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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

957. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 13. Juli 2023

 

 

 

 

Bundesratssaal


 

 

Stenographisches Protokoll

957. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 13. Juli 2023

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 13. Juli 2023: 9.02 – 18.25 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerb­steuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Alkoholsteuergesetz 2022, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Erdgasabgabegesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundes­finanzgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusammen­arbeits­gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz und das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2023 – AbgÄG 2023)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 2

hinsichtlich der Meldung von Zahlungsdaten durch Zahlungsdienstleister geändert werden (CESOP-Umsetzungsgesetz 2023)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Wagniskapitalfonds erlassen (Wagniskapitalfondsgesetz – WKFG) und das Finanzmarkt­aufsichts­behördengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundesverwal­tungsgerichtsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2023 – ZVN 2023)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen (Virtuelle Gesellschafterver­sammlungen-Gesetz – VirtGesG) erlassen wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Gesellschaftsrechtlichen Mobilitäts-Richtlinie 2019/2121 ein Bundesgesetz über grenzüberschreitende Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union (EU-Umgründungsgesetz – EU-UmgrG) erlassen wird und das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Übernahmegesetz, das Aktiengesetz, das Umwand­lungsgesetz, das Bankwesengesetz sowie das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechtliches Mobilitätsgesetz – GesMobG)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 3

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korrup­tionsbekämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (Korruptions­strafrechtsänderungsgesetz 2023 – KorrStrÄG 2023)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Genehmigungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrens­gesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsgerichts­verfah­rensgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungs­gerichts­hofgesetz 1953 geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Erdölbevorratungsgesetz 2012 (EBG 2012) geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisa­tions­gesetz 2010 (EIWOG 2010) geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (34. StVO-Novelle), das Führerscheingesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz über die Übertragung des Teilbetriebes Infrastruktur der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH an die ÖBB-Infrastruktur AG (GKB-Infrastruktur-Übertragungsgesetz)

18. Punkt: Wahl von Mitgliedern und eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 4

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Ergänzung der Tagesordnung ..................................................................................     97

19. Punkt: Antrag der Bundesrät:innen Mag.a Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Kindern Perspektiven geben – unbeschwert, chancenreich und demokratisch erwachsen werden“ (393/A-BR/2023)

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache der Präsidentin Mag.a Claudia Arpa .......................................     16

Erklärung des Landeshauptmanns von Kärnten Dr. Peter Kaiser gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen“ – Bekanntgabe .......................................................................................     22

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ........     23

Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser .......................................................................     23

Debatte:

Dr. Manfred Mertel ..................................................................................................     32

Sandra Lassnig .........................................................................................................     36

Mag. Isabella Theuermann .........................................................................  39, 55

Simone Jagl ...............................................................................................................     43

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     47

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................     50

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Peter Kaiser ..................................................     51


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 5

Antrag der Bundesrät:innen Mag.a Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GO-BR, den Antrag der Bundesrät:innen Mag.a Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Kindern Perspektiven geben – unbe­schwert, chancenreich und demokratisch erwachsen werden“ (393/A-BR/2023) ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ..................................................................................  96, 96

Ersuchen des Bundesrates Christoph Steiner um Einhaltung der Bestimmungen der Geschäftsordnung bei tatsächlichen Berichtigungen ......  114

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     16

Aktuelle Stunde (108.)

Thema: „Aktuelle Chancen und Potenziale in der Digitalisierung für Bund und Länder“ .............................................................................................................     56

Redner:innen:

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ...........................................................................     57

Stefan Schennach ....................................................................................................     60

Michael Bernard .......................................................................................................     64

Marco Schreuder ......................................................................................................     70

Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc .................................................  76, 92

Mag. Christian Buchmann .......................................................................................     81

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................     84

Günter Pröller ...........................................................................................................     87

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     90


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 6

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................     95

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     96

Ausschüsse

Zuweisungen ...........................................................................................................     94

18. Punkt: Wahl von Mitgliedern und eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 .......................................  282

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Alkoholsteuer­gesetz 2022, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Erdgasabgabegesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, die Bundesabgaben­ord­nung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungs­ge­setz 2023 – AbgÄG 2023) (2086 d.B. und 2138 d.B. sowie 11270/BR d.B.) ......................................................................................................     97

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .........................................     99


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 7

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz hinsichtlich der Meldung von Zahlungsdaten durch Zahlungsdienstleister geändert werden (CESOP-Umsetzungsgesetz 2023) (2090 d.B. und 2139 d.B. sowie 11271/BR d.B.) ..........................................................................     97

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .........................................     99

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wird (2091 d.B. und 2140 d.B. sowie 11272/BR d.B.) ......................     97

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .........................................     99

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  100

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................  103

Korinna Schumann ..................................................................................................  106

Mag. Harald Himmer (tatsächliche Berichtigung) ................................................  112

Markus Steinmaurer ................................................................................................  114

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  117

Dr. Karlheinz Kornhäusl ..........................................................................................  119

Horst Schachner .......................................................................................................  122

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  123

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  124

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  124

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  124


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 8

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Wagniskapitalfonds erlassen (Wagniskapitalfondsgesetz – WKFG) und das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (2096 d.B. und 2141 d.B. sowie 11273/BR d.B.) ................  125

Berichterstatter: Silvester Gfrerer .........................................................................  125

Redner:innen:

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  125

Christoph Stillebacher .............................................................................................  129

Günter Pröller ...........................................................................................................  131

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  133

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  134

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (2095 d.B. und 2143 d.B. sowie 11274/BR d.B.) ...............................................  135

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................  135

Redner:innen:

Christoph Stillebacher .............................................................................................  135

Christian Fischer ......................................................................................................  137

Günter Pröller ...........................................................................................................  139

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  140

Sandra Lassnig .........................................................................................................  141

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  143

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 9

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundes­verwaltungsgerichtsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2023 – ZVN 2023) (2093 d.B. und 2155 d.B. sowie 11288/BR d.B.) ...........................  143

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................  143

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen (Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz – VirtGesG) erlassen wird (2094 d.B. und 2156 d.B. sowie 11289/BR d.B.) .......................................................................................................  143

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................  143

Redner:innen:

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................  144, 158

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  149

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  152

Sandra Lassnig .........................................................................................................  154

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  156

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringende Reform des Insolvenz­rechts“ – Ablehnung .............................................................................  147, 159

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  159

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  159


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 10

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Gesellschaftsrechtlichen Mobilitäts-Richtlinie 2019/2121 ein Bundesgesetz über grenzüber­schrei­tende Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union (EU-Umgründungsgesetz – EU-UmgrG) erlassen wird und das Firmen­buchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Übernahmegesetz, das Aktienge­setz, das Umwandlungsgesetz, das Bankwesengesetz sowie das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechtliches Mobilitätsgesetz – GesMobG) (2028 d.B. und 2157 d.B. sowie 11290/BR d.B.) .......................................................................................................  160

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................  161

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geändert werden (2088 d.B. und 2159 d.B. sowie 11291/BR d.B.) ..................................................................  160

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................  161

Redner:innen:

Mag. Sandra Gerdenitsch ........................................................................................  162

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  165

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................  167

Marlies Doppler ........................................................................................................  171

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  172

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  172


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 11

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korruptions­bekämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (Korrup­tionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023 – KorrStrÄG 2023) (2098 d.B. und 2158 d.B. sowie 11292/BR d.B.) ..........................................................................  173

Berichterstatterin: Sandra Lassnig ........................................................................  173

Redner:innen:

Dr. Manfred Mertel ..................................................................................................  174

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  175

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  178

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................  182

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  185

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  187

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................  191

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  192

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert wird (3474/A und 2160 d.B. sowie 11293/BR d.B.) ..................................................  193

Berichterstatterin: Sandra Lassnig ........................................................................  193

Redner:innen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................  193

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  198

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  200

Klara Neurauter .......................................................................................................  207

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  209


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 12

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  211

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Genehmigungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens geändert wird (3406/A und 2162 d.B. sowie 11294/BR d.B.) .......................................................................................................  212

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  212

Redner:innen:

Markus Leinfellner ...................................................................................................  213

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  213

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................  215

Elisabeth Grimling ....................................................................................................  218

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .......................................................  219

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrens­gesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsgerichts­ver­fahrens­gesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert werden (2081 d.B. und 2108 d.B. sowie 11278/BR d.B.) ..........................................................................  220

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................  221

Redner:innen:

Markus Stotter, BA ..................................................................................................  221

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................  223


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 13

Günter Pröller ...........................................................................................................  223

Marco Schreuder ......................................................................................................  225

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  226

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdölbevorratungsgesetz 2012 (EBG 2012) geändert wird (3464/A und 2128 d.B. sowie 11284/BR d.B.) .........................  227

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  227

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­gesetz 2010 (EIWOG 2010) geändert wird (3425/A und 2129 d.B. sowie 11285/BR d.B.) .......................................................................................................  227

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  227

Redner:innen:

Ing. Isabella Kaltenegger .........................................................................................  228

Daniel Schmid ..........................................................................................................  230

Michael Bernard .......................................................................................................  231

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  234

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  235

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  237

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................  237


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 14

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (34. StVO-Novelle), das Führerscheingesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2092 d.B. und 2166 d.B. sowie 11279/BR d.B.) .................................  239

Berichterstatter: Silvester Gfrerer .........................................................................  239

Redner:innen:

Michael Bernard .....................................................................................  239, 256

Simone Jagl ...............................................................................................................  244

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  247

Bernhard Hirczy .......................................................................................................  249

Horst Schachner .....................................................................................  251, 256

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  252

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  258

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung des Teilbetriebes Infrastruktur der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH an die ÖBB-Infrastruktur AG (GKB-Infrastruktur-Übertragungsgesetz) (2097 d.B. und 2167 d.B. sowie 11280/BR d.B.) .......................................................................................................  258

Berichterstatter: Bernhard Hirczy .........................................................................  259

Redner:innen:

Horst Schachner .....................................................................................  259, 278

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  262

Markus Leinfellner ...................................................................................................  264

Ernest Schwindsackl ................................................................................................  270

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  274

Korinna Schumann ..................................................................................................  279

Christoph Steiner .....................................................................................................  279


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 15

Dr. Karlheinz Kornhäusl ..........................................................................................  280

Marco Schreuder ......................................................................................................  281

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der Arbeitnehmer:in­nenrechte für die verbleibenden Mitarbeiter:innen der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH (Absatzgesellschaft)“ – Ablehnung ...  262, 282

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  282

19. Punkt: Antrag der Bundesrät:innen Mag.a Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Kindern Perspektiven geben – unbeschwert, chancenreich und demokratisch erwachsen werden“ (393/A-BR/2023) .......  283

Annahme des Antrages 393/A-BR/2023 ............................................................  284

Eingebracht wurde

Antrag der Bundesrät:innen

Mag.a Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Kindern Perspektiven geben – unbeschwert, chancenreich und demokratisch erwachsen werden“ (393/A-BR/2023)

 

 


 


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09.02.28Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag.a Claudia Arpa, Vizepräsidentin Margit Göll, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA.

09.02.31*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Einen wunderschönen guten Morgen! Ich eröffne die 957. Sitzung des Bundesrates.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bunderates Günter Kovacs, Barbara Prügl und Andrea Michaela Schartel.

09.02.42 Antrittsansprache der Präsidentin


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Da heute ja ein besonderer Tag ist, starte ich gleich einmal mit meiner Antrittsrede.

Hohes Haus! Geschätzte Kolleg:innen aus dem Bundesrat! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Voller Freude und Respekt stehe ich heute vor Ihnen, um als Vertreterin Kärntens im österreichischen Parlament, dem Herzstück unserer Demokratie und einem Ort der Begegnungen, als Präsidentin des österreichischen Bundesrates hier die Verantwortung zu übernehmen.

Ich bedanke mich sehr bei Landeshauptmann Peter Kaiser und dem Kärntner Landtag für das in mich und meine Kärntner Kolleginnen und Kollegen gesetzte Vertrauen – vielen Dank dafür.

Ich danke auch dem vorigen Präsidenten aus dem Burgenland, Günter Kovacs, für seine wertschätzende Präsidentschaft. Ein besonderer Dank – und das gestatten Sie mir heute – gilt auch meiner Familie, die mich nämlich immer gut unterstützt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Steiner.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundesrat wird erstmals in seinem Bestehen von drei Frauen geführt. Es ist mir gemeinsam mit meinen beiden Vize­präsidentinnen Margit Göll und Doris Hahn wichtig, dieses Zeichen in Richtung Gleichberechtigung zu setzen, und wir freuen uns sehr darüber. – Bitte (Heiterkeit der Rednerin), man kann auch applaudieren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.Mit diesem Präsidium wollen wir Vorbild sein. Wir wollen Mut machen, damit viele Mädchen den Wunsch haben, sich politisch zu engagieren.

Gestatten Sie mir einen Blick in die Geschichte: Bereits 1927, also vor 96 Jahren, stand mit Olga Rudel-Zeynek erstmals eine Frau an der Spitze dieses Bundesrates, und sie war überhaupt die erste Parlamentspräsidentin weltweit. Dass wir uns über so ein erstmals vollständig mit Frauen besetztes Präsidium freuen, zeigt uns aber auch, dass die Gleichstellung von Frauen noch immer nicht selbstverständlich ist und es noch viel zu tun gibt.

Nicht nur als neue Präsidentin des österreichischen Bundesrates, sondern auch als Mutter von drei Töchtern wünsche ich mir, dass Mädchen und junge Frauen in einem Umfeld aufwachsen können, in dem es eine Selbstverständ­lichkeit ist, dass sie ihre Talente leben und jenen Weg gehen können, der für sie der richtige ist.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist ja erfreulich, dass heute junge Menschen in Österreich aus allen sozialen Schichten Chancen, Möglichkeiten und Perspektiven für ihre Zukunft finden, aber es ist auch Fakt, dass einige mehr profitieren als andere und manche junge Menschen hoffnungsvoller in die Zukunft blicken können. Das führt uns vor Augen, dass Chancengleichheit noch lange nicht erreicht ist.

Ich möchte dazu meine eigene Geschichte erzählen, denn nur durch diesen freien Zugang zu Bildung wurde der Startschuss dafür gelegt, dass ich heute als Bundesratspräsidentin vor Ihnen stehe. Ich selbst komme aus einer kleinen Landgemeinde und erinnere mich daran, dass eine höhere Schulbildung die


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Ausnahme war und ein ausgefallener Berufswunsch für viele von uns etwas Unerreichbares darstellte.

Dass bessere und vielfältigere Schulbildung möglich wurde, verdanken wir all jenen Politikerinnen und Politikern, die in den 1970er-Jahren mit Weitblick gehandelt haben. Sie waren es, die den Zugang zu Bildung und zur Universität ermöglichten und so auch mir, unabhängig von der Herkunft und von der Bildung meiner Eltern, neue Perspektiven gaben. Sie stellten sich den großen Herausforderungen ihrer Zeit und begannen so, unser Land zu einem gerechteren Ort für zukünftige Generationen zu machen – ein Weg, der noch nicht zu Ende ist, ein Weg, auf dem wir in den letzten Jahrzehnten vielleicht auch das eine oder andere Mal falsch abgebogen oder teilweise auch ein Stück zurückgegangen sind.

Klimawandel, hohe Inflation, Energiekrise: Mit diesen Themen ist unsere Gesellschaft aktuell konfrontiert, und das sind auch die Themen, mit denen wir Politikerinnen und Politiker uns auseinandersetzen müssen. Wir tragen die Verantwortung, uns diesen Herausforderungen zu stellen. Es ist unbestritten, dass Krisen eine erhebliche Belastung für unsere Gemeinschaft darstellen. Sie bedrohen die Stabilität, die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen. In solchen Zeiten ist es daher von entscheidender Bedeutung, effektive Lösungen zu entwickeln, damit die Auswirkungen für die Menschen minimiert werden, denn wir wissen: Am schwersten treffen diese Verwerfungen durch äußere Umstände Familien mit Kindern, Alleinerziehende – oftmals Frauen –, Pensionistinnen und Pensionisten sowie Beschäftigte in schlecht bezahlten Berufen. Ihnen fehlen die Mittel und Möglichkeiten, sich aus diesem Negativkreislauf, der durch die Teuerung in Gang gesetzt worden ist, zu befreien. Sie sind es, die nun wieder bei der Bildung und bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sparen müssen und deren Perspektiven und Möglichkeiten damit weniger und auch kleiner werden.

Die Erfahrung von Armut prägt Kinder ihr ganzes Leben lang. Arm zu sein bedeutet, gerade noch die wichtigsten Grundbedürfnisse ausreichend zu decken,


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was aber nicht mehr möglich ist, ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Eltern können so ihren Kindern keine Ferienbetreuung oder einen schönen Sommer ermöglichen. Sie würden ihren Kindern oft gerne gesündere Lebens­mittel kaufen, aber diese sind oft zu teuer, und Nachhilfe, wenn es in der Schule gerade nicht so gut läuft, wird unleistbar und die Bildungskarriere dadurch wesentlich schwieriger. Der Besuch im Freibad, das Anschauen eines Films im Kino oder das Taschengeld, um am Wochenende mit Freund:innen auszugehen, fehlen.

Armut versteckt sich in den eigenen vier Wänden. Kinder, die kostenpflichtige Schulveranstaltungen besuchen sollen und deren Eltern sich das nicht leisten können, werden oft krankgemeldet. Wir kennen die Zahlen: In Österreich waren im Jahr 2022 353 000 Kinder armuts- und ausgrenzungsgefährdet.

Die so erlebten Ungleichheiten prägen unsere Kinder. Sie setzen sich in der Bildung und im Gesundheitswesen sowie später vielfach auch in der Arbeitswelt fort. Armut wird in Österreich vererbt und das dürfen wir nicht zulassen – im Sinne all jener Kinder, für die und mit denen wir das Heute und das Morgen gestalten. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Geschätzte Damen und Herren, nur gemeinsam und im Konsens können wir den Krisen und Herausforderungen unserer Zeit entgegentreten. Für meine Präsidentschaft habe ich deshalb das Thema „Kindern Perspektiven geben“ gewählt, denn mir ist es wichtig, dass wir auch heute wieder junge Menschen mitnehmen und mit ihnen und für sie unser Land gemeinsam noch chancenreicher und lebenswerter machen.

Gerade Kärnten zeigt vor, wie es geht, für Familien ein attraktives Bundesland zu sein und die Familien zu entlasten. Mit dem von Landeshauptmann Peter Kaiser initiierten neuen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, mit dem unter anderem der Zugang zu Kindertagesstätten und Kindergärten gratis wird, wurde nicht nur die größte Reform im Bereich der Elementarpädagogik seit 1945


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eingeleitet, sondern ein vorzeigbares Modell entwickelt, das jungen Familien eine Hilfestellung ist und mit dem sich das Bundesland als kinder- und familienfreundliches Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsland positioniert.

Der Gratiszugang zu Kindertagesstätten und Kindergärten ist ein wichtiger Meilenstein für die Bildung von Kindern, und zwar in der Stadt und am Land. Dieses Beispiel möchte ich auch über die Kärntner Grenzen hinaustragen und gleichzeitig Impulse und Anregungen aus anderen österreichischen und europäischen Regionen einfließen lassen. Wir möchten so gesehen für die Zukunftsperspektiven unserer Jugend Vorbild, Botschafter und Wegbereiter sein.

Sorgen wir gemeinsam dafür, dass das Leben der Familien in Österreich so gestaltet wird, dass alle Kinder und Jugendlichen ohne Sorgen und mit den gleichen Chancen aufwachsen können! Jede Zuwendung, die wir in unsere Jugend investieren, macht sich später um ein Vielfaches bezahlt. Es ist belegt, dass jeder Euro, der in die frühe Bildung investiert wird, achtfach wieder in der Wirtschaft ankommt. Oder wie es John F. Kennedy gesagt hat: Es gibt nur eins, was auf lange Sicht teurer ist als die Investition in Bildung und Kinder, nämlich keine Investition in Bildung. – Zitatende. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Armutserlebnisse in der Kindheit führen auch zu mangelndem Vertrauen in unsere Gesellschaft und in unsere Demokratie. Benachteiligung und Ausgren­zung bedeuten ja auch weniger Teilnahme an demokratischen Prozessen in unserem Land. Es bedeutet, nicht teilzunehmen, nicht mitzureden und auch nicht zu entscheiden, obwohl man von den Entscheidungen aus demokratischen Prozessen betroffen ist. Das führt in letzter Konsequenz zu Perspektivlosigkeit und einem Gefühl der Machtlosigkeit. Wir dürfen unsere jungen Menschen in Österreich nicht an die Armut verlieren, sondern wir müssen sie für die Demokratie begeistern.


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Aus gutem Grund wurde das Wahlrecht in Österreich auf 16 Jahre gesenkt, denn die Teilhabe junger Menschen an demokratischen Prozessen ist sehr wichtig. Es ist unsere Aufgabe, den Wert dieses Wahlrechtes zu vermitteln, damit auch die nächste Generation in Meinungsfreiheit und -vielfalt friedlich zusammenleben kann – trotz der Unterschiede, die es in der Gesellschaft gibt.

Maßnahmen für die Bildung und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen bringen gut ausgebildete Menschen hervor, die sich engagieren und auch in unsere Gesellschaft einbringen. Unsere Demokratie braucht selbstbewusste Menschen, die Verantwortung übernehmen und sich für ein gutes Miteinander einsetzen.

Auch wir Politikerinnen und Politiker müssen unsere Demokratie immer wieder mit neuem Leben erfüllen. Der Bundesrat – da, wo wir uns jetzt gerade befinden – fungiert ja nicht nur als Europakammer, sondern insbesondere auch als Zukunftskammer. Das zeigen wir mit unserem Kinderrechteausschuss, denn unsere Kinder sind ja unsere Zukunft. Lassen wir diesen oft gebrauchten Slogan nicht zu einer Floskel werden, erweitern wir ihn auch gleich: Kinder sind nicht nur unsere Zukunft, nein, Kinder sind auch unsere Gegenwart! (Allgemeiner Beifall.)

Nehmen wir das als Ansporn, uns zu fragen, was wir für unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder tun können, welche Perspektiven wir unseren Kindern geben können!

Meine Damen und Herren, jede Zeit hat ihre Herausforderungen, und diese werden in unserem Bundesrat manchmal kontrovers diskutiert. Dabei ist mir als Präsidentin aber gerade hier in der Länder-, Europa- und Zukunftskammer wichtig zu sagen: Führen wir die Kontroverse hart, aber getragen von gegenseiti­gem Respekt, im Sinne der Menschen, des Parlaments, aber auch der Demokratie als Ganzem! Ich möchte an dieser Tradition festhalten und das Gemeinsame vor das Trennende stellen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Arlamovsky und Kofler.)


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So heftig im Bundesrat über unterschiedliche Themen diskutiert wird, so oft steht die Notwendigkeit des Bestehens des Bundesrates auch selbst in Diskussion. Dabei bitte ich Sie, eines zu bedenken: Der Bundesrat ist Teil des Zweikammersystems und dieses fußt auf dem Prinzip des Gleichgewichtes. Für ein demokratisches System sind ausgewogene Checks and Balances im politischen Willensbildungsprozess wichtig. Der Bundesrat als zweite Kammer ist damit für mich unerlässlich. Und dass das auch die Menschen in Österreich so wahrnehmen und auch positiv wahrnehmen, liegt ganz entscheidend an uns allen.

Es ist unsere Verantwortung, und daran möchte ich heute besonders erinnern, dass wir diesen Bundesrat einfach positiv darstellen. Ob und wie wir die Herausforderungen unserer Zeit gemeistert haben, wie wir mit ihnen umgegangen sind und ob wir die jungen Menschen mit neuen Perspektiven ausgestattet haben, wird erst in der Zukunft von den heute jüngsten Mitgliedern unserer Gesellschaft, unseren Kindern, beurteilt werden. Nehmen wir gemeinsam diese Herausforderung an, erinnern wir uns an unsere Verfassungs­grundsätze und lassen Sie uns zum Wohle der Republik und zum Wohle der Menschen in diesem Land gemeinsam daran arbeiten!

Ich möchte noch einmal wiederholen: Ich möchte das Gemeinsame vor das Trennende stellen, damit wir positiv in die Zukunft blicken können, damit unsere Kinder eine positive Zukunft haben. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Arlamovsky und Kofler.)

09.17.30Erklärung des Landeshauptmanns von Kärnten zum Thema „Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen“


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich begrüße jetzt den Herrn Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Peter Kaiser, sehr herzlich bei uns im Bundesrat und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3


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der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Gemeinsam Krisen meis­tern und Zukunft schaffen“ abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann von Kärnten abgegebene Erklärung eine Debatte durchzu­führen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Landeshauptmann von Kärnten zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte schön.


9.18.20

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Peter Kaiser: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Geschätztes Präsidium! Werte Mitglieder der österreichischen Länderkammer, des österreichischen Bundesrates, und damit auch werte Vertreterinnen und Vertreter von neun europäischen Regionen! Aller guten Dinge sind drei: An diese Redewendung habe ich gedacht, als ich die Einladung für mein heutiges Statement erhielt. Ich sage und füge hinzu: Ich komme nicht ganz uneigennützig hierher, denn es ist schon auch eine besondere Ehre und Freude, bereits zum dritten Mal hier vor Ihnen zu stehen und Sie, und das ist meine Einladung an Sie, auf eine politische Tour d’Horizon mitzunehmen, die von Europa, von Krisen, gleichzeitig aber auch der Notwendigkeit von Zukunfts­gestaltung, von den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen über den Finanzausgleich, der für vieles, wenn nicht für alles, finanzpolitische Vorausset­zungen zu schaffen hat, bis hin zur Armutsbekämpfung, die die Frau Präsidentin bereits als den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit deklariert hat, und zur Bedeutung – vielleicht sogar auch einer neuen Bedeutung – des Gemeinwohls in unserer Republik in krisengeschüttelten Zeiten gehen soll.

Als ich 2014 das erste Mal die Gelegenheit hatte, den österreichischen Bundes­rat zu adressieren, habe ich darauf verwiesen, wie schwierig es das Bundesland Kärnten nach der Hypo-Krise, nach vielen Jahren unterschiedlicher


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politischer Entwicklung hatte. Ich habe damals zur Bewältigung der schwierigen finanziellen Situation des Bundeslandes Kärnten auch die Solidarität der österreichischen Bundesländer erbeten. Sie war notwendig. Die österreichische Bundesregierung und auch die österreichischen Bundesländer sind Kärnten damals zur Seite gestanden, und ich stehe nicht an, mich heute ein weiteres Mal dafür zu bedanken, dass wir damit gezeigt haben, dass Bundesstaat und Gemeinsamkeit wirklich etwas Besonderes sind. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Als ich im Jahr 2019 die Gelegenheit hatte, Sie alle zu adressieren, hatten wir eine ganz andere Situation. Es war mitten in der Ibizakrise, und was das daraus Folgende und daraus Resultierende ist, das weiß – glaube ich – jede Einzelne und jeder Einzelne von uns ganz besonders.

Heute möchte ich auf die von mir genannten Punkte eingehen. Ich werde das in adäquater Kürze machen, möchte aber darauf hinweisen, dass ich es an und für sich sehr schätze, hier im Bundesrat mehrere politische Ebenen miteinander zu verbinden: die europäische – und damit in Wirklichkeit auch die globale –, die nationale, die regionale, die wir, Sie und ich, repräsentieren, aber unter Miteinbeziehung auch des Lokalen, des Kommunalen.

Davon ausgehend glaube ich, dass wir derzeit in Europa eine sehr interessante Entwicklung erfahren, eine Entwicklung, die zeigt, dass der Wert, die Bedeutung der Regionen steigen. Immerhin repräsentieren wir im Ausschuss der Regionen in Brüssel 270 Regionen – adäquate Vertretungen des Städte- und Gemeinde­bundes –, und was besonders wesentlich und wichtig ist und damit auch die Bedeutung steigert: In diesen 270 Regionen sind knapp ein Viertel solche mit eigener regionaler Gesetzgebung. Das ist eine Bedeutung, die man dann nutzen und erkennen kann, wenn es darum geht, gemeinsame europäische Ziele miteinander zu verbinden und im direkten Kontakt mit der Bevölkerung zu verwirklichen. Ich glaube, dass diese Vertiefung und das Anwachsen der Bedeutung der Regionen innerhalb Europas ein logischer Prozess ist, der in Österreich in der Verfassungsgebung bei Kelsen bereits vor vielen, vielen


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Jahrzehnten erkannt und formuliert wurde und im österreichischen Bundesrat seinen Ausdruck gefunden hat.

Geschätzte Damen und Herren, ich bin nie jemand, der allzu viele Vergleiche aus den Vereinigten Staaten von Amerika heranzieht, aber wenn man die Gelegenheit hat, mit einer Führung in Washington in den Kongress zu gehen, dann wird einem ein Motto immer wieder begegnen, das vielleicht etwas ist, an dem wir uns auch einmal messen könnten. Dieses Motto ist ein lateinisches und es lautet: e pluribus unum, das heißt: aus vielen eines. Es widerspiegelt in drei lateinisch gewählten Worten die Geschichte Amerikas in all ihren positiven und negativen Bereichen. Es zeigt und steht dafür, dass es einen Zusammenhalt zwischen Einzelstaaten gibt, dass man aber auch die unterschiedlichen Herkünfte dieser Einwanderernation akzeptiert und respektiert. Ich denke – und würde das für Europa so übersetzen und als Schlussfolgerung nehmen –, dass wir uns immer darauf besinnen sollten, dass das Gemeinsame stärker ist als jedes Trennende. Wenn wir das beherzigen, wird auch die Politik richtige Entscheidungen treffen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Unmissverständlich deutlich und in vollem Bewusstsein dessen, was ich sage: Europa, die Europäische Union, ist eine Einheit in Vielfalt. Das macht diese Europäische Union aus. Das ist aber gleichzeitig auch die unverzichtbare Basis für ein geschlossenes Auftreten angesichts des noch immer andauernden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Diese Einigkeit in Vielfalt ist das, was notwendig ist, um europäische Werte zu verteidigen, zu sichern und weiterzuentwickeln. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir haben, wie es die Frau Präsidentin in meiner Einbegleitung bereits gesagt hat, seitens des Bundeslandes Kärnten das Motto „Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen“ gewählt. Diese dialektische Form, Krisen zu bewältigen und trotzdem mit Optimismus insbesondere für die Jugend dieses


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Landes Perspektiven und Horizonte zu eröffnen, ist etwas, was uns, glaube ich, über alle Parteizugehörigkeiten hinweg vereint.

Was wir aber auch brauchen, ist, dass wir die Interessen der Menschen vor Ort vertreten, und dazu sind Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter, Regionsvertreterinnen und Regionsvertreter wahrscheinlich prädestinierter, als viele andere es sein können. Daher ist es auch wichtig, dass wir jene Formen des Parlamentarismus oder informeller Einheiten haben. Damit spreche ich ganz konkret auf der einen Seite die Landeshauptleutekonferenz und die Referen­tin­nen- und Referentenkonferenzen an – momentan ganz besonders wichtig: die Finanzreferentinnen und -referenten –, gleichzeitig aber auch Organisationen wie Städtebund und Gemeindebund. Da wird das Zusammenwirken und das Vertreten der legitimen Interessen von Regionen und Kommunen derzeit ganz besonders herausgefordert. Ich denke, dass wir alles zu tun haben, dass wir den Stellenwert dieser Organisationen auch an ihrer Durchsetzungsstärke bei vitalen, entscheidenden und aus meiner Sicht auch für den Föderalismus in naher Zukunft unverzichtbaren Forderungen messen werden.

Ich spreche zwei Dinge sehr konkret an. Das Erste – und ich nehme an, Sie gestatten mir, dass ich mit einem gewissen, leichten Patriotismus das Bundes­land Kärnten und die dort bestehende Koalition zwischen SPÖ, Sozialdemo­kra­tie, und der Österreichischen Volkspartei heranziehe –: Wir haben uns in unseren Verhandlungen darauf verständigt, dass wir unser Regierungs­programm, das aus sieben großen Kapiteln besteht und mit 316 Maßnahmenfor­de­rungen garniert ist, auf den SDGs, den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, der derzeit größten globalen Verständigung auf gemeinsame politische Ziele, aufbauen.

Das ist ein Regierungsprogramm, dem ich Normalität zuschreibe. Als wir jetzt bei den vielen Treffen, die wir immer wieder in Brüssel haben, die Gelegenheit nutzten, es auch dort zu präsentieren, haben wir – ich füge hinzu: überraschend – viel Lob bekommen. Das verleitet mich zu der Schlussfolgerung, dass, wenn das, was wir eigentlich beschlossen haben, was verpflichtend ist und seit 2015


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existiert, jetzt in einem Landesregierungsprogramm implementiert wird, das noch immer dazu ausreicht, dass wir das als etwas Besonderes und Positives feiern.

Nicht, dass ich nicht gern Lob hätte. Ich habe da sehr viel Anleihe beim ehemaligen Bundeskanzler Dr. Kreisky genommen. Als ihn einmal ein Journalist fragte: Herr Bundeskanzler, ist Ihnen das viele Lob denn nicht zu viel?, meinte er in seiner unnachahmlichen Art: Herr Journalist, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Lob ein Bundeskanzler vertragen kann! (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP.) – Ich glaube, das würden alle Bundeskanzler dieser Republik jemals – und auch heute – bestätigen können.

Davon ausgehend war es aber trotzdem verwunderlich, dass etwas, was wir alle als existierend aufnehmen, zu einer Besonderheit wird. Gemeinsam mit Präsidentin Claudia Arpa hatte ich vor genau einer Woche die Gelegenheit, mit der Präsidentin des Europäischen Parlaments Metsola zu sprechen und ihr auch diese Dinge mit zu überreichen. Sie hat daraus resultierend gemeint, engere Kooperation zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ausschuss der Regionen bei der Umsetzung solcher globaler, gemeinsam vereinbarter Ziele sowie lokalem und regionalem Handeln wäre eigentlich jener Weg, der notwendig ist und den wir aus meiner Sicht auch weiterhin vertiefen sollten.

Das werden wir tun, das wollen wir tun, und ich glaube, dass es vielleicht auch für Sie alle mit als Anregung verstanden werden kann, in den jeweiligen Ländern, in den Gemeinden vermehrt auf diese Plattform zu setzen, die notwendig ist, um diesen Planeten kollektiv zu verbessern und ihn im Sinne von Enkelver­antwor­tung nächsten Generationen übergeben zu können, um das gemeinsam schaffen zu können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich komme zu einem sehr heiklen Thema, den Verhandlungen über den Finanzausgleich. Ja, ich gestehe ein, dass ich als Landeshauptmann von Kärnten ein Vertreter der Interessen der Länder und Kärntens und auch unserer Gemeinden und Städte bin. Als wir am 5. Mai 2023 basierend auf einem Beschluss der Landesfinanzreferent:innenkonferenz unsere Position – die keine


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ist, die man leichtfertig mit: Die Länder und Gemeinden wollen nur mehr Geld!, abtut, sondern eine, die die Daseinsvorsorge, die Herausforderungen einer sich demografisch sehr eindeutig entwickelnden Gesellschaft berücksichtigt – formuliert haben, war ich guter Hoffnung, dass wir es auf dieser Basis, mit Vernunft auf gemeinsame Ziele zuzugehen, erreichen können.

Geschätzte Repräsentantinnen und Repräsentanten der Interessen der öster­reichi­schen Bundesländer, ich möchte Ihnen diesen Beschluss der Landesfinanzreferent:innenkonferenz, der von der Landeshauptleutekonferenz eins zu eins übernommen wurde, nicht vorenthalten, weil er auch so etwas wie unsere Richtschnur in diesen Verhandlungen ist, in denen es darum geht, dass der Föderalismus in seiner Form in Österreich sich in Zukunft im Sinne von Verantwortungsübernahme auch weiterhin unter Beweis stellen kann. Die Landesfinanzreferent:innenkonferenz hält fest – ich zitiere –, dass vor allem die Bereiche Gesundheit, Soziales, Pflege und Bildung nachweislich überdurch­schnittliche Ausgabensteigerungen aufweisen, diese Ausgaben trotz Reformen der Länder in den kommenden Jahren weiter stark wachsen werden, die Einnahmen mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten, sich dadurch das Finan­zie­rungsverhältnis zwischen den Gebietskörperschaften zulasten von Ländern und Gemeinden verschoben hat und eine Finanzierungslücke entstanden ist, welche sich durch die steuerpolitischen Maßnahmen noch weiter vergrößern wird. Die Landesfinanzreferent:innenkonferenz fordert daher eine Erhöhung des vertikalen Schlüssels – das ist die Verteilung der zu verteilenden Steuerein­nahmen nach Prozenten – bei der Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesab­gaben auf 24,959 Prozent für die Länder und 14,550 Prozent für die Gemeinden. – Zitatende.

Das ist die Position, die alle Bundesländer, Städte- und Gemeindebund tragen. Es ist mir klar, dass der Gegenentwurf, den die Bundesregierung präsentiert hat, im ersten Moment zwar mit 10 Milliarden Euro wahrscheinlich immens viel an finanziellen Glückshormonen auszulösen vermag. Bei näherer Betrachtung jedoch – und die Landeshauptleute Wallner, Stelzer, Ludwig und Doskozil haben


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das mit ihren Expertinnen und Experten getan – bleiben von diesen 10 Milliar­den Euro auf fünf Jahre gesehen, also jährlich 2 Milliarden Euro, letztendlich 473 Millionen Euro übrig, wobei die Verteilung so ist, dass es rund 230 Millionen Euro für die Länder und 243 Millionen Euro für die Gemeinden sein werden, weil frisches Geld so nicht geflossen ist.

Ich sage das auch in der Deutlichkeit, dass das für uns jedenfalls dringenden Handlungsbedarf auslöst. Ich habe auch mit dem Finanzminister ein Gespräch geführt. Wir werden versuchen, so rasch als möglich zu einem gemeinsamen Termin zu kommen. Die Landeshauptleute und die Landesfinanzreferenten werden aber jedenfalls diesen Vorschlag, den alle zurückgewiesen haben, nicht akzeptieren. Ich denke, dass es notwendig sein wird, auch ganz klar zu machen, dass keines der Länder bereit ist, eine automatische Verlängerung einfach zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn wir Föderalismus, wenn wir die Interessen der Menschen in den Städten, Gemeinden und Ländern Österreichs ernst nehmen, dann brauchen wir einen Finanzausgleich, der den Bedürfnissen der soeben Genannten auch Rechnung trägt. Das ist die Verhandlungsposition, die ich als Landeshauptmannsprecher im nächsten halben Jahr unmissverständlich, deutlich, klar, immer verhandlungs­bereit und konziliant, aber im Ziel sehr, sehr deutlich umzusetzen versuchen werde. Jedenfalls können Sie sicher sein, dass unsere gemeinsamen Interessen von uns adäquat vertreten werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! „Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen“ ist keine hohle Phrase. Bei gemeinsam und bei Zukunft müssen wir aber auch die entsprechenden Notwendigkeiten für die Bevölkerung mitdenken. Der Finanzausgleich ist jenes Instrument, das dafür entsprechende Finanzmittel schaffen kann.

Was aber genauso wichtig ist, ist, dass wir vermehrt und zielorientierter, zielgerichteter jenen Menschen zur Seite stehen, die es in der jetzigen Situation besonders schwer haben. Besonders schwer haben heißt für mich, dass wir das,


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was auch einen Wohlfahrtsstaat ausmacht, was einen Staat wie Österreich mit seiner sozialen Geschichte ausmacht, auch entsprechend konnotieren und finanziell dotieren.

Die wichtigsten Lebensbereiche: Ein Dach über dem Kopf zu haben, das heißt, sich eine Wohnung leisten zu können, muss an einer der obersten Stellen einer Agenda sein, die es sich zum Ziel macht, Armut generell zu bekämpfen. Zweitens: Sich die notwendigen Nahrungsmittel leisten zu können ist in einem Staat, der laut OECD als siebzehntreichster dieser Erde gilt, aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit. Drittens: Dass auch die adäquate Versorgung mit Energie, mit regenerativer Energie – zumindest was den Grundbedarf betrifft – sicherzustellen ist, gehört genauso auf die Agenda einer modernen Politik, die sich von Veränderungen und von Armutsgefährdung nicht blenden lässt, sondern aktiv und proaktiv dagegen ankämpft. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es in Kärnten mit dem Kärnten Bonus versucht, zielorientiert mit entsprechenden Bruttoeinkommensgrenzen festzumachen, welche Haushalte besonderer Unterstützung bedürfen. Damit man weiß, was das in der Praxis heißt, um nicht nur theoretisch zu bleiben: Von 225 000 Kärntner Haushalten sind 70 000 Haushalte in diese Unterstützung des Landes gefallen und haben sie auch bekommen. Das war neben vielen anderen Bemühungen der Bundes­regierung und sonstigen Maßnahmen immerhin der Versuch, zielorientiert jene Haushalte festzumachen, die dieser Unterstützung ganz besonders bedürfen.

Beim Kampf gegen die Armut ist aber jener gegen die Kinderarmut – aus meiner Sicht die schlimmste Situation – der wesentlichste und wichtigste, er ist eine große Herausforderung für alle politisch Tätigen. Kinderarmut in unserer Zeit ist schlichtweg eine Schande. Mit aller Kraft auf allen Ebenen dagegen anzukämp­fen ist die dringendste Aufgabe. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Arlamovsky und Tiefnig.)

Wir wissen, dass in dieser Republik 353 000 Kinder armutsgefährdet sind. Das ist eine klare Zahl, der wir mit all unserem Grips, unseren Ideen und unserer


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Kreativität unter Wahrnehmung unserer Verantwortung möglichst nachhaltig zu begegnen haben. Ob der Weg eine Kindergrundsicherung ist, die ich persönlich befürworte, ob es Maßnahmen mit sozialer Staffelung sind, die jedenfalls jedes Kind unterstützen, ob es weitere notwendige Rahmen­bedingungen und Transferleistungen sind – aus all dem sollten die Republik Österreich und ihre beiden Parlamentskammern sehr rasch einen Vorschlag entwickeln, der – auch europaweit – zeigt, dass wir alle, unserer Verantwortung bewusst seiend, der Armut dort, wo sie das erste Mal spürbar wird, wo sie entsteht, begegnen und sie dort bekämpfen.

Ich sehe das als Investition in die Zukunft dieses Landes, denn wer in Kinder investiert, investiert in seine eigene Zukunft, aber auch dahin gehend, dass mit mehr Bildung und einem breiteren Zugang zu Bildungseinrichtungen weniger Benachteiligung geschaffen wird. Damit kann man der frühen Trennung in: du hast es gut, du hast es weniger gut – ich sage das bewusst so –, dieser von den Menschen und Familien so empfundenen Situation entgegentreten. Ich ersuche den österreichischen Bundesrat, diesbezügliche Maßnahmen zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte zum Schluss kommen, geschätzte Damen und Herren. Ein Europa der Regionen stärken: Dazu können wir als Städte, Gemeinden, vor allem als Länder und Sie als die institutionalisierte politisch-demokratische Form immens viel beitragen. Den Kampf gegen Armut aufzunehmen und insbesondere dort anzu­set­zen, wo Armut entsteht und das erste Mal spürbar wird, der Kampf gegen Kinderarmut, das ist eine Herausforderung, der wir uns alle zu stellen haben.

Einen Finanzausgleich zusammenzubringen, der es uns ermöglicht, Pflege, Gesundheit, Bildung und Kinderbetreuung in entsprechender Form aufrechtzu­erhalten, ohne dass Länder und Gemeinden an den Rand des finanziellen Ruins getrieben werden, muss gemeinsames Verständnis aller politischen Gremien, von Regierung über Nationalrat, Bundesrat, Landeshauptleute, Landtage bis zu Gemeinderäten, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, sein. Eine Gemeinsam­keit unter schwierigsten Krisenverhältnissen mit der Verantwortung, auch


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klimapolitisch so vorzugehen, dass unsere Enkel noch Bedingungen vorfinden, unter denen sie leben können, rundet diesen von mir genannten politischen Aufgabenbereich ab.

Ich möchte Ihnen für Ihre wichtige Aufgabe, dir, geschätzte Frau Präsidentin, mit deinem Präsidium eine gute Hand für das Wohl aller Österreicherinnen und Österreicher, aller Kärntnerinnen und Kärntner, aller Menschen, die in unserem Land leben, wünschen. Mögen Sie dieses Land gut in Ihrer Verantwortungs­periode führen.

In diesem Sinne: Es lebe die Republik Österreich in einem gemeinsamen und – ich hoffe es – sehr, sehr bald wieder friedlichen Europa! (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.41


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann von Kärnten für seine Ausführungen.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Manfred Mertel. – Bitte.


09.42.42

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Landeshauptmann! Danke vielmals für deine sehr motivierenden und dynamischen Worte, auch für die generationen­stärkenden Worte, die wir alle, glaube ich, in Zeiten wie diesen brauchen. Sehr geschätzte Fraktionsvorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Damen und Herren hier im Bundesratssaal und vor den Übertragungs­geräten! Es hat ein klares Bekenntnis zum österreichischen Bundesrat gegeben. Sie sehen es an meiner Freude: Wenn man neben dem Fußball noch eine andere Leidenschaft gehabt hat – und das war das österreichische Recht –, dann weiß man, dass der Bundesrat eine fixe Größe in der österreichischen


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Verfassung ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Sehr geschätzter Herr Landeshauptmann! Es ist mir eine besondere Freude – gestatten Sie mir, liebe Kolleg:innen, dass ich das vielleicht auch in Ihrem Namen sagen darf –, dass dieser Bundesratssaal sehr junge und aufstrebende politische Kräfte beheimatet, aber auch sehr viele erfahrene Kräfte, die Ihnen mit großer Stärke und Willenskraft zur Seite stehen. Damit haben wir ein gutes Zeichen für Österreich. Ich glaube, dieser Bundesrat, der auf den Baugesetzen der österreichischen Verfassung beruht, ist eigentlich ein Garant dafür, dass wir sowohl an der gesamtösterreichischen Gesetzgebung teilnehmen als auch pflichtbewusst unsere Länderinteressen vertreten können. Das ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig, wenn wir das Prinzip der parlamentarischen Demokratie heranziehen, wenn wir das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit heranziehen, dass sowohl Bundesgesetze als auch Landesgesetze in dieser Republik vollzogen werden und auch zu Recht vollzogen werden müssen, weil man auf die Interessen der Bundesebene sowie auf die regionalen Interessen besonders gut eingehen kann.

In Anwesenheit des Herrn Landeshauptmannes und Vorsitzenden der Landes­haupt­leutekonferenz kann ich nach drei Monaten feststellen – es sind fast auf den Tag genau drei Monate, dass wir angelobt worden sind –, dass die personellen Ressourcen dieser Kammer nicht entsprechen. Ich hoffe auch, dass Sie als Landeshauptmann vielleicht in der Landeshauptleutekonferenz für mehr personelle Ressourcen eintreten können, die der Bundesrat aufgrund seiner Kompetenz und seiner Notwendigkeit braucht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und FPÖ.)

Wenn ich noch einmal auf meine Zeit als Student zurückblicke, so kann ich sagen, ich habe damals im Verfassungsrecht gelernt, dass der Bundesrat 68 Mitglieder hat – heute hat er 60 Mitglieder. Es tut mir um jeden einzelnen Bundesrat, um jede einzelne Bundesrätin leid, der oder die nicht mehr in diesem Saal sitzt, weil es, wie der Herr Landeshauptmann auch gesagt hat, eine


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breite demokratische Kultur in der Diskussion geben muss, unterschiedliche Meinungen geben muss, damit wir dieses Ziel erreichen, nämlich Krisen zu bewältigen und Zukunft zu schaffen. Das ist auch ein wichtiger Beitrag, den wir als verschiedene Generationen leisten müssen. Und ich weise auch in Kärnten immer wieder auf diese Vielfalt der Bundesratsmitglieder hin, ob es charmante Damen sind, ob es zielstrebige Herren sind (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP), denn wir brauchen ganz einfach diese Vielfalt.

Gestatten Sie mir zu sagen, dass ich selbst als geprüfter und Uefa-geprüfter Fußballtrainer damals schon – vor circa 25 Jahren – begonnen habe, in der Fußballakademie mit Damen im Trainerstab zu arbeiten, weil die Kultur bei den Burschen – auch untereinander – eine ganz andere wurde. Es wurde eine andere Kultur in der Atmosphäre, es war ein ganz anderes Miteinander.

Daher glaube ich auch, dass das, was der Herr Landeshauptmann gesagt hat, ein wichtiger Zielpunkt für uns sein muss: Wir müssen für ein Miteinander und ein Füreinander und nicht für ein Gegeneinander und Nebeneinander eintreten. Es liegt an uns; Sie haben das nun so sympathisch rübergebracht, und ich denke mir immer, wenn ich zu Ihnen in den Bundesrat komme, es ist ein Tag der besonderen Wertschätzung, die die ältere Generation Ihnen entgegenbringen kann.

Ich weiß aber auch als geprüfter Trainer, wie wichtig es ist, junge Menschen zu begleiten. Ich darf es in dieser Runde sagen, dass ich ein Erfolgserlebnis beim österreichischen Cupfinale hatte, ich glaube, im Mai, als Rapid Wien gegen Sturm Graz gespielt hat (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP) und ich sehen durfte, dass beide Kapitäne aus der Kärntner Fußballakademie kamen: sowohl Guido Burgstaller als auch Stefan Hierländer. Beide konnte ich betreuen, und das macht einen dann schon sehr stolz auf die geleistete Jugendarbeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)


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Weil ich auch immer bestrebt bin, auf diese angesprochene Armut hinzuweisen beziehungsweise sie auch zu korrigieren, möchte ich eben darauf aufmerksam machen, dass gerade junge Menschen diese Begleitung von uns brauchen. Sie brauchen also nicht nur die materielle Unterstützung, sondern sie brauchen auch unsere Zeit. Sie brauchen auch unser Wort und sie brauchen auch unsere Ideen. Aber ich mache darauf aufmerksam, dass die vielen Krisen, in denen wir uns befunden haben und jetzt noch befinden, auch dazu geführt haben, dass wir bereits von einer generationenübergreifenden Armut sprechen müssen. Viele der älteren Generation geben alles, damit ihre Enkelkinder ihre Ausbildung machen können, damit sie einmal das erreichen, was sie sich selbst vorgestellt haben. Das ist wohl ein guter gemeinschaftlicher Ansatz und das schafft auch Zukunft, wie es der Herr Landeshauptmann richtigerweise gesagt hat.

Ich bin der Meinung, dass wir als Vertreter der Landtage auch darauf aufmerksam machen müssen – ich danke dir, Herr Landeshauptmann, dass du das mit den Finanzausgleichsverhandlungen angesprochen hast –, dass neben unserer Familie unsere wichtigste Einheit die Gemeinde ist.

In der Gemeinde sind wir groß geworden und die Gemeinden haben uns stark gemacht. Ich möchte auch nicht missen, immer darauf hinzuweisen, dass mich selbst Städte wie Graz, Linz und Salzburg in meiner Persönlichkeit sehr geformt haben. Ich darf aber auch dem Kärntner Landtag dafür danken, dass ich mit drei klugen und charmanten Damen nach Wien beordert worden bin, da ich auch diese wunderschöne Hauptstadt, die Bundeshauptstadt, zu vielen unterschied­lichen Zeiten genieße. Das macht mich stark. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Dort, in der Nähe des Wiener Sportklubs, wohne ich. Das war sportlich eigentlich einer meiner Lieblingsvereine.

Herr Landeshauptmann, ich darf dich daher ersuchen, dass du dich gerade bei den Finanzausgleichsverhandlungen – weil auch sehr viele Bürgermeister und verantwortungsvolle Träger der Kommunen hier im Bundesratssaal sitzen – sehr vehement mit deiner Sprache und mit deiner Persönlichkeit dafür einsetzt, dass


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es in Zukunft auch den Kommunen finanziell besser gehen kann. Das ist mir ein großes Bedürfnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich wiederholen: Ich trete in Österreich für ein Miteinander und für ein Füreinander ein, ich verabscheue ein Gegeneinander und ein Nebeneinander. Deshalb ist es wichtig, dass wir ein aktiver und kommunikativer Bundesrat sind, denn so stärken wir Österreich. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.51


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Sandra Lassnig. – Bitte.


9.52.05

Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und liebe Zuseher! Ich darf dir, sehr geehrte, geschätzte Präsidentin, auch seitens unserer Fraktion noch einmal herzlich gratulieren und alles Gute wünschen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich glaube, wir haben als Bundesländer zahlreiche gleichgelagerte Herausfor­derungen, denen wir, wie schon meine Kollegin Claudia Arpa, unser Landeshauptmann und auch Manfred Mertel gesagt haben, gemeinsam begegnen sollten.

Es ist für mich natürlich eine große Freude, dass mein Bundesland Kärnten jetzt den Vorsitz für das nächste halbe Jahr übernommen hat. Wir wollen uns sowohl in Kärnten als auch bundesländerübergreifend klaren Schwerpunkten widmen. In Kärnten haben wir ein beinahe druckfrisches Regierungsprogramm unserer Kärntner Nachhaltigkeitskoalition, das klare Visionen und Wege dahin enthält. Diese Schwerpunkte werden wir hier im Bundesrat hoffentlich im zweiten Halbjahr auch öfter diskutieren, da unser Fokus auf den brennenden


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Themen der Gegenwart, aber vor allem der Zukunft liegt, denen wir uns aktiv gemeinsam und vor allem bundesländerübergreifend stellen sollten.

Ich möchte davon die drei Bereiche Wirtschaftsstandort und Infrastruktur, Regionalität und Energiewende sowie demografischer Wandel hervorstreichen.

Erstens haben wir als Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsstandort noch viel mehr, als wir ausschöpfen und vielen bewusst ist. Es gilt daher, die Anstrengungen in beste Rahmenbedingungen für unseren Standort zu intensivieren, in die Standortqualität zu investieren und uns auf kommende Herausforderungen vor­zu­bereiten. Welche Bedeutung wir dem Thema Standortentwicklung bei­messen, zeigt sich vor allem daran, dass dieses Kapitel in unserem Regierungs­pro­gramm ganz nach vorne gereiht wurde.

Der Arbeitskräftemangel ist eine große Gefahr für den Wirtschaftsstandort, und daher braucht es da auch neue und unkonventionelle Ansätze. Es wird in Kärnten eine eigene Standortagentur für Arbeitskräfte errichtet. Gemeinsam mit den Sozialpartnern wollen wir gezielt Fachkräfte aus der EU und darüber hinaus anwerben und potenzielle Kärnten-Rückkehrer ansprechen, um so die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die ein moderner Wirtschafts­stand­ort braucht, um international mithalten zu können. Ein ganz wichtiges Thema, wie auch schon in meiner letzten Rede erwähnt: die Jahrhundertchance für die Bundesländer Steiermark und Kärnten, der Bau der Koralmbahn. In 45 Minuten von Klagenfurt nach Graz und umgekehrt! (Bundesrat Kornhäusl: Ich freue mich schon!) Es gilt, den Wirtschaftsraum Süd, die Area Süd, bestmöglich zu entwickeln.

Zweitens müssen wir angesichts der aktuellen Krisen und deren spürbaren Auswirkungen die Weichen dafür stellen, mehr regionale Unabhängigkeit zu erreichen. Ich spreche hier von einem klaren Fokus auf eine sichere


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Lebensmittelversorgung, deren Wichtigkeit die Probleme anderer Länder während der Coronapandemie deutlich gezeigt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Die heimische Landwirtschaft, unsere Bäuerinnen und Bauern sind der Garant für unverzichtbare Lebensmittelversorgungssicherheit. Aber auch die Energieversorgungssicherheit ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Der Ukrainekonflikt hat die Auswirkungen auf die Energiepreise bei zu hoher Abhän­gigkeit von fossiler Energie deutlich gemacht, daher müssen wir gemein­sam mit mehr Tempo an einer raschen und nachhaltigen Energiewende arbeiten und der heimischen Landwirtschaft die Lebensmittelversorgung besser ermöglichen, denn in beiden Bereichen gilt: Regionalität ist unser Sicherheits­netz in der Krise. (Beifall bei der ÖVP.)

Es braucht auch mehr regionale Unabhängigkeit für den Standort. Und weil die Energie ein Treiber der Teuerung ist, können wir nur durch den Ausbau regionaler erneuerbarer Energien von teuren Importen und Preisspiralen unabhängiger werden.

Es gibt von uns auch ein klares Bekenntnis zu einem raschen Ausbau und zur Nutzung des vollen Energiemixes. Ziel ist es, Kärnten zu einer Region mit Vorbildcharakter zu machen, in der es gelingt, ökonomisch Sinnvolles und ökologisch Vertretbares miteinander zu vereinen. Man muss auch die Landwirt­schaft als Teil der Energiewende denken. Energieproduktion und Land­wirtschaft zu kombinieren ist eine große Chance – von der Biomasse über Biogas bis hin zu Agri-Pilotprojekten.

Zu unserem dritten Punkt: Wir müssen uns geschlossen dem demografischen Wandel stellen, der für ganz Österreich noch mehr als bisher zur großen Herausforderung wird. Das betrifft den ländlichen Raum massiv, ganz besonders auch bei der Sicherstellung von Pflege- und Gesundheitsversorgung, aber auch bei Themen wie Nahversorgung und Mobilität, es betrifft aber natürlich auch den urbanen Bereich. Ländliche Regionen und der Zentralraum dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Regionen und Zentralraum beeinflussen sich


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gegenseitig und können so auch voneinander profitieren. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir wollen in Kärnten in diesem Bereich nicht nur Vorreiter sein, wir wollen die Herausforderungen gemeinsam angehen und nicht die Parteigrenzen sehen, und das gilt auch hier im Bundesrat. Ich möchte gerne diesen Geist der Nachhaltig­keitskoalition auch hierher in den Bundesrat bringen, damit wir als Vertrete­rinnen und Vertreter unserer Bundesländer an den gemeinsamen Heraus­forde­run­gen der Zeit arbeiten, gleichzeitig aber bereits auch an der Zukunft bauen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

9.59


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gelangt Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann. – Bitte.


9.59.17

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich dir, liebe Frau Präsidentin Arpa, alles Gute für deine Präsidentschaft wünschen. Es freut mich natürlich, dass eine Kärntnerin, insbesondere eine Lavanttalerin, die Geschicke in diesem Haus lenken wird.

Selbstverständlich unterstütze auch ich das Ziel, Einkommensunterschiede zugunsten unserer Jüngeren zu verringern und Kindern und Jugendlichen in Zeiten der Teuerung Perspektiven zu geben. Das klingt super – wer sollte da eigentlich etwas dagegen haben?

Auch der neue SPÖ-Vorsitzende Dosko- -, pardon, Babler – Verzeihung, Herr Klubobmann! (Heiterkeit des Bundesrates Steiner – Oh-Rufe bei der SPÖ – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ – Bundesrat Schreuder: Das war ein super Witz, wir haben sehr gelacht! Der Villacher Fasching ist schon lustiger!) –, hat ja viele schön klingende Wahlversprechen abgegeben. Es darf aber seitens der SPÖ nicht bei


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bloßen Floskeln bleiben, und vor allem nicht dort, wo die SPÖ selbst in Verantwortung ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Schaut man sich nämlich die SPÖ in Kärnten an, so erkennt man, dass die Taten den Versprechen noch nicht gerecht werden. Auch das neue Kärntner Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, das ja vonseiten der SPÖ immer wieder als potenzielles Vorbild für ganz Österreich genannt wird, zeigt bereits nach wenigen Monaten auch bei den Kindergärten mehr und mehr Schwachstellen auf. Stattdessen sollten wir, wie von uns Freiheitlichen gefordert, endlich einen bundesweiten Gratiskindergarten umsetzen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hahn: Was macht ihr in Niederösterreich? Da kümmert ihr euch nur um Jogging­hosen, aber sonst nichts! Schaut nach Niederösterreich!)

Und wenn du in deinen sechs Monaten an der Spitze des Bundesrates in dieser Angelegenheit vermitteln kannst, liebe Claudia, dann würdest du wirklich einen sinnvollen Beitrag zugunsten der nächsten Generationen leisten und ihnen Perspektiven geben.

Herr Landeshauptmann – der Nächste hier herinnen, der ein Amt von Herrn Doskozil übernommen hat –: Bitte nutzen auch Sie die Zeit als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, um im Sinne Kärntens und im Sinne Österreichs endlich Bewegung in längst überfällige Veränderungsprozesse zu bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie unser Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer ja auch immer wieder festhält, gibt es ja nicht gerade wenige Baustellen, die Schwarz-Grün im Bund und Rot-Schwarz in Kärnten unangetastet lassen. Beispielsweise haben wir in den letzten Wochen wieder erlebt, dass die Bundesregierung, genauer gesagt der Bundes­kanzler, vollmundig Entlastungen für die Bevölkerung versprochen hat, und auch die Kärntner SPÖ hat das natürlich sehr gerne aufgenommen, aber bisher leider nichts dergleichen gemacht.


