im Kopf des Gesetzes auch eine Änderung von mehreren anderen Gesetzen, die damit in Zusammenhang stehen.

Dies ist eine Pionierleistung, wie ich eingangs schon erwähnt habe. Das wird sicher in Europa Nachahmer finden, die zu uns zum Abschreiben kommen werden.

Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang sehr herzlich bei den Mediatorenverbänden und beim Justizministerium für die Vorarbeiten zu diesem ausgesprochen gelungenen Gesetz. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Becher. Rede­zeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.45


Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht Erfolg gegen Misserfolg zu stellen, sondern eine gemeinsame Lösung zu suchen, das ist sicher eine wesentliche Zielsetzung eines Mediationsverfahrens. Wenn heute hier das Zivilrechts-Mediations-Gesetz beschlossen wird, so möchte ich doch darauf verweisen, dass die Mediation bereits vor zehn Jahren als institutionalisierte Streitschlichtung begonnen und eingesetzt wurde. Bei diesem Gesetz kann man einen sehr konsequenten, gescheiten und damit auch einen sehr sinnvollen Werdegang eines Gesetzes nachvollziehen.

Im Frühjahr 1993 wurde unter Federführung des damaligen Justizministers und des Familien­ministeriums der Modellversuch gestartet, Mediation unter sozialwissenschaftlicher Begleitung praktisch erprobt, ein Bericht darüber verfasst, der im Jahre 1997 dem Parlament vorgelegt wurde, es wurden Praktiker und Betroffene in die Diskussion mit einbezogen, und heute wird ein Projekt umgesetzt, das bereits in der vorvorigen Legislaturperiode angedacht wurde.

Eines der Ziele ist sicher, eine rechtliche Grundlage für Konfliktregelung zu schaffen. Dabei ist die Frage zu stellen, inwieweit eine Reduzierung auf den rein zivilrechtlichen Bereich auf Dauer sinnvoll ist oder ob man nicht eine Erweiterung auf das öffentliche Recht und auch auf das Strafrecht andenken kann und dies anzustreben ist. Da gibt es ganz sicher ein sehr umfang­reiches Betätigungsfeld für MediatorInnen, das ebenfalls gesetzlich geregelt werden sollte.

Ein weiterer Punkt ist die Qualitätssicherung, ein Eckpunkt dieses Gesetzes. In diesem Sinn wird auch die Ausbildung geregelt. Dabei ist ganz sicher die Verordnung, die in diesem Gesetz bezüglich der Ausbildungserfordernisse angesprochen wird, wichtig.

Der Teufel liegt bekanntlich immer im Detail. Beim anwendungsorientierten Ausbildungsteil, der in § 29 Absatz 2 Ziffer 2c geregelt wird, wird die begleitende Teilnahme an der Praxissuper­vision gefordert. Es ist ganz besonders darauf zu achten, ob man damit Nichtanwälten den Zugang zu dieser Ausbildung nicht erheblich erschwert beziehungsweise ob dieser nicht über­haupt unmöglich gemacht wird.


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Ich darf darum bitten, in der Verordnung darauf zu achten, dass in einem Gesetz nicht einer Be­rufsgruppe sozusagen eine Monopolstellung eingeräumt wird. Sieht man diese Problematik im Zusammenhang mit dem geplanten Kostenersatz im Außerstreitgesetz, so erhebt sich, wenn ich das jetzt polemisch ausdrücke, überhaupt die Frage, ob Mediation gesetzlich geregelt wer­den soll. Denn wenn man bei Ehescheidungen im Vergleichswege die Grundlage für die Media­tion beseitigt, stellt sich die Frage, welche Ehepartner dann überhaupt noch den Mediationsweg beschreiten sollen, der teuer ist und Geld kostet. Wenn sie sich dann einvernehmlich scheiden lassen, müssen sie auch noch beim Scheidungsvergleich einen Anwalt hinzuziehen. Das ergibt eine Kostenbelastung, die sich durchschnittliche Ehepaare wahrscheinlich kaum leisten können.

Ich appelliere daher an Sie, Herr Minister, die geplante Novelle im Außerstreitverfahren in Bezug auf den Kostenersatz für den gegnerischen Anwalt zu überdenken.

Mediation ist also einerseits sicher ein positives Regelungsinstrument bei Konflikten, es erhält die gesetzliche Grundlage, ist aber teuer, weil es ja nicht gratis angeboten wird. Andererseits soll das 150 Jahre alte und bewährte Außerstreitgesetz, das in seiner Schlichtungsfunktion einen sehr unkomplizierten und kostengünstigen Rechtszugang bietet, ausgehöhlt werden, weil plötzlich ein doch unabschätzbares Kostenrisiko vorhanden ist.

Das Mediations-Gesetz als solches ist zu begrüßen. Es bietet zwei sehr fortschrittliche Möglich­keiten: erstens dort, wo es sinnvoll ist, Mediation einzusetzen, in Anspruch zu nehmen, und zweitens kann man gleichzeitig auch sein Recht im Außerstreitverfahren durchsetzen, ohne ein Kostenrisiko einzugehen.

Die geplanten Einschnitte im Außerstreitgesetz wie zum Beispiel die Anwaltspflicht oder die Kostenersatzpflicht für den gegnerischen Anwalt sind kontraproduktiv und daher auch abzuleh­nen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

17.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. Redezeit: ebenfalls 5 Minuten. – Bitte.

17.51


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Man sollte tatsächlich keine Vorurteile haben, diese Gesetzesnovelle ist der beste Beweis dafür. Man darf nicht sagen, dass alles schlecht ist, was aus den Vereinigten Staaten kommt. Man darf das hier wirklich nicht tun, denn gerade die Mediation, die sich bei uns in Österreich sehr bewährt, hat ihre Ursprünge in den Vereinigten Staaten. Sie ist eine aner­kannte und erfolgreiche Methode der außergerichtlichen Konfliktlösung. Die Schlagworte von „Kooperation statt Konfrontation“, die immer wieder gebraucht werden, sind in diesem Zusam­menhang absolut zutreffend. Statt Verlust-Gewinn-Denken soll eine so genannte Win-win-Situation entstehen, die eben zu diesem Erfolg führt und nunmehr in diesem Gesetz mündet.

Die Mediation ist gegenwarts- und zukunftsorientiert, und sie spart – das sollte man natürlich auch nicht verhehlen – vor allem Zeit und Geld. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass eine Erfolgsquote von rund 75 Prozent gegeben ist. Das allein ist Anlass genug, dieses Gesetz zu begrüßen.

So erfreulich diese Entwicklung ist, so unerfreulich ist eine andere Entwicklung in einem ande­ren Bereich, die ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen möchte, nämlich die Entwicklung der Haftzahlen in Österreich. Im Ausschuss haben wir ja bereits darüber diskutiert. Es ist vor kurzem eine Studie an die Öffentlichkeit gelangt, warum denn diese Entwicklung der Haftzahlen eigentlich so negativ ist. Diese Studie – die Dinge sollte man auch offen aussprechen –, diese wissenschaftliche Untersuchung ergibt ganz eindeutig, dass erstens vor allem im Raum Wien und in Ostösterreich ein markanter Anstieg der Haftneuzugänge zu verzeichnen ist und dass zweitens der Anteil der Fremden an den Haftneuzugängen nunmehr beinahe 50 Prozent beträgt.


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Wenn man sich vergegenwärtigt, dass heute beinahe 50 Prozent der Haftneuzugänge Fremde, also Ausländer sind, dann sollte einem das doch zu denken geben. Es gibt dabei vor allem zwei Deliktgruppen: Das sind auf der einen Seite Osteuropäer und auf der anderen Seite Schwarz­afrikaner. Diese Deliktgruppen können mit bestimmten Delikten verbunden werden, und zwar die Osteuropäer mit Diebstahlsdelikten, wo es eine Steigerung vom Jahr 2000 auf das Jahr 2002 von 366 Prozent gegeben hat, und die Schwarzafrikaner mit Suchtgiftdelikten, wo es eine Steigerung von 144 Prozent gegeben hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen hier die Augen vor den Sicherheitspro­blemen in Österreich und vor dieser negativen Entwicklung nicht verschließen. Ich bin der Meinung, dass auch Sozialträumer angesichts dieser Statistik die Realität endlich zur Kenntnis nehmen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Stoisits – auf dem Weg zum Rednerpult –: Drei Minu­ten!) – Nur 3 Minuten, aber ich schalte auf 5 Minuten.

17.54


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! (Abg. Mag. Mainoni – angesichts des Umstandes, dass das Mikrophon noch nicht eingeschaltet war –: Noch einmal! Das haben wir nicht gehört!) Nur drei Minuten Redezeit deshalb, weil diese vernünftige Rechtsgrundlage für konsensuale Konfliktlösungsmodelle, die Österreich mit dem Mediations-Gesetz schafft, schon von unserer Ausschussvorsitzenden, von Frau Kollegin Becher und von Herrn Mainoni ausführlich dargestellt wurde. Wir freuen uns darüber, dass das heute zur Beschlussfassung ansteht.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um den Herrn Bundesminister mit diesem Beispiel darauf hinzuweisen, dass es selbst unter seiner Ministerschaft möglich ist, in dem alten Prinzip des konsensualen Gesetzwerdungsprozesses erfolgreich zu sein. (Bundesminister Dr. Böhm­dorfer: Danke! Danke!) Ich wage zu behaupten, dass Sie wahrscheinlich gar nicht viel mehr zu dem Gesetz beigetragen haben als ich, aber Sie sind der Minister, deshalb gebührt Ihnen die Ehre, diese Einstimmigkeit sozusagen verbuchen zu dürfen.

Zu verdanken ist das jedoch wahrscheinlich den Damen und Herren Ihres Ministeriums – und das ist das Vorbildliche daran –, denen es in dieser Phase der Entwürfe, der Diskussion, des eigentlichen Ministerialentwurfes, dann der Begutachtungsphase mit all den Einwänden, die ge­kommen sind, mit all den Vorschlägen zur Verbesserung, die gekommen sind, gelungen ist, ein, wenn man so will, Produkt zu schaffen, das höchste Zufriedenheit in allen Kreisen schafft. Es ist zwar nicht immer vollkommene Zufriedenheit – das wissen wir –, aber ich freue mich umso mehr, dass diese Novelle zur Beschlussfassung kommt.

Frau Kollegin Becher hat schon davon gesprochen, dass Mediation und Konfliktlösung und auch das rechtliche Instrumentarium sehr forciert werden. Man ist jetzt manchmal geneigt zu sagen, das sei ein wenig modern, das soll aber die alten, tradierten und bewährten Formen und vor allem – und das halte ich für den wesentlichsten Aspekt – den Zugang zum Recht nicht sozusagen hintanstellen. Der Zugang zum Recht ist nämlich im Außerstreitwesen noch der allergünstigste, weil Mediation nie und nimmer kostenlos ist. Die neue Berufs- und Standesver­tretung hätte diese Novelle nicht so vehement eingebracht, wenn es nicht auch um ökono­mische Interessen ginge. Der Kuchen, der verteilt wird, soll auch möglichst gerecht bezie­hungsweise so verteilt werden, dass es innerhalb der Interessengruppen auch Zufriedenheit gibt.

Darum schließe ich mich der Warnung meiner Vorrednerin an, alle diese Pläne, was man jetzt so betreffend unverbindliche Ehepakte und Anwaltszwang bei allen Scheidungen – auch bei den einvernehmlichen – hört, gut zu überdenken. All das ist teuer für die Menschen, das ist alles auch – nicht immer, und deshalb muss man so vorsichtig sein – eine Erschwerung des Zugangs zum Recht.


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Herr Minister! Deshalb hoffe ich, dass Sie – und das Mediations-Gesetz sei Ihnen ein Vorbild – diesen Weg der Konsenssuche gehen. Es ist auch ziemlich passend beim Mediations-Gesetz, dass es hier einstimmig beschlossen wird, denn es wäre ein ziemlich blödes Beispiel für die Betroffenen, würden wir uns darüber auch noch streiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.58



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12. Sitzung / Seite 132

Präsident Dr. Andreas Khol: Das waren in der Tat nur 3 Minuten, Frau Magistra.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

17.58


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Mag. Stoi­sits, dass Sie Ihrer Linie treu geblieben sind: Wenn aus dem Ministerium etwas Gutes kommt – und das ist nahezu immer der Fall (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP) –, dann darf es nicht der Minister gewesen sein, wenn etwas weniger Gutes kommt, dann suchen Sie sich einen Schuldigen, und der darf nur ich sein.

Das macht aber nichts. Wir verstehen uns, so glaube ich, im Justizausschuss ganz gut. Auch Ihre Politik konnte nicht verhindern, dass wir in der vergangenen Gesetzgebungsperiode – und wohl auch in der jetzigen – dieselbe Konsensquote bei den Gesetzen der Justiz hatten wie in den vorangegangenen Jahrzehnten.

Täuschen wir uns also nicht! Wir arbeiten ganz gut zusammen, es ist auch keine Schande, das einmal zuzugeben. Wir leben in einem friedlichen Land. Trotzdem ist die Mediation sicherlich eine gute Sache, die unterstützend in zivilgerichtlichen Verfahren eingesetzt werden wird.

Sie hat uns bisher in weiten Bereichen gefehlt: im Arbeitsrecht, im Wirtschaftsrecht, im Nach­barschaftsrecht und in anderen Bereichen. Machen wir aber einen Fehler nicht: Mediation ist nicht ein besseres Gerichtsverfahren! Der Mediator schafft zwischen den Parteien ein Klima, in dem sie die Lösung selbst finden. Das ist eine sinnvolle Ergänzung im Gerichtsverfahren – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Machen wir nicht den Fehler, zu sagen, dass überall dort, wo kein Anwalt hin darf, der Zugang zum Recht besser und das Verfahren günstiger oder billiger ist!

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, insbesondere Ihnen, Frau Abgeordnete Becher, die Sie sich dafür engagiert haben. Wenn eine Ehegattin unter dem Druck einer so genannten einvernehmlichen Scheidung auf Unterhalt verzichtet und dieser Unterhalb bestünde nur in 200 €, dann ist sie, wenn sie 1 000 € oder vielleicht sogar 2 000 € für den Anwalt bezahlt hätte, in fünf bis zehn Monaten wieder dort, wo sie finanziell bei Nichtverzicht auf den Unterhalt gewesen wäre.

Diese Investition rentiert sich umso mehr, als die Rechtsanwälte – machen wir die Rechtsan­wälte hier nicht schlecht – erklärt haben, sie pauschalieren ihre Kosten in Scheidungssachen mit 1 000 €, und umso mehr, als auch jeder Österreicher, der in entsprechenden Verhältnissen lebt, das Recht auf Verfahrenshilfe hat. Ich könnte Ihnen noch weitere Beispiele nennen, aber der Anwalt ist oft eine gute Investition, und man sollte nicht vergessen, dass es manchmal ohne einen Rechtsanwalt nicht geht.

Zur Sache, zum Gesetz zurück: Dieses Gesetz ist eine Weltneuheit – bitte, das zu beachten! Es gibt in keinem Land der Welt ein so ausformuliertes und durchstrukturiertes Mediations-Gesetz. Österreich ist da ein Vorreiter. Das Lob an das Ministerium ist berechtigt, Frau Abgeordnete, es betrifft vor allem Herrn Dr. Stormann und Frau Dr. Winkler, die in dieses Gesetz ihr Erfahrungs­wissen eingebracht haben. Wenn Sie mit diesem Gesetz zufrieden sind, dann haben Sie nun auch die Namen jener erfahren, die sich da wirklich persönlich eingebracht haben. Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz der Bevölkerung eine gute Sache für die Zukunft vorgestellt haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.01


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Mag. Don­nerbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.01


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen Be­schluss über ein eigenes Gesetz betreffend die Mediation wird, wie meine Vorredner schon aus­geführt haben, ein wichtiges zusätzliches Instrument geschaffen, um neben dem gerichtlichen Verfahren – sei es das streitige oder auch das außerstreitige Verfahren – eine Möglichkeit zu bieten, einen Konflikt oder einen Streit nicht zu entscheiden, sondern gemeinsam zu lösen. Insofern ist das – und da schließe ich mich der Meinung meiner Vorrednerinnen und Vorredner an – ein sehr wichtiges Instrument, das sich in verschiedenen Fällen, in denen es jetzt schon vor­ge­sehen ist, sehr gut bewährt hat. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Es ist an sich nichts Neues, denn es waren schon jetzt im Rahmen des staatlichen Ge­richtssystems Möglichkeiten vorgesehen, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. So ist es die auch im Gesetz vorgesehene Aufgabe des Richters, eine gütliche Einigung herbei­zuführen. Allerdings zeigen sich in der Praxis dabei doch immer wieder Probleme, da einerseits die Richter vielleicht nicht über die entsprechende Ausbildung verfügen, vor allem aber und vielmehr nicht die entsprechenden Instrumente zur Verfügung haben und im Wesentlichen ihre Auf­gabe die ist, in einem Streit letztlich eine Entscheidung herbeizuführen, die sehr oft oder fast immer dem einen oder dem anderen Standpunkt Recht gibt oder eben die Mitte zwischen den Standpunkten findet. In dieser Rolle des Richters liegt das Problem, dass er da nämlich nicht wie ein Mediator für beide Seiten eine konstruktive Unterstützung für eine einvernehmliche und ge­meinsame Lösung des Konfliktes bieten kann, sondern dann, wenn sich die Parteien nicht einigen können, letztlich eine Entscheidung zu fällen hat. Das ist seine vornehmliche Rolle.

Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass heute dieses zusätzliche Instrument geschaffen wird, das aber, wie schon gesagt, ein zusätzliches Instrument darstellt und sein soll.

Es besteht meiner Meinung nach keine Gefahr, wie Frau Kollegin Becher es hier gesagt hat, dass jetzt eine Monopolisierung herbeigeführt wird. Im Gegenteil, gerade durch dieses eigene Ge­setz zur Mediation wird sichergestellt, dass der Zugang zu diesem künftigen Beruf, nämlich zu der Funktion des Mediators, letztlich allen, die eine entsprechende fachliche Qualifikation vor­weisen können, offen steht. Die fachliche Qualifikation wird im Gesetz genau definiert, ich hal­te es für richtig und wichtig, dass dafür gewisse Kriterien, dass Qualitätsstandards eingeführt werden.

Es wird letztlich am Minister liegen, in der Verordnung die entsprechenden Vorgaben dahin gehend zu treffen, welche fachlichen Eignungen im Speziellen noch vorzusehen sind, vor allem welche Berufsgruppen, die sich jetzt schon in verschiedenen Bereichen mit Streitbeilegung beschäftigen oder rechtsberatend tätig sind, auf Grund ihrer Erfahrungen in der Praxis und ihrer Ausbildung entsprechend berücksichtigt werden.

Ich danke abschließend für die einvernehmliche Umsetzung dieses Gesetzesvorhabens und bin sicher, dass uns das viele Streitparteien beziehungsweise Konfliktparteien in Zukunft positiv anrechnen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

18.05


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Stadl­bauer. – Bitte.

18.05


Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Minister, gestatten Sie mir eingangs einen kurzen Sidestep: Um Frauen auch im Schei­dungsfall gegen Übervorteilung zu schützen, würde ich vorschlagen, dass wir die Frauen­bera­tungsstellen ausbauen und finanziell besser stellen, statt den Frauen teure Anwälte zuzu-


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muten. Aber das steht nun einmal nicht in Ihrem Regierungsprogramm, wäre aber ein Vorschlag zur Güte.

Meine Damen und Herren! Mediation kann viel dazu beitragen, dass Konflikte positiv im Sinne aller Beteiligten gelöst werden, aber Mediation ist kein Allheilmittel. Mediation darf nicht dazu miss­braucht werden, rechtliche Ansprüche zu konterkarieren. Diesbezüglich befinde ich mich mit Minister Böhmdorfer einer Meinung, und das ist gut so.

Zum Beispiel im Scheidungsverfahren: Auf der einen Seite müssen natürlich die rechtlichen An­sprüche gesichert sein, dürfen nicht unter den Tisch fallen, auf der anderen Seite aber muss auch die familiäre Situation immer mit bedacht werden. Durch ein langes Verfahren bei stritti­gem Sachverhalt wird die familiäre Situation nur zugespitzt und unerträglich. Besonders sensib­ler Umgang muss bei Gefahr oder tatsächlicher familiärer Gewalt gewährleistet sein. Da haben die Mediatoren und Mediatorinnen, vor allem aber die involvierten Richter und Richterinnen be­sondere Verantwortung zu übernehmen, denn Mediation geht möglicherweise zu Lasten von Frau­en, die von Gewalt betroffen sind und die auf viel verzichten, nur um aus einer Gewaltbe­ziehung herauszukommen.

Es ist überhaupt zu überlegen, ob Mediationsverfahren während eines aufrechten Betretungs­ver­bots sinnvoll sind. Die Mediation ersetzt nicht die richterliche Anleitungspflicht und die Ent­schei­dung der Richter und Richterinnen. Da darf es unter keinen Umständen zu einer Privati­sie­rung der Justiz kommen. Vorgelegte Vergleiche aus einem Mediationsverfahren müssen über­prüft werden, und wenn Schlechterstellungen auffallen, müssen die Betroffenen aufmerksam ge­macht werden.

Meine Damen und Herren! Als sehr problematisch sehe ich den § 16, und daher möchte ich dazu einen Abänderungsantrag einbringen. Darin geht es darum, dass es nicht so sein darf, dass ein Anwalt zuerst bei einem Paar ein Mediationsverfahren durchführt und im Anschluss daran die Ver­teidigung für einen der Partner übernimmt. Es gibt da Gerüchte. Im schlimmsten Fall – das habe ich schon gehört – würde das dann so aussehen, dass die von Bundesminister Haupt ein­ge­richtete Männerabteilung scheidungswillige Männer, die so wenig Unterhalt wie möglich zahlen wollen und Hilfe bei der Männerabteilung suchen, an Rechtsanwälte, die gerne derartige Fälle übernehmen, vermittelt, die dann auch noch mit MediatorInnen aufwarten können, die ein ge­wisses Vertrauensverhältnis zum Rechtsanwalt haben. Das heißt, der Mann wird dann so rechtlich vertreten, dass er am besten aussteigt, wie es ja die Pflicht eines Anwalts ist, und gleich­zeitig wird durch die Mediation auf die Frau dahin gehend eingewirkt, dass genau der gemachte Vorschlag der beste für alle wäre.

Ich hoffe, dass es sich hiebei nur um böse Gerüchte handelt. Ich denke, wenn wirklich jemand so handeln würde, so wäre dies ganz schäbig.

Um diesen Missbrauch gänzlich auszuschließen, bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage 24 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (24 d. B.): Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivil­rechts-Mediations-Gesetz – ZivMediatG) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivil­pro­zess­ordnung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührengesetzes und des Kind­schafts­rechts-Änderungsgesetzes 2001 in der Fassung des Ausschussberichtes (47 d. B.) wird wie folgt geändert:

1. Im Artikel I wird im § 16 der letzte Satz gestrichen, und es werden statt diesem Satz folgende Sätze angefügt.


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„Er darf auch nach Beendigung der Mediation nicht im Rahmen seiner sonstigen beruflichen Be­fug­nisse zur Umsetzung des Mediationsergebnisses tätig sein. Er darf auch nicht innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Mediation von einer der betroffenen Parteien im Rahmen seiner sonstigen beruflichen Befugnisse einen Auftrag entgegennehmen.“

2. Im Artikel I soll § 22 Abs. 1 lauten wie folgt:

„(1) Der Beginn und die gehörige Fortsetzung einer Mediation durch einen eingetragenen Me­diator hemmen Anfang und fortlaufende Verjährung sowie sonstige, auch materiell-rechtliche Fristen zur Geltendmachung der von der Mediation betroffenen Rechte und Ansprüche.“

*****

Dies nur zur Klarstellung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10



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12. Sitzung / Seite 135

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und un­ter­stützt und steht daher mit zur Verhandlung und Abstimmung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

18.10


Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Während die Europäische Kommission noch Fragen formuliert, sind wir hier in der Lage, bereits die Antworten im Zusammenhang mit der Mediation zu geben. Ich glaube, auch dieser heutige Beschluss ist ein sehr starker Beweis für die Fortschrittlichkeit der österrei­chi­schen Justizpolitik, und wir alle können gemeinsam auf diesen Weg sehr stolz sein.

Die Mediation beurteilt nicht rückwirkend einen Sachverhalt – zum Beispiel die Frage: Wer hat Recht? –, sondern im Mittelpunkt der Mediation steht eine gemeinsame Suche nach künftigen Lö­sungen, und das ist immer wichtiger bei Verhältnissen, die auf Dauer ausgelegt sind, vor allem, wie sie im Familienbereich, aber auch in anderen zivilrechtlichen Bereichen gegeben sind. Daher ist es kein Wunder, dass diese Mediation heute hier für den Bereich des Zivil­rechtes formuliert und installiert wird.

Ich sehe aber außerhalb des Familienrechtes ein enormes Potential für den Einsatz dieser Me­thode: im Wirtschaftsleben. In vielen internationalen Konzernen sind heute Konfliktmanage­ment­systeme Teil der Unternehmenskultur. Konflikte in und zwischen Unternehmen enden heu­te nicht mehr vor Gerichten, sondern werden durch Mediatoren gelöst, oder es hilft der Me­dia­tor, Konflikte zu lösen.

Auch im Bereich des Arbeitsrechtes sehe ich ein großes Anwendungsgebiet für die Mediation. Ver­handlungen oder Konfliktlösungen vor Gericht sind teuer, kosten Zeit, zerstören aber auch das Vertrauen. Vor allem dann, wenn Dienstverhältnisse fortgesetzt werden sollen, ist die Me­diation ein sehr gutes Mittel, um in Auseinandersetzungen Lösungen zu finden.

Mit dem Eingang der Mediation ins Zivilrecht kann auch der Boden für ähnliche Regelungen im öffentlichen Dienst aufbereitet werden. Ich denke da vor allem an den Umweltbereich. Als Bei­spiel dafür führe ich die Vorreiterrolle an, die unsere Frau Landeshauptmann Klasnic in der Stei­er­mark dadurch eingenommen hat, dass sie im Zusammenhang mit dem Bau der 380-kV-Leitung einen Mediator eingesetzt hat, und plötzlich sind die Fronten wieder in Bewegung geraten. So ge­sehen ist die Mediation tatsächlich ein Erfolg versprechender Weg der Konflikt­bewältigung, denn jeder Konflikt eröffnet auch die Chance für einen Neubeginn.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz können die Menschen darauf ver­trauen, dass sie gut ausgebildete und kompetente Mediatoren zur Seite gestellt bekommen, um ihre Probleme in Zukunft besser lösen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.13



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12. Sitzung / Seite 136

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Minister.

18.13


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren des Hohen Hauses! Zu dem von der Frau Abgeordneten Stadlbauer eingebrachten Ab­änderungsantrag möchte ich eine Klarstellung treffen. Es geht dabei – dies zur Erinnerung! – um Folgendes: Wenn jemand Partei- oder Parteienvertreter, also Mediator war und es zu einem Me­diationsergebnis, also zu einer Einigung gekommen ist, dann soll diese Gruppe nicht mehr an der Umsetzung dieses Ergebnisses beteiligt sein dürfen. – Ich sage dazu: Das macht keinen Sinn, was ich Ihnen an einem praktischen Beispiel erläutere.

Wenn im Zuge einer Mediation zum Beispiel eine Einigung über die Übertragung einer Liegen­schaft erzielt wurde, dann dürfte der daran, wie beschrieben, beteiligte Rechtsanwalt zum Beispiel nicht das Grundbuchsgesuch überreichen, was aber in der Regel sehr kostengünstig sein wird, weil ja er über die gesamten Unterlagen verfügt, und außerdem nur dem Zweck dient, ein fertiges Ergebnis umzusetzen. Müssten dann diese Parteien einen neuen Rechtsanwalt oder Notar aufsuchen, wäre das verteuernd und hätte auch in sich keinen logischen Sinn.

Dies nur zur Klarstellung. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.14


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

18.14


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine beiden Kolle­gin­nen aus der SPÖ-Fraktion haben ausgeführt, dass wir natürlich diese Vorlage begrüßen. Die SPÖ ist immer für Mediationsverfahren gewesen, hat sich immer dafür ausgesprochen, weil es unserer Meinung nach Sinn macht, wenn man versucht, im Streit zu vermitteln und Einigung zu erzielen.

Da Sie, Frau Kollegin Fekter, von einer Pionierleistung gesprochen haben, muss ich die Fest­stel­lung treffen – meine Kollegin Becher hat es Ihnen schon gesagt –: Dieses Mediationsver­fah­ren gibt es seit zehn Jahren. Das Einzige, was jetzt geschieht – und das ist auch positiv –, ist, dass sozusagen ein sinnvoller Weg fortgesetzt wird. Das ist Ihnen aber offensichtlich entfallen.

Es wurde heute sehr viel Positives über Mediation gesagt, und ich meine, wenn man der Me­diation positiv gegenübersteht, dann sollte man insgesamt dem Außerstreitverfahren positiv ge­genüberstehen, da dadurch ähnliche Aspekte abgedeckt werden. Im Außerstreitverfahren, im Schlich­tungsstellenverfahren geht es auch darum, Einigung zu erzielen, und das ohne Kosten­risiko.

Herr Minister! Lassen Sie mich einen Schwenk auf einen Entwurf Ihres Hauses machen, näm­lich auf den Entwurf zur Abänderung des Außerstreitverfahrens. Da wird genau das Gegenteil dessen gemacht, was wir heute hier beschließen: Sie erschweren den Rechtszugang! Ich weiß, dass dies vor allem in Bezug auf Mietrechtsfragen so ist. Es wird für Mieter schwieriger, zu ihrem Recht zu kommen, sie werden ein Kostenrisiko haben. Das ist kein Forcieren dieser Me­diation und des Streitschlichtens, sondern leider ganz genau das Gegenteil.