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Wo sind denn nun die Gewinnabschöpfungen im Energiebereich, die für die Gemeinden bereitgestellt werden sollen, damit diese die Gebühren nicht erhöhen müssen? Das wurde Anfang Mai groß angekündigt, aber bisher haben die Gemeinden noch keinen Cent davon gesehen. Gerade erst habe ich von einer Kärntner Gemeinde gehört, in der SPÖ und ÖVP massive Gebührenerhöhungen bei Wasser, Müll und Kanal beschlossen haben – gegen die Stimmen der Freiheitlichen natürlich! Warum passiert das? – Weil die eigenen Funktionäre nicht mehr an die Versprechen dieser Regierungen glauben. (Beifall bei der FPÖ.)

Also hören Sie bitte endlich auf mit einer Politik der ungelegten Eier und arbeiten Sie endlich an echten Lösungen für die teuerungsgeplagte Bevölkerung! (Beifall bei der FPÖ.)

Lösungen braucht es auch, weil Kärnten nach wie vor die höchsten Stromnetz­gebühren im Vergleich mit anderen Bundesländern hat, und auch, weil unser Landesenergieversorger nicht im Interesse der Aktionäre agiert, nämlich der Kärntnerinnen und Kärntner, sondern als verlängerter Arm der Energiekonzerne. Das Problem der dort handelnden Akteure, das werden wir ja hoffentlich im Kärntner Landtag lösen können, ein entsprechender Antrag vonseiten der SPÖ liegt ja bereits vor, die andere Seite aber, die kann man eben nur auf Bundes­ebene oder in der Landeshauptleutekonferenz angehen.

Die überhöhten Stromnetzkosten in Kärnten müssen endlich auf Österreich­schnitt gesenkt werden. Der Preistreiber Nummer eins, das Meritordersystem, gehört endlich abgeschafft. Das erwarten sich die Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der FPÖ.)

Was sich die Österreicher auch erwarten, und da sind wir wieder bei dem, dass wir gerade den Jungen Perspektiven geben müssen, ist, dass wir für unsere Bevölkerung einstehen und illegale Migranten vor der Tür stehen lassen müssen. (Bundesrat Steiner: Richtig!) Über 112 000 Personen haben letztes Jahr in


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Österreich einen Asylantrag gestellt. 91 Prozent davon waren von ersteinrei­sen­den Personen, also originäre Asylanträge. Das sind mehr Menschen, als in der Landeshauptstadt Klagenfurt leben. (Bundesrat Babler: Ja!) Nur zum Vergleich: 2015, im Jahr der Willkommensklatscher, waren es gut 88 000 Asylanträge. Die Jahre 2015 und 2022 sind also die Asylkrisenjahre schlechthin, und sie haben eines gemeinsam: In beiden Jahren gab es einen ÖVP-Innenminister und in beiden Jahren wurden unsere Grenzen nicht geschützt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Babler und Buchmann.)

Und was machen Rot-Schwarz und der SPÖ-Landeshauptmann in Kärnten? – Die Tagsätze für die Asylwerber wurden nun erhöht und somit stehen einem Asylwerber rund 750 Euro pro Monat zur Verfügung. Für ein armutsgefährdetes Kind gibt es gerade einmal 210 Euro pro Monat. Da muss ich Sie schon fragen: Gibt man damit der österreichischen Jugend eine Perspektive?

Wir müssen als Destination für illegale Migranten unattraktiv werden. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre es, wenn wir Asylwerbern keine Geldleistungen mehr auszahlen, sondern nur die notwendigsten Sachleistungen bereitstellen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Aber geh, ...!)

Es wird einfach Zeit, dass wir endlich wieder einmal auf die eigenen Bürger schauen. (Rufe bei der SPÖ: Genau! Blabla! – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Bürgerinnen vor allem!)

In einer Sache muss ich Ihnen aber recht geben, Herr Landeshauptmann: Sie haben ja gesagt, wie wichtig die politische Arbeit auch auf kommunaler Ebene ist und dass das wirklich ein wesentlicher Teil unserer Demokratie ist. Jeder, der auf kommunaler Ebene tätig ist, weiß, wie viel Herzblut da auch hineinfließt. Und da würde ich Sie bitten, vielleicht einmal mit dem einen oder anderen Kollegen von Ihnen oder Bürgermeister – bei mir speziell betrifft es Wolfsberg – zu sprechen. Heute ist eine Gemeinderatssitzung in Wolfsberg, und es blutet mir das Herz, dass ich meine Kollegen im Stich lassen muss und heute in Wolfsberg nicht dabei sein kann. (Bundesrat Schreuder: Darfst eh hingehen, stört uns eh


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nicht! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Diese Termine, die Bundes­ratstermine, sind ja wirklich sehr langfristig bekannt, und vor allem im Lavanttal war ja aufgrund der Präsidentin die Berichterstattung auch sehr groß, und da finde ich es einfach nicht fair, wenn man da dann Termine ansetzt, Gemeinde­ratstermine oder gewisse Beiratssitzungen, nur um eine unbequeme Opposition loszuwerden. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

In diesem Sinne herzlichen Dank! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

10.07


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte.


10.08.13

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Willkom­men, Herr Landeshauptmann, hier bei uns im Bundesrat! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Das ist heute meine erste Bundesratssitzung zu einem Wechsel der Präsidentschaft, und ich freue mich sehr, heute hier zum wunderbaren Bundesland Kärnten reden zu können.

Als südlichstes Bundesland und am südlichen Rand der Alpen gelegen öffnet sich Kärnten sowohl geografisch als auch klimatisch und in der Lebensart zum Mittelmeer hin, und diesem mediterranen Charme kann man sich nur schwer entziehen, selbst wenn man wollte. Der harmonische Übergang von Ober­kärnten mit seinen über 260 Dreitausendern und den unzähligen kristallklaren Bergseen und Seen hin zum Klagenfurter Becken im Osten trägt außerdem dazu bei, dass Kärnten nach wie vor ungebrochen als Urlaubsziel bei Inländern und Ausländern beliebt ist. Einer der charmantesten Dialekte, die wir in Österreich haben, trägt seines dazu bei. (Oh-Rufe und Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Landes­hauptmann Kaiser: Da hat sie recht!) Also ich glaube, eine gewisse Kärntenaffinität kann man mir schon zuerkennen. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)


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Frau Präsidentin, Sie haben davon gesprochen, dass Kinder unsere Zukunft und Gegenwart sind, und auch, was in Kärnten zum Thema Kinderbildung umgesetzt wird. Das kommt bei mir schon gut an, in vielen Bereichen kann das wirklich als Best Practice gesehen werden. Auch wenn es keinen Rechtsanspruch für den Kinderbetreuungsplatz gibt: Der massive Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen und auch das Kinderstipendium sind wichtige Beiträge zur sehr dringend notwendigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich arbeite seit über 20 Jahren mit sehr jungen Kindern und deren Familien, und ich weiß, wie schwierig es für viele Eltern, viele Familien ist, Kinderbetreuung und Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Daher ist das ganz, ganz wichtig. (Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Die bessere Bezahlung der Pädagog:innen und die Verkleinerung der Gruppengrößen in Kindergärten sind Schritte in die richtige Richtung, was Qualitätssicherung betrifft.

Bei all dem Lob gibt es aber auch ein paar kritische Anmerkungen, die ich anzubringen habe – das wird Sie vielleicht nicht überraschen. Ich habe es schon erwähnt: Ein genereller Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz fehlt leider. Auch der Frage, ob es in Zukunft genügend Pädagoginnen und Pädagogen geben wird, wird nicht ausreichend Rechnung getragen, weil sich zu wenige Personen zu Elementarpädagog:innen ausbilden lassen.

Ja, Kärnten wurde erst vor Kurzem vom slowenischen Staatspräsidenten für sein Engagement zum Wohle der slowenischen Volksgruppe geehrt. Die Landes­regierung hat die Aufgabe, die Rechte der Volksgruppe zu achten, auch im Bildungswesen. Da ist leider die Chancengleichheit für zweisprachige Kinder nicht ganz sichergestellt. Dabei ist gerade im elementarpädagogischen Bereich der Regelungsbedarf groß. Eine Studie des Bundeskanzleramts hat erst unlängst gezeigt, dass selbst im Siedlungsgebiet der slowenischen Volksgruppe nur ein Sechstel aller Kinder, die eine Kindertagesstätte oder einen Kindergarten besuchen, tatsächlich zweisprachig betreut wird. Die rechtliche Klarheit fehlt für zweisprachige öffentliche Kindergärten, nämlich die Definition im Gesetz, was


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überhaupt ein zweisprachiger Kindergarten ist und welche Qualifikationen zweisprachige Pädagog:innen aufweisen müssen.

Es werden zwar Minderheitensprachen im Lehrplan der Bildungsanstalten für Elementarpädagog:innen berücksichtigt, was fehlt, ist aber auch da ein Rechtsanspruch auf zweisprachige Bildung. Dafür muss sichergestellt werden, dass ausreichend gut geschulte zweisprachige Pädagog:innen in den Kindergärten und Horten zur Verfügung stehen, um den Spracherwerb unserer Allerkleinsten frühestmöglich zu fördern. (Beifall bei den Grünen.)

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie sind in Ihrer Rede zu Recht auf soziale Gerechtigkeit eingegangen, das ist auch richtig und wichtig. In diesem Zusammenhang haben Sie auch den Kärnten Bonus erwähnt, der Menschen bei den stark gestiegenen Wohn- und Energiekosten unterstützen soll. Dabei möchte ich schon darauf hinweisen, dass dieser Kärnten Bonus durch das Geld aus dem Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz des Bundes finanziert wird. Das Land Kärnten hat da in zwei Tranchen über 40 Millionen Euro erhalten. Interessant ist, dass die SPÖ bei der zweiten Tranche – da waren immerhin 14 Millionen Euro für Kärnten vorgesehen – dagegengestimmt hat. Das ist vielleicht ein pikantes Detail am Rande. (Beifall bei den Grünen.)

An Kollegin Theuermann gerichtet, weil sie sich vorhin über die finanzielle Not Kärntens ausgelassen hat: Vielleicht überlegen Sie einmal, wem Kärnten dieses finanzielle Erbe zu verdanken hat. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Spanring: Jetzt gehen schon wieder die Grünen auf die Schwarzen los! Koalitionskrise, Koalitionskrise!)

Wenn ich mir den von Ihnen, sehr geehrte Frau Präsidentin, ausgerufenen Schwerpunkt anschaue: „Kindern Perspektiven geben – unbeschwert, chancen­reich und demokratisch erwachsen werden“, muss ich schon sagen, zum unbeschwerten Erwachsenwerden gehört auch, dass die Kinder von heute als Erwachsene in einer intakten Umwelt leben können. Bei den Maßnahmen, die das ermöglichen, würde ich Kärnten eher zum Nachsitzen verdonnern. Dazu


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gehören nämlich ernsthafte Beiträge zur Energiewende, zum Bodenschutz und zur Mobilitätswende.

Bezüglich Energiewende: Bis 2040 muss Kärnten seine Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie verdoppeln. Der Ausbau von Sonnen- und Windstrom muss Priorität haben. Die Zielvorgaben, gerade beim PV-Ausbau, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen, erfüllt Kärnten bis jetzt nur zu 15 Prozent. Bei den Windrädern sieht der Energiemasterplan für Kärnten 50 Windräder vor; um die Energiewende zu schaffen, benötigt Kärnten mindestens 140.

Auch im Bereich Bodenschutz ist einiges zu tun. Kärnten ist innerhalb Österreichs Meister im Verbrauch wertvollen Bodens: Allein in Kärnten werden jedes Jahr 500 Fußballfelder zubetoniert. Das ist wertvoller Boden, der wirklich für andere Dinge genutzt werden sollte – für gesunde Lebensmittel, als Erholungsraum oder Schutz- und Naturraum. Ein nicht unerheblicher Teil dieses Flächenverbrauchs geht auch auf die Rechnung von Verkehrsflächen. Dabei hätte Kärnten wirklich großes Potenzial, um die Mobilitätswende – weg vom motorisierten Individualverkehr hin zu attraktivem öffentlichen Verkehr – einläuten zu können. Eine Umfrage aus dem Jahr 2020 zeigt nämlich, dass sich 80 Prozent der Kärntner:innen den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel wünschen. Potenzial wäre wie gesagt vorhanden.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich wünsche mir, dass Sie das für Ihr Vorsitzhalbjahr ausgerufene Motto ernst nehmen und auch die Themen, die für die Zukunft unserer Kinder existenziell notwendig sind, angehen. Ich wünsche dazu viel Erfolg. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesrätin Grossmann.)

10.16


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.



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10.16.17

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf ein Thema, das Sie, Herr Landeshauptmann, in Ihrer Rede angesprochen haben, nämlich die Finanzausgleichsverhandlungen, speziell eingehen. Ich möchte am Anfang ein bisschen den Kontext darstellen.

Der Bund hat in den Jahren 2021, 2022 einen Großteil der Ausgaben für die Krisenbewältigung gestemmt. In dieser Zeit haben die Länder und Gemeinden maastrichtneutral beziehungsweise sogar -positiv saldiert. Für uns ist wichtig, dass Geld nur gegen Reformen oder zumindest die Reformbereitschaft der Länder und Gemeinden fließt. Sie haben die demografiebedingten Ausgaben­stei­gerungen bei Gesundheit und Pflege angesprochen. Die müssen natürlich entschärft werden, diese Ausgabensteigerungen können nicht so weitergehen. In diesem Kontext ist nicht zu vergessen: Auf Bundesseite gibt es natürlich auch demografiebedingte Ausgabensteigerungen, insbesondere bei den Pensionen. Es ist ja nicht so, dass das nur einzelne Gebietskörperschaften betrifft.

Aus unserer Sicht sind daher die von Finanzminister Brunner in Aussicht gestellten 10 Milliarden Euro – auf die fünf Jahre – für die Gesundheit sehr großzügig angesetzt. Auf der anderen Seite soll es im Gegenzug die von der Bundesregierung, insbesondere von Minister Rauch eingeforderte stärkere Transparenz geben, zum Beispiel die verpflichtende Einmeldung von Förderun­gen und so weiter in die Transparenzdatenbank, was ja derzeit nicht von einer 15a-Vereinbarung umfasst ist. Das soll aus unserer Sicht eine Voraussetzung für zusätzliche Mittel sein – nach dem Prinzip: Geld folgt Transparenz.

Apropos 15a-Vereinbarungen: In diesem Zusammenhang habe ich mir diese angeschaut und festgestellt, es sind momentan 63 Artikel-15a-Vereinbarungen in Geltung; ungefähr die Hälfte davon betrifft Vereinbarungen zwischen dem Bund und einzelnen Bundesländern, die andere Hälfte betrifft Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern gemeinsam. Jede 15a-Vereinbarung ist


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eigentlich ein Hinweis dafür, dass an der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern etwas nicht stimmt.

Unsere Forderungen für die Finanzausgleichsverhandlungen lassen sich daher in folgende Punkte zusammenfassen:

Punkt eins: Reformen im Finanzausgleich vorantreiben. Das bedeutet eine Bereinigung der Kompetenz- und Aufgabenverteilung, das bedeutet eine Bündelung von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung auf jeweils einer Gebietskörperschaftsebene, wie dies auch der Fiskalrat neuerlich gefordert hat. Das bedeutet mehr Abgabenautonomie für die Länder und Gemeinden, mehr Zielorientierung und mehr Transparenz und Entflechtung bei den Transferzahlungen.

Thema zwei: Energie, insbesondere der Ausbau der Erneuerbaren. Hier fordern wir ein Bonus-Malus-System für die Länder über den Finanzausgleich – so sollen sie in die Pflicht genommen werden. Das bedeutet verbindliche Zielsetzungen für den Ausbau von Erneuerbaren, insbesondere was die Punkte installierte Kapazität und Netzausbau betrifft. Zusätzlich können andere Faktoren wie Bodenverbrauch oder Emissionsreduktion einfließen.

Thema drei: Elementarbildung und Kinderbetreuung. Hier kann man das Finanzausgleichsgesetz dazu nutzen, um per Stufenplan und Finanzierungs­ver­einbarung mit den Ländern und Gemeinden den Rechtsanspruch auf den Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag und kleinere Betreuungsgruppen umzusetzen. Wenn man das mit skandinavischen Verhältnissen vergleicht – wo wir hinwollen –, würde das längerfristig 2,5 bis 5 Milliarden Euro jährlich kosten.

Der nächste Punkt: Ganztagsschule, Nachmittagsbetreuung, Ferienbetreuung. Im Finanzausgleichsgesetz soll vereinbart werden, wie das Bildungs- und Betreuungsangebot für Schulkinder so erweitert werden kann, dass es mit der Vollzeitberufstätigkeit beider Elternteile vereinbar ist.


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Mein nächster Punkt ist die Pflege: Dazu gibt es auch schon eine 15a-Vereinbarung. Da fordern wir bundeseinheitliche Rahmenbedingungen zum Beispiel beim Personalschlüssel – sowohl im Krankenhaus als auch in den Altenheimen.

Nächster Punkt – ein großer Punkt –, die Gesundheit: Wir wünschen uns – für ein besseres Outcome – bundesweit einheitliche Präventionsprogramme, um die Anzahl der gesunden Lebensjahre zu erhöhen; wir wünschen uns Programme für chronisch Kranke, wie zum Beispiel an Diabetes Erkrankte, psychisch Erkrankte, Patienten mit Bluthochdruck und so weiter.

Wir wünschen uns echte Reformen, das heißt, es muss über Absichtserklärungen im FAG hinausgehen, die zugehörigen Reformen müssen in den Gesetzen wirklich umgesetzt werden. Wir fordern eine Aufwertung und bessere Finanzie­rung von Elga, eine verpflichtende Anbindung aller Ärztinnen und Ärzte und ein Vorantreiben der Datennutzung und Digitalisierung; wir fordern, dass alle Gesundheitsstrukturen für die Patienten nutzbar gemacht werden. Wir fordern einen Ausbau der Primärversorgungszentren auch über private Betreiber, eine stärkere Einbindung von Ambulatorien und letztlich weniger Versorgung im Krankenhaus und dessen Ambulanzen.

Gesundheitskompetenz war bisher als Punkt in jedem Vertrag drinnen, wurde aber nicht umgesetzt. Patientinnen und Patienten brauchen eine Anlaufstelle, damit sie wissen, wo sie hinmüssen, um nicht zuerst in der Allgemeinpraxis, dann in der Facharztpraxis und schlussendlich kumulativ im Krankenhaus zu landen und jeweils die Wartezimmer zu füllen. Wir würden deshalb 1450 zu einer bundesweiten Clearingstelle machen, damit Patientinnen und Patienten wissen, wo sie hinmüssen und wo sie sicher behandelt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

10.22


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Harald Himmer. – Ich erteile Ihnen dieses.



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10.22.23

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Landeshauptmann! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe mich ganz bewusst nach Kollegen Arlamovsky zu Wort gemeldet, weil er ja für die Abschaffung des Bundesrates ist. Daher: Schön, dass du trotzdem da bist, obwohl du das alles ziemlich sinnlos findest! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich bin vom ORF gefragt worden, wie ich zum Bundesrat stehe. Ich habe gesagt, es gibt an sich drei Gründe, warum die Abschaffung des Bundesrates immer wieder gefordert wird: Einer davon – der jetzt zutreffend ist, das haben wir zurzeit – ist das Sommerloch; der zweite ist die Ahnungslosigkeit über das Verfas­sungsgefüge – das ist auch ein häufiger Grund, aus dem heraus die Abschaf­fung gefordert wird –; der dritte sind bestimmte Zentralismusfantasien, die es natürlich auch immer wieder gibt. Die überraschen mich im Übrigen bei den NEOS aufgrund ihres liberalen Aspekts, aber natürlich nicht, wenn ich mir die bescheidenen Erfolge der NEOS auf Gemeindeebene anschaue. Wenn man auf dieser Ebene von den Bürgern keine Zustimmung bekommt und da keinen Boden unter die Füße bekommt, kann man natürlich hergehen und sagen, man pfeift überhaupt drauf und schafft diese Ebenen gleich ab.

Ich finde, das ist trotzdem der falsche Zugang. Umso mehr möchte ich mich beim Herrn Landeshauptmann dafür bedanken, dass er gleich zu Beginn seiner Rede hier klargestellt hat, dass ihm der Bundesrat wichtig ist; dass er klargestellt hat, dass sich Herr Kelsen dabei etwas überlegt hat. Ich kann diese Meinung nur teilen.

Ich möchte auch die Ausführungen unterstützen beziehungsweise unterstreichen, die der Herr Landeshauptmann in Bezug auf die Bedeutung von informellen Gremien, wie es Landeshauptleutekonferenz, Gemeindeverband, Städtebund et cetera sind, gemacht hat. Natürlich ist es dieses Zusammenwirken aller, das den Föderalismus in Österreich lebendig macht. Das ist so wichtig, weil eben die


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föderalen Ebenen dafür zuständig sind, dass wir näher an den Menschen sind, dass wir näher an den Bürgerinnen und Bürgern sind. Daher dir, Herr Landeshauptmann, herzlichen Dank für diese klaren Worte. Der Frau Präsi­dentin, dem Land Kärnten und uns allen ein gutes zweites Halbjahr! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.25


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Noch einmal zu Wort gemeldet hat sich der Herr Landeshauptmann von Kärnten Dr. Peter Kaiser. – Bitte, Herr Landeshauptmann.


10.25.35

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Peter Kaiser: Geschätzte Debattenred­nerinnen und Debattenredner! Herzlichen Dank, danke für das Lob, ich teile das gerne mit der Frau Präsidentin. Danke auch für die kritischen Anmerkungen, ich werde in gebotener Kürze auf einige davon eingehen.

Ich möchte zuerst darauf eingehen, was Kollege Manfred Mertel gesagt hat – der es in die höchsten Fußballklassen geschafft hat; ich bin, glaube ich, nur bis zur vierthöchsten gekommen –: Wenn man aus der Verbindung zwischen Linksaußen, Mittelfeld, Mittelstürmer und so einem leichten Rechtsdrall, der da ist, Teamgeist ableitet und das als politische Paraphrase sieht, dann wird man das eine oder andere Ergebnis auch mit mehr Fairness, mehr Sportlichkeit zur Kenntnis nehmen und akzeptieren können, sich zu Gemüte führen können. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Liebe Sandra, Frau Kollegin Bundesrätin Lassnig, danke, du hast auf ein sehr wichtiges Thema hingewiesen, ich glaube, besser kann man es nicht darstellen, und zwar auf das Zusammenwachsen, das Zusammengehörigkeits­gefühl von Bundesländern, in dem Fall von Kärnten und der Steiermark. Diese werden im Übrigen mit der Eröffnung der Koralmbahn am 14. Dezember 2025 zu einem der sieben größten Zentralräume im deutschsprachigen Raum zusammenwachsen. Ich darf dieses Beispiel nennen, weil ich mich sehr freue,


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dass wir mit meinem Kollegen Christopher Drexler sowie mit meinem Kollegen Anton Mattle aus Tirol und unseren Landesregierungen unter Einbe­ziehung der Klubvorsitzenden zusammenarbeiten. Wir stimmen in gemeinsamen Arbeitssitzungen Maßnahmen aufeinander ab und werden diese große Chance nutzen.

Ich halte das auch für eine neue Qualität im Sinne eines Föderalismus, bei dem das Gemeinsame über bisherige, vielleicht auch Zeit-Distanzen obsiegen wird. Allein die Vorstellung einer Verkürzung der Fahrzeit von derzeit 3 Stunden auf 45 Minuten, eines neuen Zentralraums mit 1,1 Millionen Einwohnern, mit 500 000 Arbeitsplätzen und der demografischen Prognose eines Bevölkerungs­wachstums von 2,8 Prozent, zeigt, dass wir alle Anstrengungen zu unternehmen haben, diese große Chance – die sich mitten im Herzen Europas, an der Schnittfläche dreier europaprägender Kulturen bieten wird – wirklich für die Zukunft und natürlich auch für die Gegenwart zu nutzen.

Danke auch für die Erwähnung der Regionalität. Ich sage das nur, damit es auch im Protokoll des hochgeschätzten Bundesrates aufscheint: Die Regionalitäts­charta des Landes Kärnten verpflichtet öffentliche Einrichtungen, einen nicht zu geringen Prozentsatz an Einkäufen regionaler Lebensmittel durchzuführen. Alle Empfänge und Festlichkeiten des Landes Kärnten beispielsweise werden ausschließlich mit regionalen Produkten ausgestattet, um auch unseren engagier­ten Produzentinnen und Produzenten Reverenz zu erweisen.

Liebe Isabella Theuermann, ich freue mich über deine prophetische Aussage. Wenn du bereits jetzt meinst, dass das Kärntner Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz Schwächen gezeigt habe, dann ist das Prophetie, denn es tritt erst mit 1. September dieses Jahres in Kraft. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Bun­desrät:innen von ÖVP und Grünen. – Bundesrat Schreuder: Das ist lustig!)

Ich schätze aber – und das bekenne ich auch prophetisch –, dass wir bei einem kompletten Systemwechsel natürlich die eine oder andere Nachjustierung


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durchführen werden müssen. Ich nehme das auch entsprechend ernst und werde das auch weiterhin tun.

Ich bin sogar einer Meinung mit dir – wir schaffen es ja doch einmal –, dass die Stromgebühren, die Netzgebühren – am liebsten so, wie es bei Autobahnmaut und Ähnlichem ist – österreichweit gleich hoch sein sollten. Da wird es Gewinner und Verlierer geben; wenn man das aber mit vernünftigen Übergangs­fristen macht, wird man es vielleicht auch Preissolidarität unter den österreichischen Bundesländern nennen können. Da ist aber, das sage ich offen, der Bund am Zug.

Einen Satz möchte ich uns allen nicht ersparen, weil es die Debatte über Strompreise, das Meritordersystem und vieles andere gibt: Am Anfang, geschätzte Damen und Herren – und ich sage das jetzt ohne Wertung –, stand eine Debatte über die Liberalisierung einer Grundversorgung. Ich sage ganz offen, vielleicht sind manche Sachen, wie man sie vor 20 Jahren oder etwas weniger betrachtet hat, angesichts jüngerer Ereignisse, Krisen, Abhängigkeiten und nicht mehr vorhandener Autarkie heute anders zu bewerten. Das ist am Beginn gestanden und das sollten wir, auch unsere eigenen politischen Tätigkeiten reflektierend, mitberücksichtigen. Jetzt gilt es dafür zu sorgen, dass es zu einer möglichst gerechten, die Kompetitivität unserer Wirtschaft aufrechterhaltenden Form kommt. Die Grundbedarfe für alle sind aber abzu­decken.

Herzliche Gratulation, Frau Bundesrätin! Es ist mir eine Ehre, dass ich Gegenstand Ihres ersten Redebeitrags in dieser Länderkammer bin. Ich möchte Ihnen in einigen Punkten zustimmen. Natürlich haben wir überall, in allen Branchen zu wenige Menschen, Arbeitskräftinnen-, Arbeitskräftemangel ist auf der Tagesordnung stehend. Wir haben parallel zu dieser Einführung des Kinderstipendiums und Kinder- - (Bundesrat Spanring: ... gendern ...! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) – Man kann ja selektiv weghören, wenn das so wehtut! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.) – Aber die Ausbildung von Elementarpädagoginnen und -pädagogen –


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und ich würde mir, auch in Richtung des geschätzten Bundesrates, wünschen, dass es mehr Männer in diesem so wichtigen koedukativen Bereich gibt – versuchen wir berufsbegleitend zu entwickeln: Wir haben eine Reihe von Maßnahmen parallel dazu angeboten.

Ich kann Sie beruhigen, das zweisprachige Kinderbildungs- und ‑betreuungsgesetz – es wurde gerade lobend und dankend auch von slowenischer Staatsspitze erwähnt – haben wir mit einem eigenen zweisprachigen Kindergartenfonds für private Kindergärten umgesetzt, ohne an Gemeinden verpflichtend ange­bunden zu sein. Wir haben uns auch die positive Entwicklung auf Bundesebene zunutze gemacht und es in Verhandlungen mit Frau Bundesministerin Raab geschafft, dass für entsprechende Sprachfertigungen, die auch Slowenisch umfassen, Förderungen gegeben werden können, was wir uns zunutze machen. Wir werden immer wieder versuchen – ich bin, glaube ich, bekannt dafür –, dass beide Landessprachen bei uns in Kärnten einen entsprechenden Stellenwert haben.

Beim dritten Kärnten Bonus gebe ich Ihnen zu einem Drittel recht. Ja, das Bundes-Zweckzuschussgesetz haben wir beim letzten Mal dafür verwendet, aufbauend auf den Kärnten Bonus, auf den Kärnten Bonus Plus jetzt den Kärnten Bonus Extra auch mit Mitteln der Bundesregierung, vorher aber mit Abschöpfung von Gewinnen des regionalen Energieversorgers letztendlich finanziell zu bestreiten.

Zum Herrn Kollegen von den NEOS, Herrn Arlamovsky: Ja, ich bin auch der Meinung, dass mit Geldmitteln, mit Finanzausgleichsverhandlungen Reformschritte mit anzudenken sind. Meiner Meinung nach ist es aber dann keine Reform, wenn man auslaufende Pflegefonds nach fünf Jahren, weil sie zu Ende sind, neu dotieren muss – oder will man ansonsten die Pflegenden irgendwo auf der Straße liegen lassen? –, dass man dafür dann das, was man bisher gezahlt hat, noch einmal hinzurechnet. Ich glaube, wir werden da sehr vernünftig und das Ziel im Auge habend verhandeln müssen.


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Die kleineren Gruppen et cetera im pädagogischen Bereich haben wir – aber auch der Praxis angepasst und die Probleme berücksichtigend; über sechs Jahre mit einem Kind, Reduzierung von 25 auf 24 und so weiter – für eine Legisla­turperiode gemeinsam mit der ÖVP ins Auge gefasst.

Ein letzter Punkt betreffend Primärversorgungszentren et cetera: Ich glaube, da fallen jetzt einige Barrieren weg, indem es kein Veto der Ärztekammer gibt oder keine Zustimmung mehr proaktiv geben muss. Da wird es mehr und mehr – und das ist, glaube ich, auch das Wesen einer notwendigen Gesundheitsreform – dazu kommen müssen, dass wir eine Situation haben, dass die regionalen Strukturpläne Gesundheit in Kombination mit dem Sozialversicherungsträger eine vernünftige Weiterentwicklung festlegen. Danke auch noch einmal für die Unterstützung, wir sind hier wirklich wesenseins.

Ich sage es noch einmal, und das nicht nur, weil ich heute hier vor Ihnen stehe: Ich halte den österreichischen Bundesrat für weitaus wichtiger, als er auch in der schreibenden und vielleicht politisch analysierenden Berufszunft gesehen wird. Er ist das Lebendige unserer Regionen, Städte und Täler. In dem Sinne: Machen Sie gut weiter! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.35


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet hat sich jetzt noch einmal Bundesrätin Isabella Theuermann. – Bitte.


10.35.28

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Zum Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz: Es ist eigentlich noch schlimmer, dass das schon in den Vorbereitungen sehr große Schwachstellen aufzeigt, weil die Kindergartenträger, die ja meist die Gemeinden sind, überhaupt nicht wissen, wie sie das Ganze handhaben sollen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Ja, es ist leider so, Herr Kollege.


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Sie brauchen mehr Platz, die Gruppengrößen sinken, die Betreuungsplätze fallen teilweise weg, weil die Gemeinden das Geld, um zu bauen, einfach nicht haben. Sie brauchen mehr Personal, das nicht vorhanden ist, und somit ist das einfach eine unausgereifte Geschichte, die so nicht funktioniert und die die Gemeinden überfordert. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.36


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

10.36.21Aktuelle Stunde


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Aktuelle Chancen und Potenziale in der Digitalisierung für Bund und Länder“

mit Herrn Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M., der seine Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Herrn Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc wahrnehmen lässt.

Ich darf den Herrn Staatssekretär herzlich willkommen heißen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner beziehungsweise eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Staatssekretärs, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je eine Rednerin oder ein Redner der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit. Zuletzt


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kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Staatssekretärs erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck. – Bitte.


10.37.38

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die uns heute auf digitalem Wege folgen! „Digitalisierung im Blick: Handelstag zeigt erfolgreiche Wege und digitale Lösungen für NÖ Betriebe auf“, Europäische „Notarentage 2023: Digitalisierung“ der Justiz „im Fokus“ und „FC Bayern: Meister der Digitalisierung“ – drei ganz exemplarisch ausgewählte Schlagzeilen aus meinem Newsfeed der vergangenen Monate, die, glaube ich, eines ganz deutlich zeigen: Digitalisierung bewegt und Digitalisierung beschäftigt. (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Wir alle haben nicht nur in der Pandemie erlebt, dass die Digitalisierung einen regelrechten Anschub bekommen hat, die digitale Transformation schreitet auch jetzt weiter voran. Sie beschäftigt sich mit immer neuen Themen und Fragestellungen. Sie schafft immer neue Chancen und Potenziale, und zwar quer durch alle Lebensbereiche – ob es darum geht, Unternehmen bei der digitalen Transformation zu unterstützen, neue Angebote wie Webshops für Kundinnen und Kunden zu schaffen, ob es darum geht, durch die Digitalisierung den Zugang zur Justiz, zu notariellen Dienstleistungen zu erleichtern oder Datenbanken für die Justiz zu nutzen und sie reicht eben bis zu König Fußball, wo man in der Allianz-Arena mittlerweile mittels App die Pausenverpflegung bestellen kann.

So vielfältig die Anwendungsfelder auch sein mögen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Anspruch, ein ganz grundsätzliches Prinzip, bleibt dabei immer gleich: einfach, bequem, ja, vor allem aber auch sicher. Dieser Anspruch gilt, dessen müssen wir uns bewusst sein, ganz besonders auch, wenn es darum geht, im öffentlichen Bereich Chancen für Bürgerinnen und Bürger zu


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schaffen, wenn es darum geht, aus den Chancen der Digitalisierung auch einen echten Mehrwert für die Menschen in Österreich zu stiften.

Lassen Sie mich das vielleicht so skizzieren: So einfach wie es heute geht, auf Amazon etwas zu bestellen oder per Mausklick eine Reise zu buchen, so einfach und bequem muss es auch sein, auf digitalem Weg Amtswege zu erledigen, und das – ich glaube, das ist ganz entscheidend – unter Erfüllung höchster Sicherheitsansprüche.

Beispiele, wie Gemeinden und Länder erfolgreich Angebote mit Mehrwert für ihre Bürgerinnen und Bürger schaffen, gibt es mittlerweile eine Vielzahl. Ich denke da an maßgeschneiderte Gemeindelösungen wie in meinem Heimatbezirk Mödling oder an die kleinere Gemeinde Laxenburg, die eine App ins Leben gerufen hat, mit der man nicht nur Zugang zum Badeteich und zum Altstoffsam­melzentrum hat, sondern auch via Pushbenachrichtigung Informationen erhält. Es wurde auch ein Punktesammelanreizsystem geschaffen, um auch die dortige regionale Wirtschaft anzukurbeln und das Einkaufen vor Ort zu fördern.

Ich denke auch an die 3E-Strategie meines Heimatbundeslandes Niederöster­reich für eine einfache, effiziente und elektronische Verwaltung und natürlich auch an das Haus der Digitalisierung in Tulln, unser Leuchtturmprojekt, mit dem wir einerseits ganz gezielt KMUs, Unternehmen auf den Weg in die Digitalisie­rung begleiten wollen, es geht uns damit aber auch darum, Bewusstsein zu schaffen sowie digitale Kompetenzen zu stärken und zu erhöhen.

Auch im Bund gibt es erfolgreiche Beispiele. Denken Sie an das Digitale Amt, die Handysignatur oder den digitalen Führerschein, der bisher von mehr als 302 000 Österreicherinnen und Österreichern aktiviert wurde! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Vor diesem Hintergrund, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es besonders wichtig und zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit dem Digital-Austria-Act jetzt sozusagen ein ganz umfassendes Systemupdate der


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bisherigen Digitalisierungsstrategie vorgelegt hat – mit insgesamt 117 Maßnahmen und 36 Digitalisierungsgrundsätzen, die ressortübergreifend nicht nur alle Mitglieder der Bundesregierung betreffen, sondern die sich auch quer durch alle Lebensbereiche spannen.

Einfach, bequem und sicher lautet auch hier das Motto, wenn es etwa darum geht, dass Gesetze künftig einem Digicheck unterzogen werden sollen, dass man das Digitale Amt hin zu einem echten Smartgovernment ausbaut oder dass man beispielsweise im Gesundheitsbereich ganz gezielt daran arbeitet, praxisorientierte digitale Lösungen umzusetzen. Wir alle haben gestern eine solche Maßnahme beschlossen, nämlich den digitalen Eltern-Kind-Pass. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Wettbewerbsentscheidend, wenn es darum geht, die Chancen der Digitalisie­rung für die Bürgerinnen und Bürger zu nutzen, ist es aber auch, dass wir beim Thema Digitalisierung alle mitnehmen, dass wir die digitale Kluft möglichst abbauen und dass wir digitale Kompetenzen im Land möglichst auf- und ausbauen. Dazu ist erst in der vergangenen Woche im Ministerrat ein Digitale-Kompetenz-Paket beschlossen worden – mit dem Ziel, dass man einerseits einen flächendeckenden und einheitlichen Kompetenzrahmen hat und andererseits auch ganz praxisorientiert Workshops für digitale Basiskompetenzen auf den Weg bringen kann.

Dann gibt es, glaube ich, noch ein Thema, dem wir uns in Zukunft ganz intensiv widmen müssen, das ist die künstliche Intelligenz. Gerade unser Nationalrats­präsident Wolfgang Sobotka hat da ja auch schon Initiativen gesetzt. Ich denke, es geht wirklich darum, alles zu tun, Gefahren und Risiken dieser neuen Technologie abzuwägen, aber vor allem auch – und diesen Fokus möchte ich schon setzen – die Chancen, die daraus entstehen, zu nützen, nämlich die Chancen für unsere heimischen Unternehmen.

Ich glaube, vor diesem Hintergrund kann Europa mit der Einführung des AI-Acts ein wirklicher Vorreiter sein, auch weltweit Standards setzen. Das ist eine echte


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Chance für den Standort Europa, und ich darf dich, sehr geehrter Herr Staatssekretär, auch bitten, diese Umsetzung weiterhin so aktiv zu begleiten und da wirklich auch aufs Tempo zu drücken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Folgendes möchte ich an der Stelle nämlich abschließend auch noch sagen: Damit wir die Chancen der Digitalisierung nutzen können, gilt es ganz besonders auch das Tempo zu erhöhen, denn die Digitalisierung wird nie wieder so langsam voranschreiten, wie sie es jetzt tut. Ich darf das anhand eines Beispiels illustrieren: Lange Zeit galten 50 Millionen Nutzer weltweit als sozusagen die Marke, ab der sich eine Technologie weltweit durchsetzt. (Bundesrätin Schumann: ... wir haben eine KI!) Bei der Telefonie hat es 50 Jahre gedauert, beim Fernsehen 22 Jahre, beim Internet sieben Jahre, bis 50 Millionen Nutzerinnen und Nutzer das genutzt haben. Zuletzt hat Meta über seinen Twitter-Wettbewerber Threads bekannt gegeben, dass die Marke von 100 Millionen Nutzerinnen und Nutzern innerhalb von fünf Tagen überschritten wurde.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich Sie alle einladen, als Tempomacherinnen und Tempomacher mitzuwirken und gemeinsam sozusagen die Schlagzeile für die Zukunft zu schreiben, nämlich Österreich als Chancenreich für die Digitalisierung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

10.45


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.


10.45.39

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Na, das war ja ein Feuerwerk einer Werbedurchsagerede, würde ich einmal sagen. (Bundesrat Himmer: Weiter so! – Bundesrat Tiefnig: Die Energie der Jugend ist das gewesen!) Keine Angst, Frau Kollegin: 3,6 Milliarden Menschen auf der Welt sind derzeit vom Internet


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gänzlich abgeschnitten. Die Welt insgesamt kann also noch sehr viel Tempo aufnehmen, und auch Österreich kann noch viel Tempo aufnehmen.

Die nächste Frage, die sich hier immer wieder stellt, ist immer jene nach der Zielsetzung. Was ist die Zielsetzung von Digitalisierung? Ist die Zielsetzung, dass die Arbeitsweisen erleichtert, Verwaltungskosten gesenkt oder die Aktenverwaltung vereinfacht werden, oder geht es nur darum, Personalkosten einzusparen? Es ist ein verhängnisvoller Weg, den wir immer wieder sehen, dass man sagt, in erster Linie geht es darum, Menschen aus dem Arbeitsprozess herauszunehmen und nicht, die Digitalisierung zu einem Werkzeug zu machen, um Arbeit zu vereinfachen und Arbeitsplätze zu verbessern. – Das ist einmal eine Situation.

Die Frau Kollegin hat in ihrer Rede gerade noch die digitale Kluft unter­gebracht. Die digitale Kluft ist etwas, das uns enorme Sorgen macht, und zwar nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Der UN-Generalsekretär hat sich dazu geäußert und gemeint, dass zum Beispiel bei Gesundheitsinforma­tionen die digitale Kluft eine Frage von Leben und Tod sei. – Das muss man einmal so sehen.

Die digitale Kluft, wenn wir jetzt wieder nach Österreich blicken, gibt es zwischen Einzelpersonen, zwischen Haushalten und Unternehmen, zwischen geografischen Gebieten, also zwischen Stadt und Land, zwischen unterschiedlichen sozioökonomischen Ebenen, und natürlich spielt auch der unterschiedliche Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien eine Rolle. Das alles sind Dinge, die wir hier berücksichtigen müssen, also nicht nur die Generationenfrage.

Was wir immer brauchen, ist, dass wir um offene Zugänge kämpfen müssen, gerade dann, wenn wir hier von Ländern und Gemeinden sprechen. Es muss also alles auf beide Weisen angeboten werden; es darf kein Zwang zum Mobile Phone da sein, sondern es muss immer eine Möglichkeit der offenen Ressourcen sein.


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Wenn ich daran denke, dass der Bildungsminister vor wenigen Tagen zu diesem Thema im Nationalrat gesprochen hat: Herr Staatssekretär, auf Ihre Inspirationsreise hätten Sie vielleicht den Bildungsminister mitnehmen sollen (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Hahn und Steiner), denn auf die Frage, wie es denn mit der Digitalisierung in den Schulen aussieht, kam die Antwort, es werde den digitalen Schülerausweis geben. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann. – Bundesrätin Hahn: Wow, den braucht es unbedingt!) Was wir brauchen, ist Kompetenz in der Schule. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es ist zwar nett, wenn es einen digitalen Schülerausweis gibt, es ist auch nett – was die Kollegin gesagt hat –, dass es den digitalen Führerschein gibt, das ist alles sehr nett, das kann man alles machen (Bundesrätin Zeidler-Beck: Ich habe auch das Digitale-Kompetenz-Paket erwähnt!) – ja, ist ja alles gut –, aber wichtig ist, dass wir da vor allem darauf schauen: Junge Leute benötigen heute die entsprechende Ausbildung und die entsprechende Kompetenz und müssen vor allem auch einen verantwortungsvollen Umgang mit allem, was mit Internet zu tun hat, beherrschen.

Herr Staatssekretär, die künstliche Intelligenz ist gerade von der Frau Kolle­gin eingefordert worden. Künstliche Intelligenz ist eine der heißesten Forschungen auf dieser Welt. Wissen Sie, was diese Regierung im Budget dafür vorgesehen hat? (Bundesrat Schreuder: ... auf digitalaustria.gv.at, oder was?) – In Österreich 7 Millionen Euro! Das ist in anderen Bereichen ein Huster. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir heute das Thema Städte und Gemeinden haben, dann kommen wir zur Grundaufgabe der Städte und Gemeinden, und da ist die digitale Kluft von besonderer Bedeutung. Städte und Gemeinden haben nämlich die Daseinsvor­sorge zu garantieren und abzusichern. Da können wir uns eine digitale Kluft, eine Benachteiligung nach ethnischer Zugehörigkeit, nach unterschiedlichen Bildungsgraden nicht leisten. Das heißt, der Zugang zur Daseinsvorsorge muss


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auf jede Art und Weise garantiert sein und kann nicht durch eine digitale Kluft Menschen hinausschmeißen oder schwer benachteiligen.

Was, glaube ich, gerade für den Schulbetrieb notwendig ist – was der Herr Bildungsminister noch nicht so ganz drauf hat –, ist, dass wir von den ganz großen amerikanischen Anbietern – ich meine, Sie waren gerade dort, in Amerika – wegmüssen und die Open-Source-Produkte forcieren müssen. (Bundesrat Schreuder: Na, in Wien zum Beispiel! Da wird das nicht- -! Wien hat aufgehört damit! Wien hat’s gestoppt!) – Ja, aber der nächste Schritt kommt, mein Lieber! (Bundesrat Schreuder: Ja, Entschuldigung, du kannst ja fordern, aber Wien hat gestoppt! Du bist Wiener SPÖ-Bundesrat!) – Ja, bin ich! Auch die Diskussion haben wir in Wien: dass das, was einmal gestoppt wird, nicht für immer gestoppt sein muss. Wichtig ist aber: Open-Source-Produkte in den Schulen sind etwas, mit denen unsere Schüler und Schülerinnen umgehen müssen.

Eines müssen wir komplett bekämpfen – möglicherweise wird meine Kollegin Hahn da auch noch darauf zurückkommen –, nämlich den digitalen Analphabetismus. Das ist etwas, was genauso unter den Nägeln brennt. Es ist, Kollege Schreuder, einfach das Augenmerk darauf zu lenken, dass die Dienste inklusiv sind, dass sie gerecht sind, dass sie zugänglich, bezahlbar und sicher für alle zu gestalten sind. Es gibt eine Goldgräbermentalität, und das Gold der heutigen Tage heißt Daten. Daten, Daten, Daten! Das ist das heiß begehrte Gold, und da müssen wir noch mehr – gerade in Schulen – schauen, dass die Daten der Schüler und Schülerinnen sicher sind.

Gerade in der Verwaltung müssen wir schauen, dass die Daten sicher sind, auch wenn wir einen universellen Zugang zum Internet herzustellen und die Digitalisierung zu befördern haben. Das ist die Zukunft, da kann ich zu meiner Vorrednerin nur sagen: Ja, das ist sie, aber sie muss den Menschen dienen! Es kann ja nicht sein, dass die Apotheken – wenn ich ein Beispiel nehme –, die früher immer ein sehr guter Arbeitsplatz waren, heute alle so umgebaut werden, dass eigentlich die Robots im ersten Stock rennen (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig) und zwei Drittel des Personals von Apotheke zu Apotheke abgebaut


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werden. Ist das ein Fortschritt? – Für mich ist das kein Fortschritt, denn dass Menschen Arbeit haben und Arbeit vorfinden: Das sind politische Maßnahmen, die wir dahinter auch überlegen müssen.

Wir müssen nicht nur sagen: Ja, digitalisieren wir! Setzen wir Robotechnik ein! Führen wir die künstliche Intelligenz ein!, wichtig ist, dass es bei allen Vorgängen, bei denen Menschen in der Verwaltung – in Städten, Gemeinden, in der Sozialversicherung, in der Daseinsvorsorge – Onlineabwicklungen machen, auch noch Menschen gibt, die beraten: die Beratungsdienste. Das ist gerade eine Forderung, die erst kürzlich im Europarat in einer Resolution aufgestellt wurde: dass, um keine Menschen auszuschließen, gerade bei Verwaltungsverfahren die Bedeutung dieser Beratungsdienste mitgedacht wird.

In diesem Sinne: Die Digitalisierung kommt. Wir hoffen, dass sie auch die österreichischen Schulen in entsprechender Weise erreicht. Wir sollten aber immer bedenken, dass die Digitalisierung nicht nur das Ziel haben sollte, Arbeitsplätze einzusparen. Das wäre der falsche Weg. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.56


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


10.56.12

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Der Titel der heutigen Aktuellen Stunde lautet: „Aktuelle Chancen und Potenziale in der Digitalisierung für Bund und Länder“. Herr Staatssekretär, die Frage, die sich für mich stellt, ist: Wäre nicht der Titel Chancen und Potenziale in der Digitalisierung für die Bevölkerung, für die Wirt­schaft, in der Stadt und auf dem Land sinnvoll? (Beifall bei der FPÖ.)


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Es ist bei allem im Leben so: Es gibt nichts, das Vorteile hat, ohne auch Nachteile mit sich zu bringen: Effizienzsteigerung durch die Digitalisierung für Unter­nehmen – um ihre betrieblichen Abläufe zu optimieren und zu automatisieren. Manuelle Prozesse werden durch digitale Systeme ersetzt, was Zeit und Ressourcen spart. Natürlich kann die Digitalisierung auch zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Zudem können digitale Prozesse zum Beispiel den Bedarf an physischen Ressourcen und Papier reduzieren, was zu weiteren Einsparungen führt.

Durch die Digitalisierung haben Unternehmen die Möglichkeit, ihre Produkte und Dienstleistungen am globalen Markt anzubieten. Das Internet ermöglicht den Zugang zu Kunden auf der ganzen Welt – unabhängig von geografischen Einschränkungen. Dies eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten und potenziell größere Kundengruppen. Digitale Kanäle wie E-Mail, soziale Medien und Unternehmenswebsites erleichtern die Kommunikation mit dem Kunden. Unternehmen können direktes Feedback erhalten, Kundenanfragen schnell beantworten und personalisierte Marketingbotschaften senden. Eine bessere Kundenkommunikation kann zu einer stärkeren Kundenbindung und einer höheren Kundenzufriedenheit führen.

Durch die Digitalisierung generieren Unternehmen große Mengen an Daten. Mithilfe von Datenanalysetools können sie wertvolle Einblicke gewinnen und fundierte Geschäftsentscheidungen treffen.

Die Digitalisierung fördert Innovation in der Wirtschaft. Neue Technologien und digitale Lösungen ermöglichen die Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen. Unternehmen können neue Geschäftsmodelle erforschen und innovative Ansätze zur Problemlösung finden.

Die Digitalisierung ermöglicht es Unternehmen, flexibler und agiler zu sein. Digitale Tools und Plattformen erleichtern die Zusammenarbeit in Teams – unabhängig von Standorten. Unternehmen können schnell auf Marktverände­rungen reagieren und ihre Geschäftsmodelle anpassen.


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Diese Vorteile der Digitalisierung tragen dazu bei, dass Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und ihr Wachstumspotenzial ausschöpfen können. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung sorgfältige Planung, Investitionen in die Technologieinfrastruktur und Schulungen für Mitarbeiter erfordert.

Wie aber bereits vorhin erwähnt, gibt es natürlich auch Nachteile. Die Automatisierung und der Einsatz von digitalen Technologien können und werden zu Arbeitsplatzverlusten führen. Wenn menschliche Arbeitskräfte durch Maschinen oder Software ersetzt werden, werden bestimmte Jobs überflüssig werden.

Mit der zunehmenden Abhängigkeit von digitalen Systemen steigen auch die Sicherheitsrisiken. Cyberkriminalität wie Hacking und Datendiebstahl wird zu einer wachsenden Bedrohung. Unternehmen müssen bereits jetzt erhebliche Anstrengungen unternehmen, um ihre digitalen Systeme vor Angriffen zu schützen und die Privatsphäre sensibler Informationen zu gewährleisten.

Die Digitalisierung kann zu einer Kluft zwischen denjenigen, die Zugang zu digitalen Technologien haben, und denen, die keinen Zugang haben, führen – aber dazu komme ich später noch.

 Insbesondere in ärmeren Regionen oder bei benachteiligten Bevölkerungs­gruppen kann der Mangel bezüglich Zugang zu digitalen Ressourcen zu einer weiteren Marginalisierung führen.

Eine starke Abhängigkeit von digitalen Systemen und Technologien kann zu Risiken führen. Störungen oder Ausfälle in der Technologieinfrastruktur können zu erheblichen Beeinträchtigungen der Geschäftsprozesse führen. Zudem können Unternehmen anfällig für technische Probleme oder Ausfälle sein, was zu Produktionsverzögerungen oder Kundenserviceproblemen führen kann.

Die Digitalisierung geht oft mit der Sammlung und Speicherung großer Mengen an persönlichen Daten einher. Dies wirft Datenschutzbedenken auf, da die


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missbräuchliche Verwendung von Daten zu Identitätsdiebstahl oder Verletzun­gen der Privatsphäre führen kann. Es ist wichtig, angemessene Daten­schutzrichtlinien und -praktiken zu implementieren, um diese Risiken zu minimieren.

Die zunehmende Digitalisierung kann zu einem Verlust von persönlichen Interaktionen führen. Wenn Kundenbetreuung oder -kommunikation hauptsächlich über digitale Kanäle stattfindet, kann dies zu einer Entfremdung oder Verminderung der persönlichen Beziehungen führen. Es ist wichtig, diese Nachteile zur Kenntnis zu nehmen und Strategien zu entwickeln, um mit ihnen umzugehen. Eine ausgewogene Herangehensweise an die Digitali­sierung, die sowohl die Vorteile als auch die Risiken berücksichtigt, ist entschei­dend, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Da jetzt Ihrerseits die Chancen für Bund und Länder aufgrund der Digitali­sierung angesprochen wurden: Natürlich wird durch diese der öffentlichen Verwaltung ermöglicht, effizienter zu arbeiten und Bürgern und Unternehmen ein besseres Service zu bieten. Durch die Bereitstellung von Onlinediensten und -plattformen können Behördengänge vereinfacht und beschleunigt werden. Zudem können digitale Lösungen die Zusammenarbeit und den Informationsaus­tausch zwischen verschiedenen staatlichen Institutionen verbessern.

Die Digitalisierung bietet Möglichkeiten zur Modernisierung des Bildungs­systems. Durch den Einsatz von digitalen Technologien und Online­lern­plattformen können Lerninhalte interaktiver und individualisierter gestaltet werden.

Digitale Lösungen im Gesundheitswesen bieten Chancen für eine effizientere Patientenversorgung und verbesserte medizinische Diagnosen. Telemedizinische Anwendungen ermöglichen Fernkonsultationen und den Austausch von medizinischen Informationen. Digitale Gesundheitsakten erleichtern den Zugriff auf Patientendaten und ermöglichen eine bessere Koordination der Behand­lung.


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Unter anderem bieten diese Bereiche Bund und Ländern die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen zu verbessern, effizienter zu arbeiten und Innovationen voranzutreiben. Es ist jedoch wichtig, Investitionen in die Technologieinfra­struktur, die Ausbildung von Fachkräften und Vorkehrungen für den Schutz der Privatsphäre und die Sicherheit zu berücksichtigen, um die Chancen der Digitalisierung optimal zu nutzen.

Der Ausbau der digitalen Infrastruktur, insbesondere schnellerer Breitbandver­bindungen, schafft die Grundlage für eine effektive digitale Transformation. Bund und Länder können – nein, sie müssen! – in den Ausbau der Netzinfrastruk­tur investieren, um sicherzustellen, dass alle Regionen von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren können.

In meiner eigenen Wohnsitzgemeinde stehen wir beispielsweise vor folgen­den Herausforderungen: Seit längerer Zeit sind wir mit mehreren Netzanbietern in Verbindung. Der eine verlegt Leerverrohrungen, wenn aufgegraben wird, und baut ein richtiges Verteilernetz auf. Das hat den Vorteil, dass spätere Anschlussmöglichkeiten vorhanden sind, dauert dadurch aber natürlich wesent­lich länger. Der andere Anbieter verlegt die Anschlüsse, die jetzt benötigt werden, nur sternförmig, und die Anschlussmöglichkeiten sind erschwert, wenn in zwei Jahren weitere Teilnehmer einen Anschluss haben wollen.

Herr Staatssekretär! Wissen Sie, was da fehlt? – Es fehlt ein richtiges Förder­system für die Gemeinden, mit welchem den Gemeinden die flächendeckende Verlegung der Leerverrohrungen entsprechend gefördert wird. Das wäre der gewünschte Impuls, um dem Thema Digitalisierung, welches in direkter Verbindung mit dem Glasfaserausbau steht, den benötigten Turbo zu verpassen und die nötige Gleichberechtigung zwischen Stadt und Land herzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dadurch wird auch eine Aufwertung der Grenzgemeinden und Grenzregionen ermöglicht, da durch den Einsatz digitaler Kommunikationskanäle Bund und


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Länder auch enger mit anderen Ländern zusammenarbeiten, um gemeinsame Herausforderungen anzugehen.

Die zusätzlichen Chancen zeigen, dass die Digitalisierung weitreichende Aus­wirkungen auf verschiedene Bereiche der öffentlichen Verwaltung, der Wirtschaft und der Gesellschaft hat. Dadurch, dass Bund und Länder diese Chancen nutzen und auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausfor­derungen reagieren, können sie eine zukunftsorientierte und innovative digitale Agenda vorantreiben.

Bei meiner Recherche habe ich mir auch die Auswirkungen der Digitalisierung auf die verschiedenen Altersgruppen angesehen. Sehen wir uns zunächst die ältere Generation, 60 plus, an: Ältere Menschen können von der Digitalisierung profitieren, indem sie Zugang zu Informationen, Kommunikationsmöglichkeiten und Onlinediensten erhalten. Die digitalen Geräte und Technologien wie Tablets, Smartphones und soziale Medien ermöglichen es diesen Menschen, mit ihren Familien und Freunden in Kontakt zu bleiben. Zudem können ihnen digitale Gesundheitslösungen den Zugang zu medizinischer Versorgung und Informatio­nen erleichtern. Allerdings kann es für einige ältere Menschen auch eine Herausforderung sein, sich mit den neuen Technologien vertraut zu machen, und es besteht das Risiko der digitalen Kluft.

Die erwerbstätige Generation im Alter zwischen 20 und 60 ist mit massiven Auswirkungen auf die Arbeitswelt konfrontiert. Für die Erwerbstätigen eröffnen sich neue Möglichkeiten in Form von flexiblerem Arbeiten, Remotearbeiten und digitalen Plattformen. Gleichzeitig kann es jedoch auch zu Arbeitsplatzverlusten durch Automatisierung und den Einsatz von künstlicher Intelligenz kommen. Ständige Weiterbildung und Anpassung an neue Technologien sind wichtig, um beruflich wettbewerbsfähig zu bleiben.

Für die jüngste Generation ist die Digitalisierung offensichtlich allgegenwärtig und prägend. Die jungen Menschen sind mit den Technologien von Smart-


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phones, mit sozialen Medien und Onlinediensten aufgewachsen. Die Digitalisie­rung bietet ihnen den Zugang zu Bildung, Onlinelernplattformen und beruflichen Möglichkeiten im Bereich der digitalen Wirtschaft. Gleichzeitig können jedoch auch Herausforderungen wie erhöhte Bildschirmzeit, Abhängigkeit von sozialen Medien und Datenschutzrisiken auftreten. Die Digitalisierung hat auf Kinder und Jugendliche sowohl positive als auch negative Auswirkungen, jedenfalls können sie aber von den Vorteilen digitaler Bildung und vorhandener Onlineressourcen profitieren.

Da meine Redezeit schon zu Ende geht, möchte ich nur noch ganz kurz über digitale Ausbildung an den Schulen berichten. So wurde zum Beispiel – so ist es derzeit – in einer benachbarten Schule im Bezirk Mistelbach zwischen der fünften und der achten Schulstufe in diesem Zusammenhang ein Pflichtfach eingeführt, die Kinder werden aber nur eine einzige Stunde unterrichtet, und das ist unserer Meinung nach zu wenig. Außerdem besteht auch das Problem, dass viele Lehrer dafür nicht die richtige Ausbildung haben.

Darum fordern wir Freiheitliche, dass man es auf der einen Seite schafft, dass der Bund von seiner Seite aus die Gemeinden und Länder unterstützt, dass es einerseits die richtige Verrohrung gibt und man die Glasfaserverkabelung ausbauen kann (Bundesrat Schreuder: Jederzeit!) und dass man auf der anderen Seite die Lehrpläne anpasst. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.07


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


11.07.56

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Digitalisierung ist natürlich immer ein unglaublich spannendes. Ich meine, dass man im Hinblick darauf Folgendes nie vergessen darf: Im Bereich des Klimaschutzes sind wir tatsächlich die letzte Generation, die noch etwas ändern


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kann. Wir sind aber auch die letzte Generation von Menschen, die noch beide Welten kennt, nämlich die analoge Welt und die digitale Welt. Das wird bei der nächsten Generation nicht mehr so sein. Diese wird nur noch die digitale Welt kennen.

Ich schaue jetzt auch ganz bewusst Frau Kollegin Eder-Gitschthaler an, die nicht müde wird, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es auch sehr viele Menschen gibt, die mit der digitalen Welt tatsächlich noch ihre Probleme haben. Einerseits müssen wir digitalisieren, weil natürlich der Druck groß ist und der Wunsch nach Einsatz dieser einfachen Mittel zu Recht besteht, um auch die Verwaltung digital zugänglicher zu machen, andererseits tun sich viele ältere Menschen – wenn auch nicht nur ältere, aber natürlich vor allem ältere Menschen – durchaus schwer damit. Das ist eine große Herausforderung für die Verwaltung, und das ist die große Verantwortung, die wir haben. Es liegt in unserer Verantwortung, Zugänglichkeiten zu schaffen und die Verwaltung einerseits digital zu machen, andererseits aber für alle zugänglich zu machen. Das macht das Ganze eigentlich auch spannend.

Ich möchte an dieser Stelle allerdings schon sagen, dass wir in Österreich dies­bezüglich wirklich enorm weit sind. Dazu darf ich vielleicht eine kurze persönliche Geschichte erzählen: Ich war vor drei Wochen in Berlin und hatte dort einen kleinen Unfall. Weil ich eine Prellung hatte und aufgeschürft war, habe ich mir gedacht: Ich glaube, meine Tetanusimpfung ist schon wieder eine Zeit her. Daher habe ich mir gesagt: Geh lieber in die Charité und lass das anschauen!

Man hat das dort angeschaut, es war ein kurzer Check – Gott sei Dank nichts gebrochen, da war ich froh, aber machen wir doch lieber die Tetanusimpfung! Dann habe ich so einen Zettel mit einem Stempel für die Tetanusimpfung bekommen. Ich sage: Ah super, können Sie mir das geben? Dann kann ich zu meinem Arzt gehen, damit ich es in meinen elektronischen Impfpass eintragen kann. Die Ärztin schaut mich an und sagt: Ach, Sie sind Österreicher, nicht? Wir


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haben dat nich. (Heiterkeit des Redners.) Sie hat mir gesagt, dass sie das auch wirklich gerne hätten.

In diesen Digitalisierungsfragen ist zum Beispiel Deutschland tatsächlich noch nicht so weit fortgeschritten wie wir. Ich muss wirklich sagen, wenn man elektronische Wege machen muss – egal ob mit Handysignatur oder schon mit ID Austria –: Viele Dinge sind jetzt tatsächlich in einer Art und Weise möglich, wie ich es vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten hätte, dass das so schnell geht. Ich finde, das ist wichtig zu sagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte mich eh ausdrücklich bei Ihnen, Herr Staatssekretär, bedanken. Das Thema der Digitalisierung – das merkt man ja auch in dieser Debatte – schreitet hierzulande schnell voran. Wenn man sich an den gestrigen Bundesratstag erinnert, sind die meisten Diskussionen mittlerweile ausschließlich von Empö­run­gen, von politischem Brutalismus und Hooliganismus und von sofortigen Aufregungen geprägt. Die Themen der Digitalisierung werden eigentlich noch einigermaßen sachlich und ohne die üblichen Empörungswellen diskutiert. Das finde ich ganz gut.

Ich möchte mich im Übrigen auch ausdrücklich bei meinem Kollegen im Natio­nal­rat Süleyman Zorba bedanken, der sich wahnsinnig in dieses Thema hineinkniet. Ich durfte ja das Thema Digitales bei den Regierungsverhandlungen mitverhandeln und finde schon, dass wir da auch wirklich weit vorangeschritten sind.

Der Digital-Austria-Act ist tatsächlich, finde ich, ein Meilenstein für die Digitalisierung in Österreich. Ich kann allen, die jetzt zuschauen, nur empfehlen, einmal auf digitalaustria.gv.at hineinzuschauen, denn – und ich habe jetzt nur noch 5:50 Minuten Redezeit – dort sind 117 Maßnahmen, die genau erklärt werden, und 36 Digitalisierungsgrundsätze zu finden. Einer ist spannender als der andere – das muss man wirklich sagen – und auch sehr erhellend, weil man


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dann auch draufkommt, wo das eigentlich überall hineinkommt, wo Digitali­sierung eine Rolle spielt und wie sehr sie unseren politischen, unseren mensch­lichen, einfach unseren kompletten Alltag prägt.

Da findet man wirklich Themen aus allen Bereichen, die derzeit wichtig sind. Es gibt sicherlich auch noch einiges, wo Nachholbedarf besteht – ich will das überhaupt nicht verschweigen –, aber ein dynamisches Thema hat es so an sich, dass etwas schnell passiert, dass schnell einmal Nachholbedarf da ist und vieles zu tun ist.

Ein Bereich in diesem Act ist zum Beispiel – das finde ich auch für uns im Bundesrat ganz spannend –, dass es für die Gesetze jetzt einen Digicheck geben soll, das heißt, dass wir die Gesetze dann automatisch auf den Grad der Digitalisierung prüfen. Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt. Das ist auf jeden Fall auch eine Weiterentwicklung in Richtung digitales Amt und Smartgovernment. Wir brauchen einfache mobile Zugänge zu den Verwaltungs­services des Bundes.

Das Wichtige dabei ist – da schaue ich auch wieder (in Richtung Bundesrätin Eder-Gitschthaler) auf Sie, auf die Vertreter:innen von Seniorinnen und Senioren –: Es muss natürlich der Mensch im Mittelpunkt stehen – auch bei allen Digitalisie­rungsfragen der Verwaltung. Es geht um den Menschen. Es ist ja auch von Frau Zeidler-Beck genannt worden: diese einfachen Klicks. Dass der Mensch auch bei einer Entwicklung im Mittelpunkt steht: Ich glaube, das schaffen wir bei dieser öffentlichen Verwaltung sehr gut.

Man hat in den letzten Jahren oft gedacht, Digitalisierung reicht schon, und hat ein bisschen zu wenig Wert auf die Usability gelegt. Es muss aber tatsächlich so einfach sein wie ein Amazon-Klick oder ein anderer Klick, obwohl es natürlich besser ist, bei heimischen Nahversorgern zu kaufen und nicht bei Amazon. Das möchte ich schon auch sagen. (Heiterkeit des Redners sowie der Bundesrätin Neurauter.)


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Weil wir ja auch im Bundesrat sind: Es wird in Zukunft auch sehr wichtig sein, dass bei all diesen Zugängen nicht jedes Bundesland ein eigenes Süppchen kocht, sondern dass wir alle im Interesse der einfachen und auch der standar­di­sierten Zugänglichkeit an einem Strang ziehen. Das ist bislang auch wirklich gut gelungen. Das möchte ich dazusagen.

Eine langjährige, sehr intensive Kooperation, die es zwischen dem Bund, den neun Bundesländern sowie den Städten und Gemeinden gibt, verfolgt das Ziel einer einheitlichen, vernetzten und abgestimmten Vorgehensweise. Die 80 Ver­treterinnen und Vertreter dieser Gebietskörperschaften haben ein gemeinsames E-Government-Projekt und eine Strategie für die österreichische Verwaltung entwickelt. Das ist ein wichtiges Zeichen. Das ist ein Signal, dass wir dann am besten voranschreiten, wenn wir das zusammen machen und uns nicht gegen­seitig niederknüppeln.

Allerdings muss da auch die Cybersecurity eine wichtige Rolle spielen. Jetzt ist es natürlich schade, dass Landeshauptmann Kaiser nicht mehr da ist, weil ja beispielsweise höchstsensible Daten von Kärntnerinnen und Kärntnern von Hackern gestohlen wurden und im Internet zum Verkauf stehen. Wir müssen wirklich mit Argusaugen darauf achten, dass die Daten unserer Bürgerinnen und Bürger geschützt sind. Da muss ich schon auch die Länder in die Pflicht nehmen, bei der Cybersecurity sehr, sehr aufmerksam zu sein.

Das Thema künstliche Intelligenz ist von Herrn Kollegen Schennach auch schon angesprochen worden. Sie ist auf ebenso vielen Ebenen eine Gefahr und gleichzeitig eine Chance. Sie kann in so vielen Bereichen, wie Klimaschutz, Ökologie, Medizin oder Forschung, von enormer Nützlichkeit sein. Gleichzeitig kann sie – auch das wurde gesagt – für viele Berufe und für uns als Menschheit durchaus auch eine Herausforderung sein, die nicht immer einfach zu bewältigen sein wird, ja, die in gewissen Bereichen sogar eine Gefahr darstellt, der man rechtzeitig auf ethischen Grundwerten begegnen muss. Ich kann auch da nur wieder auf die Webseite digitalaustria.gv.at verweisen, wo es


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einen ganzen Kapitelbereich zur künstlichen Intelligenz gibt und wo man auch sieht, dass zu diesem Thema sehr, sehr viel auf Bundesebene gemacht wird.

Zwei Punkte möchte ich schon auch noch kritisch anmerken, vor allem weil Herr Kollege Schennach das auch angesprochen hat, nämlich zunächst einmal Open Source. Es ist tatsächlich so, dass Open-Source-Projekte zum Beispiel im Ministerium für Bildung, aber auch, Herr Kollege Schennach, bei der Stadt Wien abgestellt worden sind. Die Stadt Wien gibt lieber Millionen Euro für Microsoft-Lizenzen aus, statt auf Open Source zu setzen und heimische Entwicklerinnen und Entwickler zu unterstützen, denn das können die bei den Microsoft-Produkten nicht. Das ist wirklich auch ein Stadt-Wien-Thema, Herr Kollege Schennach, und nicht nur ein Bundthema. (Bundesrätin Hahn: Schauen Sie nach Niederösterreich! Da ist genau dasselbe ...! – Bundesrat Schennach: ... von der Stadt Wien geförderte Start-ups ...!)

Außerdem möchte ich auch einen Punkt sehr positiv hervorheben: die Kompetenzoffensive. Die Kompetenzoffensive ist wirklich eine wichtige Sache. In 3 500 Workshops – hoffentlich in allen Gemeinden in Österreich – wird digitale Kompetenz gestärkt. Da gibt es eben genau für die Menschen Work­shops, die sich mit der digitalen Welt etwas schwertun. (Bundesrätin Hahn: Ja, was mache ich nach einem Workshop?) Ich denke an meine Mama. Jetzt ist sie ganz stolz, weil sie das Tablet bedienen kann, aber sie braucht da schon auch das eine oder andere Mal Hilfe. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja!)

Ja, meine Damen und Herren, wir sind tatsächlich die letzte Generation, die beide Welten kennengelernt hat. In manchen Bereichen weine sogar ich, der ich ein sehr digitaler Freak bin, der analogen Welt hinterher. Man kann aber zum Glück ja auch immer noch Schallplatten kaufen. Im Grunde ist Digitalisierung aber natürlich ein so riesiges und wichtiges Feld, dass wir da alle an einem Strang ziehen müssen.


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Österreich geht da wirklich gut voran, und zwar gemeinsam: die Städte, die Gemeinden, die Länder und der Bund. Das ist gut so. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.18


Vizepräsidentin Margit Göll: Für eine erste Stellungnahme hat sich Herr Staatsekretär Florian Tursky zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.


11.19.10

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Digitalisierung löst in unserer Bevölkerung bei jedem und sicher auch bei Ihnen im Kopf ein gänzlich anderes Bild aus. Das macht es vielleicht oft auch so schwierig, dieses Thema zu greifen.

Wenn wir tagtäglich die Zeitung aufschlagen, gibt es zur Digitalisierung nie ein wirkliches Bild. Bei künstlicher Intelligenz sieht man irgendwelche Synapsen, bei künstlicher Intelligenz und Tourismus sieht man einen Schlüssel, der von einem Roboter übergeben wird – alles vielleicht auch nicht unbedingt die passenden Bilder.

Digitalisierung ist aber etwas, das alle Bereiche unseres Lebens betrifft, vollumfänglich alle Bereiche unseres Lebens, weil sich das Leben Schritt für Schritt weiter von der analogen Welt in die digitale Welt entwickelt. (Wegen der Rückkopplung des Mikrofons ist ein Pfeifen im Saal zu hören. – Bundes­rat Schreuder: Das ist analog, glaube ich! – Heiterkeit bei den Grünen.) – Wahrscheinlich.

Das bedeutet, dass Digitalisierung kein Thema eines einzelnen Ministeriums ist, sondern dass Digitalisierung ein Thema aller Ministerien ist. Das bedeutet auch, dass Digitalisierung nicht nur ein Thema des Bundes ist, sondern – insbesondere darüber wollen wir heute sprechen – ein Thema von Bund, Ländern und


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Gemeinden ist. Das bedeutet meiner Meinung nach – so habe ich auch versucht, das im vergangenen Jahr anzulegen –, dass für mich Digitalisierung kein ideologisches oder kein parteipolitisches Thema ist, sondern ein Thema, das unsere Gesellschaft derartig transformieren wird, dass wir darauf setzen müssen, alle zusammenzuarbeiten.

Da möchte ich mich ausdrücklich bei Ihnen im Bundesrat bedanken, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, dass es uns bis jetzt gelungen ist, über die Parteigrenzen hinweg – sowohl mit allen Bundesländern, aber auch mit allen Fraktionen – bei den maßgeblichen Fragen an einem Strang zu ziehen.

Digitalisierung wird nämlich aus meiner Sicht vor allem bedeuten: Wie wird der Wohlstand zukünftig in unserem Land ausschauen? Wie wir die Chancen der Digitalisierung und Innovation in Österreich nützen, das wird maßgeblich dafür sein, wie sich unser Land weiterentwickelt, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit in unserer Wirtschaft weiterentwickelt und auch, wie sich unser Sozialstaat weiterentwickelt.

Wir haben wegen dieses breiten Felds, weil es eben alle Lebensbereiche, alle Ministerien betrifft, ganz bewusst mit einem gemeinsamen Ministerratsvortrag des Herrn Bundeskanzlers, des Herrn Vizekanzlers und des Herrn Finanz­ministers mit dem Digital-Austria-Act versucht, diese gesamten Lebensbereiche abzubilden, und abzubilden, in welche Richtung wir zukünftig laufen wollen, weil es – da müssen wir auch selbstkritisch sein – in der Vergangenheit schon vorgekommen ist, dass die einen Bundesländer in diese Richtung arbeiten, die anderen in die andere Richtung arbeiten oder dass die verschiedenen Ministerien in entgegengesetzte Richtungen arbeiten, und das soll in Zukunft eben nicht mehr vorkommen.

Ich möchte vier Bereiche, die ich für zentral halte, kurz ansprechen.


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Erstens: Die Basis von allem ist die Infrastruktur, die digitale Infrastruktur. – Ja, da müssen wir auch selbstkritisch sagen, dass uns da in den vergangenen Jahrzehnten eine Strategie gefehlt hat. Als wir uns damit beschäftigt haben, noch Infrastrukturen und Netze zu privatisieren, wäre es möglicherweise an der Zeit gewesen, bundesweit mit Bund, Ländern und Gemeinden ein gemeinsames Glasfasernetz aufzubauen.

Man hat das damals der Privatwirtschaft überlassen, das war die Strategie – aus meiner Sicht und aus heutiger Sicht nicht die richtige Strategie. Wir arbeiten jetzt daran, mit den verschiedenen Breitbandförderungen genau das zu lösen. Klar muss uns sein: Bei der digitalen Infrastruktur ist Österreich Meister, was die mobile Infrastruktur betrifft. Wenn Sie heute mit dem Zug, so wie ich oft, von Innsbruck nach Wien fahren, wissen Sie, es gibt eine Region, wo das mobile Netz nicht funktioniert – das wissen meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Bun­desrat aus Tirol, aus Vorarlberg genau –, nämlich im Deutschen Eck.

Das heißt, da sind wir gut. Das hatte aber auch zur Folge, dass die Nachfrage in der Breitbandförderung nicht so groß war. Das hat sich durch die Pandemie maßgeblich geändert. Es werden gerade 6 Milliarden Euro privatwirtschaftliches Geld in den Breitbandausbau investiert und auch 1,4 Milliarden Euro und noch mehr Geld jetzt durch die zweite Breitbandmilliarde.

Herr Bundesrat Bernard von der FPÖ, ich bin hundertprozentig bei Ihnen, da müssen wir investieren. Ich bin auch sehr froh, dass gerade in Ihrem Heimatbezirk in Mistelbach durch die zweite Breitbandmilliarde jetzt 3,17 Mil­lionen Euro investiert werden, um auch dort weiter für diesen Lücken­schluss zu sorgen. Das ist aber die Basis und das müssen wir auch machen.

Das Zweite ist die Bildung, die Bildung betreffend digitale Kompetenzen. Wir haben die digitale Kompetenzoffensive aufgesetzt, und das ist etwas, das nicht nur in den Schulen passieren sollte. Wir brauchen digitale Kompetenzen vom Kindergarten bis ins Altersheim. Oft wird auch nur die ältere Bevölkerung adressiert, und auch das ist falsch. Nur weil ein Jugendlicher gut am Handy


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wischen kann, bedeutet das nicht, dass er darüber informiert ist, welche Betrugsmöglichkeiten es im Internet gibt oder was ein sicheres Passwort ist.

Da haben wir Aufholbedarf. Wir sind im europäischen Spitzenfeld, aber wir müssen digitale Kompetenzen zu allen Österreicherinnen und Österreichern bringen. Deshalb werden wir allein im kommenden Jahr in jeder einzelnen Gemeinde Workshops organisieren – 3 500 Workshops –, bis hin zu neuen Förderungen von IT-Fachkräften. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Dritte ist die E-Government-Strategie. Da bin ich besonders stolz – wie bei der digitalen Kompetenzoffensive –, dass sich alle Bundesländer gemein­sam, alle Ministerien gemeinsam auch beim E-Government auf eine gemeinsame E-Government-Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden geeinigt haben, denn die Services – da möchte ich der Bundesrätin von der ÖVP völlig recht geben – müssen eben einfacher, bequemer und sicherer werden.

Ich habe einmal gesagt, die digitale Verwaltung muss so einfach sein wie die neueste Smartphoneapp oder Tinder oder Ähnliches, denn der Bürger ist es gewohnt, mit diesen Dingen zu operieren. Für den Bürger wird es zukünftig auch frustrierend sein, wenn er einen Absprung zur Gemeinde hat, einen Absprung zum Bundesland hat. Wir müssen das natürlich auf der jeweiligen Ebene belassen, aber wir müssen es so barrierefrei und absprungfrei wie möglich für die Bürgerinnen und Bürger anbieten, denn dem Bürger ist es egal, ob er sich gerade mit dem Service einer Gemeinde beschäftigt, mit dem Service eines Bundeslandes beschäftigt oder mit dem Service des Bundes beschäftigt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das haben wir festgehalten – Herr Bundesrat Schennach, Sie haben das erwähnt, vollkommen zu Recht –: Alles, was wir zukünftig digital anbieten, muss auch analog angeboten werden, auch das ist im Digital-Austria-Act abge­bildet.


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Die digitale Kluft wurde angesprochen, auch von Ihnen, und Sie haben vollkom­men recht: Wir müssen auch weltweit schauen, dass es keine digitale Kluft zwischen dem globalen Süden und Norden gibt. Wir sind deshalb auch im engen Kontakt mit dem UNO-Sonderbeauftragten für Digitalisierung, der neu im Amt ist, mit dem wir diese Themen diskutieren. (Bundesrat Schennach: Wird auch von der Entwicklungszusammenarbeit von der UNO vorgeschlagen!)

Wo ich nicht Ihrer Meinung bin, ist, dass Digitalisierung und künstliche Intelligenz unmittelbar Arbeitsplätze kosten werden oder dass das ein Grund für die Digitalisierung ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Alle Studien gehen davon aus, dass das nicht der Fall sein wird, genauso wie bei vergangenen digitalen Innovationen. Aktuell ist es doch eher der Fall, dass die Industrie besonders deshalb auf Digitalisierung setzt, weil ihr die Arbeitskräfte fehlen. (Beifall bei der ÖVP.)

Weil Sie das Beispiel der Apotheke angesprochen haben: Ich bin froh, dass ein Roboter das Medikament holt und sich die Apothekerin, der Apotheker oder der Fachangestellte dort mit der Beratung und mit den hochwertigen Tätigkeiten beschäftigen kann. (Bundesrat Schennach: Aber zwei Drittel der Apotheker werden gekündigt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Als Letztes möchte ich auf das Thema der europäischen Regulierung eingehen, denn das ist etwas, das uns in den kommenden Jahren unglaublich beschäftigen wird. Zwei zentrale Elemente hat diese europäische Regulierung. Einerseits: Wie schaffen wir es – auch da darf ich Ihnen wieder recht geben, Herr Bundesrat Schennach –, wie schaffe ich es, das Gold der neuen Zeit, und zwar die Daten, so zu orchestrieren, dass sie für die Bevölkerung verwendbar sind, dass sie sicher sind und dass sie für die Wirtschaft verwendbar sind? Da setzen wir in der Europäischen Union genauso wie bei der Regulierung der künstlichen Intelligenz maßgeblich an. Künstliche Intelligenz – dafür habe ich mich besonders eingesetzt – ist etwas, das einen enormen Fortschritt bringen wird, das enorme Chancen bringen wird.


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Heute ist der Chatbot Bard von Google auch in Österreich auf den Markt gekommen, aber künstliche Intelligenz führt zu Ängsten in der Bevölkerung, und betreffend künstliche Intelligenz ist zu sagen: Wir sind wieder einmal an einem Punkt einer Technologie, wo wir ähnlich wie bei der Gentechnologie sagen müssen: Gewisse Dinge sind erlaubt, gewisse Dinge wie Social Scoring und Co sind nicht erlaubt. – Vielen herzlichen Dank, dass Sie uns auf diesem Weg begleiten, und weiterhin: Auf eine gute Zusammenarbeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.29


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Bitte.


11.29.27

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie unseren Beratungen folgen! Chancen nutzen, Potenziale heben, Risiken sehen – und das hervorgerufen durch eine Digitalisierung, die von den Vorrednern angesprochen worden ist.

Ich möchte ganz kurz zu den Risiken sagen, dass natürlich der Digital Divide, also die digitalen Klüfte, die es in unterschiedlichen Bereichen gibt, bei den Menschen Sorgen hervorrufen, und diese Sorgen sollten wir offen adressieren. Das sind Arbeitsplatzsorgen, die in einzelnen Bereichen gegeben sind, das sind Sorgen der schon adressierten älteren Bevölkerung, die glaubt, an einzelnen Lebens- und Gesellschaftsbereichen nicht teilhaben zu können.


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Das sind aber auch die Sorgen der Menschen im ländlichen Raum. Wir haben eine gewisse Missallokation der Ressourcen – der Herr Staatssekretär hat es angesprochen –: Wir haben in den Ballungsräumen – in der Bundeshauptstadt, in den Landeshauptstädten – eine Überressourcenverteilung, was beispiels­weise die Breitbandinfrastruktur betrifft, und wir haben enorme Defizite im ländlichen Raum, die durch Breitbandmilliarden nach und nach auch entsprechend ausgeglichen werden sollen, aber diese Risiken sind zu sehen und diese Sorgen sind ernst zu nehmen.

Bei den Risiken für die Wirtschaft, aber auch für die öffentliche Verwaltung und alle nachgelagerten Bereiche – wenn ich an das Thema des Datenraubs denke, wenn ich an das Thema Wirtschaftsspionage denke oder wenn ich an die Cyberattacken insbesondere im Bereich der kritischen Infrastruktur denke – haben wir gemeinsam noch einiges an Hausaufgaben zu machen, was aber nicht heißt, dass wir nicht die Chancen nutzen sollten und die Potenziale ent­sprechend heben sollten.

Die österreichische E-Government-Strategie 2023 – Glückwunsch, Herr Staatssekretär! – ist gut formuliert und, wie ich glaube, gemeinsam gut getragen, weil sie ein Treiber für Wachstum und Zukunftssicherung ist und weil die Transformation in allen Gesellschaftsbereichen angekommen ist: Denken Sie an die seit der Pandemie mittlerweile üblichen Videokonferenzen, denken Sie daran, dass viele Handelswaren on demand bestellt werden, denken Sie an das Freizeitverhalten, wenn Urlaubsbuchungen mittlerweile digitalisiert durchgeführt werden! Der technische Wandel ist also in der Gesellschaft angekommen.

Die öffentliche Verwaltung hat ihre Hausaufgaben zu lösen, aber auch die Wirtschaft hat die Chancen des digitalen Wandels, die Chancen der neuen Geschäftsmodelle, die dadurch entstehen, entlang aller Wertschöpfungsketten entsprechend zu nutzen, damit es nicht zu dem kommt, was die Sorge von Menschen ist – dass Arbeitsplätze in Gefahr sind –, sondern zum Gegenteil davon.


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Die Digitalisierung bietet viele Chancen: Denken Sie beispielsweise an die Steuerung von Verkehrsströmen, das Reduzieren von Staus und Emissionen, denken Sie an das Thema des autonomen Fahrens, das möglicherweise unsere Mobilität völlig neu gestalten wird, denken Sie an die Umweltsensorik, bei der es um die Steuerung des Wasserverbrauchs geht, wodurch der Verbrauch und die Verschwendung von Wasser reduziert werden könnten – in Tagen wie diesen ein besonderes Thema –, denken Sie an die Optimierung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen oder auch an die schon adressierte KI, bei der dadurch gestützte Bilderfassungssysteme für die Optimierung von Recyclingprozessen eine Rolle spielen und wir damit zu Wertstoffen kommen können.

Auch das Land Steiermark setzt da wesentliche Impulse. In der Agenda Weiß-Grün haben die Landesregierung und der Landtag zahlreiche Initiativen gesetzt, nicht nur was die ältere Bevölkerung betrifft, sondern auch im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Das Wirtschaftsressort ist beim Ausbau der Breitband­infrastruktur sehr dahinter und setzt mit Programmen wie Lebensnah oder Cybersicher auch entsprechende Wirtschaftsförderungsprogramme um, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen.

Es gäbe viel zu sagen – ich schließe damit, dass sich auch der EU-Ausschuss des Bundesrates mit der Interoperabilität von digitalisierten Systemen auseinandergesetzt hat und wir da ja auch eine Mitteilung an die Europäische Kommission geschickt haben, weil es für die Bundesländer und für die Gemeinden schon noch eine Frage ist, wie damit umgegangen wird und wie auch die Regionalität entsprechend berücksichtigt werden kann.

Wir haben also eine Fülle von Hausaufgaben zu machen. Die Chancen sind zu nutzen, die Potenziale sind zu heben, und die Sicherheit ist der Bevölkerung zu geben. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

11.34



BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 84

Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Vizepräsidentin Doris Hahn. – Bitte.


11.35.02

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Gäste hier im Saal und zu Hause via Livestream! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! „Aktuelle Chancen und Potenziale in der Digitalisierung“ – als ich den Titel der Aktuellen Stunde gehört habe, habe ich mir gedacht: Das kommt mir so bekannt vor!

Ich habe recht behalten, ich habe mich richtig erinnert: Fit4Internet haben wir es genannt, und zwar am 11. Oktober 2018 – da hatten wir auch schon eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema. (Bundesrat Schreuder: Wie gestern!) Ich habe mir meinen Redebeitrag von damals angeschaut, und ich muss sagen, ich könnte ihn jetzt noch einmal, eins zu eins im Wortlaut, wiedergeben. Man könnte sagen: Ja, es hat an Aktualität nicht verloren!, oder aber auf der anderen Seite: Es ist seitens der Politik noch nicht wirklich viel passiert. – Beides könnte man da jetzt hineininterpretieren.

Damals habe ich mit einem Zitat eines Sciencefictionautors begonnen: „Die Zukunft ist schon da. Sie ist bloß noch nicht gleichmäßig verteilt.“ – Ich glaube, dieses Zitat von damals ist heute aktueller denn je. Ich glaube, es hat an Aktualität nichts eingebüßt – ganz im Gegenteil, ich würde sogar sagen, die Zukunft ist bei uns beinahe schon dabei, uns bei dem, was wir tun, zu überholen.

Die Autos fahren inzwischen teilweise autonom, selbstgesteuert – einparken kann das Auto teilweise auch schon von allein. Wir zahlen quasi mit dem Handgelenk, wir steuern aus dem Urlaub – vielleicht aus dem Ausland – unsere Rollläden zu Hause im Smarthome, Ausweise haben wir – wie wir in den letzten Wochen auch schon immer wieder gehört haben – in Zukunft vermutlich nur mehr auf dem Smartphone via spezieller App – ID Austria und all diese Stich­worte, die heute schon gefallen sind.


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Ja, super, die Politik tut etwas, sie sieht die Notwendigkeit, in der Digitalisierung voranzuschreiten, aber die Frage ist auch, welche Schritte gesetzt werden und wie nachhaltig diese Schritte sind. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich mache mir da ob der vergangenen Jahre schon die eine oder andere Sorge.

Erinnern wir uns zum Beispiel an den März 2020: Da hat es das Digitale Amt gegeben, das vorgestellt wurde und bei dem man Behördenwege via Handyapp abwickeln können sollte. Damals schon hat die Anmeldung nicht funktioniert, Fehler über Fehler – Serverprobleme, hat es damals geheißen.

Dann, im Mai 2020, hat es ein riesengroßes Datenleck im Wirtschaftsmini­sterium gegeben. Da ist es um ein Datenregister mit zahlreichen privaten Daten von über einer Million Bürgerinnen und Bürgern gegangen, die öffentlich einsehbar waren.

Dann, im Juli 2020, gab es die Panne bei der Auszahlung aus dem Härtefall­fonds, bei der dann die meisten Firmen nur 500 Euro überwiesen bekommen haben, obwohl sie eigentlich viel mehr zugesprochen bekommen hätten.

Und dann die Spitze des Eisbergs, ich glaube, wir erinnern uns alle und ich muss dazu nicht mehr viel sagen: das Kaufhaus Österreich. Ich glaube, das war ein politischer Bauchfleck mit Ansage.

Wenn ich jetzt noch aus der Schule berichten darf: Aus der Schule kann ich von der Geräteinitiative, die ja vor vielen Jahren gestartet wurde, erzählen. Ja, wir haben vor einer Woche die letzten drei Geräte aus der allerallerersten Gerätecharge bekommen – zweieinhalb Jahre zu spät. Ich glaube, jeder Kom­mentar ist überflüssig. (Bundesrat Kornhäusl: Aber ihr habts es! Hat es vorher nicht gegeben!)

Zurück aber zum konkreten Thema: Ich habe mir natürlich auch den Digital-Austria-Act sehr genau zu Gemüte geführt und die 40 Seiten sehr genau studiert. Ich muss gestehen: Es schaut gut aus, auch optisch, es ist eine wunder-


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bare Absichtserklärung, muss man sagen. Meine 13-, 14-jährigen Schüle­rin­nen und Schüler hätten ihre Freude: Es sind viele Überschriften mit sehr vielen hypermodernen Begrifflichkeiten, angefangen von der Usability bis zu Sonstigem, aber ich glaube, auf den Kern der Problematik bei der Digitalisierung wird nicht wirklich eingegangen. Wir haben es heute schon gehört: Der Digital Divide, der Gap wird nicht wirklich angegangen. Ja, jetzt gibt es einmal die 3 500 Workshops in den Gemeinden, aber ob ein Workshop wirklich reicht, um auch die Generation, die im Umgang mit den digitalen Medien noch unsicher ist – über 70-Jährige beispielsweise, die da noch großen Nachholbedarf haben –, mitzunehmen, wage ich zu bezweifeln.

Natürlich ist Digitalisierung auch eine Preisfrage. Jetzt, gerade in Zeiten der Teuerung, schaut es ganz, ganz düster aus, wenn es um Laptop, Tablet, Smartphone und so weiter geht, auch für die Schülerinnen und Schüler.

Es geht um die Datennutzung. Das heißt, überall dort, wo wir mit dem Handy oder auch mit dem Tablet, mit dem Laptop einen Klick machen, hinterlassen wir digitale Spuren, Tausende in der Minute.

Überall dort, wo Daten hin- und hergeschickt werden, gibt es neben Datennut­zung natürlich auch Datenmissbrauch, und dahin gehend sehe ich in diesem Konzeptpapier relativ wenig. Was tut die Politik gegen Cybercrime? Was passiert, um zum Beispiel gegen Cybermobbing vorzugehen? Auch dahin gehend vermisse ich noch etwas. Was ist mit Chat-GPT und Artificial Intelligence? – Man kann inzwischen oft nicht mehr sicher sagen, ob ein Bild künstlich generiert wurde oder ob es ein originäres Bild ist; das heißt, das öffnet Tür und Tor für Fakenews, für Hassnachrichten und dergleichen mehr und für Betrügereien, die wir uns heute wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können. Auch da vermisse ich eine gewisse Initiative.

Offensichtlich braucht es da immer private Initiativen, die die Politik sozusagen ein bisschen vorantragen müssen und mitnehmen müssen, wie zum Beispiel die


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Workshops im Bereich digitale Selbstverteidigung von Epicenter Works in Kooperation mit der Arbeiterkammer.

Noch ein letzter Satz, dann bin ich schon fertig: Was Sie in diesem 40-Seiten-Papier auch angesprochen und angeschnitten haben, ist das Metaverse, das genutzt werden soll. Da ist schon zu hinterfragen, ob es wirklich in unserem Interesse ist, solche Monopole auch noch von staatlicher Seite zu fördern. Ich glaube, da geht es schon auch um Abhängigkeiten von ganz wenigen Unter­nehmen, die sich auf diese Art und Weise fast schon im Minutentakt Milliardengewinne zusichern, und ich glaube, das kann nicht in unserem Interesse sein, wenn wir wirklich alle, die Gesellschaft als Ganzes in der Digitalisierung mitnehmen wollen.

Daher: Ja, es ist eine schöne Absichtserklärung, aber ich glaube, da braucht es noch ganz, ganz viel, um auch wirklich alle mitzunehmen. Ich habe die starke Hoffnung, dass das noch passiert, und ich darf Sie wirklich bitten, da auch ein Auge darauf zu haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.41


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


11.42.00

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen und Kolleginnen! Geschätzte Besucher hier im Saal und vor den Bildschirmen! Das Thema der Aktuellen Stunde ist „Aktuelle Chancen und Potenziale in der Digitalisierung für Bund und Länder“.

Kollegin Hahn hat es eh schon angesprochen: Es gibt ja schon längere Zeit die Initiative Fit4Internet. Es war genug Zeit, etwas zu tun.

(In Richtung Staatssekretär Tursky:) Sie haben es eh angesprochen: Sie haben schon erkannt, dass da bereits viele Jahre verloren gegangen sind. Gerade für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Österreich ist es notwendig, den


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Netzausbau rasch voranzutreiben, das ist aber auch für jeden einzelnen Bürger, gerade im ländlichen Bereich – das hat der Kollege auch schon angesprochen –, unbedingt notwendig. Wichtig ist aber auch, dass das Geld ankommt, vor allem bei den Gemeinden, die für die Umsetzung dann verantwortlich sind.

Eine solche Entwicklung bringt nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. Was immer schon heiß diskutiert wird, ist der gläserne Mensch der Digitalisierung, dass also eine 24-Stunden-Überwachung möglich ist, und da kann ich sehr gut verstehen, dass die Menschen draußen kein Vertrauen haben. Wenn man die Arbeit dieser Bundesregierung in den letzten drei Jahren ansieht, dann kann man gut nachvollziehen, dass kein Vertrauen in die Regierung mehr vorhanden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Über das Internet sind immer mehr Informationen von uns allen tagtäglich herunterzuladen. Es ist theoretisch jetzt schon möglich, jeden Einzelnen auf Schritt und Tritt zu überwachen, und die Privatsphäre geht immer mehr verloren. Immer mehr Informationen von Kontaktdaten, Fotos, Bilder, aber vor allem auch Gesundheitsinformationen kommen immer wieder in Umlauf, daher warne ich auch vor Ihren Plänen betreffend künstliche Intelligenz, Herr Staatssekretär.

Sie plädieren für eine Zulassung von KI-Anwendungen durch eine nationale Zulassungsbehörde. Der Wunsch nach einer Genehmigung von Algorithmen durch eine nationale Behörde ist aus meiner Sicht schon fast eine gefährliche Drohung. Es kann nicht sein, dass dann da ein Wahrheitsministerium vielleicht eine Einstufung vornimmt und Dinge aus dem Internet herausnimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Für die Verwendung von künstlicher Intelligenz braucht es klare rechtliche Rahmenbedingungen. Gleichzeitig muss das Bewusstsein für die Risiken der Digitalisierung oder bei der Anwendung von künstlicher Intelligenz bei allen, vor allem bei der Jugend und den Senioren, geschärft werden. Am Ende muss die Verantwortung aber beim Letztverbraucher, bei jener Person liegen, die diese


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Programme anwendet. Eine Abwälzung der Verantwortung an Maschinen darf nicht passieren.

Geschätzte Damen und Herren! Digitale Lösungen werden angenommen, wenn sie einerseits echten Nutzen für den Menschen bieten und wenn andererseits die Menschen vor allem auch Vertrauen in den Datenschutz und die Datensicher­heit haben. Niemand weiß so genau, welche Informationen – gerade im Gesundheitsbereich – eigentlich wo und zu welchem Zweck gespeichert werden und vor allem, wer darauf Zugriff hat.

Geschätzte Damen und Herren! Ja, die Digitalisierungsangebote werden in Österreich angenommen. Aktuell nutzen mehr als eine Million Österreicher die ID Austria. Vergessen Sie aber bitte nicht, die ältere Generation mitzunehmen!

Die Pandemie hat die Digitalisierung rasant vorangetrieben. Das lässt vor allem ältere Menschen außen vor, sogar bei den einfachsten Dingen des Alltags. Der Protest wächst, denn es fehlt an einer guten Strategie. Wer ins Museum, ins Kino oder ins Stadion gehen will, braucht unbedingt ein Smartphone, einen Internetzugang, um überhaupt reinzukommen. Gleiches gilt immer mehr für Behördenkontakte. Wenn es etwa nur mehr über das Internet geht, einen Heizkostenzuschuss zu beantragen, kann man zwar auf die Gemeinden hinwei­sen, die da unterstützen, aber Faktum ist: Älteren Personen oder denen, die keine Möglichkeit haben, ist das verwehrt, und sie verzichten daher. Daher muss alles nicht nur digital, sondern immer auch analog abrufbar oder durchführbar sein.

Die Sorge über die Sicherheit der eigenen Daten sowie das Risiko von Cyber­attacken oder Datenverlust wurde bereits angesprochen. Viele Österreicher machen sich große Sorgen vor einem Überwachungssystem, das jedes Individuum rund um die Uhr überwacht. Wir werden genau darauf schauen, was Sie, die Bundesregierung, und die EU vorhaben und tun. Ob es die biometrische Über­wachung ist, die Emotionserkennung oder die Einführung des digitalen Euros


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und damit die Abschaffung des Bargeldes: Wir werden dagegen kämpfen, an der Seite der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

11.47


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.


11.47.11

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich gleich als Erstes auf den schon erwähnten Digital-Austria-Act, der am 1. Juni 2023 präsentiert worden ist. Die Erwartungshaltung an ihn war: Fortschritte in der Umsetzung der digitalen Agenda. Als was hat er sich aber heraus­gestellt? – Als nicht viel mehr als eine Neufassung des Regierungsprogramms: Viele bereits laufende Digitalisierungsprojekte werden in einem neuen Dokument zusammengefasst.

Es reicht aber nicht, dem Namen nach neue Strategien mit alten Inhalten zu befüllen. Wir haben dazu auch eine Anfrage im Nationalrat gestellt.

Was wir uns wünschen würden – weil da ein großes Manko besteht –, ist die Verknüpfung von Registerdaten. Das fordern wir schon lange. Unser letzter Antrag im Nationalrat dazu wurde wieder einmal vertagt.

Für eine evidenzbasierte Politik braucht es nämlich endlich Daten. Zahlreiche Studien empfehlen, die Datenqualität und die Datenverfügbarkeit zu verbessern, aber die Empfehlungen der Expertinnen und Experten wurden nie umgesetzt. Ein Beispiel dafür findet sich in der Wifo-Analyse über umweltschädliche Förderungen vom Dezember 2022: Die Wohnbauförderung konnte nicht detail­liert analysiert und quantifiziert werden, weil nämlich die Daten „nicht mehr in konsistenter Weise für alle Bundesländer verfügbar sind“.

Dem Staat fehlen gezielte Informationen, um Krisen konsequent entgegen­zusteuern und die staatlichen Hilfen treffsicher einzusetzen. Mehrere Studien


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kommen zu dem Schluss, dass es etwa bei den Covid-Förderungen oder bei den Energiemaßnahem zu einer systematischen Überförderung gekommen ist, weil dem Staat die Daten gefehlt haben. Wichtiger ist es, die Daten nutzbarer zu machen und sie zu verknüpfen, anstatt noch mehr Daten zu sammeln.

Weiterer Punkt: Datenstrategie. Wir fordern eine, es gibt keine, ein Antrag im Nationalrat wurde wieder einmal vertagt.

Es gibt zahlreiche Initiativen auf EU-Ebene, die uns herausfordern, endlich eine digitale Infrastruktur zu schaffen.

Apropos EU-Ebene: Da gibt es bekanntlich den Data Governance Act, der am 23.6.2022 in Kraft getreten ist und der ab dem 24. September 2023 in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gelten wird. Was passiert in Österreich damit? – Es gibt Kompetenzstreitigkeiten darüber, welches Ministerium dafür verantwortlich ist und welche Stelle das koordinieren soll. Dabei hört es aber auch noch nicht auf: Als Nächstes kommt der Data Act, bei dem uns möglicherweise das Gleiche droht.

Unser Fazit zum Thema Chancen und Potenziale in der Digitalisierung: Österreich braucht endlich eine klare Datenstrategie, Österreich braucht statt Kompetenzstreitigkeiten klare Zuständigkeiten; die Registerdaten müssen endlich verknüpft werden; der Zugang für die Forschung muss gewährleistet sein. Die Bundesregierung soll ihre diesbezüglichen Aufgaben endlich ernst nehmen. Es braucht einen einzigen One-Stop-Shop für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen anstelle von zig Portalen und Linksamm­lungen auf einer Website und es besteht dringender Bedarf an der Modernisie­rung des Datenmanagements in der öffentlichen Verwaltung. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

11.50



BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 92

Vizepräsidentin Margit Göll: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Staatssekretär zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.


11.50.52

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Ich darf die Zeit jetzt dazu verwenden, auf ein paar Aspekte einzugehen, die von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte, angesprochen wurden, bei denen es mir wichtig ist, ein paar Klarstellungen zu treffen.

Zum Digitalen Amt: Dass sich seit 2018 nicht viel getan hat (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), das möchte ich in dieser Form wirklich zurückweisen. Uns ist es gelungen, gemeinsam – als Bund, Länder und Gemeinden – mittlerweile über 200 Verfahren zu digitalisieren. Es ist einfach, aber es ist noch nicht so einfach, wie wir wollen. Der eine oder andere von Ihnen hat heute auch die Usability angesprochen, die muss jetzt in unserem Fokus stehen. Es muss einfach sein und es muss auch möglich sein, dass gerade dieses Abfragen von persönlichen Nachweisen – Geburtsurkunde, Strafregisterauszug, Leumundszeugnis, Melde­auskunft, all das, was man braucht – zukünftig mit einem Klick gratis passiert.

Auch dafür bietet der Digital-Austria-Act jetzt die Grundlage, also es sind nicht nur alte Dinge im neuen Gewand, sondern wirklich neue Dinge, wie auch der von Ihnen angesprochene Digicheck.

Cybercrime und Cybermobbing sind wirklich ein Problem. Das Leben verlagert sich ins Internet, und ja, auch die Kriminalität verlagert sich ins Internet. (Bundesrätin Hahn: 60 000 haben ...!) Bei jeder Kriminalstatistik der letzten Jahre ist der ansteigende Faktor die Cyberkriminalität. Deshalb setzen wir bewusst auf neue digitale Kompetenzen und – weil Sie auch das Thema Mobbing und Hass im Netz angesprochen haben – auch auf die Umsetzung des Digital Services Act auf österreichischer Basis, damit wir einen noch größeren Hebel haben, um gegen die großen Plattformen wie Facebook, Twitter und Co vorzugehen.


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Epicenter Works und die digitale Selbstverteidigung wurden angesprochen: eine grandiose Initiative, die mit uns gemeinsam im Zuge der digitalen Kompetenz­offensive durchgeführt wird. Die Trainerinnen und Trainer von Epicenter Works kommen auch in unseren Trainingspool der digitalen Kompetenzoffensive, denn die Datenschützerinnen und Datenschützer von Epicenter Works leisten wirklich Grandioses.

Da möchte ich auf die Standpunkte des Bundesrates der NEOS eingehen, was das Thema Registerdatenverknüpfung betrifft: Ja, das ist notwendig und wichtig, aber an erster Stelle muss der Datenschutz bei uns stehen – und da steht er in Österreich auch. Es war immer unsere Strategie, dass wir kein digitales Profil von jedem Österreicher, von jeder Österreicherin haben wollen. Deshalb ist Österreich auch mehrfach ausgezeichnet und auch die Datenschützerinnen und Datenschützer sind sehr zufrieden mit unserem bereichsspezifischen Personen­kennzahlensystem, dass wir das eben nicht haben.

Für mich bedeutet das aber leider, dass die Umsetzung von E-Government-Services etwas komplizierter ist, weil man eben die Verknüpfung von Registerdaten so herstellen muss, dass der Bürger die volle Hoheit darüber hat. Das gewährleisten wir in Zukunft mit dem Register- und Systemverbund. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Natürlich wird im Digital-Austria-Act auch maßgeblich auf die Regulierung von künstlicher Intelligenz, Chat-GPT und Co, eingegangen. Nein, es ist nicht meine Strategie, künstliche Intelligenz in Österreich zu verbieten, zu verbannen. Wir brauchen auch den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bildungswesen. Das muss klug eingesetzt werden, das muss richtig eingesetzt werden und neue Innovationen müssen im Bildungssystem Platz haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Es muss aber gekennzeichnet sein, ganz richtig – deshalb auch unsere Initiative, die von mir gestartet worden ist, dass jegliche Form von künstlicher Intelligenz – nicht nur die, die staatlich herausgegeben wird – zukünftig gekennzeichnet sein


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muss. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schennach. Bundesrat Schennach: Jawohl, das muss sein!)

Ich möchte aber bei Bundesrat Pröller betreffend Genehmigungspflichten einhaken: Ja, das brauchen wir. Wir müssen schauen, dass gewisse hochkritische Künstliche-Intelligenz-Systeme genehmigungspflichtig sind. Das sieht der AI-Act auf europäischer Ebene vor, und das müssen wir national umsetzen, denn ich will nicht, dass künstliche Intelligenz uneingeschränkt bei Bewerbungsverfahren zur Anwendung kommt, ich will nicht, dass Künstliche-Intelligenz-Systeme uneingeschränkt bei Versicherungsverfahren zur Anwendung kommen. Davor müssen wir die Bürgerinnen und Bürger schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es freut mich sehr, dass wir uns heute zu diesem Thema austauschen durften. Es liegt viel vor uns. Es wurde klar gesagt: Ja, der Digital-Austria-Act ist ein Vorhabenspapier, ja, es sind Dinge, die sich in Umsetzung befinden. Wir haben auch bereits das Erste umgesetzt, und ich freue mich, die 117 Maßnahmen mit Ihnen gemeinsam in den kommenden Jahren umzusetzen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

11.56


Vizepräsidentin Margit Göll: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

11.56.15Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Margit Göll: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortung,

der Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,

der Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz,


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 95

verweise ich auf die bereits gestern im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 956. und der 957. Sitzung des Bundesrates gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung bereits gestern im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 956. und der 957. Sitzung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

*****

(Schriftliche Mitteilung siehe 956. Sitzung des Bundesrates.)

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Vizepräsidentin Margit Göll: Eingelangt ist ein Schreiben des Ministerrats­dienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Änderung der Vertretung von Frau Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler am 13. Juli 2023 von 17 bis 18 Uhr durch Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz.

Für den restlichen Zeitraum der Reise bleibt die Vertretung wie gestern bekannt gegeben durch Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab aufrecht.

Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundes­kanz­leramtes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. am 13. Juli 2023 in Nordmazedonien bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz mit seiner Vertretung.


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 96

*****

Eingelangt sind und zu den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Mag. Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 66 GO-BR der Antrag auf Abhaltung einer parlamen­tarischen Enquete zum Thema „Kindern Perspektiven geben – unbeschwert, chancenreich und demokratisch erwachsen werden“, eingebracht wurde.

Hierzu wurde gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Mag. Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen, diesen Selbstän­digen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 97

Der Antrag, den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Kindern Perspektiven geben – unbeschwert, chancenreich und demokratisch erwachsen werden“ ergänzen und als 19. und somit letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände, die Wahl von Mitgliedern und eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 sowie den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Margit Göll: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, 6 und 7, 8 und 9 sowie 14 und 15 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

 

12.01.501. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988,


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 98

das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebühren­gesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuer­gesetz 1953, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Alkoholsteuergesetz 2022, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Erdgasabgabe­gesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, die Bundes­abgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Freiberuflichen-Sozialver­sicherungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2023 – AbgÄG 2023) (2086 d.B. und 2138 d.B. sowie 11270/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz hinsichtlich der Meldung von Zahlungsdaten durch Zahlungsdienstleister geändert werden (CESOP-Umsetzungsgesetz 2023) (2090 d.B. und 2139 d.B. sowie 11271/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wird (2091 d.B. und 2140 d.B. sowie 11272/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 1 bis 3 ist Frau Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck. – Ich bitte um die


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Berichte.


12.02.35

Berichterstatterin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend das Abgabenänderungsgesetz 2023.

Der Bericht zu dieser Sammelnovelle liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz hinsichtlich der Meldung von Zahlungsdaten durch Zahlungsdienstleister geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher auch da gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte schön.


12.04.02

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen nun zu einem Mickymausgesetz, nichts anderes ist das. Wir leben in Zeiten der Rekord­infla­tion, wir haben steigende Mieten, die immer höher steigen, und der Finanzminister tut nichts. Er könnte die Umsatzsteuer auf Grundnahrungsmittel aussetzen – das macht er nicht. Er könnte exorbitant hohe Vermögen besteuern – das will er nicht. Das ist in der jetzigen Situation einfach unzu­reichend.

Weil ich am Anfang der Sitzung erlebt habe, dass mein Nachredner aus Simmering mit einem Schild reingekommen ist – vielleicht zeigt er es uns später ja noch –, will ich gleich vorweg darauf eingehen: Mit dem Schild will er uns erklären, dass in Österreich alles super rennt, dass die Leute ohnehin so viel Geld von der Regierung bekommen, dass alles tippitopp und fein ist. (Bundesrätin Miesenberger: Genau!) Das wird nicht ganz funktionieren, wenn die Österreicher:in­nen selbst merken, dass die Lebenshaltungskosten so hoch sind, dass sie auf ihren Notgroschen zurückgreifen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Er ist nicht aus Simmering!)

Weil er ein Schild vorbereitet hat, das er hoffentlich zeigen wird, habe ich mir gedacht, ich bereite auch schnell eines in der Sitzung vor. Ich habe hier mein eigenes Schild (ein Blatt Papier mit der Aufschrift „5“ in die Höhe haltend – Heiterkeit der Bundesrätin Schumann), auf dem Schild selbst steht nicht die Anzahl der ÖVP-Minister, gegen die gerade ermittelt wird, obwohl das auch stimmt, nein, es ist die Schulnote, die dem österreichischen Finanzminister für diese unzureichende Politik gebührt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Deine


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Schulnote? – Bundesrat Schennach: Welche Note war das denn, Herr Kollege?) – Das war ein Fünfer, Herr Kollege. (Bundesrat Schennach: Danke, denn wir haben es nicht gesehen!) – Sehr gerne.

Man kann es ihm ja gar nicht verdenken. Der Finanzminister hat sich in den letzten Monaten und Jahren die Hände ja selbst fest geknebelt. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Warum auch immer er das gerne macht, weiß ich nicht, aber er hat es gemacht. So ein Staatshaushalt ist im Detail sehr kompliziert, aber in der Grundthese recht einfach erklärt: Der Staat überlegt sich, wen er wie besteuert, dadurch kommen Einnahmen rein. Dann überlegt er sich, wem er diese Einnahmen wieder zugutekommen lässt. Das sollten im Idealfall Personen sein, die dieses Geld auch wirklich brauchen.

Wenn man nach der ÖVP geht, sind das natürlich Konzerne und Superreiche. Was meine ich damit konkret? – Wir haben in den letzten Monaten und Jahren eines gesehen, nämlich 47 Milliarden Euro an Unternehmenssubventionen.

Vielleicht ein paar rausgepickt: Wer hat sie bekommen? – 1 Million an Starbucks. Wissen Sie, wie viel Steuern Starbucks 2019 in Österreich gezahlt hat? – Heiße 3 000 Euro. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist eine alte Geschichte! Wie viele Arbeitsplätze schaffen die? Starbucks ist eine alte Geschichte!) Und wir fördern sie jetzt noch einmal mit 1 Million, das ist 300-mal so viel. Da können Sie reinschreien, wie Sie wollen: 1 Million an Starbucks. 2 Millionen an Novomatic, einen Glücksspielkonzern, einen Freund und Spender der ÖVP. Glücksspiel ist ja so wertvoll für die Gesellschaft, da müssen wir 2 Millionen reinbuttern! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Ja!)

3 Millionen an Martin Ho für sage und schreibe fünf Lokale in Wien, mehr hat er nämlich nicht. (Bundesrat Kornhäusl: Der schafft auch Arbeitsplätze!) 10 Millionen an René Benko dafür, dass er österreichische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Arbeitslosigkeit stürzt und nicht Arbeitsplätze schafft, Herr Kollege.


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Was hat der Finanzminister noch gemacht? Er schenkt jedes Jahr 1 Milliarde Euro durch die KöSt-Senkung, die Körperschaftsteuersenkung an Großkonzerne. Das ist so etwas wie die Lohnsteuer, die Unternehmer zahlen müssen. (Bundesrat Schennach: Unglaublich! Schämt euch!) Wenn das Einzelpersonenunternehmen zugutekommen würde, wenn das KMUs, also Klein- und Mittelunternehmen zugutekommen würde, dann wäre das ja eine Sache, worüber man diskutieren kann. Aber das tut es nicht!

Von der Körperschaftsteuersenkung profitieren 2 Prozent der Unternehmen zu 75 Prozent. 2 Prozent der Unternehmen kriegen 75 Prozent dieser Milliarde pro Jahr. Die anderen 98 Prozent der Unternehmen, also de facto alle anderen, können sich um das letzte Viertel streiten. Das ist Treffsicherheit der Österreichi­schen Volkspartei. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Jetzt kommt der Harry Himmer und erklärt es! Der Harry Himmer kennt sich aus!)

Dann besitzt dieser Finanzminister auch noch die Frechheit – man kann das gar nicht anders sagen –, sich in ein Fernsehstudio zu setzen und dort zu sagen: Die österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sollen sich bei Lohnerhöhungen in Zurückhaltung üben, denn das treibt die Inflation an, wobei er selbst ganz genau weiß – er ist ja ein gescheiter Mann –, dass es umgekehrt war: Die Inflation hat angezogen, und man hat versucht, das mit den Löhnen zu kompensieren, damit die Österreicherinnen und Österreicher sich noch etwas leisten können. Trotzdem bringt er diese Lüge, immer und immer wieder. Bei Rekordinflation den Leuten nichts anderes zu sagen, als sie sollen weniger verdienen, ist das, was der Finanzminister bringt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Und so was war einmal Bundesrat!)

Damit komme ich auch schon zum Schluss. All das zeigt vor allem eines: Der Finanzminister ist der Robin Hood der Reichen, er nimmt den Armen und gibt den Reichen. (Bundesrat Kornhäusl: Euer Bürgermeister ist der Sheriff von Nottingham! Euer Bürgermeister ist der Sheriff von Nottingham! Das Essensgeld für die Kinder habt ihr erhöht!) Er überschüttet Konzerne mit Geld, er tut nichts gegen steigende Mieten. Er schüttet Superreiche und Konzerne zu, dass sie im


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Geld schwimmen wie Dagobert Duck, er schützt sie vor der Besteuerung exorbitant hoher Vermögen, und den österreichischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen sagt er: Gebt euch zufrieden mit ein paar Brotkrümeln! – Das ist unzureichend!

Die österreichische Bevölkerung wird das auch erkennen, sie wird Ihnen im Herbst 2024 dafür eine Rechnung präsentieren. Sie wird Ihnen eine Schulnote geben. Welche Schulnote das ist?– Ich habe so eine Vermutung. (Beifall bei der SPÖ.)

12.09


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Harald Himmer. – Bitte schön, Herr Bundesrat.


12.09.38

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! (Bundesrat Schennach: Jetzt kommt die große Erklärung! – Rufe bei der SPÖ: Das Schild!) Zunächst einmal: Es geniert mich nicht, wenn ich als Simmeringer angesprochen werde, aber ich bin ein Landstraßer. (Bundesrätin Schumann: Jessas! Mein Bezirk!)

In Simmering bin ich in die Schule gegangen (Bundesrat Schennach: Du wohnst bei der Frau Schumann in der Nähe!), und wenn ich einmal von dieser Erde gehen werde, dann werde ich mit dem, was von mir übergeblieben ist, wahrscheinlich auch wieder in Simmering sein. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Im Neugebäude!) Sonst bin ich aber an sich ein Landstraßer.

Wir haben jetzt gerade gehört, es gibt wieder einmal Klein-Klein von der Bundesregierung. (Bundesrat Schennach: Na, für die Großen nicht!) Man darf schon anmerken: Was hat die Bundesregierung an Entlastung gemacht? – Es waren ungefähr 18 Milliarden Euro im Jahr 2021, ungefähr 28 Milliarden Euro im Jahr 2022. Dieses Schild, das ich dabeihabe – das ich dann auch gerne noch


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einmal zeigen kann (Bundesrat Kornhäusl: Unbedingt!), es ist jenes, das Kollege Matthias Zauner gestern schon gezeigt hat –, besagt, dass die Bundesregierung mit den Maßnahmen, die sie gesetzt hat, für eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern, hinsichtlich der von unterschiedlichen Medien moniert worden ist, dass sie 4 000 Euro mehr Belastung im Jahr habe, 4 600 Euro an Entlastung beschlossen hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Warum gehen aber die Preise in die Höhe, und warum haben manche Familien wirklich mit den Preissteigerungen zu kämpfen? – Nun, in Wien zum Beispiel ist es so, dass die Gemeinde Wien die Mieten für die Gemeindewohnungen erhöht hat. Das betrifft ungefähr 220 000 Wohnungen in Wien, für die die Mieten zum Teil ordentlich erhöht worden sind. Das ist natürlich eine Belastung für die Menschen.

Wenn man in Wien wohnt, dann wird einem auch die Wassergebühr erhöht. (Bundesrätin Grimling: Aber in anderen Bundesländern auch!) Das ist natürlich auch eine Belastung für die Menschen. Wenn man in Wien wohnt, dann wird einem auch die Müllgebühr erhöht. Das ist auch eine Belastung für die Menschen. Wenn man in Wien Kinder hat, dann wird einem der Preis für das Mittagessen im Kindergarten erhöht. (Bundesrätin Schumann: Das stimmt ja nicht! Es wird entlastet! Es wird gratis, das Mittagessen! Es wird gratis! Das stimmt nicht! Ab Herbst wird es gratis! Informieren Sie sich, Herr Bundesrat!) Das macht auch die Gemeinde Wien. Das ist auch eine Belastung für die Menschen. Wenn man in Wien wohnt (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), dann wird einem die ORF-Landesabgabe erhöht. Das ist eine Belastung für die Menschen. Wenn man in Wien wohnt und mit der Straßenbahn fährt: Auch das wird teurer.

Was nicht teurer wird, ist die Jahreskarte, das ist richtig. Wenn man aber einmal spontan einen Fahrschein kauft, so sieht man, auch dieser ist teurer geworden. Die Gemeinde Wien macht also natürlich nicht nur nichts gegen die Teuerung, sondern das Land Wien, die Gemeinde Wien ist sehr stark für die Verteuerungen der Dinge verantwortlich, die die Menschen zu bezahlen haben.


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Im Übrigen, weil ich schon einmal von Simmering gesprochen habe – wir (in Richtung SPÖ) haben auch einmal darüber gesprochen –: In Simmering gibt es ja auch den Zentralfriedhof – für diejenigen, die in der Bezirkseinteilung von Wien nicht so firm sind –, und da darf ich erwähnen, dass auch – wie heißen diese Gebühren? – die Gräbergebühren in Wien erhöht worden sind. Man kann eigentlich sagen, dass in Wien nicht nur das Leben teurer geworden ist, sondern dass es in Wien auch, wenn man verstorben ist, teurer geworden ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Da sind sie im Übrigen am Wiener Zentralfriedhof gnadenlos, wenn diese Gebühr nicht bezahlt wird. (Bundesrat Steiner: Graben sie dich wieder aus?) – Eigentlich ist es so ähnlich: Wenn diese Gebühr nicht bezahlt wird, dann wird ratzfatz der Grabstein abmontiert (Bundesrätin Grimling: Wie in anderen Bundesländern auch!) und kommt in den Mistkübel.