Ich hoffe, dass auch beim Entwurf zum Außerstreitverfahren im Zuge der Begutachtung und der Be­rücksichtigung der kritischen Stellungnahmen, die Ihrem Haus schon zugegangen sind, in einer ähnlich vorbildhaften Weise vorgegangen wird, wie das beim heute vorliegenden Gesetz­entwurf der Fall war, dass man auch beim Außerstreitverfahren auf die Bedenken eingeht, so wie Sie das eben im vorliegenden Fall gemacht haben.

Ich schließe mich dem Dank an die Beamten an. Diese Vorlage ist eine sehr gute, und wir wer­den ihr daher auch zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.17


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Riener. – Bitte.

18.17


Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Mei­ne Damen und Herren im Hohen Haus! In meiner Unterlage steht am Beginn dreimal die Eins: die erste Eins, weil ich zum ersten Mal hier stehe und rede, die zweite Eins für dieses erste Bundesgesetz zur Mediation – ich freue mich, dass es zu diesem gekommen ist – und die dritte Eins für folgenden Umstand: Ich weiß nicht, ob es unter den Abgeordneten ausgebildete Me­diatorInnen gibt, also ob ich die erste Mediatorin hier wäre, Tatsache ist: Ich habe vor einem Mo­nat meine Ausbildung zur Mediatorin abgeschlossen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitli­chen.)

Von den Grundberufen her bin ich Diplomsozialarbeiterin und Psychotherapeutin in Richtung systemischer Familientherapie. Ich habe zwölf Jahre in einer Bezirkshauptmannschaft gear­bei­tet und habe dort im Bereich Sorgerechtsbezug, Sorgerechtsregelung sowie im Bereich Be­suchsrechtsregelung sehr oft Stellungnahmen für das Familiengericht machen müssen.

Über eine Fortbildung bin ich zum Thema „Mediation“ gekommen und habe dabei festgestellt, dass diese Regelung eine gute ist. Meine Erfahrung war: Auch wenn Eltern bezüglich Stel­lungnahmen, die ich machen musste, nicht freiwillig zu mir kamen, sondern ich sie vorladen musste, haben beide Elternteile an der Lösung mitgewirkt. Ich hatte ab diesem Zeitpunkt nur einvernehmliche Besuchsrechtsregelungen, die mit Niederschrift verankert wurden. Ich merkte auch in meiner Arbeit, dass diese Regelungen viel tragfähiger waren, weil sie inhaltlich letzt­endlich von den Betroffenen selbst stammten.

Auch im Bereich der Wirtschaftsmediation ist diese Methode sehr wichtig. Letztendlich geht es darum, die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter trotz des persönlichen Leidens in einem Konflikt zu unterstützen und die Produktivität des Unternehmens zu heben. Das sichert auch den Wirt­schafts­standort Österreich, was der ÖVP unter Bundeskanzler Schüssel immer ein großes Anliegen war und auch ist.

Dieses Gesetz bietet Sicherheit in mehrerer Hinsicht. Es bietet vor allem für die Betroffenen Sicherheit dahin gehend, dass sie keine Fristen versäumen, wenn sie sich die Zeit nehmen, mit­einander zu reden. Es bietet darüber hinaus Sicherheit im Hinblick darauf, dass sie kompetent ausgebildete Mediatoren vor sich haben. Letztendlich ist es auch so, dass durch diese Methode der ganze Stil im Umgang miteinander positiv verändert wird, was vor allem uns als ÖVP mit christlich-sozialen Grundwerten sehr wichtig ist.

Bei Konflikten, die nicht gelöst werden, gibt es nur Verlierer. Konflikte, bei denen es Gewinner und Verlierer gibt, bedeuten, dass es oft Rache gibt. Letztendlich kann bei einer Mediation jeder das Gesicht wahren, und diesen Stil der Mediation wünsche ich uns allen für die nächsten Wochen in diesem Haus als besondere Herausforderung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­li­chen.)

18.20


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die vierte Eins ist offenbar ein „Sehr gut“ der Fraktionen. (Neu­erlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 47 der Beilagen, Ausschuss­bericht.

Hiezu haben die Abgeordneten Stadlbauer und KollegInnen einen Abänderungsantrag einge­bracht.


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12. Sitzung / Seite 137

Ich werde zunächst über die vom Abänderungsantrag betroffenen Teile und dann über die restli­chen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage abstimmen lassen.

Frau Abgeordnete Stadlbauer hat einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 16 und 22 Abs. 1 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag der Kollegin Stadlbauer bei­treten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist daher in zweiter Lesung nicht angenommen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die entsprechenden Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung einstimmig ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vor­lage samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes, und auch da bitte ich im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch diese Teile der Vorlage sind in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustim­mung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, die Vorlage wurde in dritter Lesung einstimmig ange­nommen.

Damit haben wir diesen Teil der Tagesordnung erledigt.

6. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (26 der Beilagen): Bundes­gesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (48 der Beilagen)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Erster Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.23


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Da­men und Herren! Die Zerschlagung des Jugendgerichtshofes – und das ist es letztlich, was mit dieser Gesetzesnovelle eigentlich erreicht werden soll – ist wohl eines der schwärzesten Ereig­nisse der österreichischen Strafrechtsentwicklung.

Da wir beim vorigen Tagesordnungspunkt von einer Pionierleistung gesprochen haben, muss ich sagen, dass diese Zerschlagung eine Pionierleistung der Unverantwortlichkeit ist, ein Ex­zess von Anfeindungen gegen jegliche Wissenschaftlichkeit und vor allem ein extremer Zynis­mus. Dieser erinnert mich eigentlich nur noch an die Vorgangsweise des Innenministers Stras­ser, der hier allen Ernstes Österreich zu verkaufen versucht, dass er für die Sicherheit des Lan­des etwas tut. – Kollege Mainoni, Sie wissen, was ich meine.

In Wahrheit sperrt er ein Kommissariat nach dem anderen zu. Die besten Leute wie zum Beispiel General Schnabl schickt er in Pension und setzt als deren Nachfolger sogar von der Kommission als unfähig bezeichnete Personen ein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister! Ich weiß auch nicht, woher Sie diese Idee hatten, wer die Idee geboren hat, den Jugendgerichtshof zu zerschlagen. Ich konnte es keinem einzigen Programm einer po­litischen Partei entnehmen. Es hat nie jemanden gegeben, der gesagt hat, es gebe einen Feh-


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ler in diesem Land, es gebe einen Mangel, der unbedingt zu bereinigen sei, und das sei der Ju­gend­gerichtshof, der aufgelöst gehöre.

Im Gegenteil: Es gibt eine Vielzahl von inländischen und ausländischen Experten, die gerade diesen Gerichtshof, diese Einrichtung als eine höchst effiziente im Kampf gegen die Kriminalität dar­gestellt haben, weil der Jugendgerichtshof wie kein anderer Gerichtshof dieses Landes ge­zeigt hat, dass man mit straffällig gewordenen Jugendlichen so umgehen kann, dass die Rück­fallquote stärker sinkt als bei anderen Gerichtshöfen.

Wenn man schon den Jugendlichen gegenüber nicht das Verständnis aufbringt, zu meinen, dass jene, die sozial gestrauchelt sind, es verdienen aufgefangen zu werden, so ist es doch zu­min­dest ein gesellschaftliches Ziel, eine gesellschaftliche Notwendigkeit, dafür Sorge zu tragen, dass die Kriminalität so gering wie möglich ist, weil wir alle davon betroffen sind.

Herr Bundesminister! Ich habe nicht verstanden, warum Sie sich so auf dieses Thema „drauf­ge­setzt“ haben, weil Sie es anfänglich nie zu Ihrem Thema gemacht hatten. Inzwischen habe ich gehört – ich habe das auch im Rahmen der Diskussion vor den Wahlen verfolgt –, dass die­se Idee ursprünglich nicht von Ihnen war, sondern teilweise aus dem ÖVP-Klub gekommen ist.

Frau Kollegin Fekter, ich würde Sie ersuchen, hier und heute zu erklären, ob das stimmt und, wenn ja, warum Sie dieses Projekt in den Vordergrund gestellt haben, obwohl Sie vor den Wahlen erklärt haben, das sei ein Projekt, das nicht Ihre Zustimmung finde. Es ist doch so, dass Sie heute hier diesen traurigen Vorgang nicht nur begleiten, sondern das ursprünglich sogar an­ge­stiftet haben.

Ich würde Sie ersuchen, dazu Stellung zu nehmen, ob Sie das wirklich verantworten oder ob Sie sich davon distanzieren, und wenn Sie sich davon distanzieren, warum Sie dann heute hier so abstimmen werden. Das sind Sie, finde ich, diesem Land schuldig.

Meine Damen und Herren! Wir haben uns bemüht, wirklich jede Sachlichkeit in die Diskussion ein­fließen zu lassen. Wir haben auch eine Enquete veranstaltet und Wissenschafter sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland darum ersucht, uns darzulegen, warum diese Maßnahme ein justizpolitischer Wahnsinn ist.

Das Ergebnis ist Ihnen bekannt – vielleicht nicht jedem einzelnen von Ihnen, aber ich würde Sie er­su­chen, sich diese Problematik wirklich noch einmal vor Augen zu führen. Die Zeit ist zu kurz, um alle Fragen zu prüfen, das wäre vielleicht auch etwas zu viel verlangt, aber wenn man weiß, dass jetzt eine Maßnahme gesetzt wird, die definitiv keinen einzigen positiven Aspekt mit sich bringt, sondern nur Verschlechterungen, wenn man weiß, dass diese Maßnahme vermutlich nur aus der Emotionalität heraus gesetzt wird – und nach nunmehriger Erkenntnis auch gar keine ist, die man dem Minister zuordnet –, dann sollte man, denke ich, in dieser Frage doch noch ein­mal Vernunft walten lassen.

Herr Bundesminister! Meine Bitte an Sie wäre, einer Rückverweisung zuzustimmen. Wir bringen einen Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuss ein, damit wir uns das alles noch einmal genau anschauen können. Ich appelliere an Ihre Großzügigkeit, damit hier nicht aus Bestemm einem Entwurf zugestimmt wird, von dem kein einziger ernst zu nehmender Experte sagt, er sei ver­nünftig. Wir wollen und sollten uns die Konsequenzen dieser Maßnahme noch einmal ge­nauer anschauen.

Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Ich darf Sie ersuchen, sehr ernsthaft mit diesem Thema umzugehen.

Es geht nicht nur um die Strafvollzugsanstalt, sondern auch darum, dass Sie hier eine Einheit zerschlagen. Es gibt auch Jugendkriminalität ohne Verurteilungen zu Haftstrafen. Es geht auch darum, wie man mit den sozialen Schwierigkeiten in Familien umgeht, nämlich mit Pflegschafts­sachen. Es geht darum, dass man bei Personen unter 14 Jahren darauf achtet, was sich in die­sen Familien abspielt, und zwar zentral von einem Gerichtshof aus für ganz Wien; daher kennt jeder die zu Betreuenden und kann höchst effizient mit diesen Fällen umgegangen werden.


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Indem Sie nunmehr den Jugendgerichtshof zerschlagen, wird diese zentrale Verwaltung auf zwölf Gerichte in ganz Wien aufgeteilt, und damit findet eine Zersplitterung statt, die natur­ge­mäß schon auf Grund dieses Vorganges eine Verschlechterung im Umgang mit den jungen Men­schen bewirkt – wobei es ja vor allem darum geht, zu verhindern, dass diese jungen Men­schen kriminell werden.

Ich weiß nicht, was daran sinnvoll sein soll. Ich habe nicht die Hoffnung, dass Sie dem zu­stim­men, aber trotzdem richte ich den Appell an Sie, sich diese Maßnahme noch einmal zu über­le­gen und wirklich der Vernunft eine Chance zu geben. Das wäre mein großer Wunsch. In diesem Sinne darf ich Sie ersuchen, meine Damen und Herren: Überlegen Sie sich bitte gut, worüber, wie und mit welcher Verantwortung Sie heute hier abstimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.30


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. Freiwillige Rede­zeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.30


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr ge­ehrter Herr Kollege Jarolim, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört (Abg. Mag. Gaßner: Ist auch gut so!) und muss sagen: In Wirklichkeit haben Sie in der Substanz kein einziges Argu­ment vorgebracht, nicht eines! Ich bin bitter enttäuscht, weil ich mir ein bisschen mehr erwartet habe. (Abg. Mag. Wurm: Kein einziges?! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Frau Kollegin Wurm, zu Ihnen komme ich noch ganz speziell.

Meine Damen und Herren! Sie müssen sich das auf der Zunge zergehen lassen! Sie müssen wissen, dass die Unterbringung in dem von Ihnen so hoch gelobten Strafvollzug für Jugendliche zur­zeit alles andere als ein menschlicher Vollzug ist. Wir gehen her und verbessern genau die­sen Vollzug, und Ihnen passt das nicht! Das müssen Sie mir einmal ganz genau erklären, meine Da­men und Herren!

Ich sage Ihnen – ich gehe jetzt in die Sache ein –, jawohl, wir haben ein Problem mit straffällig ge­wor­denen Jugendlichen, und zwar deswegen, weil es offensichtlich so ist, dass gewisse Pro­ble­me immer häufiger werden, dass immer häufiger jugendliche Täter folgende Begleiter­schei­nun­gen aufweisen: Sie sind verstärkt Analphabeten, sie haben eine hohe Gewaltbereitschaft, sie haben verstärkt psychische Schäden, immer öfter sind sie dem Drogenkonsum anheim ge­fal­len und unkritische Konsumenten.

Meine Damen und Herren! Da müssen wir ansetzen! (Abg. Mag. Wurm: Da müssen wir bei der Bildungspolitik ansetzen!) Da müssen wir etwas tun, aber wir sollten nicht hergehen und etwas ver­­teidigen, was nicht verteidigungswert ist. Denn wenn das so gut ist, wie Sie sagen, Herr Kolle­ge Jarolim, dann frage ich Sie: Warum haben Sie das nur in Wien eingerichtet, aber nicht in Innsbruck, nicht in Graz und nicht in Linz? – Das ist ein schwer wiegendes „Versäumnis“ ge­genüber den Jugendlichen, wenn Sie es als so gut empfinden. Ich verstehe das nicht, Herr Kolle­ge Jarolim. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mag. Mainoni und Dipl.-Ing. Hof­mann.)

Die Rechtswohltat und die Privilegien, die für den jugendlichen Straftäter im Interesse seiner Gesundung im Gesetz festgeschrieben sind, kommen ihm nach wie vor zugute, und ich stehe da­zu, weil ich an eine Resozialisierung der jugendlichen Straftäter glaube! Aber ich denke, dass vorerst auch andere Dinge zu tun wären, die vielleicht verhindern würden, dass der Jugendliche überhaupt zum Straftäter wird!

Die Rahmenbedingungen zu verbessern – das halte ich für menschenwürdig, das halte ich für ju­gendgerecht –, damit sollten wir uns beschäftigen, Herr Kollege Jarolim, aber nicht mit der Lä­cher­lichkeit, in welchen Strukturen der Vollzug geschieht. Ob der Jugendstrafvollzug mit Präsi­dent oder ohne Präsident durchzuführen ist, das ist nicht das Thema. Das beschäftigt vielleicht die SPÖ, aber ganz sicher keinen Jugendlichen, der straffällig geworden ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich frage mich überhaupt, womit sich die SPÖ-Justizpolitik ernsthaft beschäftigt. Wem, meine Damen und Herren von der SPÖ, reden Sie da das Wort? Welche Interessen vertreten Sie dabei?

Wenn man die Jugendlichen fragt – ich habe damals die Fernsehsendung gesehen –, worum es ihnen eigentlich geht, was sie gerne möchten, dann erfährt man, die Jugendlichen nehmen zum Beispiel im Jugendstrafvollzug längere Außenzeiten sehr gerne an. Sie wollen länger Fuß­ball spielen, länger kicken, das heißt, sie wollen nicht so früh hinter Schloss und Riegel sein, Frau Kollegin Wurm. (Abg. Mag. Wurm: Genau das ist in der Josefstadt nicht der Fall!)

Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, gehen Sie mit mir in Graz in den Häfen und schauen wir uns die Zustände dort an! Dort gibt es wirklich viel zu tun, vieles zu verbessern, aber nicht in der Art und Weise, dass man sich mit den Strukturen und mit der Präsidentschaft beschäftigt. Damit kann man in Wirklichkeit nichts erreichen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr viele der jugendlichen Straftäter sind der deutschen Sprache nicht mächtig, weil sie keine Österreicher sind, nämlich rund ein Drittel. (Abg. Mag. Stoisits: Nur weil viele keine Österrei­cher sind, heißt das nicht, dass sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind!) Was man be­wir­ken kann, wenn den Menschen heute im Häfen die deutsche Sprache gelehrt wird, wenn ihnen möglicherweise auch ein Beruf beigebracht wird, dass man das ausbauen könnte und wie viel Geld wir uns damit im Grunde ersparen könnten, das hätte ich von der SPÖ auch gerne gehört. Damit hätten Sie nämlich jene vertreten, die zu vertreten sind, meine Damen und Herren!

Ich sage Ihnen: Wir haben große Probleme. Wir haben aber nicht nur mit jugendlichen Straf­tä­tern ein Problem, sondern auch mit Jugendlichen, die noch gar nicht strafmündig sind. Ich fürch­te, damit werden wir uns früher oder später (Abg. Mag. Wurm: Besser früher!) auch in diesem Gremium viel intensiver zu befassen haben. Dort anzusetzen, das wäre höchst lohnend.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich sage Ihnen noch etwas: Ich glaube, dass die Fa­milienpolitik des Wolfgang Schüssel beziehungsweise die Familienpolitik der Regierung die viel bessere Prophylaxe ist als sehr viele Projekte und Versuche von Ihnen. Und ich werde Ihnen auch erklären, warum.

Das, was den Jugendlichen heute so abgeht, ist eine liebevolle Aufnahme, eine Beziehung, ist ein Elternhaus (Abg. Mandak: Fehlende Väter! – Abg. Rest-Hinterseer: Fehlende Väter! – Wei­­te­re lebhafte Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Fehlende Väter!), sind Grenzen, Frau Kolle­gin! Jugendliche haben ein Recht auf Grenzen (Ruf: Ein Recht auf Väter!), und ich sage Ihnen, dass das prägsamer ist als die von Ihnen proklamierte und als so gut empfundene Justiz­politik in diesem Bereich. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich würde mich gerne mit Ihnen darüber auseinander setzen, weil ich Ihre Modelle gerne ken­nen lernen würde. Ich habe viel mit Jugendlichen zu tun, die straffällig geworden sind. Manches Mal habe ich den Eindruck, Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wissen nicht, wo­von Sie reden, und das tut mir Leid, nämlich im Interesse der Jugendlichen, die wir hier zu vertreten haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.)

18.35


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

18.35


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege Miedl, keine Argumente haben Sie bis jetzt gehört? – Ja, weil es keine gibt für die Abschaffung des Jugendgerichtshofes! Weil es keine gibt, deshalb können wir auch keine vorbringen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Ich kann Ihnen aber die Argumente, die gegen die Abschaffung des Jugendgerichtshofes vor­ge­bracht wurden, nennen, und das werde ich auch tun. So viel Zeit muss heute sein, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen.

Herr Miedl, weil Sie immer von Graz reden und es so darstellen, als wäre dort die Welt heil: Wis­sen Sie, was in Wien nach 15 Uhr im Grauen Haus los ist? – 1 300 Gefangene und 35 Be­amtinnen und Beamte, die dort arbeiten. 1 300 Häftlinge und 35 Posten, die besetzt sind! – Und das halten Sie für einen menschenwürdigen und perfekten Jugendstrafvollzug?

Herr Miedl! Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen jetzt Folgendes sage, aber das muss ich, nach­dem ich Ihnen vorhin zugehört habe: Sie haben überhaupt keine Ahnung, was sich hier in Wien abspielt! (Beifall bei den Grünen.) Gut, Sie sind ein steirischer Abgeordneter, aber dann lassen Sie uns Wiener Abgeordneten doch das Recht auf etwas, was weltweit ein Vorbild war!

Der Wiener Jugendgerichtshof hat Österreich in der ganzen Welt Ruhm und Anerkennung ge­bracht, aber der Herr Minister schafft ihn ab und zerschlägt diese Strukturen. Kollege Miedl, lassen Sie uns die Argumente vorbringen, mit denen wir uns gegen diese Maßnahme wehren! (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.) Da werde ich nämlich auch böse, wenn Sie so tun, als wären Sie der Einzige, der etwas von Jugendlichen und jugendlichen Straftätern verstünde.

Zugegeben, ich bin keine Gendarmeriebeamtin oder Polizistin, aber ich bin im Gegensatz zu Ihnen schon eine Zeit lang in der Justizpolitik tätig, und ich weiß, was da in den letzten Jahren pas­siert ist. Das, was da jetzt passiert, ist, Herr Minister – ich habe es dem Herrn Minister schon im Ausschuss gesagt –, eine Groteske! Das ist eine Groteske erster Ordnung, die sich zwischen Ihnen und dem ehemaligen Präsidenten des Jugendgerichtshofes Jesionek abspielt, um es personifiziert zu sagen.

Gut, jetzt könnte ich sagen, zwei Männer haben da sozusagen ein Problem – aber das wird auf dem Rücken des Wiener Jugendgerichtshofs und der Wiener Jugendgerichtshilfe ausgetragen, und das ist schändlich, Herr Miedl! Das ist schändlich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt komme ich zu den Fakten: Das alles ist ja schon passiert. Das, was wir heute tun, ist so­zu­sagen ein gesetzliches Nachwassern. Die Fakten sind ja längst geschaffen. Wir hatten dan­kens­werterweise auf Grund einer Initiative der SPÖ Gelegenheit, jene Damen und Herren, die wirklich Fachwissen haben – ich will nicht sagen, im Gegensatz zu Herrn Miedl, aber jedenfalls im Gegensatz zu mir, denn ich bin keine Expertin –, anzuhören, also zu hören, was dort pas­siert.

Und das möchte ich Ihnen in Kurzfassung bringen, denn es war bedauerlicherweise kein ein­ziger Abgeordneter einer Regierungspartei bei dieser interessanten Veranstaltung, bei der man Fakten hören konnte, und zwar von jenen Experten, die sozusagen am lebenden Objekt tätig sind, nämlich mit den Jugendlichen arbeiten.

Eine Jugendrichterin, Frau Rätin Dr. Matschnig, hat dort ausgesprochen, was passiert. Sie hat das zwar nicht wörtlich so gesagt, das sind jetzt meine Worte – ich möchte sie nicht irgendwie ins falsche Licht stellen –, aber: Täglich wird das Gesetz gebrochen, nämlich das Jugendge­richts­gesetz. Das wird dort täglich mit Wissen des Herrn Bundesministers gebrochen, weil näm­lich gerade die wichtigen Voraussetzungen fehlen, weil zum Beispiel die notwendige Trennung von Erwachsenen und Jugendlichen im Grauen Haus nicht möglich ist.

Das ist ein täglicher Gesetzesbruch. Herr Minister, ich fordere Sie auf: Stellen Sie ihn ab! Sie ha­ben diesen täglichen Gesetzesbruch zu verantworten, weil Sie die Bediensteten des Jugend­ge­richtshofes und die Justizwachebeamten in diese Situation getrieben haben. Das ist dort Realität!

Dabei rede ich nicht von Absonderungszellen und Korrektionszellen, in die Jugendliche ge­steckt werden – das klammere ich jetzt aus –, sondern ich rede von der alltäglichen Situation, in der sich diese jungen Leute befinden. Da wäre wirklich Resozialisierung angebracht.


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Professor Friedrich hat in dieser Veranstaltung etwas gesagt, was mich sehr stutzig gemacht hat. Er hat gesagt, dass jeder einzelne jugendliche Häftling – das ist offensichtlich seine Erfah­rung als Jugendpsychiater über Jahre – aus einer Familie kommt, die im Schnitt mit mindestens 20 Polizeiinterventionen dokumentiert ist, bevor der junge Mensch mit dem Gericht, in dem Fall mit dem Jugendgericht, in Konflikt gerät. – Das ist höchst alarmierend, und das war mir bis zu diesem Moment nicht bewusst.

Da gehe ich mit Herrn Miedl konform, da ist Prävention, da ist Jugendwohlfahrt angesagt. Da hat Herr Bundeskanzler – angeblich Familienkanzler – Schüssel wirklich die Möglichkeit, etwas zu tun. Aber nicht so, Herr Justizminister, denn in der gesamten Aktion rund um die Ab­schaf­fung des Jugendgerichtshofes ist nichts enthalten, was die Qualität verbessert.

Ich weiß nicht, ob ich es im Ausschuss gesagt habe, wenn nicht, sage ich es Ihnen jetzt: Ich habe eine Vermutung jenseits der Groteske Bernhardschen Stils, die sich hier abgespielt hat, war­um das alles so passiert ist. – Hier schlägt das Imperium zurück, das Imperium Justiz­mi­niste­rium mit der politischen Spitze Böhmdorfer, denn das Parlament hat vor drei Jahren, als es um die Senkung der Volljährigkeit ging – relativ emanzipatorisch haben wir Abgeordnete uns ge­­gen­über dem Ministerium verhalten –, durchgesetzt, dass bestimmte Benefizien im Jugend­straf­recht auch für so genannte junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren schlagend wer­den.

Das hat nicht wirklich zu 100 Prozent die Zustimmung der Bürokratie gefunden – ganz offen­sicht­lich, weil nämlich keine Vorsorge dafür getroffen wurde, weder budgetär noch personell noch was sonstige Ressourcen angeht –, und daher haben halt jetzt die – wahrscheinlich, so ver­mute ich – Herren im Justizministerium mit der männlichen Spitze Böhmdorfer gesagt: Jetzt zeigen wir ihnen, was das heißt! Jetzt sind nämlich tatsächlich Umstände eingetreten, die nicht korrekt sind. Es war zu wenig Platz, es wurde hin- und hergeführt, aber es wäre Ihre Aufgabe ge­wesen, Vorsorge zu treffen. Was ist das Resultat des Ganzen? – Es wird buchstäblich über die Köpfe der Jugendlichen Politik im schlechtesten Sinne gemacht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Deshalb haben wir bis zuletzt versucht, das öffentlich zu machen, was heute Realität im Ju­gend­strafvollzug im Grauen Haus ist: schlafen, fernsehen, essen, fernsehen, schlafen. Das ist das, was die Jugendlichen dort machen können. Weit und breit keine sinnvolle Freizeit­ge­stal­tung, weil es gar keine Möglichkeiten gibt, weil es einen betonierten Hof gibt, aber keinen Sport­platz, weil es kein Personal gibt, das sich darum kümmert. Aber das, Herr Minister, wissen Sie viel besser als ich, denn Sie sind zuständig, nicht ich.

Es war früher auch nicht ideal. Die Situation in der Rüdengasse war jenseits von ideal. Das, was an den Zellen kritisiert wurde, an wirklich menschenrechtswidrigen Zuständen, ist zu Recht kri­tisiert worden. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, das abzustellen, aber nicht derart, dass man den Jugendgerichtshof zerschlägt. In diese Immobilie in der Rüdengasse hat man zig Millionen, ich glaube, 90 Millionen, investiert, und jetzt steht sie zum Verkauf. Es gibt Interessenten, aber mehr sage ich jetzt nicht dazu, weil ich auch keine Details weiß; sie wird halt versilbert.

Wo ist er jetzt, der das gesagt hat mit den nicht österreichischen Jugendlichen, die der deut­schen Sprache nicht mächtig sind? Sie (in Richtung des Abg. Miedl) behaupten die ganze Zeit, dass Sie eine Ahnung von Jugendlichen haben?! Nur weil jemand keinen österreichischen Rei­se­pass hat, heißt das noch lange nicht, dass er nicht deutsch kann. Die meisten können min­destens so gut deutsch wie Sie, Herr Miedl! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.44


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

18.44


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Trotz der emotionalen Besetzung dieses Themas sollte man die Kirche im Dorf lassen. Vor allem


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sollte man nicht verzerrte Darstellungen bringen, vor allem dann nicht, wenn man uninformiert ist. Frau Abgeordnete Stoisits hat hier eindeutig belegt, dass sie uninformiert ist.

Sie haben zum Beispiel behauptet, Frau Abgeordnete Stoisits, in der Josefstadt gäbe es ab 15 Uhr für 1 000 Häftlinge 35 Justizwachebeamte. Erstens ist nicht um 15 Uhr, sondern um 16 Uhr der Einschluss, zweitens gibt es für die Jugendlichen sechs Abteilungen, und für jede Ab­­teilung steht ein eigener Justizwachebeamter bis 19 Uhr zur Verfügung. (Abg. Mag. Wurm: Aber nicht für die Jugendlichen!) Im Gefangenenhaus im Jugendgerichtshof war die Situation nicht anders. Dort hat es auch für 70 Häftlinge maximal 6 Justizwachebeamte gegeben.

Bitte, verzerren Sie das nicht, vor allem sagen Sie doch nicht, es werde Politik im schlechtesten Sinne über die Köpfe der Jugendlichen gemacht! Das ist eine Verunsicherung, die ganz einfach untragbar ist, Frau Abgeordnete Stoisits. Es gibt auch Werkstätten im Gefangenenhaus in der Josef­stadt. Ich weiß nicht, ob Sie schon jemals dort waren. Es gibt Werkstätten für alle mögli­chen Berufen, wo die Jugendlichen etwas arbeiten können. Es gibt die Möglichkeit, Schulab­schlüsse zu machen, und vieles mehr. – Wie gesagt: Bleiben Sie doch bitte bei der Wahrheit!