Das ist übrigens der Grund, warum Sascha geglaubt hat, dass ich ein Simmeringer bin, weil – da muss ich ihn ja loben – er ein sehr fleißiger Mandatar für seinen Wahlkreis ist. Ich bin halt auch hie und da auf dem Friedhof, und auf dem Friedhof in Wien ist es so: Da gibt es unterschiedliche Personengruppen, die beisammen liegen. Meine Urgroßmutter war Kommunistin, meine Großmutter Sozialistin (Bundesrat Kornhäusl: Wie der Babler!), und die sind in einem Areal beerdigt, wo sehr viele Sozialisten und Menschen von der Arbeiterbewegung et cetera sind.

Da habe ich festgestellt, dass auch bei einem Grabstein von einem roten Bezirksvorsteher schon so ein Pickerl drauf gewesen ist, dass sie den bald abmontieren. Da habe ich mir gedacht, es ist eigentlich ein bisschen unwürdig, dass der Bezirksvorsteher von Simmering jetzt seinen Grabstein verliert. Das habe ich Sascha gesagt: Schau, das ist ja dein Wahlkreis! Wenn du etwas dagegen machen möchtest, dass der Simmeringer Bezirksvorsteher da seinen Grabstein verliert, wäre es an der Zeit!, und er hat sich darum gekümmert. Ich muss sagen, das nächste Mal, als ich hingekommen bin, war kein Pickerl mehr


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drauf, er ist nicht weggeräumt worden (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP), und er hat noch seinen Grabstein. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Es gibt natürlich auch zwischen Regierung und Opposition in wichtigen Fragen eine Zusammenarbeit in Wien.

Die Gesetzesmaterien, die wir heute beschließen, beinhalten keine Vermögen­steuern, sie beinhalten keine Steuererhöhungen, keine Gebührenerhöhungen. Sie beinhalten weitere Entlastungen, und das ist gut für die Menschen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

12.16


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. – Bitte schön.


12.16.49

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Herr Bundesrat Himmer, die Welt ist schön und alles ist wunderbar, nur leider trifft das halt nicht die Realität der Menschen, weil die das ganz anders sehen. Die haben größte Sorgen. Es ist kein schöner Sommer für viele Menschen in Österreich, und da muss man hinschauen. Das ist die wesentliche Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird Ihnen nicht helfen, im Bundesrat x Schilderl hochzuhalten und uns permanent zu sagen, wie viel die Bundesregierung tut, weil es die Bevölkerung nicht so sieht. Sie alle, die Sie hier sitzen, haben doch Kontakt mit den Men­schen. Sagen Ihnen die nicht: Wir machen uns große Sorgen wegen der Teuerung!, Wir wissen nicht, wie wir das Essen bezahlen sollen!, Wir wissen nicht, wie wir die Mieten bezahlen sollen!, Bitte helft uns, tut etwas!, sagen sie Ihnen das nicht? Uns sagen sie es auf ganz vielen Ebenen, und sie brauchen eine Entlastung.


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Jetzt wären Gesetze offen gewesen. Mit diesen beiden Gesetzen hätte man etwas tun können. Unsere Enttäuschung ist extrem groß, weil da Gelegenheit gewesen wäre, zu entlasten. Es hätte die Möglichkeit gegeben, die Mehrwertsteuer auf lebensnotwendige Produkte zu senken. Das wäre wichtig gewesen. Das fordert selbst der Handelsverband – ganz ehrlich –, aber Sie tun nichts. (Bundesrat Himmer hält eine Tafel in die Höhe, auf der neben der Aufschrift „So unterstützen wir: Familie mit zwei Kindern Entlastung € 4.642,40“ eine Frau, ein Mann und zwei Kinder abgebildet sind.)

Die Lebensmittelpreise steigen in unglaubliche Höhen und sind bereits in große Höhen gestiegen. Das ist der Fakt. Wenn Sie sich dafür bejubeln, dass die Inflation jetzt bei 8 Prozent liegt: Das ist kein Grund zum Jubeln, sondern das heißt, die Preise steigen um 8 Prozent.

Herr Bundesrat Himmer, ein schönes Schilderl haben Sie da, aber diese Rech­nung ist natürlich nur für jene gemacht, die gut verdienen (Beifall bei der SPÖ – Widerspruch bei der ÖVP), weil der Familienbonus davon abhängt, wie viel man verdient. Da können Sie schreien, die Aufregung ist groß. Der Familienbonus hängt davon ab, wie hoch ein Einkommen ist. (Bundesrat Kornhäusl: Wir rechnen das vor!) Sie helfen jenen, die schon mehr haben, und die, die wenig haben, lassen Sie zurück. Sie bedienen Ihre Spenderinnen und Spender. Das ist die Tatsache. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen – ganz ehrlich, ohne Aufregung und ohne großes Gezeter! – machen sich Sorgen, und sie machen sich wirklich und zu Recht Sorgen. (Bun­desrat Kornhäusl: Um den Zustand der SPÖ!) Die Mieten sind in einem Ausmaß gestiegen, dass sich Menschen wirklich fragen: Wie soll ich in Zukunft meine Wohnung bezahlen? (Bundesrat Kornhäusl: Ja, in Wien wird das schwierig!)

Landeshauptmann Kaiser hat es völlig richtig gesagt: Wohnen ist ein Men­schenrecht und ein Grundrecht. (Bundesrat Kornhäusl: Deswegen hat Wien die Mieten erhöht?) Die Angst davor, die Wohnung zu verlieren, ist eine große. Sie


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hätten die Chance gehabt, den Mietpreisdeckel einzuziehen. (Bundesrat Kornhäusl: Der Wiener Landtag auch!) Sie haben es nicht getan.

Der Herr Finanzminister hat in der „Pressestunde“ gesagt: Ja, wir denken darüber nach, den Mietpreisindex zu senken. (Bundesrat Schennach: Nachdem er erhöht worden ist!) – Ja, das ist eine gute Idee. Bitte machen wir es!

Fakt ist aber, die Mieterhöhungen sind bereits durchgelaufen, und die Menschen haben die schwersten Belastungen.

Es ist auch an jene in unserem Land zu denken, die Kredite haben. Jeder zweite private Kredit in Österreich hat einen flexiblen Zinssatz, das heißt, für die Menschen, die sich selber ein Eigenheim geschaffen haben und jetzt Kredite abzahlen, sind die Belastungen so gestiegen. – Das sind die Sorgen, die die Menschen haben.

Darum sagen wir: Herunter mit der Inflation! Wir können uns diese hohe Inflation, die im europäischen Vergleich wirklich zu hoch ist, ganz einfach nicht leisten. Das geht nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch das haben wir heute gehört: Die Armut ist leise, und sie kommt schleichend und sie kommt bei Gruppen, von denen wir nie gedacht haben, dass sie einmal davon betroffen sein werden. Hören Sie sich um und lassen Sie es sich erzählen! Jener Mittelstand, den Sie immer so umkämpfen, ist in dieser Situation der Verlierer, die armen Menschen ganz besonders, aber auch die Menschen des Mittelstands, weil sie nicht mehr wissen, wie sie weitertun sollen. Jede dritte Familie in Österreich kann sich keinen Urlaub leisten, und das ist ein Zeichen dafür, dass etwas ganz, ganz schiefläuft.

Ganz ehrlich gesagt: Warum schauen Sie nicht auf die Pensionistinnen und Pensionisten? Da ist die Armut leise, da ist sie schleichend. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.) Da ist sie bei vielen angekommen, die nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, und wenn sie nicht die Unterstützung


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ihrer Familien hätten, wären sie schon wirklich in ihrer Existenz bedroht. Das sind Tatsachen, die tun weh, und da ist hinzuschauen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf darauf hinweisen – weil die Frauen hier so gar nie Thema sind, und das ist nicht gut –: Der Pensionsunterschied zwischen Frauen und Männern liegt in Österreich im Durchschnitt bei 40,5 Prozent. Das ist viel zu hoch, das bedeutet die Gefahr oder einfach die Realität der Altersarmut von Frauen. Das muss uns alarmieren, das muss uns Sorgen machen, das muss uns im Zusam­menhang mit dieser Teuerung wirklich Sorgen machen. Da ist hinzuschauen, und zwar ganz dringend. Der Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) ist nicht eine Spielerei, das ist etwas Essenzielles, um Frauen die Chance zu geben, ihren Lebensweg so zu gestalten, wie sie es wollen. Das ist wichtig und das wollen wir. (Beifall bei der SPÖ.)

Und natürlich, die Menschen haben Sorgen um die Gesundheitsversorgung – völlig zu Recht! Wir haben eine älter werdende Gesellschaft. Die Menschen sagen: Wie schaut es denn bei mir aus? Werde ich die Pflege bekommen, die ich brauchen werde? Wie schaut es denn mit der Gesundheitsversorgung aus? Ist diese von meinem Geldbörsel abhängig (Bundesrat Kornhäusl: Wir hatten gestern das PVE-Gesetz!) – wir haben zugestimmt! (Bundesrat Kornhäusl: Danke!) –, oder kann ich mich auf das System verlassen, das gerade wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erkämpft haben: das Recht auf eine Gesundheitsver­sorgung, die für alle da ist und die unabhängig davon ist, wie viel ich in meinem Geldbörsel habe?

Dafür werden wir weiter kämpfen (Bundesrat Kornhäusl: Das tun wir eh gemein­sam!), und da ist etwas auseinandergegangen, das unglaublich ist: Sie haben in der Sozialversicherung ganz einfach die Selbstverwaltung entmachtet, und zwar radikal. Jetzt haben die Arbeitgeber das Sagen und bestimmen über die Beiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das war nicht der richtige Weg. Das war der falsche Weg, und das ist der Grund, warum es im Gesundheits­system jetzt so ausschaut, wie es ausschaut. Die Patientenmilliarde, die damals versprochen


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wurde, ist verpufft, die gibt es nicht. (Bundesrat Schachner: Ja!) Im Gegenteil: Wir haben ein Minus und eine schwere Belastung im Gesundheitssystem.

So kann man nicht umgehen. Gut funktionierende Systeme zu zerstören ist nicht der Weg, wie man das machen kann. Die Menschen haben ein Recht auf beste Gesundheitsversorgung und sie haben ein Recht, darauf vertrauen zu können, dass die Pflege für sie bereitstehen wird, damit sie ein gutes und positives Alter haben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: So ist es!)

Eines sei noch gesagt – Herr Bundesrat Obrecht hat es ja in seiner wunderbaren Rede schon so gut gesagt. (Die Bundesräte Kornhäusl und Buchmann: Ja, wunderbar! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, ja!) – Es war eine großartige Rede, und er hat es so richtig gesagt: Sie richten den Arbeitnehmer:innenver­treter:in­nen der Gewerkschaft aus, sich bei den Lohnverhandlungen in Zurückhaltung zu üben. – Also ganz ehrlich, das haben Sie bereits letztes Jahr getan, und die Gewerkschaften haben gewusst, sie müssen jetzt etwas für die Menschen und für die Stärkung der Kaufkraft tun. Dass die Kaufkraft in diesem Land wirklich noch erhalten geblieben ist, ist einzig und allein der Gewerkschaft und den Kollektivvertragsverhandlungen zu verdanken, die so erfolgreich verlaufen sind.

Ich darf Ihnen schon mitgeben – auch wenn der Finanzminister so gerne ausrichtet: Jetzt haltet euch aber zurück! –: Es geht nicht! Die Menschen haben zu wenig im Geldbörsel, sie kommen mit dem, was sie verdienen, nicht mehr aus. Da müssen wir kämpfen, da müssen wir für Lohnerhöhungen kämpfen, das ist doch selbstverständlich.

Und eines ist für mich ganz erstaunlich: Herr Nehammer hat selbst gepostet – oder hat halt posten lassen –: Für die Volkspartei ist klar, Familien und niedrige Einkommen müssen in Zeiten der Teuerung besonders entlastet werden. – Wunderbar! Die Maßnahmen, die er da anführt, sind wunderbar, und als letzten Punkt der Maßnahmen führt er an: Gehaltserhöhung und Kollektivvertrag. – Na, ich bin erstaunt! Die ÖVP verhandelt die Kollektivverträge – das ist mir neu.


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(Heiterkeit bei der SPÖ.) Auf der einen Seite brüsten Sie sich mit Gehaltserhöhun­gen, für die Sie nicht gekämpft haben, und auf der anderen Seite richtet der Finanzminister aus, man möge sich jetzt bitte in Lohnzurückhaltung üben. – Ja, geh bitte! (Heiterkeit des Bundesrates Schachner.) Das durchschaut man doch absolut, das ist nicht der Weg, wie man damit umgeht.

Wir wollen für die Beschäftigten in diesem Land ein gutes Einkommen. Wir wollen für die Pensionistinnen und Pensionisten ein Leben, das positiv ist.

Bezüglich junger Menschen (Bundesrat Tiefnig: Was für Maßnahmen setzen wir?): Gestern haben wir die Statistik bekommen, wie es mit den Ängsten der jungen Menschen ausschaut: Die jungen Menschen fürchten sich vor der Teuerung, vor der Inflation, vor dem Krieg und vor dem Klimawandel – und das ist ernst zu nehmen! Das ist keine Spielerei, und da lässt sich nicht mit Taferln dagegenhal­ten, sondern da sind Handlungen zu setzen und Wege zu finden, damit man jungen Menschen eine Perspektive gibt. Das ist unser aller Aufgabe, im Beson­deren aber die Aufgabe dieser Regierung.

Noch eines sei gesagt, auch in der Nachlese der gestrigen Sitzung, die aus meiner Sicht kein Ruhmesblatt des Bundesrates war, sondern im Gesamtbild eher eine wirklich negative Sitzung: Ich glaube, es ist nicht gut, die Gesellschaft noch weiter auseinanderzudividieren. Wir haben jetzt schon große Spaltungen in der Gesellschaft. Wenn man weiter auseinanderdividiert und sagt: Es gibt jene, die normal denkend sind, und jene, die nicht normal denkend sind!, was denkt man sich da dabei? Noch weiter die Gesellschaft auseinandertreiben – wer definiert, wer normal denkt, und wer definiert, wer nicht normal denkt? (Bundes­rat Schennach: Die Frau Mikl-Leitner! – Ruf: Die FPÖ!) –, das ist nicht klug! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sei klar gesagt: Es geht nur gemeinsam. Es gibt verschiedenste Lebens­entwürfe, es gibt verschiedenste sexuelle Orientierungen, und diese haben ein Recht, ein grundsätzliches Recht (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder), ihre


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Lebensform zu leben, wie sie wollen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Kornhäusl.)

Wir machen niemanden lächerlich und wir sagen niemandem: Das ist normal, das ist nicht normal! – Es muss ein Recht für alle geben. Wir sind eine liberale, eine offene und eine demokratische Gesellschaft. Wir als Sozialdemokratie werden uns sicher nicht daran beteiligen, dass man Gruppen auseinanderdividiert, sondern wir sagen: Es gäbe einen anderen Weg! Es gäbe Wege, die Situation der Menschen positiver zu gestalten. Wir haben Antworten darauf. Wir sagen nicht: Wut, Hass und Angst sind der Weg, wie man die Menschen in diesem Land voranbringt! – Nein, daran glauben wir nicht. Wir glauben an eine Zukunft, wir glauben an eine positive Zukunft, wir glauben, dass eine positive Zukunft möglich ist, gemeinsam, in der gesamten Bandbreite der Bevölkerungsstruktur unseres Landes. Nicht Hass ist der Weg, sondern ein Gemeinsames und ein Zusammen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.28


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Himmer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Bundesrat Schennach: Das Recycling! – Ruf bei der SPÖ: Endlich!)


12.28.32

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Die Fraktions­obfrau der Sozialdemokraten hat sinngemäß behauptet, dass die Entlastung in Höhe von 4 642 Euro, die wir anhand dieser Tafel gezeigt haben (eine Tafel, auf der neben der Aufschrift „So unterstützen wir: Familie mit zwei Kindern Entlastung € 4.642,40“ eine Frau, ein Mann und zwei Kinder abgebildet sind, in die Höhe haltend), nicht für Menschen mit einem normalen beziehungsweise mit einem kleineren Einkommen gelte, sondern dass das für die Reichen sei. – Das ist nicht richtig, es sei denn, man bezeichnet ein Einkommen von 2 000 Euro netto als ein besonders hohes Einkommen.


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Das Beispiel, das dieser Aussage zugrunde liegt, ist eines, bei dem ein Pfleger im Jahr 2022 ein Monatseinkommen von 2 122 Euro hatte und mit den Maßnah­men der Bundesregierung im Jahr 2023 ein Einkommen von 2 292,60 Euro hat. Das sind 170 Euro im Monat mehr, und für das gesamte Jahr, mit 13. und 14. Gehalt sowie Besteuerungsvorteil und so weiter, mit Jahressechstel, ergibt das ein zusätzliches Jahresgehalt von 2 397,20 Euro.

Das zweite Beispiel: Die Dame daneben (auf die zuvor beschriebene auf der Tafel abgebildete Frau deutend) ist die fiktive Birgit. (Bundesrätin Schumann: Jetzt sind wir aber schon weiter, über eine tatsächliche Berichtigung hinaus!) Diese Dame verdient 1 657,60 Euro im Jahr 2022. Mit den Maßnahmen der Bundesregierung (Bundesrätin Schumann: Geh, geh, geh!) sind das im Jahr 2023 um 140 Euro mehr und das sind, wiederum mit Berücksichtigung des Jahressechstels et cetera (Bundesrätin Schumann: Ich kenne diese Rechnungen ...!), für das gesamte Jahr 1 958,90 Euro. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.  Bundesrätin Schumann: Ja, ja! Seids endlich dankbar! Die Bevölkerung soll dankbar sein! – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das heißt, diese 4 600 Euro zusätzlich betreffen tatsächlich eine Durchschnitts­familie. (Bundesrätin Schumann: Stellen Sie sich vor den Supermarkt ...!) Das wollte ich berichtigen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.30


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf an dieser Stelle noch einmal an die korrekte Form der tatsächlichen Berichtigung erinnern und darum bitten, sich auch in Zukunft daran zu halten. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich glaube, da drüben (in Richtung FPÖ) gibt es noch eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Bundesrat.

*****



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12.31.07

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Vizepräsidentin, ja, jetzt haben Sie es mir vorweggenommen. Es ist doch nicht zu glauben: In jeder Sitzung grüßt das Murmeltier. – Ich rege jetzt wirklich an, wir machen eine Schulung für alle Bundesräte (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ) – Herr Himmer ist aber kein neuer Bundesrat –, wie eine tatsächliche Berich­tigung richtig vonstattenzugehen hat. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Frau Präsidentin, Frau Vizepräsidentin! Ich bitte in Zukunft die Vorsitzführung – egal wer dann gerade den Vorsitz führt –, diese katastrophalen Nicht- tatsächlichen-Berichtigungen dann einfach abzubrechen, denn entweder hält man sich an das (Zwischenrufe bei der ÖVP), was die Geschäftsordnung hergibt, oder nicht. (Bundesrat Kornhäusl: Ja! Gut! Das hätten wir gestern auch gebraucht!)

Das sind Redebeiträge und keine tatsächlichen Berichtigungen. Man sagt immer, der Bundesrat ist nicht so wichtig – mit solchen Geschichten machen wir uns halt auch wieder lächerlich, wenn man nach 20 Jahren Tätigkeit als Mandatar immer noch nicht fähig ist, eine tatsächliche Berichtigung ordentlich hinzukrie­gen. (Bundesrat Gross: Was war das?! – Heiterkeit bei den Grünen. – Bundesrat Buchmann: Soll ich dir einen Spiegel bringen? – Bundesrat Kornhäusl: Da brauchst einen Spiegel!)

12.32

*****


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm dieses.


12.32.21

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Minister! Frau Präsidentin! Meine Vorredner haben lauter richtige Sachen gesagt. Die Opposition, die SPÖ sieht es so, die ÖVP so. Ich glaube, wir müssten den


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Grundsatz haben, dass man einfach eine gerechte Lösung findet. Ich bin bei Harry Himmer: Leistung muss sich lohnen! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bravoruf des Bundesrates Buchmann.)

Es werden bei dieser Debatte die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 gemeinsam behandelt. Bei TOP 1 geht es im Wesentlichen um folgende Punkte: Ökologisierung des Steuerrechts – das ist längst erforderlich; Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern – das kann man auch nur unterstützen; Verwaltungsvereinfachung – das ist sicher kein Fehler; Betrugsbekämpfung – das ist eine langjährige Forderung der FPÖ (Zwischenruf bei den Grünen); Stärkung der Rechtssicherheit und Anpassung an das internationale Recht.

Eine sinnvolle Maßnahme scheint uns erstens die steuerliche Erleichterung für die außerbetriebliche Nutzung leerstehender Betriebsgebäude zu sein – das ist eine sinnvolle Sache, man verringert damit den Bodenverbrauch. Eine Gebäudeentnahme soll künftig zum Buchwert erfolgen. Das wiederum fordert die Jungunternehmer. Diese Änderungen sollten mit 1. Juli gelten.

Zweitens: Die Einkommensteuerbefreiung von Fotovoltaikanlagen ist ein sinnvoller Ansatz. Es braucht aber zusätzlich einen Netzausbau. In Oberöster­reich haben wir zum Beispiel an Sonntagen, wenn die Industrie- und Gewerbebetriebe weniger Strom brauchen, ein Überangebot. Das ist bekanntlich schlecht für das Stromnetz. Diese Gesetzesänderungen sind zu unterstützen, da sie auch inflationsdämpfend wirken.

Drittens: Die Einreichungen im Zusammenhang mit dem Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz sollen künftig digital erfolgen. – Das entspricht dem heutigen Stand. Eine Auszahlung erfolgt in Zukunft über Finanzonline.

Verlängerungen der Verjährungsfrist bei Finanzstrafen: Eine Finanzstrafe ist zurzeit nach fünf Jahren erledigt, das soll auf zehn Jahre ausgedehnt werden.


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Beim Tabakmonopolgesetz gibt es einen begründeten Misstrauensvorschuss gegenüber dem Bundesministerium für Finanzen und der Monopolverwaltung. Durch diese Änderung ist die Vertragsvergabe transparenter.

Negativ zu sehen ist im TOP 1 das Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022. Es ist ein bürokratisches Teuerungskonstrukt und muss jetzt aufgrund von Härtefällen angepasst werden, wobei es damit noch komplizierter wird.

Zu Punkt zwei: Bei diesem Punkt geht es um die Betrugsbekämpfung und die Forderung von Steuergerechtigkeit, was in Zeiten einer ausufernden Inflation sinnvoll erscheint. Alle in diesem TOP 2 angeführten Punkte können nur der Beginn einer geplanten neuen Steuergerechtigkeit sein.

Das Umsatzsteuergesetz 1994 soll geändert werden. Die gesammelten Informa­tionen werden zentralisiert gespeichert und mit der europäischen Datenbank abgeglichen. Damit wird hoffentlich eine Handhabe geschaffen, den Steuerbetrug auch auf EU-Ebene zu bekämpfen. Die Bundesabgabenordnung ist zuständig für die Abgabenerhebung von Großbetrieben und bestimmt auch die Mitteilungs- und Meldepflicht. Diese Änderungen sind besonders wichtig, da es sich die Großen bis jetzt immer richten konnten. Damit werden auch unsere Klein- und Mittelbetriebe unterstützt.

Die Änderung des Finanzstrafgesetzes dient zum Vorgehen bei Verstößen gegen die Aufzeichnungs-, Berichtigungs- und Aufbewahrungspflicht. Damit hat das BMF endlich eine Handhabe gegen internationalen Steuerbetrug. Weiters wird das Bankwesengesetz an die EU-Richtlinie angepasst. Es handelt sich im Wesentlichen um vernünftige Änderungen, weshalb wir bei diesem Tagesord­nung­spunkt auch zustimmen werden.

Zu Punkt 3: Dieser Punkt hat zum Ziel: erstens, die Unterstützung der zustän­digen Behörden durch einen automatisierten Abgleich der wirtschaftlichen Eigentümer, zweitens, die Verbesserung der risikobasierten Aufsicht durch die Registerbehörde, drittens, die Verbesserung der Zusammenarbeit der


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Registerbehörde mit anderen relevanten Behörden, viertens – ein ganz wichtiger Punkt –, die bessere Erkennung von Scheinunternehmen und, fünftens, die Gewährleistung der Einsicht in das Register für Personen und Organisationen.

Es ist unsererseits zu begrüßen, dass endlich die Bekämpfung von Scheinfirmen angegangen wird. Jährlich entgehen der öffentlichen Hand sowie der Sozialversicherung durch Sozialbetrug Steuern und Sozialbeiträge in beträcht­licher Höhe, verursacht durch Scheinfirmen. Durch Scheinfirmen werden Lohn- und Sozialabgaben systematisch gekürzt, und es entsteht zudem eine Wettbewerbsverzerrung zulasten von rechtskonform und redlich handelnden Unternehmen. Durch eine automatisierte Datenübermittlung von bestimmten Daten des Registers der wirtschaftlichen Eigentümer an die Abgabenbehörden sollen die zentralen Services künftig verbesserte Analysen, insbesondere zur Entdeckung von Scheinfirmen, durchführen können.

Zusammengefasst handelt es sich bei TOP 3 um verschiedene Änderungen, damit die Behörden diverse Schlupflöcher schneller, einfacher und konsequenter beseitigen können. Damit wird auch eine weitere Anpassung der Gesetze hinsichtlich einer internationalen Steuergerechtigkeit möglich. Daher werden wir bei TOP 3 zustimmen.

Abschließend darf ich allen Parlamentsmitarbeitern und den Kollegen hier im Bundesrat einen schönen, erholsamen Sommer wünschen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.38


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.‑Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte schön.


12.39.07

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe


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Besucherinnen und Besucher und liebe Zuseher:innen via Livestream! Ich möchte heute noch auf eine Gesetzesmaterie eingehen, die interessanterweise eigentlich nur Kollege Steinmaurer in seiner Rede schon kurz angesprochen hat, nämlich das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz. Das Register der wirtschaftlichen Eigentümer musste ja leider im Vorjahr im November vom Netz genommen werden. Umso mehr freut es mich, dass es bald wieder verfügbar sein wird.

Vielleicht zunächst noch ein paar Begriffserklärungen: Unter dem wirtschaft­lichen Eigentümer versteht das Gesetz eine natürliche Person, die einer Gesellschaft, einer Stiftung oder einem Trust letztendlich wirtschaftlich zuzurechnen ist. Soll heißen: Es geht um die natürliche Person, die davon schlussendlich profitiert.

Warum brauchen wir das Ganze jetzt so dringend? –Das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz ist eines der wichtigsten Instrumente, wenn es um die Aufdeckung krimineller Machenschaften geht. Wir sprechen hier von Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche, denn eines wissen wir: Personen, die in diesen Bereichen tätig sind, scheuen nichts so sehr wie Transparenz, und deshalb ist es auch so wesentlich, dass dieses WiEReG wieder online geht.

Das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz ist gerade für Journalistinnen und Journalisten, die investigativ berichten, und NGOs zu einem wichtigen und unverzichtbaren Instrument ihrer Arbeit geworden. Denken Sie an Fälle wie das Putin-Chalet in Kitzbühel und die zentrale Rolle, die Journalist:innen als Public Watchdogs zu Recht einnehmen. Deshalb ist es auch sehr wichtig, dass diese Menschen auch in Zukunft weiterhin auf dieses Register zugreifen können. Journalistinnen und Journalisten, NGOs und die Wissenschaft, sie alle können in Zukunft wieder mit Bezug auf die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus­finanzierung und Sanktionsumgehungen recherchieren.

Transparenz und Kontrolle – ich habe es schon einmal erwähnt – sind noch immer die beste Prävention gegen Geldwäsche, Korruption und organisierte


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Kriminalität, und ich bitte daher wirklich um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.41


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte schön.


12.41.55

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es tut mir leid, aber da muss ich mich tatsächlich noch einmal zu Wort melden, weil ich das so nicht stehen lassen kann, was Frau Kollegin Schumann vorhin gesagt hat, was diese Bundesregierung nicht alles nicht getan hätte.

Frau Kollegin Schumann, bei allem Respekt, Sie haben recht, die Sozialdemo­kratie steht für viele Errungenschaften der letzten Jahrzehnte in diesem Land. Das ist unbestritten und das würde ich auch nicht schmälern wollen. Aus dieser Zeit, aus Ihrer guten Zeit, stammt ein Spruch, der ohne Weiteres aus dem Mund eines jeden ÖVP-Politikers hätte kommen können und auch heute kommen kann. Es gab einmal einen legendären Sager von Kreisky, der gesagt hat: „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“. Ihr Bundeskanzler Kreisky hat gesagt: „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“. – Das sage ich jeden Tag, das sagen unsere Kollegen jeden Tag, und jeder ÖVP-Politiker wird genau das predigen, wofür Sie einmal gestanden sind! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie waren eine staatstragende Partei (Bundesrätin Schumann: Wir sind es noch immer!), und ich glaube, Sie sind es noch immer (Bundesrätin Schumann: Na das glaub ich!), die einmal für die arbeitenden Menschen in diesem Land da war. Wenn ich mir aber die Reden so anhöre, dann kommt es mir so vor, als hätten Sie das vergessen, woher Sie kommen: „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“ – nämlich für jene da zu sein, die in der Früh aufstehen, die arbeiten gehen, die ihre Steuern zahlen. (Bundesrätin Schumann: Ohne uns hätten die Leute kein Geld im Börsel! Unpackbar!)


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Sie sagen, dass diese Regierung nichts getan hat, Frau Kollegin Schumann, und ich stehe heute hier, so wie gestern Kollege Schreuder, nahezu mit derselben Emotionalität: Ich lasse mir nicht sagen, dass diese Bundesregierung unter einem ÖVP-Bundeskanzler und unter Regierungsbeteiligung der Grünen nichts für die arbeitenden Menschen in diesem Land tut! Und ich lasse nicht zu, dass Sie hergehen und sagen, Sie haben ein Alleinstellungsmerkmal, was das betrifft. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie lachen jetzt. (Bundesrätin Schumann: Nein, ich bin begeistert!) Ich habe Ihnen nur ein paar Beispiele mitgebracht, und ich werde Ihnen die Liste in schöner Form einer Broschüre auch gerne zukommen lassen. (Bundesrätin Schumann: Ich kann das Protokoll lesen, das geht!) Diese Regierung, die angeblich, laut der sozialistischen Fraktionsvorsitzenden Schumann, in den letzten Monaten und Jahren nichts für die arbeitenden Menschen getan hat, hat nämlich Folgendes umgesetzt:

Abschaffung der kalten Progression: Ihr habt jahrzehntelang davon geredet, es aber nicht zustande bekommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Wir haben davon nicht nur geredet, sondern wir haben es getan, wir haben gehandelt, wir haben das Zepter des Handelns in die Hand genommen. (Bundesrätin Schumann: Ja genau!)

Ich darf weiter aufzählen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne Wertigkeit: die Stromkostenbremse (Bundesrätin Schumann: Ja, die zahlen wir uns selber!), den Klima- und Antiteuerungsbonus, Einmalzahlungen für vulnerable Gruppen, wo 300 Euro zusätzlich ausbezahlt werden. In Ihren Augen ist das alles nichts, aber 300 Euro sind viel Geld, Frau Kollegin Schumann. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Hohe Inflation! Hohe Inflation!)

Oder: die Valorisierung von Familien- und Sozialleistungen – eine familien­politische Großtat. Jahrzehntelang habt ihr den Sozialminister gestellt und habt das nicht zusammengebracht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Weiter geht’s im Reigen: Wir haben den Familienbonus erhöht – ich habe mir da schon Eselsohren reingemacht, weil das Hefterl so dick ist (Bundesrätin Schumann: Ja, sehr gut! Bitte stellen Sie sich vor den Supermarkt und sagen Sie das den Leuten!); das habt ihr in all den Jahren nicht zusammengebracht –, wir haben die Senkung der Einkommensteuertarife beschlossen. – Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören, aber es ist die Wahrheit, und die Wahrheit tut manchmal weh, aber sie tut den Menschen in diesem Land nicht weh, weil die Menschen mit diesen Maßnahmen entlastet werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Weiter geht’s: die Maßnahme der Kurzarbeit in der Coronapandemie, eine Maßnahme, bei der ihr dankenswerterweise auch mitgegangen seid (Zwischen­rufe bei der SPÖ), eine sozialpolitische Großtat; Aufstockung des Wohnkosten­zuschusses; Teuerungsprämie; Valorisierung der Frei- und Absetzbeträge; die Pensionserhöhungen 2023; die Aussetzung der Aliquotierung für die nächsten beiden Jahre; Pflegezuschüsse; Ende der Altersdiskriminierung; für die Jugend: Bestellerprinzip bei der Maklerprovision; verbilligtes Klimaticket für die Jugend; Anhebung der Zuverdienstgrenze für Studierende – auch eine alte Forderung, wir haben sie umgesetzt! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es gibt dank dieser Regierung mehr Geld für Zivil- und Grundwehrdiener; eine Erhöhung des Budgets für die Lehre; die Studienbeihilfen sind zwischen 8,5 und 12 Prozent erhöht worden – und, und, und. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bun­desrätin Schumann: Geben Sie uns die Broschüre! Wir stellen uns vor den Supermarkt und sagen es den Leuten!)

Frau Kollegin Schumann! Leistung, Aufstieg, Sicherheit – schreiben Sie sich das ins Stammbuch und besinnen Sie sich auf diese alten Werte, die die Sozialdemokratie einst hatte, aber sagen Sie nicht, diese Regierung hätte nichts für die arbeitenden Menschen im Land getan! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.47


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Bundesrat Schachner, bitte.


12.47.47

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Ja, du (in Richtung Bundesrat Kornhäusl) hast mich jetzt herausgefordert, das ist dir aber eh klar, gell? (Bundesrat Kornhäusl: Aber ich bleibe dann sitzen! Ich hätte noch einiges!) – Ja, okay.

Schaut, ganz ehrlich jetzt: Also dass die Bundesregierung nichts gemacht hat, das dürfen wir hier herinnen nicht sagen, weil es ja nicht stimmt. Die Bundes­regie­rung hat sehr wohl etwas gemacht. (Bundesrätin Jagl: Warum sagt ihr es dann? – Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.) – Wartet ein bissel! Wenn wir das hier sagen, würden wir lügen, das tut man nicht, das darf man nicht und sollte man auch nicht tun.

Eines hat sie aber auf jeden Fall gemacht: Sie hat auf manche Menschen vergessen. Ich weise nur auf die letzten Mieterhöhungen hin, es gab viermal eine Mieterhöhung. (Ruf bei der ÖVP: In Wien, oder?) – Nein, überall! Nicht „in Wien“! (Bundesrätin Schumann: Überall!) Das ist ja ein Gesetz, darüber haben wir ja hier herinnen schon geredet! – Es gab viermal eine Mieterhöhung, und da muss ich euch ganz ehrlich sagen, das tut im Herzen weh, wenn ihr dann sagt, ihr tut so viel und es ist alles so super und es ist alles so klass. Ich glaube, ihr redet mit den Menschen nicht mehr, die draußen arbeiten, gell? (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr müsst einmal mit den arbeitenden Menschen reden. Ich war vor Kurzem erst mit Pensionisten beisammen, die ihre alten Möbel auf die Straße gestellt haben und mir gesagt haben: Wir können die Miete einfach nicht mehr zahlen, wir wissen zur Mitte des Monats nicht mehr, wie es sich ausgehen soll, damit wir uns ein Essen kaufen können! – Ich glaube, ihr redet mit solchen Leuten nicht.

Ich sage euch auch ganz ehrlich: Eine Inflationsrate von über 8 Prozent zu haben, wo es in Europa rundherum 6 Prozent und noch weniger sind, da braucht man


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sich nicht ein Ruhmesblatt umzuhängen und zu sagen, wir sind die Besten, wir tun eh alles. Da muss man auch etwas für die Menschen tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verstehe nicht, warum ihr das nicht tut. Es liegt bei euch, ihr habt es in der Hand, dass ihr die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senkt, dass ihr die Benzinpreise senkt, wenn die Leute es sich nicht einmal mehr leisten können, zur Arbeit zu fahren. Da könnte ich euch jetzt immer fort und immer weiter Beispiele aufzählen.

Ich sage euch: Alle schön ruhig bleiben! Tut etwas für die Menschen, dann werden sie es euch auch danken! Sonst werdet ihr es wirklich im nächsten Jahr bei den nächsten Wahlen sehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.49


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wünscht noch jemand das Wort? – Kollege Spanring, bitte.


12.49.58

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Staatssekretär! Wenn die Emotionen einmal so sind, dann muss man die Situation natürlich nützen (Bundesrat Kornhäusl: Aber du beruhigst dich!) – und ich muss sagen, Herr Kollege Kornhäusl, ich kann Ihnen voll und ganz recht geben. Ich gratuliere zu all dem, was Sie aufgezählt haben. Die Regierung hat wirklich viel getan. Sie hat den Menschen viel gegeben. Was Sie vergessen haben zu sagen: Sie haben ihnen vorher dreimal so viel weggenommen, wie Sie ihnen jetzt zurückgeben. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist die unredliche Regierungsarbeit, die wir kritisieren: Sie ziehen den Leuten 200 Euro aus dem Säckel (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann), und dann sagen Sie ihnen: Schaut, wir geben euch 50 Euro zurück; und weil wir euch 50 Euro zurückgegeben haben, müsst ihr alle dankbar sein! – Das ist unehrlich! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

12.50

12.50.47



BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 124

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ist eine weitere Wortmeldung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen somit zu den Abstimmungen, die ich über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt vornehme. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Abgabenänderungsgesetz 2023.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein CESOP-Umsetzungsgesetz 2023.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 125

12.52.134. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Wagniskapitalfonds erlassen (Wagniskapital­fonds­gesetz – WKFG) und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (2096 d.B. und 2141 d.B. sowie 11273/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter hierzu ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


12.52.37

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa (den Vorsitz übernehmend): Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte.


12.53.15

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Besucher:innen hier im Saal! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Tagesordnung eingehe, muss ich schon noch in aller Kürze auf Herrn Kollegen Kornhäusl replizieren. „Leistung, Aufstieg,


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Sicherheit.“ – Ja, recht hat Herr Kreisky gehabt. Ich muss dann aber schon etwas hinterfragen: Du hast Leistung angesprochen. (Bundesrat Kornhäusl: Ja!) Jetzt frage ich euch: Ist Erben eine Leistung? (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ihr macht schließlich Politik für Erben. (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) Ich meine, es ist eh schön, wenn man erbt, aber Leistung ist es keine. (Bundesrat Kornhäusl: Es hat schon wer erarbeitet! Es hat schon jemand erarbeitet, Doris! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) Ist es eine Leistung, Einnahmen aus günstigen Veranlagungen zu machen, das heißt, das Geld arbeiten zu lassen, während andere tagtäglich sehr früh aufstehen und den ganzen Tag extrem schwer arbeiten müssen? Ist es eine Leistung, sein Geld arbeiten zu lassen? – Na ja. Diverse Namen sind dahin gehend heute ja schon gefallen, ich möchte sie jetzt nicht noch einmal wiederholen, aber: Ist es eine Leistung, sich in einem Großunternehmen schlicht und einfach viele, viele Millionen an KöSt zu erspa­ren? Ist das eine Leistung? – Ich wage es zu bezweifeln. Genau für solche Personengruppen macht ihr aber in Wahrheit Politik – und das ist eben nicht unser Ansatz von Leistung. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Ansatz von Leistung ist der, dass Millionen von Menschen in Österreich tagtäglich aufstehen und hart arbeiten, und die sind von großen, großen Preissteigerungen bei Mieten, Krediten, Stromkosten und so weiter und so fort betroffen. (Bundesrat Kornhäusl: Für die stehst du nicht mehr, Doris!) – Hör mir einmal zu! Vielen Dank. – Ich bin selbst EVN-Kundin. Wir, die 340 000 Kundinnen und Kunden, die gekündigt und daraufhin mit wesentlich teureren Verträgen abgespeist worden sind, wissen das alle. Ich kann es mir leisten, okay – aber was ist mit einer Alleinerzieherin, die jeden Tag kämpfen muss, um sich das tägliche Leben leisten zu können? Wir haben wie gesagt schlicht und einfach einen ganz anderen Begriff von Leistung; das müsst ihr auch akzeptieren (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler), und das nächste Wahlergebnis wird es hoffentlich zeigen.

Nun aber zurück zur Tagesordnung, nämlich zum Wagniskapitalfondsgesetz: Ja, der Titel klingt schon ein bisschen sperrig, und man muss ehrlich sagen: Das


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Gesetz ist es auch. Worum geht es konkret? – Mit der Möglichkeit, einen Wagniskapitalfonds zu bilden, sollen in Zukunft Eigenkapital und Liquidität der österreichischen Unternehmen gestärkt werden und die Beteiligung an Unternehmen erleichtert werden. Das soll nun mithilfe von Wagniskapitalfonds in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ermöglicht werden. Investoren stellen also Kapital bereit, das dann der Wagniskapitalfonds in Unternehmen mit Kapitalbedarf investiert. So lautet zumindest das Ziel, wie es eben auch konkret im Gesetz formuliert wurde.

Da muss ich auch gleich mit einer entsprechenden Kritik unsererseits einhaken. Wir haben im Ausschuss gehört – und auch der Herr Finanzminister hat es ja zuletzt im Nationalrat so dargestellt –, dass aufgrund der letzten Krisenjahre – Corona, Lieferengpässe und so weiter, wir wissen es alle – die Eigenkapitalquote der Unternehmen gesunken sei und es dieses Gesetz deshalb so dringend brauche. Dazu gäbe es auch Studien, hat der Herr Finanzminister gemeint – bloß, welche Studien das sind, sagt man nicht dazu, und auch konkrete Zahlen ist man bis heute schuldig geblieben. Wie hat sich denn also die Eigenkapitalquote tatsächlich entwickelt? Wir haben uns dazu eine Studie der Nationalbank angeschaut, und die sagt genau das Gegenteil: dass nämlich die österreichischen KMUs ihre Eigenkapitalausstattung in den letzten Jahren sogar um 10 Prozent steigern konnten.

Dann fragt man sich, ob dieses ausgegebene Ziel tatsächlich erreicht wird und ob es das richtige ist. Wir sind da schon mehr als skeptisch – aber man muss auch dazusagen: nicht nur wir als Sozialdemokratie, sondern zum Beispiel auch die Bundesarbeitskammer, der ÖGB und viele mehr, die das in ihren Stellungnahmen auch so kundgetan haben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Anders formuliert: Braucht es dieses Gesetz in dieser Form tatsächlich? Noch einmal anders formuliert: Wem nützt dieses Gesetz in Wahrheit?

Was auch in diesem Fall wieder einmal und wie so oft völlig gefehlt hat, ist eine breite Diskussion über die Thematik – und vor allen Dingen im Vorfeld einer ordentlichen Zielfestlegung. Es hat auch eine entsprechende Evaluierung gefehlt,


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unter Umständen mit Erfahrungen anderer Länder, und vor allen Dingen – und das vergessen Sie leider in den letzten Jahren in vielen, vielen Gesetzen – mit einem entsprechenden Erfahrungsaustausch mit den Sozialpartnern. Damit hätten eben auch mögliche Risiken und die Lücken, die vor allem auch, wie es auch ÖGB und Arbeiterkammer formulieren, hinsichtlich der Governancestruk­turen gegeben sind, genau analysiert und dann auch geschlossen werden können. Da bestätigen uns ÖGB und Arbeiterkammer schlicht und einfach in unserer Kritik. Vor allen Dingen geht es auch darum, dass die Arbeitnehmer:in­nen­betei­ligung im Aufsichtsrat sichergestellt werden muss – und das ist in dieser Gesetzesvorlage eben in dem Maß nicht der Fall.

Es gäbe noch viele, viele weitere Punkte, die zu hinterfragen wären. Ich muss noch als Bonmot hinzufügen, dass sogar Investoren – nämlich die Avco höchstselbst – scharfe Kritik am Gesetzentwurf üben. Die Avco schreibt, es ist „bürokratisch, teuer, nutzlos“, „nicht praktikabel“. Ich könnte noch weitere Formulierungen aufzählen, möchte allerdings noch einen letzten Punkt herausnehmen, weil er eigentlich fast schon entlarvend ist und wieder gut zu dem, was ich eingangs gesagt habe, passt: nämlich die Erhöhung der Bagatellgrenze betreffend den Steuersatz für durch die KESt endbesteuerte Kapitaleinkünfte von 10 auf 20 Prozent. In Summe lässt man da schlicht und einfach Lücken geöffnet. Vor allen Dingen – und das ist das Wichtige in dem Zusammenhang – lässt man eine missbräuchliche Verwendung als Steuer­sparkonstruktion ganz bewusst zu.

Daher, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist dieses Gesetz aus meiner Sicht leider nur ein weiterer Puzzlestein in einer ganz, ganz langen Reihe verschie­dener Steuersparmaßnahmen und zeigt ein ganz deutliches und eindeutiges Bild, nämlich: Es profitieren auch da wieder einmal die Freundinnen und Freunde der ÖVP, es profitieren einmal mehr die Finanzspekulanten, und es profitieren einmal mehr vor allem Millionärinnen und Millionäre in unserem Land.

Die kleinen Unternehmer allerdings, die mit ihrer Leistung die Wirtschaft in Österreich tragen und am Leben halten, werden davon recht wenig haben – das


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ist zu befürchten. Und das Ziel, das seitens der Regierung ausgegeben wurde, nämlich damit vor allem junge und innovative Unternehmen zu fördern, wird in Wahrheit gar nicht erreicht, ja sogar verfehlt.

Dabei wäre es aus unserer Sicht gerade jetzt, da wir immer noch eine der höchsten Inflationsraten in Europa haben – wir haben es heute schon gehört – und da die Teuerung nach wie vor Familien, aber auch kleine Unternehmen vor ganz besonders große Herausforderungen stellt, längst an der Zeit, wirklich wirksame und nachhaltige Maßnahmen auch für die vielen – nämlich für die Menschen in Österreich, und nicht für die wenigen Profiteure der ÖVP – zu schaffen.

Daher: Solange eine missbräuchliche Verwendung als Steuersparkonstrukt nicht ausgeschlossen werden kann, werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend, bevor ich wieder auf das Präsidium wechsle, möchte ich noch unserer Frau Präsidentin zu ihrer Präsidentschaft im kommenden, in diesem Halbjahr gratulieren. Ich glaube, das Thema ist ein immens wichtiges. Es geht nur dann etwas weiter, wenn wir zusammenarbeiten und zusammenhalten.

Vielen Dank für deine Initiative! Ich glaube, die Unterstützung im Präsidium ist auf alle Fälle da, und ich hoffe, auch im gesamten Bundesrat. Alles Gute dafür! Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

13.01


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Nächster Redner ist Christoph Stillebacher. Ich erteile ihm das Wort.


13.01.57

Bundesrat Christoph Stillebacher (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen zu Hause! Das Wagniskapitalfondsgesetz, um das es hier geht, ist als erster Schritt für die Stärkung der Eigenkapitaldeckung der österreichischen


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Unternehmen zu sehen. Auch wir haben uns dazu einige Fragen gestellt, und natürlich haben wir andere Zugänge und andere Standpunkte als meine Vorrednerin. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Wieso soll das Eigenkapital überhaupt gestärkt werden? – Weil Österreichs Unternehmen im internationalen Vergleich eine zu geringe Eigenkapitalquote haben. Unsere Unternehmen finanzieren sich zu einem großen Teil über Fremdkapital.

Wieso ist es wichtig, das jetzt zu ändern? – Weil eine gesunde Eigenkapitalquote die Resilienz der Unternehmen stärkt und sie damit weniger krisenanfällig macht.

Was macht das neue Gesetz? – Mit diesem Wagniskapitalfondsgesetz wollen wir die Bereitstellung von Eigenmitteln erleichtern, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Es wird eben genau nicht in börsennotierte Unternehmen investiert, wie zuvor schon kritisiert worden ist.

Dieses Wagniskapitalfondsgesetz ist genau dazu da, speziell Klein- und Mittelbetriebe mit Kapital auszustatten. Das soll heißen: Der Gesetzentwurf regelt die Rahmenbedingungen für Wagniskapitalfonds, und diese Wagniskapitalfonds werden, wie international üblich, als geschlossene Fonds in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft errichtet werden.

Und wie schon erwähnt: Für uns ist das ein erster Schritt zur Stärkung der Eigenkapitaldeckung der österreichischen Unternehmen, und das ist ein sehr wichtiger Punkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu diesem Zweck empfiehlt sich eine laufende Evaluierung, um wertvolle Hinweise für die nächsten Schritte zu sammeln. Zum einen gilt es dabei zu beobachten, ob die Zielvorgabe dieses Gesetzes, nämlich die Eigenkapitalquoten von Österreichs Unternehmen zu erhöhen, tatsächlich im erwarteten Ausmaß erreicht wird. Andererseits sieht das Gesetz erfreulicherweise hohe Transparenz­standards, den Schutz der Anlegerinnen und Anleger und Geldwäscheprä­ven­tionsmaßnahmen vor.


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Es geht aber auch um die Interessen und den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir müssen deshalb den Fokus auch darauf richten, welche Auswirkungen Wagniskapitalfonds eventuell auf involvierte Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer haben können; und es gilt zu beobachten, ob in einem solchen Fall die Interessen der Belegschaft durch Arbeitnehmer:innen­vertretung in entsprechenden Aufsichtsgremien eines Unternehmens ausreichend gewahrt sind. Gegebenenfalls müssten deren Interessen in folgen­den Schritten – auch Anpassungsrahmen – besser berücksichtigt werden. Da werden wir auf alle Fälle dranbleiben.

Alles in allem: Das Wagniskapitalfondsgesetz trägt der Vereinbarung im Regierungsprogramm Rechnung, wonach eine Gesellschaftsform für alter­native Investmentfonds mit variablem Kapital ermöglicht werden soll, nämlich bei gleichzeitiger Berücksichtigung hoher Transparenzstandards sowie des Anlegerschutzes.

Weiters dient der Gesetzbeschluss der Stärkung der Eigenkapitaldeckung österreichischer Unternehmen. Ich darf daher um Zustimmung bitten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.05


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


13.05.42

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Minister – pardon, Herr Staatssekretär, aber das kann ja noch werden! Wenn man den Begriff Wagnis googelt – heute haben wir ja die Digitalisierung schon gehabt –, findet man folgende Definition: „gewagtes, riskantes Vorhaben (...) ein kühnes, großes, gefährliches Wagnis (...) Gefahr, Möglichkeit des Verlustes“. (Bundesrat Kornhäusl: Wirklich? Auf dein ...!)


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Es handelt sich also um ein Gesetz, das flexibles Kapital freimachen soll, das dann für kleine, mittlere Unternehmen zur Verfügung steht. Es ist aber leider nicht ganz so: Es versteckt sich eher eine Art Investitionsfonds für Unterneh­mensbeteiligung dahinter.

Wenn man sich die Stellungnahmen der Gewerkschaft oder der Avco – das ist die Interessenvertretung – durchliest, dann muss man sagen, die Stellung­nahme ist eher vernichtend. Aus Sicht von Avco „ist festzustellen, dass der vorliegende Entwurf des WKFG nicht geeignet ist, die Situation in Österreich zu verbessern. Auf den Punkt gebracht: Das ist kein ‚Wagniskapitalfond‘gesetz und sollte daher auch nicht so betitelt werden.“

Und weiter: „Es ist schade, dass damit eine weitere Chance, Risikokapital zu mobilisieren, versäumt wird.“

Die Stellungnahme schließt dann mit folgender Zusammenfassung: „Es ist nicht zu erwarten, dass ein Gesetz in der Ausprägung des Entwurfes dazu führt, dass Wagniskapitalfonds errichtet werden. Damit erscheint der Entwurf zu einer Aktivierung von Risikokapital für österreichische Innovationen ungeeignet. Es ist sogar zu befürchten, dass die Absetzbewegung österreichischer Risikoinvestoren in ausländische Fonds dadurch noch verstärkt wird.“

Dieses Gesetz ist geradezu so konstruiert, dass es eher Großanlegern und Finanzspekulanten nützt. Kollegin Hahn hat es schon gesagt: Es ist eher für die Großen, für die Freunde der ÖVP, und nicht für die kleinen und mittleren Unternehmen, die es brauchen würden. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rät:innen der SPÖ.)

Risikokapitalaufbringung braucht aber eine auf die Bedürfnisse des Wagniskapitalfonds zugeschnittene Lösung, welche dieses Bundesgesetz mit Sicherheit nicht bringt. Daher werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.08



BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 133

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Maria Huber. – Bitte.


13.08.09

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher hier im Saal! Auch ich will noch einmal probieren, zu erklären, warum wir dieses Gesetz brauchen und wem es nützt, denn ich habe den Eindruck, dass das noch nicht so wirklich durchge­drungen ist. (Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Mein Heimatbundesland, die Steiermark, ist mit den zahlreichen Hochschulen, die dort angesiedelt sind, ein guter Nährboden für junge, innovative Unter­nehmen. Besonders freut es mich, dass gerade die Steiermark österreichweit die höchste Dichte an Green-Tech-Start-ups aufweist.

Ein großes Problem dieser Unternehmen, vor allem wenn es um Start-ups geht, die im Hightechbereich tätig sind – und das habe ich während meines Studiums selbst erlebt, weil ich an einem mitgearbeitet habe –, ist, dass Start-ups besonders am Anfang sehr viel Kapital benötigen, um ihre Ideen umzusetzen. Und dieses dringend benötigte Geld zu bekommen ist für die Gründerinnen und Gründer leider nicht ganz einfach.

Wenn Sie als Jungunternehmerin oder als Jungunternehmer zu einer Bank gehen, ist es meist sehr schwierig, einen Kredit zu bekommen, weil die Banken bekanntermaßen Sicherheiten verlangen. Unternehmen, die wachsen wollen und diese Sicherheiten noch nicht haben, bekommen aber leider schwer Bankkredite. Für viele Banken ist das Risiko für die Finanzierung eines Start-ups zu groß. Vor allem dann, wenn nur sehr wenig Eigenkapital vorhanden ist, lehnen Banken Kreditgesuche meistens ab. Und genau dann braucht es Wagnis­kapital.


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Kollege Stillebacher hat das schon sehr ausführlich und sehr schön dargelegt. Wagniskapital hat nämlich im Gegensatz zu Krediten den Vorteil, dass keine Kreditraten im klassischen Sinne, die die Liquidität des jungen Unternehmens belasten würden, zurückbezahlt werden müssen. Weil Wagniskapital auch langfristig bereitgestellt wird und in kritischen Situationen nicht zurückgefordert wird, wie es manchmal bei Bankkrediten der Fall ist, ergibt sich für das junge Unternehmen eine wesentlich höhere Planungssicherheit. Das macht das Unternehmen krisenfester, weil man nicht fürchten muss, Geldmittel vorzeitig zurückbezahlen zu müssen.

Ich bin der Ansicht, wir setzen heute einen wichtigen ersten Schritt, um mit diesem Wagniskapitalfondsgesetz einen modernen, international üblichen rechtlichen Rahmen zu schaffen, damit österreichische Unternehmen auch diese Finanzierungsalternative nutzen können.

Wir stärken dadurch den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig, denn Fakt ist: Innovative Unternehmen wachsen schneller, schaffen mehr Arbeitsplätze und sind wesentlich krisenrobuster.

Ich bitte daher um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.11


13.11.17

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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13.11.455. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (2095 d.B. und 2143 d.B. sowie 11274/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter hierzu ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht. – Herr Bundesrat Gfrerer ist nicht anwesend. Kann ihn jemand herbeischaffen oder den Bericht verlesen? (Bundesrätin Eder-Gitschthaler begibt sich zum Redner:innenpult.) – Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler, ich danke für den spontanen Einsatz.


13.12.24

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Bitte schön.


13.13.01

Bundesrat Christoph Stillebacher (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen und Kolleginnen! In den letzten Jahren ist


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die Anzahl der Naturkatastrophen weltweit stark gestiegen. Leider sind wir in Österreich in regelmäßigen Abständen immer wieder von Naturkatastrophen betroffen. Durch die Topografie in Österreich gilt jedes Bundesland als Risikogebiet für Naturkatastrophen. Hierzulande sind dies vor allem Extremwet­terereignisse wie Stürme, Hochwasser, Schnee, Hagel. Heftige Unwetter zogen immer wieder über Teile Österreichs und hinterließen eine Spur der Verwüstung. Intensive Regenfälle führten zu Hangrutschungen, Überflutungen sowie Muren, Sturzfluten auf Straßen, oder es wurden Brücken mitgerissen. In Österreich gibt es keine Region, die nicht schon von Extremwetterereignissen betroffen war oder betroffen sein kann. Kaum eine Region blieb bisher verschont.

Ob das in Zukunft noch intensiver wird, wissen wir nicht – wir alle hoffen, dass es nicht so sein wird –, aber weniger wird es auf keinen Fall. Eines wissen wir aber mit Sicherheit: Neben den persönlichen Schicksalsschlägen, den Ängsten und der Ungewissheit für die weitere Zukunft der Betroffenen ist so eine Naturkatastrophe immer mit extremen Kosten verbunden.

Laut dem österreichischen Versicherungsverband, VVO, wird jährlich fast 1 Milliarde Euro an Schäden verzeichnet. Es ist also von entscheidender Bedeutung, dass wir als Staat über angemessene Ressourcen verfügen, um Menschen und Kommunen nach Katastrophen unterstützen zu können.

Der in Österreich bestehende Katastrophenfonds ist grundsätzlich gut und zufriedenstellend aufgestellt. Die unmittelbaren finanziellen Schäden werden direkt von Bund und Ländern und indirekt von den Gemeinden in unter­schiedlichen Verhältnissen abgedeckt. Für die betroffenen Gemeinden bleibt es aber trotzdem immer noch eine immense finanzielle Herausforderung, besonders dort, wo es um Folgekosten geht, wie zum Beispiel bei Errichtung neuer baulicher Schutzmaßnahmen.

Im letzten Jahr hat es die beiden Kärntner Gemeinden Treffen und Arriach leider schwer getroffen. Das Unwetter war von besonderer Heftigkeit, und die


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Schäden waren enorm. Ich selber komme aus dem Tiroler Oberland, das ist eine Region, die immer wieder Naturkatastrophen zu bewältigen hat, und ich kann mich noch gut an die Ereignisse in Kärnten erinnern. Neben den Sorgen um die betroffenen Menschen war mir aufgrund der Erfahrung auch bewusst, welche finanziellen Herausforderungen auf die Gemeinden zukommen werden. Deshalb habe ich auch große Freude mit dem vorliegenden Gesetzentwurf.

Im Ausschuss waren wir uns erfreulicherweise alle einig, dass wir diese beiden Gemeinden bei den Kosten des neuen Hochwasserschutzes nicht alleinlassen können. Alle Ausschussmitglieder haben, also parteiübergreifend, beim Beschluss der 3 Millionen Euro zugestimmt. Damit das abgewickelt werden kann, brauchen wir heute die Verabschiedung dieses Gesetzes.

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das wichtig und richtig ist. Mich persönlich freut ganz besonders die parteiübergreifende kollegiale Zusammenarbeit in diesem Fall. Hier geht es um die Sache, um eine Lösung für die betroffenen Menschen und die Gemeinden. Dafür sind wir als gewählte Volksvertreter auch da. (Beifall bei der ÖVP.)

Am Schluss meiner Rede möchte ich mich aber auch noch der Meinung unserer Kolleginnen und Kollegen vom Nationalrat anschließen: Damit wir nicht jedes Mal bei ähnlichen Fällen ein eigenes Gesetz beschließen müssen, sollten wir alsbald über eine entsprechende dauerhafte Regelung nachdenken. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.17


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Christian Fischer. – Bitte, Herr Kollege.


13.17.10

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Unsere Fraktion stimmt dem Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996


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geändert wird, natürlich zu. Dieser Beschluss garantiert, dass die Gemeinde Arriach 1,25 Millionen Euro und die Gemeinde Treffen am Ossiacher See 1,75 Millionen Euro für Maßnahmen des Hochwasserschutzes und der Wild­bach­verbauung aus dem Katastrophenfonds erhalten werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese zwei Kärntner Gemeinden wurden am 29. Juni 2022 Opfer eines Jahrhunderthochwassers. Acht Ortschaften im Gemeindegebiet Treffen wurden von einer Welle der Zerstörung schwerstens in Mitleidenschaft gezogen. Der Afritzbach, der Treffner Bach und die Wildbäche verursachten unglaubliche Schäden. Über 200 große Schadensfälle gab es im Privatbereich, zusätzlich wurde in der öffentlichen Infrastruktur vieles zerstört: 19 Brücken, mehrere Straßen, Wirtschaftshof, Sportplätze und Tennisplätze wurden weggerissen, die Trinkwasser- und Abwasserversorgung sowie die Stromversorgung beschädigt. Die Gesamtkosten der Hochwasserschutzmaßnahmen liegen bei rund 23 Millionen Euro.

Diese notwendigen Investitionen übersteigen die budgetären Möglichkeiten beider Gemeinden. Die Mittelaufstockung aus dem Katastrophenfondsgesetz garantiert die Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur im Hoch­wasserschutzbereich und trägt wesentlich zum Schutz der betroffenen Bevöl­kerung bei.

Unabhängig von den Zuschüssen aus dem Katastrophenfonds sind die finanziellen Belastungen für die betroffenen Kommunen aber sehr hoch, und sie wirken sich natürlich auch in den Folgejahren im Gemeindebudget belastend aus. Das kann ich als Bürgermeister einer betroffenen Gemeinde berichten.

Deshalb gilt umso mehr, dass in den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen die Finanzkraft der Gemeinden zur Daseinsvorsorge für die kommenden Jahre nachhaltig erhöht und gestärkt werden muss. (Beifall bei der SPÖ.)


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Abschließend möchte ich Ihnen vom Treffener Bürgermeister Klaus Glanznig die besten Grüße, verbunden mit einem aufrichtigen Dankeschön an alle im Bundesrat vertretenen Fraktionen, ausrichten. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundes­rät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.20.05

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Auch wir werden der Änderung des Katastrophenfondsgesetzes zustimmen, damit die finanzielle Unterstützung für die Gemeinden sichergestellt wird. Wir erleben immer wieder Unwetterkatastrophen, aktuell in Oberösterreich, Salzburg und Tirol, und daher bedanke auch ich mich bei allen Einsatzkräften und bei den vielen Ehrenamtlichen, die da große Hilfsbereitschaft zeigen, für ihr unglaubliches Engagement. Sie leisten Herausragendes, da kann man nur Danke sagen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesräte Arlamovsky und Leinfellner.)

Neben den Sofortmaßnahmen ist es wichtig, den Betroffenen und den Gemeinden finanziell zu helfen. Für die Gemeinden ist es notwendig, dass sie Unterstützung bekommen. Viele Gemeinden bleiben aber trotz der Unterstützung auf offenen Beiträgen sitzen, da müssen die Länder einspringen und sie unterstützen. Unterstützung aus dem Katastrophenfonds und rasche Hilfe benötigen nicht nur die Gemeinden, sondern auch die betroffenen Bürger vor Ort. Die großen Herausforderungen dabei sind, dass die Privaten das zuerst einmal vorfinanzieren müssen und dass es dauert, bis sie das Geld wieder zurückbekommen. Das ist gerade während der Teuerungswelle und mit Blick auf die hohe Inflation eine große Belastung. Da muss man rascher handeln.


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Es müsste noch eine Regelung gefunden werden, damit die Gemeinden auch eine Lösung haben, mit der sie arbeiten können. Über das Katastrophenschutz­gesetz müssen auch in Zukunft Mittel zur Verfügung gestellt werden können, sodass man nicht jedes Mal – der Kollege hat es vorhin angesprochen – ein eigenes Gesetz machen muss. Es soll also ein dahin gehendes Gesetz umgesetzt werden.

Wir haben einerseits die Verpflichtung, den Gemeinden zu helfen, andererseits aber auch den Privaten, sodass ihnen rasch Lösungen zukommen. Da wäre auch angedacht, mit den Versicherungen zu sprechen, damit ihnen etwas von der Finanzierung abgenommen werden kann – vielleicht gelingt das in nächster Zeit. Auch im Bereich Wildbachverbauung und Hochwasserschutzmaßnahmen brauchen die Gemeinden mehr finanzielle Unterstützung vom Bund. Es wäre sinnvoll, wenn wir auch das parteiübergreifend und einstimmig zusammen­brin­gen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.22


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Maria Huber. – Bitte schön.


13.22.52

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei den vielen Freiwilligen und selbstverständlich auch bei den Hilfsorganisa­tio­nen für ihren Einsatz im Katastrophengebiet bedanken. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ, bei Bundesrät:innen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es freut mich wirklich außerordentlich, dass diese wichtige Unterstützung für die Kärntner Gemeinden Arriach und Treffen hier offensichtlich einstimmig beschlossen wird. – Vielen Dank noch einmal dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Es ist wirklich ein sehr schönes Zeichen, dass


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wir als Bundesrat das Ganze heute gemeinsam, solidarisch, über alle Parteigrenzen hinweg beschließen können.

Starkregen, Unwetterereignisse und Murenabgänge in nie gekannter Häufigkeit, in nie gekanntem Ausmaß, wie wir sie in Österreich immer öfter erleben müssen, sind die Auswirkungen der Klimakrise, die für uns alle immer mehr spürbar werden. Wir als Bundesrat sind die Länderkammer, und gerade die Länder haben mit der Raumordnung einen sehr, sehr wichtigen Hebel in der Hand. Es geht um Fragen wie: Wie gehen wir mit unserem Boden um? Wie schützen wir die wichtigen Retentionsräume, um auch bei Starkregenereignissen Überflutungen wirksam verhindern zu können?

Leider, das muss ich hier an dieser Stelle auch sagen, ist gerade die Steiermark traurige Spitzenreiterin in Österreich, wenn es um Bodenverbrauch und Flächenversiegelung geht. 11 Quadratkilometer Boden werden dort jedes Jahr verbraucht. Diese Verschwendungspolitik vernichtet Lebensräume für Tiere und Pflanzen, heizt dem Klima ein, zerstört kostbare Anbauflächen für unsere Nahrungsmittel und gefährdet letztendlich unsere Lebensgrundlage.

Wir brauchen da dringend eine Trendwende. Wir müssen uns die Fragen stellen: Braucht es wirklich ein weiteres Fachmarktzentrum auf der grünen Wiese neben der Bundesstraße? Muss es wirklich ein weiteres Chaletdorf sein oder kann es auch einfach eine Alm bleiben, die den Siedlungsraum darunter weiter­hin schützt? – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.25


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.25.43

Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Als Kärntnerin muss ich mich dazu natürlich zu Wort melden. Ich kann mich noch


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genau erinnern, es war vor circa einem Jahr, als die beiden Gemeinden Arriach und Treffen von schweren Unwettern, die eine Spur der Verwüstung hinterlassen haben, betroffen waren. Ganz Kärnten hat damals zusammen­ge­arbeitet und zusammengeholfen. Alle haben versucht, schnellstmöglich zu helfen, sei es mit finanziellen Sofortmaßnahmen oder so, wie auch meine Gemeinde: Diese hat sofort die Gerätschaften aus dem Bauhof zur Verfügung gestellt, die benötigt wurden. Natürlich waren auch alle unsere Feuerwehren sofort an Ort und Stelle, um zu helfen.

An dieser Stelle möchte ich mich auch noch einmal bei allen Feuerwehr­männern und -frauen für ihre Unterstützung bedanken und natürlich auch allen Helfe­rin­nen und Helfern ein großes Dankeschön aussprechen. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wie wir schon gehört haben, wurden infolgedessen Maßnahmen des Hochwasserschutzes und der Wildbachverbauung am Treffner Bach und dessen Zubringern erforderlich. Es entstanden Kosten von 23 Millionen Euro, wobei 3 Millionen Euro als anteilige Finanzierungsbeiträge auf die beiden Gemeinden entfallen sind. Mit dieser Gesetzesnovelle werden nun auch diese Kosten vom Katastrophenfonds des Bundes übernommen.

An dieser Stelle noch einmal danke, sehr geehrter Herr Minister, für diese notwendigen finanziellen Mittel und auch für die Unterstützung; danke auch an alle Fraktionen für die Zustimmung. Das ist, wie meine Kollegin Maria Huber schon gesagt hat, wirklich ein schönes Zeichen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

13.27

13.27.33


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 143

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.28.006. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungs­gesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutions­ord­nung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz geän­dert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2023 – ZVN 2023) (2093 d.B. und 2155 d.B. sowie 11288/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafterver­sammlungen (Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz – VirtGesG) erlas­sen wird (2094 d.B. und 2156 d.B. sowie 11289/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungs­punkten 6 und 7, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 6 und 7 ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um die Berichte.


13.28.33

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 144

vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Präsidentin Arpa übernimmt den Vorsitz.)

Ich bringe den Bericht des Justizausschusses zum nächsten Punkt, und zwar über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafter­versammlungen, Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz, erlassen wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor und ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.


13.30.11

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Ministerin ist leider noch nicht da. (Bundesrat Schreuder: Sie ist gleich da!)  Es freut mich, dass sie sofort


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kommen wird. Der Bericht der Frau Berichterstatterin würde vermuten lassen, dass es sich um eine große Reform handelt, aber dem ist nicht so. Heute liegt uns nämlich nur eine kleine Zivilverfahrens-Novelle zur Beschlussfassung vor.

Wir erinnern uns: Als wir noch drüben in der Hofburg gesessen sind, haben wir immer wieder befristete Ausnahmeregelungen beschlossen, bei denen es darum ging, die Möglichkeit einer Videozuschaltung in Zivilverfahren vorzusehen. Genau das, was wir immer befristet beschlossen haben, soll jetzt ins Dauerrecht übernommen werden. Da sage ich: Ja, warum nicht? Wenn alle Streitparteien einverstanden sind, es also ein Widerspruchsrecht gibt. Das wäre durchaus der zustimmungsfähige Teil dieser Zivilverfahrens-Novelle.

Ich bin aber deshalb als Kontrarednerin eingetragen, weil der zweite Teil eben etwas problematischer ist. In diesem geht es nämlich darum, virtuelle Gesellschafterversammlungen durchzuführen. Es wurde auch schon in der Begutachtung von vielen Seiten eingewendet, dass dadurch etwa bei börsennotierten Unternehmen die Rechte von Kleinaktionärinnen und Klein­aktionären unter Umständen eingeschränkt werden könnten und auch Kontrollrechte beschnitten werden könnten und es daher zumindest jedenfalls eine hybride Form geben sollte – also mit einem Anwesenheitsrecht und der Möglichkeit, sich virtuell zuzuschalten. – Das ist wie gesagt der problematische Teil dieser kleinen Zivilverfahrens-Novelle.

Was aber noch schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass es eine zu kleine Novelle des Zivilverfahrens ist. Frau Kollegin Neurauter, Sie haben ja die vielen Gesetze aufgezählt, die heute ein Stückerl weit renoviert werden und an denen ein bisserl gedreht wird, aber es wird eben zu wenig gedreht. Sie haben ja auch Zivilprozessordnung und Insolvenzordnung genannt – all das ist - - (Bundes­minis­terin Zadić betritt den Saal.) – Herzlich willkommen, liebe Frau Ministerin, schön, dass Sie da sind! – Applaus! Habt ihr vergessen, das gehört schon an dieser Stelle! (Heiterkeit der Rednerin. – Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)


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Ich habe gerade darüber gesprochen, dass der erste Teil der Zivilverfahrens-Novelle durchaus unproblematisch ist, wenn die Regelungen mit der virtuellen Zuschaltung ins Dauerrecht übernommen werden, dass aber eben der zweite Teil, die virtuelle Gesellschafterversammlung unserer Meinung problematisch ist, weil die Situation der Kleinanleger, -anlegerinnen nicht ausreichend berücksichtigt zu sein scheint.

Das Schwerwiegende aber ist, dass es nur eine sehr kleine Novelle des Zivilverfahrens ist und dass die große Chance einer dringend gebotenen Reform des Insolvenzrechts nicht genützt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können sich vorstellen, was jetzt kommt, denn wie dringend die Reform des Insolvenzrechts ist, das zeigen genau die Machenschaften, die wir bei der Kika/Leiner-Insolvenz erleben. Was sich da abspielt, das hätte man nicht für möglich gehalten.

Deshalb bringe ich diesbezüglich einen Entschließungsantrag ein, weil wir sehen, dass es offensichtlich zu wenige zivilverfahrensrechtliche Vorschriften gibt, die es den Behörden ermöglichen, auf solche Machenschaften, wie sie derzeit von René Benko rund um die Kika/Leiner-Gruppe zu beobachten sind, zu reagieren. Anscheinend gibt es Lücken im Insolvenzrecht, denn auf der einen Seite wird ein satter Gewinn von 300 Millionen Euro und mehr eingestrichen, während auf der anderen Seite Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job verlieren und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Dummen sind und draufzahlen. Sie mussten Geld in die Sanierung hineinbuttern und schon vorher wurde über die verschiedensten Förderungen Geld hineingebuttert.

Wir müssen nun beobachten, dass über Verlustverschiebungen und Unternehmensabspaltungen ein Geschäftsmodell entstanden ist, das einfach die Allgemeinheit in einem unglaublichen Ausmaß belastet, bei dem Arbeitsplätze auf der einen Seite draufgehen und auf der anderen Seite Gewinne in einem Ausmaß, wie man das nicht für möglich gehalten hätte, angehäuft werden.


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 147

Daher ist es angebracht, hier tätig zu werden und eben diesen Entschließungs­antrag mit folgendem Inhalt zu beschließen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringende Reform des Insolvenzrechts“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Punkte enthält bzw. – sofern dies im Rahmen der bestehenden Gesetze möglich ist – die entsprechenden Maßnahmen zu setzen:“

Dieser Entschließungsantrag ist Ihnen auch zugegangen, deshalb erläutere ich ihn in den Grundzügen:

Es geht um ein neues Konzerninsolvenzrecht, denn bisher herrscht im Insolvenz­recht das Trennungsgebot: Jedes Unternehmen wird für sich alleine betrachtet, auch wenn es Teil eines Konzerns ist. Dadurch wird es eben erst möglich, die Schulden bei einem einzigen Unternehmen anzuhäufen, während die anderen Unternehmen besagte Gewinne schreiben. In Zukunft sollen diese Unternehmen desselben Konzerns als Einheit betrachtet werden und auch vom Insolvenz­gericht gemeinsam betrachtet werden können, um entsprechend tätig zu werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es zu Vermögensverschiebungen zulasten der Gläubiger kommt.

Im Antrag ist auch beschrieben, wie das technisch vonstattengehen kann. Es muss da also etwas geschehen, damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eben nicht draufzahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Eigentümerinnen und Eigentümer müssen verstärkt in die Verantwortung genommen werden, denn man sieht, wie das derzeit läuft: Es kommt zu keinen


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Änderungen der Eigentumsverhältnisse, im Gegensatz etwa zu anderen Ländern, wo sehr wohl die Gläubigerfunktion in einen Miteigentumsanteil umgewandelt werden kann, wenn beispielsweise Verbindlichkeiten bestehen. In weiterer Folge besteht auch aufseiten der Gläubiger ein Interesse am Fortbestehen des Unternehmens und natürlich kann auch die öffentliche Hand entsprechend positiv begünstigt werden.

In weiterer Folge geht es auch darum, dass öffentliche Schulden vorrangig befriedigt werden sollen. Wenn der Staat schon eingesprungen ist, was ja bei der Kika/Leiner-Gruppe der Fall gewesen ist – was wurde da alles hineingebuttert: Covid-19-Steuerstundungen, Cofag-Hilfen, Krisenförderung und so weiter –, dann kann es nicht sein, dass die öffentliche Hand dann durch die Finger schaut. Da müssen öffentliche Schulden wie in anderen Staaten vorrangig befriedigt werden. Das sind wir den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht – das muss in Ihrem ureigenen Interesse sein, Frau Ministerin – um eine Stärkung der Kompetenzen bei der Justiz. In Österreich sieht es so aus, dass es keine spezialisierte Behörde gibt, die sich mit Großinsolvenzen befasst und auch entsprechende forensische Möglichkeiten hat, um Insolvenzverschleppungen oder Kridahandlungen auch erkennen und nachweisen zu können. Die Finanz­pro­kuratur hat ihre Aufgaben, aber offensichtlich nicht in ausreichendem Maße, um auch diese Aufgaben erfüllen zu können.

Es bräuchte da eine – das ist natürlich eine andere Struktur, das ist ganz klar – eigene Insolvenzbehörde, vergleichbar mit der Wirtschafts- und Korruptions­staatsanwaltschaft, um diese anspruchsvolle Aufgabe wahrnehmen zu können.

Dann geht es weiters auch um eine Ausweitung der Haftung bei Unternehmens­spaltungen, weil es kein Geschäftsmodell sein darf, dass profitable und defizitäre Geschäftsbereiche einfach aufgespalten werden können und die dann nichts mehr miteinander zu tun haben. Dieses Geschäftsmodell muss also


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dringend unterbunden werden. Wenn man sich diese Machenschaften ansieht, dann erkennt man, dass dringendster Handlungsbedarf gegeben ist.

*****

Ich ersuche Sie, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.40


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Jetzt mache ich es noch einmal offiziell: Ich begrüße Bundesministerin für Justiz Dr.in Alma Zadić auf das Herzlichste. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Der von den Bundesräten Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Dringende Reform des Insolvenzrechts“ ist genügend unterstützt, er wurde in den Kernpunkten erläutert und steht demnach in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


13.41.36

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Auch von mir heute noch einmal alles, alles Gute für Ihre Amtszeit! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier und vor den Bildschirmen! Ich komme wieder, bevor ich auf den Entschließer eingehe, zu den Gesetzesnovellen zurück.

Die digitale Infrastruktur – das wissen vor allem die Jungen – erleichtert uns vieles, von Banküberweisungen bis zur Kommunikation mit entfernten Verwandten in Australien oder nur am anderen Ende Wiens. Heute geht es in der Debatte zur Zivilverfahrens-Novelle um die Möglichkeit, vor Gericht


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Videoverhandlungen in zivilrechtlichen Verfahren durchzuführen. Weil das immer wieder kritisiert wird: Natürlich sind sensible Bereiche auch im Zivilverfahren ausgenommen, wenn es um Unterbringung, um Erwachsenen­schutz oder um Ehesachen geht.

Weiters geht es in der zweiten Novelle, im Virtuelle Gesellschafterversamm­lungen-Gesetz, um die Möglichkeit, Hauptversammlungen von Aktienge­sellschaften, aber auch Generalversammlungen von GmbHs, Genossenschaften und auch deren europäischen Pendants sowie Mitgliederversammlungen von Vereinen – das kennen wir auch selbst – virtuell abzuhalten.

Wir kennen das hier selbst, wohl auch aus der Schule – weil ich eben auf die jungen Leute schaue, die uns heute zusehen –, da sich während unserer Tätigkeit im Zuge von Corona digitale Versammlungen etabliert haben, vor allem dort, wo es sinnvoll ist, etabliert haben, und auch heute noch so abgehalten werden, wo es einfach durchführbar ist, wo die Teilnahme einfach ist und durch die entsprechende Software auch Daten und Abstimmung sicher sind.

Ich erinnere mich an die Landesversammlung der Grünen Wien 2020, auf der Marco Schreuder und ich hierher, in den Bundesrat gewählt worden sind. Es war wunderbar, dass das möglich war, nämlich dass das virtuell mit einem demo­kra­tischen, sehr breiten Wahlprozess für alle Mitglieder der Wiener Grünen möglich war. Es war sehr gut, dass wir das machen konnten. Nicht so gut war, dass wir nachher nicht feiern konnten. (Bundesrat Steiner: In den Bundesrat muss dich der Landtag wählen und nicht eine Grünen-Versammlung!) – Ja, ja, aber Sie wissen auch, dass man vorher eine Liste braucht. (Bundesrat Steiner: Ah so? Nein, brauchen Sie nicht ...!)

Jedenfalls zeigt es sich, dass hybride und digitale Versammlungen oft besser besucht sind als solche vor Ort, denn sie sind niederschwelliger, weil sie einfach leichter erreichbar sind, vor allem dann, wenn Menschen Betreuungspflichten haben – und wir wissen, wer das meistens ist: Frauen sind das.


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Wer schon des Öfteren bei virtuellen Versammlungen dabei war, weiß, dass Diskussionen dort sehr verstärkt stattfinden, denn vor dem Computer sind die Leute alle gleich: Niemand steht auf einem Podest, niemand steht im Scheinwerferlicht oder vor einem Mikro, und genau das ist gut für eine gleich­berechtigte Diskussion.

Zusätzlich wurden aber auch natürlich bei den Aktiengesellschaften Minder­heitsrechte eingeführt, sodass 5 Prozent der Aktionäre verlangen können, dass, wenn eine Versammlung digital anberaumt wurde, sie in Präsenz oder hybrid abzuhalten ist.

Ein wichtiger Punkt ist da: Die Möglichkeit der virtuellen Abhaltung einer Versammlung muss natürlich in der Satzung der Gesellschaft vorgesehen sein. Das heißt: Die Mehrheit der Gesellschafter:innen muss sich aktiv dafür entscheiden, virtuelle Versammlungen zu ermöglichen, und sie muss das alle fünf Jahre noch einmal bestätigen. Das bedeutet, sie kann evaluieren, ob sich diese Regelung in der Praxis bewährt hat. Das heißt: Wir schreiben mit dem Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz nichts vor, sondern wir ermöglichen.

Genauso ermöglichen wir auch für Zivilgerichte Videoverhandlungen, und auch da gibt es ein Widerspruchsrecht der Parteien. Das heißt, sie können Verhand­lungen in Präsenz verlangen. Genauso gewährleisten wir Datensicher­heit, stellen Barrierefreiheit und natürlich auch weiterhin die Öffentlichkeit bei Verhandlungen sicher, indem der Verhandlungsort das Gericht bleibt.

Beide nun geschaffenen Möglichkeiten nützen die Vorteile der Digitalisierung sehr gut und sie verbessern die Verhandlungen sowie die Versammlungen, indem sie den Zugang zu denselben erleichtern.

Es scheint, vor allem im Bereich der Gesellschafterversammlungen ist es nicht so leicht, es allen recht zu machen, denn den einen waren die Entwürfe zu weitreichend, den anderen zu eng. Ich glaube aber, dass wir da einen guten


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Mittelweg gefunden haben, vor allem das Virtuelle Gesellschafterversamm­lungen-Gesetz wird bis 2028 befristet und kann evaluiert werden.

Noch kurz zum Entschließer: Österreich hat schon ein sehr strenges Insolvenz­recht, insbesondere im Hinblick auf den Gläubigerschutz; und der wurde 2021 auch gestärkt. (Bundesrat Reisinger: Das haben wir eh jetzt gesehen, oder?!) Es ist recht kritisch zu sehen, nun auf Basis von Einzelfällen Verschärfungen zu fordern, genau deswegen, weil eben Insolvenz- und Unternehmensrecht ganz­heitlich zu betrachten sind – und das ist natürlich Aufgabe der Gesetzgeberin und eben auch der Ministerin. Ich bin mir sicher, sie wird das auch wahr­nehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Wenn ihr wieder in Opposition kommts, das wird ein Debakel!)

13.47


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Spanring. – Bitte.


13.47.55

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer! Bei diesen Tagesordnungspunkten geht es um Sonderregelungen, die zur Coronazeit eingeführt wurden und jetzt ins Dauerrecht übernommen werden sollen.

In Tagesordnungspunkt 6 diskutieren wir über die Möglichkeit, dass Verhandlungen im Zivilprozess, wie soeben gehört, auch künftig virtuell geführt werden können. Das erachten wir als durchaus sinnvoll. Für uns war es wichtig, dass auch da die Parteien ein Widerspruchsrecht haben, und zwar ohne Angabe von Gründen. Das wurde so umgesetzt, und deshalb werden wir bei diesem Punkt auch keinen Einspruch erheben, wobei ich schon sagen muss, ein bisschen habe ich Bauchweh, denn es fehlen noch die entsprechenden Laptops, um das


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flächendeckend so durchführen zu können, wie es dann funktionieren soll. Da bedarf es noch entsprechender Investitionen.

Bei Tagesordnungspunkt 7 schaut die Sache allerdings für uns schon ein wenig anders aus: nämlich dass Generalversammlungen virtuell abgehalten werden, sehen wir kritisch. Wenn es zum Beispiel um formelle Dinge geht, bei denen nur wenige Personen teilnehmen, bei GesmbHs oder AGs, ist das vielleicht noch sinnvoll. Wirklich problematisch sehen wir das bei börsennotierten Gesellschaf­ten, wobei es viele Hunderte oder sogar Tausende Aktionäre geben kann. Das wurde zwar in der Covid-Zeit virtuell so durchgeführt, aber wir wollen das im Dauerrecht nicht so haben.

Ich kann Ihnen auch ganz klar sagen, warum: Der Vorstand könnte im Alleingang beschließen, dass eine Sitzung virtuell abgehalten wird.

Es gibt jetzt zwar theoretisch die Möglichkeit, dass sich 5 Prozent der Aktionäre dagegen aussprechen, aber was bedeutet das – 5 Prozent der Aktionäre? Das können Hunderte sein, die sich da finden müssten, und das ist in der Praxis ganz einfach unmöglich. Ich weiß ja nicht einmal – ich glaube, niemand wird jetzt wissen –, ob der andere von irgendeiner Firma eine Aktie hat oder nicht. Das bedeutet also, offiziell – wie gesagt, offiziell – gibt es da zwar ein Minderheits­­recht. Das ist aber nicht umsetzbar, und somit gibt es dieses Minderheitsrecht in Wahrheit gar nicht.

Durch das virtuelle Abhalten einer solchen Versammlung nimmt man auch die Unmittelbarkeit. Es gibt keine echte Diskussion, und genau das ist ja der Sinn einer Hauptversammlung: nämlich, dass sich der Vorstand und der Aufsichtsrat zumindest einmal im Jahr ihren Aktionären zu stellen haben. Was ist mit Aktionären, die zum Beispiel die digitale Möglichkeit gar nicht haben? – Die werden von vornherein ausgegrenzt.


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Ich habe ja schon einige Argumente gehört und auch gelesen, und zwar: dadurch würde der CO2-Ausstoß reduziert werden. Das ist, glaube ich, eher vernach­lässigbar bis sogar lächerlich. Dafür jettet ja die CO2-Ministerin Gewessler im Privatjet durch die Welt. (Beifall bei der FPÖ.)

Genauso wie das Argument, man würde Geld sparen, weil es zum Beispiel kein Buffet gibt: Ich glaube, auch dieses Argument ist angesichts des Finanz­volumens solcher Aktiengesellschaften oder solcher großen Firmen eher vernach­lässigbar. Das sind Scheinargumente, mit denen die Rechte von Einzelnen beschnitten werden.

In der Coronazeit haben da einige in den Führungspositionen – das ist meistens ÖVP-Klientel – erkannt, dass es bequem ist, das so zu machen. Es ist aber ganz einfach unfair – nämlich gegenüber den vielen, vielen Kleinaktionären, die aber wiederum der ÖVP egal sind, und deshalb werden wir gegen dieses Gesetz Einspruch erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

13.52


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Sandra Lassnig. – Bitte.


13.52.18

Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir wissen und wie heute auch schon mehrere meiner Vorredner erwähnt haben, wurde während der Covid-19-Pandemie eine zeitlich befristete gesetzliche Grundlage geschaffen, um virtuelle Versammlungen zu ermöglichen.

Diese Durchführung der Gesellschafterversammlungen unter Einsatz technischer Kommunikationsmittel, insbesondere mittels einer Videokonferenz, hat sich in der Praxis bewährt, weshalb nun eine dauerhafte gesetzliche Grundlage für virtuelle sowie hybride Versammlungen geschaffen werden soll. Vor allem bei Aktiengesellschaften oder auch großen GmbHs mit vielen


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Gesellschaftern ist das auf jeden Fall eine Vereinfachung. Man erspart sich zum Beispiel die Anreise, was natürlich auch eine Kostenersparnis ist.

Ebenfalls während der Covid-19-Pandemie konnten die Gerichte und Parteien durch die verstärkte Abhaltung von Verhandlungen mittels Videotechnik bereits einschlägige Erfahrungen sammeln. Mit den neuen Regelungen für Zivil­verfahren soll es eben in Zukunft weiterhin möglich sein, dort, wo es sinnvoll erscheint, wo es sich um ein geeignetes Gerichtsverfahren handelt, dieses auch digital durchzuführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Durch diese Digitalisierung der Verfahren kommt es zu zügigeren Verfahrens­durchführungen. Sie kann den Parteien eine Erleichterung und die Effizienz der Verfahrensabläufe ermöglichen – etwa dadurch, dass diese Form der Verhandlungen zeitsparender ist, ein früherer Termin wahrgenommen werden kann, Vertagungen vermieden werden können oder auch, dass die Verfahrenskosten infolge eines geringeren Anreiseaufwands zu Gericht sinken. Die Parteien können die gerichtlichen Entscheidungen somit schneller vorlegen.

Neben einer höheren Flexibilität bietet die Videokonferenztechnik auch ökologische Vorteile. Nicht selten ist eine Verhandlung mit einer mehrstündigen An- und Abreise verbunden, obwohl die Verhandlungen selbst in wenigen Minuten erledigt sind.

Ich möchte an dieser Stelle sehr positiv erwähnen, dass unsere Bundes­regie­rung – ein Danke an dieser Stelle auch an Sie, Frau Bundesministerin! – sehr schnell reagiert hat und diese Möglichkeit als Chance erkannt hat, virtuelle Gesellschafterverhandlungen und auch die Zivilverfahren mit den neuen Rege­lungen nicht nur krisenbedingt so abzuhalten, sondern dies auch zu einem Dauerrecht zu machen.

Ich möchte auch noch kurz auf meinen Vorredner eingehen. Es wurde schon im Nationalrat darüber gesprochen, und ich möchte kurz noch einmal darauf hinweisen, dass es nicht 5 Prozent der Aktionäre sind, sondern es sind Aktionäre,


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die 5 Prozent des Grundkapitals halten – also nur kurz dazu. (Bundesrat Kornhäusl – in Richtung Bundesrat Spanring –: Hättest es besser lesen müssen, die Rede! – Ruf: Tatsächliche Berichtigung!) – Ja, eine tatsächliche Berichtigung!

Es handelte sich in diesen Punkten um Erleichterungen, Vereinfachungen und auch Kostenersparnisse. Ich bitte Sie daher, beiden Gesetzen Ihre Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

13.55


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Dr. Alma Zadić. – Bitte.


13.55.42

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es freut mich wirklich sehr, dass wir diese zwei Gesetze heute besprechen, weil ich der Meinung bin, dass sie einen wesentlichen Fortschritt darstellen.

Wenn wir uns zum Beispiel die Zivilverfahrens-Novelle ansehen, dann sieht man ganz deutlich: Ja, die Justiz muss sich auch weiterentwickeln! Ja, wir wollen in der Justiz auch moderner werden und wir wollen in der Justiz schneller werden! Das bedeutet, dass man sich auch dem Fortschritt anpassen muss. Das bedeutet auch, dass wir Möglichkeiten schaffen müssen, dass Menschen auch digital an einem Verfahren teilnehmen können. Deswegen führen wir auch die Regelungen ins Dauerrecht ein, die sich in der Praxis während der Coronazeit bewährt haben.

Das heißt, dass wir die Zivilverfahrensführung jetzt digital ermöglichen. Das aber nicht einfach so, weil der Richter oder die Richterin sich denkt: Ja, ich will das Verfahren digital führen! – Es braucht auch ein Einverständnis der Parteien. Ich halte das schon für notwendig, denn wenn beide Parteien der Meinung sind: Ja, diese Verhandlung kann digital geführt werden!, dann soll das auch möglich sein. In der Justiz tun wir das Unsere, damit das in allen


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Gerichten überall möglich sein kann. Es werden Laptops angeschafft. Die Gerichte werden umgebaut, damit diese digitale Verfahrensführung auch möglich ist.

Wenn es um Beschleunigung, um Erleichterung und um digitalen Zugang geht, dann darf man natürlich Gesellschafterversammlungen nicht wegdenken. Wir wollen auch Versammlungen – die Hauptversammlung einer Aktiengesell­schaft oder die Generalversammlung einer GmbH oder aber die Mitgliederversamm­lung eines Vereins – digital oder hybrid ermöglichen. Warum machen wir das? – Weil wir gesehen haben, dass sehr viele Menschen nicht gewillt sind, eine Reise anzutreten, um an einer Gesellschafterversammlung teilzunehmen. Deswegen möchten wir es für all die, die es wollen, möglich machen, tatsächlich auch digital einer Hauptversammlung, einer Generalversammlung oder einer Mitglieder­ver­sammlung beizuwohnen.

Das Ganze passiert nicht einfach so, auch das hat natürlich den Schutz gewisser Minderheitsrechte im Fokus. Der Schutz soll dadurch gewährleistet werden, dass eben die Aktionärsminderheit von 5 Prozent des Grundkapitals die Möglichkeit haben soll, zu sagen: Nein, wir wollen die Gesellschafterversamm­lung nicht digital haben! Wir wollen, dass das Ganze offline analog stattfindet, denn wir wollen in Präsenz teilnehmen!

Auch einen zweiten Punkt, der tatsächlich einem gewissen Schutz dient, haben wir eingebaut, und das ist, dass das Ganze in der Satzung stehen muss. Das heißt, in der Satzung muss stehen, dass eine digitale oder eine hybride Gesellschafterversammlung, Hauptversammlung stattfinden kann. Wenn das da drinnen nicht vorkommt, dann kann so eine digitale Gesellschafterversammlung auch nicht stattfinden. Um zu schauen, ob sich das bewährt oder nicht, läuft diese Bestimmung in der Satzung ab. Das heißt, alle fünf Jahre muss sie erneuert werden, sodass der Großteil der Aktionäre sagen kann: Nein, wir wollen das nicht! Wir wollen, dass das Ganze in Präsenz stattfindet!


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Ich glaube, dass wir da wirklich in zahlreichen Arbeitsgruppen eine sehr gute Regelung gefunden haben, die einerseits mit unserem Fortschritt mithält und andererseits aber auch dafür sorgt, dass Minderheitsrechte geschützt sind. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.59


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Es liegt mir noch eine weitere Wortmeldung vor, nämlich jene von Frau Bundesrätin Grossmann. – Bitte.


14.00.05

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Ich habe einen Ent­schließungsantrag eingebracht. – Jetzt war Kollegin Kittl die Einzige, die darauf eingegangen ist und gemeint hat: Ja, es wurde ja eh schon so viel reformiert, und die bestehende Rechtslage würde eh schon reichen und alles hergeben. – Dann frage ich mich: Warum werden die Gesetze, wenn es sie eh schon gibt, nicht angewandt? Warum lässt man zu, dass solche Dinge, solche Machenschaften passieren? Da muss ich schon die Frage stellen: Ja, ist die Finanzprokuratur jetzt schon tätig, um die Ansprüche der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler geltend zu machen? (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre nämlich der noch größere Skandal, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir die rechtlichen Voraussetzungen hätten, solche Machenschaften zu unterbinden, und es einfach nicht getan wird. Ja, wo sind wir denn? – Ich meine, das kann es ja überhaupt nicht sein.

Sonst hat niemand etwas dazu gesagt: Die Vertreterin der größten Regierungs­partei hat kein Wort darüber verloren, Sie, Frau Ministerin, auch nicht – aber es ist natürlich ein unangenehmes Thema. Es ehrt Sie, Frau Kollegin Kittl, dass Sie es wenigstens angesprochen haben, aber ich glaube nicht, dass es gescheit ist, dass Sie sich hier als Pflichtverteidigerin des Systems präsentieren.


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Also ich erwarte mir hier klare Botschaften: entweder eine Reform, die dringendst angegangen wird, oder die Anwendung der bestehenden Gesetze. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann nicht hingenommen werden, dass da in die öffentlichen Töpfe gegriffen wird, dass der Verlust von Arbeitsplätzen in Kauf genommen wird, und wir sagen: Na, wir können nichts machen!, während auf der anderen Seite die Gesetze ausreichen würden. – Das passt einfach nicht zusammen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

14.01

14.01.57


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Wie ich sehe, ist das ist bereits passiert.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend eine Zivilverfahrens-Novelle 2023.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Somit ist der Antrag angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Dringende Reform des Insolvenzrechts“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Virtuelles Gesellschafter­ver­sammlungen-Gesetz erlassen wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Jetzt bitte ich vielleicht noch einmal die Schriftführung um Unterstützung, ob das wirklich die Mehrheit ist. – Okay. Mir wurde mitgeteilt, es ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14.04.068. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Gesellschaftsrechtlichen Mobilitäts-Richtlinie 2019/2121 ein Bundesgesetz über grenzüberschreitende Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union (EU-Umgründungsgesetz – EU-UmgrG) erlassen wird und das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Übernahmegesetz, das Aktiengesetz, das Umwandlungsgesetz, das Bankwesengesetz sowie das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechtliches Mobilitätsgesetz – GesMobG) (2028 d.B. und 2157 d.B. sowie 11290/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geändert werden (2088 d.B. und 2159 d.B. sowie 11291/BR d.B.)



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 8 und 9, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 8 und 9 ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um die Berichte.


14.04.43

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Gesellschaftsrechtlichen Mobilitäts-Richtlinie 2019/2121 ein Bundesgesetz über grenzüberschreitende Umgründungen von Kapitalge­sellschaften in der Europäischen Union erlassen wird und das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Übernahmegesetz, das Aktiengesetz, das Umwandlungsgesetz, das Bankwesengesetz sowie das Gerichtsgebührengesetz geändert werden.

„Die bisherige Gesetzessystematik des österreichischen Umgründungsrecht soll daher nur soweit verändert werden, als dies zur Umsetzung der Mobilitäts-Richtlinie erforderlich ist. Daher soll das bisherige EU-Verschmelzungsgesetz [...] durch ein einheitliches ‚Bundesgesetz über grenzüberschreitende Umgrün­dungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union [...]‘ ersetzt werden, das Regelungen für alle drei grenzüberschreitenden Umgründungsarten enthält.“

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Tagesordnungspunkt 9: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit


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dem das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden.

„Das Regierungsprogramm 2020-2024 ‚Aus Verantwortung für Österreich‘ sieht im Kapitel ‚Justiz und Konsumentenschutz‘ u.a. die ‚Erarbeitung zeitgemäßer und Erweiterung bzw. Präzisierung vorhandener Straftatbestände zur Bekämpfung aller Arten von Cyberkriminalität sowie Prüfung der Erhöhung der derzeit in Geltung stehenden Strafrahmen‘ [...] sowie die ‚Prüfung von strafrechtlichen Bestimmungen, die Einfluss auf den Wirtschaftsstandort haben [...]‘ vor.“

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Herzlichen Dank.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Mag.Sandra Gerdenitsch. – Bitte.


14.07.45

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin, ich darf dir auch an dieser Stelle zu deiner Antrittsrede von heute Vormittag gratulieren und wünsche dir alles Gute und viel Freude in deiner Präsidentschaft! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Liebe Besucher:innen hier im Saal! Mit dem Gesetzentwurf wird die EU-Mobilitätsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt; diese EU-Richtlinie hätte bereits bis Jänner 2023 umgesetzt werden sollen.


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Kurz zu den Ausführungen des Kollegen Schwindsackl: Zum einen soll der Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen für Kapitalgesellschaften geschaffen werden, zum anderen ist eine Aktua­lisierung der geltenden Bestimmungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften vorgesehen – ein sehr sperriges Thema.

Eines vorneweg: Die Sozialdemokratie wird diesem Gesetz keine Zustimmung erteilen.

Werfen wir nun einen kritischen Blick auf den vorliegenden Gesetzentwurf: Diese Gesetzesreform hätte eine wirkliche Chance sein können, missbräuchliche und betrügerische Absichten zu bekämpfen. Diese Gelegenheit wird aber schlicht und ergreifend nicht genützt, und das ist mehr als bedauerlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kommt somit weder zu einer Stärkung der Missbrauchskontrolle, noch kommt es zu einer vollumfassenden Gewährleistung der Arbeitnehmer:innenrechte. Dabei wäre eine frühzeitige und eine gründliche Einbindung von Betriebsrät:innen unbedingt notwendig, aber auch die Stellungnahmen von ÖGB und Arbeiter­kammer wurden nicht berücksichtigt.

Im Ausschuss habe ich deshalb nachgefragt, warum man denn diese Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat, und die Antwort war für mich eigentlich gar nicht einmal so überraschend. Die Antwort war: Aufgrund einer politischen Entscheidung habe man davon Abstand genommen, diese Analyse beziehungsweise Bewertung hinsichtlich der Arbeitnehmer:innen einzubauen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bitte bilden Sie sich dazu selbst Ihre Meinung! Der ÖVP sind die Arbeitnehmer:innen wieder einmal wurscht. (Bundesrat Buchmann: Na geh bitte!) Und die Grünen beteiligen sich dabei. Das sieht man, wenn man zuschaut: Bei einer ÖVP-Rede klatschen die Grünen im Gleichklang. Sie sind schon ein angewachsenes Anhängsel der ÖVP. (Bundesrätin


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Kittl: Das stimmt doch nicht!) – Das tut mir wirklich für diese Partei sehr leid! (Bundesrat Schreuder: Geh bitte!)

Es wird also nicht verhindert, dass Arbeitnehmer:innenrechte umgangen werden können. Außerdem können durch Umgründungen nationalen Staaten Sozialversicherungszahlungen vorenthalten werden. Auch dem wird wiederum kein Riegel vorgeschoben. Das Missbrauchspotenzial bei den grenzüber­schreitenden Spaltungen ist sehr hoch, und dabei besteht die Gefahr von Vermögensverschiebungen zulasten der Staaten und der Steuerzahler:innen.

Das Gesetz hätte uns wirklich die Möglichkeit gegeben, Mechanismen einzu­bauen, wie man solche eigentlich betrügerische, missbräuchliche Verhaltensweisen unterbinden kann. Ganz oft werden auch steuerliche Aspekte dafür herangezogen, welche Gesellschaftsform gewählt wird – nämlich diejenige, welche die steuerschonendste Form ist. Sie hätten mit diesem Gesetz viel tun und etliche Riegel vorschieben können, um auch das missbräuchliche Abholen von Steuergeldern zu verhindern. Das tun Sie aber nicht! Dieser Tages­ordnungspunkt ist wieder mal ein Tagesordnungspunkt der vergebenen und vertanen Chancen. Sie vergeben diesfalls wirklich eine echte Chance, und deshalb geht die Sozialdemokratie hier nicht mit.

Zum Thema Cyberkriminalität: Endlich nehmen Sie auch dieses Thema wirklich ernst. Hier stimmen wir zu, weil wir der Meinung sind, dass eine Ausdehnung der Strafrahmen bei den Cyberkriminaldelikten dazu führen kann, dass das eine abschreckende Wirkung hat und so zu einer Eindämmung führt.

Wir alle haben schon etliche Mails bekommen, die einen offiziellen Charakter zu haben scheinen und auf irgendeine Strafe oder irgendein Verwaltungsdelikt hinweisen. Man ist mitunter versucht, diese Mails auch wirklich zu öffnen, und schon sitzt man in der Falle. Die Ausweitung allein wird aber auch diesfalls nicht ausreichen. Wir von der SPÖ fordern vor allem viel mehr Ressourcen im Bereich der Aufklärung, viel mehr Ressourcen im Bereich der Prävention


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sowie viel mehr Ressourcen im Bereich der Strafverfolgung und der Bekämp­fung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.12


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


14.12.14

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier und vor den Bildschirmen! Zunächst eine kurze Berichtigung zu vorhin: Ich habe nie gesagt, die Gesetze sind ausreichend. Ich habe gesagt, dass das Insolvenz- und Unternehmensrecht ganzheitlich betrachtet werden muss, dass das natürlich Aufgabe der Gesetzgeberin ist und dass der Gläubigerschutz 2021 gestärkt wurde. – Das ist die Berichtigung zum vorigen Tagesordnungspunkt.

Zu den beiden aktuellen Tagesordnungspunkten: Ich beginne mit der Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie durch das EU-Umgründungsgesetz – ja, diese Ausdrücke sind sehr sperrig –, welches das EU-Verschmelzungsgesetz ersetzen wird. Bei der EU-Mobilitätsrichtlinie handelt es sich allerdings nicht um Verkehrsplanung, sondern um Kapitalgesellschaften, die EU-weit grenzüber­schreitend umgegründet werden. Man kann diese EU-weit umwandeln, verschmelzen oder spalten. Das ist Ausdruck eines EU-Grundrechts, und zwar auf Anerkennung der unternehmerischen Freiheit. Das verlangt natürlich eine EU-weit einheitliche Rechtsgrundlage.

Kollegin Gerdenitsch! Wichtig dabei ist, dass in der Richtlinie und auch in deren Umsetzung sehr wohl sogar eine verpflichtende Missbrauchskontrolle in allen Umgründungsfällen vorgesehen ist. Genauso sind detaillierte Regelungen hinsichtlich des Kapitalerhalts und im Hinblick auf Gläubiger- und Gesellschafter­schutz und auch auf Arbeitnehmer:innenmitbestimmung und Arbeitneh­mer:inn­enrechte beinhaltet. Im Ausschuss – das zu sagen haben Sie ausgelassen – hat uns der Beamte gesagt, dass es bei diesem Gesetz sehr wohl darum geht, einen


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Fokus auf die Verbesserung der Arbeitnehmer:innenrechte zu legen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Durch diese Umsetzung der Richtlinie soll also verhindert werden, dass Umgrün­dungen zu betrügerischen oder kriminellen Zwecken genutzt werden. Das ist natürlich gut und zustimmungswert, und der Verweis auf Kika/Leiner ist meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang unpassend. Auch mehr zu fordern ist Ihr Recht. Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, dass Sie im Hinblick darauf heute nicht zustimmen, wenn hier vor Missbrauch schützende Regelungen geschaffen werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Noch einmal zur Cyberkriminalität: Wir haben heute schon viel gehört über die Digitalisierung und dass wir abhängig von Computertechnologien sind, sei es am Handy, am Computer, privat, in der Firma, wenn es etwa um Betriebsgeheim­nisse geht, aber auch in der öffentlichen Verwaltung im Zusammenhang mit kritischer Infrastruktur: Computer sind unsere verlängerten Arme, unsere Beine, unser Hirn, unsere Kommunikation, unsere Geldbörse, aber auch unsere Verbindung zur Welt, unseren Freunden und zur Familie. In diese Welt können aber Hacker:innen offenbar relativ leicht eindringen. Sie können sie manipu­lieren, wie wir im Hinblick auf Desinformation wissen. Sie können sie aber auch zerstören, und der Schaden ist immens hoch. Jedes Jahr wächst die Cyberkri­minalität um mehr als 25 Prozent, von 2021 auf 2022 sogar um 30 Prozent. 60 000 Fälle an Cyberkriminalität gab es 2022.

Die entsprechenden Strafdrohungen waren aber nicht adäquat in Relation zum Schaden. Das soll sich heute ändern. Die Strafdrohungen werden verschärft beziehungsweise erhöht, und ich zähle auf, wofür: für den widerrechtlichen Zugriff auf Computersysteme, für die Verletzung des Telekommunikations­ge­heim­nisses sowie für das missbräuchliche Abfangen von Daten, Computer­programmen oder Zugangsdaten. Ein wichtiger Punkt ist, dass auch die Strafdro­hung für Industriespionage beziehungsweise die Verletzung von Berufs-, Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen wesentlich erhöht wird. Darüber hinaus wird Industriespionage zu einem Offizialdelikt, das heißt, sie wird dann von Amts


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wegen verfolgt, wenn der Geschädigte oder die Geschädigte das will. Das ist ein wichtiger Punkt, weil es sich in diesem Zusammenhang auch um sensible Unternehmensdaten handelt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass aufgrund dieser Erhöhung der Strafdro­hung zukünftig nicht mehr das jeweilige Bezirksgericht, sondern das jeweilige Landesgericht zuständig ist. Das bedeutet umfangreichere und genauere Ermittlungen, was natürlich besser für die Aufklärungsrate ist. Und wenn es bessere Aufklärung und mehr Verurteilungen gibt – das erhoffen wir uns ja auch beim Gewaltschutz von Frauen –, dann hat das auch präventiven Charakter, und auch das ist sehr wichtig.

Es geht nicht nur um das heutige Gesetz, sondern die Frau Justizministerin hat auch weitere Maßnahmen getroffen, um im Bereich Cybercrime besser vorgehen zu können. Für 2023 hat sie 24 weitere Planstellen geschaffen. Das ist wirklich ein toller Erfolg. Es gibt mehr budgetäre Mittel für IT-Expertise bei den Staatsanwaltschaften. Und nicht zu vergessen ist letztlich auch das Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz.

Mit all dem setzen wir ein klares Zeichen für den Schutz privater Daten, aber auch für einen fairen Wettbewerb und einen funktionierenden Staat in einer digitalen Welt. Es wäre schön, wenn dem alle zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.18


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte.


14.18.28

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher hier im Saal und Zuseher via Livestream! Zuerst, liebe Frau


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Präsidentin, auch von meiner Seite herzliche Glückwünsche zu Ihrem Amts­antritt! Auch ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Präsidentschaft!

Meine Vorrednerin, Bundesrätin Elisabeth Kittl, hat bereits sehr viel im Detail ausgeführt. Ich werde daher nur kurz auf ein paar Dinge eingehen, die aus meiner Sicht auch noch wichtig sind, und begründen, warum diese Gesetzes­beschlüsse wichtig sind. Zu den vielen Vorteilen der Europäischen Union zählen auch die positiven Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft. Unter anderem haben sich die Exporte in die anderen EU-Mitgliedstaaten seit dem Beitritt zur Europäischen Union mehr als verdreifacht. Die EU ist die wichtigste Exportregion für Österreichs Unternehmen. Rund 70 Prozent der Exportquote der österreichischen Unternehmen bestehen aus Exporten, die in die EU gehen. Wenn wir die weltweite Exportquote anschauen, also nicht nur die Exporte in die EU-Staaten, sondern die Exporte in alle Staaten außerhalb Österreichs, dann sehen wir, dass diese von rund 30 Prozent im Jahr 1995 auf aktuell rund 57 Prozent gestiegen ist.

Das heißt, mehr als jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich hängt von der Internationalisierung unserer Wirtschaft ab. In meinem Heimatbundesland Vorarlberg ist der Wert sogar noch höher. Die Exportquote der Vorarlberger Wirtschaft liegt bei rund 60 Prozent. Der Exportwert pro Einwohner ist in Vorarlberg mit rund 22 400 Euro österreichweit am höchsten. Das ist natürlich auch geografisch bedingt. Vorarlberg liegt im Vierländereck: Liechtenstein, Schweiz, Deutschland, und Vorarlberg liegt mittendrin.

Um diesem wirtschaftlichen Fortschritt gerecht zu werden und damit wir auch weiterhin eine gute, florierende Wirtschaft haben, die Arbeitsplätze und Wohlstand in Österreich sichert, bedarf es auch Regelungen, welche die inter­nationalen Standards mitberücksichtigen. Es ist mittlerweile zur Regel und zum Standard geworden, dass Unternehmen international agieren und zusam­menarbeiten, weshalb auch die Mobilitätsrichtlinie beziehungsweise das Gesetz zur Schaffung geregelter Verschmelzungen, Umwandlungen und Spaltungen


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wichtig ist, damit wir unionsrechtlich eine weitere Vereinheitlichung haben und unsere Regelungen auch international vergleichbar sind.

Indem wir die Mobilität der Kapitalgesellschaften erhöhen, unterstützen wir die wirtschaftliche Tätigkeit unserer Firmen, denn es wird auch immer mehr österreichische Firmen geben, die zum Beispiel im Ausland Firmen erwerben wollen und diese dann in weiterer Folge mit der österreichischen Firma verschmelzen wollen.

Bisher war es beispielsweise nicht gesetzlich geregelt, wenn eine österreichische GmbH eine Verschmelzung mit einer deutschen GmbH gemacht hat. Das konnte nur über die Judikatur, über die Rechtsprechung gemacht werden. Durch diese Gesetzesvorlage schaffen wir eine Basis und auch Rechtssicherheit für diese Umgründungen. Es ist angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtun­gen eine große Erleichterung für die Unternehmen, dass diese Prozesse nun zwischenstaatlich erleichtert werden.

Weiters möchte ich noch kurz auf einen Punkt eingehen, der in diesem Tages­ordnungspunkt ebenfalls inkludiert ist, nämlich auf die Änderung des Gerichtsgebührengesetzes. Es geht dabei konkret um die Aussetzung der Erhöhung der Gerichtsgebühren um 18 Monate. Die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Zuge der Inflation aufgrund der Anpassung an den Verbraucherpreisindex würde nun eigentlich anstehen, und zwar wäre es eine Erhöhung um 18 Prozent. Das wäre keine unwesentliche Steigerung der Gerichtsgebühren. Aufgrund der Teuerungen, mit denen die Bürgerinnen und Bürger in vielen Lebensbereichen konfrontiert sind, ist in dieser Gesetzesvorlage daher nun vorgesehen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren um eineinhalb Jahre verschoben wird, sodass es aktuell zu keiner Erhöhung der Gerichts­gebühren kommt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zuletzt möchte ich auch noch kurz auf den nächsten Tagesordnungspunkt eingehen, in dem es unter anderem um die Änderung des Strafgesetzbuches


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geht. Wie wir bereits gehört haben, geht es dabei um Cybercrimedelikte, die leider immer häufiger werden.

Unter Cybercrime werden Straftaten verstanden, bei denen einerseits Computersysteme als Tatmittel zur Planung, Vorbereitung und Ausführung von herkömmlichen Kriminaldelikten eingesetzt werden, wie zum Beispiel Betrugsdelikte, Drogenhandel im Darknet, pornografische Darstellungen Minderjähriger im Internet oder auch Cybermobbing. Cybercrime umfasst aber andererseits auch kriminelle Handlungen, bei denen Angriffe auf Daten oder Computersysteme unter Verwendung der Informations- und Kommunika­tionstechnologie begangen werden. Die Straftaten sind also gegen die Netze selbst oder aber gegen Geräte, Dienste oder Daten in diesen Netzwerken gerichtet, wie zum Beispiel Datenbeschädigung oder Hacking.

Angriffe von Hackern, die sich in Computersysteme hacken und Überweisungen tätigen oder ganze Anlagen stilllegen, können große finanzielle Schäden nach sich ziehen. Es geht außerdem darum, dass Informationen, die Hacker erlangen, missbräuchlich genutzt werden, zum Beispiel für Industriespionage.

An den von Frau Kollegin Bundesrätin Kittl vorhin genannten Zahlen aus der Cybercrimestatistik sieht man, wie stark diese Delikte angestiegen sind und wie wichtig es daher ist, dass der Strafrahmen bei dieser Art von Delikten ausgeweitet wird, sodass er eine abschreckende Wirkung hat und entsprechend zu einer Eindämmung führt. Zusätzlich wird eine Änderung im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorgenommen. Das ist auch wichtig. Zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gegen den unlauteren Wettbewerb soll zukünftig statt bisher drei Monaten Freiheitsstrafe ein Jahr Freiheitsstrafe drohen. Außerdem gibt es auch eine Änderung bei der Art der Delikte.

Es gibt drei Arten von Delikten: Die Ermächtigungsdelikte sind Delikte, bei denen man der Strafbehörde sagt, sie dürfe im jeweiligen Namen ermitteln und verfolgen. Dann gibt es Offizialdelikte, bei denen die Strafbehörde von


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sich aus tätig werden muss, wenn sie von einer möglichen Straftat Kenntnis erlangt; das betrifft den größten Teil der Delikte. Und dann gibt es diese Privatanklagedelikte, bei diesen muss man selber den Strafantrag stellen.

Wieso ist diese Gesetzesänderung nun so wichtig? – Durch die vorgesehene Änderung wird aus einem Privatanklagedelikt ein Ermächtigungsdelikt. Das bedeutet, wir entlasten in diesem Fall die Geschädigten, also die Opfer von solchen Straftaten. Sie müssen also nicht mehr selber ermitteln und den Straf­antrag stellen, sondern der Staat ermittelt für sie.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um die Zustimmung zu diesen gegenständlichen Gesetzesvorlagen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.26


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gelangt Bundesrätin Marlies Doppler. – Bitte.


14.26.35

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der ersten Gesetzesvorlage, welche wir heute unter diesen Tagesordnungspunkten zu beschließen haben und welche auf einer EU-Richtlinie basiert, soll für Kapitalgesellschaften zum einen ein Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen geschaffen werden. Zum anderen ist eine Aktualisierung der geltenden Bestim­mungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesell­schaften vorgesehen.

In Zukunft sollen ja alle drei Umgründungsarten – das sind Umwandlung, Ver­schmelzung und Spaltung – in einem einzigen einheitlichen Bundesgesetz festgehalten werden. Das österreichische Umgründungssteuergesetz bleibt aber in diesem Zusammenhang zum Großteil erhalten und wird nicht wesentlich verändert, weil sich unser österreichisches Gesetz in der Praxis schon bisher sehr


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gut bewährt hat. Es soll dieses Gesetz also nur insoweit geändert werden, als es für diese EU-Richtlinie erforderlich ist.

Was das zweite zu beschließende Gesetz anbelangt, wissen wir – das haben wir heute auch schon gehört –, dass mit der zunehmenden Digitalisierung und der zunehmenden Verwendung von Computertechnologien im Alltag auch die Kriminalität dazu steigt. Daher ist es richtig und auch wichtig und zu begrüßen, dass es eine Maßnahme gibt, die dieser Cyberkriminalität entgegen­gesetzt wird. Wir alle wissen: Cyberkriminalität ist kein Kavaliersdelikt und hat schon sehr, sehr viele Menschen sehr viel Geld gekostet.

Konkret geht es in diesem Gesetz darum, dass der Strafrahmen für dieses Delikt deutlich erhöht wird und auch eine Verlagerung der Zuständigkeit von den Bezirksgerichten zu den Landesgerichten erfolgt. Durch diese Maßnahme wird das zunehmende Problem der Cyberkriminalität zwar nicht zur Gänze gelöst werden können, dennoch sind wir guter Dinge, dass mit dieser Maßnahme präventiv ein Schritt gesetzt wurde und mit der erhöhten Strafandrohung der eine oder andere abgeschreckt wird, in diesem Bereich kriminell zu werden. Daher werden wir Freiheitliche auch beiden Gesetzesänderungen gerne zustim­men. (Beifall bei der FPÖ.)

14.29

14.29.13


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Die Plätze sind bereits eingenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Gesellschaftsrechtliches Mobilitätsgesetz.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

14.30.4110. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korruptionsbekämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (Korruptionsstrafrechtsände­rungs­gesetz 2023 – KorrStrÄG 2023) (2098 d.B. und 2158 d.B. sowie 11292/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. – Ich bitte um den Bericht.


14.31.00

Berichterstatterin Sandra Lassnig: Frau Präsidentin! Ich darf Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korruptionsbekämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, die Natio­nalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (Korrup­tionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023), zur Kenntnis bringen.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Manfred Mertel. – Bitte.


14.31.58

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Präsidentin – heute zum zweiten Mal! Ich darf auch die Frau Schriftführerin begrüßen. Sehr geehrte Frau Justizministerin Dr. Zadić! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat und vor allem auch jene Damen und Herren, die sich im Saal befinden! Wir sprechen heute über ein Thema, das Sie, Frau Justizministerin, so treffend, und ich glaube, Sie haben da auch Unterstützung von Ihrer Klubchefin bekommen, bezeichnet haben, nämlich dass Korruption Gift für die Demokratie ist. Das ist ein sehr beeindruckender Satz, und jemand wie ich, der schon viele Jahre mitten im Leben steht, würde diesen Satz noch vervollständigen: Sie ist ein massiver Anschlag auf die Arbeitsmoral und die Bereitschaft des durchschnittlichen Mitmenschen, die Steuerlast zu schultern. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher hätte ich mir auch erwartet, dass im Sinne des Regierungsprogramms schärfere und tiefgreifendere Maßnahmen gesetzt werden, denn es geht da ja nicht nur darum, dass der arbeitende Mitmensch sehr betroffen ist, sondern auch die Würde der Amtsträger infrage gestellt wird. Bei der Bekämpfung der Korruption müssen wir immer dort anfangen, dass es gar nicht erst so weit kommen darf, dass ein Verdacht entsteht, dass Amtsgeschäfte gewissermaßen


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zum Handel freigegeben sind. Sowohl das republikanische Prinzip als auch das gewaltentrennende rechtsstaatliche Prinzip sind für uns ganz, ganz wichtig.