Aber mit Die-Kirche-im-Dorf-Lassen meine ich auch die SPÖ. Diese verlässt nämlich die seriöse Argumentation zur Gänze, wenn sie im Minderheitsbericht behauptet – und auch Herr Kollege Ja­rolim hat das heute getan –, es werde durch die Zerschlagung des Jugendgerichtshofes mehr Kri­minalität geben, es werde mehr Rückfälle geben. – Wie kommen Sie eigentlich dazu, solch eine Verunsicherungspropaganda zu machen? (Abg. Mag. Wurm: 10 Prozent mehr Häftlinge!) Sie wissen doch ganz genau, dass es den Jugendgerichtshof nur in Wien gegeben hat, dass es in anderen Landeshauptstädten gar keinen eigenen Jugendgerichtshof gegeben hat. Wollen Sie sagen, das habe dazu geführt, dass es mehr Kriminalität und höhere Rückfälle in den Landes­hauptstädten gegeben hat? Das ist doch paradox. – Bleiben Sie doch bitte auf dem Boden der Realität und bei der sachlichen Argumentation, auch wenn Sie mit der Neuregelung nicht ein­ver­standen sind!

Es ist auch nicht richtig, dass die Auflösung des Jugendgerichtshofes zu einer Verschlechterung für die Jugendlichen führt. Gestehen Sie sich das doch ein! Es gibt weiterhin das Jugendge­richts­gesetz, und dieses wird auch weiterhin von Jugendrichtern ausgeübt. (Abg. Heinisch-Hosek: Die lehnen das auch ab!) Aber selbst dann, wenn es keine eigenen Jugendrichter gäbe, glau­ben Sie nicht, dass auch ein Richter für allgemeine Strafsachen in der Lage wäre, das Ju­gendgerichtsgesetz anzuwenden?! So viel Vertrauen müssten Sie in die Ausbildung der Richter haben, dass sie das Jugendgerichtsgesetz anwenden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sagen, es gebe keinen einzigen Punkt, der positiv sei. – Das stimmt überhaupt nicht! Die Unterbringung wird wirklich entscheidend verbessert. Es gibt eigene Spazierhöfe, es gibt eigene Räume für die Aus- und Fortbildung. Es gibt Ordina­tions­räume für die medizinische Versorgung, einen perfekt ausgestatteten Turnsaal. Den Sport­platz, von dem Sie reden, Frau Abgeordnete Stoisits, haben manche Schulen nicht, aber der Turnsaal ist wirklich großartig, Sie sollten ihn sich einmal anschauen; ich habe ihn schon ge­sehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie sich einmal vergegenwärtigen, wie es um die Räumlichkeiten im Jugendgerichtshof be­stellt war, dann werden Sie erkennen, dass das wirklich nicht mehr dem Standard ent­spre­chend war. Ich glaube, es gibt auch eine Kommission, die festgestellt hat, dass die Hafträume im Jugendgerichtshof nicht mehr der Anti-Folter-Konvention entsprochen haben. 9 Quadrat­me­ter für zwei Jugendliche, die Toilette nur durch einen Vorhang abgetrennt – jetzt gibt es das nicht mehr. Gehen Sie hin, schauen Sie es sich an! Es gibt neue, moderne Hafträume. Ich habe das alles selbst gesehen, sonst würde ich das nicht behaupten.

Natürlich spielte auch der Einsparungsgedanke eine Rolle beim Justizminister. Das ist aber doch nicht verwerflich. Es stehen über 1 000 Quadratmeter an Büroräumlichkeiten im Lan­des­gericht für Strafsachen in Wien zur Verfügung, renoviert im Jahr 1997. Das alles steht leer, und das soll man verkommen lassen und im Jugendgerichtshof Miete bezahlen? 5 Millionen € oder Schil­ling – es ist zwar ein riesiger Unterschied, aber ich weiß es trotzdem nicht – können ein­ge-


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spart werden. 1 000 Überstunden monatlich durch das Justizwachepersonal, das für die Be­schäfti­gung von Jugendlichen eingesetzt werden kann, können ebenfalls eingespart werden.

Sie sollten den weltweit hohen Stand der Jugendgerichtsbarkeit nicht durch eine derart unsach­liche Kritik zu dem Zweck, politisches Kleingeld zu machen, in Frage stellen, meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Bekennen Sie sich zu dieser Reform, sie ist nicht über die Köpfe der Ju­gend­li­chen ausgetragen, sondern zum Nutzen der Jugendlichen! (Beifall bei den Freiheitli­chen und der övp.)

18.50


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Minister.

18.50


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Damen und Herren des Hohen Hauses! Das letzte Mal ist ein derart großer Widerstand aus den Reihen der Opposition gekommen, als wir gegen ihren Willen im Familienrecht die Obsorge beider Elternteile beschlossen haben. Sie haben diesen Schritt damals offensichtlich als Re­vidie­rung und Korrektur Ihrer Gesellschaftspolitik empfunden. – Aber dieser Schritt war richtig. Sie haben sich damals so gebärdet, wie Sie das heute tun, sehr emotional, ohne Sachargu­men­te, doch heute wissen wir, dass die Obsorge beider Teile von 80 Prozent der Bevölkerung auto­matisch angenommen wird; das ist auch in Deutschland so. Von 80 Prozent, das ist eine hohe statis­tische Zahl! Das war ein großer Erfolg, bitte, verkraften Sie ihn endlich! Das war eine Sach­politik, wie sie sich gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Wir haben auch beim Jugendgerichtshof Sachpolitik vor. Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Abge­ord­nete Stoisits, werde ich einmal einige Sachargumente bringen, damit Sie – auch wenn Sie es schon wissen, aber heute trotzdem nicht erwähnt haben – einmal in aller Öffentlichkeit recht­fer­tigen müssen, was Sie hier an Emotionen losgelassen haben, und zwar – ich sage Ihnen das ganz ehrlich – zu meinem Bedauern zu Lasten der Jugendlichen. Sie instrumentalisieren für Ihre politische Gesinnung das Schicksal der Jugendlichen. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie machen das!) Ich halte das nicht für richtig. Hören Sie bitte endlich damit auf!

Wir haben im Jahr 2001 einen modernen Schritt gesetzt. Wir haben – bitte, erinnern Sie sich, Frau Abgeordnete – die Privilegien des Jugendstrafrechtes ausgedehnt auf die bis ein­schließ­lich 21 Jahre alten Personen sowie auch einen Schritt zurück von 19 auf 18 Jahre gemacht. Die Ei­n­schleifregelung hat es aber mit sich gebracht, dass auch die Jugendrichter für diese beiden zu­sätzlichen Jahrgänge zuständig geworden sind. Bitte, akzeptieren Sie das endlich: Wir haben hier einen Fortschritt realisiert! Aber nichts ist ohne Folgen, und dieser Fortschritt hat bewirkt, dass mehr Personen als vorher unter das Jugendstrafrecht oder das Strafrecht junger Heran­wachsender gefallen sind. Das ließ sich nicht vermeiden, und das lässt sich auch in Zukunft nicht vermeiden.

Frau Abgeordnete Stoisits! Wir haben in der Rüdengasse nur 40 Zellen. Durch diesen Moderni­sie­rungsschritt ist aber ein Haftbedarf für 170 Personen entstanden. Wie hat der Herr Präsident des Jugendgerichtshofes darauf reagiert? – Er hat in die vorhandenen Zellen zusätzli­che Betten gestellt, sodass die Situation schließlich der Anti-Folter-Konvention widersprach. Das war ein Problem. Er hat dieses Problem dem Ministerium nicht mitgeteilt, wir sind trotzdem sehr schnell dahinter gekommen, und ich habe – wie Sie das richtig gesagt haben – pflichtge­mäß reagiert.

Die Situation, die eingetreten war, war so, dass Jugendliche ständig aus anderen Haftanstalten hin- und hergeführt werden mussten. Das war ein Sicherheitsrisiko, und das ermöglichte auch die Kontakte mit Erwachsenen, die wir nicht wollen und die sie jetzt nicht haben. Warum ver­heimlichen Sie das?

Waren Sie einmal im Jugendgerichtshof? Waren Sie einmal in den Gängen des Jugendgerichts­ho­fes, Frau Abgeordnete? (Abg. Mag. Stoisits: Einmal? Etliche Male!) Was haben Sie dort ge­sehen? – Jugendliche vor den Verhandlungssälen neben Erwachsenen. Warum haben Sie da­mals nicht aufgeschrieen?


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Das gibt es jetzt nicht mehr, weil eine bauliche Trennung zwischen dem Gefangenentrakt und dem Gerichtstrakt besteht. Die Jugendlichen gehen jetzt direkt durch eine Tür in ihre Verhand­lungs­säle. Das hat es bis dahin nicht gegeben. Der einzige Kontakt, der besteht, ist theoreti­scher Natur: Es kann von manchen Erwachsenenzellen in die beiden Höfe der Jugendlichen, wo diese spazieren gehen und Sport betreiben dürfen, eingesehen werden. Das ist der einzige Kontakt, der geblieben ist. Weniger geht einfach nicht! Früher war viel mehr Kontakt mit Er­wachsenen möglich und auch das entsprechende Sicherheitsrisiko vorhanden.

Ich verstehe nicht, Frau Abgeordnete, warum Sie gerade das heute verschwiegen haben. (Abg. Mag. Stoisits spricht mit Abg. Dr. Glawischnig.) Ich verstehe auch nicht ganz, warum Sie mir ge­rade jetzt, wo es um die Fakten geht, bewusst Ihre Aufmerksamkeit nicht zuwenden.

Wir haben eine Reform des Jugendstrafrechtes wie beschrieben durchgeführt, und wir haben auch den Jugendstrafvollzug verbessert. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass wir das Netzwerk zerschlagen hätten. Weder Herr Abgeordneter Jarolim, der nicht mehr im Saal ist (Abg. Dr. Puswald: Er ist da!) – danke –, noch Frau Abgeordnete Stoisits haben irgendein Ar­gu­ment dafür gebracht, dass dieses Netzwerk nicht mehr funktionieren sollte. Ich habe sogar Herrn Präsidenten Jesionek, mit dem Sie mir ein Problem unterstellen, das ich nicht habe, an­geboten, dass er mit der von ihm geleiteten Organisation „Weißer Ring“ im Landesgericht für Strafsachen Wien Logis findet. Er hat das abgeschlagen; warum, weiß ich nicht.

Mein erster Kontakt im Ministerium war, dass ich ihm für seine Organisation „Weißer Ring“ 100 000 S akontiert habe, damit er Verbrechensopfer unterstützen kann. – Diese Regierung war die erste Regierung, die einen derartigen Fonds überhaupt eingerichtet hat. Warum ver­schwei­gen Sie das, Frau Abgeordnete? Ich finde das nicht fair.

Ich sage Ihnen noch einmal: Interessieren Sie sich endlich für die Baulichkeit Jugendgerichtshof Rüdengasse! Man kann die dort vorhandenen 40 Zellen nicht erweitern oder ergänzen, weil die­ses Gebäude nämlich unter Denkmalschutz steht. Sie können in 40 Räumen, in 40 Zellen nicht 170 Gefangene unterbringen. Bitte, erklären Sie mir, wie Sie das hätten machen wollen!

Zum Engagement selbst; ich sage es Ihnen ganz offen: Das Engagement bessert sich Gott sei Dank! Sie alle kennen den Begriff des außergerichtlichen Tatausgleiches. Das ist jene Form der Di­ver­sion, bei der sich der Richter und/oder der Staatsanwalt hinsetzen und zwischen dem Opfer und dem jugendlichen Täter einen Ausgleich herbeiführen. Das ist der außergerichtliche Tat­ausgleich – eine mühevolle Sache und ein Gradmesser für persönliches Engagement eines Staats­anwaltes und eines Richters.

Ich nenne jetzt die Zahlen – bitte, nehmen Sie zur Kenntnis, welches Engagement am Jugend­ge­richtshof Wien geherrscht hat; ich rede von der Vergangenheit, ich kritisiere keine aktuellen gerichtlichen Verfahren oder Entscheidungen –:

In der 2-Millionen-Einwohner-Stadt Wien wurde 40 Mal der außergerichtliche Tatausgleich durch­geführt, in Ried im Innkreis 61 Mal, in Salzburg 304 Mal. Das einzige Gericht in ganz Ös­ter­reich, bei dem der außergerichtliche Tatausgleich weniger oft als in Wien – in der 2-Millionen-Ein­wohner-Stadt! – durchgeführt wurde, war Krems mit 35 Mal. – Das ist ein zu geringes En­gage­ment! Nach unseren Maßnahmen hat es sich wesentlich verbessert. Wien hat seine An­zahl an außergerichtlichen Tatausgleichen verdrei- bis vervierfacht.

Warum denn wohl? – Weil man dort endlich damit begonnen hat, über das eigene Engagement nach­zudenken. Warum funktioniert es denn im restlichen Österreich besser? – Weil sich auch die beste Absicht – und diese beste Absicht stammt aus dem Jahre 1928 – einmal überleben kann, und sie hat sich überlebt. Im restlichen Österreich funktioniert der Jugendstrafvollzug bes­ser und mit mehr Engagement.

Sie werden sehen – genauso wie bei der gemeinsamen Obsorge beider Elternteile –: Das ist ein Schritt in Richtung Verbesserung, das ist ein Schritt in Richtung mehr Zuwendung zu den


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Ju­gendlichen, Sie müssen nur endlich die Fakten akzeptieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

18.59


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. – Bitte.

18.59


Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sie sehen mich fassungslos. Ich bin fassungslos, dass ich hier Teil eines vorabendlichen Films werde, den ich nicht mehr verstehe; eines Films mit dem Titel „Denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Abg. Dr. Fekter: Nein! Sie wissen nicht, wovon Sie reden!) Das kann ich nur daraus her­leiten, Frau Kollegin Dr. Fekter, dass Sie wirklich nicht wissen, was Sie tun. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verstehen es ja nicht!) Über Sie, Frau Dr. Partik-Pablé, als gelernte Richterin bin ich be­sonders erstaunt, wie Sie hier argumentieren, wo Sie eigentlich wissen müssten, was Sie tun sollten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Weil Sie es nicht verstehen!)

Und es ist auch nicht erstaunlich, dass Sie nicht wissen, was Sie tun, denn Sie lehnen es ja ab – entgegen allen blumigen Worten und Mitteilungen, dass Sie dialogbereit und infor­mations­bereit wären; Sie sind es nicht! –, Sie lehnen es ab, sich mit irgendjemandem auseinander zu setzen, der a) weiß, was Sache ist, und b) etwas einbringen könnte, was für Sie nicht bequem ist, aber der Sache dient. (Abg. Großruck: Von wem sprechen Sie überhaupt?) Daher ist es so, dass es kommt, wie es kommen muss: dass Sie hier völlig uninformiert einem Gesetz zustim­men wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso sprechen Sie über etwas, was Sie nicht verstehen?)

Frau Dr. Partik-Pablé! Ich darf Ihnen versichern, ich weiß, wovon ich rede (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ach, doch?), denn ich habe im Unterschied zu den Damen und Herren der schwarz-blauen Koalition an einer Enquete teilgenommen, an der internationale Wissenschafter, aber auch Richtervertreter teilgenommen haben, die unisono der Meinung waren, dass hier an der Jugendgerichtsbarkeit und damit am kostbarsten Gut, das ein Staat hat, nämlich an der Jugend und an der Zukunft dieser Gesellschaft, ein Verbrechen begangen wird (Rufe der Missbilligung bei den Freiheitlichen und der ÖVP), ein Verbrechen insofern, als hier eine international ein­malig anerkannte Organisation zerschlagen wird, und zwar mutwillig und ohne dass ich dafür heute ein sachgerechtes Argument hören hätte können.


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Puswald! Wir finden andere Argumente und andere Worte, bitte!


Abgeordneter Dr. Christian Puswald (fortsetzend): Ich bitte um Entschuldigung und werde leicht andere Argumente finden. (Abg. Mag. Donnerbauer: Diese „Verbrechen“ haben Ihre frühe­ren Justizminister in ganz Österreich begangen!)

Da scheinen Sie zu irren, Herr Kollege, denn die früheren Justizminister haben den Jugend­gerichtshof nicht zerstört. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber verkommen haben sie ihn lassen!)

Verkommen haben wir ihn lassen? – Auch das trifft nicht zu. Das müssten Sie als Richterin besser wissen.

Aber ich darf Ihnen auch sagen, dass dieses Haus materiell nicht beschlussfähig ist, denn die schwarz-blaue Mehrheit hat nicht den notwendigen Informationsstand, um hier überhaupt zu­stim­men oder mitstimmen zu können. Daher verweise ich noch einmal auf den Antrag auf Rück­verweisung an den Justizausschuss, dessen Annahme Ihnen allen gut anstünde. Damit könn­ten Sie beweisen, dass Sie auch die nötige moralische Kraft haben, sich selbst Fehler einzuge­stehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Allerdings ist dieses Gesetz – und dafür müsste man, wenn es nicht so traurig wäre, dankbar sein – ein Beweis dafür, dass diese Regierung endlich von ihrem hohen Ross steigen muss, eine Verneigung vor dem Volk machen muss, von ihrer autoritären Grundhaltung und ihrem


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Macht­rausch Abstand nehmen muss und ihre Arroganz und Überheblichkeit ablegen muss. Das, meine Damen und Herren, sind nicht meine Argumente, sondern die Ihrer Freunde aus der Partei, Dinkhauser und Dirnberger! (Beifall bei der SPÖ.)

An Sie, Herr Bundesminister, hätte ich eine ganz besondere Bitte. Ich hatte nämlich, als ich in die­ses Hohe Haus kam, die Erwartungshaltung, dass Sie und vielleicht auch Frau Kollegin Dr. Fekter sich wohltuend von den Praktiken des Herrn Innenministers abheben würden. – Ihre zu­letzt gemachte Äußerung hat mir bewiesen, dass Sie nicht nur dazu nicht bereit sind, sondern offen­bar auch diesem autoritären Stil verfallen sind, der viele Österreicher betrübt. (Zwischen­be­merkung von Bundesminister Dr. Böhmdorfer.)

Daher sage ich Ihnen: Wenn diese Politik hier weiterbetrieben wird, Husch-Pfusch-Gesetze ver­ab­schiedet werden, wenn skandalöse Zustände (neuerliche Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dr. Böhmdorfer) – Herr Minister, ich bin gerne bereit, im Detail mit Ihnen darüber zu dis­kutieren, aber meine Redezeit ist beschränkt – von Ihnen nicht abgestellt werden, obwohl Sie seit drei Jahren im Amt sind, wenn Sie diese Zustände zum Teil noch verhöhnen – ich will auch hiezu nicht ins Detail gehen –, wenn Sie persönliche Befindlichkeiten, die ganz offenkundig Ihrer­­seits in Bezug auf Präsident Jesionek existieren, zum Anlass für eine Gesetzgebung neh­men, dann muss ich Ihnen klipp und klar sagen, dass Sie für mich als Minister, als Justiz­minis­ter, als Vorsteher, wenn ich das so sagen darf, der wichtigsten Säule der Demokratie, nämlich der Justiz, untragbar sind!

Ich fordere Sie daher zum Rücktritt auf! Es stünde Ihnen gut an, dieser Aufforderung zu fol­gen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Ironische Heiterkeit der Abgeordneten Mag. Mainoni und Großruck.)

19.04


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

19.04


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Also diese Ausbrüche meines Vorgängers! Ist dieser Misstrauensantrag jetzt ein Parteien-Miss­trauens­antrag (Abg. Dr. Puswald: Kein Misstrauensantrag, eine Rücktrittsaufforderung!) oder ist es nur der Ausfluss einer Emotion gewesen, eine Rücktrittsaufforderung oder was auch immer? – Ich ver­mu­te, es ist die Emotion ein bisschen mit Ihnen durchgegangen. Aber Sie werden das auch noch lernen. Wir nehmen das nicht allzu ernst, was Sie hier sagen, besonders aus Ihrer Be­trach­­tungsweise. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Sie nehmen leider nie jeman­den ernst! – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Meine Damen und Herren! Das Thema ist aber ernst genug, und man sollte doch die Fakten spre­chen lassen. Es ist bereits im Ausschuss ebenso wie auch hier eine völlig unverständliche Emotion in Bezug auf diesen Themenbereich entstanden. Da ist gesagt worden, wider besseres Wissen hätte der Justizminister etwas gemacht. Ein Netzwerk sei zerschlagen worden. Die unsinnigste Maßnahme sei dies gewesen, hat sich eine Kollegin verstiegen zu sagen, eine Maßnahme, die überhaupt nichts bringe, und verwerflich sei sie und so weiter und so fort.

Was ist Realität? – Realität ist, sehr geehrte Damen und Herren, die Übersiedlung des Jugend­ge­richtshofes von Erdberg in die Josefstadt, bessere Haftbedingungen, optimalere Betreuung und dazu eine Einsparung. – Das sind die Eckpunkte, und diese sprechen eindeutig für diese Maß­nahme.

Meine Damen und Herren! In Erdberg – auch das weiß jeder, aber man geht nicht darauf ein – war die Unterbringung eine unbefriedigende. Wir haben bereits gehört – der Herr Justizminister hat es uns ja geschildert –, wie voll die Zellen waren und dass die Haftbedingungen eindeutig der Anti-Folter-Konvention widersprochen haben. Die Hafträume haben 70 Haftplätze umfasst – und jetzt in der Josefstadt sind es, bitte, 150 Haftplätze, die zur Verfügung stehen! (Abg. Mag. Wurm: Weniger einsperren wäre noch besser!)


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Auch das Thema Diversion sollte noch einmal angesprochen werden. Jetzt ergibt sich endlich einmal die Möglichkeit, so hoffen wir, dass die Diversion – ein sehr modernes Instrument – oder auch der außergerichtliche Tatausgleich forciert wird.

Ein weiteres Thema, das man nicht übersehen sollte, das auch Realität ist und mit dem Budget und einfach auch mit den Finanzen in unserem Staat zu tun hat, ist die Einsparung. Die Miete in Erdberg betrug rund 250 000 € im Jahr; in der Josefstadt fallen keine Kosten an. Der Transport der Jugendlichen zu den Vernehmungen, um nur ein kleines Beispiel zu bringen, und zu den Verhandlungen erforderte bis zu 17 Justizbeamte täglich!

Meine Damen und Herren! Das alles fällt nun weg. Man nenne mir nun einen Grund – außer einen möglichen parteipolitischen –, der die Behauptung rechtfertigen würde, dass diese Über­sied­lung nicht sinnvoll gewesen wäre! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich komme aber zu guter Letzt noch auf einen Punkt zu sprechen, der in den vergangenen Wo­chen in den Medien thematisiert wurde: die Haftbedingungen in der neuen Jugendstraf­anstalt Josefstadt. Es war die Rede von einer „Korrekturzelle“ – ein Begriff, den es in dieser Form über­haupt nicht gibt –, von einem WC, das nur ein Loch im Zimmer wäre, und so weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt müssen wir einmal von Folgendem ausgehen: Eine Absonderung erfolgt überhaupt nur aus besonderen Gründen. In den Medien wurde das so dargestellt, als ob das etwas ganz Übliches wäre, dass Jugendliche in diese „Korrektur­zel­len“ kommen. – Nein! Wissen Sie, wann die da hineinkommen, Frau Kollegin? Sie kommen – so wie im gegenständliche Fall – dann hinein, wenn sie Mithäftlinge bedroht und gequält haben. Da ist es doch, bitte, Aufgabe, diese Jugendlichen zu separieren!

Es stimmt auch nicht, was über die Haftbedingungen und die Hafträume zu lesen war. Diese sind große Zellen, und zwar sehr wohl mit Fenster, Tisch, Sessel, Bett, WC und Waschplatz. – Also, was hier geschildert wurde, entspricht einfach nicht den Tatsachen.

Im zweiten Fall der Absonderung, der auch durch die Medien gegangen ist, wurde ein 17-jähri­ger Schwarzafrikaner abgesondert. Warum? – Er hat zwei Beamte angegriffen und dabei ver­letzt. Es ist doch wohl notwendig, dass solche Jugendliche abgesondert werden, denn sie stel­len eine Gefahr für ihre Mithäftlinge und auch für die Justizwachebeamten dar!

Das ist die Realität – in den Medien aber ist es leider Gottes ganz anders zu lesen gewesen.

Die Jugendlichen betreiben in dieser Jugendstrafanstalt Josefstadt sehr wohl auch mehrere Sport­arten. Es stimmt einfach nicht, was diesbezüglich von der Opposition berichtet wurde. Es gibt die Möglichkeit, Fußball zu spielen, Handball, Volleyball, Badminton, sogar Tischtennis. Es gibt 15 PC-Lernplätze in dieser Haftanstalt, und es wird auch der Besuch der Hauptschule an­ge­boten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das sind Gründe, die für diese neue Anstalt spre­chen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.09


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

19.09


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen wir die Kirche im Dorf (Abg. Bucher: Das haben wir schon gehört!), hat Frau Abgeordnete Partik-Pablé gemeint. – Jawohl, lassen wir die Kirche im Dorf! Einige hier im Hohen Hause kennen nicht nur die heute hier zitierten Justizanstalten Erd­berg oder Wien-Josefstadt, sondern, lieber Kollege Miedl, es gibt auch einige hier im Haus, die den Grazer Häfen – wie du es so schön formuliert hast – und überhaupt alle Justizanstalten Ös­ter­reichs kennen! Wenn du dir Sorgen darüber machst, womit sich die SPÖ wirklich beschäftigt, dann darf ich es dir sagen: mit den berechtigten Sorgen und Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Aussage des Kollegen Mainoni in der Debatte zum vor­­hergehenden Tagesordnungspunkt aufgreifen. Da hat er nämlich gemeint – und das stimmt –, dass wir in unserer Republik derzeit einen sehr hohen Insassenstand in den Ge­fäng­nissen haben. Wir haben, Herr Minister, 8 000 Haftplätze und haben 7 944 Insassen. Dabei gibt es ein großes Ost-West-Gefälle. Das Problem ist ja in Wirklichkeit – man kann das alles schön zer­legen, es wird dadurch aber nicht besser –, dass wir etwa in einer besonders belasteten Dienst­­stelle wie jener in der Josefstadt, wo es, wie wir beide wissen, Herr Minister, 950 Haft­plätze gibt, mit dem gestrigen Tag 1 267 Insassen gehabt haben und dass wir eine solche An­zahl das letzte Mal vor 30 Jahren gehabt haben (Abg. Dr. Partik-Pablé: Vor 15 Jahren ha­ben Sie 1 300 Häftlinge ...!), Frau Kollegin, oder vor 25 Jahren. Aber wir wissen, wie problematisch dieser Zustand ist, was die Gesamtsituation betrifft. Und das macht die Situation ja so schwie­rig!

Der beste Beweis dafür, dass es schwierig ist, Frau Kollegin, ist die Tatsache, dass der Herr Bundesminister eine Außenstelle für die Justizanstalt Josefstadt in Simmering errichten lassen musste, und zwar für U-Häftlinge. Wissen Sie, warum? – Weil wir mit dem gestrigen Tag – und das, so glaube ich, sogar erstmals in der Geschichte – 1 000 U-Häftlinge in der Josefstadt sitzen hatten! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dafür kann ja der Minister nichts!) – Nein, aber ich verlege nicht einen sensiblen Bereich des Strafvollzugs in einen sehr angespannten oder in den am meisten an­ge­spannten Bereich der Justiz von ganz Österreich! Dadurch mache ich doch das Problem nicht kleiner! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist aber kein Strafvollzug, die U-Haft!)

Herr Bundesminister, ich möchte auch hier in aller Deutlichkeit an Sie appellieren und Sie er­su­chen: Setzen Sie sich bitte auch in der Regierung durch und lassen Sie nicht zu, dass die Justiz kaputtgespart wird! Ich sage das jetzt nicht nur in Bezug auf den Strafvollzug, sondern auf die gesamte Justiz. Die Menschen stehen bei uns wirklich im wahrsten Sinne des Wortes an der Front. Alle internationalen Experten haben diesbezüglich klare Aussagen getroffen, und ich möch­te alles, nur nicht, dass irgendeine Bedienstete oder ein Bediensteter der Josefstadt viel­leicht einmal beschuldigt wird, dass dort kein ordentlicher Dienst verrichtet wird. Dort wird im In­teresse der Republik, im Interesse der Humanität Übermenschliches geleistet, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, aber die Josefstadt war und ist in der jetzigen Situation nicht geeig­net. (Beifall bei der SPÖ.)

19.13


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

19.13


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Damen und Herren des Hohen Hauses! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, vielen Dank für Ihre Worte. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Vieles von dem, was Sie gesagt haben, ist richtig. (Ru­fe bei der SPÖ: Alles! Alles!) Die ansteigenden Häftlingszahlen sind Besorgnis erregend. Sie sind das Ergebnis einer gestiegenen Kriminalitätswelle und gerichtlicher Entscheidungen insbe­son­dere im Bereich der U-Haft. Warum der U-Haft? – Weil Sie sich hier im Jugendlichen-Be­reich bewegen und Jugendliche, insbesondere die 14- bis 18-Jährigen – und das hat nichts mit der Gesetzgebung der letzten Jahre zu tun –, immer in Gruppen, juristisch gesagt: Banden, auf­treten, deshalb in U-Haft genommen werden müssen und weil sie getrennt vernommen werden müssen. – Das ist der eine Grund.

Der zweite Grund ist, dass wir eine – entschuldigen Sie vielmals, ich muss es hier sagen – Kri­minalitätswelle aus dem Ausland haben. Und bei Personen, die ihren Wohnsitz nicht in Österreich haben, nimmt man eben eher als bei anderen den Haftgrund der Fluchtgefahr an. Das heißt, auch hier kommt es zu erhöhter Verhängung von U-Haften.

Das ist unser Problem, und ich sorge mich genauso wie Sie, Herr Abgeordneter. Ich habe das heute der österreichischen Bundesregierung in einem Ministerratsvortrag mitgeteilt, und wir wer­den dieses Problem lösen.