Ich darf Sie daran erinnern, dass ich als Bundesrat, der in der Öffentlichkeit steht und viel unterwegs ist, beispielsweise einem Pensionisten, der in einem Gerichtsgebäude einen Securityjob macht, obwohl er schon 73, 74 Jahre alt ist, nicht erklären kann, dass er noch weitere Steuerlasten tragen muss, wenn auf der anderen Seite etwa „Steuernachlässe“ gewährt werden. Wir werden den Mitmenschen nicht erklären können, dass sie ihre Wohnungen nur mehr noch angemessen warm halten können, während auf der anderen Seite mit Mandaten Geschäfte gemacht werden.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass sich junge Menschen, die vielleicht jetzt gerade nicht im Raum sind, teilweise Fortbildungen nicht mehr leisten können, weil sie mit einer derartigen Teuerungswelle konfrontiert sind. Das schränkt ihre Persönlichkeitsentwicklung massiv ein.

Frau Bundesministerin Zadić, wir wollten diesen Entwurf eigentlich sehr positiv sehen, aber wir haben dann sehen müssen, dass es darin um sehr gute taktische Finten von Ihnen geht. Daher kommen wir zu dem Schluss, dass er dem österreichischen Steuerzahler nicht hilft, und daher werden wir diesen Entwurf ablehnen beziehungsweise dem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.35


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


14.35.38

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste vor den Bildschirmen! Ja, wir behandeln ein sehr ernstes Thema. Korruption ist der Miss­brauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Korruption ist


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höchst verantwortungsloser Umgang mit anvertrauter Macht und Korruption kennt stets zwei Täter:innen: diejenigen, die bestechen, und die, die sich bestechen lassen. Beides ist moralisch höchst verwerflich und strafrechtlich zu belangen.

Korruption verursacht zudem materielle Schäden in Milliardenhöhe und untergräbt damit den nationalen Wohlstand, aber vor allem – mein Vorredner hat es bereits gesagt – untergräbt Korruption das Fundament einer demo­kratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft. Die mutmaßlichen Korruptions­skandale der letzten Jahre haben das Vertrauen in die politisch Agierenden nochmals sinken lassen. 90 Prozent der Menschen in Österreich meinen, dass die Politik ein Korruptionsproblem hat. Das erstaunt mich nicht sehr, denn seit ich denken kann, habe ich noch nie gehört, dass jemand geglaubt hätte, Politiker:innen seien nicht korrupt. Das ist eigentlich das Erschreckende daran. Das ist aber eine Normalität, mit der ich mich nicht abfinden will, genauso wenig wie mit all den anderen rückwärtsgewandten Normalitäten.

In Österreich gilt Korruption im Kleinen schon fast als ein Ausdruck von Gewieftheit und Schläue, und nützt man seine Vorteile nicht – ich kenne das auch aus dem Geschäftsleben –, wird man allzu oft als naiv und idealistisch abgestempelt. Korruption ist also ein gesellschaftliches Grundübel, dem wir auch durch unsere Vorbildwirkung entgegentreten müssen.

Gerechtigkeitssinn und Verantwortungsbewusstsein sind die Charakteristika, die eine Politikerin oder ein Politiker braucht, um tatsächlich für das Allgemeinwohl arbeiten zu können. Korruption verhindert genau das, dass solche Menschen mit Gerechtigkeitssinn und Verantwortungsbewusstsein in die Politik gehen. Sie wollen einerseits nicht als korrupt angesehen werden und andererseits denken sie sich, dass sie ohne Vitamin B ohnedies keine Chance haben.

Es liegt also im ureigensten Interesse einer funktionierenden und attraktiven Demokratie, Korruption auf allen Ebenen und in allen Bereichen wegzu­bekommen, vor allem aber aus unserem gesellschaftlichen Denken. Daher war es


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uns so wichtig, das im Regierungsprogramm zu verankern und dort festzuhalten, dass wir verstärkt gegen Korruption vorgehen wollen. Daher freue ich mich, dass wir heute ein verschärftes Korruptionsstrafrecht mit umsetzen dürfen.

Konkret geht es darum, dass eine Person, die für ein Amt in der Politik kandidiert, um Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen, aber eben für sich oder für andere einen Vorteil annimmt, damit sofort strafbar ist. Auch wer einen solchen illegalen Vorteil nur fordert oder ihn sich versprechen lässt, wird schon mit Amtsantritt strafbar. Das ist etwas, wogegen wir in Österreich oder auch in Europa als Erste etwas tun, da also mit gutem Beispiel vorangehen.

Natürlich sind auch Geldflüsse an Parteiverantwortliche zu dem Zweck, dass eine bestimmte Person ein Mandat bekommt, also Mandatskauf, strafbar. Ab einer bestimmten Schwere des Vergehens verlieren verurteilte Kandidat:in­nen oder eben Politiker:innen auch ihr passives Wahlrecht. Das heißt, sie können nicht mehr gewählt werden, was natürlich sehr wichtig ist, um ihnen nicht wieder Verantwortung anzuvertrauen, die sie missbrauchen.

Auch im Unternehmensbereich werden die Strafsätze verdreifacht. Korruption darf sich auf keiner Ebene und nie auszahlen, und dazu braucht es all diese Verschärfungen.

Es braucht aber auch eine wachsame Zivilgesellschaft und recherchefreudige Journalist:innen. Auch sie sind Ausdruck einer funktionierenden Demokratie, denn Mitbestimmung ist nicht möglich, ohne informiert zu sein. Damit sie aber wachsam sein können, braucht es eine transparente Verwaltung. Das wäre ein entscheidender Schritt, um vom Eindruck der Korruption, der Freunderlwirtschaft und des Machtmissbrauches wegzukommen.


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Transparenz in der Verwaltung ist der Schlüssel in der Korruptionsbekämpfung, daher möchte ich hier noch einmal verstärkt eine Lanze für das Informa­ti­onsfreiheitsgesetz brechen und die Ländervertreter:innen auffordern, sich dafür einzusetzen, dass die Länder da endlich mitgehen. Kärnten könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Genau das ist es, was der Korruptionsbekämpfung und im Endeffekt natürlich auch dem Steuerzahler hilft.

Ich bitte Sie daher – vor allem die Kolleg:innen von der SPÖ; von der FPÖ erwarte ich es mir nicht –: Gehen Sie in sich und stimmen Sie dieser Gesetzesänderung zu! Sie werden in den nächsten Jahren nicht mehr unbedingt die Chance dazu haben. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.41


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Spanring. – Bitte.


14.41.24

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseher! Zur Rede von Dr. Mertel muss ich sagen: Chapeau! Ich kann das Gesagte zu 100 Prozent unterschreiben, ich bin völlig deiner Meinung. Und grundsätzlich unterstützen auch wir alle Gesetzesnovellen, die der Korruption in diesem Land Einhalt gebieten. Was an dieser Novelle aber mehr als nur verstö­rend ist, ist zum einen, wie dieses Gesetz entstanden ist. Dann: Wie wird es argumentiert? Und welches Ziel wird damit verfolgt? Und, was, glaube ich, der Hauptpunkt ist: In Wahrheit wird mit diesem Gesetz, wenn es einmal in Kraft getreten ist, keine Korruption verhindert. So schaut es aus.

Das Perfide daran ist, dass Sie dieses Gesetz in manipulativer Art und Weise benutzen, um die Amtszeit von Strache als Vizekanzler, in der er sich nichts zuschulden hat kommen lassen, in ein schlechtes Licht zu rücken. Und das, meine Damen und Herren, ist ganz einfach unredlich. (Beifall bei der FPÖ.)


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Allein die Formulierung: aufgrund der Erfahrungen des Ibizavideos. – Was ist denn bitte vom Ibizavideo übrig geblieben? (Ruf bei der ÖVP: Ihr seids übrig geblieben!) – Ein Video, das zeigt, wie Strache und Gudenus ganz gezielt in eine Falle gelockt wurden, wo 7 Stunden aufgezeichnet wurden und daraus in wirklich manipulativster Art und Weise einige wenige Minuten zusammen­ge­schnitten wurden. (Ruf bei der ÖVP: Wie ihr das machts! – Zwischenruf bei der SPÖ.) Aufgrund dessen gab es Anklagen, Ermittlungen und Verfahren. Was ist übrig geblieben? (Bundesrat Leinfellner: Ein ÖVP-Korruptions-Untersuchungsaus­schuss!) – Elf Freisprüche für Strache (Bundesrat Schreuder: Wird er wieder Parteimitglied?), keine einzige Verurteilung. Elf Freisprüche, das ist unterm Strich von Ibiza übrig geblieben. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Wird er wieder Parteimitglied? – Bundesrat Steiner: Und ein ÖVP-Korruptions-Untersuchungs­ausschuss!) – Lieber Herr Kollege Schreuder, zu euch Grünen komme ich schon noch. (Bundesrat Schreuder: Na wird er Parteimitglied? Es war nur eine Frage!)

So grotesk das jetzt klingen mag: Im Nachhinein müssen wir ja sogar dankbar sein, dass Ibiza passiert ist, denn dadurch haben wir das wahre Moloch der Korruption in Österreich aufdecken können. Sie haben sich für die Formulierung entschieden: aufgrund der Erfahrungen des Ibizavideos; das steht im Gesetz drinnen. Warum steht nicht stattdessen drinnen: aufgrund der Erfahrungen des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses? Das müsste im Eingangsstate­ment stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Denn im Unterschied zur FPÖ gibt es bei der ÖVP bereits erste Verur­teilungen; Karmasin war jetzt einmal der Anfang. Im Unterschied zur ÖVP gibt es bei der FPÖ auch niemanden, der sich in eine Kronzeugenregelung flüchten musste. In die Kronzeugenregelung flüchtet eigentlich nur jemand, der weiß, dass er massiv Dreck am Stecken hat, und bei der ÖVP bemühen sich gleich mehrere darum, in so eine Regelung zu kommen, ich sage nur: Schmid, Beinschab und wer weiß, wer noch aller. Wir wissen ja nicht alles. Denken Sie einmal darüber nach!


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Diese ÖVP-Kronzeugen – auch davon bin ich überzeugt – werden singen oder haben bereits gesungen, und zwar lauter als Rainhard Fendrich, Stichwort „Tango Korrupti“. Gerade für die ÖVP ist Ibiza ja ein Bumerang der Sonderklasse. Peter Filzmaier hat in einem Interview mit dem ORF einmal gesagt: Wenn sich die Vorwürfe gegen die ÖVP bestätigen, dann ist Ibiza dagegen lediglich eine ganz kleine Insel im Mittelmeer. Und genau an diesem Punkt sind wir heute. (Beifall bei der FPÖ.)

Zuerst hat sich die ÖVP – und ich behaupte aus heutiger Sicht – geplant und mit Vorsatz aus einer wirklich erfolgreichen Regierung gestohlen, um dann die Stimmen der FPÖ abzugreifen und die absolute Macht im Land zu übernehmen. Kurzzeitig ist ihr das sogar gelungen, das muss man ihr zugestehen. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss, mit dem man der FPÖ den Todesstoß verpassen wollte, wurde dann aber zum vorhin erwähnten ÖVP-Bumerang und führte direkt zum ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss.

Ich habe hier schon einmal Bertolt Brecht zitiert – Herr Schreuder war sehr verwundert – und ich zitiere ihn heute wieder: „Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.“ Ich sage: Ibiza war eine Unternehmung für Dilettanten. Wahre Profis planten das Projekt Ballhausplatz. Hashtag ÖVP-Korruption. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, weil es auch von Kollegin Kittl angesprochen wurde: Ja, ich verstehe, dass sich immer mehr Bürger von der Politik abwenden und wenig Vertrauen in uns Politiker haben, denn es gibt die korrupten Politiker; leider hört und sieht man es ja jeden Tag. (Bundesrätin Huber: In Graz! Die FPÖ in Graz!) Und leider – das muss man auch sagen – kommen viele damit durch. Man hat das bei der Partie rund um Sebastian Kurz gesehen, aber da wissen wir ja noch nicht, wie es ausgeht.

Korruption – und das sage ich immer – beginnt ja nicht im Nationalrat (Bundes­rätin Huber: Auch in Graz!) oder im Bundesrat oder in der Regierung, sondern sie beginnt ja schon im Kleinen, in den Kommunen. Ganz aktuell: Bei mir im Bezirk –


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wir sind ja hier die Länderkammer – fährt der Gemeindebundpräsident und Bürgermeister von Grafenwörth mit Umwidmungen (Bundesrätin Grossmann: Die Grazer Stadt-FPÖ!) von Grundstücken und Bauprojekten ganz zufällig einen Millionengewinn ein. Und er ist nicht der einzige ÖVPler in meinem Bezirk, wo das in den Kommunen so läuft, dass die Bürgermeister oder deren direkte Angehörige mit dieser Vorgehensweise ganz zufällig Millionen verdienen. Das ist ÖVP-Macheloikes, so weit das Auge reicht. Für meinen Bezirk kann ich sagen, dass es das in Michelhausen, in Judenau, Königstetten und so weiter gegeben hat, und das ist nur mein Bezirk, und das passiert natürlich alles immer ganz zufällig.

Und, liebe Grüne, weil ich es angekündigt habe, nun zu Ihrer Selbstgefälligkeit: Echte Verbrechen dieser Republik sind in den letzten Jahren während Corona passiert, und zwar Verbrechen an den Menschen. Natürlich gab es auch Korrup­tion, und auch da wird es sicher noch Aufklärung geben, Stichwort Cofag, Covid-19-Finanzierungsagentur. Da waren Sie von den Grünen auch immer ganz vorne mit dabei. Auch das wird noch aufgearbeitet werden, und dann wird auch den Grünen das Lachen noch vergehen.

Was auch die Grünen betrifft, weil das Ihr Klientel ist, das Sie so gerne vertreten und auch verteidigen: Warum sitzt eigentlich Herr Teichtmeister beim Nobel­italiener in der Stadt und nicht in der Justizanstalt Wien Josefstadt? (Bundesrätin Kittl: ... absurd! – Zwischenruf der Bundesrätin Jagl.) 58 000 Kinderpornodateien und 100 Gramm Kokain sind anscheinend nicht genug. Diese Frage stelle ich auch Ihnen, Frau Justizminister: Wie kann es sein, dass so jemand wirklich noch nicht in Untersuchungshaft sitzt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass da nicht mindestens zwei der drei Gründe für eine Untersuchungshaft erfüllt sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz ernsthaft ausgearbeitet worden wäre, dann würden wir das gerne unterstützen. Aber einerseits ist das Gesetz selbst, so wie wir es gehört haben, schlecht gemacht. Es enthält viele unklare Gesetzesbegriffe und auch schwammige Definitionen: Wann ist es ein


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Wahlkampf? Wer ist bei einer wahlwerbenden Partei der tatsächlich Verant­wortliche? Das kann ich mir dann aussuchen, je nachdem, wen ich gerade haben will. Wer definiert den aussichtsreichen Listenplatz? Da kann ich dann sagen: Okay, bei denen geht es noch bis Platz fünf und bei den anderen geht der aus­sichtsreiche Listenplatz bis Platz zehn, weil wir sie halt weniger wollen. – Auch da sind also der Willkür wieder Tür und Tor geöffnet.

Andererseits – und das ist der Grund, warum ich wirklich sauer bin – versuchen Sie mit diesem Gesetzentwurf, die Vorverurteilungen von Strache, die es gegeben hat, jetzt im Nachhinein zu rechtfertigen. Ich wiederhole es gerne: H.-C. Strache – elf Freisprüche. (Bundesrat Kornhäusl: Dann nehmts ihn wieder!)

Dieser Gesetzentwurf ist polemisch und allerhöchstens eine Rechtfertigung für die Unfähigkeit dieser Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

14.50


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.


14.50.32

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, wo immer Sie uns zusehen und zuhören! Nach den blauen Verschwörungstheorien: Kollege Spanring, ich frage mich, ob du überhaupt noch ruhig schlafen kannst, so, wie es in dieser Republik zugeht. (Bundesrat Spanring: Danke, es geht gut!) – Na da bin ich ja sehr beruhigt.

Ich darf vielleicht noch ein paar Fakten sagen, bevor ich dann zum Gesetz­entwurf komme. Du hast schon recht: Der ehemalige Vizekanzler Strache ist im Verfahren bezüglich Bestechlichkeit in zweiter Instanz freigesprochen worden, aber es gibt ja noch offene Verfahren in der Casinos-Affäre, wie ihr wisst. (Bundesrat Spanring: ... du aber nicht ...!)


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Dann gibt es unseren ehemaligen Verteidigungsminister Mario Kunasek, jetzt in der Steiermark, bei dem es finanzielle Ungereimtheiten beim Hausbau gibt: Baumaterial und Planungen für den Privathaushalt sollen über die Partei abgerechnet worden sein. Das entnehme ich der „Kleinen Zeitung“ vom 9.6. (Bundesrat Kornhäusl: Bei den Freiheitlichen gang und gäbe! – Bundesrat Spanring: Wir wissen ...!)

Dann gibt es in Graz auch noch einen Herrn Mario Eustacchio (Bundesrat Kornhäusl: Die Steiermark ist ein besonderer Sumpf!), den ehemaligen Grazer Parteiobmann, und euer Generalsekretär Christian Hafenecker wird meines Wissens auch wegen gefälschter Covid-Tests - - (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Spanring: Ein Megaskandal! Ein Verbrechen! ...!)

Ja, wir haben ein Rechtssystem. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich denke, wenn man im Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen – Kollege, ist schon gut. (Bundesrat Steiner: Der Hafenecker geht ab sofort ins Häfen wegen Covid-Tests, da bin ich dafür! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Da muss ich den richtigen Ton getroffen haben, wenn es da drüben so laut wird – sehr schön, sehr schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: ... ins Kaffeehaus!)

Ich kann mich jedenfalls jeden Tag in den Spiegel schauen, und viele, viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der ÖVP arbeiten tagein, tagaus für die Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger (Bundesrat Spanring: Ihr wart alle Kurz-Vertraute, von euch kann sich keiner in den Spiegel schauen! Kurz-Freunde!), so viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, so viele Gemeindever­treterin­nen und Gemeindevertreter (Bundesrat Steiner: Covid-19! Keiner kann mehr in den Spiegel schauen! Covid-19!), unsere Bundesregierung, unsere Landtagsabgeord­neten, unsere Bundesratsfraktion, unsere Nationalratsabgeordneten. Wir können also wirklich gut schlafen und uns jeden Tag in den Spiegel schauen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Deshalb haben wir gemeinsam dieses Gesetz auf den Weg gebracht. Kollegin Steinacker im Nationalrat und Sie, Frau Ministerin, haben sich ja wirklich sehr, sehr lange mit vielen Expertinnen und Experten getroffen. Man sagt uns ja – vielleicht auch im Hinblick auf die SPÖ –, es ist eines der schärfsten Korruptions­strafgesetze in Europa, für uns ein demokratischer Meilenstein und eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme. – Kollege Mertel, ich gebe dir schon recht: Korruption ist „Gift für die Demokratie“, und darum war es uns ja so wichtig, da aktiv etwas zu machen. Wir sehen es schon so, dass es ein wichtiger demokratischer Meilenstein ist, den wir heute verabschieden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es soll ja auch eine Evaluierung stattfinden. Wenn wir sehen, dass wir nach­schärfen müssen, dann setzen wir uns wieder zusammen und überlegen, in welchem Bereich. (Bundesrat Steiner: Da seids ihr nicht mehr in der Regierung!)

Kollegin Kittl hat ja schon sehr viel ausgeführt: dass wir gerade mit dem Straf­tatbestand des Mandatskaufes völlig neue Wege beschreiten, dass wir uns schon im Vorfeld überlegen, wie es gar nicht zu der Situation kommt, dass jemand auf einen Listenplatz gesetzt wird, der dann Geld dafür gibt.

Ich glaube, das ist schon ein wichtiger Baustein, den wir hier auf den Weg bringen, aber natürlich mit der Klarstellung (Bundesrat Steiner: Dann sind sofort die halben Abgeordneten der ÖVP ...!): Es gibt ja auch erlaubtes Verhalten wie die Annahme von legalen Parteispenden oder die legitime Unterstützung von Kandidatinnen und Kandidaten. Das haben wir vom verbotenen Verhalten genau abgegrenzt. Es heißt ja nicht, dass jetzt alles verboten ist – das ist jetzt ganz genau definiert. Jede Kandidatin, jeder Kandidat weiß jetzt, worauf sie oder er sich einlässt und ab wann die Strafbarkeit beginnt. Das war uns auch wichtig.

Wir haben die Strafen erhöht – das haben wir schon gehört –, und wir haben auch strengere Strafen für Vereine eingeführt, damit es keine Umgehungs­geschäfte mehr gibt. Damit man nicht einem Verein etwas im Hinblick auf eine Intervention einer Politikerin, eines Politikers widmet, haben wir diesen


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Tatbestand auch auf die Ehefrauen und die Verwandtschaft ausgedehnt, sodass wir auch diese Lücke jetzt geschlossen haben.

Dieses Gesetz soll dann mit 1. September 2023 in Kraft treten. Ich glaube, wir sind da einen sehr ambitionierten Weg gegangen, einen richtigen Weg. Ich habe es schon gesagt: Wir schaffen damit eine der strengsten Regelungen in Europa – das muss uns erst einmal jemand nachmachen. Darum bitte ich wirklich um Zustimmung, auch vonseiten der SPÖ. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.56


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir begrüßen unsere Zuseherinnen und Zuseher da hinten beim Eingang – herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesräte Leinfellner und Spanring.)

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.


14.56.36

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Einiges von dem, was Kollege Spanring vorhin gesagt hat, ist tatsächlich zutreffend, insbesondere der Umstand, dass Parteikollege Strache für das, womit er im Ibizavideo geprahlt hat, nicht verurteilt wurde, aber genau das ist ja das Problem: dass man draufgekommen ist, dass das, was er dort erzählt hat, keine strafbaren Handlungen sind. Deswegen hat sich der Bedarf ergeben, das Korruptions­straf­recht zu verschärfen. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Jetzt schauen wir uns einmal an, was da vorgelegt wird. Mandatskauf: Wir begrüßen, dass Mandatskauf in Zukunft strafbar wird, allerdings sind die Aus­nahmen, welche Zahlungen denn jetzt doch erlaubt sind – konkret in § 265a Abs. 4 –, zu weit gefasst. Es geht zum Beispiel um Zahlungen an Personen, damit diese auf Kandidaturen verzichten – die sind erlaubt. Oder – das ist ein bisschen holprig formuliert –: „Leistungen betreffend [...] aussichtsreichere Listenplätze


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für unterlegene Bewerber“. – Uns gehen diese Ausnahmen zu weit, wir finden, dass im Zusammenhang mit politischen Mandaten überhaupt keine Entgelte oder Zahlungen zulässig sein sollten.

Dann – was Kollege Spanring auch schon gesagt hat – unklare Begriffe: Der Begriff „Kandidat für ein Amt“ ist daran geknüpft, dass Tathandlungen erst dann verboten sind, wenn der Wahlkampf beginnt. Jetzt ist die Frage: Wann beginnt der Wahlkampf? Da wird darauf abgestellt: entweder zum Stichtag der Wahl – 82 Tage vor der Nationalratswahl zum Beispiel – oder wenn im Nationalrat ein Beschluss gefasst wird, dass die Legislaturperiode vorzeitig beendet wird. Handlungen, die einen Tag vorher stattfinden, sind nicht strafbar. Also insofern weiß jeder ganz genau – sowohl die unmittelbaren Täter als auch die Beitrags­täter –, wie lange sie dieses Verhalten setzen dürfen und wann sie damit aufhören müssen, um die Strafbarkeit zu verhindern, aber das Verhalten wird dadurch ja nicht verhindert. (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Dann geht es auch darum, dass eine Voraussetzung für die Strafbarkeit in vielen Fällen sein soll, dass das Amt tatsächlich angetreten wird, und dass es daher praktisch keinen Versuch geben kann, wenn die Person, die da in das Korrup­ti­ons­delikt verwickelt wird, das Mandat dann doch nicht schafft. Das ist eine Systemwidrigkeit, weil die Korruptionsdelikte ja grundsätzlich davon geprägt sind, dass die Strafbarkeit unabhängig davon eintritt, ob das Amtsgeschäft dann tatsächlich ausgeführt wird. Der Unwert liegt ja gerade darin, dass der Täter von einer anderen Person das Amtsgeschäft kaufen möchte oder diese Person bereit ist, zu verkaufen, unabhängig davon, ob die Amtsträgereigenschaft tatsäch­lich erlangt wird.

Weiters soll eben nicht nur die pflichtwidrige, sondern auch die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts erfasst werden. Auch da sehen wir einen Bruch mit der bisherigen Konzeption des Korruptionsstraf­rechts.


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Dann gibt es noch eine weitere Klausel, konkret § 305 Abs. 4 Z 2, die um Familienangehörige erweitert wird, also dass das Verhalten auch in Bezug auf diesen Personenkreis strafbar wird. Allerdings geht uns die Erweiterung nicht weit genug: In Wirklichkeit sollte die Klausel gänzlich gestrichen werden, weil pflichtgemäße Amtsgeschäfte überhaupt nicht gekauft werden sollten, auch nicht dann, wenn das Geld zum Beispiel an eine gemeinnützige Organisation fließt. Da gab es ja einen Fall in Wien, auf den sich das bezieht.

Machen wir jetzt also den Lackmustest: Ich habe einleitend gesagt, Anlass dafür war das Ibizavideo; wahrgenommene Lücken im Korruptionsstrafrecht: Das, womit Strache geprahlt hat, war nicht strafbar. – Schauen wir uns an, wie das ist, wenn diese Novelle des Korruptionsstrafrechts in Kraft tritt und nach Inkraft­treten möglicherweise Taten wie die im Ibizavideo gesetzt werden: Wäre das dann strafbar? – Es stellt sich heraus: auch nicht.

Insofern ist das ein sehr wirkungsloses Gesetz, wie Kollege Spanring gesagt hat, und Aktivität wird nur vorgetäuscht. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ.)

15.01


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich darf nun Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadić um ihre Stellungnahme dazu bitten. – Bitte sehr.


15.01.31

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Aktuelle Umfragen zeigen uns, dass zwei Drittel der Menschen in Österreich meinen, Österreich sei korrupt oder sogar sehr korrupt. – Ja, das ist erschreckend. Das ist eine sehr hohe Zahl, und da sind wir als Politik auch gefordert, etwas dagegen zu tun.

Ich glaube, dass wir uns alle einig sind: Wir müssen Korruption wirksam bekämpfen. Um Korruption wirksam zu bekämpfen, braucht es natürlich drei


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Dinge: Es braucht Transparenz – die Verwaltung und jedes Handeln der Exekutivorgane muss transparent sein –; es braucht eine effektive Strafver­fol­gung – das bedeutet, dass wir auch genug Ressourcen in die Justiz, in die Staatsanwaltschaften und in die Gerichte stecken müssen, und das haben wir auch in den letzten drei Jahren gemacht, dafür habe ich mich auch in den letzten drei Jahren eingesetzt –; und drittens brauchen wir strengere Korrup­tions­gesetze. Und genau das machen wir jetzt auch.

Lassen Sie mich aber einen Schritt zurückgehen: Was ist denn Korruption? – Wir haben es heute schon ein paarmal gehört: Korruption ist Gift für unsere Gesellschaft. Korruption ist, wenn sich Geld und Macht auf eine missbräuchliche Art und Weise verbinden und so den Beteiligten Vorteile verschafft werden.

Korruption beschädigt das Vertrauen in die Demokratie, Korruption beschädigt das Vertrauen in unsere Institutionen. Warum ist das der Fall? – Weil die Demokratie uns allen zwei Dinge verspricht: dass nämlich jeder von uns zu gleichen Teilen an dieser Demokratie mitwirken kann, weil jeder von uns wählen gehen kann, und zweitens, dass diese gemeinsam beschlossenen Gesetze letzten Endes für alle gleich gelten. Bei der Korruption ist das eben nicht der Fall, weil bei der Korruption die Gesetze nicht für alle gleich, sondern für manche eben ein bisschen anders gelten. Und genau deswegen müssen wir in der Politik alles tun und alles daransetzen, dass wir Korruption im Keim ersticken, dass wir transparent handeln und dass wir, wenn dann Sachen passieren, die Verant­wortlichen auch schnell und effizient zur Rechenschaft ziehen.

Ich möchte vielleicht kurz aufzählen, was wir in diesem Gesetz gemacht haben, denn wir haben einiges nachgeschärft: Es wurde uns öfters gesagt, es gibt Lücken in unserem Korruptionsstrafrecht, und genau diese schließen wir jetzt und setzen auch einige Empfehlungen, die uns international vorgegeben wurden, um.

Es wurde heute einiges an Kritik geäußert – im Sinne von: unbestimmte Gesetzesbegriffe. Wir wissen nicht, wie das angewendet wird, wie das im


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Vollzug ausschauen wird. – Ja, natürlich wissen wir das nicht, weil wir da Neuland betreten. Viele von diesen Sachen, die wir heute umsetzen, hat es bisher noch nicht gegeben, weil wir eben Lücken schließen. Denken wir zum Beispiel an den Mandatskauf: Den Tatbestand Mandatskauf gibt es noch nicht, das ist auch nicht in allen Ländern Europas strafbar. Wir machen ihn in Österreich strafbar, denn wir wollen nicht, dass sich manche auf Kosten der Allgemeinheit ein Demokratierecht kaufen können, indem sie ihre Wunsch­kandidatin oder den Wunschkandidaten in den Nationalrat oder in den Bundes­rat setzen.

Wir verschärfen die Regeln auch für all jene, die Politiker oder Politikerinnen werden wollen, für all jene, die sich um ein Amt bewerben, und auch für all jene, die für ein Amt kandidieren. Das betrifft nicht nur Politikerinnen und Politiker, das betrifft auch hohe Beamte in unserem Staat. Auch Beamtinnen und Beamte, die sich um ein Amt bewerben, müssen diesen hohen Standards entsprechen. Daher halte ich diese Verschärfung für wesentlich, dass wir die Strafbarkeit vorverschoben und auf all jene ausgeweitet haben, die sich um ein solches Amt bewerben oder für ein Amt kandidieren.

Wir haben auch einen automatischen Amtsverlust für all jene, die wegen Korruption verurteilt wurden, vorgesehen. So reicht künftig schon eine rechtskräftige Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von über sechs Monaten. Das ist eine wesentliche Verschärfung gegenüber dem Status quo, weil, wie wir alle wissen, es nach dem Status quo lediglich bei einer Verurteilung von über zwölf Monaten vorgesehen ist.

Es gibt strengere Regeln für Vereine. Wir kennen diese Ausnahme für Vereine: Wenn man gemeinnützigen Vereinen spendet, dann kann man sich gewisse Vorteile erhoffen und verschaffen. Das war nur dann strafbar, wenn die Person, zum Beispiel der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin, direkten Einfluss auf diesen Verein hat. Jetzt erweitern wir das Ganze: Wenn die Ehefrau oder der Ehemann des Bürgermeisters quasi im Verein sitzt und dort maßgeblichen Ein­fluss nimmt, dann ist das auch strafbar.


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Wir erhöhen auch die Strafen bei den Korruptionsdelikten, weil wir gesagt haben, dass es uns das wert ist. Es ist wichtig, dass das Unrecht der Tat auch in den Korruptionsdelikten widergespiegelt wird, und daher werden die Strafrahmen da drastisch erhöht.

Zusätzlich erhöhen wir die Strafen auch, wenn es Unternehmen betrifft. Das betone ich deswegen, weil es diesbezüglich schon lange eine Forderung der OECD gibt, die sagt, dass unsere Strafen im Hinblick auf Verbandsverant­wort­lich­keit, also für korrupte Unternehmen, viel zu niedrig sind und überhaupt nicht abschreckend wirken. Mit dieser Gesetzesnovelle verschärfen und erhöhen wir die Strafen auf das bis zu Vierfache. Eine Erhöhung der Strafen auf das Vierfache ist schon eine drastische Erhöhung, und ich glaube, dass wir damit auch den internationalen Anforderungen entsprechen.

Ich möchte mich zum Abschluss aber auch noch bedanken. Ich möchte mich beim Koalitionspartner bedanken, weil ich weiß, dass es wirklich keine einfache Novelle war. Es war eine schwierige Novelle, es waren schwierige Verhand­lungen, aber ich glaube, wir haben mit dieser Verschärfung des Korruptionsstraf­rechts einen guten ersten Schritt gesetzt. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei der Zivilgesellschaft bedanken, denn die Zivilgesellschaft war in vielen Teilen bei dieser Gesetzeswerdung mitbeteiligt und hat viel Input geliefert, den wir auch eingebaut haben.

Ich glaube, wir leisten mit dieser Gesetzesnovelle einen wichtigen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung und zur Sicherung und Förderung unserer Demokratie, denn Demokratie funktioniert nur dann, wenn die Menschen den Institutionen und auch den Repräsentantinnen und Repräsentanten der Demokratie vertrauen. Daher bitte ich Sie um eine breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Himmer hebt die Hand.)

15.09


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Tiefnig: Ja, Harald Himmer!) – Bitte, Herr Bundesrat Himmer.


15.09.17

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich bin mit vielem, was Bundesrat Spanring sagt, nicht einverstanden, insbesondere wenn er auf die ÖVP eindrischt, ich möchte aber die Möglichkeit dazu nützen und einen Punkt herausgreifen, bei dem ich die gleiche Meinung habe.

Der Punkt ist, sich anzusehen, wie viele Verfahren es gegen den ehemaligen Vizekanzler gegeben hat; ich glaube, es waren 14 an der Zahl, so ungefähr. Auf jeden Fall sind elf eingestellt worden.

Ich glaube, der Kerl ist in der Zwischenzeit aufgrund der Anwaltskosten pleite. Wenn wir davon sprechen, dass das Gesetz für alle gleich sein soll, dann sollte man diese Gleichheit auch hie und da einmal überprüfen: Wie wird von der Justiz gegen einzelne Personen vorgegangen? Würde man andere Menschen mit derselben Intensität screenen, wie man das beim ehemaligen Vizekanzler gemacht hat, würde das damit beginnen, dass man einen Lauschangriff macht und schaut, was Personen, insbesondere dann, wenn sie etwas getrunken haben, so alles reden. Also das passiert ja nicht jedem, dass er in dieser Situation aufgenommen wird. Okay, da kann man sagen, das war sein Pech.

Wenn man sich das einmal anschaut, und ich finde, das sollte man sich auch einmal anschauen, warum es so viele Verfahren gegen den ehemaligen Vizekanzler gegeben hat, dann sollte man sich auch die Schwelle, dass man Verfahren eingeleitet hat, anschauen. Es kann nicht so sein, dass alphabetisch manche 20 Mal drankommen und andere überhaupt nicht.

Daher bin ich mit vielem einverstanden, was die Frau Justizministerin gesagt hat, insbesondere auch mit dem Punkt, der uns ja allen wichtig ist, dass vor dem


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Recht alle gleich sind, dass das Recht nicht auf unterschiedliche Personen unter­schiedlich anzuwenden ist. Das ist ganz, ganz schwierig, denn letztendlich gibt es immer Personen, die dann das Recht interpretieren – ob das ein Staatsanwalt, ein Richter, eine Justizministerin oder wer auch immer ist.

Also formal ist das sehr leicht gesagt, tatsächlich ist es sehr schwierig. Es bedingt in Wahrheit natürlich auch eine gewisse Sachlichkeit, die wir alle haben sollten. Daher gehe ich jetzt sozusagen diesen Schritt voraus. Ich bin nicht so zuversichtlich, dass Kollege Spanring weniger auf uns eindreschen wird, aber ich möchte sagen, dass er mit dem, was er über den Vizekanzler gesagt hat, meiner Meinung nach recht hat. Jetzt fällt mir noch etwas dazu ein: Dass ich zum Beispiel glaube, dass Herr Kickl das auch anders sieht, aber lassen wir das beiseite. Mit dem, was er dazu, wie mit dem Vizekanzler vorgegangen wurde, gesagt hat, meine ich, hat Kollege Spanring recht. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.12

15.12.29


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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15.13.1011. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert wird (3474/A und 2160 d.B. sowie 11293/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. – Ich darf um den Bericht bitten.


15.13.38

Berichterstatterin Sandra Lassnig: Frau Vizepräsidentin! Ich darf Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte.


15.14.24

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln unter diesem Tagesordnungspunkt nun eine Nachschärfung im Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz.


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Es geht um das Jugendgerichtsgesetz, ein aus meiner Sicht sehr sensibles Thema, weil es um junge Menschen geht, die straffällig geworden sind, aber natürlich noch den Großteil ihres Lebens vor sich haben. Das muss man, glaube ich, in diesem Themenbereich immer im Blick behalten. Noch ein Detail: Diese Anpassung soll mit 1. September 2023 in Kraft treten. Ich möchte eines gleich vorweg sagen und festhalten: Für uns als Sozialdemokrat:innen ist es besonders wichtig, dass junge Menschen, die straffällig wurden, immer mit der Zielsetzung und unter dem Gesichtspunkt behandelt werden, dass sie möglichst früher als später wieder in ein selbstbestimmtes und straffreies Leben zurück­finden. Das muss bei allen Maßnahmen eigentlich das Ziel sein.

Wir orientieren uns dabei natürlich an der Europäischen Menschenrechts­konvention, die sozusagen einen Rahmen vorgibt und natürlich auch – das ist mir besonders wichtig – an der UN-Kinderrechtskonvention, die ja alle jungen Menschen bis zum 18. Lebensjahr unter besonderen Schutz stellt. Natürlich haben auch junge Menschen, die straffällig geworden oder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, diesen besonderen Schutz verdient.

Diese jungen Menschen – das muss uns, der gesamten Gesellschaft wichtig sein –, die sozusagen auf die schiefe Bahn gekommen sind, sollen bestmöglich begleitet werden, um eben auf eine gute, nicht kriminelle Zukunft zuzusteuern und wieder eingegliedert zu werden. Jetzt kommt der springende Punkt: Diese gute Begleitung braucht Ressourcen, sie braucht Fachkräfte und jugend­gerechte Ansätze. Das ist der springende Punkt, der auch ein bisschen mit unserer Kritik zu tun hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Besonders viele Ressourcen braucht es, wenn diese jungen Menschen kriminell sind und psychisch oder psychiatrisch erkrankt sind. Um diese spezielle Zielgruppe geht es auch bei diesem Gesetzesvorhaben. In diesem Fall, wenn eine psychiatrische oder psychische Krankheit vorliegt, muss diese Erkrankung im Blickpunkt, im Vordergrund stehen – vor der kriminellen Handlung –, denn man kann diese Menschen nur nachhaltig resozialisieren, wenn die Krankheit behandelt wird, die mitunter auch Mitgrund ist, warum sie straffällig geworden


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sind. Da geht es um eine adäquate Behandlung dieser Erkrankung und auch um eine adäquate Unterbringung, denn die Art, wie diese jungen Menschen unter­gebracht werden, macht einen Unterschied.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften, aber auch das Ludwig-Boltzmann-Institut für Grund- und Menschenrechte haben sich große Kompetenz erarbeitet, wenn es um die Frage geht: Was hilft diesen jungen Menschen am besten, um wieder ins Leben zurückzufinden? Es kommt nicht von ungefähr, dass diese jungen Menschen an irgendeinem Zeitpunkt in ihrem jungen Leben in die Verle­genheit oder in die Versuchung kommen, eine kriminelle Handlung zu setzen.

Die werden dann – das muss man sich vorstellen –in diesen jungen Jahren für eine gewisse Zeit aus dem Verkehr gezogen, genau in einem Alter, in dem es eigentlich darum ginge, zu lernen, Entwicklungsschritte in ein selbstbestimmtes, selbstständiges Leben zu setzen. Es sind Jugendliche und sollten jetzt eigentlich sozusagen erwachsen werden, selbstständig werden, einen Beruf erlernen, eine Familie gründen, und genau zu diesem Zeitpunkt werden sie sozusagen zu Recht aus diesem Alltag genommen.

Aktuell werden sie aber meistens in Anstalten gebracht, die mit diesem Alltag und mit dem normalen Leben so gar nichts zu tun haben, und können dort diesen nächsten Entwicklungsschritt, der jetzt notwendig wäre, nicht lernen. Daher müssen wir jetzt auch aus pädagogischer Sicht alles daran setzen, dass wir sie dabei unterstützen, dieses normale Leben lernen zu können und sie dabei begleiten, dieses normale Leben zu führen; natürlich vorausgesetzt, wir wollen, dass sie wieder dauerhaft in ein nicht kriminelles, normales Leben zurück­finden.

Frau Ministerin, Sie kennen möglicherweise diese Broschüren (die genannten Broschüren in Richtung Bundesministerin Zadić haltend) des Ludwig-Boltzmann-Instituts, die die Forderungen von Expert:innen im Bereich Jugendliche, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, zusammenfassen. Ich möchte sie


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noch einmal erwähnen, weil sie ein bisschen der Rahmen rund um dieses Gesetzesthema sind.

Es wird von allen Expert:innen beschrieben, dass der Maßnahmenvollzug für diese junge Zielgruppe hinsichtlich der Nachhaltigkeit die denkbar schlechteste Form ist. Das heißt, es sollte immer das letzte Mittel sein und es sollte immer versucht werden, ein gelinderes Mittel zu finden. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn es regelmäßig Fallkonferenzen gibt, wenn regelmäßig hingeschaut wird: Wo steht dieser junge Mensch? Was braucht er jetzt? Ist es möglich, ihn auch in eine andere Form der Unterbringung entlassen zu können?

Es wird genau bei diesen jungen Menschen stark plädiert: Weg von großen Anstalten, hin zu kleineren Wohneinheiten mit sehr intensiver Betreuung, im Idealfall auch mit einer kontinuierlichen Bezugsperson, wo man auf dem Weg ins normale Leben zurück begleitet wird, weil genau diese kleineren Einheiten und die intensive Betreuung einen hohen Erfolg bei der Resozialisierung versprechen.

Gerade bei diesen psychiatrisch erkrankten jungen Straftätern sind natürlich spezialisierte Plätze, spezialisiertes Personal dringend notwendig. Jetzt komme ich wieder zu dieser Ressourcenfrage zurück: Wir wissen – da können Sie jetzt unmittelbar gar nichts dafür, aber es steht im Widerspruch zu den Maßnahmen ‑, dass die Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie so dermaßen eingeschränkt und so prekär sind, dass auch nicht gewährleistet werden kann, dass diese psychiatrisch erkrankten jungen Straftäter:innen tatsächlich gut betreut werden können. Das ist ein Thema, das wir dem Herrn Gesundheitsminister mitgeben müssten. Da bräuchte es eine Attraktivierung des Berufsbildes der Kinder- und Jugendpsychiater:innen, eine Jobinitiative, denn wir brauchen auf Dauer nicht nur für die Straffälligen, sondern insgesamt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie einfach massiv mehr Kapazitäten. Wir brauchen engmaschige Begleitung auf dem Weg zurück ins normale Leben und kontinuierliche Bezugspersonen.


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Was mir besonders gut gefallen hat, war eine dreiteilige Zielsetzung, die bei allen Maßnahmen, wenn es um junge Menschen geht, im Vordergrund sein sollte. Dies ist nämlich der Hebel für ein erfülltes zukünftiges Leben. Es geht darum, diesen jungen Menschen Bildung anzubieten, es geht darum, ihnen Beschäfti­gung anzubieten und auch Freizeit anzubieten, denn nur in diesem Dreierpaket, in diesem Gesamtpaket kann man seine Persönlichkeit festigen und dauerhaft in ein sinnerfülltes Leben zurückfinden.

Diese verpflichtenden Sozialnetzkonferenzen, Fallkonferenzen kann man auch sagen, kommen aus unserer Sicht in dem aktuellen Gesetz relativ spät zum Einsatz. Wir würden dafür plädieren, dass diese sehr engmaschig, sehr früh einsetzen und verpflichtend regelmäßig gemacht werden müssen, um eben dieses gelindere Mittel jederzeit ausloten zu können.

Was aus unserer Sicht besonders bitter ist, ist: All diese Kriterien, all diese Rahmenbedingungen, die wir uns für jugendliche Straftäter:innen wünschen, gab es schon einmal. Es gab diesen Jugendgerichtshof, auf den wir damals in Österreich sehr, sehr stolz waren. Er wurde vor ungefähr 20 Jahren unter Schwarz-Blau abgeschafft. Das war ein großer Fehler! Wir arbeiten jetzt sozusagen nach und versuchen, das wieder aufzubauen. Das war damals wirklich ein Fehler, den wir jetzt ausbaden müssen.

Ich hoffe tatsächlich, dass in der neuen Strafanstalt in Simmering, die für junge Menschen geplant ist, dem möglichst nahe gekommen wird. Das würde ich diesen Menschen, aber natürlich auch uns als Gesellschaft wünschen.

Zum Schluss möchte ich noch sagen: Das Allerwichtigste in diesem Bereich ist natürlich, dass wir auf Prävention setzen, dass junge Menschen gar nicht in die Verlegenheit kommen, delinquent zu werden. Da braucht es von Anfang an, eigentlich ab der Schwangerschaft, gute Rahmenbedingungen. Es braucht den Ausbau der frühen Hilfen, es braucht ein qualitativ hochwertiges Bildungs­system, wo alle jungen Menschen gut abgeholt werden, wo sie Perspektiven bekommen, wo sie mit Freude und Mut ausgestattet werden, um sinnvolle


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Perspektiven zu entwickeln. Es braucht Freizeitangebote, die allen Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen, Erziehungsberatungsstellen, Familien­beratungsstellen, ein Netz rund um genau diese Familien, wo es schwer ist und wo die Gefahr besteht, dass junge Menschen möglicherweise in eine kriminelle Laufbahn abdriften.

Wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen, weil aus unserer Sicht dieser Spagat zwischen dem, was hier aufgestellt wird, und den Rahmenbedingungen, die uns zur Verfügung stehen, nicht gelingt und wir nicht glauben, dass es realistisch ist, es so umzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.25


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


15.25.30

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Justizministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier und vor den Bildschirmen! Ja, der Maßnahmenvollzug soll das letzte Mittel für Jugendliche sein, deswegen gab es eben die Änderungen im Maßnahmenvoll­zugsanpassungsgesetz. Es gibt heute eine Nachschärfung dieses Gesetzes, nämlich bezüglich jener, die im Maßnahmenvollzug die vorgesehene Höchstfrist von 15 Jahren bei einer strafrechtlichen Unterbringung wegen einer Jugendstraftat überschritten haben, und auch für Jugendliche, die nach der neuen Gesetzeslage nicht untergebracht worden wären, weil die Strafdrohung zehn Jahre nicht überschreitet.

Auf die Problematik der fehlenden Kapazitäten bei der Nachbetreuung gehen wir genau heute mit dieser Novelle ein, denn für uns war es von Anfang an wichtig, dass der Maßnahmenvollzug keine Endstation ist, es aber auch nicht zu automatischen Entlassungen kommen soll. Es kann aber eben nicht sein, dass Menschen lebenslänglich und ohne Perspektive weggesperrt werden, nur weil die Gesellschaft mit ihnen unzureichend umgehen kann.


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Es kann aber natürlich sein, dass Untergebrachte trotz einer Behandlung ihre Gefährlichkeit nicht verlieren und weiterhin untergebracht werden. Das heißt, wir dürfen einerseits nicht zulassen, dass Menschen, die psychisch krank sind, lebenslänglich und ohne Perspektive eingesperrt bleiben, insbesondere dann nicht, wenn sie diese Taten in einem Alter begangen haben, in dem sie noch Jugendliche sind und ihr ganzes Leben vor sich haben. Andererseits dürfen wir aber auch nicht zulassen, dass Menschen entlassen werden, die eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen.

Deswegen haben wir eine sehr ausgewogene Regelung getroffen. Diejenigen, die bei der Tatbegehung jugendlich waren und im Maßnahmenvollzug sind, können nämlich ihren Weg in die Freiheit finden, wenn sie die Voraussetzung für eine bedingte Entlassung erfüllen. Das heißt, wir wollen einen Fokus auf die bedingte Entlassung legen.

Das ist ein wichtiger Punkt: Was braucht es bei der bedingten Entlassung? Erstens, dass die ehemals Jugendlichen aufgrund der Einschätzung ihrer Gefährlichkeit und ihres Gesundheits- und Genesungszustandes in der Lage sind, sich in Freiheit zu bewegen. Zweitens müssen sie sich im Fall der bedingten Entlassung an bestimmte Auflagen halten. Diese Auflagen werden auch streng kontrolliert und gehen mit kontinuierlicher Risikoeinschätzung einher. Werden diese Auflagen nach der Entlassung nicht erfüllt, greift dann leider wieder der Maßnahmenvollzug.

Die Festlegung der Höchstdauer ist auch ein wichtiger Punkt, weil die Jugendlichen eben nicht in absoluter Ungewissheit darüber bleiben sollen, wie lange sie eingesperrt sind. Das wäre absolut demotivierend, wir haben das ja auch von der Kollegin vorhin sehr ausführlich gehört. Das Ziel ist eben die Resozialisierung, und genau darum muss es im Maßnahmenvollzug gehen. Mit der Entlassung vor Augen und mit der Unterstützung durch Therapien ist es natürlich leichter, an dieser Resozialisierung zu arbeiten.


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Wenn also die Unterbringung von Jugendlichen bereits zehn Jahre gedauert hat und die Jugendlichen heute gar nicht mehr in den Maßnahmenvollzug kommen würden, genau dann soll es eben Fallkonferenzen mit den Sachverständigen geben, die mit den Jugendlichen gearbeitet haben, aber die auch mit ihnen nach der Entlassung arbeiten werden. Das sind die Psychiater:innen, die Bewährungshilfe, die Nachbetreuung, aber auch Familie und Verwandte. Sie werden zukünftig gemeinsam an einem Tisch sitzen und über die Gefährlichkeitseinschätzung, aber genauso die Fähigkeit, den Alltag betreut zu bewältigen, und auch über entsprechende Maßnahmen beraten.

Erst danach wird ein Gericht entscheiden und den richtigen Platz für die richtige Behandlung finden. Das sind meiner Meinung nach sehr gute und an die herausfordernde Situation angepasste Maßnahmen, die auf der einen Seite dem Sicherheitsgedanken und auf der anderen Seite den Rechten, nämlich den Menschenrechten der Betroffenen, dienen, und daher bitte ich um Ihre Zustim­mung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.30


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.


15.30.38

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vor­sitzende! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer! Das Gesetz, das wir behandeln, befasst sich mit dem Maßnahmenvollzug. Zum besseren Verständnis, natürlich auch für die Zuschauer: Der Maßnahmenvollzug ist eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme, bei der geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht werden, und zwar so lange, bis sie nicht mehr gefährlich sind oder als gefährlich gelten. Das sagt eigentlich alles aus: Das kann auch bedeuten, dass jemand, wenn er die entsprechende Gefähr­lichkeit hat, nie mehr auf die Gesellschaft losgelassen werden kann.


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Frau Minister Zadić, ich habe mir Ihre Rede im Nationalrat gut angehört, und auch wenn ich heute sehr kritisch bin, kann ich Ihnen sagen: So weit sind unsere Standpunkte gar nicht auseinander. Auch wir sind für die Reform des Maßnah­menvollzugs. Ein moderner Maßnahmenvollzug wäre wünschenswert und wichtig, aber – und ich denke, da ist der größte Unterschied in unseren Stand­punkten – für uns steht die Sicherheit an erster Stelle, und wir wollen uns da keinen Experimenten hingeben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich von Sicherheit rede, dann meine ich natürlich die Sicherheit der Bevölkerung. Dann meine ich aber auch die Sicherheit aller Bediensteten, sowohl der Zivilbediensteten als auch der Justizwachebeamten in den Anstalten, die, nebenbei erwähnt, tagtäglich hervorragende Arbeit leisten, und letztlich geht es auch um die Insassen selbst, um deren Sicherheit sowohl vor Eigen­schädigung als auch vor Fremdschädigung.

Eines kann ich aus der Praxis erzählen: Ich war in mehreren Justizanstalten tätig, einige Jahre davon in einer Sonderkrankenanstalt. Dort ist mir schon eines aufgefallen: dass die Justizwache auch immer wieder Insassen handhaben muss, die – und es ist wirklich oft eine Bärenaufgabe, mit so jemanden umzugehen – unterm Strich in keine Justizanstalt gehören, sondern in einer psychiatrischen Anstalt besser und richtig aufgehoben wären, ganz einfach, weil es dort andere Möglichkeiten der Behandlung und der Betreuung gibt. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Auch die rechtliche Handhabe in einer Psychiatrie ist nicht mit der in einer Justizanstalt vergleichbar. Leider passiert es immer wieder, dass solche Menschen ganz einfach in die Justiz abgeschoben werden. Das muss aufhören.

Frau Minister, Sie haben in Ihrer Rede noch etwas gesagt, und zwar, „die Umsetzung der Reform ist nicht einfach“. Und ja, da haben Sie recht.


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Es ist ja auch zwischendurch ein ziemlich grober Schnitzer passiert, denn beim Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz im Jahr 2022 wurde beschlossen, dass zum Zeitpunkt der Tat, also in der Vergangenheit, Jugendliche jetzt am 1. September nach 15 Jahren oder auch dann, wenn sie schon länger drin sind, aus der Maßnahme ganz einfach entlassen werden hätten sollen. Da hat es schon einen ganz lauten Aufschrei der FPÖ gebraucht, dass man das jetzt Gott sei Dank wieder alles gestoppt hat.

Auch die SPÖ und die NEOS haben das kritisiert, was mich einerseits gefreut, andererseits ein bisschen gewundert hat, weil ich mich erinnern kann: In der Vergangenheit war es schon so, dass sie das immer gefordert haben. Da ist es ihnen gar nicht schnell genug gegangen. Es ist aber auf alle Fälle gut und richtig, Frau Minister, dass das jetzt wieder gestoppt wurde. Alles andere wäre ehrlich gesagt schwer fahrlässig gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt komme ich zu den Gründen, warum wir hier und heute nicht mitgehen können. Sie wollen eine bedingte Entlassung über Fallkonferenzen machen. Das halten wir für falsch und gefährlich, weil eine Fallkonferenz zwar gut und nett ist, aber am Ende des Tages nichts über den Betroffenen, der zu einer bedingten Entlassung ansteht, aussagt.

Es gibt im Vollzug echte Experten, die man befragen kann. Das sind zum Beispiel die Anstaltsleiter in den forensischen Anstalten in Verbindung mit den sozialen, psychiatrischen und psychologischen Diensten. Noch besser kennen wahrschein­lich die Insassen diejenigen, die direkt in den Abteilungen von früh bis spät mit den Betroffenen zu tun haben. Diese Justizwachebeamten oder auch Zivilbediensteten wissen, wer gefährlich ist und wer sich wahrscheinlich außer­halb von diesen festen Strukturen nicht mehr zurechtfinden wird.

Da komme ich wieder zur Sicherheit zurück, denn die Sicherheit steht da für uns wirklich an erster Stelle.


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Eine Fallkonferenz gestaltet sich dann so: Da ist irrsinnig viel Papierkram, da sind viele Unterlagen, die dort durchgearbeitet werden müssen, und im schlechtesten Fall kann es sogar passieren, dass bei den begutachtenden Personen gar niemand dabei ist, der denjenigen, der beurteilt wird, jemals wirklich gesehen hat und diesen nicht nur aus Unterlagen kennt. Selbst wenn jemand dabei ist, der den Insassen kennt, ist es ein Unterschied, ob man mit dem Insassen einmal flüchtig gesprochen hat, ihn zwei-, dreimal auf dem Gang gesehen hat, er vorge­führt wurde oder ob man tagtäglich mit diesem Menschen zu tun hat.

Das, muss ich sagen, ist meine generelle Kritik nicht nur am System der Justiz, sondern auch an anderen Systemen im öffentlichen Dienst: wenn irgend­welche – unter Anführungszeichen, nicht falsch verstehen! – „Bürohengste“, in diesem Fall aus der Generaldirektion, die das letzte Mal vor zehn Jahren einen Insassen aus der Nähe gesehen haben, Dienstanweisungen geben und den Profis vor Ort erklären, wie man richtig mit Insassen umzugehen hat. Frau Minister, das wäre ungefähr so, als würde ich Ihnen da jetzt Ernährungstipps geben, damit Sie schlank bleiben. Also das ist halt nicht ganz realistisch. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind ja nicht abgeneigt. Ich sage, Fallkonferenzen sind ja auf alle Fälle ein Schritt in die richtige Richtung. Fallkonferenzen allein sind aber einfach viel zu wenig. Die aktuelle Änderung ist zwar einmal ein legistischer Damm, aber damit wird jetzt nur verzögert, dass eben auch ein gefährlicher Straftäter früher oder später vielleicht entlassen wird.

Der richtige Weg wäre, dass es im ersten Schritt begleitete Ausgänge gibt, zum Beispiel in den Justizanstalten Asten oder Göllersdorf. Wenn das funktioniert, dann kann man diese Person in ein forensisches Entlassungshaus – wollen wir es einmal so nennen! – überstellen, das wir leider nicht haben, aber man kann ja so etwas zum Beispiel bauen. Dort schaut man, wie sich dieser Mensch quasi im gelockerten Vollzug gibt, wie er sich macht und wie er sich bewährt. Wenn er sich bewährt, dann kann man den nächsten Schritt machen, und wenn er sich nicht bewährt, dann muss er zurück in die Justizanstalt oder in das forensische


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Zentrum. Wenn man sich in diesem gelockerten Vollzug bewährt, dann kann man auch Ausgänge, alleinige Ausgänge mit elektronischer Überwachung, andenken. So könnte man die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, wirklich minimieren.

Ich sage es noch einmal: Zu 100 Prozent ausschließen, dass etwas passiert, ist nicht möglich, weil wir alle in keinen Menschen hineinschauen können. Nur: Über die Fallkonferenzen eine Entlastung für Haftanstalten zu machen, sodass man vielleicht Insassen in die Freiheit entlässt, die im Inneren noch brandge­fährlich sind, weil man nicht in sie hineinschauen kann und somit vielleicht wirklich eine tickende Zeitbombe entlässt: Das wollen wir nicht, und da spielen wir auch nicht mit.

Dieses Gesetz ist ja ursprünglich gar nicht von Ihnen, Frau Minister, sondern das liegt ja seit dem Jahr 2016 in der Schublade. Das hat der damalige ÖVP-Justizminister Brandstetter ausgearbeitet. Sie haben es jetzt weiterbearbeitet, adaptiert, und es wird jetzt umgesetzt.

Ich spiele jetzt einmal Hellseher. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, wenn etwas passieren sollte, zum Beispiel, dass ein geistig abnormer Rechtsbrecher, der aufgrund solcher Fallkonferenzen jetzt in die Freiheit entlassen wird und dann vielleicht jemanden verletzt, vergewaltigt oder vielleicht sogar ermordet, dann werden alle mit dem Finger auf Sie zeigen, Frau Minister, und sagen: Frau Minister Zadić war es!

Und niemand wird sich mehr erinnern können, dass es eigentlich ursprünglich von Herrn Brandstetter ausgegangen ist. Das gebe ich Ihnen auch mit, vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal, ob Sie das wirklich so umsetzen wollen. Wir halten es wirklich für gefährlich.

Das gesamte Gesetz, muss man sagen, hätte es vielleicht sogar gar nicht gebraucht, hätte man schon vor vielen Jahren – ich weiß: hätte, hätte, hätte –


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angefangen, mehr Personal auszubilden und aufzunehmen. Dann hätte man sich wirklich viel Ärger erspart.

Es gibt also im gesamten System noch viel zu tun. Im April war ich gemeinsam mit Nationalratsabgeordnetem Christian Lausch anlässlich dieser ursprünglich geplanten Haftentlassung – als es geheißen hat, am 1. September werden die ausgelassen – in der Justizanstalt Göllersdorf im Weinviertel, und danach sind wir nach Oberösterreich in die Justizanstalt Asten gefahren.

Für Göllersdorf zum Beispiel gibt es fixfertige Pläne zur Schaffung eines forensischen Zentrums. Diese Pläne liegen in der Lade, passiert ist noch nichts. Vielleicht können Sie uns heute sagen, wann wirklich der Baubeginn oder bis wann die Fertigstellung geplant ist und auch, wie Sie gedenken – das ist nämlich ein ganz wichtiger Punkt –, das Mehrpersonal zu bekommen, das wir dort brauchen werden. Mit dem jetzigen Personalstand wird es nämlich nicht gehen.

Wenn das Personal fehlt, meine Damen und Herren, dann kann ich Ihnen auch sagen, was passieren wird. Das haben wir nämlich in Asten erlebt. Dort haben wir zwei komplett ausgebaute neue Abteilungen gesehen, so einen Sternbau mit dem Dienstzimmer in der Mitte, von dem die Gänge weggegangen sind – wirk­lich modern und zweckmäßig gebaut, jeweils pro Stock circa drei mal 15 Hafträume; genau weiß ich es nicht, abgezählt habe ich sie nicht, aber so ungefähr.

Der untere Stock war in Betrieb, und der obere Stock war leer, aber nicht, weil man dafür keine Insassen gehabt hätte, sondern weil es kein Personal gibt! Das, muss ich sagen, ist eine Bankrotterklärung für die Justiz, das ist natür­lich eine Bankrotterklärung für ganz Österreich. Insgesamt stehen in Asten sogar circa 70 Hafträume leer, weil es kein Personal gibt.

Die Probleme des Personalmangels sind einerseits die Externen, das externe Personal, das fehlt, nämlich die Fachärzte. – Ja, no na net: Die würden draußen


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mehr verdienen als drinnen, und wir haben aber draußen schon einen Fachärztemangel, also wird es wirklich schwer, dafür jemanden zu finden. Das heißt, da greift eines in das andere, und man muss auch sagen, dass die Justizbetreuungsagentur vielleicht nicht unbedingt ideal arbeitet. Das merken wir leider immer wieder, in vielen Bereichen.

Ein weiteres Problem: Im Bereich der Justizwache wurden zwar junge Kollegen aufgenommen, es gibt aber keine zusätzlichen E2a-Planstellen. – E2a-Planstellen sind für Dienstführende. – Erstens einmal ist das keine Wertschätzung gegenüber den Kollegen, und andererseits: Warum soll ein eingeteilter Beamter, der die Ausbildung zum Dienstführenden nicht hat, die Verantwortung für Arbeiten eines Dienstführenden übernehmen? Das geht nicht! Da muss man also wirklich schauen, dass man entsprechend auch E2a-Planstellen freigibt, und dann kann es vielleicht werden.

Weiters gibt es in diesen Justizanstalten sogar vermehrt immer wieder Über­griffe und Einsatzsituationen. Das ist natürlich zum Teil auch dem geschuldet – das haben wir in Asten gehört –, dass die Justizwache erst dann kommt, wenn quasi Feuer am Dach ist. All das sollte man überdenken, denn würde man die Justizwachebeamten von vornherein mehr in die Abteilungen mit einbinden, könnte man vielleicht gleichzeitig mehr aufsperren. Auch dadurch erfährt man mehr über einen Insassen, denn ich muss schon sagen: Ob ein Insasse 23 Stunden am Tag in einem Haftraum eingesperrt ist oder ob man vielleicht sieht, wie er sich am Gang mit anderen verhält, ist ein Riesenunterschied. Aber wie gesagt: Dazu muss man auch die Rahmenbedingungen schaffen, das heißt, auch die entsprechenden Posten und das entsprechende Personal haben. Das kann in Österreich ja bitte kein Problem sein! Erst heute habe ich es wieder gehört: Wir sind angeblich das siebzehntreichste Land der Erde.

Fehlendes Personal führt nicht nur zu Schwierigkeiten in der Betreuung, es ist unserer Meinung ein immenses Sicherheitsrisiko für alle Beteiligten, und wie anfangs erwähnt – einmal will ich es noch sagen –: Für uns steht die Sicherheit an erster Stelle. Auch in den Justizanstalten sind die Zivilbediensteten und die


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Justizwachebeamten Mütter, sie sind Väter, Söhne und sie sind Töchter, die nach dem oft sehr kräftezehrenden Dienst gesund nach Hause zu ihren Familien gehen wollen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

15.45


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte.


15.45.10

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer und Zuseher! Auch für mich ist die Sicherheit im Vordergrund, das möchte ich zu meinem Vorredner sagen. Die vorliegende Novelle aber betrifft Änderungen im Maßnahmenvollzug, mit denen punktuell Regelungen nachgeschärft werden sollen, die mit 1. September in Kraft treten werden.

Es ist ein sensibler Bereich, denn der Maßnahmenvollzug ist für psychiatrisch kranke Jugendliche gedacht, und bei Menschen, die eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen, die im Maßnahmenvollzug untergebracht werden und dort eine Behandlung bekommen, kann es natürlich sein, dass sie trotz der Behandlung ihre Gefährlichkeit nicht verlieren. Diesem Umstand trägt die Gesetzesänderung Rechnung.

So werden bei Langzeitunterbringungen von über zehn Jahren in Zukunft verpflichtende Fallkonferenzen stattfinden, die ich sehr begrüße, um Untergebrachte bestmöglich auf eine bedingte Entlassung vorzubereiten. Eine solche Fallkonferenz soll zumindest alle drei Jahre stattfinden. Die Unter­bringung eines gefährlichen terroristischen Straftäters oder einer Straftäterin in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter wegen einer Jugendstraftat wird entsprechend der Bestimmung im Strafgesetzbuch mit zehn Jahren befristet, sodass eine eigene Regelung im Jugendgerichtsgesetz entfallen soll.


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Zur Prüfung, ob die strafrechtliche Unterbringung aufrechtzuerhalten ist, muss es jedenfalls ein Gutachten geben – ein Gutachten eines Kinder- und Jugendpsychiaters, ersatzweise auch eines Sachverständigen der klinischen Psychologie des Kinder- und Jugendalters.

Für den Fall, dass Gerichte bereits im Vorgriff auf die neuen Regelungen die Entlassung für einen Zeitpunkt ab 1. September ausgesprochen haben, wird ausdrücklich im Gesetz angeordnet, dass derartige Beschlüsse ohne Wirkung bleiben.

Die Höchstgrenze von 15 Jahren Unterbringung wird abgeschafft. Das bedeutet aber auch, dass somit ein längerer Aufenthalt möglich ist, wenn es notwendig ist. Dass man sich nunmehr für Fallkonferenzen entschieden hat, stellt für mich eine ordentliche Lösung dar und ist ein Fortschritt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mit der ursprünglichen Maßnahmenvollzugsreform 2022 hat man einen langen Stillstand in diesem Bereich beendet. Es geht genau darum, dass nur jene, die psychisch krank und auch gefährlich sind, in den Maßnahmenvollzug kommen, und jene, die behandelt werden müssen, in den gesundheitlichen Bereich.

Dazu kommt jetzt ein Entlassungsmanagement für Personen, die aus dem Maßnahmenvollzug entlassen werden sollen. Es soll vorgesorgt werden, dass eben die Fallkonferenzen prüfen, ob die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung gegeben sind, und dass sie auch Bedingungen angeben, zu denen die Entlassung möglich ist. Dass es eine engmaschige Überwachung geben soll, finde ich auch sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist meiner Meinung auch sehr wichtig, dass die Betroffenen durch diverse Auflagen wieder an das alltägliche Leben herangeführt werden können. Es werden Sozialtrainings gemacht, es wird die Bewährungshilfe eingeschaltet, es wird mit der Familie gesprochen und diese auch irgendwie eingebunden. Diese Umsetzung ist meiner Meinung sehr wichtig.


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Zum Schluss möchte ich nur sagen: Der Umstand, dass der Sicherheitsgedanke im Vordergrund steht, aber auch die Rechte der Betroffenen nicht zu kurz kommen, ist einfach wichtig, und deswegen bitte ich Sie, mit dieser Novelle einverstanden zu sein, ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Fortschritt. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Gruber-Pruner.)

15.49


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich darf Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadić um ihre Stellungnahme bitten. – Bitte.


15.50.05

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben letztes Jahr die Regierungsvorlage zum Maßnahmenvollzugs­anpassungs­gesetz beschlossen; sie wurde heute schon erwähnt. Ich bin davon überzeugt, dass das eine wichtige Reform, ein wichtiger erster Schritt war, weil in den letzten 50 Jahren im Maßnahmenvollzug einfach keine grundlegende Reform gelungen ist. Warum ist es nicht gelungen? – Bundesrat Spanring hat es schon gesagt: weil es nicht so einfach umzusetzen ist.

Es ist schwierig und es ist auch nicht gerade beliebt. Es geht ja um Personen, die psychisch krank und potenziell gefährlich sind. Ich halte es aber dennoch aus Sicht der Justiz und als Justizministerin für entscheidend, dass wir da einen Unterschied machen: Personen, die gefährlich und psychisch krank sind, sollen natürlich in den Maßnahmenvollzug kommen. Personen, die psychisch krank, aber nicht gefährlich sind, haben im Gefängnis nichts verloren.

Genau da müssen wir ansetzen, und genau da setzt auch diese Maßnah­men­vollzugsanpassungsreform an. Die Einweisungsvoraussetzungen sollen dahin gehend geändert werden, dass jene, die gefährlich sind, in den Maßnahmen­vollzug kommen und jene, die nicht gefährlich sind, im Idealfall in eine psychia­tri­sche Krankenanstalt kommen, in der sie auch behandelt werden. Ich glaube, das ist das Entscheidende.


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Wir haben uns auch deswegen für die Reform – insbesondere dort, wo es die Jugendlichen betrifft – eine lange Übergangsfrist gegönnt, um zu schauen, wie wir mit den Menschen umgehen, insbesondere jenen, die damals Jugendliche waren, die keine Kapitalverbrechen begangen haben, die dann möglicherweise rauszulassen sind. Da haben wir gesagt: Okay, wir schauen in dieser Zeit, wo wir diese Menschen unterbringen können.

Wir haben aber leider gesehen, dass die Voraussetzungen außerhalb des Maßnahmenvollzugs nicht im erhofften Ausmaß vorlagen. Das betrifft insbesondere psychiatrische Versorgungen. Sie, Frau Bundesrätin (in Richtung Bundesrätin Gruber-Pruner), haben das ja schon gesagt: Die psychiatrischen Versorgungen müssen ausgebaut werden, insbesondere in den Ländern.

Wir haben aber auch gesehen, dass die Gesundheitseinrichtungen nicht damit zurechtkommen werden. Genau das ist der Grund, warum wir jetzt sagen: Dann gehen wir doch einen Schritt zurück! Wir belassen die Reform so, wie sie ist, denn die Einweisungsvoraussetzungen müssen geändert werden, aber für die Personen, die jetzt im Maßnahmenvollzug sind, übernehmen wir die Verantwortung, wir lassen sie – auch aufgrund des eingetretenen Hospitalisie­rungs­effekts – nicht sofort raus. Das geht nicht, das funktioniert einfach nicht, wenn wir die Nachfolgeeinrichtungen nicht haben.

Das ist genau der Grund, warum wir gesagt haben: Nein, es sollen dann Fall­konferenzen stattfinden und danach soll – basierend auf dieser Fallkonferenz – ein Gericht bemüht werden. Das soll in einer gerichtlichen Entscheidung entschieden werden – so, wie es üblicherweise der Fall ist –: Kann die Person bedingt entlassen werden oder nicht? Und sie kann nur dann bedingt entlassen werden, wenn sie nicht mehr gefährlich ist.

Das heißt, die üblichen Voraussetzungen haben wir für die Personen, die jetzt schon im Maßnahmenvollzug sind, auch eingehalten. Eingebaut haben wir die Fallkonferenzen – diese soll übrigens der Anstaltsleiter initiieren. Das heißt, der, der dem Insassen am nächsten steht, mit diesem zu tun hat, soll diese


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Fallkonferenz initiieren. Der Anstaltsleiter initiiert sie und zieht auch Personen zurate, die mit der Person – mit dem Untergebrachten – zu tun haben. Basierend auf diesen Ergebnissen geht es dann zum Gericht, dann wird ent­schie­den: Soll es zu einer bedingten Entlassung kommen oder nicht?

Warum bedingte Entlassung? – Weil es wichtig ist, dass wir darauf schauen, dass gewisse Auflagen, die vom Gericht kommen, auch erfüllt werden. Wenn jemand suchtkrank ist, muss er sich einer Behandlung auch außerhalb des Gefäng­nisses unterziehen. Ich halte das für einen wirklich wichtigen Schritt.

Ich glaube, dass wir mit diesem Initiativantrag, mit dieser Änderung im Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz einen richtigen und wichtigen Schritt gehen. Es darf aber nicht vergessen werden: Wir dürfen uns nicht ausruhen, denn der Maßnahmenvollzug ist mit dieser Änderung noch lange nicht dort, wo er sein soll. Es braucht natürlich das Gesetz für den Vollzug im Maßnahmen­vollzug. Daran arbeiten wir und das wird demnächst finalisiert werden. In diesem Sinne hoffe ich auf Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesrätin Gruber-Pruner.)

15.55

15.55.35


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank, Frau Ministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 212

15.56.1312. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Genehmigungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens geändert wird (3406/A und 2162 d.B. sowie 11294/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Bitte.


15.56.52

Berichterstatter Christoph Stillebacher: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über Genehmigungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Herr Bundesrat Stillebacher, bitte den Antrag vollständig vorlesen! (Bundesrat Stillebacher: Ja, Moment!) – Bitte.


Schriftführer Christoph Stillebacher (fortsetzend): Tut mir leid, das habe ich übersehen.

Weiters: dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. – Ja, das war’s.


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte sehr.


15.58.36

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es handelt sich wieder einmal um eine Zweidrittelmaterie. Ich kann nur sagen, wir werden dieser Zweidrittelmaterie nicht die Zustimmung erteilen.

Zum einen geht es wieder einmal um Russlandsanktionen, zum anderen um Ausnahmebestimmungen, die das Justizministerium beurteilen und erteilen könnte. In der Vergangenheit ist davon nicht Gebrauch gemacht worden. Das ist ein Gesetz, das man jetzt bis Ende 2025 schaffen möchte; da wird diese Justizministerin schon lange nicht mehr im Amt sein. Von uns gibt es da keine Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.59


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


15.59.31

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Vor­sitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Ich finde es schon sehr spannend, dass der Kollege von der FPÖ die überwiegende Mehrheit der Menschen, die in Österreich leben, nicht begrüßt. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Nach mehr als 500 Tagen eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine geht es heute darum, das fünfte EU-Sanktionenpaket gegen die Russische Föderation weiterhin in Österreich aufrechtzuerhalten. Es dürfen also weiterhin keine öffentlichen Aufträge und Konzessionen an russische Personen, Organisationen oder Unternehmen vergeben werden. Dafür müssen wir das entsprechende Gesetz und eben die Zuständigkeit der


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Bundesministerin für Justiz, also des Justizministeriums, zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen verlängern.

Das ist wichtig, denn wir in der EU müssen gegen Russland gemeinsam und geschlossen auftreten, wir dürfen uns nicht von Desinformation oder Egoismen spalten lassen, denn ein gemeinsames Auftreten gegen den Aggressor isoliert ihn und macht ihn schwächer, und wir müssen alles tun, um die Kassen eines Landes, das Kriegsverbrechen begeht, nicht weiterhin zu füllen.

Schmerzlicherweise können wir das aber nicht umfassend tun, weil wir aufgrund von Fehlern in der Vergangenheit zu sehr von Gaslieferungen aus einem einzigen Land, nämlich Russland, abhängig sind. Daher muss die Kompetenzregelung für die Ministerin zur Erteilung dieser Ausnahmegeneh­migungen noch aufrechterhalten werden, und dazu braucht es unsere Zustimmung.

Diese Abhängigkeiten hätten – wir haben das vor allem letztes Jahr schon sehr oft gehört – uns nicht passieren dürfen, sie widersprechen eigentlich auch eindeutig einem wirtschaftlichen Grundsatz, nämlich dem der Risikostreuung auch bei Abhängigkeiten, und ja, wir müssen mit den Folgen klarkommen, und diese fordern uns auch gewaltig. Denken wir aber – zumindest denke ich dann immer daran – für einen Moment an die unsagbaren Entbehrungen und Schmerzen der Menschen in der Ukraine, dann fällt es uns auch leichter, die eigenen Entbehrungen zu ertragen.

Natürlich ist es aber Aufgabe des Staates, alles zu tun, um die Belastungen der Menschen so gering wie möglich ausfallen zu lassen – sei es, indem die Regierung dafür Sorge trägt, dass die Energieversorgung aufrechterhalten wird und die Gasspeicher gefüllt sind oder neue Lieferkanäle erschlossen werden, oder sei es, dass die Mehrkosten abgefedert und Maßnahmen gegen die Teuerung gesetzt werden.


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Ein Krieg in unmittelbarer Nähe, vor allem sehr geehrte Kolleg:innen der FPÖ, geht auch an uns nicht spurlos vorbei. Er geht uns etwas an, und wir hier sollten auch solidarisch sein, aber solidarisches Vorgehen ist anscheinend nicht Ihre Stärke, das wissen wir und haben wir auch gestern eindrücklich gesehen.

Daher danke ich hier allen anderen Parteien, die sich mit der Regierung und vor allem mit der Ukraine solidarisch zeigen und dafür eintreten, die Sanktionen aufrechtzuerhalten, obwohl sie auch uns zu schaffen machen, aber Solidarität beschränkt sich halt nicht nur auf Worte, sondern bedeutet, füreinander einzustehen und damit auch Leid und Kosten zu übernehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

16.03


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte.


16.03.14

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucherinnen und Besucher und Zuseher via Livestream! Seit dem 24. Februar 2022 ist die friedliche Ordnung in Europa erschüttert. Die Auswirkungen des Angriffskrieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine haben uns alle, Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand, in irgendeiner Art und Weise betroffen, seien es zum Beispiel die Energiepreis­steigerungen, mit denen wir ab dem Sommer 2022 konfrontiert waren, oder sei es vor allem auch, dass Vertriebene aus der Ukraine bei uns in allen Bundes­ländern aufgenommen wurden.

Ich möchte an dieser Stelle wieder einmal allen Bürgerinnen und Bürgern in ganz Österreich danken, die die Vertriebenen aus der Ukraine in jeglicher Art unterstützt haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Viele haben Vertriebene bei sich aufgenommen oder haben sie zum Beispiel


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dabei unterstützt, Deutsch zu lernen, waren bei der Jobsuche behilflich oder haben die ukrainischen Kinder bei der Integration in unser Schulsystem unterstützt. Bei den österreichischen Hilfsorganisationen und den vielen Spendern möchte ich mich auch besonders bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Die Sanktionen der EU gegen die Russische Föderation zielen darauf ab, dass der Druck auf Russland erhöht wird und das Land zur Einhaltung des Völkerrechts bewegt wird. Durch wirtschaftliche, politische und diplomatische Maßnahmen soll Russland dazu gebracht werden, seinen Kurs zu ändern und den Konflikt zu beenden. Es ist von großer Bedeutung, dass wir uns gemeinsam gegen jegliche Form von Aggression und Verletzung des Völker­rechts stellen, um Frieden, Stabilität und Gerechtigkeit in unserer globa­lisierten Welt zu gewährleisten.

Die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland sind eine klare und entschlossene Botschaft an die internationale Gemeinschaft, dass wir solche aggressiven Handlungen nicht tolerieren. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Souveränität und territoriale Integrität eines unabhängigen Staates verletzt. Solche Aktionen stellen eine fundamentale Verletzung des Völkerrechts dar und untergraben das Vertrauen zwischen Nationen. Durch die Sanktionen senden wir eine starke Botschaft, dass solche Verletzungen nicht akzeptiert werden.

Angesichts dieser Situation ist es wichtig, dass auch Österreich diesen gesamteuropäischen Kraftakt, diese Sanktionen gegen Russland mitträgt, damit die Kriegskasse der Russischen Föderation nicht weiter gefüllt wird, das heißt, damit es für Russland zunehmend schwieriger wird, diesen Krieg zu finanzieren.

Durch die Sanktionen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftragswesen ist es der öffentlichen Hand grundsätzlich verboten, Aufträge und Konzes­sionen zu vergeben oder fortzuführen, und zwar an Personen, an Organisationen


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und an Einrichtungen aus der Russischen Föderation. Allerdings können einzelne EU-Staaten laut einer entsprechenden EU-Verordnung für bestimmte, taxativ aufgezählte Bereiche Ausnahmen festlegen beziehungsweise genehmigen.

Wir hatten in Österreich eine solche Regelung beschlossen, die Ausnahmen bei der Genehmigung von öffentlichen Aufträgen festlegt. So sind hier beispielsweise Ausnahmen für die Landesenergieunternehmen beinhaltet, um weitere Rohstoffe aus Russland beschaffen zu können. Dieser Beschluss ist jedoch zeitlich befristet, nämlich bis 31.12.2023. In Anbetracht der anhaltenden Situation und der Notwendigkeit, die bestehenden Maßnahmen aufrecht­zuerhalten, ist es daher nun erforderlich, dass diese Regelung verlängert wird. In der aktuellen Gesetzesvorlage geht es daher um eine Fristverlängerung bis Ende 2025.

Abschließend möchte ich betonen, dass die Sanktionen der Staaten der EU gegen Russland ein starkes Signal sind, dass die internationale Gemeinschaft nicht bereit ist, aggressives Verhalten und Verletzungen des Völkerrechtes hinzunehmen. Es ist unsere Pflicht, die Prinzipien, auf denen unsere Gesellschaften basieren, zu verteidigen, und dafür zu sorgen, dass Frieden und Stabilität in unserer Welt bewahrt bleiben. Wir werden weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, um eine friedliche und gerechte Lösung für diesen Konflikt zu finden.

Ich bitte Sie alle, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dieser Gesetzesänderung zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

16.08


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. – Bitte.



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16.08.35

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich weiß, ich werde jetzt wahrscheinlich einiges von meinen Vorrednerinnen wiederholen, aber auch ich muss das anbringen.

Aufgrund der geltenden Russlandsanktionen ist es grundsätzlich verboten, so wie Sie es schon gesagt haben, Aufträge oder Konzessionen an Personen, Organisationen oder Einrichtungen aus der Russischen Föderation zu vergeben oder fortzuführen. Allerdings können die einzelnen EU-Staaten für bestimmte, taxativ aufgezählte Bereiche Ausnahmen festlegen; das hat meine Vorrednerin schon angesprochen.

In Österreich wurde mit dem Sanktionengesetz 2010 eine derartige Regelung geschaffen, um im öffentlichen Auftragswesen Gaslieferungen aus Russland trotz dieser EU-weiten Sanktionen weiterhin zu ermöglichen.

Allerdings erfolgte diese Maßnahme befristet bis 31. Dezember 2023 – dies offenbar in der vergeblichen Hoffnung, dass Putins Angriffskrieg und das damit verbundene Leiden für alle Betroffenen und insbesondere die Zivilbevölkerung bis dahin durch diese Sanktionen gegen Russland und die laufende Unter­stützung für die Ukraine beendet wären. Diese Hoffnung wurde jedoch bitter enttäuscht.

Lassen Sie mich daher auch heute diese Gelegenheit nutzen, der ukrainischen Zivilbevölkerung, die unter diesem Angriffskrieg Fürchterliches erleiden muss, unsere Solidarität zu übermitteln. Gleichzeitig möchte ich alle Menschen­rechtsverletzungen, die dabei begangen werden, auf das Schärfste verurteilen. Es wird irgendwann Aufgabe (Beifall des Bundesrates Schreuder) – danke! (Bundesrat Schreuder: Bitte!) – unabhängiger Gerichte sein, diese Menschenrechts­verletzungen aufzuklären und die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)


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Da wir aber nicht in die Zukunft blicken können, zwingt uns die gegenwärtige Lage zu einem verantwortungsvollen Vorsorgedenken für unsere eigene Bevöl­kerung. Es ist Aufgabe der Bundesregierung – und das möchte ich hier betonen –, die österreichische Gasversorgung so unabhängig wie möglich von russischen Lieferungen zu organisieren, denn wer sich auf Putin verlässt, wird böse Überraschungen erleben.

Da durch die andauernde Kriegslage die Sanktionen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens EU-weit weiter bestehen bleiben müssen, erscheint es unumgänglich – das wurde auch schon gesagt –, diese Ausnahmeregelung für Österreich um zwei Jahre, bis 31. Dezember 2025, zu verlängern.

Ich nehme diese Maßnahme aber zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Vorsorge betreffend die Gasversorgung in Anbetracht der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zur Sicherung der Situation unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger allein viel zu wenig ist. Ich rufe daher die Bundesregierung auf, auch in vielen anderen Brennpunkten wie Inflationsbekämpfung, allgemeine Teuerung, Mietzinserhöhungen, Migrationsproblematik, Sicherung der Beschäfti­gung, Spitals- und Schulmisere und in vielen anderen Bereichen, in denen der Hut brennt, endlich zielführend und entlastend tätig zu werden. Meine Fraktion wird zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

16.13

16.13.07


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und


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mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­gemäße Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

16.15.0513. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungs­strafgesetz 1991, das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, das Verwaltungs­gerichts­hofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert werden (2081 d.B. und 2108 d.B. sowie 11278/BR d.B.)



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Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


16.15.33

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichts­hofgesetz 1953 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Stotter. – Bitte.


16.16.49

Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause an den Endgeräten – auch an den digitalen – und hier im Saal! Wir haben heute schon sehr ausführlich über die Digitalisierung und Verfahrensökonomie berichtet und debattiert. Die


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Digitalisierung schreitet mit großen Schritten voran und sollte auch vor der Verwaltung nicht haltmachen.

Ich darf jetzt bereits seit zweieinhalb Jahren Bürgermeister der Gemeinde Oberlienz sein, und wenn man sich anschaut, was alles in diesen zweieinhalb Jahren durch mein dynamisches Gemeindeverwaltungsteam digitalisiert wurde (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP), dann sieht man, welches Potenzial da noch schlummert und dass das nicht die letzte Gesetzesänderung dazu war.

Der Coronaausnahmezustand ist Gott sei Dank vorbei, und es soll die Regel werden, dass wir Verfahren mithilfe der technischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte moderner machen. Zwei Schlagworte fallen mir in diesem Zusammenhang sofort ein: Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit.

Bezüglich der Tätigkeit als Baubehörde ist es mittlerweile leider nicht mehr so selten, dass ein Bescheid von einem Landesverwaltungsgericht beanstandet wird. Stellen Sie sich vor, es geht um ein komplexes Bauvorhaben mit vielen Nachbarn und Anrainern, und Sie müssen von Oberlienz nach Innsbruck zur Verhandlung fahren. Das betrifft dann vielleicht zehn Personen, die von Oberlienz bis Innsbruck fünfeinhalb bis sechs Stunden mit dem privaten Pkw oder mit den Öffis unterwegs sein müssen. In Summe sind das somit 55 bis 60 Stunden, die wir ganz einfach einsparen können. Wenn das nicht effizient und nachhaltig ist, dann weiß ich auch nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht in diesem Gesetz einerseits darum, dass die Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte und somit die Verwaltungsverfahren und Strafverfahren auf einer rechtlichen Basis für Verhandlungen in digitaler und in hybrider Form – aber auch immer noch persönlich – vorbereitet sind, andererseits geht es um den Fristenlauf, die Gleichsetzung von elektronischen Einbringungen und Postsendungen. E-Mails können somit bis zum Tagesende eingebracht bezie­hungsweise abgeschickt werden und nicht nur bis zum Ende der Amtsstunden.


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Ich bedanke mich schon im Vorfeld für die breite Zustimmung – und in Richtung von Herrn Kollegen Arlamovsky möchte ich festhalten, dass es nicht verwun­derlich ist, dass Sie heute mit dem Stimmverhalten der NEOS im wahrsten Sinne des Wortes alleine dastehen. (Bundesrat Arlamovsky: Oh!) – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.20


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte.


16.20.16

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der lustigen Rede des Kollegen Stotter kann ich auch die Zustimmung meiner Fraktion ankündigen. Es ist eigentlich eine No-na-Geschichte, keine große Reform.

Damit die, wie sie genannt wurden, dynamischen Verwaltungsteams in Österreich noch dynamischer werden, stimmen wir dieser kleinen Anpassung sehr gerne zu. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.20


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


16.20.57

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich werde ein bisschen länger brauchen. (Ruf bei der SPÖ: Schlecht!) – Ein bisschen! Das ist aber wirklich notwendig, denn hier geht es um eine Regelung, die während der Coronapandemie eingeführt worden ist und jetzt ins Dauerrecht übernommen wird.

Ich lasse es nicht aus: Die Pandemie hat uns gelehrt, was alles möglich ist und war, angefangen von den Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte über Lockdowns, Schulschließungen, Maskenzwang bis hin zur Impfpflicht


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(Bundesrat Schreuder – erheitert –: Jawohl, durchgebracht! – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger – erheitert –: Check!), was, wie schon mehrmals erwähnt, auch zur Spaltung in der Gesellschaft geführt hat.

Die Coronamaßnahmen haben geendet, aber ihre Folgen werden Österreich noch lange beschäftigen, und die Pandemiejahre müssen umfassend aufgearbeitet werden, Frau Ministerin.

Die Coronapandemie hat auch die Verwaltungsbehörden vor große Heraus­forderungen gestellt. Die Regelung betrifft, dass allgemeine Verwal­tungsverfahrensrechte, die während der Covid-Pandemie eingeführt wurden – Videokonferenzen, Videoverhandlungen –, jetzt ins Dauerrecht übernommen werden. Dadurch wird, wie der Kollege schon erwähnt hat, vieles erspart und erleichtert.

Das ist daher grundsätzlich zu begrüßen – wir werden dem auch zustimmen, weil der Kontakt zwischen Behörden und Parteien durch den Einsatz von Videotechnologie erleichtert wird –, andererseits darf man aber nicht übersehen, dass es für den Einsatz von Videotechnologien natürlich sehr genaue Regeln geben muss. Da geht es einerseits um das Rechtliche und andererseits um das Technische. Die Videokonferenzen sollten nur über gesicherte Leitungen – ich glaube, das ist eh selbstverständlich – und über Plattformen, die auch abgesichert sind, abgewickelt werden.

Während der Pandemie und in den letzten Monaten haben wir erlebt, wie präsent das Thema künstliche Intelligenz war und ist, und das wird uns sicher in den nächsten Jahren noch mehr beschäftigen. Mit der künstlichen Intelligenz ist es heute schon möglich, Fotos oder Videos so zu machen, dass sie real ausschauen, sodass Fotos und Videos als Beweismaterial immer weniger wert werden. Es wird auch Videoproduktionen geben, die etwas darstellen, was in der Realität nie stattgefunden hat. Genau in diesem Spannungsfeld befinden wir uns, daher braucht es klare Regelungen dazu, wie Amtshandlungen auch digital abgewickelt werden dürfen.


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Problematisch sehe ich natürlich auch die Möglichkeit unzulässiger Aufzeichnungen und Mitschnitte von Verhandlungen, von Verfahren, wenn diese virtuell abgehalten werden. Das wurde auch vom österreichischen Datenschutzrat kritisch angemerkt.

Positiv zu sehen ist, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen bezie­hungsweise ältere Personen den gleichen niederschwelligen Zugang zum Recht haben, wie sie ihn beim persönlichen Rechtsverkehr haben. Zukünftig sollen geeignete Verhandlungen neben einer physischen Teilnahme auch in digitaler oder hybrider Form möglich sein, wobei das im Ermessen der zuständigen Behörden oder des Gerichtes liegt.

Jedenfalls übertrifft der Nutzen die möglichen Beeinträchtigungen, und deswegen werden wir auch zustimmen. Eines können wir Ihnen aber versprechen: Das, was Sie den Menschen in Österreich angetan haben, werden wir sicher nicht vergessen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.24


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


16.24.29

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es gibt ja nun doch einige Dinge, die im Zuge der Pandemie unseren Alltag geändert haben und betreffend die wir wahrscheinlich nicht damit gerechnet hätten, dass sie nach dem Ende der Pandemie weiterhin unseren Alltag tatsächlich in einem ganz erheblichen Ausmaß ändern würden. Das sage ich jetzt für mich selber als Privatperson. Ich bin ja Einzelunternehmer, und das ist natürlich eine gewisse privilegierte Position, das weiß ich schon, weil ich ortsunabhängig arbeiten kann.


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Es ist erstaunlich, wie schnell das gegangen ist, wie schnell sich die Gesellschaft daran gewöhnt hat, dass man sagen kann: Ah, da bin ich nicht in Wien, dann treffen wir uns auf Zoom. – Ja, passt! – Diese Möglichkeit, ortsungebunden arbeiten zu können, konferieren und sich austauschen zu können, das wird auf jeden Fall bleiben. Das hat die Pandemie verursacht, dass wir ganz anders arbeiten als zuvor. Es wäre wahrscheinlich ohnehin so passiert, aber nicht so schnell. Die Pandemie war sicher ein großer Beschleunigungsfaktor.

Deshalb haben wir auch hier im Bundesrat schon mehrfach darüber gesprochen, was von dem, was in der Covid-Zeit – übrigens berechtigterweise, Herr Kollege – eingeführt worden ist, auch jetzt, nach der Pandemie sinnvoll ist und ins Dauerrecht überführt werden kann. Und das tun wir hier eben.

Es ist jetzt ohnehin schon gesagt worden, was wir tun, das möchte ich jetzt nicht wiederholen. Einen Aspekt hat aber noch niemand erwähnt. Es klingt wie eine Novelle aus dem Jahr 1997, haltet euch fest: Die schriftliche Einbringung von Schriftstücken per E-Mail wird dem Postweg gleichgestellt. Wow! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.26

16.26.54


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich darf sehr herzlich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.27.4314. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdölbevorratungsgesetz 2012 (EBG 2012) geändert wird (3464/A und 2128 d.B. sowie 11284/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (EIWOG 2010) geändert wird (3425/A und 2129 d.B. sowie 11285/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 14 und 15, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 14 und 15 ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Ich bitte um die Berichte.


16.28.24

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdölbevorratungsgesetz 2012 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit


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dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Berichte.

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.29.40

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Unter diesen Tagesordnungspunkten behandeln wir zwei wichtige Themen: erstens eine Verschärfung der Sanktionen bei einem Verstoß gegen die verpflichtende Erdölbevorratung und zweitens mehr Transpa­renz für Konsumenten bei ihrer Stromrechnung.

Beginnen wir mit der Erdölbevorratung: In Österreich gilt eine verpflichtende Erdölbevorratung für 90 Tage. Das heißt, es stehen uns im Notfall Erdölreserven für 90 Tage direkt im Land zur Verfügung. Das System der Notreserven hat auch gut funktioniert – denken wir nur an den Unfall in Schwechat –, aber da ein Marktteilnehmer der Meinung war, keine Erdölreserven beschaffen zu müssen,


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und lieber eine Geldstrafe in Kauf nahm, weil ihm dies günstiger erschien, werden nun die Strafen verdoppelt. Ab nun wird bei Verstößen eine Geldstrafe von bis zu 116 000 Euro oder eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen drohen. Da alle Marktteilnehmer solidarisch die Haftung für dieses schwarze Schaf übernehmen müssten, befürwortet die Branche die Erhöhung ebenfalls.

Beim zweiten Tagesordnungspunkt geht es um mehr Transparenz bei Ihrer Stromrechnung. Wer von Ihnen hat es sich schon einmal angetan, die Stromrechnung genauestens zu studieren? Es gehört nicht zu den einfachsten Dingen im Leben.

Mit dieser Novelle zum ElWOG bekommen Sie, geschätzte Damen und Herren, mehr Informationen über eventuelle günstigere Stromprodukte. Informieren wird Sie darüber Ihr Stromanbieter. Er wird Sie auf den Tarif­kalkulator der E-Control aufmerksam machen, damit Sie die Preise vergleichen können, und Sie werden über Wechselmöglichkeiten zu Produkten mit eventuell günstigeren Preisen aufmerksam gemacht. Ein genauerer Blick darauf lohnt sich, denn man kann sich tatsächlich bis zu 500 Euro pro Haushalt ersparen, wenn man sich das genau anschaut.

Die Rabatte, die direkt auf den Energiepreis wirken, sollen zukünftig bereits bei der Teilzahlung – und nicht erst bei der Jahresabrechnung – berücksichtigt werden. Bei einem Floattarif, der schwankend ist und im ersten Moment verlockend erscheint, werden Sie, meine Damen und Herren, verständlich und transparent über die Chancen sowie auch die Kosten und die Risken informiert. Auch die vorzeitige Kündigung dieser Verträge soll ermöglicht werden.

Mit all diesen Produkten können wir die Transparenz am Energiemarkt erhöhen, und das wird auch einen direkten Effekt haben, weil mehr Stromkunden auf günstigere Tarife umsteigen werden. Deshalb freuen wir uns hier über Ihre


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Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

16.32


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Daniel Schmid. – Bitte.


16.32.42

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zum Tagesordnungspunkt 14: Die Novelle des Erdölbevorra­tungsgesetzes ist ein wichtiger Schritt, wenn es um die Sicherung der strategi­schen Ölreserven geht. Ziel dieser strategischen Bevorratung ist es ja, einen kurzfristigen Versorgungsengpass zu überbrücken. Gerade im vergangenen Jahr wurden wir Zeugen davon, wie wichtig diese Reserven sind, da weite Teile der Raffinerie in Schwechat über Monate hinweg ausgefallen sind und Notstands­reserven vonseiten der Bundesregierung freigegeben werden mussten.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten begrüßen es sehr, dass mit der Novelle die Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Bevorratungspflicht nachgeschärft werden, denn diese Reserven sind von großer volkswirtschaft­licher Bedeutung. Daher stimmen wir dieser Gesetzesnovelle zu. (Bundesrat Kornhäusl: Danke!)

Zum Tagesordnungspunkt 15: Die Konkretisierung der Meldeverpflichtung von Stromlieferanten an die E-Control begrüßen wir ebenso, denn damit werden die Tarife über den Tarifkalkulator der E-Control für die Stromkun­dinnen und -kunden besser vergleichbar und die Informationen über Wechselmöglichkeiten verstärkt.

Eine eventuelle Erwartungshaltung, dass aufgrund der Novelle die Preise sinken, wird wohl eher zur Enttäuschung führen. Es wäre höchst an der Zeit, in die


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Preisbildung einzugreifen, anstatt sich auf eine etwaige durch die neuen verstärkten Transparenzbestimmungen bewirkte Preissenkung zu verlassen.

In Summe bringt die Änderung des Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­gesetzes, sehen wir einmal von einer spürbaren Preissenkung ab, gute Verbesserungen für die Kunden und Kundinnen. Deshalb werden wir auch hier unsere Zustimmung dazu geben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der Grünen.)

16.35


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.35.36

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vizepräsident! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! „Wir haben gerade in einer Situation, in der wir uns in den letzten eineinhalb Jahren befunden haben [...] gesehen, wie wichtig es ist, dass wir Maßnahmen setzen, die den Wettbewerb stärken. Transparenz und eine umfangreiche Information spielen einfach eine [...] Rolle, damit Kundinnen und Kunden bedachte Entscheidungen treffen können und von Entlastungen profitieren können.“

Liebe Kollegen im Saal, sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen, wissen Sie, von wem die Aussage stammt? – Ich glaube, dass auch bei langem Nachdenken die wenigsten diese Aussage Frau Minister Gewessler zuordnen. Ja, sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben richtig gehört: Die Frau Minister, die gemeinsam mit ihren Regierungskollegen unter anderem zum Beispiel die Russlandsanktionen unterstützt und dadurch die letzten eineinhalb Jahre dafür gesorgt hat, dass sich die Preise für verschiedenste Energien teilweise verdoppelt haben! – Ich wiederhole es noch einmal: „dass wir Maßnahmen setzen, die den Wettbewerb stärken. Transparenz und eine umfangreiche Information spielen einfach eine entscheidende Rolle, damit Kundinnen und


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Kunden bedachte Entscheidungen treffen können und von Entlastungen profitieren können.“

Während ich diese Aussage unserer Ministerin sickern lasse, stelle ich jetzt die Verbindung zum heute zur Beschlussfassung aufliegenden Bundes­gesetz über die Erdölbevorratung her. Vorab: Ja, wir Freiheitlichen stehen natürlich für Sicherheit – die Sicherheit, genug Erdöl, Benzin, Diesel, Adblue und andere Treibstoffe in unseren Speichern gelagert zu haben, zum Beispiel auch die Sicherheit, genug Erdgas in Speichern gelagert zu haben.

Ich frage Sie: Wer waren die handelnden Personen, die unsere Reserven maßgeblich durch ihr Verhalten abgebaut haben und der österreichischen Bevölkerung anschließend in Coronamanier Angst gemacht haben? – Ich kann Ihnen die Antwort geben: Eine davon sitzt neben mir, neben dem Rednerpult. Die anderen drücken derzeit nicht die Regierungsbank oder sind momentan dort nicht aufzufinden.

Interessant ist dann, dass Frau Gewessler im Nationalratsausschuss informierte, dass es in Bezug auf die Erdölbevorratung ein schwarzes Schaf in der Branche gebe und sie die Höhe der für die Nichteinhaltung verhängten Strafe nicht kenne, zumal die Bezirksverwaltungsbehörde diese festlege. Auf welcher Grundlage ergibt sich nun die Verdoppelung der Strafhöhe, wenn man von dem einen Fall, der angeblich der Anlassfall sein soll, nicht einmal das verhängte Strafausmaß kennt?

Diese Verdoppelung der Strafen geht laut Frau Minister Gewessler auf einen breit getragenen Wunsch der Branche zurück. Im zu beschließenden Gesetzestext ist nun Folgendes vorgesehen: „Im Falle eines verwaltungsstraf­rechtlichen Verstoßes bei der Vorratspflicht sollen dem Vorratspflichtigen künftig Geldstrafen bis zu 116.240 € bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen drohen, wenn er in einem Kalendermonat der Bevorratungs­periode seiner Vorratspflicht nicht nachkommt. Bei Fahrlässigkeit wird die


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Maximalstrafe halbiert.“ – Jetzt frage ich mich: Gilt das auch für die Regierenden, die die Russlandsanktionen unterstützen?

Da wir Freiheitlichen der Garant für Sicherheit auf allen Ebenen sind, werden wir gegen diesen Beschluss keinen Einspruch erheben und somit die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei den Änderungen des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes, des sogenannten ElWOG, geht es um die Erhöhung der Energiepreistransparenz, sprich: Vorschreibungen und Vertragsbindungen sollen künftig transparenter gestaltet werden. Eine Adaptierung der Vorauszahlungen ist für Endverbraucher einmal pro Halbjahr möglich. Es soll eine Stärkung der gesetzlichen Einmelde­verpflichtungen der Energieversorger an die E-Control geben und die Verpflichtung der Energieversorger, auf das Ende oder das Auslaufen der Vertragsbindung beziehungsweise die Wechselmöglichkeit sowie auf den E-Control-Tarifkalkulator hinzuweisen.

Für die Verbraucher soll unter anderem der Tarifkalkulator der E-Control weiter verbessert werden, Vergünstigungen beim Strompreis sollen bereits durch die Anpassung der Teilbeträge und nicht erst bei der Jahresabrechnung berück­sichtigt werden, und zudem soll auf die Möglichkeit eines Anbieterwechsels hingewiesen werden. Konkret sollen Stromhändler und -lieferanten verpflichtet werden, preisrelevante Daten von Standardprodukten unverzüglich der Regulierungsbehörde – für die Eingabe in den Tarifkalkulator – zu übermitteln. In die Pflicht genommen werden dabei jene Stromanbieter, die mindestens 3 Prozent der Verbraucher und Kleinunternehmen versorgen.

Sie haben ja immer wieder gesagt, wenn wir Kritik haben, sollen wir das nicht einem Experten ausrichten, sondern uns direkt an Sie wenden, Frau Minister. Im Ausschuss wurde uns mitgeteilt, dass Sie meine Frage danach, welche Stromanbieter das betrifft, nicht beantworten können. Bis dato sind die Zahlen und Fakten leider auch nicht nachgereicht worden. Ich bitte um Nachreichung der Fakten und Zahlen.


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Da laut Kompetenzgrundlage Änderungen auch in der entsprechenden Verfassungsbestimmung vorgenommen werden sollen, ist im Plenum eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Wir Freiheitlichen werden diese Zweidrittelmehrheit sicherstellen, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der Bevölkerung ermöglichen, Kosten zu sparen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.41


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Maria Huber. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.41.45

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Leider sind keine Besucherinnen und Besucher mehr im Raum, denn eigentlich geht es jetzt um etwas hoch Spannendes, wir beschließen nämlich mit dieser Novelle des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes Maßnahmen, die Strom­kundinnen und Stromkunden in Österreich künftig entlasten werden. Kollege Bernard hat das schon sehr ausführlich dargelegt.

Wir führen unter anderem Verpflichtungen für Energieversorgungsunternehmen ein, die dazu führen werden, dass die sinkenden Preise, die wir aktuell an den Strombörsen beobachten, auch tatsächlich an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden.

Die Strompreise in Österreich variieren je nach Anbieter teils enorm. Durch einen Wechsel zu einem anderen Anbieter kann oft sehr viel Geld gespart werden. Für die Stromanbieter war es in der Vergangenheit sehr bequem, da viele Men­schen beispielsweise den Tarifkalkulator der E-Control, mit dem man Angebote vergleichen kann und dann auch seinen Anbieter wechseln kann, nicht kennen. Die Stromkundinnen und Stromkunden waren eindeutig im Nachteil und haben Strom unter Umständen zu überteuerten Preisen bezogen.


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Ich freue mich deshalb, dass wir das hier und heute gemeinsam ändern. Mit dem heutigen Beschluss werden Energieversorgungsunternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Kundinnen und Kunden vor Ende der Vertragsbindung darüber zu informieren, dass sie ihren Anbieter wechseln können. Wenn der Strom­anbieter einen günstigeren Liefervertrag hat, dann wird er sogar dazu verpflich­tet, diesen auch seinen bestehenden Kunden anzubieten.

Mit der heute zu beschließenden Novelle werden die Stromanbieter auch dazu verpflichtet, den Stromkundinnen und Stromkunden eine monatliche Verrechnung anzubieten, sofern diese das möchten. Damit werden mögliche Rabatte nicht erst am Ende des Jahres rückvergütet, sondern in die Teilzahlungen miteinberechnet.

Die Maßnahmen, die wir heute beschließen, werden hoffentlich dazu führen, dass die sinkenden Strompreise auch tatsächlich bei den Haushalten ankommen. Diese Maßnahmen werden hoffentlich auch zu mehr Transparenz und schlussendlich zu mehr Wettbewerb führen. Deshalb freue ich mich wirklich sehr über die breite Zustimmung, die es heute hier im Bundesrat dazu gibt. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

16.44


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


16.44.24

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann nahtlos an Bundesrätin Huber anschließen. Ich freue mich sehr über die breite Zustimmung und auch über die vielfältigen zustimmenden Redebeiträge. Ich darf Sie da auch wirklich um Ihre Unterstützung ersuchen.


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Es geht nun um zwei Gesetzesnovellen, die mit Versorgungssicherheit und mit Wettbewerb am Energiemarkt zu tun haben. Beide sind in schwierigen energiepolitischen Zeiten wichtige Pfeiler, um weitere Fortschritte und Sicher­stellungen zu erzielen, Versorgungssicherheit zu haben sowie Wettbewerb sicherzustellen.

Bei der Erdölbevorratung möchte ich eines ergänzen, weil das im Raum gestanden ist: Ich darf noch einmal erinnern, warum sich die Pflichtnot­standsreserven letztes Jahr verringert haben. Der völkerrechtlich illegale Angriff Russlands auf die Ukraine hat dazu geführt, dass wir hohe Strompreise haben. Das hat allerdings mit der Freigabe der Pflichtnotstandsreserven nichts zu tun. Es gab einen Unfall in der Raffinerie Schwechat, der zu einer mehrmonatigen Reparaturphase geführt hat. Während der Reparaturarbeiten haben wir dem Hauptausschuss des Nationalrates vorgeschlagen, Pflichtnotstandsreserven freizugeben, um die Versorgung im Land sicherzustellen. Das ist gelungen – das ist gut so –, aber wir haben gesehen, dass die vom Gesetz vorgesehene maximale Strafhöhe von 58 000 Euro, die einmal pro Jahr verhängt werden kann, nicht ausreicht.

Mit dieser Verbesserung soll erreicht werden, dass sich Unternehmen nicht mehr ausrechnen können, ob es günstiger ist, die Strafe zu zahlen, als tatsächlich Erdöl zu kaufen und einzulagern, gerade in Hochpreisphasen. Sich freizukaufen darf nicht günstiger sein, als für die Versorgungssicherheit zu sorgen, daher wird es zu einer Verdoppelung der Strafhöhe kommen, zu monatsweisen Strafen, damit auch wirklich ein Anreiz besteht, dass man tatsächlich ein­speichert.

Zur Novelle des ElWOG ist schon viel gesagt worden. Ich darf unsere Zuse­herinnen und Zuseher vor den Bildschirmen wirklich ermuntern, sich die Möglichkeiten eines Anbieterwechsels anzuschauen. Mit dieser Novelle stärken wir vor allem auch den Tarifkalkulator der E-Control. Falls Sie sich das noch nicht angeschaut haben: Unter e-control.at finden Sie den Tarifkalkulator; nach der Eingabe ein paar weniger Daten können Sie schauen, ob es in Ihrer


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Gegend einen günstigeren Tarif für Sie, Ihren Bedürfnissen und Ihrem Verbrauch entsprechend, gibt.

Wenn man sich das am Beispiel Niederösterreichs anschaut, sieht man, dass man derzeit mit einem Tarifwechsel 500 Euro jährlich sparen kann. Insofern ist es wichtig, dass man dieses Angebot stärkt, dass man die Verpflichtung zur Datenzulieferung an die E-Control stärkt, sodass wirklich alle Tarife drinnen sind. Wir normieren auch eine Verpflichtung der Energieversoger, die auf ihre Wechselmöglichkeiten hinweisen müssen und auch proaktiv einen günstigeren Tarif anbieten müssen, wenn es im Produktportfolio des Versorgers einen gibt.

Insofern herzlichen Dank, dass Sie helfen, diese Verbesserungen für die Menschen in unserem Land auf den Weg zu bringen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.47

16.47.50


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdölbevorratungsgesetz 2012 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 geändert wird.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse ange­nommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


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16.49.4916. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (34. StVO-Novelle), das Führer­scheingesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2092 d.B. und 2166 d.B. sowie 11279/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


16.50.09

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, das Führerschein­gesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden.

Der Ausschuss für Verkehr hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. Juli 2023 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte schön.


16.50.58

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vize­präsident! Frau Bundesminister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Die Frau Minister wird wahrscheinlich in ihrer Stellungnahme zu diesem Gesetz damit beginnen, dass das heute ein bedeutender Tag für die Verkehrssicherheit ist, dass sie ja vor


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zwei Jahren diese Gesetzesnovelle angekündigt hat, dass sie durchdacht ist und lange bearbeitet wurde, ausgewogen ist und jetzt als dritter Schritt gegen die extreme Raserei zur Beschlussfassung hier im Parlament vorliegt.

Wir Freiheitlichen sind da aber ganz anderer Meinung. Wir haben einen anderen Zugang dazu, mehr Verkehrssicherheit zu schaffen. Es ist aber die ideologisch verblendete Sichtweise der Grünen, dass sie, wenn wir Freiheitlichen im Nationalrat einen Antrag zum Umgang mit Drogenlenkern einbringen, sagen, dass sie das nicht machen und nicht umsetzen können – weil ihnen da die Verkehrssicherheit egal ist.

Wenn Stellungnahmen zu Ihrem Beschlagnahmegesetz einlangen, zum Beispiel vom ÖAMTC – der ÖAMTC sagt, es ist ein Eingriff in die Grundrechte –, dann ist Ihnen das egal. Der ÖAMTC sagt, es gibt Probleme mit den Kompetenzen und der Verfassung – Frau Minister, auch das ist Ihnen egal. Ich weiß, das regt Sie nicht auf, da holen Sie sich dann irgendwann wieder irgendeinen Zuflüsterer. Der ÖAMTC fragt Sie aber allen Ernstes, warum Sie während der Entstehung dieses Gesetzes – es hat ja zwei Jahre lang gedauert – keinen wirklichen Experten gefragt haben. Ich frage mich das natürlich auch.

Wenn Ihnen aber der ÖAMTC nicht reicht, weil Ihnen ja der VCÖ, Ihre grüne Vorfeldorganisation, viel lieber ist: Hätten Sie doch bitte auch einmal auf die Rechtsanwaltskammer gehört, hätten Sie auf einen Strafrechtsprofessor gehört, der Ihre Arbeit zerlegt hat! Hätten Sie auf Ihre Regierungskollegin, die Justiz­ministerin, gehört, die auch Ihre Arbeit zerlegt hat! Die sagen Ihnen: Beschlagnahme oder vorläufige Beschlagnahmung oder überhaupt der Verfall von Eigentum geht so nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Das hat übrigens auch die Wirtschaftskammer gesagt, aber der ÖVP ist anscheinend die Wirtschaftskammer mittlerweile egal.

Im Ausschuss konnten wir einige der Punkte bereits ausführlich besprechen. Der Experte – den Sie uns geschickt haben – hat uns ja mitgeteilt, dass es pro Jahr


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circa 445 Übertretungen gibt. Detaillierte Antworten darauf, wie sich die Zahlen, aufgeteilt nach den verschiedenen Kategorien der zukünftig vielleicht beschlagnahmten Fahrzeuge – Leasing-, kreditfinanzierte, Probefahrzeuge, Firmenfahrzeuge –, darstellen, konnten uns natürlich nicht mitgeteilt werden. Für mich bezeichnend war aber die Antwort Ihres Experten auf meine Frage, ob ausländischen Fahrzeuglenkern und ausländischen Fahrzeugbesitzern bei bestimmten Geschwindigkeitsübertretungen genauso wie den Österreichern die Beschlagnahme droht, denn meine Frage wurde mit Nein beantwortet.

Ja, sehr geehrte Damen und Herren und Kollegen, Sie haben richtig gehört: Nein!, das heißt, für die Ausländer gilt nicht das Gleiche wie für die Österreicher. (Bundesrat Steiner: EU-verfassungswidrig! EU-widrig!) Sehen Sie, Frau Minister, dies ist nicht nur diskriminierend, sondern zeigt auch Ihren Hass auf die eigene Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Ausschuss des Nationalrates haben Sie gesagt, dass die Schweizer und die Italiener das doch auch so toll gelöst hätten. Ihre Meinung dazu ist eine andere als unsere. Unsere Meinung dazu ist, dass die das gar nicht gut gelöst haben. Die Schweizer und die Italiener haben nämlich jetzt schon genau diese Rechtsprob­leme, auf die Sie die Rechtsanwaltskammer, der ÖAMTC und andere hinge­wiesen haben, und das wollen Sie in Österreich einführen.

Frau Bundesminister, wenn Sie schon Italien als Beispiel nehmen: Es hat einen sehr guten Verkehrsminister gegeben, dem Sie, als Sie ins Amt gekommen sind, die 140er-Taferln auf der Autobahn abmontiert haben, nämlich Verkehrs­minister Norbert Hofer. Italien führt gerade die 150 km/h auf der Autobahn ein. Das wäre einmal etwas Anständiges und Ordentliches, wenn Sie das auch machen würden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind auch für umfassende Schritte gegen unbelehrbare Wiederholungstäter, und rücksichtsloses Verhalten auf unseren Straßen lehnen auch wir Freiheitliche ab, aber im Jahr 2023 gibt es andere Maßnahmen, um Personen nach den


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angeführten massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen für einen zu definierbaren Zeitraum verkehrsmäßig zu beschränken.

Frau Minister, haben Sie schon einmal irgendetwas von künstlicher Intelligenz gehört? Schärfere Strafen sind ja bereits in Kraft, aber Ihrer konsequenten Politik bei der Führerscheinabnahme, zu der ich noch komme, soll jetzt noch eins draufgesetzt werden: Bei besonders schweren Fällen folgt jetzt die Beschlag­nahmung des Fahrzeugs als nächster Streich. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich Verkehrssicherheit bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit. Künstliche Intelligenz kann nicht nur in fortschrittlichen Fahrassistenzsystemen eingesetzt werden, um Fahrer bei der Vermeidung von Unfällen zu unterstützen – Beispiele hierfür sind Spurhalteassistenten, Auffahrwarnsysteme, Notbremsassistenten. All diese Systeme können Verkehrsteilnehmer vor gefährlichen Situationen warnen und bei Bedarf auch automatisch eingreifen, um Unfälle zu vermeiden.

Alle anständigen Lkw-Fahrer haben zum Beispiel eine Fahrerkarte, ohne diese darf ein Lkw nicht betrieben werden. Man könnte zum Beispiel – nur als Anregung – einem unbelehrbaren Raser, der nach einer festzulegenden Zeit, in der er sowieso den Führerschein abzugeben hat, den Führerschein wieder erhält, für einen gewissen Zeitraum das Fahren nur mit einem Fahrzeug erlauben, das mit einer Fahrerkarte betrieben werden kann und darf. Diese Fahrerkarte mit der Aufzeichnung der Geschwindigkeiten hätte er dann abzugeben. So bräuchte man nicht die Fahrzeuge zu beschlagnahmen. Somit könnten Sie sich den kompli­zierten Eingriff in die Grundrechte, in die Eigentumsrechte ersparen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist mir ein wesentliches Anliegen, generell noch zum nächsten grünen Anschlag mit EU-Unterstützung, nämlich zum Führerscheingesetz, ein paar Worte zu verlieren: Diesbezüglich hat es bereits mehrere längere Diskussionen, auch mit den Experten im EU-Ausschuss und im Verkehrsausschuss, gegeben. Es beginnt mit dem Ablauf eines Führerscheins nach 15 Jahren, gekoppelt mit ärztlichen Untersuchungen und dem lebenslangen Lernen, mit einer – wohlgemerkt mit


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den gleichen Floskeln – 35-Stunden-Schulung alle fünf Jahre, wie sie ein Lkw-Lenker benötigt. Das ist nicht nur mit zusätzlichem Aufwand und Zeit ver­bunden, sondern ist auch finanziell ein Problem. Die angesprochene zwingende 35-Stunden-Schulung für Lkw-Lenker kostet circa 600 bis 800 Euro, die auch eine Fahrstunde beinhaltet. Sollte man beim Pkw-Führerschein mit dem Satz hinuntergehen, weil die Fahrstunde billiger ist, dann werden das 400 bis 500 Euro sein.

Das passt aber natürlich wieder zu Ihnen und Ihren Regierungskollegen, die Sie sich das Ziel gesetzt haben, europäische Kaiser des Antreibens der höchsten Teuerung zu sein.

Ja, Frau Minister, Sie rechnen schon wieder damit, dass dadurch einige ihren Führerschein nicht verlängern, wieder zusätzliche Bevölkerungsgruppen ihren Bewegungsradius einschränken und, geprägt durch Ihre Ideologie, der Freiheit beraubt werden. Sie gehen mit Ihren Green-Deal-Extremisten ja sogar so weit, dass Sie der älteren Bevölkerung ab 70 den Führerschein auf fünf Jahre beschrän­ken wollen und somit wahrscheinlich viele im ländlichen Raum der letzten Mobilität berauben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Selbstverständlich kann im Straßenverkehr jeder einmal einen Fehler machen, und es ist egal, in welchem Alter. (Bundesrätin Kittl: Ja, aber keinen tödlichen ...!) Menschen können Fehler machen, viele von uns auch hier im Raum sind sicher schon einmal zu schnell gefahren, aber darum geht es bei dieser Regel nicht. (Bundesrätin Schumann: Ja, aber wenn ich andere gefährde, geht es um die Fehler nicht so gut!) Ich glaube, dass ich diesen Standpunkt ausführlich besprochen habe. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.00


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte schön.



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17.00.31

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Autoentzug für Verkehrsrowdys: Besonderes Augenmerk legen wir im Ressort in Abstimmung mit der Polizei auf die Raserszene. Diese Autoposer machen unsere Stadt regelmäßig unsicher. Doch die derzeit möglichen Strafen sind nicht ausreichend. Ich habe mich diesbezüglich bereits an Verkehrsministerin Gewessler gewandt, um eine Gesetzesänderung zu erreichen. Wir müssen Verkehrsrowdys wie in anderen Ländern üblich das Auto abnehmen. Das hilft in der Szene am ehesten. (Bundesrat Spanring: Sollte man mit einigen Fahrradlfahrern in Wien auch machen, Frau Kollegin!) – Das ist aus einer Meldung vom September 2020, aber nicht von einem Grünen oder einer Grünen – nein! –, sondern das war eine Meldung von Landesrat Steinkellner aus Oberösterreich, aus eurer Fraktion. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP. – Oh-Rufe bei den Grünen.)