Wir sind schon dabei, durch Zubauten und ähnliche Maßnahmen dieses Problem zu lösen. Wir ha­ben genauso schnell reagiert, wie wir auf die unerträgliche Situation in der Justizanstalt Erd-


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berg reagiert haben. Und das ist das heutige Ergebnis! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.14


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

19.15


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Da­men und Herren! Die Vorsitzende des Justizausschusses, Frau Dr. Fekter, ist uns eigentlich noch eine Antwort schuldig. Es geht ja das Gerücht, Frau Dr. Fekter, um, dass Sie besonders an der Zerschlagung des Jugendgerichtshofes interessiert gewesen wären. Bisher schweigen Sie dazu – aber das scheint ja in der Österreichischen Volkspartei immer üblicher zu werden. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Können Sie sich noch erinnern – ich kann mich noch gut daran erinnern –, wie Sie uns einmal erklärt haben, dass wir außerhalb Wiens keinen einzigen Jugendrichter fin­den werden, der gegen die Auflösung des Wiener Jugendgerichtshofes eintreten würde? – Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Wir haben jetzt eine fraktionelle Enquete der SPÖ zur Auflösung des Jugendgerichtshofes gehabt. Zu dieser war auch ein Jugendrichter aus Innsbruck, Dr. Günt­her Böhler, ein Richter mit ausgezeichnetem Ruf, eingeladen. Dieser hat sich alles an­de­re als gegen den Jugendgerichtshof in Wien ausgesprochen. Auch Frau Dr. Astrid Hen­hofer, Stellvertreterin des Obmannes der Fachgruppe Jugendrichter und -richterinnen am OLG Linz, hat sich für die Beibehaltung des Jugendgerichtshofes ausgesprochen. Der Richter Dr. Böhler aus Tirol, also aus dem Westen des Bundesgebietes, hat zusammengefasst Folgen­des gesagt – ich zitiere –:

Zusammengefasst nur zum Jugendgerichtshof noch einmal: Die Auflösung dieser funktionie­renden Einrichtung ist auch uns aus westlicher Sicht nicht verständlich, zumal dieses Netzwerk mehr als gut, nämlich richtig, funktioniert. – Zitatende.

Was sich Dr. Böhler gewünscht hätte und nach wie vor wünscht – und immer wieder wendet er sich mit Bitten, mit Petitionen an das Justizministerium –, ist, dass zum Beispiel auch in Inns­bruck, also in den Bundesländern die Jugendgerichtshilfe eingerichtet wird. Alle Bemühungen in diese Richtung, so sagt er, sind aber in Tirol bisher gescheitert. – Hier, Herr Bundesminister, ist Handlungsbedarf gegeben. Hier sollte etwas geschehen!

Ich darf einen weiteren Experten, der an dieser Enquete teilgenommen hat, zitieren, und zwar Pro­fessor Viehmann aus der Bundesrepublik Deutschland. Dieser sagte:

Die Auflösung des Jugendgerichtshofes Wien scheint mir ein ähnlich bedauernswerter Akt der Kriminalpolitik zu sein, ein Akt der Bürokratie, fiskalisch-organisatorisch begründet, gegen eine fast 80-jährige Rechtskultur. Die Auflösung des Wiener Jugendgerichtshofes ist für mich ein Akt kriminalpolitischen Rückschrittes. – Zitatende. So sagt ein weiterer Experte.

Zum Schluss meiner Argumentation möchte ich auf etwas eingehen, was auch Sie in Ihrer zweiten Wortmeldung noch einmal ins Treffen geführt haben, nämlich dass ja einer der wesent­lichen Gründe, warum der Jugendgerichtshof von Erdberg in die Josefstadt verlagert worden ist, darin bestand, dass es dadurch zu einer Qualitätsverbesserung kommen sollte.

Dazu gibt es nun aber eine wissenschaftliche Studie, verfasst von Professor Christian Grafl vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien und seiner Assistentin Dr. Judith Stum­mer. Die Autoren dieser Studie haben eine Umfrage unter den jugendlichen Häftlingen durchgeführt, und ich kann Ihnen im Gegensatz zu dem, was hier immer wieder ins Treffen ge­führt wurde – von Herrn Miedl, von Herrn Mainoni und auch von Ihnen, Herr Minister –, nur eines sagen, nämlich dass die Jugendlichen – und es wurden alle befragt, es ist also eine mehr als repräsentative Umfrage – im Durchschnitt mit den Haftbedingungen im früheren Jugend­gerichts­hof in Erdberg zufriedener waren als mit der jetzigen Situation.


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Etwas, was schon sehr zu denken gibt, Herr Justizminister, ist das Problem, dass die Ju­gend­lichen keine Arbeit vorfinden, dass sie keine Arbeitsplätze haben und dass sie zur Un­tätig­keit gezwungen sind – und das ist, besonders für junge Menschen, ein großes Problem! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundesminister! Noch ganz kurz eine Anmerkung, weil Sie und auch Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pable wieder in Bezug auf Sportmöglichkeiten darauf eingegangen sind, dass es Turn­säle gibt und so weiter: Es gibt ein Gesetz, wonach den Jugendlichen zum Beispiel zwei­mal Ausgang gewährt werden sollte, nur: Er kann nicht gewährt werden, weil das Personal fehlt! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das stimmt aber überhaupt nicht!) Daher ist das, was sich da teilweise abspielt, schlicht und einfach gesetzeswidrig. Die Schuld daran gebe ich aber nicht den Kolle­gen in den Justizwacheanstalten, sondern es mangelt eben an Personal.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Abschluss noch einmal ein Appell an die Vernunft: Zie­hen Sie diesen Gesetzentwurf zurück! Folgen Sie Professor Friedrich, der wirklich eine wichtige Stimme in der Jugendpsychologie, in der Jugendpsychiatrie ist! Nehmen Sie diesen Entwurf zu­rück! Geben Sie der Jugend eine Chance! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.20


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor, daher schließe ich die Debatte.

Ein Schlusswort seitens des Herrn Berichterstatters wird nicht gewünscht.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, wobei als Erstes abzustimmen ist über den Rück­ver­weisungsantrag, den die KollegInnen Dr. Jarolim und Mag. Stoisits zum Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz und das Gerichtsorganisa­tions­gesetz geändert werden, eingebracht haben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, dass diese Vorlage rückverwiesen, noch einmal dem Justizausschuss vorgelegt wird, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Min­derheit. Der Rückverweisungsantrag ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst in 48 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Vorlage zustimmen, um ein diesbezügliches Zei­chen. – Die Vorlage ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (39 der Beilagen): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollzugsgebühren (Vollzugsgebührenge­setz – VGebG) geschaffen und die Exekutionsordnung geändert wird (Exekutionsord­nungs-No­velle 2003 – EO-Nov. 2003) (50 der Beilagen)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 7. Punkt der heutigen Tagesordnung.

Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt nicht vor, daher erteile ich sogleich Herrn Abgeordnetem Mag. Donnerbauer als erstem Redner das Wort. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.22


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten und entscheiden heute über


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eine Vorlage, mit der verschiedene Änderungen im Exekutionsrecht, die anstehen, umgesetzt werden sollen. Es geht dabei einerseits darum, ein Anreizsystem für die Gerichtsvollzieher zu schaffen, um einer effizienten Durchsetzung der Ansprüche, die rechtskräftig festgestellt worden sind, zum Durchbruch zu verhelfen, andererseits um einige korrespondierende Änderungen in der Exekutionsordnung und auch darum, dass bei den Regelungen für Einstweilige Verfügun­gen zum Schutz vor Gewalt in der Familie der Angehörigen-Begriff etwas erweitert werden soll und auch da bei der Umsetzung einige Änderungen anstehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich um keine sehr spektakuläre Ge­setzes­novelle, aber erlauben Sie mir dennoch, auch im Hinblick auf die Debatte im Justiz­aus­schuss einige Worte über den Sinn und Zweck der exekutionsrechtlichen Regelungen zu ver­lieren.

Die Exekutionsordnung und die damit in Zusammenhang stehenden gebührenrechtlichen Rege­lungen dienen im Wesentlichen dem Ziel, den von den staatlichen Gerichten rechtskräftig fest­ge­stellten Ansprüchen, oft auch über einen längeren Weg, durch mehrere Instanzen rechts­kräf­tig festgestellten Ansprüchen, effizient und auch möglichst rasch zum Durchbruch zu verhel­fen.

Es geht dabei nicht um Gesetzeswerke, die dem Schutz des Schuldners dienen – das wurde in der Debatte im Justizausschuss von den Vertretern der Grünen offensichtlich etwas missver­standen. Schuldner-Schutzbestimmungen machen durchaus Sinn und haben ihre Berechtigung; sie sind in verschiedenen Materien auch umgesetzt. Wenn es aber um die Umsetzung der For­de­rungen geht, die rechtskräftig festgestellt worden sind, dann geht es darum, dem Gläubiger zum Durchbruch seiner Rechte zu verhelfen. Er hat ja auch den Anspruch erworben, dass seine Ansprüche umgesetzt und durchgesetzt werden.

Ich meine, wir sollten vor allem Folgendes bedenken: Die Gläubiger sind im Regelfall nicht wild gewordene Kapitalisten, die versuchen, Schuldner auszubeuten, sondern Gläubiger sind sehr oft, wenn ich nur einige Beispiele anführen darf, Frauen und Kinder, die ihre Unterhaltsan­sprü­che durchsetzen müssen, Opfer von Unfällen oder kriminellen Handlungen, denen Schadener­satz­an­sprüche zustehen, die sie oft auf einem sehr mühsamen und langwierigen Weg ein­bringlich machen müssen, oder auch Unternehmen, Gewerbebetriebe, die ihre Leistungen vor­weg erbracht haben und die ebenfalls oft sehr mühsam und unter großem Kosteneinsatz ihre Gegen­leistung vom jeweiligen Schuldner einfordern müssen.

Das muss man sich vor Augen halten, wenn es darum geht, dieses Instrument der Exekutions­ordnung möglichst effizient und im Interesse der Schuldner, die letztlich auch diese Kosten zu bezahlen haben, auch möglichst kostengünstig zu halten. Dieses Ziel steht an vorderster Stelle bei dieser Gesetzesnovelle. Es hat ja schon in der Vergangenheit, im Jahr 1995, entsprechende Umsetzungen gegeben, und es geht jetzt darum, noch weitere Anreize zu schaffen, aber auch darum, das Gebührensystem möglichst einfach und kostengünstig zu machen.

Ich denke daher, dass es allen Fraktionen in diesem Hohen Hause möglich sein müsste, dieser Ge­setzesvorlage heute die Zustimmung zu erteilen, denn es handelt sich wirklich um keine ideologische Frage. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.26


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadlbauer. – Bitte.

19.27


Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich neh­me zu § 382, Schutz vor Gewalt in der Familie, Stellung.

Österreich hat im Bereich des Gewaltschutzgesetzes und Wegweiserechtes eine Vorreiterrolle in Europa, ja in der ganzen Welt inne. Um dieses Gesetz werden wir beneidet, ja viele versu­chen, Ähnliches zu installieren.

Ich möchte zu Beginn meiner Rede die Möglichkeit nutzen, den Frauenministerinnen der SPÖ Jo­hanna Dohnal, Helga Konrad und Barbara Prammer, die dieses Gesetz vorbereitet und mit


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ihren sozialdemokratischen Ministerkollegen in der Regierung umgesetzt haben, auch im Na­men der betroffenen Frauen, denen dadurch geholfen werden konnte, zu danken. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute beschließen wir eine Änderung der Exekutionsordnung zu diesem Thema – das bewerte ich einmal grundsätzlich positiv, denn wenn Erfahrungen vorliegen und wenn Änderungen in Gesetzen notwendig sind, dann ist es unsere Pflicht, so schnell wie möglich zu reagieren.

Leider sind die Erfahrungen von Vereinen, die auf Grund dieses Gesetzes arbeiten, nur minimal und, wie sie selbst sagen, enttäuschend ausgefallen. Eine kleine Verbesserung ist die Ände­rung, dass nun alle, die in einem Familienverband gelebt haben oder leben, umfasst sind. Das ist positiv, und das möchte ich auch ausdrücklich erwähnen; auch mein Vorredner hat es bereits erwähnt.

Aber: Sehr negativ zu bewerten ist die Tatsache, dass es keine Änderung bei der Dauer der Einstweiligen Verfügung gibt. Opfer von Gewalt in der Familie brauchen ausreichend Zeit, ihr Leben neu zu organisieren, möglicherweise einen Job zu suchen, auf alle Fälle eine neue Woh­nung zu suchen, die Kinderbetreuung zu organisieren, Zeit, um mit sich selbst ins Reine zu kom­men, zum Beispiel auch die Scheidung vorzubereiten, und dafür reichen oft drei Monate nicht aus.

Eine Chance auf Verlängerung haben aber nur verheiratete Frauen, da diese die Möglichkeit ha­ben, ein Folgeverfahren anzustreben – das Folgeverfahren heißt in diesem Fall dann Schei­dungsverfahren.

Ich möchte Ihnen aber aufzeigen, wen es negativ treffen kann. Erstens: Lebensgefährtinnen, die nicht im Mietvertrag stehen – aber das ist kein Wunder, denn es passt ja nicht wirklich in das Welt­­bild dieser Regierung, dass es neue Beziehungsformen abseits der Ehe gibt; darum ist Ihnen diese Gruppe völlig egal.

Zweite Gruppe: die älteren Frauen, die von ihren Ehemännern, weil sie selbst nicht berufstätig sind, finanziell abhängig sind. Sie können nicht die Scheidung einreichen, zumindest nicht so schnell, weil ihnen etwas Lebenswichtiges, ein eigenes Einkommen, fehlt. – Aber auch das ist kein Wunder, denn wenn wir verfolgen, wie diese Regierung alles daransetzt, die Eigen­stän­digkeit, sprich die Möglichkeit einer eigenen Berufstätigkeit für Frauen zuerst zu verun­mögli­chen, wenn weiters keinerlei Arbeitsmarktpolitik für Frauen sichtbar wird und wir dann noch die brutalen Härten des vorgelegten Pensionsrechts dazu addieren, dann sehen wir, dass Ihnen auch diese Gruppe völlig egal ist.

Dritte Gruppe: MigrantInnen und deren Kinder, wenn sie keine eigene Aufenthaltsbewilligung haben. – Aber auch das ist kein Wunder, denn wenn wir uns die herzlose und menschenver­achtende Nicht-Integrationspolitik des Herrn Bundesministers Strasser anschauen, sehen wir, dass Ihnen auch diese Gruppe völlig egal ist.

Es kann aber auch Frauen treffen, die innerhalb dieser drei Monate ein Folgeverfahren – sprich ein Scheidungsverfahren – durchführen, denn wenn diese Scheidung ausgesprochen wird, dann endet auch die Einstweilige Verfügung, und somit sind auch diese Frauen nicht mehr ge­schützt. Dabei ist die Zeit vor und nach der Scheidung die gefährlichste für betroffene Frauen, und es ist kontraproduktiv, wenn der Schutz genau da endet.

Dass Sie für die soeben von mir aufgezählten Gruppen nicht wirklich viel übrig haben und diese daher auch nicht berücksichtigen, ist auf Grund Ihres Weltbildes verständlich, aber Sie haben auf noch eine Gruppe vergessen – und das disqualifiziert diese Regierung und vor allem die Österreichische Volkspartei gänzlich als selbst so oft gepriesene „Familienpartei“. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie haben auf die Kinder vergessen: Kinder können kein Nachfolgeverfahren anstreben. Die Einstweilige Verfügung endet nach drei Monaten – und dann entziehen Sie diesen Kindern den Schutz und lassen sie im Stich!


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Sie sehen also, es ist sehr wichtig, die Einstweilige Verfügung nicht an eine bestimmte Frist zu binden; diese Frist muss unbedingt und auf alle Fälle verlängert werden. Alle Menschen müs­sen geschützt werden!

Gestatten Sie mir an dieser Stelle auch eine Frage an die Frauenministerin Rauch-Kallat. Die­ses Gesetz und die Auswirkungen der fehlenden Änderung wären doch wirklich ein geradezu klassisches Beispiel dafür, als Frauenministerin die Stimme für die betroffenen Frauen zu erheben! Aber wann hat das Frau Ministerin Rauch-Kallat gemacht? – Ich habe dazu von ihr jedenfalls nichts gehört! Das ist aber auch wieder kein Wunder, denn Gewalt und Schutz vor Gewalt ist kein Thema, das Spaß oder Lust macht – und mit Frust will die Frau Frauenministerin ja nichts zu tun haben, obwohl sie bei ihrer Antrittsrede genau das Gegenteil gesagt hat. Damals war ihr Motto noch „Frust statt Lust“.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien! Machen Sie es wieder gut; ich gebe Ihnen dazu Gelegenheit, indem ich folgenden Antrag einbringe, dem Sie zustimmen kön­nen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (39 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (39 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

In Artikel II wird nach Ziffer 45 eine neue Ziffer 45a eingefügt, welche lautet:

„45a. § 382 b Abs. 4 letzter Halbsatz lautet:

‚insgesamt sechs Monate nicht übersteigen“.

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.32


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ordnungs­ge­mäß eingebracht, genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

19.33


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die­se Novelle zur Exekutionsordnung wird zu einer Senkung des Verwaltungsaufwandes führen – ich möchte jetzt jedenfalls einmal über die Vorteile des Ganzen sprechen und nicht nur über einen Halbsatz –, ebenso zu einer Erhöhung des Einbringungserfolges sowie zu einer Stei­gerung der Qualität der Arbeit.

Im Ausschuss wurden Bedenken gegen diese Novelle angemeldet, und zwar in die Richtung, ob denn da nicht eine „Schieflage“ zu Lasten der Schuldner entstehen würde; weiters wurden Be­denken im Hinblick auf die „soziale Verträglichkeit“ dieses Gesetzes angebracht. Frau Abge­ordnete Stoisits etwa kritisierte den leichten Zugang zu Krediten in diesem Zusammenhang. – Es mag wohl stimmen, Frau Kollegin Stoisits, dass der Zugang zu Krediten von Banken oft zu leicht gemacht wird und so eine Schuldenfalle entstehen kann.

Ich möchte diese Gelegenheit aber auch gleich dazu nützen, Herrn Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer herzlich dafür zu danken, dass er sich eines Vereins angenommen hat, der uns alle schon viele Milliarden Schilling gekostet hat. Bundesminister Dr. Böhmdorfer ist es


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gelungen, das Netzwerk des so genannten Lombard-Klubs mitsamt dessen Zinsabsprachen auffliegen zu lassen. Ich glaube, dass das für uns alle, die wir mit dem Bankwesen zu tun haben, doch ein sehr großer Erfolg ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wesen dieses Gesetzes ist eben die Exekution, deshalb brauchen wir nicht darüber zu diskutieren, ob eine „Schieflage“ zu Lasten von Schuldnern entstehen oder allenfalls auch die „soziale Verträglichkeit“ damit beeinträchtigt werden könnte. Dieses Gesetz ist eben eine Exekutionsordnung, und es geht eben um eine Novellierung, die zu einer Vereinfachung, die zu einer Steigerung der Effizienz führt und die Qualität verbessern hilft. Deshalb erteilen wir dieser Novelle gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.35


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

19.35


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Dass der Gewaltschutz ausgeweitet wird, stellt unserer Überzeugung nach eine sehr, sehr wesentliche Maßnahme dar, sodass wir unsere Zustimmung zu diesem positiven Schritt doch den verschiedenen kritischen Erwägungen voranstellen. Jedenfalls werden wir insgesamt dann Ihren Vorschlag – entgegen der Debatte im Ausschuss – mittragen.

Wie gesagt: Im Bereich Gewaltschutz sind wir durchaus auf Ihrer Seite, sind wir sehr zufrieden mit dieser Regelung. Wo wir allerdings Bedenken haben und sich diese nicht zerstreut haben, wo wir allerdings die Bedenken jetzt etwas hintanstellen, ist die Frage der Exekutionsordnung.

Sie alle wissen, die Exekutionsordnung geht davon aus – das ist für uns ein relativ kritischer Ein­hakpunkt –, dass es zahlunwillige Schuldner gibt. – Meines Erachtens ist die Zahl zahlungs­un­williger Schuldner vergleichsweise minimal gegenüber der Zahl zahlungsunfähiger Schuld­ner. Und allein dieser sozusagen rein semantische Unterschied stellt meiner Ansicht nach schon ein Element dar, bei dem ich mich dazu verpflichtet fühle, mir insgesamt das Um­feld rund um diese Exekutionsordnung anzuschauen.

Sie haben schon Recht: Die Exekutionsordnung ist effizienter geworden. Keine Frage, und das ist auch eine positive Entwicklung, aber es ist auch Aufgabe für konkrete juridische Maß­nah­men – Maßnahmen, die im Endeffekt „End of the Pipe-Maßnahmen“ sind –, auch das Umfeld in Betracht zu ziehen. Und da sieht man, dass wir eine Entwicklung haben, die immer mehr, vor allem aufgezeigt durch die Schuldnerberatungen, eine Zunahme bei der Verschuldung zeigt.

Sie brauchen das ja nur in den Tagesmedien nachzulesen: Insgesamt haben wir in Österreich eine Überschuldungsproblematik, die sich gerade bei den Jugendlichen verstärkt zeigt, die sich auch bei verschiedenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Kredite aufnehmen, ver­stärkt zeigt, bei Krediten eben, bei denen sie sich einfach übernehmen.

Unser Ansatzpunkt ist, in erster Linie in diesem Umfeldbereich gesetzlich aktiv zu werden, in zweiter Linie dann natürlich exekutionsmäßig effizienter zu werden, wobei sehr wohl auch zu be­achten ist, dass die von Ihnen jetzt vorgeschlagene Regelung, dass wir erfolgsorientierte Exeku­toren haben, dass Exekutoren praktisch Erfolgsprämien oder – um es zugespitzt zu sa­gen – Kopf-Prämien bekommen, unserer Ansicht nach nicht der richtige Weg ist, um die ge­plan­te Effizienz zu erreichen.

In diesem Zusammenhang regen wir an, dass sich die Arbeitsgruppe im Ministerium weiter mit dieser Frage beschäftigt und insgesamt eine bessere Situation herbeigeführt werden möge – eben­so wie die Arbeitsgruppe im Ministerium, die ja weitere Initiativen bezüglich Gewaltschutz verfolgt, hoffentlich auch da zu weiteren positiven Maßnahmen kommen wird.

Noch zwei kritische Anmerkungen zur Exekutionsordnung, die wir ja auch durch eine abwei­chen­de Stellungnahme dokumentiert haben. Der eine Aspekt für uns ist, dass wir in Österreich


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europaweit bei der Frage der Gehalts- und Lohnpfändungen sozusagen führend sind – da gibt es ja rigorose Regelungen, mit denen sehr große Zugriffe ermöglicht werden –, dass es ande­rer­seits aber dadurch in Österreich sehr leicht möglich ist, Pfändungen in einem Ausmaß durch­zuführen, das geradezu existenzgefährdend ist. Beispiele: im Hinblick auf Mieten etwa, dass sich die SchuldnerInnen die Mieten nicht mehr leisten können, ebenso im Hinblick auf Betriebs­kostenzahlungen, aber auch im Hinblick auf Alimente.

All diese Aspekte, die in Summe auch zu einem Verlust des Arbeitsplatzes führen können, sind auch dazu angetan, womöglich erst recht wieder die öffentliche Hand für das in die Pflicht zu nehmen, was die Schuldnerin/der Schuldner nicht mehr leisten kann, weil insgesamt die Exeku­tion sehr, sehr effizient vorangetrieben wird.

Diese Überlegung sollten Sie doch auch noch einmal anstellen, sich vor allem im Hinblick auf eine Weiterentwicklung – Stichwort: das gesamte Umfeld – noch einmal die ganze Sache über­le­gen.

Wie gesagt: Heute ein Plus, heute die Zustimmung wegen des Gewaltschutzes; kritische An­mer­kungen jedoch wegen der Exekutionsordnung.

Wir hoffen, dass sich insgesamt – in Ihrem Sinne der Effizienzsteigerung und in unserem Sinne der Minimierung der Schuldendimension beziehungsweise der Überschuldungsproblematik – alles weiterentwickeln lässt. – Danke.

19.40


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

19.40


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ganz kurz zur Rede der Frau Abgeordneten Stadlbauer. Zur Aufklärung: Eine Einstweilige Verfügung ist eine vorläufige Maßnahme, die nicht einem Gerichtsurteil gleichwertig ist. Eine solche kann man nur auf beschränkte Zeit erlassen; in Ös­ter­reich sind das drei Monate. Fügt man ein Hauptverfahren hinzu, dann kann man sie ver­längern, nur: In diesem Fall, den wir hier besprechen, ist das Hauptverfahren eben die Ehe­scheidung, und Nicht-Verheiratete – das ist die Logik – kann man nicht scheiden!

Wenn also Nicht-Verheiratete ein anderes Rechtsverhältnis begründen, dann kann man auch ein Hauptverfahren anschließen. Wenn sie keines begründen, dann kann man eben kein Haupt­verfahren anschließen. Ihr Ersuchen, Ihre Forderung geht daher leider ins Leere. – Das ist das eine.

Weiters zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Dr. Moser: Wir sind da nicht auf dem fal­schen Weg. Der Vollstrecker, der Gerichtsvollzieher muss effizient arbeiten. Es ist sinnlos, wenn er zu einem Berufstätigen um 10 Uhr vormittags kommt – und das dreimal tut. Wir machen das jetzt so: Nach Beratung mit einem effizienten Consultingunternehmen haben wir ein EDV-System entwickelt, das wird den Einsatz des Vollstreckers EDV-orientiert steuern, also mit der Methode der Informationstechnologie. Ein Vollstrecker geht dann effektiv hin, und das ist billiger für den Gläubiger und billiger für den Schuldner. Damit glaube ich Ihre Kritikpunkte widerlegt zu haben. – Danke.

19.42


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

19.42


Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Obwohl Kollegin Moser im Ausschuss noch davon gesprochen hat, dass es bei dieser Novelle eine „Schieflage“ zu Ungunsten der Schuldner gäbe, freut es mich, dass sie heute trotzdem dieser Novelle zustimmen wird. Ich meine, dass das eine notwendige und sinnvolle Maßnahme darstellt, die wir mit dieser Novelle setzen, dass wir nämlich das Ein-


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bringen von Schulden ganz einfach zu beschleunigen und weniger bürokratisch und mit we­niger Hindernissen versehen zu machen versuchen. Ich glaube, dass uns allen das ein Anlie­gen sein muss und dass es nicht darum gehen kann, die Kosten für die Allgemeinheit, aber auch letztlich die Kosten für den Schuldner weiter in die Höhe zu treiben.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Bürgermeister ist man immer wieder mit der Proble­matik konfrontiert, dass es zu Exekutionen, dass es zu Versteigerungen kommt, manchmal auch bei Personen, bei denen man überhaupt nicht damit rechnen würde. Ich muss schon auch zugestehen, dass es sehr oft Fälle gibt, wo Einzelpersonen, aber auch Familien in eine Notlage geraten und es dann schwierig ist, da eine richtige Vorgangsweise zu finden. Allerdings meine ich, dass eine nicht bürokratische Exekutionsordnungs-Novelle eher hilfreicher ist, als wenn man eben diese Ordnung bürokratischer gestalten würde.

Als Verantwortliche in den Gemeinden sind wir sehr gefordert, helfend einzugreifen. Und ich glau­be, hier feststellen zu können, dass diese Hilfe von den Gemeindeverantwortlichen in vielen Fällen auf sehr unbürokratische Weise erfolgt. Dabei geht es aber durchaus um einen Perso­nen­kreis, der, wie ich glaube, zahlungswillig ist, wie es schon Frau Abgeordnete Moser gesagt hat, und eben nicht zahlungsunwillig. Ich glaube aber auch, dass es – entgegen Ihrer Meinung, Kollegin Moser – eine wesentlich größere Gruppe von Personen gibt, die primär und von Haus aus nicht zahlungswillig ist. Gerade bei solchen Fällen müssen wir dafür sorgen, dass es da zu einer unbürokratischen und effizienten Vorgangsweise kommt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte eine weiter Problematik ansprechen. Oft ist es so, dass die Gemeinden – vor allem in den letzten Jahren – vermehrt zu Gläubigern ihrer Bür­ger werden. Wenn es Probleme gibt, wo spart man zunächst am meisten? – Am ehesten doch bei den Kosten für die Wasserversorgung beziehungsweise Wasserentsorgung; man spart vielleicht auch beim Kindergartengeld oder bei der Grundsteuer. Sie können sich sicherlich vor­stellen, meine Damen und Herren, dass man da als Bürgermeister sehr leicht in einen Ge­wissens­konflikt gerät, denn wie will man es verantworten, zum Beispiel die Wasserversorgung abzusperren? Wie will man es verantworten, ein Kind eventuell nicht in den Kindergarten gehen zu lassen?

Daher meine ich, dass es notwendig ist, dass wir diesen Personenkreis, der andererseits oft, wie man das ja beobachten kann, sehr wohl mit Luxusgütern ausgestattet ist, zur Räson brin­gen und versuchen, diese Schulden, eben auch für die Allgemeinheit, einzutreiben. Es ist doch nicht zu verantworten, dass die Gemeinschaft der Bürger letztendlich die Schulden einiger weniger zahlt!

Deswegen bin ich der Überzeugung, dass diese Exekutionsordnungs-Novelle ein gutes Mittel dazu ist, Schulden effizienter und unbürokratischer einzutreiben, und ich meine auch, dass das wichtig ist – und letztendlich kann das für die Schuldner selbst nur gut sein, da man sie dadurch dazu zwingt, vielleicht doch besser wirtschaften zu lernen.

In diesem Sinne werden wir von der ÖVP dieser Gesetzesvorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.47


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich die Debatte.

Schlusswort wird seitens des Berichterstatters keines gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar stimmen wir zunächst ab über den Gesetzentwurf in 39 der Beilagen, wobei ein Zusatzantrag der Frau Abgeordneten Stadlbauer vorliegt.

Ich lasse zuerst über diesen Zusatzantrag abstimmen und dann über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes.


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Frau Abgeordnete Stadlbauer hat einen Zusatzantrag betreffend Artikel II eingebracht, der ver­lesen wurde.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Zusatzantrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Der Antrag findet nicht die Mehrheit des Hauses.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fas­sung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dieser Form ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Vorlage ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass die Vorlage auch in dritter Lesung einstimmig angenommen wurde.

8. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (40 der Beilagen): Bundes­gesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov 2003) (51 der Beilagen)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nun gelangen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Herr Abgeordneter Trinkl verzichtet auf eine mündliche Berichterstattung, daher gehen wir so­gleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Die Uhr soll auf 4 Minuten eingestellt wer­den. – Bitte.

19.49


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Diese Urheberrechtsgesetz-Novelle ist leider Gottes völlig verunglückt. Es hätte eine Vielzahl von Möglichkeiten gegeben, da eine innovative und zukunftsträchtige Gesetzgebung zu betreiben, die auch auf die Interessen der Künstler eingeht. – Das, was hier stattfindet, ist jedoch im Wesentlichen der Versuch – der viel zu späte Versuch; aus Gründen, die ich nicht nach­vollziehen kann –, eine EU-Richtlinie umzusetzen.

Es wird davon gesprochen – aus meiner Sicht nicht zu Unrecht –, dass es sich hiebei um eine Art „Demütigungsakt“ gegenüber den Künstlern handelt, weil man schlicht und einfach nicht be­griffen hat oder nicht begreifen wollte, dass es da eine Fülle von unterschiedlichsten Interessen gibt, die schon seit Jahrzehnten in Diskussion sind – und die jetzt eigentlich so weit wären, gelöst zu werden, jetzt allerdings auf die lange Bank geschoben werden.

Kollegin Fekter hat irgendwann im Rahmen dieser Diskussion angekündigt, es solle im Herbst eine Enquete darüber geben; allerdings höre ich von anderer Seite, dass das auch nicht mehr ganz sicher ist.

Ich würde mir also wünschen, dass mit den Künstlern etwas sensibler umgegangen wird, als das etwa Frau Minister Gehrer mit SchülerInnen und StudentInnen oder auch Herr Minister Stras­ser auf dem Gebiet der inneren Sicherheit tut.

Worum geht es bei dieser Novelle? – Im Wesentlichen darum, eine EU-Richtlinie umzusetzen, die aber letztlich so umgesetzt wird, dass sie einer Großzahl der österreichischen Konsu­mentinnen und Konsumenten in sehr unangenehmer Art und Weise insofern auf den Kopf fällt, als wir zukünftig damit rechnen müssen, dass ein Kopierschutz derart exzessiv – Beispiel: digi­tale Träger, CDs – eingesetzt werden kann, dass man etwa eine Diskette, die man kauft und zu


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Hau­se abspielt, im Autoradio nicht mehr spielen kann, obwohl man dafür natürlich ein Be­nützungsentgelt bezahlt hat (Abg. Dr. Fekter: Das ist ein Plädoyer für Raubkopien!), weil es die Regierung nicht für notwendig erachtet hat, begleitend Sorge dafür zu tragen, dass solches eben nicht stattfindet, meine Damen und Herren.

Ich weiß nicht, Frau Kollegin Fekter, ob Ihnen die KonsumentInnen dieses Landes gar nicht am Herzen liegen, denn ich meine, dass es notwendig wäre – wir kennen ja alle die technischen Ent­wicklungsmöglichkeiten, wissen, wie man etwas schützen, wie man etwas so modifizieren kann, dass das dann auf anderen Geräten nicht mehr abgespielt werden kann –, Rahmen­bedin­gungen zu schaffen, mit denen sichergestellt wird, dass nicht jemand, der so etwas kauft, das dann nicht mehr benützen kann. (Beifall bei der SPÖ.) – Danke, danke speziell dem Kollegen Schieder.

Wir von der SPÖ haben dazu Vorschläge unterbreitet, Vorschläge, die jedoch leider Gottes nicht berücksichtigt wurden.

Vergütungsansprüche, pauschale Leerkassetten-Vergütung: All das wurde zwar angesprochen, aber da eine Verbesserung herbeizuführen, wurde seitens der Regierungsparteien ebenfalls nicht akzeptiert.

Was die vielen Urheberrechte anlangt, gibt es darüber seit längerem eine Diskussion. Derzeit ist die Aufteilung der Beträge so, dass ein Drittel für die Filmurheber ist – also die Künstler – und zwei Drittel für die Produzenten. – Das ist in Europa einzigartig, ist nicht akzeptabel und müsste daher schleunigst geändert werden.

Gefordert wurde auch ein so genannter Bestseller-Paragraph; Beispiel hiezu: Es gibt eine Über­setzung von „Asterix“ von einer Sprache in andere – und das zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht vorhersehbar war, dass es sich hiebei um ein Werk handelt, das in Zukunft ein Knüller wird. – In Deutschland ist es möglich, durch diese sozusagen explosionsartige Verbreitung zusätzliches Entgelt zu bekommen; in Österreich wäre das beispielsweise derzeit nicht möglich. Ich meine, da gibt es einen Sanierungsbedarf, der dringend angegangen werden muss.

Wir haben hiezu einen Abänderungsantrag eingebracht, einen Abänderungsantrag der Abge­ordneten Dr. Jarolim, Mag. Maier und GenossInnen, der Ihnen vorliegt, den ich jetzt nur kurz er­läutern möchte. Wir wollen keinesfalls haben, dass KonsumentInnen zukünftig für Umge­hungs­handlungen, die sie zur Herbeiführung der Ausübung ihrer freien Werknutzungsrechte er­greifen, sanktioniert werden, sondern das muss in einem sachlichen Zusammenhang stehen, in einer gewissen Angemessenheit liegen.

Das Zweite ist, dass wir auch zur Klärung des Verhältnisses „freie Werknutzung – technische Schutzmaßnahmen“ – das ist der Aspekt, den ich eingangs erwähnt habe – eine vernünftige Re­gelung haben wollen.

Ich darf Sie daher einladen, unserem Abänderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Jarolim kurz erläutert hat, ist gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung ordnungsgemäß unterfertigt und ein­gebracht und in seinen Grundzügen erläutert worden; er wird vervielfältigt werden und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Maier, Mag. Therezjia Stoisits und GenossInnen zur Regie­rungsvorlage (40 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Urheberrechtsgesetz geän-


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dert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov. 2003) in der Fassung des Aus­schuss­berichtes (51 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (40 der Beilagen): Bundesgesetz mit dem das Urheberrechtsgesetz ge­än­dert wird (Urheberrechtsgesetznovelle 2003 – UrhG-Nov. 2003) in der Fassung des Aus­schuss­berichtes (51 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. Im Artikel I Ziffer 65 soll § 90c Abs. 1 Z 1 lauten:

1. „Wenn diese Maßnahmen durch eine Person umgangen werden, der bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass sie dieses Ziel verfolgt und die Umgehungshandlung nicht allein der Ausübung der Rechte nach § 42 dient,“

2. Im Artikel I Ziffer 65 sollen dem § 90c die Absätze 6 bis 8 angefügt werden, die lauten:

„(6) Die Ausübung der Rechte des Rechteinhabers gem. Abs. 1 bis 5 darf die Wahrnehmung der in § 42 Abs. 2 bis 3 angeführten freien Werknutzungsrechte nicht beeinträchtigen.

(7) Die Interessenvertretungen der Rechteinhaber, der Hersteller von Softwareprodukten im Sinne des § 90c haben unter Einbeziehung von Konsumentenvertretern Vereinbarungen zu schließen, die der Verwirklichung des in Abs. 6 genannten Zieles dienen.

(8) Wird innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten dieses Gesetzes keine derartige Vereinbarung getroffen, hat der Bundesminister für Justiz durch Verordnung festzulegen, auf welche Weise und in welchem Umfang auch zugangskontrollierte elektronische Werke den Begünstigten zur Ausübung ihrer Rechte nach § 42 zugänglich sein müssen.“

Begründung

Zu Ziffer 1: Diese Bestimmung soll dazu dienen, dass es nicht Sanktionen gegenüber Ver­brau­chern gibt, die Umgehungshandlungen ausschließlich zur Ausübung freier Werknutzungsrechte ergreifen. Denn § 90c Abs. 4 räumt dem Rechteinhaber u.a. Unterlassung- und Schadenersatz­an­sprüche für den Fall ein, dass nach Abs. 1 Z 1 technische Zugangskontroll- oder Kopier­schutz­einrichtungen von einer Person umgangen werden, „der bekannt sein musste, dass sie dieses Ziel verfolgt“. Es ist deshalb aus Verbrauchersicht gerechtfertigt, dass die ursprüngliche Bestimmung für den Fall gelockert wird, dass der Konsument damit nur seine rechtmäßigen Vervielfältigungsrechte durchzusetzen versuchte.

Zu Ziffer 2: Die neuen Absätze 6 bis 8 sollen zu einer Klärung des Verhältnisses „freie Werk­nutzung – technische Schutzmaßnahmen“ beitragen. Der Einsatz von Kopierschutz- bzw. Zu­gangs­­kontroll-Software in elektronischen Systemen soll die Ausübung freier Werknutzungs­rechte nicht verhindern. Es sollen sich technische Beschränkungen hinsichtlich der Zahl von Ver­vielfältigungen am durchschnittlichen Bedarf eines Privathaushaltes bzw. an den For­schungs­bedürfnissen zu orientieren haben.

*****


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

19.54


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gleich einmal zum Abänderungsantrag des Kollegen Jarolim. Es ist mir unverständlich, dass die SPÖ ihre Haltung zum Urheberrecht um 180 Grad ändert, denn dieser Abänderungsantrag ist ein Plädoyer für die Zulassung von Raub­kopien. Man kann nicht im Einleitungssatz, Herr Kollege Jarolim, vorgeben, die Künstler schützen zu wollen, ebenso das geistige Eigentum, dieses auch preisen – dann aber einen Ab-


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änderungsantrag unter dem Deckmäntelchen „Konsumentenschutz“ einbringen, der doch nichts anderes zum Ziel hat, als Raubkopien und die Umgehung technischer Hindernisse zuzu­las­sen. – Daher werden wir diesem Abänderungsantrag selbstverständlich nicht zustimmen.

Ich gehe davon aus, dass die Sozialdemokraten auch noch einen weiteren Entschließungs­an­trag einbringen werden, einen Antrag, mit dem sie das Urheberrecht dort auszuhöhlen versu­chen, wo es um Musiknoten geht. – Für mich gleichfalls unverständlich, denn bisher standen die Sozialdemokraten doch dafür, dass ihnen Urheberrechte und die Rechte derer, die daraus Geld lukrieren, etwas wert sind. – Aber jetzt ist offensichtlich alles ganz anders; in der Opposition halten die Sozialdemokraten offensichtlich nichts mehr von Urheberrechten!

Von der SPÖ erwarte ich also – zumindest ist das so angekündigt worden – einen Entschlie­ßungs­antrag in die Richtung, dass Musiknoten vervielfältigt werden können sollen, und zwar ohne dass Verwertungsrechte bezahlt werden müssen. Wenn man weiß, dass gerade Musik­verlage die kleinen Verlage sind und Musiknoten ja nicht unbedingt in riesiger Stückzahl ver­kauft werden, dann weiß man auch, dass ein solcher Antrag in Richtung Verwertung geradezu ein Anschlag auf jene ist, die ihr geistiges Eigentum zu schützen versuchen.

Die Umsetzung einer EU-Richtlinie ist der Inhalt dieser Urheberrechtsgesetz-Novelle. Diese hat nur die Richtlinien-Umsetzung zum Ziel, und zwar im Hinblick auf die neuen technischen Ver­wer­tungsarten: Digitalisierung und Internet. Mit einbezogen sind auch internationale Überein­kommen wie beispielsweise das Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum. Die­ses Abkommen verbietet beispielsweise die Verwertung von Musiknoten – und allein aus die­sem internationalen Abkommen heraus können wir dem Wunsch, Musiknoten unentgeltlich ver­vielfältigen zu dürfen, nicht nachkommen.

Ich möchte hiezu einen Abänderungsantrag einbringen, der im Hinblick auf die Vervielfältigung von Werken klarstellen soll, dass das nur in Bezug auf eine analoge Nutzung geschehen darf. Das ist in der EU-Richtlinie klar geregelt, und wir haben das auch im Gesetzentwurf drinnen, nur glaube ich, dass es zur Klarstellung notwendig ist, diesen Text besser zu formulieren.

Weiters ist es auch notwendig, dass wir – politically correct! – nicht „Behinderte“ in die Gesetze hinein­schreiben, sondern von „behinderten Personen“ sprechen; auch das gebietet der Respekt. Daher mein Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Partik-Pablé und Kollegen zur Regierungsvorlage (40 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheber­rechts­gesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov 2003) in der Fassung des Ausschussberichtes (51 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (40 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Urheberrechts­gesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes (51 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In Z 10 lautet § 42 Abs. 3 UrhG wie folgt:

„(3) Jedermann darf von Werken, die im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse ver­öffentlicht werden, einzelne Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch herstellen, sofern es sich nur um eine analoge Nutzung handelt.“

2. In Z 15 lautet die Überschrift zu § 42d „Behinderte Personen“.

*****


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Mit dieser Änderung sollen die Gesetzestextstellen einfach noch der Richtlinie angepasst be­zie­hungsweise verdeutlicht werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

19.59


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, den Frau Abgeordnete Dr. Fekter soeben verlesen hat, ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort ge­mel­det. Sie kennen den Sachverhalt, die Geschäftsordnung und die 2-Minuten-Beschrän­kung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.59


Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Fekter hat behauptet, die SPÖ würde ihre Position zum Urheberrecht um 180 Grad ändern (Abg. Dr. Fekter: Sie haben sie um 180 Grad geändert!), und sie hat das begründet mit einem noch bevorstehenden SPÖ-Antrag, was das Kopieren von Teilen von Mu­sikstücken anlange, nicht von ganzen Partituren.

Tatsache ist – da wäre ein bisschen Ehrlichkeit schon gefragt, Frau Kollegin Fekter –, dass die­ser Passus, um den es jetzt geht, neu in das Gesetz hineinkommt, das heißt, dass Sie Ihre Position ändern.

Wir Sozialdemokraten bleiben bei unserer Position und bei den Möglichkeiten, die jetzt gegeben sind. (Beifall bei der SPÖ.)

20.00


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

20.00


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Da­men und Herren Abgeordneten! Worum geht es bei dieser Urheberrechtsgesetz-Novelle? – Sie bedeutet zunächst einmal die Umsetzung der EU-Informationsrichtlinie in nationales Recht. Die große Streitfrage, die bei diesem Thema immer zur Sprache kommt, ist die Frage der Rechte, der Verteilung zwischen den so genannten UrheberInnen – den Kreativen –, der Industrie sowie den Konsumentinnen und Konsumenten.

Es hat in Europa eine sehr gute Rechtstradition gegeben, man hat immer versucht, ein ausge­wo­genes Verhältnis zu schaffen. In Österreich waren die Rechte der Kreativen zwar vielleicht ein bisschen benachteiligt, aber der Ausgleich war das primäre Prinzip der europäischen Rechts­­tradition. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Mit der vorliegenden Novelle, die in allen europäischen Ländern extrem umstritten ist, wird das amerikanische Verständnis dieser Frage importiert, nämlich die Stärkung vor allem der großen Ver­leger, der großen Produzenten innerhalb dieses sensiblen Dreiecksverhältnisses. Dabei geht es nicht um die kleinen Musikverleger, sondern um die großen Labels, die mittlerweile in den Händen von vier oder fünf Majors sind. Und es geht auch um die Software-Industrie, wo es, wie wir wissen, einen ungeheuren Konzentrationsprozess gibt. Diese nun vorliegende Novelle ebnet weiteren Konzentrationsprozessen den Weg und stärkt weder die Rechte der UrheberIn­nen noch die der KonsumentInnen.

Ein kleines Gedankenexperiment, Herr Klubobmann Scheibner: Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein paar Schallplatten (Abg. Scheibner: Gibt es die noch zu kaufen?), wollen sie zu Hause abspielen, brauchen dafür aber einen bestimmten Plattenspieler, weil die Platten über ein pa­ten­tiertes Verfahren verschlüsselt sind und nur auf einem Ariola-Plattenspieler abgespielt wer­den können, nicht zum Beispiel auf einem Sony-Plattenspieler. (Abg. Scheibner: Das Blöde ist, dass man überhaupt keine Plattenspieler mehr bekommt!) Dasselbe gilt für CDs.


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Im Grunde wird also das Recht auf Privatkopie in diesem Gesetz noch verbal aufrechterhalten, aber so massiv eingeschränkt, dass dieser enge private Bereich nicht mehr möglich ist.

Was ich nicht verstehe, ist, dass Sie – und das schießt eindeutig übers Ziel hinaus – nun sogar mit Strafbestimmungen operieren, nämlich dann, wenn der Kopierschutz auch bloß zur Wah­rung des persönlichen Rechtes auf eine Privatkopie umgangen wird. Ich halte das für wirklich überzogen, denn das geht bis hin zur Eintragung in das Strafregister.

Ein weiterer Punkt ist sehr bedauerlich: Es hätte die Chance gegeben, in dieser Gesetzes­no­velle vor allem Besserstellungen für die Kreativen, für die Künstlerinnen und Künstler, in Öster­reich zu verankern. Diesbezüglich hinken wir nach. Bestimmungen, die in Deutschland seit 1966 gut funktionieren, gibt es im österreichischen Recht nicht. Wir alle kennen die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler. Im ursprünglichen Entwurf waren einige Verbesserungen ent­halten. Es ist daher sehr, sehr bedauerlich, dass er nun so rasch durch das Parlament ge­peitscht wird und diese Verbesserungen für die Kreativen, für die Künstlerinnen und Künst­ler, restlos gestrichen wurden.

Ich bedauere das, es widerspricht auch Ihrem Regierungsübereinkommen, in dem Sie festge­schrieben haben, eine Enquete zu dieser heiklen Frage, wie man die Rechte zwischen den Kreativen, der Industrie und den KonsumentInnen fair verteilt, abzuhalten. Man hat es einfach auf dem Mindestniveau umgesetzt. Es ist eine vertane Chance, was mir persönlich und allen, denen die Rechte von Künstlerinnen und Künstlern ein Anliegen sind, sehr Leid tut. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Sie wollen aber den Kopierschutz nicht ...!)

Frau Kollegin Fekter! Ich glaube, ich habe es jetzt ausführlich erklärt. Das Recht auf Privatkopie zu wahren, heißt noch lange nicht – und es ist sogar das Gegenteil davon –, dem professionel­len Raubzug gegen Urheberrechte Tür und Tor zu öffnen. Ganz im Gegenteil! Dieses Recht auf Privatkopie sollte gestärkt werden, aber nicht, wie in der nun vorliegenden Fassung verankert, einfach abgebaut, ausgehöhlt werden. Es ist jetzt nicht mehr vorhanden. Auf der anderen Seite aber tun Sie auch nichts für die Kreativen, für die Künstlerinnen und Künstler!

Ich kann also keine Ausgewogenheit in diesem Entwurf erkennen. Die Grünen werden dieser Vor­lage auch nicht die Zustimmung geben. Ich möchte zu zwei Detailpunkten noch einen Ab­ände­rungs­antrag einbringen. Er wurde bereits verteilt, ich werde seine Eckpunkte kurz be­schreiben.

Das Gesetz weist eine Fülle von sehr komplexen Detailregelungen auf. Eine dieser Regelun­gen, die uns sehr stört, ist, dass bei Schulbuchvervielfältigungen – das geht ja frei – die Urheber nicht informiert werden, also keine Transparenz darüber besteht, was bei dieser Schulbuch­ver­vielfältigung tatsächlich vervielfältigt wird. Zweitens gibt es keine Gleichstellung von Werk-Auf­führen­den mit Film-Aufführenden. Dieses Ungleichgewicht ist auch sachlich nicht nachvoll­zieh­bar.

Ich hoffe, dass Sie es sich noch einmal überlegen. Ich bedauere, dass es diese Enquete nicht ge­­ge­ben hat. Die Fragen betreffend Digitalisierung, auch wie sich der weltweite Markt in den Be­­reichen Software und Musikindustrie entwickelt, sind sehr spannende Themen. Einfach die amerika­nische Rechtstradition kritiklos zu importieren, halte ich für völlig verfehlt. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen.)

20.05


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kern­punk­ten erläuterte Antrag der Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kolle­gen schriftlich überreicht wurde und auch genügend unterstützt ist. Er steht daher in Ver­hand­lung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung vervielfältigen und verteilen; er wird auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen be­tref­fend den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (40 der Beilagen): Bun­desgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-No­ve­l­le 2003 – UrhG-Nov 2003) – 51 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In Art. I soll nach Ziffer 20 folgende Ziffer 20a eingefügt werden:

„20a. Nach § 45 Abs. 3 sind folgende § 45 Abs. 4 und Abs. 5 einzufügen:

‚(4) Mit der Vervielfältigung darf erst begonnen werden, wenn die Absicht, von der Berechtigung nach Absatz 1 Gebrauch zu machen, dem Urheber oder, wenn sein Wohnort oder Aufent­halts­ort unbekannt ist, dem Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt worden ist und seit Absendung des Briefes zwei Wochen verstrichen sind. Ist auch der Wohnort oder Aufenthaltsort des Inhabers des ausschließlichen Nutzungsrechts unbe­kannt, so kann die Mitteilung durch Veröffentlichung im ‚Amtsblatt der Wiener Zeitung bewirkt werden.

(5) Die Verständigung gem. Abs. 4 kann auch durch elektronische (per E-Mail) erfolgen. Die näheren Bestimmungen einer solchen elektronischen Verständigung hat der Bundesminister für Justiz per Verordnung festzulegen.

2. In Art. I soll nach Ziffer 39 folgende Ziffer 39a eingefügt werden:

„39a. § 69 Abs. 1 hat zu lauten:

‚(1) Die Verwertungsrechte der in § 66 Abs. 1 genannten Personen, die an den zum Zweck der Her­stellung eines gewerbsmäßig hergestellten Filmwerks oder anderen kinematographischen Erzeugnisses vorgenommenen Vorträgen oder Aufführungen in Kenntnis dieses Zwecks mitge­wirkt haben, stehen dem Inhaber des Unternehmens (Filmhersteller beziehungsweise Her­stel­ler) zu. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche dieser Personen stehen ihnen und dem Film­her­steller beziehungsweise Hersteller je zur Hälfte zu, soweit sie nicht unverzichtbar sind und der Filmhersteller beziehungsweise Hersteller mit diesen Personen nichts anderes vereinbart hat.

*****


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.06


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist heute schon mehrfach von meinen Vorrednern darauf hingewiesen worden, dass es sich bei der Vorlage, über die wir heute sprechen, um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt.

Wir haben diese EU-Richtlinie umzusetzen. Deshalb sind verschiedene Anregungen und Wün­sche, die im Begutachtungsverfahren an alle Klubs herangetragen worden sind, nicht berück­sichtigt worden.

Man kann auch, finde ich, nicht sagen, dass es eine verunglückte Reform ist, denn wir haben bei den Beratungen vereinbart – Sie, Frau Glawischnig, waren nicht anwesend, aber einer Ihrer Klubmitarbeiter war dabei –, eine Enquete abzuhalten, bei der wir über die ver­schiedensten


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Interessen sprechen können, sodass wir dann, so hoffe ich zumindest, zu einer guten Regelung kommen.

Ich möchte betonen, dass ich vollstes Verständnis für die Anliegen und Befürchtungen der künstlerisch schaffenden Menschen in Österreich habe, und ich habe auch durchaus Ver­ständ­nis für die Bedenken, die hinsichtlich der Privatkopien geäußert worden sind. Auch sind mir die Be­fürchtungen der Künstler, dass die Unterhaltungsindustrie beziehungsweise die Soft­ware­industrie damit die Interessen der einzelnen künstlerisch Schaffenden einengen oder auch ge­fähr­den würde und daher Schutzbestimmungen notwendig sind, völlig einsichtig. Über all diese Dinge sollten wir jedoch meiner Ansicht nach in einer Enquete umfassend diskutieren, vor allem deshalb, weil die einzelnen Interessen so divergierend sind und sich untereinander teilweise wieder beschneiden.

Die im Minderheitsbericht formulierte Skepsis der SPÖ, dass die Ergebnisse der Enquete nicht verwertet werden würden, weil die Bundesregierung nicht darauf eingehen werde, kann ich aber nicht teilen. Solche schon im Vorhinein geäußerten Vorwürfe halte ich für überhaupt nicht ge­recht­fertigt. Sie sollten mehr Vertrauen haben. Außerdem liegt es auch an Ihrer Argumentation, ob diese Punkte umgesetzt werden oder nicht.

Hören wir uns einmal an, was die einzelnen Interessenvertreter beziehungsweise die einzelnen Gruppierungen vorzubringen haben, und versuchen wir dann, zu einer Lösung zu kommen, die die künstlerisch Schaffenden befriedigt und auch die Interessen der Industrie wahrt.

Ich möchte auch den Vorwurf – ich glaube, der Grünen – zurückweisen, dass dieser Entwurf, diese Regierungsvorlage durchgepeitscht werde, um die Software- oder Unterhaltungsindustrie zu begünstigen. Dem widerspricht der gemeinsame Entschließungsantrag, der den Justiz­minis­ter beauftragt, bis Juli 2003 den österreichischen Markt sowie die Entwicklung der Schutzrechte zu beobachten und danach zu berichten. Diesen Entschließungsantrag haben wir gemeinsam ausgearbeitet.

Ich halte es für sinnlos, wenn wir uns jetzt hinsichtlich der Umsetzung der Richtlinie gegenseitig Vorwürfe machen. Vielmehr sollten wir trotz der verschiedensten Interessenlagen im Herbst nach der Enquete versuchen, zu einem konstruktiven Lösungsansatz zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.09


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mai­er zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.10


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sehen heute bei dieser Vorlage – ebenso wie bei der Diskussion zur Änderung des Pensionsrechtes, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien – eines: Das ist ein weiterer Fehlgriff!

Sie leisten sich damit einen Fehlgriff, der sowohl die Künstler als auch die Konsumenten betrifft. Er begünstigt im Grunde genommen nur die Industrie. Wir wissen, dass die so genannte EU-Info-Richtlinie auf Druck der Industrie in Europa durchgesetzt worden ist. Künstler haben sich dage­gen ausgesprochen, aber auch alle europäischen Verbraucherorganisationen.

Herr Bundesminister, ich möchte Sie zitieren. Sie haben im Mai 2000 anlässlich der Diskussion über diese Info-Richtlinie folgende Erklärung abgegeben: Österreich werde selbstverständlich Kopien für private Zwecke zulassen und nicht unter Strafe stellen – Voraussetzung: ein Privater müsste imstande sein, die Kopiersperren zu umgehen.

Das, was heute hier vorliegt, ist genau das Gegenteil. Das, was heute hier vorliegt, verhindert die private Kopie und legalisiert die technischen Schutzmaßnahmen. (Abg. Dr. Fekter: Ist ja gar nicht wahr!) Aus diesem Grund, Kollegin Fekter, lehnen wir das ab, nehmen Sie das zur Kennt­nis! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Das ist ein Plä-


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doyer für die Raubkopien! Sagen Sie das den Künstlern, dass Sie Raubkopien zulassen wollen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist absurd! Den Anbietern wird das Recht einge­räumt, digitale Kopien durch wirksame technische Maßnahmen zu verhindern. Gleichzeitig wird durch Strafsanktionen verhindert, dass diese technischen Maßnahmen umgangen werden.

Ein Beispiel: Sie kaufen sich eine CD mit wunderschöner Musik, Kollegin Fekter, sitzen im Auto auf der Fahrt heim nach Oberösterreich und legen die CD ein. Was aber passiert? – Das Gerät ist nicht kompatibel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau das ist das Problem. Hier wird einerseits Kon­su­mentenbetrug begangen und auf der anderen Seite ein neuer Eigentumsbegriff kreiert, weil die Nutzungsrechte der Käufer beschränkt werden. Wir kennen das von der internationalen In­dustrie her. Mittels Regional-Codes funktionieren bestimmte Geräte beziehungsweise be­stimmte CDs nur in bestimmten Regionen. Und jetzt kommt der Kopierschutz dazu. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Vorlage widerspricht auch den Interessen der österreichischen Wirtschaft! Kollegin Fekter! Sie haben wie ich die Stellungnahme der österrei­chi­s­chen Unternehmen bekommen. Die österreichischen Unternehmen haben sich aus ver­schie­­­de­nen Gründen klar dagegen ausgesprochen. Daher sind derzeit wir auf der Seite der öster­rei­chischen Industrie und nicht Sie, die Regierungsparteien.

Es geht aber dabei noch um viel mehr, nämlich auch um die Zukunft der Musikuniversitäten. Kollegin Fekter, Ihre Feststellung von vorhin kann nicht so im Raum stehen bleiben. (Abg. Dr. Fekter: Sie wollen nur die Musikverlage schädigen, die kleinen Musikverlage!) Ich bringe daher den Ent­­schlie­ßungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Niederwieser, Mag. Maier ein, der sich mit dieser Problematik auseinander setzt.

Laut diesem Entschließungsantrag soll alles getan werden, damit der Lehrbetrieb an Musik­univer­sitäten nicht massiv beeinträchtigt beziehungsweise in einzelnen Fächern unmöglich ge­macht wird, weiters damit für Musikstudierende beträchtliche Kostenbelastungen vermieden werden, Musikbibliotheken nicht mit unverhältnismäßigen zusätzlichen Kosten belastet werden und massive Beeinträchtigungen des allgemeinen österreichischen Musiklebens verhindert wer­den.

Kollegin Fekter! All das liegt genau auf der Linie der ÖVP gegen die Universitäten.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Niederwieser, Mag. Maier und KollegInnen betreffend negati­ve Auswirkungen der Urheberrechts-Novelle insbesondere für die Musikuniversitäten und Mu­sik­studierende

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, im Lichte der zu befürchtenden Beeinträchti­gung des allgemeinen österreichischen Musiklebens, des Lehrbetriebes an Musikuniversitäten und der zusätzlichen Kostenbelastungen für Musikstudierende und Musikbibliotheken durch die Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 (Abg. Dr. Fekter: Sie wollen internationale Vereinbarungen brechen und Musikverlage schädigen!)

1. die Frage des erforderlichen Schutzes von Musiknoten ebenso wie die Frage der berechtig-ten Interessen der freien Werknutzung und der damit im Zusammenhang stehenden notwendi­gen Ausnahmebestimmungen im Rahmen des nach Artikel XII Abs. 3 und 4 der Info-Richtlinie


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bestehenden Kontaktausschusses zur Sprache zu bringen und sich bestmöglich für einen angemessenen Interessenausgleich einzusetzen,

2. zu prüfen, in welchen weiteren Organen der Europäischen Union für den Bundesminister für Justiz die Möglichkeit besteht, sich im Sinn der Zielsetzung von Ziffer 1 dieser Entschließung einzusetzen und gegebenenfalls auch dort im Sinn dieser Entschließung aktiv zu werden.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Entwurf greifen Sie zugleich auch die Existenz aller Kultur- und Trachtenvereine, die sich traditioneller Musik bedienen, an. Wir So­zialdemokraten sind dagegen! (Beifall bei der SPÖ.)

20.16


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Mag. Maier ver­lesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Niederwieser ist ausrei­chend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.16


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Wir setzen, wie schon mehrmals erwähnt, mit dieser Vorlage eine EU-Richtlinie um. (Abg. Öllinger: Aber eine schlimme!) – Da schaust her, Herr Kollege Öllinger!

Wir tun etwas, um das Beziehungsdreieck Künstler-Konsument-Industrie, genau so, wie Sie, Frau Kollegin Glawischnig, es erwähnt haben, zu ordnen. (Abg. Öllinger: Die Künstler sind auch dagegen! Die kleinen noch mehr!) Wir wollen das ordnen, einschließlich jener Bestim­mungen, die Kollege Maier soeben erwähnt hat. Das ist internationales Recht!

Sagen Sie, Herr Kollege Maier: Wen wollen Sie schützen? (Abg. Öllinger: Sie wollen Sony schützen! – Abg. Dr. Glawischnig: Und Microsoft!) Herr Kollege Maier tritt auf und sagt (Abg. Öllinger: Sony und Microsoft!), er wolle in Wirklichkeit Kopien im Interesse der Konsumenten ermöglichen. Kollege Jarolim tritt auf und sagt: Ich möchte die Rechte und die Anliegen der Künstler schützen. (Abg. Öllinger: Nein!)

Also der eine will kopieren, und der andere will den Künstlern die Tantiemen zukommen lassen. Und all das soll unter einen Hut gehen. (Abg. Öllinger: Aber nein! Sie haben das überhaupt nicht verstanden!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Öllinger, ich habe gar nicht gewusst, dass Sie in dieser Frage auch so kompetent sind. (Abg. Öllinger: Ja!) Super! Beim nächsten Mal setzen wir beide uns im Justizausschuss zusammen und beraten gemeinsam, Herr Kollege, denn dieses Problem ist komplexer und vielfältiger, als es beim ersten Hinsehen erscheinen mag.

Wir beschließen nun ein Recht, das auf Grund einer EU-Richtlinie den Nationalstaaten zur Be­schlussfassung ans Herz gelegt wurde. Wie Sie, Herr Kollege, wissen, können wir uns hier, im Parlament, aus dem Internet jedwede Musik neuester Art und jeden Film neuester Art herun­terladen, vervielfältigen und verkaufen. Das könnten wir tun! Es gibt in der Zwischenzeit sogar schon sehr gut organisierte Gruppen, die viel Geschäft damit machen, sich diese Dinge her­unter­laden und in großem Stile verkaufen.

Nun frage ich mich: Können wir das wirklich vertreten? Damit ist weder der Industrie noch den Künstlern oder sonst irgendjemandem geholfen!

Meine Damen und Herren! In Wirklichkeit geht es darum, dass wir versuchen, einen Markt zu ordnen, der längst hätte geordnet gehört. (Abg. Öllinger: Nein!) Große Unternehmen wie War­ner Brothers oder die Universal Studios waren überhaupt nur unter der Bedingung bereit, die­sen Homemarkt zu eröffnen, dass gleichzeitig Kopierschutzmöglichkeiten seitens der Technik


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zugesagt wurden. Und das, meine Damen und Herren, ist durchaus auch im Interesse der Künst­ler (Abg. Öllinger: Die Kopierschutzeinrichtungen verstoßen teilweise gegen inter­na­tio­nale Normen! So schaut es aus!), damit nämlich die Künstler, die Verträge mit diesen großen Firmen und Unternehmungen haben, auch zu ihren Tantiemen und zu ihrem Geld kommen.

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass wir diese Maßnahme heute beschließen, denn wir kommen damit meiner Meinung nach den Interessen der Künstler und den Interessen der Konsumenten einen Schritt näher. (Abg. Öllinger: Sie machen nur Sony und Microsoft die Mau­er!)

Herr Kollege Öllinger, wir zwei machen uns das nachher in den Couloirs aus, denn Sie wissen ganz genau (Abg. Öllinger: Dann ist es zu spät!), dass wir heute gar nicht anders können, als die­se von der EU auferlegte Maßnahme zu beschließen. Wir von der ÖVP tun das gerne, weil es notwendig ist, und zwar im Interesse derer, die Sie zu schützen vorgeben.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich alle, diesem Gesetz zuzustimmen. – Dan­ke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öl­lin­ger.)

20.19


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Haidl­mayr zu Wort gemeldet.

20.20


Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Urheberrechtsgesetz-Novelle ist angeblich eine Anpassung an EU-Richtlinien, und das ist sie auch in weiten Teilen. Dennoch muss ich feststellen: Herr Minister, da haben Sie sich aber nicht recht viel einfallen lassen! In der Info zu dieser Richtlinie steht nämlich Folgendes – das sage ich Ihnen, und Sie werden es wahrscheinlich auch gelesen haben, das hoffe ich zumindest –:

„Die Mitgliedstaaten sollten in jedem Fall alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um für Per­sonen mit Behinderungen, die ihnen die Nutzung der Werke selbst erschweren, den Zugang zu diesen Werken zu erleichtern, und dabei ihr besonderes Augenmerk auf zugängliche Formate richten.“

Das ist die Vorgabe der EU, die Sie haben, Herr Minister, und diese Vorgabe haben Sie nicht erfüllt. (Abg. Dr. Fekter: Freilich! § 42!) Genau, dort hätte es erfüllt werden sollen! Sie hät­ten nur den § 45c aus der deutschen Regelung abzuschreiben brauchen, dann hätte es auch gestimmt. Nur haben Sie das nicht getan, und das ist Ihr Problem. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Das ist Ihr großes Problem, Frau Fekter. Ich bin nur froh, dass Ihnen in den letzten Minuten noch eingefallen ist (Abg. Öllinger: Lesen! Denken! Handeln! Abschreiben!), dass hinter dem Begriff „Behinderte“ auch Menschen stehen, und dass Sie jetzt bereit sind, zu dem Begriff „behinderte“ zumindest „Personen“ dazuzuschreiben. Es ist ohnehin irgendwie eine traurige Geschichte, wenn man das noch nicht weiß, aber bitte!

Auch für Sie dauert das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung jetzt schon vier Mo­nate, aber Sie haben erst jetzt begriffen, dass „Menschen“ und „Behinderung“ eigentlich ein ge­mein­samer Begriff ist und „Behinderte“ allein für alles stehen kann. Daran sieht man wieder einmal, wie intensiv Sie sich mit der Thematik auseinander setzen, und daran sieht man auch, dass wir behinderte Menschen nicht als Menschen gesehen werden, sondern einfach nur als Be­hinderte, und damit hat es sich schon. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Nein, damit hat es sich nicht!)

Damit hat es sich gehabt, denn schauen Sie sich bitte an, was in Ihrer Regierungsvorlage drin­steht. Da steht: „§ 42d Behinderte“. Aus! (Abg. Dr. Fekter: Und darum haben wir einen Ab­än­derungsantrag eingebracht!) Ja, genau, weil Sie jetzt, nach vier Monaten, doch kapiert ha­ben, dass hinter „Behinderten“ auch Menschen stehen. Das habe ich ja gesagt, und Sie haben mir


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das jetzt gerade wieder bestätigt. Das passt schon! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Öllinger: Frau Fekter, da haben Sie keine Chance!)

Herr Minister! Sie haben mir vorhin draußen auf dem Gang gesagt, Sie wissen ohnehin, dass das alles nicht hinhaut und dass da gerade die Regelungen für sehbehinderte und behinderte Men­schen nicht erfüllt sind. Aber Sie haben gemeint: Das ist ja nicht so tragisch, im Herbst kommt ohnedies eine neue Novelle, und da kommt das hinein. – Jetzt frage ich mich wirklich: Ha­ben Sie so wenig zu tun, dass wir heute eine Novelle beschließen mit dem Ziel, dass wir sie im September gleich wieder neu machen, weil Sie nicht fähig waren, den § 45c aus der deut­schen Vorlage abzuschreiben? Wenn Sie das nämlich abgeschrieben hätten, dann hätten Sie diesen Punkt gar nicht mehr neu zu machen. Aber man kann ja auch Be­schäftigungs­the­rapie üben, wenn man will, und das ist wahrlich eine Form der Beschäftigungstherapie.

Herr Minister! Sie haben selbst mit der Gruppe der sehbehinderten Menschen sehr lange und sehr intensiv verhandelt. Aber Bereiche, die die Sehbehindertenbewegung bereits heraus­rekla­miert hatte, haben Sie einfach wieder ins Gesetz hineingebracht, einfach so, ohne mit den Leu­ten darüber zu reden und ohne sie zu informieren. Wozu sind denn die Leute dann zu Ihnen ge­gangen, haben sich wirklich Wochen und Monate die Füße abgelaufen, um bei Ihnen vorstellig zu werden und mit Ihnen etwas auszumachen? – Sobald sie bei der Tür draußen sind, ist wie­der alles beim Alten, und Sie machen, was Sie wollen. Herr Minister, so geht es ganz einfach nicht! Sie können nicht glauben, dass wir Menschen mit Behinderung wirklich noch so dumm sind, dass wir nicht lesen kön­nen und nicht wissen, was mit Ihnen ausgemacht worden ist und was Sie hinterher machen.

Wenn Sie sagen, im September wird das sowieso novelliert, dann frage ich Sie: Warum denn nicht gleich, Herr Minister? Warum müssen Sie den Ärger machen, warum müssen Sie die blin­den und die schwerstbehinderten Menschen vergrämen, indem Sie ihnen Zugesagtes im End­effekt ohnehin nicht machen? – Ich hätte darauf gerne eine Antwort. Wir sind wirklich nicht dazu da, dass wir von Ihnen ständig verschaukelt werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich habe keine großen Erwartungen an Sie, Herr Minister, das ist eben so. Aber ich denke mir: Dass Sie vom deutschen Gesetz den § 45c einfach nur abtippen lassen, kann ich mir schon er­warten! Und ich erwarte mir, dass das schnell geschieht. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

20.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

20.25


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Darf ich vielleicht gleich zu Beginn mit einer doch bemerkenswerten Unkenntnis bei einigen Abgeordneten, was den Umgang mit elektronischen Me­dien betrifft, ein bisschen aufräumen. (Abg. Öllinger: Da kennen wir uns schon aus!)

Erstens: Kopierschutz und das Recht auf Privatkopie. – Ich gehe davon aus, dass auch die meisten Abgeordneten der Opposition Musik hören und dass auch die meisten hin und wieder eine CD kopieren. (Abg. Öllinger: Selbstverständlich! Aber so ...!) Ich darf dazu bemerken, dass jede CD – auch CDs mit Kopierschutz – völlig problemlos kopiert werden kann, allerdings nur dann, wenn man das mit einfacher Geschwindigkeit macht. Da wir alle, und die meisten Bür­gerin­nen und Bürger in Österreich, über so gute Kopiergeräte verfügen, dass sie 8-fache und 32-fache Kopiergeschwindigkeiten ermöglichen, probiert man das wahrscheinlich gar nicht aus. (Abg. Öllinger: Nein!)

Ich habe das getan, zu Hause habe ich etliche CDs mit Kopierschutz. (Abg. Öllinger: Ich will es nicht kopieren, ich will es abspielen!) Bei meiner Melissa-Etheridge-Platte von Sony habe ich mich zugegebenermaßen zweimal geärgert, als ich ein Lied für meinen Privatgebrauch im Auto ko­­pieren wollte. (Abg. Öllinger: Ja, sehen Sie!) Dann habe ich gelesen: Mit einfacher Ge­schwin­digkeit geht es. – Und so war es auch.


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Ich glaube, dass das eigentlich etwas Vernünftiges ist. Ich kann mit der Eins-zu-eins-Ge­schwin­digkeit eine Kopie für meinen Privatgebrauch anfertigen. (Abg. Öllinger: Warum, glauben Sie, dass Sony den Kopierschutz einbaut? – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Aber ich kann das nicht mit 8-facher oder 32-facher Geschwindigkeit tun, was es mir ermöglichen würde, in­ner­halb ganz kurzer Zeit viele Kopien anzufertigen (Abg. Öllinger: Das Gesetz nimmt nicht auf die Geschwindigkeit Bezug!) und diese allenfalls auch noch illegal zu verkaufen, wie es lei­der ge­schieht. Das geht nicht! (Abg. Öllinger: Das ist ja jetzt verboten!) Nein, es ist erlaubt, es ist mög­lich (Abg. Öllinger: Mit einmaliger Geschwindigkeit!), mit einfacher Geschwindigkeit gibt es keinen Kopierschutz, auf keiner einzigen CD. Der Kopierschutz ist nur wirksam für Ko­pie­ren mit höherer Geschwindigkeit. Das sollte man eigentlich wissen, wenn man Anträge stellt und darüber spricht. (Abg. Öllinger: Dann fragen Sie ...!) – Das ist einmal Punkt eins.

Punkt zwei: Es ist mir auch ein Anliegen, auf etwas einzugehen, was Frau Glawischnig gesagt hat. Es geht hier nämlich nicht nur um das Kopieren von Musik-CDs, sondern insbesondere auch darum, Software-Raubkopien zu verhindern. Da haben Sie von einer bedauerlichen Markt­kon­­zentration gesprochen. Ich habe im Zuge dieses Wahlkampfes und der anschließenden Re­gierungsbildung das minder große Vergnügen gehabt, den Abschnitt der Grünen über die Vor­haben in diesem Bereich zu lesen. Da steht zu meinem größten Bedauern drin, dass die Grü­n­en der Überzeugung sind, dass Free Software, Linux, für alle Anwendungen querbeet durch den Gemüsegarten der ideale Standard sei. Es werden in Ihrem Programm auch „Free Soft­ware“, „kostenlose Software“, der Begriff „Open Source“, alles kunterbunt durcheinander ge­mischt und falsch verwendet. Grundsätzlich ist es aber schon von großer Bedeutung, zu wis­sen, dass Free Software, Open Source und Microsoft drei völlig unterschiedliche Dinge sind, mit denen man sehr sorgfältig umgehen muss.

Ich habe leider nicht die Zeit, das jetzt vertiefend darzustellen, gehe aber davon aus, dass wir uns auch damit noch eingehend beschäftigen werden. Darauf freue ich mich besonders, das hal­te ich für noch wichtiger als die heutige Debatte. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

20.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­ge­ordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

20.29


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Diese Vorgänge rund um die Urheberrechtsgesetz-Novelle sind manchmal schon sehr eigenartig. Im „Standard“ vom 11. April wird das recht gut beschrieben – ich zitiere –:

„Wenn der gemeinhin träge Gesetzgeber den Beschleunigungsgang einlegt, ist Argwohn an­gesagt – eine eherne Regel, die sich auch im Fall der Urheberrechtsnovelle bestätigt: ...“

Es ist wirklich so, dass die an den Tag gelegte Eile einen ganz reellen Hintergrund hat. Noch im Som­mer 2002 sollte nicht nur die EU-Richtlinie in das österreichische Recht implementiert wer­den, sondern es waren im ursprünglichen Entwurf auch einige dringend notwendige Moder­ni­sie­rungen des österreichischen Urheberrechts enthalten. Sie waren wichtig, denn sie sollten dem besseren Schutz der Arbeit der Künstlerinnen und Künstler dienen und zur gerechten Ent­loh­nung von kreativer Leistung beitragen. In diesem Entwurf gab es noch den bereits erwähnten „Best­seller-Paragraphen“, die Zweckübertragungstheorie und die Unwirksamkeit der Erteilung von Werknutzungsbewilligungen und Werknutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten. Mit die­sen drei Bestimmungen wären die Rechte der KünstlerInnen gestärkt worden, und wir hätten damit auch Rechte im österreichischen Rechtsbestand verankert, die international schon eine Selbstverständlichkeit sind.

Doch davon ist in der jetzt vorliegenden Novelle nichts mehr übrig geblieben. Offensichtlich hat die Regierung Angst vor der eigenen Courage bekommen. Das österreichische Urheberrecht bleibt weiterhin defizitär. Es ist schon erstaunlich: Man verweigert die Diskussion. Es wird eine Enquete angekündigt, dann aber vertagt. Ein fairer Interessenausgleich zwischen Kreativen, Konsumenten und der Wirtschaft scheint nicht wichtig zu sein.


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Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Ihre Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 können Sie in die Rubrik „Verpasste Chancen“ einreihen. Verpasst wurde die Chance auf eine Mo­dernisierung des österreichischen Urheberrechts, vergeben haben Sie aber auch die Chan­ce, dafür zu sorgen, dass Künstler und Künstlerinnen angemessene Verwertungs­möglich­keiten für ihre Werke vorfinden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bitte Platz zu nehmen. – Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 51 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen einen Zu­satz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffe­nen Teile, und zwar der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablé haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. I Z 10 eingebracht.

Ich bitte jene Abgeordneten, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablé haben weiters einen Abänderungsantrag be­tref­fend Art. I Z 15 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Es ist dies einstim­mig und damit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz­an­trag betreffend die Einfügung einer Z 20a und einer Z 39a in Art. I eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend Art. I Z 65 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich komme nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit ange­nom­men.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz­an­trag betreffend Art. I Z 65 eingebracht.


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Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls mehrheitlich, der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 51 der Beilagen beige­druckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Mag. Mainoni: Moment! Die Grünen müssen erst überlegen!) – Es ist dies mehrheitlich ange­nommen. (E 5.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend negative Auswirkungen der Urheberrechts-Novelle insbesondere für die Musikuniversitäten und Musikstudierende.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein entsprechen­des Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (33 der Beilagen): Bundes­gesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insolvenzrechtsein­füh­rungs­gesetz, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Bundesgesetz über das Internationale Insolvenzrecht – IIRG) (49 der Beilagen)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Debattenredner hiezu gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ikrath zu Wort, mit einer frei­willigen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

20.36


Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich enorm und bin auch ein bisschen stolz dar­auf, dass ich heute mit meiner ersten Rede vor Ihnen stehe. Ich kann mich daran erinnern, als ich vor 27 Jahren etwa zur selben späten Abendzeit als Studentenvertreter das erste Mal im Hohen Haus war, bin ich da draußen gestanden und habe, glaube ich, eineinhalb Stunden auf die damaligen Abgeordneten Heinrich Neisser und Heribert Steinböck gewartet. (Abg. Gaál: Stein­bauer!) Ja, Steinbauer. Die Wartezeit war nicht so, dass sie mich davon abgeschreckt hät­te, es trotzdem toll, interessant und spannend zu finden, nicht nur draußen zu stehen, sondern eines Tages hier in diesem Saal sein zu dürfen. Dass das gelungen ist, freut mich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich freue mich auch darüber, dass man mir beim ersten Mal die Möglichkeit gegeben hat, über eine Konsensmaterie zu sprechen. Jedenfalls war es eine Konsensmaterie im Justizausschuss, und ich gehe eigentlich davon aus, dass sich die Argumente dafür, dass es auch heute so blei­ben wird, nicht geändert haben. Nicht, dass ich Konflikte grundsätzlich scheue – wir werden die-


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se wahrscheinlich auch so trotzdem noch finden –, aber ein Start auf Basis einer breiten Mehr­heit, mit einem gemeinsamen Ziel, ist natürlich etwas Schönes.

Was ist der Hintergrund dieses Gesetzes? – Wir alle wissen, dass die Wirtschaft heute sehr inten­siv international verflochten ist; Globalisierung, Europäisierung sind die Stichworte. Es stellt ebenfalls ein – wenn auch nicht so erfreuliches – Faktum im Wirtschaftsleben dar, dass nicht alle Unternehmen den Wettbewerb erfolgreich bewältigen. Eine der Konsequenzen daraus kann eine Insolvenz sein.

Das gemeinsame Anliegen in einem solchen Fall ist es immer gewesen, den Gläubigerschutz ent­sprechend zu sichern und auszubauen. Daher ist es eigentlich fast verwunderlich und wahr­scheinlich nur durch die Rasanz der internationalen Entwicklung der Wirtschaft erklärbar, dass es einen Regelungsbereich gibt, in dem man als Gläubiger sehr unsachgemäß durch die Finger schaut, nämlich dann, wenn außerhalb des EU-Raumes ein Konkurs- oder Insolvenzschuldner sein Vermögen oder Teile seines Vermögens in einem Land hat, mit dem kein eigenes Abkom­men geschlossen worden ist.

Jetzt mögen viele von Ihnen glauben, da wird es vielleicht exotische Länder irgendwo in Latein­amerika oder in Fernost geben. – Aber nein, man muss nicht sehr weit gehen, sondern eigent­lich nur vor die Haustür schauen: Schon mit der Schweiz ist das der Fall! Wenn Sie heute Gläu­bi­ger eines Konkursschuldners sind, der sein Vermögen oder wesentliche Teile davon in der Schweiz hat, dann erstreckt sich die Wirkung des Konkurses nicht auf dieses Vermögen. Das heißt, der Schuldner bleibt dort voll verfügungsberechtigt.

Dass das nicht zufrieden stellend sein kann, ergibt sich wohl logisch aus dem vorher Gesagten, weil es den Gläubigerschutz jedenfalls nicht absichert.

Daher ist es verdienstvoll, dass das Justizministerium gleichzeitig mit der Umsetzung von zwei EU-Richtlinien für Banken und Versicherungen, die ein ähnliches Regelungsdefizit ausfüllen, nun auch diese Problematik aufgegriffen hat und mit dem Bundesgesetz über das Internationale In­­sol­venzrecht, das heute zur Beschlussfassung vorliegt, sicherstellt, dass künftig auch in einem Konkurs mit internationalen Vermögenskonsequenzen der Gläubigerschutz voll gesichert ist. Das heißt, es ist auch das Auslandsvermögen eines österreichischen Schuldners künftig mit einbezogen. Das beruht natürlich auf Gegenseitigkeit: Das gilt auch im ausländischen Konkurs­verfahren für den Fall, dass der ausländische Schuldner Vermögen in Österreich hat.

Damit trägt das Gesetz, das heute zur Debatte steht, insgesamt der zunehmenden Internatio­nali­sie­rung im Finanzbereich Rechnung und schafft damit im Sinne des Gläubigerschutzes bessere Zugriffsmöglichkeiten auf das im Ausland befindliche Vermögen insolventer Unter­neh­men.

Das ist meiner Meinung nach etwas, das alle befürworten werden und müssen. Wenn Sie mir damit auch das Erfolgserlebnis eines gemeinsam beschlossenen Gesetzes als Premiere ver­schaf­fen, dann freut mich das natürlich besonders. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

20.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Puswald. Die Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

20.42


Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Um meinem Redebeitrag die Spannung zu nehmen: Wir werden diesem Gesetz zustim­men, wenn auch nur mit großer Unlust. (Abg. Großruck: Im Maturazeugnis steht auch nicht drinnen, wie viele „Fleck“ du hast, Hauptsache du hast es!) Diese Unlust liegt darin begründet, dass dieses Gesetz von seiner Technik und seinem Inhalt her eigentlich einer hervorragenden Beamtenschaft, wie sie vor allem dem Justizminister zur Verfügung steht, nicht würdig ist.


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Die Qualität dieses Gesetzes ist unzureichend. Das Gesetz ist nicht ausreichend ausformuliert, es ist in sich widersprüchlich, und es geht großteils an der Praxis vorbei. Gerade der Wunsch, den Herr Kollege Mag. Ikrath geäußert hat, dass hier Rechtssicherheit geschaffen werde, wird wohl nicht in ausreichendem Maße erfüllt werden. (Zwischenruf des Abg. Neudeck.) Und das nur deshalb, weil aus für mich unverständlichen Gründen seitens des Justiz­ministe­riums zu­nächst lange Untätigkeit geherrscht hat und dann offensichtlich in einer „Hauruck-Aktion“ mit einer Qualität, die wir ansonsten nur von den Ministern Strasser und Gehrer ge­wohnt sind, ein Gesetz entworfen wurde, das eben auf Grund dieser nicht ausreichenden Be­ar­beitung und Überarbeitung in seiner Qualität sehr zu wünschen übrig lässt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie wir der „Parlamentskorrespondenz“ entnehmen können, sollen mit diesem Gesetz zwei EU-Richtlinien umgesetzt werden, was sich auch aus dem Gesetzestext ergibt. Wenn man die „Parlamentskorrespondenz“ liest, dann meint man, diese zwei EU-Richtlinien würden vor allem auch die Ausgleichsordnung, die Konkursordnung und das Insolvenzrechtseinführungsgesetz betreffen, was nicht wahr ist.

Das ist eine Scheinbegründung dafür, dass man es trotz langjähriger EU-Mitgliedschaft Öster­reichs verabsäumt hat, diese EU-Richtlinien, die schon lange in Geltung sind, rechtzeitig umzu­setzen, obwohl es gerade im Bereich der Konkurs- und Ausgleichsordnung in den letzten beiden Jahren mehrere Novellen gegeben hat. Man hat es seitens der Bundesregierung und des Justizministeriums einfach verschlafen, die EU-Richtlinien rechtzeitig umzusetzen.

Wir wünschen uns, dass wir in Zukunft nicht gezwungen sind, Gesetzen dieser mangelhaften Qua­lität zuzustimmen, nur weil sich eben die rechtliche Notwendigkeit ergibt, EU-Richt­linien umzusetzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.44


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

20.45


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Ich war froher Hoffnung, dass sich Herr Abgeordneter Puswald nach seinen Aus­fällen bei seinem letzten Redebeitrag wieder eingerenkt hat. – Dem ist leider nicht so!

Herr Abgeordneter Puswald, ich gebe Ihnen einen guten Tipp: Wenn Sie Unlust verspüren, die­ses Gesetz zu beschließen, wenn Sie die Qualität für unzureichend befinden, wenn das Gesetz Ihrer Ansicht nach zu wünschen übrig lässt, wenn es widersprüchlich ist und wenn es an der Praxis vorbeigeht, dann dürfen Sie, wenn Sie ein ernst zu nehmender Abgeordneter sein wol­len, diesem Gesetz nicht zustimmen – ganz einfach! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Puswald: ... die EU-Richtlinie umzusetzen, Herr Kollege! – Abg. Schieder: Oft hat das schon jeder gemacht!)

Meine Damen und Herren! Das internationale Insolvenzrecht ist eine sehr spezifische Materie. Diese Neuregelung ist wichtig und notwendig. Bisher war es, wie schon ausgeführt wurde, so: Wenn kein Staatsvertrag vorhanden war, dann hatten die Gläubiger keine Möglichkeit, bei inlän­di­schem Konkurs auf ausländisches Vermögen des Schuldners zuzugreifen. Das drastische Beispiel des Kollegen Ikrath betreffend die Schweiz führt einem vor Augen, wie notwendig eine Neuregelung geworden ist.

Es handelt sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Das internationale Insolvenzrecht wird dadurch in die österreichische Konkursordnung aufgenommen. Auch im Ausland gelegenes Ver­mö­gen wird somit in Zukunft in einen inländischen Konkurs mit einbezogen, und umgekehrt wird natürlich ein ausländisches Insolvenzverfahren auch in Österreich anerkannt. Es ist aus un­serer Sicht nicht nur ein notwendiges, sondern ein ausgewogenes, ein sehr gutes Gesetz, das wir heute beschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.46



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Bundesminister.

20.47


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehr­te Damen und Herren des Hohen Hauses! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Puswald, ich möch­te Ihnen eines ganz klar sagen: Kritik ist etwas, das wir im Justizministerium gerne hören, nur muss sie sachlich sein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) Wenn Sie sich Ihre eigenen Re­debeiträge durchlesen und sie auf Konkretheit und Nachvollziehbarkeit überprüfen, werden Sie sehen, dass das nicht Kritik, sondern Polemik war. (Abg. Dr. Puswald: Nein!) Dieses Mi­niste­rium hat es nicht notwendig, dass seine Beamten heruntergemacht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Puswald: Ich habe die Beamten gelobt, Herr Minister!)

Wenn Sie Kritik anbringen wollen, dann machen Sie das – als Akademiker bitte ich Sie darum – auch akademisch und nicht in dieser sehr simplen Form. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen und Beifall bei der ÖVP.)

20.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Puswald zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter Dr. Puswald, Sie kennen § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung und beginnen bitte mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen. (Abg. Dr. Jarolim: Keiner kennt ihn so sehr wie er, den Para­gra­phen! – Ruf bei der SPÖ: Er ist empfindlich, der Herr Minister! – Gegenrufe bei den Freiheitli­chen.)

20.48


Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat mir gerade unterstellt, ich hätte in mei­nem Redebeitrag die Beamten seines Ministeriums heruntergemacht. (Abg. Neudeck: Haben Sie ja gemacht! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Diese Feststellung ist unrichtig!

Ich habe ausdrücklich die Beamten des Ministeriums gelobt und habe erklärt, dass die man­gelnde Qualität des Gesetzes mit der Qualität der Mitarbeiter, die ich persönlich kenne und schätze, nicht in Einklang zu bringen ist, sodass ich diese Tatsache nicht auf deren mangelnde fachliche Qualifikation, sondern auf irgendeinen anderen Umstand zurückführe, der nicht in der Qualität der Mitarbeiter gelegen ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fassl­abend: Das ist eine Wertung!)

20.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 33 der Bei­lagen.

Ich ersuche zunächst einmal die Herren Abgeordneten Dr. Puswald und Kollegen, Platz zu nehmen. – Danke sehr.

Ich ersuche nunmehr jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.



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10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (32 der Beilagen): Bundes­gesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geän­dert werden (67 der Beilagen)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Debattenredner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort. Freiwillige Rede­zeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.50


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle zum Bankwesengesetz rückt unser an sich schon modernes Bankwesengesetz noch einen weiteren Schritt in Richtung Europa vor. Wir nehmen darin Anpassungen an die EU-Geldwäsche-Richtlinien, aber auch an Sonder­empfeh­lungen der FATF gegen die Geldwäsche vor.

Ich gebe zu, wir haben in der eigenen Fraktion sehr heftige Diskussionen gehabt, vor allem über jenen Punkt, in dem die Novelle vorsieht, dass der Kunde zur Feststellung der Identität bei der erstmaligen Aufnahme von Geschäftsverbindungen einen amtlichen Lichtbildausweis vorlegen muss. Das hat natürlich vor allem in ländlichen Regionen, wo die handelnden Personen alle be­kannt sind, eine gewisse Aufregung verursacht und wurde als zusätzliche Bürokratie empfun­den, umso mehr, als die EU-Richtlinie nicht expressis verbis einen amtlichen Lichtbildausweis verlangt.

Auf der anderen Seite war es so, dass sowohl das Finanzministerium als auch die Notenbank als auch die Finanzmarktaufsicht gemeint haben, damit wir wirklich eine völlig weiße Weste haben und die Seriosität und die Vertrauenswürdigkeit des Finanzplatzes Österreich gewahrt wird, sollten wir diese sehr präzise Formulierung, dass bei der erstmaligen Aufnahme von Ge­schäftskontakten ein amtlicher Lichtbildausweis vorzulegen ist, in der Novelle so verankern.

Ich gebe gerne zu, dass ich selbst in einer internen Diskussion unserer Fraktion gemeint habe – Jakob Auer weiß das –, ich bin an sich allergisch dagegen, dass wir bei EU-Angelegenheiten immer den Vorzugsschüler spielen, dass wir uns an die EU anpassen, aber immer gleich um ein Äuzerl mehr machen. In diesem Fall aber geht es nicht nur um die Anpassung an EU-Recht, sondern auch um die heikle Frage, wie sich die FATF, die Financial Action Task Force on Money Laundering, also die internationale Organisation gegen Geldwäsche, verhält. Da waren die Meinungen der Experten so, dass wir beschlossen haben, unsere Bedenken im Hinblick auf die Vorzugsschülerrolle und die Bürokratie hintanzustellen und das Vorweisen des amtlichen Lichtbildausweises in diesem Gesetz zu verankern. Ich gebe zu, das war nicht unumstritten und wird es auch weiterhin nicht sein.

Meine Damen und Herren! Es gibt ein zweites Thema, über das ich gerade mit Kollegem Matz­netter gesprochen habe und bezüglich dessen ich zugebe, es wäre besser gewesen, wir hätten im Ausschuss schon darüber sprechen können; aber damals waren wir noch nicht so weit: Im Bankwesengesetz – im Gegensatz zum gesamten übrigen Rechtsbereich – gilt für Geschäfts­führer von Banken nicht die Unschuldsvermutung, sondern es ist expressis verbis vorgesehen, dass die Finanzmarktaufsicht einen Geschäftsführer einer Bank seines Amtes entheben muss, wenn Anklage erhoben wird – egal, wie dann die Anklage ausgeht, er kann natürlich auch freigesprochen werden. Mit der Anklage ist er jedoch in jedem Fall seines Amtes zu entheben.

Es wäre natürlich für den Finanzplatz Österreich etwas sehr Verhängnisvolles, wenn wichtige Ge­schäftsführer von Banken ihres Amtes enthoben werden, weil eine Anklage erhoben wird. –


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Es stellt sich zwar nachträglich heraus, dass sie freigesprochen werden, aber enthoben sind sie schon.

Wir haben gesagt, wenn die ganze Novelle unter dem Aspekt EU-Anpassung steht, dann schau­en wir uns an, wie das in der EU geregelt ist. Das Ergebnis war: Wir nehmen da mit dem Bank­wesengesetz in Österreich eine Sonderstellung ein. Es gibt kein EU-Land, das ebenfalls die Unschuldsvermutung für Geschäftsführer von Banken sozusagen zur Seite schiebt und sagt, sie seien in jedem Fall sofort ihres Amtes zu entheben.

Wir haben jetzt eine Formulierung gefunden, die in der EU üblich ist; also auch mit dieser Re­ge­lung rückt unser Bankwesengesetz mehr in Richtung Europa. Wir stellen ausschließlich auf die persönliche Zuverlässigkeit ab. Das heißt, die Finanzmarktaufsicht hat zu prüfen, ob die per­sönliche Zuverlässigkeit der Geschäftsführer gegeben ist – ja oder nein. Damit besteht auch ein gewisser Spielraum für die Finanzmarktaufsicht als oberstes Kontrollorgan unseres Geld- und Kreditapparates.

Meine Damen und Herren! Das war’s schon. Ich sage es noch einmal: Das ist eine Novelle, mit der, wie ich glaube, der Finanzplatz Österreich noch ein Stückchen in Richtung Europa rückt und noch mehr an Seriosität, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit gewinnt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.54


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Matz­netter. – Bitte.

20.54


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist gleich 21 Uhr, eine vorgeschrittene Stunde, und dies ist nicht der Zeitpunkt, Dinge, bei denen es um das Ansehen des österreichischen Kreditapparates geht, in einer Husch-Pfusch-Aktion des Nachtens zu regeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir anfangen, Gesetzgebung aus Anlassfällen, die wenige Personen betrifft, durchzu­peitschen, um etwas zu erreichen, wird das Gegenteil passieren: Dies wird dem Ansehen und da­mit letztlich auch der Qualität des Finanzplatzes Österreich nicht helfen, sondern diesen schä­digen. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Stummvoll! Wir hatten ja vorher nur kurz Zeit, das Problem anzusprechen: Es ist ja nicht so, dass die Opposition nicht bereit wäre, in diesen Fragen einen ordnungsge­mäßen Dia­log zu führen, und es ist ja nicht so, dass sich die Person, die die Probleme ausge­löst hat, nicht in diesem Hause befindet. Es sind ein Rechtsanwalt und seine Anwaltskanzlei, die geglaubt haben, Politik zum Schaden der Banken machen zu müssen! – Wo ist er denn überhaupt? (Der Redner weist auf den leeren Platz von Bundesminister Dr. Böhmdorfer auf der Regierungsbank.) – Weg ist er!

Aber wer am Ende des Tages dann um seine Rechte umfällt, meine Damen und Herren, sind jene, die berechtigte Ansprüche haben, sofern Kreditzinsen nicht ordnungsgemäß berechnet oder sofern Sparbuchzinsen nicht ordnungsgemäß gutgeschrieben wurden, und keinen ent­spre­chenden Ausgleich erhalten.

Wir hätten uns für diesen Teil eine Lösung vorgestellt, die für beide Seiten die notwendige Klar­heit gebracht hätte. Ich sage nur: Wenn Sie heute mittels des Abänderungsantrages zu dieser sinnvollen Änderung im Bankwesengesetz eine Anlassgesetzgebung machen, die noch dazu ver­fassungsrechtlich deswegen bedenklich ist, weil Sie in Wirklichkeit der Finanzmarktaufsicht eine Verordnungsermächtigung zukommen lassen, die Sie einem Minister, aber nicht einer nach­geordneten selbständigen Einrichtung zukommen lassen können, dann begeben Sie sich auf ein dünnes Eis.

Opfer könnten nachher genau jene Institute sein, die wir in ihrem Ansehen eigentlich schützen wollen. Es ist kein Problem, dass bei der ordnungsgemäßen Geldverwahrung strenge Richt-


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linien gelten. Auch für meinen Beruf, für Anwälte, für Notare und ähnliche Professionen gibt es sehr strenge Vorschriften, und ich meine, dass es keinen Anlass gibt, das zu ändern. Was man vielleicht än­dern sollte, wäre die Besetzung des Justizministeriums. Das wäre dringender! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte die restliche Redezeit noch für ein paar Worte zu den Grund­sätzen der Identifizierungspflicht verwenden.

Wir haben im Finanzausschuss auch über dieses Thema sehr lange diskutiert, wir haben auch hin­sichtlich der Klarstellung besprochen, dass die SPÖ so wie die anderen im Hohen Haus ver­tretenen Parteien daran interessiert ist, dass Österreich nicht in den Ruf eines Finanzplatzes gerät, wo Transaktionen im Bereich des Terrorismus und der Drogengeldwäsche möglich sind und stattfinden.

Dieses Bekenntnis dieses Hohen Hauses sollte für alle Bereiche gelten. Es sollte auch dann gelten, wenn das Delikt vielleicht ein etwas geringeres ist.

Wir haben daher hinsichtlich der Identifizierung darauf hingewiesen, dass wir uns wünschen wür­den, dass auch Ausnahmebestimmungen, die in der jetzigen Vorlage immer noch enthalten sind, wegfallen, insbesondere betreffend die jederzeit mögliche Übertragung des Auftraggebers im Rahmen des Datensatzes der übertragenen Gutschrift: Das ist technisch heute in Österreich kein Problem, und es besteht kein Anlass, in diesem Bereich eine Ausnahmebestimmung zuzu­lassen.

Dennoch werden wir diesem Gesetzesantrag zustimmen, und ich wiederhole nochmals: Es be­steht kein Anlass, zu Anlassgesetzgebung hier in diesem Hause ja zu sagen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.59


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Bucher. – Bitte.

20.59


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Matznetter, ich habe Sie nicht ganz verstanden. Sie sind nicht einverstanden mit dieser Regelung, die hier getroffen wurde, aber Sie haben auch keinen Abänderungsvorschlag eingebracht. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, sich in dieser Form korrigierend bemerkbar zu machen, aber im Ausschuss war davon auch sehr we­nig zu hören. (Abg. Dr. Matznetter: Der war nicht im Ausschuss, der Antrag!) – Aber heute hät­ten Sie Gelegenheit gehabt, Ihre Wünsche und Begehrlichkeiten einzubringen. (Abg. Dr. Wittmann: Haben Sie den Antrag überhaupt schon eingebracht?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ursache für die Abänderung des Bankwesen­gesetzes ist der Kampf gegen die Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung. Sie ist eine sehr sinnvolle Maßnahme, mit der die gesetzlichen Regelungen an die EU-Geldwäsche-Richt­linie angepasst und den Usancen der internationalen Staatengemeinschaft Rechnung getragen wird. Es geht um verstärkte Ausweispflicht für Kontoeröffnungen und Kontobewegungen: unter Berücksichtigung bestimmter Ausnahmeregelungen und Ausnahmebestimmungen, etwa für Schüler, für die Institution des Schulsparens und für Personen, die, wie Kollege Stummvoll be­reits angemerkt hat, so genannte bekannte Personen etwa im ländlichen Raum sind, die auch entsprechende Seriosität aufweisen.

Weiters wurden drei der acht FATF-Sonderempfehlungen für die Kredit- und Finanzinstitute um­gesetzt. Die restlichen fünf Sonderempfehlungen werden durch das Justizministerium nach­justiert werden. Die Finanzminister haben sich im ECOFIN-Rat dafür ausgesprochen, dass alle Mit­­gliedstaaten eine Konzessionspflicht für Geldgeschäfte einführen und nicht nur eine Re­gistrierungspflicht veranlassen sollen. Dezidiert berücksichtigt werden auch die Wechselstuben. Das Wechselstubengeschäft, das auch bis 1994 so geregelt war, wird wieder als konzessions­pflichtiges Bankgeschäft eingestuft. Das ermöglicht es der FMA, der Finanzmarktaufsicht, auch,


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Maßnahmen zu setzen, um Fehlentwicklungen und Missbrauch bei Wechselgeschäften künftig hintanzuhalten.

Wir werden diesem Antrag vorbehaltlos zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

21.02


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Finanzminister! – Fast so hoch (der Redner verstellt die Höhe des Rednerpults) wie die Regierungsbarrikade am ersten Tag ihrer öffentlichen Vorstellung! – Meinem Vorredner habe ich immer noch nicht ganz folgen können: Er ist jetzt vorbehaltlos für etwas, was noch gar nicht eingebracht ist, was Matznetter hätte abändern sollen, obwohl er es noch gar nicht wissen kann! Das ist also die „Logik“, die da jetzt auf die Opposition losgelassen wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Geschätzter Kollege Ikrath, dabei hätte es an dieser Stelle so schön harmonisch sein können. Sie werden es noch oft genug erleben, gerade im Finanzausschuss, dass wir sehr oft die Ma­terien gemeinsam beschließen, und zwar einstimmig. Auch in diesem Fall gilt das für den vor­liegenden Grundantrag. Bei dem will ich mich gar nicht weiter aufhalten. – Ich habe heute ohnehin schon einmal, zum Missfallen von Klubobmann Molterer, meine Redezeit überschritten, umso kürzer wollte ich jetzt sprechen. – Wir werden dem zustimmen. In der Geldwäsche­be­kämpfung waren wir in Österreich ohnehin noch nicht in überbordender Vorlage. Umso wich­tiger ist diese Sache; da sind wir uns ja alle einig.

Was den Abänderungsantrag anlangt, den ich noch weniger kenne als Kollege Matznetter – das liegt wahrscheinlich daran, dass wir die noch kleinere Oppositionspartei sind und er bei uns noch gar nicht angelangt ist –, also wenn Sie von uns jetzt erwarten, Kollege Stummvoll – ob­wohl es sehr plausibel geklungen hat, aufs erste Hinhören zumindest –, dass wir da jetzt irgend­wie zustimmen könnten, ohne in irgendeiner Art und Weise nachvollziehen zu können, welche vergleichbaren Regelungen es innerhalb der EU gibt, das ist ein bisschen schwierig. Ich habe auch gar nicht das Gefühl gehabt, dass Sie das wirklich erwartet haben. Ansonsten steht der Kon­sens nach wie vor.

Das soll es auch schon gewesen sein. – Kollege Ikrath, beim nächsten Tagesordnungspunkt wer­den wir schon wieder einen einstimmigen Beschluss haben. So schön kann es hier sein! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Großruck: Noch ein paar solche Reden und du darfst zu uns kommen!)

21.04


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Grasser. Ich erteile es ihm.

21.04


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit dieser Vorlage haben wir die Materie Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf der Tagesordnung. Es ist uns allen be­wusst, dass nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Diskussion rund um die Anonymität die recht­zeitige und vollständige Umsetzung der internationalen Vorgaben für Österreich sehr wich­tig ist: wichtig für den Finanzplatz Österreich, weil internationale Organisationen – sei es die Kommission der Europäischen Union, die OECD oder die FATF – einen starken Focus auf Ös­ter­reich legen. Daher ist uns auch die Umsetzung der Geldwäsche-Richtlinie im Bereich der Kre­dit- und Finanzinstitute, Versicherungen und Spielbanken ein sehr großes Anliegen.

Wir setzen drei der acht Sonderempfehlungen der Financial Action Task Force on money laun­dering um. Sie wissen, dass wir materiell eine erweiterte Sorgfaltsverpflichtung für die Institute vorsehen, insbesondere auch dort, wo es um Identifikations- und Meldeverpflichtungen geht.


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Mir ist durchaus bewusst, dass manche gewisse Vorbehalte haben, was diese Identifi­ka­tions­fra­gen betrifft. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass wir uns wirklich bemüht haben, mit dieser Vorlage größtmögliche Praxisgerechtigkeit sowie größtmögliche Kundenfreundlichkeit zu errei­chen.

Eine Kundenidentifizierung mit dem Lichtbildausweis ist nur bei der Anknüpfung neuer Ge­schäfts­verbindungen erforderlich. Eine Nachidentifizierung schon bestehender Kundenverbin­dun­gen ist nicht notwendig. Ich denke, wir haben für Sonderfälle, wie Minderjährige oder Treu­hand­schaften praxisgerechte Regelungen vorgesehen. Im Ausschuss ist auch eine unbüro­kra­ti­sche Regelung für das Schulsparen erreicht worden. Damit ist uns, wie ich meine, eine rund­um gute Umsetzung der Richtlinien gelungen.

Mit zwei Sätzen auf den Abänderungsantrag eingehend: Ich denke, es ist richtig, wenn wir den bis­­her unbedingten Ausschließungsgrund für Geschäftsleiter wegen anhängiger Strafverfahren in eine allgemeine Zuverlässigkeitsregelung überführen und der Finanzmarktaufsicht in ihrer Un­ab­hängigkeit einen Ermessensspielraum für eine angemessene Einzelfallsbeurteilung ein­räu­men. Ich darf versichern, dass wir uns da tatsächlich internationalen Standards annähern, wie für diesen Fall mit der kodifizierten Bankenrichtlinie einer vorliegt. Insofern handelt es sich auch in diesem Punkt um eine wichtige Ergänzung für die Glaubwürdigkeit, die Stabilität und auch die Vertrauensbildung in den Finanzplatz Österreich. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.07



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12. Sitzung / Seite 181

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Mag. Frieser. – Bitte.

21.07


Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was bleibt einer Abgeordneten nach dieser erschöpfenden und ausführlichen Wortmeldung des Herrn Finanzministers eigentlich noch übrig, außer die ehren­volle Aufgabe, den Abänderungsantrag, den der Herr Bundesminister schon angedeutet hat, for­mal einzubringen.

Die Änderung zu § 5 Abs. 1 umfasst die Trennung der Anforderung an die Geschäftsleitung in per­sönliche Anforderungen (Z 7) und fachliche Eignung (Z 8), wobei Z 7 nunmehr auf ein per­sön­liches Zuverlässigkeitserfordernis abstellt, das sich am Text von Artikel 6 der EU-Bank­richt­linie 2000/12/EG orientiert. Diese Bestimmung tritt mit Kundmachung in Kraft.

Ferner ist dieser Abänderungsantrag in Bezug auf § 40 und 41 notwendig. Die Umsetzung der FATF-Sonderempfehlung VII über die Auftraggeberinformation im Überweisungsverkehr wird vorläufig aufgeschoben, da zwischenzeitig die EU-Kommission angekündigt hat, hiefür EU-ein­heit­liche Regelungen schaffen zu wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich aber doch noch Folgendes aus mei­ner Sicht zu diesem Entwurf anhängen: Gerade im Zusammenhang mit den Anschlägen auf das World Trade Center ist diese Umsetzung der Maßnahmen notwendig, gilt es doch, international tätige Kriminelle von ihren Finanzierungsquellen abzuschneiden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl es einige Schätzungen über Ausmaß und Um­fang illegaler Geldwäsche gibt, schwanken diese sehr. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass weltweit 600 Milliarden Dollar oder 6 Prozent des Weltsozialproduktes gewaschen wer­den. Eine sichere Quelle sind lediglich die an den Grenzen aufgegriffenen Gelder. Allein an der luxemburgischen Grenze wurden im letzten Jahr 900 Millionen € von den Zollbehörden be­schlag­nahmt.

Dieses Beispiel als Warnung und als Bestätigung der Notwendigkeit dieser Gesetzesnovelle sei Ihnen zur Kenntnis gebracht, und in diesem Sinne darf ich schließen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.10


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kern­punkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Prinzhorn, Kolleginnen und Kolle­gen, eingebracht durch Frau Abgeordnete Mag. Frieser, auch schriftlich überreicht wurde, genü­gend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäfts­ord­nung vervielfältigen und verteilen; er wird dem Stenographischen Protokoll beigefügt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen zur Regie­rungs­­vorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glückspiel­ge­setz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktbehör­den­­­aufsichtsgesetz geändert werden (32 der Beilagen) in der Fassung des Berichtes des Fi­nanz­aus­schusses (67 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Artikel I, Bankwesengesetz:

1. Nach Ziffer 8 wird folgende Ziffer 8a eingefügt:

„8a § 5 Abs. 1 Z 7 und 8 lauten:

„7. die Geschäftsleiter über geordnete wirtschaftliche Verhältnisse verfügen und keine Tatsa­chen vorliegen, aus denen sich Zweifel an ihrer persönlichen für den Betrieb der Geschäfte ge­mäß § 1 Abs. 1 erforderlichen Zuverlässigkeit ergeben; liegen derartige Tatsachen vor, dann darf die Konzession nur erteilt werden, wenn die Unbegründetheit der Zweifel bescheinigt wur­de;

8. die Geschäftsleiter auf Grund ihrer Vorbildung fachlich geeignet sind und die für den Betrieb des Kreditinstitutes erforderlichen Erfahrungen haben. Die fachliche Eignung eines Ge­schäfts­leiters setzt voraus, dass dieser in ausreichendem Maße theoretische und praktische Kennt­nisse in den beantragten Geschäften gemäß § 1 Abs. 1 sowie Leitungserfahrung hat; die fachli­che Eignung für die Leitung eines Kreditinstitutes ist anzunehmen, wenn eine zumindest drei­jährige leitende Tätigkeit bei einem Unternehmen vergleichbarer Größe und Geschäftsart nachgewiesen wird;““

2. In Ziffer 19 entfallen die Absätze 10 bis 12 des § 40.

3. In Ziffer 20 entfallen das Wort „oder“ am Ende von § 41 Abs. 1 Z 3 sowie die Z 4.

4. Ziffer 21 entfällt.

5. Ziffer 37 lautet:

„37. Dem § 107 werden folgende Abs. 35 bis 37 angefügt:

„(35) Das Inhaltsverzeichnis hinsichtlich der folgenden Bestimmungen, § 4 Abs. 6, die Über­schrift zum X. Abschnitt, die Überschrift zu § 39, § 39 Abs. 3, die Überschrift zu § 40, § 40 Abs. 1, 8 und 9, § 41 Abs. 1 Z 2 und 3, § 44 Abs. 1 und § 99 Z 17, in der Fassung des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2003 treten mit 15. Juni 2003 in Kraft.

(36) § 40 Abs. 2 und 2a treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2003 mit 1. Oktober 2003 in Kraft.


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12. Sitzung / Seite 182

(37) Das Inhaltsverzeichnis hinsichtlich der folgenden Bestimmungen, § 1 Abs. 1 Z 22 und 23, der Entfall von § 1 Abs. 2 Z 2, § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1 Z 8 und 9 und Abs. 5 Z 2, § 4 Abs. 3 Z 6 und 7, § 35 Abs. 3, § 69 Z 3 bis 5, § 69a Abs. 8, § 70 Abs. 10, § 73 Abs. 1 Z 13 und 14 und Abs. 2, § 94 Abs. 1, § 98 Abs. 3 Z 11a, § 103 Z 1 und der Entfall von § 103 Z 2 bis 4 in der Fas­sung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2003 treten mit 1. Jänner 2004 in Kraft.““

*****

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Hagenhofer. – Bitte.

21.11


Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolle­gin­nen und Kollegen! Ich möchte ebenfalls ganz kurz bei dieser Regierungsvorlage auf die Re­ge­lung bezüglich Kundenidentifizierung eingehen; ich habe das auch schon im Ausschuss ge­tan. Im § 40 Abs. 1 ist klar geregelt, dass die Identifizierung mittels Lichtbildausweis, also Reise­pass, Personalausweis oder Führerschein, zu erfolgen hat. In eben diesem § 40 Abs. 1 wird auch festgehalten, dass auf die Tatsache Bedacht zu nehmen ist, dass manche Reisedoku­men­te von Fremden, insbesondere aus dem arabischen Raum, kein vollständiges Geburtsdatum auf­weisen. Das allein schließt noch nicht notwendigerweise den Passinhaber von der Identi­fizierung aus. Wenn jedoch jeder Hinweis auf das Alter der betreffenden Person fehlt, darf der Ausweis nicht zur Identifizierung herangezogen werden.

Ich frage, Herr Minister – und ich habe diese Frage auch im Ausschuss schon gestellt –: Was dann? Was sonst kann zur Identifizierung herangezogen werden? Die Antwort des Kollegen Stumm­voll auf diese meine Frage im Ausschuss war, wenn ich es richtig mitgeschrieben habe: Das ist keine Frage der Gesetzgebung, sondern der Vollziehung.

Ich dagegen meine: Der Gesetzgeber muss den Bediensteten der Geldgeschäfte Mittel in die Hand geben, mit denen sie Personenidentifizierungen durchführen können, und darf das alles nicht offen lassen und sagen: Macht, was ihr wollt!

Diesen Aspekt wollte ich einbringen und damit darauf hinweisen, dass gerade dieser Passus, die­se Ausnahme bedenklich erscheint und dass damit eigentlich wieder Tür und Tor geöffnet werden.

Ich möchte noch einen Satz vom 3. Oktober 2001 aus dem „WirtschaftsBlatt“ zitieren, aus einem Bericht im Gefolge des schlimmen Anschlags auf das World Trade Center, der lautet – ich zitiere –:

Es sei festgestellt worden, dass das Geld, rund 500 000 Dollar, zwischen mehreren Personen arabischer Herkunft aufgeteilt worden ist. – Zitatende.

Ich bitte, dieses Zitat beziehungsweise diesen Bericht im Hinblick darauf zu sehen, was in die­ser Regierungsvorlage nach meinem Dafürhalten nicht vollständig geregelt ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Ikrath. – Bitte.

21.14


Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Meine zweite Rede, jetzt ganz kurz und präg­nant. Ich möchte gerne auf zwei Punkte eingehen.

Punkt eins ist heute schon mehrfach angeführt worden. Im Fall der Identifizierung des Kunden galt es eine Abwägung zu treffen zwischen einer nicht dramatischen Mehrbelastung des Kun­den, der einen amtlichen Lichtbildausweis dabei zu haben hat – ich verweise darauf, dass auch ein Führerschein schon genügt –, und einer Mehrbelastung der Bank, deren Administra­tions­auf­wand sich erhöht und damit die Kosten, die dann auch wieder den Kunden belasten, und dem


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12. Sitzung / Seite 183

Vertrauen in den österreichischen Finanzplatz, das durch eine glasklare Regelung gestärkt und weiter verbessert wird. Wir haben uns im Ausschuss darauf geeinigt, dass das höherwertige In­teresse das zweite ist und daher die etwas strenger als in der derzeitigen EU-Richtlinie gehalte­ne Identifikationsbestimmung in Kauf genommen wird.

Zweitens – auch das war Thema im Ausschuss – hat es, wie es ab und zu die Tendenz von Mi­nisterialentwürfen ist, ursprünglich eine Regelung gegeben, die uns wieder einmal päpstlicher als der Papst hätte sein lassen oder eine Art von Musterschülerrolle in vorauseilendem Gehor­sam hätte einneh­men lassen. Es bezog sich auf den Zahlungsverkehr, also etwas, was jeden betrifft, weil je­der Geld bewegt. Im Entwurf hat es noch eine völlig überbordende Regelung gegeben, was derjenige, der Geld überwiesen hätte, beziehungsweise die Bank, wo das geschehen wäre, an Kundendaten hätte aufnehmen und bereitstellen sollen. Das hätte massive Konsequenzen für die EDV-Systeme und damit für die Kosten gehabt, die sich dann ja letztlich im Preis für den Kun­den wiederfinden. Noch dazu steht für kommendes Jahr eine EU-Richtlinie bevor, die das regelt.

Meinung im Ausschuss war, dass wir zuwarten sollen, bis diese EU-Richtlinie nächstes Jahr eine wirklich stabile Regelungsgrundlage auch für den nationalen Gesetzgeber, also für uns, bil­det. In diesem Zusammenhang verweise ich darauf, dass im Abänderungsantrag, der jetzt auf Kri­­tik der SPÖ gestoßen ist, in Ziffer 2 genau diese Regelung beinhaltet ist, die, so meine ich, nicht nur sehr positiv und sehr klug ist, sondern auch von allen mitzutragen sein sollte. – Danke. (Bei­fall bei der ÖVP.)

21.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Hoscher. – Bitte.

21.17


Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­mi­nis­ter! Meine Damen und Herren! Einige kurze Bemerkungen zu einer Novelle beziehungs­wei­se einer Teilumsetzung einer EU-Richtlinie, zu der es sehr viel zu sagen gäbe. Es wurde schon erwähnt – auch ich bin dafür –, dass es nicht darum geht, bei der Umsetzung immer Vor­zugs­schüler zu sein. Es ist allerdings so, dass Österreich und Geldwäsche immer ein sehr sen­sibles The­ma war, dass aus dem Ausland immer sehr viele Angriffe erfolgt sind, zum Teil deut­lich unter der Gürtellinie. Ich darf nur daran erinnern, dass etwa der Vizepräsident der Anti-Mafia-Kom­mission des italienischen Parlamentes, Maurizio Calvi, dereinst sogar meinte, Österreich sei das „Zentrum“ der internationalen Geldwäscherei. – Das war sicherlich ein Angriff deutlich un­ter der Gürtellinie.

Es wurde bereits mehrfach der 11. September erwähnt; darauf möchte ich auch noch kurz ein­gehen. Auch in der Begründung für diese Novellen wird der 11. September angeführt. Diese schreckli­chen Ereignisse in New York beziehungsweise die Finanzierung dieser Ereignisse wären jedoch auch mit dieser Geldwäsche-Richtlinie nicht verhinderbar gewesen – selbst dann nicht, wenn sie weltweit angewendet werden würde, denn nach derzeitigem Wissensstand ist die Finanzierung aus originär sauberen Quellen erfolgt und nicht aus vorher gewaschenem Geld. Auch daran kann man wieder sehen, dass die Geldwäsche-Richtlinie nicht als Allheilmittel in der Terrorismusbekämpfung und in der Bekämpfung sonstiger krimineller Aktivitäten gesehen werden darf.

Nicht nur rechtlich, vor allem nicht nur strafrechtlich, sondern vor allem auch ökonomisch ist die Geld­wäschebekämpfung ein wesentlicher Punkt. Es gibt zwar noch kaum theoretisch-wirt­schafts­wissenschaftliche Literatur dazu, aber genügend empirische Evidenz für das Zusammen­spiel zwischen organisierter Kriminalität, Geldwäsche und Schattenwirtschaft. Ich darf nur daran erin­nern, dass beispielsweise der Internationale Währungsfonds der Meinung ist, dass Geld­wäsche in der Lage ist, kontraintuitive Kapitalbewegungen zu induzieren, damit auch Wechsel­kurse und Zinse zu beeinflussen und damit auch die Stabilität von Finanzmärkten, sodass auch dieses wesentliche Thema zu berücksichtigen ist. In Wien findet gerade eine Konferenz zum


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12. Sitzung / Seite 184

Thema Geldwäschebekämpfung statt, auf der heute auch festgestellt wurde, dass Geldwäsche inzwischen in der Lage sei, das gesamte weltweite Finanzsystem zu gefährden.

Bei all dem darf man jedoch nicht vergessen, dass es sich bei der Geldwäschebekämpfung letzt­lich um Symptombekämpfung handelt und dass damit die zugrunde liegenden Probleme nicht therapiert oder beseitigt werden. Es ist vielmehr ähnlich zu sehen wie das Niederbrennen von Feldern von Kokabauern: Das löst die Suchtgiftproblematik nicht und auch nicht die nach­fol­gende Geldwäscheproblematik. Ähnliche Probleme gibt es im Bereich Menschenhandel und Schlepperei.

Wenn es der internationalen Staatengemeinschaft nicht gelingt, so wie im Bereich der Geld­wäsche zum Beispiel auch im Bereich der Armutsbekämpfung zu internationalen Überein­kom­men zu kommen, um ökonomische Gründe für derartige kriminelle Aktivitäten beiseite zu schaf­fen, wird all das nur Stückwerk bleiben, aber selbstverständlich werden wir diesem Stückwerk hier zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.20



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12. Sitzung / Seite 185

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Marizzi. – Bitte.

21.20


Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Natürlich, Herr Kollege Stummvoll, sind wir nicht grundsätzlich gegen Ihren Abän­de­rungsantrag, aber Sie müssen verstehen, dass wir, wenn Sie jetzt zu einer so schwierigen Ma­­terie einen Abänderungsantrag einbringen – und es wäre wahrscheinlich den ganzen Tag Zeit gewesen, mit uns darüber zu reden –, in dritter Lesung nicht zustimmen können. Warum ha­ben Sie das nicht im Ausschuss eingebracht? Warum haben Sie nicht mit uns geredet? Ich glaube, das wäre sinnvoll gewesen. Sie sagen immer, man muss den Dialog suchen, man muss nach den ausgestreckten Händen suchen, aber Sie haben das anscheinend nicht gemacht und nicht notwendig gehabt. Herr Kollege Matznetter ist den ganzen Tag im Plenum gesessen, und um 9 Uhr am Abend kommen Sie daher und sagen: Versuchen wir doch, diese Gesetzes­änderung zu machen! – Gut.

Wir ändern heute mit diesem Gesetz in Wirklichkeit fünf Gesetze, was auch sinnvoll ist: das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsauf­sichts­gesetz und das Finanzmarktaufsichtsgesetz.

Kollege Hoscher hat schon darauf hingewiesen, dass heute in Wien eine internationale Konfe­renz zum Thema Verhinderung der Geldwäsche stattgefunden hat, und die Kernaussage war – ich möchte das wirklich wiederholen –, dass Geldwäsche weltweit die Finanzsysteme gefährden kann. Dieser internationale Kongress in Wien war sehr wichtig, und ich glaube, es ist auch be­zeich­nend, dass er in Wien stattgefunden hat, weil wir von manchen Ländern so in eine Ecke ge­stellt wurden, als ob Wien eigentlich der Geldwäscheplatz wäre. Wenn man sich jedoch die Zahl der Anzeigen oder Mutmaßungen in Österreich anschaut, sieht man, dass diese im Ver­gleich zu anderen Ländern eigentlich ziemlich gering sind, nämlich 284 Fälle im Jahre 2000 und 248 Fälle im Jahre 2001.

Die Anschläge vom 11. September sind ja nicht mit illegalen Geldern finanziert worden – das ist ja mittlerweile evident –, sondern der Druck nach dem 11. September ist eben stärker gewor­den. Deshalb hat die Gemeinschaft, deshalb hat die Europäische Kommission diese Betrugs­vor­gän­ge im Zusammenhang mit Geldwäsche in die Liste der Straftaten aufgenommen. – Alle anderen Dinge haben meine Kolleginnen und Kollegen beziehungsweise die Vorredner und der Herr Minister schon behandelt.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass dieses Gesetz akzeptiert wird, ich glaube, dass dieses Ge­setz sehr gut für unser Land ist, und daher stimmen wir zumindest bis zur zweiten Lesung zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bitte Platz zu nehmen! – Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 67 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kollegen und Kolleginnen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffe­nen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wur­fes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen haben die Ein­fü­gung einer neuen Ziffer 8a in Artikel I beantragt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Zusatzantrag der Abgeordneten Stumm­voll, Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf einige Ziffern in Artikel I bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist an­genommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das Gesetz ist somit auch in dritter Lesung ange­nom­men.

11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (27 der Beilagen): Bundes­ge­setz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kartellgesetz 1988, das Ver­siche­­rungssteuergesetz 1953, das Versicherungsvertragsgesetz 1958, das Atomhaf­tungs­gesetz 1999, das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz und das Bankwesengesetz ge­ändert werden (VAG-Novelle 2003) (68 der Beilagen)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Maier zu Wort gemeldet. Freiwillige Rede­zeit­beschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

21.26


Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An sich ist die Materie, die hier vorliegt, im Finanzausschuss ausreichend debattiert und auch einstimmig zur Kenntnis genommen worden, wenngleich ein Abände­rungs-


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antrag nur mit den Stimmen der großen Parteien angenommen wurde, aber nicht die Zustim­mung der Grünen gefunden hat.

Aber das ist nicht der Grund, warum ich mich hier zu Wort melde, sondern der Grund, warum ich mich zu Wort melde, ist der, dass in diesem Ausschuss sodann auch eine Debatte zur Pen­sionsvorsorge und zur Pensionsreform stattgefunden hat, und so, wie ich Herrn Klubob­mann Cap kenne – er hat ja gleich drei Redner aufgeboten, nämlich den Herrn Kollegen Moser, den Herrn Kollegen Matznetter und auch den Herrn Kollegen Bauer –, möchte ich, damit ich mir dann die Zwischenrufe erspare, nur kurz diesbezüglich darauf eingehen, weil die Pen­sions­reform aus unserer Sicht – und die heutige Debatte hat das schon gezeigt – eine Garantie der ersten Säule ist und die zweite und dritte Säule quasi Absicherungen für die Zukunft sind.

Herr Kollege Bauer hat in seinem Debattenbeitrag im Ausschuss für das Umlageverfahren ge­sprochen. Der Herr Kollege Moser wird die Verteilungsfrage stellen, und ich gehe davon aus, dass der Herr Kollege Matznetter wieder das Beispiel Pensionisten oder Pensionistin mit einer Durch­schnittspension von 653 € darstellen und da die Verknüpfung suchen wird zu den 110 Millionen €, die die Prämien für das prämienbegünstigte Sparen ausmachen.

Ich möchte Ihnen, um das abzukürzen, eine Studie des Beirats für Wirtschafts- und Sozial­fra­gen aus dem Jahre 1991 zur Kenntnis bringen, wobei diesem Beirat natürlich auch die Vertreter der SPÖ und der Arbeiterkammer angehört haben. Kollege Muhm, der vor kurzem auch sehr vielen Abgeordneten hier im Hause eine Reihe von Briefen geschrieben hat, hat natürlich auch diesem Forum angehört. Dieser Beirat hat sich 1991 für eine Harmonisierung der vorhandenen Pensionssysteme, für eine Aufhebung der verfassungsrechtlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen, für eine Annäherung des effektiven Pensionsalters an das gesetzliche Pensionsalter, gegen eine Erhöhung von Beitragszahlungen ausgesprochen und hat dann bemängelt – das möchte ich Ihnen nun zur Kenntnis bringen; ich zitiere –:

Das österreichische Altersversorgungssystem ist zu einem im internationalen Vergleich außer­ge­wöhnlich hohen Grad auf die öffentliche, durch gesetzlich geregelte Beiträge und Leistungen aufgebaute Altersversorgung konzentriert. Betriebliche und private Altersvorsorgesysteme spie­len eine relativ geringe Rolle und sollten aufgebaut werden. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist genau das, meine Damen und Herren, was diese Regierung macht, das ist das, was der Beirat 1991 aufgezeigt hat.

Ich möchte mir, wie gesagt, diese Zwischenrufe jetzt in der Debatte ersparen, lassen Sie mich nur darauf hinweisen: Ich möchte nicht haben, dass eine Diskussion, wie sie in Deutschland zurzeit stattfindet, auch in Österreich stattfindet. Der Vorsitzende der SPD, Schröder, schlägt sich gerade mit Vorschlägen einer Gruppierung innerhalb der SPD herum, die offensichtlich nicht ganz so die Verantwortungslage hat, wie er es sich gerne wünscht.

Ich lade Sie ein, auch ein wenig Verantwortung zu tragen und nicht irgendwelche polemischen Beiträge, die wahrscheinlich jetzt kommen werden, noch zu verstärken. Herr Klubobmann Cap wird Sie, nehme ich an, aufgefordert haben, das, was er nicht sagen konnte oder was bei der ersten Debatte nicht gesagt werden konnte, vielleicht jetzt noch einzubringen. Ich halte noch einmal fest: In der Beiratsstudie 1991 wurde schon darauf hingewiesen, und den Rest – da braucht man nur nach Deutschland zu schauen –, den sollten wir uns ersparen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Matznetter. – Bitte. (Abg. Mag. Mainoni: Oje, jetzt kommt die reine Heilslehre!)

21.30


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der zweite Punkt wird hoffentlich von überraschenden Abänderungsanträgen ver­schont bleiben (Abg. Mag. Mainoni: Freu dich nicht zu früh!), da wir in diesem Bereich die Zu­stimmung gerne auch in dritter Lesung geben möchten. Dennoch – und das haben wir im Aus­schuss bereits in sehr umfangreicher Form gemacht – ist es auch Gelegenheit, über jene


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Punkte zu sprechen, über jene Richtung zu sprechen, in die unser Pensionssystem durch die Tä­tig­keit von Schwarz-Blau getrieben wird.

Die Pensionen im ASVG werden gekürzt, und um Kollegen Maier jetzt gleich auch die Beträge, diesmal von der Durchschnittspension, zu ersparen – übrigens, die Durchschnitts-ASVG-Pen­sion ist 895 € –: Im Bereich der Kürzungen wurde im Begutachtungsentwurf zur ersten Säule auf Seite 45 vorgerechnet, dass die Kürzungen bei 13,5 Prozent beginnen und bis zu 17 Pro­zent gehen.

Heute haben Sie uns einen Entwurf vorgelegt, dessen Giftzähne angeblich beseitigt sind und dem die FPÖ zustimmen könne, Realität ist nur: Wenn Sie jene Beträge nachrechnen, die wei­terhin gekürzt werden beim Bundeszuschuss, erkennen Sie, dass Sie nach wie vor Kürzungen in Höhe von durchschnittlich 9,5 bis über 11 Prozent haben müssen, denn sonst geht sich das nicht aus. – Das ist die Realität zur vormittägigen Diskussion! Und wir haben hier Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass Sie weiterhin unterwegs sind, in die zweite und vor allem in die dritte Säule Geld aus staatlichen Mitteln zu pumpen.

Wenn Sie fragen, warum wir zustimmen, so sage ich das auch in aller Deutlichkeit: Mit dem Abänderungsantrag zum Versicherungsaufsichtsgesetz wird sichergestellt, dass im Falle des Anbietens der Zukunftsvorsorge im Bereich eines Versicherers klar getrennt wird und nicht wo­möglich Versicherungskunden, die im Vertrauen auf eine allgemeine, ordnungsgemäße und so­lide Veranlagung, so, wie das österreichische Lebensversicherungen über Jahrzehnte ge­macht haben, dann feststellen müssen, dass so etwas vermischt wird mit aktienspekulativen Mo­dellen – fondsgebundenen Veranlagungen –, wodurch dann womöglich die Zeche erhöhter Kos­ten von denen zu tragen ist, die das gar nicht wollten. – Insofern stimmen wir dieser Ab­trennung und auch dem Abänderungsantrag, der darauf abzielt, zu.

Was es nicht heißt, ist, dass wir auch nur eine Sekunde Verständnis dafür haben, dass in einer Zeit, in der Einschnitte in der ersten Säule bei einer Durchschnittspension von 895 €, bei den Frauen – um beim Kollegen Maier zu bleiben – bei einer Durchschnittspension von 653 €, vor­ge­nommen werden, dort staatliche Mittel in der Höhe von durchschnittlich 10 Prozent weg­ge­nommen und dann 9,5 Prozent Prämie für das Aktiensparen gegeben werden. Das ist eine Politik, die man nicht unterstützen kann! – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.33


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Bucher. – Bitte.

21.33


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Novelle zum Versicherungsaufsichtsgesetz geht es um die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge, also jene dritte Säule, die zur Förderung der pri­va­ten Altersvorsorge herangezogen wird. Sie soll mit dieser Gesetzesnovellierung auf sichere Beine gestellt und zur Schaffung eines Deckungsstockes herangezogen werden. Es soll klare Richtlinien zur Deckungsrückstellung und Vorschriften zur Kontrolle der Risikobewertung durch die Finanzmarktaufsichtsbehörde gewährleisten. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde muss auch die Risiken kennen, um die Kapitalanlagerisiken unter Kontrolle zu haben. Darüber hinaus sollen die Versicherungsanstalten zukünftig auch Gutachten einholen, um diese Sicherungs­be­stimmungen zusätzlich abzusichern.

Die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge soll auch im klassischen Lebensversiche­rungs­be­reich zur Anwendung kommen. Und um Ihrer Argumentation, Herr Kollege Matznetter, ein biss­chen Unterstützung zu geben: Es gibt einen Bericht der EU, der klar anmerkt, dass wir hier in Österreich Handlungsbedarf haben. Ich zitiere wörtlich:

Nicht nur für Österreich schlägt daher die Kommission vor, sowohl die betriebliche als auch die private Zukunftsvorsorge zu stärken. – Zitatende.


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12. Sitzung / Seite 188

Es ist also in der europäischen Beobachtung sichergestellt, dass wir hier auch Handlungsbedarf haben.

Niemand geht weg von der ersten Säule, niemand geht weg von der Bedeutsamkeit zur Absi­che­rung der ersten Säule, so, wie das heute auch hinsichtlich des Pensionsentwurfes den gan­zen Tag über schon diskutiert wurde.

Wir wollen und brauchen eine Absicherung der ersten Säule der Pension für die Bevölkerung in unserem Land. Die private Vorsorge ist jedoch auch eine Frage der Prioritätensetzung. Waren es im Bereich der Lebensversicherungen und der Pensionsvorsorge im Jahre 1993 schon 44 Prozent aller Haushalte, die zumindest einen Vertrag abgeschlossen hatten, so sind es im Jahre 2001 beinahe 50 Prozent der Haushalte, die zumindest einen Lebensversiche­rungs­vertrag zur Zukunftsvorsorge abgeschlossen haben.

Herr Kollege Matznetter! Es gibt, wie das auch heute in den Medien zu lesen war, keinen Voll­kaskoschutz für die Zukunft der Pensionen (Abg. Mag. Kogler: Das ist so ein Holler, was Sie da sagen!), aber diese Pensionsversicherungsmaßnahmen sind eine echte und wirkungsvolle Start­hilfe, damit Pensionsversicherungen auch zukünftig noch attraktiv bleiben, und sie sollen auch an dieses Ziel herangeführt werden.

Die Mitarbeitervorsorge als zweite Säule für die Pensionskassensysteme ergänzt diese Pyra­mi­de der staatlichen, privaten und betrieblichen Vorsorge für die Zukunft, und diese Novelle ist eine sehr sinnvolle Maßnahme dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Kogler. – Bitte.

21.37


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das Thema be­gleitet uns ja nicht nur den heutigen Tag, sondern die ganze Zeit – wir haben es auch im Aus­schuss diskutiert –, aber der Kollege Vorredner hat es wieder geschafft, mich zu provo­zie­ren, sodass ich möglicherweise über meine geplanten eineinhalb Minuten hinaus sprechen werde.

Schauen Sie, Sie haben wieder etwas Fundamentales durcheinander gebracht: Da geht es nicht um Voll- oder Teilkasko im quasi individuell übertragenen System, sondern das Umlage­verfahren ist sozusagen aus sich heraus so definiert: Die Summe, die zur Umverteilung von den Aktiven zu den Nichtaktiven herangezogen wird, wird gleichzeitig übertragen und kommt zur Auszahlung. Dass das an seine Grenzen stoßen kann, ist klar – darüber haben wir heute lange geredet –, deshalb kann nicht alles so bleiben, wie es ist; et cetera.

Aber ich habe bei Ihnen ja wirklich den Verdacht – manchmal glaube ich ja, das ist Ideologie; bei anderen habe ich das Gefühl, es ist Ideologie, Sie haben es vielleicht nur verwechselt –, dass hier mit Absicht diese Sache ramponiert wird, damit den Leuten gar nichts anderes übrig bleibt, als das zu tun, worüber Sie jetzt sagen: Ha, da haben wir jetzt eine Förderung! Hinein! Hinein! – Und sehen Sie, das ist auch Ideologie. Natürlich!

Ich persönlich habe überhaupt nichts gegen private Vorsorge – im Gegenteil: Ich sehe das als ein Gut, für das man sich entscheiden kann, genauso wie sich jene Leute, die es sich leisten können, überlegen, ob sie jetzt auf die Malediven fliegen oder vielleicht „nur“ nach Italien fahren und stattdessen etwas anderes kaufen. So ist es auch mit der Frage: Wie viel konsumiert man jetzt, und wie viel legt man sich selbst auf die Seite? – Super! Bravo, Marktwirtschaft, bravo, in­dividuelle Entscheidung! Wozu soll aber hier der Staat hergehen und das mit absichern? Weil so genannte LeistungsträgerInnen, wie es immer von Ihrer Seite argumentiert wird, im Alter nicht so tief plumpsen sollen? – Die Leistungsträger sollen eben aus sich heraus rechtzeitig vor­sorgen. Das würde ich unter privat verstehen. Bei Ihnen ist bei „privat“ immer noch irgend­einer


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12. Sitzung / Seite 189

dabei, der auch noch etwas dazuzahlt, und dort, wo es wirklich gebraucht wird, darf es nicht sein! Das ist ja ein bisschen das Schräge an Ihrer Argumentation.

Deshalb meine ich, dass privat privat sein soll und dass das institutionell abgesichert werden soll. (Abg. Murauer: Da kann etwas noch so vernünftig sein, Sie werden es trotzdem nicht ver­stehen!) Es ist sehr wohl wichtig, dass die Versicherungsprodukte, die es gibt, auch wirklich tau­gen. Das ist tatsächlich Aufgabe des Staates. Aber wieso das jetzt ständig und mehr bezu­schusst werden soll, ist eine andere Frage.

Gerade Sie von der FPÖ nehmen ja sonst auch nicht immer Anleihe bei EU-Empfehlungen, aber es macht mir auch nichts, wenn die EU meint, es ist im Schnitt irgendwie anders. Ich bin mir auch gar nicht so sicher, ob sie das so heftig empfiehlt, denn immerhin ist es so, dass wir ein tragfähiges Umlageverfahren haben, und an dem sollten Sie nicht in dieser Art und Weise herumdoktern, dass man wirklich meinen könnte, es wird unter der Vorgabe von rettenden In­jektio­nen krank gespritzt. Schauen wir, dass das Umlageverfahren das ist, was ein Umlage­verfahren sein soll, und lassen wir das Private privat – und dann kennen Sie sich vielleicht in Ihrer Ideologie auch wieder besser aus. (Beifall bei den Grünen.)

21.40


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Ich erteile ihm das Wort.

21.40


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte nur zu zwei Eckpunkten dieses Ver­sicherungsaufsichtsgesetzes Stellung nehmen.

Erster Punkt: Wir setzen Solvabilitätsvorschriften, das heißt, wir werden etwas strenger bei den Kapitalvorschriften für Versicherungen. – Ich denke, dass die Eigenmittelausstattung für Versi­che­rungen etwas extrem Wichtiges für uns alle sein sollte, und zwar gerade in Zeiten, in wel­chen wir wissen, dass die Versicherungen beziehungsweise Pensionskassen in anderen Län­dern viel schwerwiegender als in Österreich durch Finanzmarktentwicklungen vor dem Hinter­grund der jetzigen konjunkturellen Situation beeinträchtigt und in Schwierigkeiten sind.

Daher ist es gut, wenn wir hier im Bereich Eigenkapital, Eigenmittelvorschriften das nachzu­ziehen versuchen, was es im Bankenbereich in Österreich schon seit langem gibt.

Zweiter Punkt: Die Zukunftsvorsorge ist angesprochen. – Ich glaube, dass es auch in diesem Zu­sam­men­hang wichtig ist, dass wir einen Schritt in die Richtung machen, dass Versiche­run­gen diese Produkte jetzt im herkömmlichen Deckungsstock anbieten können. Das heißt, es wird eine größere Verbreitung dieses Zukunftsvorsorgeproduktes geben.

Und im Gegensatz zu dem, was die Abgeordneten Kogler und Matznetter gesagt haben, sage ich: Ich bin stolz darauf, dass es dieser Bundesregierung und dem Hohen Hause in der Mehr­heit in der vergangenen Legislaturperiode gelungen ist, ein Zukunftsvorsorgeprodukt als dritte Säule in Österreich zu etablieren. Es wird von der Bevölkerung sehr gut angenommen. Ich bin da­für und finde, dass es eine schöne Chance darstellt, wenn wir der österreichischen Bevöl­kerung die Möglichkeit geben, in schwierigen Zeiten ihr Geld bis zu einem Betrag von etwa 1 800 € mit einer Rendite von mehr als 9 Prozent anlegen zu können. Das ist ein gutes Produkt, das Sicherheit auch für die eigene Vorsorge geben wird! (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.)

Ich glaube, es ist sehr klar, dass wir für ein Drei-Säulen-Produkt und ein Drei-Säulen-Modell im Rah­men der Pensionsvorsorge eintreten sollten. Und ich sage sehr klar: Das soll nicht zu Las­ten der ersten Säule geschehen, um die zweite und dritte zu begünstigen, sondern uns geht es sehr klar um ein Sowohl-als-Auch. (Zwischenruf des Abg. Eder.) Wir haben den Mut, das zu tun, was seit vielen Jahren notwendig ist, nämlich eine sichere und verlässliche erste Säule über eine grundlegende Reform zustande zu bringen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eder.)


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Wir haben gemeinsam mit den Sozialpartnern in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Mit­arbeitervorsorgegesetz den ersten wesentlichen Schritt in Richtung einer gemeinsamen zwei­ten Säule getan. Und wir haben in der vergangenen Legislaturperiode auch den wichtigen ersten Schritt in Richtung einer wirksamen dritten Säule getan, und zwar alles in dem Interesse, dass wir der österreichischen Bevölkerung einen möglichst hohen Lebensstandard auch im Alter und in der Pension sichern können.

Das ist der richtige Weg, das ist der international von allen Ländern eingeschlagene Weg. – Sie wären gut beraten, wenn Sie uns auf diesem Weg unterstützten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.43



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12. Sitzung / Seite 191

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Bauer. – Bitte.

21.44


Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zuerst ein­mal: Herr Bundesminister, wir meinen – und wir unterstützen das auch –, dass die Solvabili­täts­süberlegungen, um zusätzlich zu den Rückstellungen auch Reserven aufzubauen, richtig sind. Daher werden diese, wie auch das gesamte Gesetz, von uns unterstützt.

Ich glaube allerdings, dass Sie als Finanzminister wissen müssen, dass die so genannte Ren­dite von 9,5 Prozent, die Sie angesprochen haben, eigentlich eine Prämie und keine Rendite ist. (Abg. Eder: Das ist aber Wurscht!) Ich würde das zumindest als eine wichtige Korrektur an­sehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Normalerweise redet man von Renditen, wenn man sie erwirtschaftet hat, und nicht, wenn man sie sozu­sagen als Geschenk – Förderung – bekommt. Das fällt normalerweise nicht unter Renditen, um Ihnen da einmal den Unterschied zu erklären.

Zum Zweiten: Kollege Maier hat gesagt, dass jetzt das Ganze von der Pensionsdiskussion fort­ge­setzt wird. Tatsache ist, dass die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Volkswirtschaften schwie­rig ist, weil zum Beispiel Holland und auch Großbritannien eine sehr, sehr breit ausge­legte und aufgebaute zweite und dritte Säule haben. – Ich sage dazu: Wir müssen ja nicht das übernehmen, was durch ein anderes System besser abgedeckt ist. Wir haben halt in Österreich den Weg des Umlageverfahrens gewählt, und in Anbetracht dessen meine ich, dass dieser Be­darf nicht gegeben ist.

Es ist auch richtig, dass die privaten Versicherer im Laufe der Zeit jene Versicherungsteile und Ge­schäftsfelder verloren haben, die durch öffentliche Sozialversicherungen abgedeckt sind. Das ist noch nichts Schlechtes, denn das wäre genau so, wenn einer sagt: Vergleichen wir unser System mit anderen, zum Beispiel mit dem amerikanischen Gesundheitssystem, und dann kommt man darauf, dass es dort den höchsten Aufwand an Gesundheitskosten gibt, nämlich 14,5 Pro­­zent, während wir einen Anteil von 8,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ha­ben. Wir haben allerdings alle Menschen versichert – und in den USA nur einen Teil! Man sollte daher nicht auf Grund internationaler Vergleiche sagen: Machen wir etwas Falsches nach! Das ist doch der völlig falsche Vorgang! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher meine ich, dass wir einfach erkennen müssen, dass hier ein System durchlöchert werden soll, das sich bewährt hat, und ein anderes System allmählich begünstigt und aus Steuer­gel­dern sogar unterstützt werden soll.

Wir stimmen der Vorlage dennoch zu, und zwar nicht, weil wir damit einverstanden sind, dass die Zwei­te- und Dritte-Säulen-Diskussion so weitergeführt wird, denn es handelt sich hiebei ohnedies nur um Staberln, wie andere gesagt haben, von Säulen ist sowieso noch lange keine Rede. Wir meinen aber, dass der Schutz der Versicherungsnehmer im Vordergrund steht, und in diesem Sinne stimmen wir dieser Gesetzesvorlage im Interesse der Versicherungsnehmer zu. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Moser. – Bitte.

21.47


Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Als voraussichtlich letzter Redner des heutigen Plenartages kann ich sagen: Wir sind jetzt wieder zu dem Thema zurückgekehrt, mit dem wir uns haupt­säch­lich beschäftigt haben, und zwar zur Zukunftsvorsorge beziehungsweise Alterssicherung.

Herr Bundesminister, ich muss Ihnen in Ihrer Analyse auch widersprechen: Abgesehen von der Unterscheidung zwischen Rendite und Prämie ist es auch so, dass diese dritte Säule wesentlich von der Entwicklung der Börse abhängt. – Das haben wir auch schon gesagt.

Dass die gewählte Form in Österreich suboptimal ist, ergibt sich auch daraus, dass nur mehr Österreich einen Kapitalisierungsgrad unter 30 Prozent hat und daher nur mehr dort angelegt werden darf. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt – und das ist eigentlich das Wesentliche, was ich heute sagen möchte – ist, dass diese Form der Wirtschaftspolitik, die von der Regierung gemacht wird, sehr eigenartig ist. Heu­te haben wir festgestellt, dass im Schlepptau einer Pensionssicherungsdebatte plötzlich Ab­fangjägerkauf- und -finanzierung mit beschlossen wird.

Und es gibt – wiederum im Schlepptau zu dieser zu beschließenden Gesetzesanpassung – die Ver­sicherung der dritten Säule. Auch das ist ein versteckter Bereich, und man könnte diese Beispiele unendlich lang fortsetzen.

Wenn man dann noch internationale Vergleiche zieht, dann muss ich auch hier vorweg sagen, dass es in den Budgetbegleitgesetzen auch bereits wieder zu einer Anpassung des Pensions­kas­sen­gesetzes kommen muss, weil auch dort die Kapitalmarktrentabilität nicht ausreicht, um die Ansprüche, die inzwischen entstanden sind, entsprechend zu finanzieren.

Ein letzter Punkt, den ich hier noch anbringen möchte, ist, dass es mir besondere Sorge macht, dass es in Österreich durch diese Bundesregierung keine geschlossene Wirtschaftspolitik gibt. Es werden willkürlich Einzelmaßnahmen gesetzt, die nicht aufeinander abgestimmt sind, im Hin­blick auf welche man dann wieder sehr rasch entsprechende Einzelanpassungen und Korrek­turen wird vornehmen müssen, um überhaupt eine entsprechende Wirkung zu erzielen.

Wenn das in Österreich mit dieser Wirtschaftspolitik so weitergeht, dann mache ich mir wirklich große Sorgen! Ich möchte schließen mit einem Satz, der mit den Worten beginnt: Beginnt euch zu sorgen! Details folgen. Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

21.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Damen und Herren Abgeordneten Platz zu nehmen, denn wir gelangen zur Ab­stim­mung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 68 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig an­ge­nommen.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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Stenographisches Protokoll
12. Sitzung / Seite 192

Einlauf


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 97/A bis 114/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 331/J bis 358/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuwei­sungen betrifft, berufe ich für 21.51 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.50 Uhr

 

 

 

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