Das ist also erstens einmal noch nicht so lange her, dass man sagen könnte: Okay, in der Zwischenzeit hat sich so wahnsinnig viel geändert, dass ihr eure Meinung ändert!, und zweitens auch nicht gerade von irgendjemandem aus eurer Partei, Herr Kollege Bernard. Vielleicht könnt ihr euch einmal entscheiden, welche Meinung ihr dazu habt. Ihr habt euch aber offensichtlich eh entschieden, lieber die Gefährder davor zu schützen, dass ihnen Eigentum, ihre Waffe, abgenommen wird, als unschuldige Opfer zu schützen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Die Opfer: Das ist eine 48-jährige Mutter, deren Auto letztes Jahr in Wien gegen eine Ampel geschleudert wurde und die in ihrem Fahrzeug buchstäblich zerquetscht wurde; das klingt grauenvoll, ist es auch. Das ist außerdem die 19-jährige Radfahrerin, deren lebloser Körper nach einem Zusammenprall mit einem Raser auf die Straße geschleudert wurde; das war in Berlin. Herr Bernard, weil Sie im Ausschuss gefragt haben, warum das Auto in Österreich auf einmal eine Waffe ist, wenn Leute in Deutschland quasi ohne


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Geschwindigkeitsbeschränkung fahren können: Es ist auch in Deutschland eine Waffe, wie man sieht, wenn in unpassenden Bereichen damit massiv zu schnell gefahren wird. (Bundesrat Spanring: Ja, bei einem Terroranschlag zum Beispiel!) – Ja, genau! (Bundesrat Spanring: Ja, genau!) Jetzt ist die Frage, Herr Bernard: Haben Sie Kinder? Ist es wirklich so schwer, sich zu überwinden, Menschen wie die eben beschriebenen zu schützen? (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Der Sohn der vorhin beschriebenen Mutter hätte vielleicht seine Mutter auch noch gerne eine Zeit lang gehabt. Die 19-jährige Frau hat vielleicht jüngere Geschwister gehabt, die jetzt um sie trauern.

Sie schützen wie gesagt lieber die Täter – und das sind Täter im eigentlichen Sinn des Wortes. Mit 110 oder mit 130 km/h, das muss man sich einmal vorstellen, im Ortsgebiet zu rasen ist kein Kavaliersdelikt! Das passiert nicht einfach so. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Weil Sie vorhin davon gesprochen haben, dass jeder einmal einen Fehler machen kann: Wie gesagt ist das eine Geschwindigkeit, die nicht einfach so passiert – und nur diese Leute werden von dieser Regelung erfasst.

Ich glaube, es ist uns allen hier klar – außer eben euch von der FPÖ –: Es gibt bereits relativ hohe Strafen, die nützen aber bei einer bestimmten Gruppe von Rasern offensichtlich nichts. Da hilft es nur, wenn ihnen eben die Waffe weggenommen wird oder ihnen untersagt wird, diese zu benutzen.

Ihr habt einfach eine andere Definition von Gefahr und Gefährlichkeit, wie es scheint. Das hat sich heute auch schon gezeigt, als Kollege Pröller das Wagniskapitalfondsgesetz als gefährlich bezeichnet hat. Das ist euer Begriff von Gefährlichkeit: Raser, die Leute umbringen: Nein, das passt schon!; aber das Wagniskapitalfondsgesetz ist gefährlich. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) – Ja, es ist so!


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Eigentlich könnte man es euch ja auch fast nachsehen, weil es bei euch schon fast ein Reflex ist: Sobald eine Maßnahme die Begriffe Auto oder Autofahrer in sich trägt oder damit zu tun hat, schreit ihr reflexartig von Freiheit und Ein­schränkung und Eingriff in Grundrechte und so weiter. – Ja, das ist die Freiheit, die ihr meint. Nein, zügellose Rücksichtslosigkeit ist keine Freiheit, sondern kopflose Gefährdung und nichts anderes. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Wenn ich schon einmal als eine der ersten Redner:innen zu einem Punkt zu Wort komme, möchte ich die Maßnahmen der Vollständigkeit halber und auch zur Einordnung noch genauer ausführen – Kollege Bernard hat es angeschnitten –: Das ist der dritte Teil des sogenannten Raserpakets gegen extremes Schnell­fahren und unbelehrbare Extremraser. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, dass zusätzlich zur Geldstrafe und zu führerscheinrechtlichen Konsequenzen auch die Fahrzeuge dieser unbelehrbaren Extremraser, bei denen sich gelindere Mittel als nicht ausreichend erwiesen haben, eingezogen, beschlagnahmt und für verfallen erklärt werden können.

Die führerschein- und kraftfahrrechtlichen Maßnahmen beinhalten auch noch ein Lenkverbot, wenn das Fahrzeug eben nicht dem Lenker gehört. Da war der Experte im Ausschuss relativ klar: Abgenommen kann das Fahrzeug nur werden, wenn der Lenker, die Lenkerin auch tatsächlich Besitzer, Besitzerin ist. (Zwischenruf des Bundesrates Bernard.)

Der Eingriff erfolgt innerorts bei Tempoüberschreitungen ab 80 km/h beziehungsweise 90 km/h außerorts. Das muss man sich einmal vorstellen: Das sind 110 km/h in einer Dreißigerzone. (Bundesrat Pröller: Den Führerschein wegnehmen und erledigt!) Wenn Sie also 100 km/h in der Dreißigerzone fahren wollen, dann passiert Ihnen eh nichts; und Sie können in der Innenstadt auch noch immer 120 km/h fahren, Ihr Fahrzeug aber behalten. (Bundesrat Himmer – erheitert –: Das kann ja jedem einmal passieren!) – Genau, das kann ja jedem passieren. (Heiterkeit der Rednerin.)


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Die Mehrheit von uns findet, dass diese Maßnahmen sachlich gerechtfertigt, angemessen und verhältnismäßig sind, ich danke also für die trotzdem breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.07


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.07.35

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt haben gewisse Ähnlichkeiten zu meinen letzten Ausführungen, jenen zum Korruptionsstraf­recht. Es geht nämlich darum: Kann dieses Gesetz die beabsichtigte und angekündigte Wirkung erreichen?

Das Ziel ist ja, dass die Raser beziehungsweise Extremraser, wie sie auch genannt werden, von ihren Tatwerkzeugen getrennt werden, also dass die Täter von den Waffen getrennt werden.

Jetzt schauen wir uns einmal an, ob das da funktioniert: Das Instrument des Verfalls im Verwaltungsstrafgesetz ist ein bekanntes Rechtsinstitut, das gibt es mit der Konfiskation auch im gerichtlichen Strafrecht. Da geht es darum, den Täterinnen und Tätern das Tatwerkzeug zu entziehen. Dazu ist natürlich Voraus­setzung, dass in diesem Fall das Auto im Eigentum des Rasers steht.

Wie oft ist das tatsächlich der Fall? – 55 Prozent der Neuzulassungen sind Leasingfahrzeuge. Wenn man sich das jetzt demografisch anschaut: Raser gehören eher zu den jüngeren Personen als zu den älteren Personen. Das heißt, ich impliziere einmal eine geringere Liquidität beim Erwerb von Fahrzeugen; die Fahrzeuge, die verwendet werden, gehören auch eher nicht zu den günstigen Fahrzeugen. Wahrscheinlich ist also der Schluss nicht falsch, dass unter den


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Raserinnen und Rasern der Anteil derjenigen, die Eigentümerinnen und Eigen­tümer des verwendeten Fahrzeugs sind, noch sehr viel geringer sein wird. Dazu kommen noch die Personen, die Fahrzeuge zum Rasen verwenden, die nicht unbedingt Leasingfahrzeuge sein müssen, sondern Fahrzeuge von anderen Familienmitgliedern oder überhaupt von anderen Zulassungsbesitzern sind.

Wie viele Fahrzeuge von Raserinnen und Rasern werden da tatsächlich für verfallen erklärt werden können? – Ich nehme an, es wird ein sehr, sehr kleiner Anteil sein.

Sie, Frau Bundesministerin, haben im Nationalrat gesagt, auch für Leasing­fahrzeuge haben Sie eine Lösung gefunden. Wenn man sich das Gesetz anschaut, fragt man sich: Welche Lösung steht da drinnen? – Es kann ein Lenkverbot ausgesprochen werden. Den Begriff Lenkverbot gibt es schon im Kraftfahrrecht, wobei der momentan etwas anderes bezeichnet – das Lenkverbot ist das Äquivalent zum Entzug der Lenkberechtigung für Personen, die keine inländische, sondern eine ausländische Lenkberechtigung haben, die man nicht entziehen kann. Deswegen wird für die Personen ein Lenkverbot ausgesprochen. Dieses neue Lenkverbot für Raserinnen und Raser, die nicht Eigentümerinnen und Eigentümer der Tatfahrzeuge sind, betrifft aber nur das konkrete Tatfahrzeug. Das wird auch sehr wenig erreichen, weil sie sich dann eben ein anderes nehmen.

Deswegen ist mein Resümee zu diesem Gesetzesvorschlag: Es ist wie im Korrup­tionsstrafrecht, es wird die Aktivität nur vorgetäuscht. Es wird zwar Härte vorgetäuscht, aber es handelt sich um eine wirkungslose Scheinlösung. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Mertel und Schachner.)

17.11


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hirczy. – Bitte schön.



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17.11.17

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Das ist ein Thema, das hier sehr schnell diskutiert wird, und ein Thema, bei dem es auch um eine schnelle Verkehrsmaterie geht. Ich möchte kurz auf die Rede von Kollegen Bernard zurückkommen und mit einem Augenzwinkern sagen: Ich schätze seine Expertise im Verkehrsausschuss. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber in der Sache wissen wir, worum es geht. – Heute muss ich aber sagen: Fürchte dich nicht! Ich lade dich ein, da zuzustimmen, denn deine Lkw fahren keine 200 km/h auf der Autobahn! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Aber einen 80er in einer 30er- ...!)

Ich möchte auch die Worte von Kollegen Arlamovsky aufgreifen. Ich gebe ihm auch in manchen Bereichen recht. Es geht aber genau um diesen kleinen Anteil, um bei deiner Wortwahl zu bleiben, der von diesem Gesetz betroffen ist. In den letzten beiden Tagen hat es einige Gespräche gegeben. Die Personen hier im Saal wissen, wie es in dieser Szene zugeht, und sie wissen um die Verhältnisse hier in Wien, aber auch in ländlichen Regionen, wo eben diese Roadrunner oder diese aufgemotzten Fahrzeuge im Einsatz sind. (Rufe bei der FPÖ: Aha!)

Und ja, es wurde schon gesagt: 130 km/h im Ortsgebiet sind das Problem, 200 km/h auf der Autobahn sind das konkrete Problem. Es geht nicht darum, ob jemand 57 oder 53 statt 50 km/h fährt – auch dazu gibt es Gesetze und Regelungen –, sondern es geht um die aufgemotzten Fahrzeuge, um junge Menschen, die mit wenig Geld ein günstiges Auto kaufen, die Besitzer sein wollen, und dann mit viel Geld das Auto für Straßenrennen aufmotzen. Da gibt es ja Polizeiberichte – zu finden auf der Seite des Bundesministeriums, die Triester Straße und der Gürtel, glaube ich, sind betroffen –, gemäß denen sich Fahrzeuge gegenseitig decken, andere Verkehrsteilnehmer gebremst werden, Straßenstreifen freigeschaufelt werden, ausgelotet wird, ob Radarkästen scharfgestellt sind und wann die Ampelschaltungen funktionieren, gemäß denen


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mit Fingersymbolen gezeigt wird, ob es jetzt um 100, 200 oder 300 Euro Wetteinsatz geht, gemäß denen Autos sich gegenseitig matchen.

Genau darum geht es, und wir kennen diese Szenen aus amerikanischen Filmen, aber leider Gottes ist das auch bei uns, in unseren Städten, Realität. Genau da müssen wir eingreifen, und genau da müssen wir versuchen, eine Verbesserung zu schaffen. Viele von uns haben Kinder, und ich möchte mir nicht vorstellen, dass so ein Fahrzeug, das aufgemotzt ist, aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit außer Kontrolle gerät und zur späten Abendstunde oder sonst irgendwann auf einen Gehsteig schlittert und dort eine unbe­teiligte Person verletzt. Das wollen wir nicht, und daher unterstütze ich dieses Gesetz.

Es geht nach derzeitigem Stand konkret um 400 bis 450 Fahrzeuge. Vielleicht sind es weniger, und wenn es weniger werden, dann zeigt das Gesetz Wirkung. Wenn diese Zahl zurückgeht und die Betroffenen nicht mehr 200, 220 km/h fahren, dann haben wir mit dem dritten Teil dieses Paketes einen Schritt in die richtige Richtung gesetzt.

Das I-Tüpfelchen dieser Geschichte ist natürlich, dass all diese, ich sage jetzt einmal Filmszenarien auch wirklich gefilmt werden und sogar ins Internet gestellt werden. Es gibt eigene Plattformen, es gibt Highscorelisten. All das ist auf unseren Straßen allgegenwärtig, und daher ist dieser Schritt absolut notwendig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte abschließend noch erwähnen, dass ich Mitglied der Stadtfeuerwehr Jennersdorf bin. Ich habe das technische Leistungsabzeichen und bin daher auch bei Verkehrsunfällen sehr oft im Einsatz. Ich möchte nur ein Bild zeichnen, damit vielleicht alle verstehen, worum es geht. Wenn man zu einem Brand­einsatz fährt – und ich spreche jetzt vom ländlichen Raum, wo fast jeder jeden kennt –, dann weiß man bei der Alarmierung aufgrund der Adresse, der Hausnummer: Dort wohnt eine Familie mit zwei Kindern. Dann sind wir vorbereitet, dann suchen wir nach vier Personen im Haus. Da wissen wir: Da


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brennt ein Haus, da gibt es eine Gasheizung, da gibt es eine Ölheizung oder da gibt es eine Fotovoltaikanlage. Das weiß man schon bei der Anfahrt.

Bei einem Verkehrsunfall – und wir reden hier über Verkehrssicherheit – kommt man hin, da liegt meistens ein Auto im Straßengraben. Erst dann sieht man das verbeulte Fahrzeug, dann das Kennzeichen, vielleicht die Farbe, dann irgendwann das Modell, und dann merkt man: Es ist ein Bekannter aus dem Sportverein, es ist jemand aus dem Familienkreis. Erst dann wird das ganze Bild sichtbarer – ich möchte es nicht verheimlichen, weil jeder wahrscheinlich schon einmal ein paar km/h zu schnell gefahren ist und eine Anonymverfügung gekriegt hat: um all das geht es nicht; es geht darum, solche Bilder zu verhin­dern –, und dann muss man zum Telefonhörer greifen. Und während der Erstversorgung, bis das Rote Kreuz kommt, muss man versuchen, diesem Menschen – egal ob schuldig oder unschuldig, es geht um einen Ver­unfall­ten – zu helfen.

Wenn wir da mit diesem Gesetz einen kleinen Beitrag leisten können, dann sind wir auf der richtigen Seite. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Frau Minister, ich bedanke mich bei dir! Ich möchte noch einmal festhalten: Es geht dezidiert um unbelehrbare Wiederholungstäter. Es geht um extreme Raser, und daher lade ich alle ein, diesem Gesetz eine breite Zustimmung zu erteilen. – Vielen Dank, Frau Minister. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.17


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.17.27

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich kann euch sagen, ihr habt alle miteinander, wie ihr da draußen gestanden seid, recht gehabt! Punkt eins: Kollege Bernard hat nicht unrecht, indem er sagt: Wie soll das eigentlich funktionieren, wenn ein Auto


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nicht mir gehört, dass ein Auto weggenommen wird? – Das ist einmal das Erste, das funktioniert nicht.

Punkt zwei: Es ist nicht zu verzeihen, wenn einer mit über 100 km/h durch die Stadt fährt. Es reicht schon ein 70er durch die Stadt, da brauchen wir gar nicht zu diskutieren. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ.)

Das kann man nicht zulassen, das wollen wir auch nicht zulassen, und das sollte auch nicht passieren. Ich glaube aber, dass das Gesetz irgendwann einmal beim Höchstgericht eintrifft und man dort sagt: Das funktioniert nicht! Ihr könnt kein Auto wegnehmen, das geleast worden ist! Ihr könnt kein Auto wegnehmen, das irgendeinem Freund von irgendwem gehört oder sonst irgend­etwas! Das wird so nicht funktionieren!

Wir werden dem Gesetz zustimmen, weil es uns um die Raserei geht und um das getunte Fahrzeug. (Beifall des Bundesrates Hirczy.) Da brauchen wir nicht zu diskutieren, aber Freude haben wir keine damit, weil das einfach noch nicht die Endlösung ist. Ich glaube, da muss man noch lange überlegen, was es für eine Endlösung gibt. (Bundesrat Himmer: Finale Lösung! – Oh-Rufe bei der FPÖ.)

Das Finale, das kann ich euch ganz kurz sagen, wird so ausschauen, dass sich die Rechtsanwälte die Servietten umbinden, Messer und Gabel herrichten und zum Jausnen anfangen. So schaut es aus! – Glück auf. (Beifall bei der SPÖ.)

17.18


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Ministerin Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.18.54

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das ist der dritte und letzte Teil eines Pakets, dass ich vor drei Jahren angekündigt habe. Ich sage auch an dieser Stelle – und ich sage es gleich zu Beginn – Danke an eine Person in


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Salzburg, die sich seit dieser Zeit vor zwei Jahren intensiv dafür einsetzt, dass wir heute hier so weit sind: Sabine Koch-Peterbauer. Sie hat ihre Tochter bei einem Verkehrsunfall durch einen extremen Raser verloren. Sie hat sich seit damals dafür eingesetzt, dass möglichst niemand mehr dasselbe wie sie durchmachen muss. Ich kann mir das ja kaum vorstellen. Ich kann nur den Erzählungen, auch von Herrn Bundesrat Hirczy, zuhören: wie das ist, wenn man zu so einem Unfall kommt, wie man so etwas Eltern, Familienmitgliedern, Cousinen, Kollegen, Kolleginnen erzählt.

Ich kann mir noch viel weniger vorstellen, wie es sein muss, wenn einem Elternteil der Tod der Tochter oder des Kindes übermittelt wird (Ruf: Oder des Ehegatten!), und deswegen mein wirklich allerallergrößter Respekt an Sie und an viele andere, die sich dafür eingesetzt haben, dass wir einen gescheiteren Umgang mit dem Phänomen haben, dass wir strengere Regeln kriegen. Das heute ist der letzte Beschluss zu diesem Paket, und ich sage wirklich ein ganz großes Danke an alle, die sich dafür mit eingesetzt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Bei den Unfällen, bei denen die 191 Menschen, die dieses Jahr – 2023 waren es eben schon 191 – auf unseren Straßen gestorben sind, ist einfach wirklich oft überhöhte Geschwindigkeit im Spiel. Auch ich möchte es noch einmal betonen: Es geht da nicht um die Fälle, bei denen jemand ein paar km/h zu schnell ist – jeder und jede kann einmal einen Fehler machen –, es geht wirklich um Wieder­holungstäter, um jene Menschen – und es sind Täter –, bei denen der Führerscheinentzug nicht geholfen hat, bei denen die Strafe nicht geholfen hat und die das wiederholt machen.

130 km/h vor einer Schule im Ortsgebiet, mit 200 km/h über die Autobahn: Das passiert nicht so, das ist eine bewusste Entscheidung, und da gibt es jetzt in letzter Konsequenz auch eine Maßnahme, die greift und die verhindert, dass das Auto für den Fahrer selbst, aber natürlich auch für alle anderen, die auf der Straße unterwegs sind, lebensgefährlich wird. Es gilt, das zu unterbinden – bei


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diesen Geschwindigkeiten ist das Auto eine Waffe. Für diese Unbelehrbaren und Wiederholungstäter gibt es jetzt diese letzte Konsequenz.

Ich möchte trotzdem auch hier noch einmal ausführen, wie dieses Verfahren ablaufen wird, denn es ist – da haben Sie alle recht – eine rechtlich komplexe Materie. Deswegen haben wir uns die Zeit genommen, das zu erarbeiten, haben die unterschiedlichsten Stellungnahmen aus der Begutachtung genau geprüft und haben den Verfassungsdienst – der gegen dieses Gesetz aus verfassungs­rechtlicher Sicht keinen Einwand hat – sehr eng eingebunden.

Es zeigt sich aber auch nach der Begutachtung: Wir haben noch nachgebessert, weil es eine rechtlich komplexe Materie ist, und zwar insbesondere bei der Frage des Lenkverbotes und den Leasingfahrzeugen. Es ist klar: Bei der Beschlagnahme des Autos geht es um drei Stufen. Das ist ein dreistufiges Verfahren, an dessen Ende der ersatzlose Verfall stehen kann. Das ist immer ein Prüfungsverfahren, eine Einzelprüfung, bei der es eine Entscheidung gibt.

Die Voraussetzung ist eine Geschwindigkeitsübertretung von mindestens 60 km/h im Ort oder 70 km/h außerhalb des Ortsgebietes. In dem Fall wird an Ort und Stelle vorläufig beschlagnahmt, an Ort und Stelle das Auto abge­nommen; das ist auch ein Delikt, bei dem sowieso auch der Führerschein weg ist. Das heißt, künftig wird das Auto bis zu maximal zwei Wochen vorläufig beschlagnahmt.

In diesen zwei Wochen – das ist die zweite Stufe – hat die Behörde dann Zeit, um zu prüfen, ob sie überhaupt ein Verfallsverfahren einleitet – um eben zu prüfen, ob es ein Wiederholungstäter ist, ob es besondere Umstände gibt et cetera, also ob es in der Vergangenheit bereits ähnliche Vergehen gab. Erst dann, wenn das bejaht ist, wird das Verfahren geführt und das Fahrzeug für verfallen erklärt.


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In besonders schweren Fällen – also 80 km/h im Ortsgebiet, 90 km/h außerhalb des Ortsgebiets zu schnell und wenn es die Behörde entscheidet – kann das auch bei einem Ersttäter verfügt werden.

Ich sage es auch hier ganz deutlich: Wir haben in dem Gesetz selbstverständlich nicht zwischen inländischen und ausländischen Fahrern oder Fahrzeugen unterschieden. Jede und jeder, der in Österreich auf den Straßen unterwegs ist, hält sich an die österreichischen Regeln – oder eben nicht, aber dann gibt es eine Konsequenz, unabhängig davon, ob das ein inländisches oder ausländisches Fahrzeug oder ein inländischer oder ausländischer Fahrer ist; nur um das auch sehr deutlich zu sagen.

Es gibt die rechtlich komplexe Materie: Was ist, wenn man mit einem Fahrzeug unterwegs ist, das einem nicht selbst gehört, das also gemietet oder geleast ist? – Genau da zeigt sich, wie wichtig es ist, dass man solche Eingriffe gut abwägt und verfassungsrechtlich auf gute Beine stellt. Es ist eben so, wie Sie, Herr Bundesrat Schachner, richtigerweise gesagt haben: Ich kann jemandem, der das Auto nicht selbst besitzt, nicht das Auto für verfallen erklären. – Deswegen gibt es die Lösung mit dem Lenkverbot. Es gibt ein dauerhaftes Lenkverbot für das Fahrzeug, und über dieses Lenkverbot wird natürlich auch der Leasinggeber, der Vermieter oder die Mama, der Papa – wer auch immer das Auto hergeborgt hat – informiert. Auch da haben dann alle eine Verantwortung und auch eine Information, mit der sie verantwortungsvoll umgehen können.

Ich bedanke mich auch sehr bei allen, die diesem Gesetz heute hier im Bundesrat ihre Zustimmung erteilen. Wir machen damit einen wichtigen Schritt für die Verkehrssicherheit. Ich sage es noch einmal: Es geht um extreme Raserei, es geht um Wiederholungstäter, es geht um eine bewusste Entscheidung wider jede Vernunft dahin gehend, das Auto zur eigenen und zur Fremdgefährdung als Waffe einzusetzen. Da gibt es in Zukunft eine klare Konsequenz, und darüber bin ich sehr froh. Deswegen sage ich: Danke für den heutigen Beschluss. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.25



BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 256

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zum zweiten Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schachner. – Bitte.


17.25.45

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Ich möchte eines offiziell zurück­nehmen, und zwar den Ausdruck Endlösung. Das ist natürlich ein blödes Wort. Ich habe mich ein bisschen reinlaufen lassen, aber das ist kein Problem: Ich nehme das natürlich gerne zurück.

Wir stimmen dem Gesetz zu, aber das wird noch nicht das Ende von dem Ganzen sein, weil ich glaube, das wird, so wie das Gesetz dasteht, nicht funktionieren. Okay? – Danke. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Himmer: Es hat niemand etwas anderes geglaubt! – Bundesrätin Schumann: Ja, aber stehen bleiben darf es nicht!)

17.26


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für diese Klarstellung.

Ebenfalls noch einmal zu Wort gemeldet hat sich Kollege Bernard. – Bitte.


17.26.20

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Minister! Sie sollten mit Ihren Experten, die Sie uns in den Ausschuss schicken, kommunizieren. Sagen Sie uns Bescheid, ob uns der Experte im Ausschuss nicht die Wahrheit gesagt hat, oder ob Sie uns jetzt nicht die Wahrheit sagen, wenn der Experte im Ausschuss die Frage – die explizit, klar und deutlich verständlich war –, mit der ich extra angesprochen habe, ob für ausländische Fahrzeuglenker und ausländische Fahrzeugbesitzer das Gleiche gilt, definitiv mit Nein beantwortet, und Sie jetzt etwas anderes sagen. – Ich bitte, das nachzureichen, weil das für uns schon entscheidend ist, wenn wir im Ausschuss anscheinend falsch informiert werden. (Beifall bei der FPÖ.)


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Zu Kollegen Hirczy: Wenn Sie meinen Ausführungen zugehört hätten, dann hätten Sie das so weit verstanden – das hat ja auch die Frau Minister in ihrer Stellungnahme gesagt –, dass ja – egal, was da jetzt ist – sowieso einmal der Führerschein weg ist und gleichzeitig das Auto beschlagnahmt wird. – So. Dann hatte ich eine Lösung dazu, und zwar ohne diese ganze Thematik, bei der man eh nicht weiß, ob das rechtlich funktioniert oder nicht, und die Einzigen, die da Geld verdienen, die Rechtsanwälte sind.

Jetzt komme ich auf Kollegin Jagl und die kopflose Gefährdung zu sprechen. Wenn ich nichts ändere, aber ein Gesetz verabschiede, bei dem ich nur weiß, dass es den Zweck erfüllt, dass ich die Rechtsanwälte beschäftige, dann ist das kopflose Gefährdung. (Beifall bei der FPÖ.)

In Richtung Kollegin Jagl: Ja, ich bin stolzer Vater von fünf Kindern, habe sieben Enkelkinder, und Gott sei Dank fahren mittlerweile schon viele davon selbst mit dem Pkw und auch mit dem Lkw, und ich selber fahre im Jahr um die 100 000 Kilometer mit dem Pkw und auch genug Kilometer mit dem Lastwagen. Ich weiß, was Geschwindigkeit heißt, und ich bin der Letzte, der hergeht und goutiert, wenn man in einer Ortschaft 130 km/h fährt und lauter solche Wahnsinnigkeiten macht. Darüber reden wir nicht, und ich glaube, da sind wir alle einer Meinung, dass das nicht geht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, es geht rein darum, dass Sie hier ein Gesetz verabschieden, von dem man weiß, dass nichts anderes passiert, als dass die Rechtsanwälte Geld verdienen und das alles für die Fische ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Das nützt den Rechtsanwälten, aber im Endeffekt kann ich Folgendes machen – das war mein Vorschlag für jene Personen –: Wenn derjenige den Führer­schein sowieso erst nach einem halben Jahr, einem Jahr – oder egal, wie auch immer – bekommt, dann gebe ich dem zusätzlich eine Fahrerkarte – und es gibt nicht nur Lkw, sondern es gibt auch Pkw, in denen man eine Fahrerkarten benützen kann; ja, Herr Hirczy –, und er darf nur mit solchen Fahrzeugen fahren. Damit kann ich die ganze Zeit die Geschwindigkeiten überwachen. Damit


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können Sie feststellen, ob der irgendwann wieder einmal zum Wiederholungs­täter wird. – Also so weit unsere freiheitliche Idee dazu.

Wir haben überall Ideen – egal ob es in der Energiepolitik oder Umweltpolitik oder Klimapolitik ist, genauso wie in der Verkehrspolitik –, und das heißt: Freiheitliche Politik mit Hausverstand. (Beifall bei der FPÖ.)

17.29

17.29.56


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

 Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.30.2417. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung des Teilbetriebes Infrastruktur der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH an die ÖBB-Infrastruktur AG (GKB-Infrastruktur-Übertragungs­gesetz) (2097 d.B. und 2167 d.B. sowie 11280/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter hierzu ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um den


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Bericht.


17.30.45

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung des Teilbetriebes Infrastruktur der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH an die ÖBB-Infrastruktur AG.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr hat den gegenständlichen Beschluss des Natio­nalrates in seiner Sitzung am 11. Juli 2023 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. – Bitte.


17.31.24

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es macht mich traurig, traurig und noch einmal traurig, wenn ich daran denke, dass bei uns in der Steiermark einem Verkehrsunternehmen, das schon über 160 Jahre öffentlichen Dienst macht, das für die Bewohnerinnen und Bewohner da war, das früher einmal Kohlen geführt und das wirklich viele Beschäftigte gehabt hat, jetzt die Beschäftigten langsam davonrennen und dass dieses einfach zersplittert und aufgeteilt wird.

Was bedeutet das jetzt? – Die GKB ist eine Bahn- und Busbetrieb GmbH bei uns im Land Steiermark mit 510 Beschäftigten, und 190 Beschäftigte werden jetzt sozusagen zu den ÖBB ausgegliedert. Das heißt, der Infrastrukturteil kommt weg zu den ÖBB und 320 Personen bleiben im Absatz zurück.


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Dazu möchte ich sagen, dass denjenigen, die jetzt zu den ÖBB kommen, nichts passiert. Ich war bei jeder Verhandlung im Verkehrsministerium selber dabei. Wir haben geschaut, dass den Leuten, die zu jenem Teil des Unter­nehmens gehören, der abgespaltet wird, nichts passiert und dass sie ihre Rechte mitnehmen können. Es kann also diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überhaupt nichts passieren. Hingegen haben aber die anderen 320 Personen, die im Absatzbetrieb des Unternehmens übrig bleiben, jetzt das riesengroße Problem, dass sie nicht wissen, wie es weitergeht. Der Bund ist dafür verant­wortlich. Früher hat der Bund auch das Defizit übernommen. Jetzt gibt es aber niemanden, der sagt: Wir übernehmen auch weiterhin euer Defizit.

Warum sage ich das? – Im Infrastrukturteil steckt nämlich das Geld. Das sind die Liegenschaften und die Bahnhöfe. Diese werden sozusagen abgespaltet. Die Züge und das Personal bleiben hingegen im alten Betrieb beziehungsweise jetzt noch bei der GKB. Deshalb machen sich die Leute dort wirklich irrsinnig große Sorgen, was weiterhin geschehen wird. Wir haben viele Gespräche im Verkehrsministerium geführt. Wir haben viel geredet und auch telefoniert. Wir haben gesagt: Bitte schön, lasst die GKB in Ruhe! Das ist wirklich ein florierendes Unternehmen. Dieses funktioniert jetzt gut, auch mit der LTE. Die sind europaweit stark unterwegs, von Koper bis Triest, und man musste sagen: Das ist in Ordnung.

Jetzt ist es aber so weit mit der Abspaltung, dass dort einer nach dem anderen kündigt. Seit dem vorigen Jahr haben schon ungefähr 70 Personen gekündigt und sind irgendwo anders hingegangen, wo sie diese Sorgen nicht haben.

Warum erzähle ich euch das jetzt? (Unruhe im Saal.) – Vielleicht schaffen wir es doch, dass noch ein bisschen zugehört wird! (Bundesrat Spanring: Nein! Das interessiert niemanden! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Warum erzähle ich euch das jetzt? – Ganz einfach: Weil dort Menschen beschäf­tigt sind, und zwar oft schon in dritter Generation. Diese Menschen haben alle


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entlang der Trassen gewohnt, bis hinunter nach Wies, und leben noch immer dort, und jeder hat sich mit dem Betrieb identifiziert. Eigentlich hat jeder gesagt: Das ist mein Betrieb. Ich gehe gerne dorthin arbeiten.

Jetzt aber zerteilt und zerstückelt man das, und es heißt: Es kommt irgendetwas in Zukunft billiger. – Warum erzähle ich euch jetzt auch von der Behauptung, dass etwas billiger kommen wird? – Ich kann es euch sagen. Der letzte Rechnungshofbericht vom 23. Mai 2023 besagt eindeutig, dass betreffend die angenommenen Minderaufwendungen von rund 201,8 Millionen Euro im Zeitraum 2024 bis 2027 nirgendwo sichtbar ist, wo dieser Betrag irgendwie eingespart werden kann, nur weil die ÖBB und die ehemalige GKB zusammen irgendwo eine Trasse machen, geschweige denn irgendwo eine Signalanlage gemeinsam bedienen. 

Das kann sich einfach nicht ausgehen! Deshalb sagen wir jetzt: Nein! Das darf einfach in dieser Form nicht passieren! Man muss die 320 Leute, die weiterhin in dem Betrieb bleiben, absichern, damit diese Leute in dem Unternehmen auch eine Zukunft sehen.

Ich war bei den Betriebsversammlungen dabei, und ich sage euch: Es ist nicht einfach, wenn man dort steht und erlebt, dass von den 500 Leuten, die dort sind, jeder Tränen in den Augen hat und fragt: Was passiert jetzt mit uns? Warum wird der Betrieb jetzt verkauft? Warum wird jetzt etwas vom Betrieb abgespaltet?

Ich sage euch: Ich wünsche keinem von euch, dass er dort stehen und den Leuten erklären muss, wie es in einem solchen Betrieb ausschaut, was alles passieren kann und so weiter und so fort. – Daher sage ich euch ganz ehrlich: Man muss ganz einfach etwas tun, damit die Menschen, die dort beschäftigt sind, beruhigt sind und wissen, dass sie in eine sichere Zukunft gehen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringe ich jetzt folgenden Entschließungsantrag ein:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der Arbeitnehmer:innenrechte für die verbleibenden Mitarbeiter:innen der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH (Absatzgesellschaft)“

Der Entschließungsantrag lautet wie folgt.

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, binnen kurzer Frist – jedenfalls aber vor Abspaltung des Infrastrukturbereiches von der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH (GKB) – die Rechte der in der Absatzgesellschaft verbleiben­den Arbeitnehmer:innen der GKB hinsichtlich Arbeitszeit, Versetzungsschutz und Bestandschutz sicherzustellen.“

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.37


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Mag.a Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sicherstellung der Arbeitnehmer:innenrechte für die verbleibenden Mitarbeiter:innen der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH (Absatzgesellschaft)“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Maria Huber. – Bitte.


17.37.46

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe


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Besucherinnen und Besucher hier im Saal! Ich freue mich wirklich, heute auch als Bundesrätin zu einem Thema sprechen zu können, das mich wirklich ganz persönlich und auch meine Familie fast täglich betrifft.

Horst Schachner hat es schon ausgeführt: Es geht um die Graz-Köflacher Bahn mit rund 133 Bahnkilometern, die die Bezirke Voitsberg und Deutschlandsberg mit Graz verknüpft und mich auch in diesem Fall wieder sicher zur Bundes­ratssitzung gebracht hat. – Dazu möchte ich auch sagen: Wir erleben aktuell in der Weststeiermark wirklich eine beispiellose Investition in die Bahninfra­struktur. Die gesamte Region steigt in diesem Zusammenhang wirklich in ein komplett neues Zeitalter des Bahnverkehrs ein. Auch Landeshauptmann Kaiser hat das heute schon angesprochen.

Mit der Koralmbahn entsteht in der Weststeiermark in Verbindung mit Kärnten ein völlig neuer Wirtschaftsraum. Zusätzlich kommt dazu, lieber Horst, dass wir massiv auch in die Gesamtelektrifizierung des GKB-Streckennetzes investieren. Diese Dekarbonisierung der Graz-Köflacher Bahn läuft aktuell schon auf Hochtouren. Dabei geht es, wie du wahrscheinlich auch weißt, nicht nur um massive CO2-Einsparungen – nein, durch die Elektrifizierung des GKB-Netzes wird endlich eine langgehegte Forderung der Menschen in unserer Region umgesetzt, nämlich die Forderung nach schnelleren Verbindungen und kürzeren Taktfolgen.

Wir erreichen dadurch beispielsweise auf der Strecke Deutschlandsberg beziehungsweise WiesEibiswaldGraz endlich einen Halbstundentakt. Das war in der Vergangenheit ganz einfach nicht möglich, und das bedeutet insgesamt massive Vorteile, nicht nur für die vielen Pendlerinnen und Pendler sowie Schü­le­rinnen und Schüler auf dem Weg nach Graz.

Mit den schnelleren Verbindungen und den kürzeren Taktfolgen wird es uns gelingen, auch wesentlich mehr Menschen zum Umstieg auf die Schiene zu bewegen. Die Umsetzung dieser außergewöhnlichen Investitionsprojekte ist selbstverständlich äußerst anspruchsvoll. Aus diesem Grund macht meiner


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Ansicht nach die Bündelung der Kräfte und der Expertise der beiden Bahnunter­nehmen in jedem Fall Sinn.

Durch die Elektrifizierung des Regionalverkehrs in der Weststeiermark erreichen wir annähernd eine Verdoppelung der Verkehrsleistung. Genau das sind ja auch die Argumente: die Bündelung der Kräfte, eine Verbesserung des Angebots auf einem guten technischen Niveau für die Kundinnen und Kunden. Genau das ist ja auch der Grund für die Gesetzesvorlage, die im Endeffekt auch das Überleben der Graz-Köflacher Bahn sichern wird.

Vollstes Verständnis dafür, lieber Horst, dass dieser massive Umbruch auch zur Verunsicherung führt. Ich merke das ja selber auch. Ich meine, auch ich fahre oft mit der GKB. Deswegen sind diese Punkte für mich auch so wichtig – du hast ja gesagt, du warst selber dabei –: dass die Arbeitnehmer:innenver­tretung auch wirklich in diesen Prozess eingebunden war, dass auch der GKB-Betriebsrat seine Zustimmung erteilt hat, dass es auch wirklich diese umfassende regionale Arbeitsplatzgarantie für die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter gibt und dass auch wirklich darauf geachtet wurde, dass bei der Übertragung der GKB auf die ÖBB auch alle Rechte der Arbeitnehmenden gewahrt werden.

Ich bitte daher wirklich um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

17.41


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.42.00

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Also eines hat meine Vorrednerin ja mit der Frau Bundesminister gemeinsam: nicht nur die Fraktion, sondern auch


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recht viel Meinung – und das bei recht wenig Ahnung. Darauf werde ich aber noch etwas genauer eingehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Horst, dir kann ich diesmal wirklich in allen Punkten zustimmen, die du jetzt genannt hast. Du hast dich auch von Anfang an für die GKB und auch für die Eigenständigkeit der GKB eingesetzt. Das Einzige, was etwas schade ist: Deine Fraktion war da nicht geschlossen. Darauf gehe ich vielleicht auch noch etwas genauer ein. Dir aber ist die GKB da sicher auch zu Dank verpflichtet. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Frau Bundesminister, die GKB ist für uns Steirer ein Traditionsunternehmen, das man ganz sicher als Familiensilber bezeichnen kann, ein Unternehmen, das seit mehr als 160 Jahren erfolgreich besteht. Mit dieser Gesetzesvorlage zur Übernahme der GKB-Infrastruktur durch die ÖBB steht die Zukunft dieses Unternehmens mit Sicherheit auf sehr wackeligen Beinen.

Ja, Frau Bundesminister, zu Recht befürchten die Mitarbeiter Personalum­schichtungen und auch Zwangsversetzungen. Zu Recht, Frau Bundesminister, fürchtet man, dass die Stützpunkte Deutschlandsberg und Lieboch eine ungewisse Zukunft haben – vor allem dann, wenn in Zukunft alles am Knotenpunkt Graz Süd in Werndorf stattfinden soll.

Ja, zu Recht befürchtet man auch eine gänzliche Übernahme der GKB durch die ÖBB, wenn nämlich die Konzession der GKB im Jahr 2025 ausläuft. (Bundes­ministerin Gewessler schüttelt den Kopf.) – Na, da können Sie ruhig Nein deuten. Ich komme auf Ihre Anfragebeantwortungen auch noch zu sprechen. Die Mitarbeiter glauben Ihnen das nicht, und wir glauben Ihnen das auch nicht mehr, Frau Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, nach all dem, was wir von Ihnen bereits gesehen haben, erwarten wir uns von Ihnen wirklich nicht mehr viel. Wenn irgendetwas aus Ihrem Ministerium herauskommt, dann ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Bürgerbelastung und keine Entlastung, Frau Bundesminister. Bei diesem


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Gesetz, das Sie uns da vorgelegt haben, kann man schon mit Sicherheit vom größten Pfusch aus diesem Ministerium sprechen, den wir je oder seit Langem gesehen haben.

Frau Bundesminister, auch wenn es sich bei diesem Projekt um ein Projekt handelt, das Sie ja gar nicht verhindern können – dafür kennen Sie sich bei der Eisenbahn einfach zu wenig aus –, so sind Sie dennoch als Ministerin dafür verantwortlich, denn es kommt schon aus Ihrem Ressort – von einem Herrn, der im Jahr rund 20 000 Euro mehr verdient als Sie. Sie sind aber die Bundesminis­terin und Sie sind auch für den Generalsekretär und für sein Privatprojekt verantwortlich, Frau Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe eingangs gesagt: recht viel Meinung bei recht wenig Ahnung. Darauf möchte ich jetzt etwas genauer eingehen. Das zeigt eine Anfragebe­ant­wortung von Ihnen vom 27. Juni 2023. In der Anfrage habe ich Ihnen die Frage gestellt: „Seit wann werden Gespräche über die Übernahme des GKB-Streckennetzes durch die ÖBB geführt?“ Sie haben das so beantwortet: seit 15. Juli 2022.

Frau Bundesminister, ich weiß jetzt wirklich nicht, woran es liegt. Ist es mangelndes Interesse an der Politik oder mangelndes Interesse am Ressort? Ist es Vergesslichkeit, oder sind Sie schlicht und ergreifend von Ihrem General­sekretär gar nicht darüber informiert worden? Ich werde Ihnen erklären, warum ich zu diesen Fragen komme.

In der Anfragebeantwortung vom 20. November 2021 habe ich Ihnen nämlich dieselbe Frage gestellt. Diese Frage haben Sie so beantwortet: Es werden seit Anfang Oktober 2021 Gespräche geführt.

Jetzt kenne ich mich nicht mehr aus. Jetzt kenne ich mich wirklich nicht mehr aus. Da liegt mehr als ein Jahr dazwischen. Sie wissen ja gar nicht mehr, seit wann Gespräche geführt werden. Deswegen muss ich auch davon ausgehen,


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dass nicht Sie diese Gespräche führen, sondern dass es sich da schlicht und ergreifend um ein Projekt Ihres Generalsekretärs handelt, Frau Bundesminister.

Ich will ja wirklich – auch damit ich keinen Ordnungsruf bekomme – niemandem unterstellen, dass er mich in dieser Anfragebeantwortung angelogen hat. Das glaube ich auch nicht. Ich glaube vielmehr, dass Sie das wirklich nicht wissen. Das ist etwas, was wirklich traurig ist. Frau Bundesminister, Sie wissen gar nicht mehr, was in Ihrem Ressort überhaupt vorgeht. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, wenn Sie nicht wissen, was in Ihrem Ressort vorgeht, dann frage ich mich schon, wofür wir Sie in diesem Ressort überhaupt noch brauchen. Für autofahrerhassende Klimahysterie brauchen wir Sie nicht. Wir brauchen Sie aber auch nicht für irgendwelche Energiespartipps: dass man eine Kühl­schranktür zumacht. Wir brauchen Sie auch nicht für Energiespartipps: dass man einen Deckel auf den Kochtopf gibt. Wir brauchen Sie schon gar nicht dafür, dass Sie 143 100 Euro für Ihre Klimaanlage beim Fenster hinausschmeißen, Frau Bundesminister. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte bei diesem Gesetz noch ein bisschen in die Geschichte gehen. Wir Freiheitliche haben nämlich in der Steiermark bereits im Jahr 2021 in allen Gemeinderäten entlang der GKB-Linie einen Antrag zum vollumfänglichen Erhalt des Streckennetzes der GKB eingebracht.

Dieser Antrag hat gelautet – ich habe ihn heute auch mitgebracht –: Der Gemeinderat tritt mit dem Ersuchen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie heran, die Eigen­ständigkeit der GKB zu erhalten, keine Standorte beziehungsweise Haltestellen aufzulassen sowie keine Mitarbeiter abzubauen. – Zitatende.

Das bringt mich jetzt auch ein bisschen zur SPÖ: Es waren nämlich mit Masse rote Gemeinden. Lieber Horst, du warst da immer auf der richtigen Seite. Ich kann es aber bis heute nicht verstehen, warum die roten Bürgermeister diesen


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Antrag damals in den Gemeinderäten abgelehnt haben. Das kann ich heute nicht verstehen, das werde ich auch in Zukunft nicht verstehen.

Deswegen kann ich nur sagen: Wir Freiheitlichen waren die, die auf allen Ebenen hinter dem vollumfänglichen Erhalt der GKB gestanden sind. Wir tun das auch heute noch. Wir haben einen Fünfpunkteplan zur Zukunft der Graz-Köflacher Bahn entwickelt. Wir haben Pressekonferenzen dazu gegeben und sehr, sehr viel Zuspruch bekommen. Ich glaube, bei Ihnen ist das so wie das gesamte Projekt gar nicht angekommen. Da ging es aber auch um die Fortführung der GKB, um den Erhalt der Infrastruktur, um keinen Personalabbau, um keine Verschlech­terung für das Personal und um volle Transparenz bei allen Entscheidungen.

Da steht noch ein bisschen mehr darunter. Ich will das heute nicht mehr alles im Detail ausführen. (Der Redner überreicht Bundesministerin Gewessler ein Schriftstück.) Ich lege Ihnen das sehr gerne da her, damit Sie sich das von uns im Jahr 2022 Verfasste einmal durchlesen können. Es wäre ja schön, wenn es Ihnen der Generalsekretär zumindest ausgerichtet hätte.

Und ja, Frau Bundesminister, nicht nur dass der GKB jetzt ein über 160 Jahre hinweg aufgebautes Vermögen genommen wird, sie werden im wahrsten Sinne des Wortes enteignet. Es gibt ja keine Abgeltung für diese Übertragung, Frau Bundesminister, und das ist letztklassig, dass man ein positiv bilanzierendes Unternehmen enteignet um damit dann irgendwelche Löcher bei Ihren ÖBB zu stopfen. Frau Bundesminister, das ist letztklassig! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist schon einzigartig, dass man ein Unternehmen, das gerade in der Elektrifizierung drinnen steckt, bereits 700 Masten aufgestellt hat, enteignet, einen Eigentümerwechsel durchführt, und das nicht nur zeitlich, sondern auch von den Kosten her vorsätzlich – nicht fahrlässig, vorsätzlich! – gefährdet, Frau Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit dem Herauslösen dieser Immobilien gehen ja wertvolle Synergien und wertvolle Einnahmen für die GKB schlicht und ergreifend verloren. Sie können


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es im Anschluss ja beantworten. Ich bin gespannt auf die Antworten. Fakt ist, dass diese Einnahmen für unser Familiensilber in der Steiermark unwieder­bringlich verloren sind, Frau Bundesminister, und dass sich das negativ auf die Liquidität und den Fortbestand der GKB auswirkt – also das brauche ich Ihnen da jetzt ja hoffentlich nicht zu erklären.

Abschließend, Frau Bundesminister, möchte ich mich aber auch noch mit einigen Inhalten dieses Gesetzes beschäftigen. Wie schaut es eigentlich mit dem österreichischen Wettbewerbsrecht aus? Wie schaut es damit aus? Die Außer­kraftsetzung des Wettbewerbsrechts durch ein Gesetz, Frau Bundesminister: dass eine entschädigungslose Abspaltung, eine Enteignung per Bundesgesetz mit europäischen Standards vereinbar ist, das kann ich mir nicht vorstellen, Frau Bundesminister. Also das sehe ich für unseren Wirtschaftsstandort Österreich mehr als kritisch, das kann ich Ihnen an dieser Stelle auch sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Horst Schachner hat es schon gesagt, und auch der Rechnungshof sieht nichts Positives an dem Ganzen und kann auch eure Zahlen nicht wirklich bestätigen. Wenn ich sehe, dass die ÖBB rund ein Drittel mehr Mitarbeiter per Gleis­kilometer benötigen als die GKB, dann sehe ich da kein Einsparungspotenzial. Die ÖBB brauchen pro Gleiskilometer einen Bundeszuschuss von 150 000 Euro und die GKB einen Bundeszuschuss von 110 000 Euro. Nach meinen paar Jahren in der Schule sind 110 000 Euro weniger als 150 000 Euro. Also eine Einsparung finde ich da nicht. Bei der Berechnung einer Einsparung in Höhe von 7 Millionen Euro – ich gehe davon aus, dass Sie darauf noch eingehen werden – darf ich Sie schon um etwas Ehrlichkeit bitten – damit ich keinen Ordnungsruf bekomme. Wenn Sie 100 Prozent der Bundeszuschüsse der GKB annehmen, dann darf ich Sie schon auch bitten, dass Sie 100 Prozent der ÖBB-Zuschüsse annehmen und nicht nur 42 Prozent, Frau Bundesminister. Das ist nicht nur verzerrend, das ist schlicht und ergreifend falsch. (Beifall bei der FPÖ.)

Und, Frau Bundesminister, wenn Sie eine Kreditfinanzierung als Einsparung darstellen: Nur weil Sie diesen Kredit über 30 bis 50 Jahre aufteilen, wird das


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nicht billiger, Frau Bundesminister. Schauen Sie sich die Zinsen heute einmal an: Das wird ja viel, viel teurer! Ein Einsparungspotenzial ist da für uns nicht zu erkennen. Folgendes würde ich mich auch noch fragen: Also das mit 150 000 und 110 000 Euro pro Gleiskilometer, das habe ich ja schon erklärt. Eines müssten Sie mir aber jetzt erklären: Ich verstehe nicht, wie Sie 17 Millionen Euro an Ausgaben mit 7,5 Millionen Euro finanzieren wollen. Das steht nämlich auch da drinnen und das verstehe ich nicht. Das verstehe ich schlicht und ergrei­fend nicht.

Deswegen kann ich abschließend nur sagen: Dieses Gesetz ist nichts anderes als ein Pfusch (Beifall bei der FPÖ), und der ist zugleich auch der Anfang vom Ende eines mehr als 160-jährigen Traditionsunternehmens. Dafür, Frau Bundes­minister, sollten Sie sich wirklich schämen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass Ihnen die Eisenbahn schlicht und ergreifend wurscht ist, haben Sie ja schon mit der Einführung des Klimatickets bewiesen: ein gutes Instrument, angedacht von Stöger, weiter betrieben und geplant von Norbert Hofer und ohne irgendein Angebot zur Erweiterung von Ihnen schlicht und ergreifend umgesetzt. Jetzt kommen die Züge verspätet in die Servicewerkstatt, sie sind zum Teil verdreckt und sie sind kaputt. Frau Bundesminister, Ihr Werk ist eine Schande für Österreich, wie alles aus grünem Haus. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

17.56


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte.


17.56.46

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Wertes applaudierendes Publikum! Geschätzte Damen und Herren! Von der Emotion meines Vorredners wieder hin zur Sachlichkeit: Für all jene, die sich in Österreich gut auskennen, die sich vielleicht auch in der Steiermark gut auskennen – nicht nur die Steirerinnen und Steirer –,


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möchte ich erklären: Das ist eine Region innerhalb der Steiermark, eine sehr schöne, wie es natürlich alle Regionen in unserem schönen Bundesland sind. Und dann haben wir hier eine Diskussion, die bisher ganz interessant verlaufen ist. Ich bin froh, nunmehr als vierter Steirer das Wort ergreifen zu dürfen, um das Thema auch, na ja, wie man so sagt, auf Schiene zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der 3. Juli 2021 war für die Mobilitätswende in der Steiermark ein sehr wichtiger Tag. An diesem Tag wurde nämlich von Ihnen, Frau Minister, und den steirischen Landesregierungsmitgliedern das Steiermarkpaket präsentiert. Sie wissen, wir haben ja mittlerweile einen sehr engagierten Landeshauptmann, Mag. Christopher Drexler, und einen Koalitionspartner, der ausgesprochen loyal und unwahrscheinlich aktiv ist, nämlich den SPÖ-Landesverkehrsreferenten, Landeshauptmannstellvertreter Anton Lang.

Horst, du weißt es ja noch viel besser, denn du warst ja bei all diesen Besprechungen dabei, wie du gesagt hast, und ich nehme an, der Herr Landes­hauptmannstellvertreter war auch das eine oder andere Mal dabei, oder du hast ihn sicherlich gut informiert. Auf alle Fälle war er sehr gut eingebunden und hat diese Neuausrichtung sehr befürwortet. Es geht um 90 Kilometer elektrifizierte Schienenanlage insgesamt.

Die GKB, also die Graz-Köflacher Bahn, ist ja 168 Jahre alt, es wurde immer so lapidar 160 Jahre gesagt. Bleiben wir genau: 168 Jahre ist sie alt und hat für die Region viel, vor allem für den Güter- und Personenverkehr in der Region sehr viel gebracht. Diese Region war ja früher eine Kohlebergbauregion, mittlerweile wird sie großartig gut touristisch geführt, mit Therme, mit dem Lipizzanergestüt Piber und vielem anderem mehr.

Auf alle Fälle ist es so, dass die GKB dieselbetriebene Züge führt – früher waren es mit Kohle betriebene Loks, jetzt werden sie mit Diesel betrieben – und diese natürlich gewaltig viel CO2-Ausstoß haben. Jetzt geht es darum, diese


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168 Jahre lang gut funktionierende Firma, die ja, wie auch die ÖBB, zu 100 Pro­zent dem Staat gehört – wir spielen also nicht den einen gegen den anderen aus, denn es ist ein gemeinsamer Topf, der das eine oder andere natürlich entsprechend synergiemäßig ausrichten wird –, neu auszurichten. (Präsidentin Arpa übernimmt den Vorsitz.)

Weil ständig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesprochen wurden: Bahnlinien haben natürlich Mitarbeiter, aber in erster Linie haben sie doch bitte Fahrgäste. Um diese sollte man sich, glaube ich, auch kümmern, besonders was den Komfort betrifft, was den 30-Minuten-Takt betrifft, den es in Zukunft geben wird, was einfach eine moderne, eine zeitgemäße Neuausrichtung gemeinsam mit den ÖBB bedeutet.

Ich darf noch einmal kurz replizieren: Im Steiermarkpaket war ja unter anderem auch die Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur mit der GKB beinhaltet, denn da geht es ja vor allem auch darum, Park-and-ride-Anlagen – auch entsprechend für Biker – und die Digitalisierung voranzutreiben.

Wenn also schon versucht wird, diese Sache in der Form darzustellen, als ob die Mitarbeiter darunter besonders leiden würden, dann fragen wir doch bitte unseren Kollegen Daniel Schmid, der ja erfolgreicher Lokführer bei den ÖBB ist, was denn so wahnsinnig schwer und schlecht daran ist, dort als Mitarbeiter dabei sein zu dürfen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich glaube, wir sollten das schon auch richtig und sachlich abhandeln. Lieber Horst Schachner, ich weiß, du bist ein Standesvertreter, aber es geht nicht nur um gewerk­schaftliche Dinge, es geht auch um Betriebswirtschaftliches und es geht auch um den Komfort der Fahrgäste, die wir in weiterer Folge ja besonders gut betreuen wollen.

Das Jahrhundertprojekt in der Steiermark – und das lassen wir uns nicht schlechtreden – ist ein wesentlicher Punkt und ermöglicht eben eine Verzah­nung der Infrastrukturbereiche von GKB und ÖBB im Rahmen der Fertigstellung der Koralmbahn. Wir haben ja gestern gehört, was das für ein


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tolles Projekt ist – man kann von Wien über Graz, Klagenfurt und dann auch weiter mit der Bahn fahren und wir fördern natürlich auch den Bahnbereich –, was das für eine tolle Geschichte ist. Hier reden wir jetzt von 90 Kilometern, die betroffen sind, und darüber, wie fürchterlich und grauenhaft es ist, was da mit der GKB passiert. Geschätzte Damen und Herren, wir sind ja mittlerweile doch im Jahre 2023 angekommen und werden hoffentlich auch das entsprechende, moderne Gedankengut dabeihaben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Zusammenspiel der Folgen, die wir dann haben werden – selbst wenn das nicht funktionieren sollte, aber es wird ja hoffentlich funktionieren –, ergibt sich eben aus dieser Bündelung. Die Übertragung des Teilbetriebs der Infrastruktur der Graz-Köflacher Bahn- und Busbetrieb GmbH an die ÖBB-Infrastruktur ist auch eine deutliche Entlastung des Bundesbudgets – es sind ja zwei Bundesbetriebe –, die im Laufe der nächsten zehn Jahre zu erwarten ist. Die Einsparungen sollen sich aufgrund der geringen Betriebskosten der ÖBB-Infrastruktur AG gegenüber der GKB (Bundesrat Leinfellner: Der glaubt den Schas ...!) – ein bissel zuhören, vielleicht hast du dich zu schlecht eingelesen (Heiterkeit bei der ÖVP) – und einer Übertragung der Finanzierung der Investitio­nen in die Annuitätenfinanzierung der ÖBB ergeben. Es entsteht also auch eine Einsparung, ist ja klar, es sind ja Synergien, noch dazu ganz tolle, innovative. (Bundesrat Leinfellner: Das ist ein Wahnsinn!)

Der erfolgreiche Verkehrsbetrieb der GKB bleibt ja, was die Bahn und den Busbetrieb betrifft, weiterhin erhalten. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Auch alle Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten bleiben erhalten. Dafür garantieren dann der Verkehrslandesrat der Steiermark (Bundesrat Leinfellner: Der ist in Pension, bis das übernommen ist!), SPÖ-Landes­parteiobmann Anton Lang, sowie die Frau Minister und ihr Ministerium. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn die ÖBB diesen Bereich übernehmen werden, dann gilt das in Zukunft auch für den gesamten Rahmenplan, für eine Modernisierung und für eine rasche Abwicklung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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In diesem Sinne, geschätzte Damen und Herren, wünschen wir doch gemeinsam diesen zwei bundesstaatlichen Betrieben – GKB und ÖBB – weiterhin viel Erfolg und vor allem auch zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die man in den ÖBB sicherlich finden wird, die es da auch gibt! Versuchen wir, die Bahn­ver­kehrsleistung zu verdoppeln: mit schnelleren, moderneren, besseren Verbindun­gen und vor allem auch mit zufriedenen Fahrgästen, die pünktlich dorthin kommen, wo sie hinkommen wollen, nämlich zu ihren Arbeitsplätzen, in die Schule und auch in der Freizeit überallhin! Möge das gelingen! – Ich schließe meine Ausführungen mit einem gemeinsamen, steirischen Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Auf die GKB!)

18.04


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte.


18.05.13

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Bundes­rät:innen! Mit mir meldet sich jetzt die fünfte Steirerin zu Wort. In dieser Debatte haben bisher nur Steirer und Steirerinnen gesprochen, und das zeigt, wie wichtig uns allen gemeinsam dieses Unternehmen ist, wie wichtig es für die Region ist und wie wichtig es ist, dass wir tun, was wir tun, nämlich im Bundesland Steiermark umfangreiche Investitionen zu tätigen: in den Ausbau der Infrastruktur, in den öffentlichen Verkehr und in eine gute Zukunft der GKB.

Zu Beginn möchte ich mich bei Bundesrat Schwindsackl bedanken, denn es ist wichtig, dass wir die Debatte sachlich führen. Wir kennen es aus dem Privaten: Nicht alles, was möglichst laut gesagt wird, ist deshalb richtiger. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Ich würde uns allen empfehlen, die Debatte sachlich, mit Empathie für die Mitarbeiter und im Sinne der Kundinnen und Kunden der GKB zu führen und bei den Fakten zu bleiben. Diese versuche ich jetzt noch einmal darzustellen.


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Wir haben in der Steiermark große Investitionen in die Bahninfrastruktur getätigt – das Steiermarkpaket ist schon angesprochen worden –: Die Fertigstellung der Koralmbahn schreitet zügig voran, sie wird für die Region eine wirkliche Zeitenwende sein. Gleichzeitig haben wir die vollständige Elektrifizierung des Streckennetzes der GKB, auch das ist eine Zeitenwende für den Betrieb der GKB, einzelne Abschnitte werden zweigleisig ausgebaut. Die planmäßige Umsetzung all dieser Infrastrukturprojekte in der Steiermark ist äußerst anspruchsvoll und deswegen bündeln wir die Kräfte und Expertise von zwei Eisenbahnunternehmen.

Es sind zwei Eisenbahnunternehmen – auch das ist schon gesagt worden –, die beide zu 100 Prozent im Eigentum der Republik Österreich stehen. Das Jahrhundertprojekt, die Infrastrukturen der GKB und der ÖBB im Rahmen der Fertigstellung der Koralmbahn zu verzahnen, bedeutet, dass wir das auch auf exakt gleichem technischen Niveau machen können. Und warum machen wir das überhaupt? – Auch das ist von Bundesrätin Huber vorhin schon angesprochen worden: weil wir dort in mehr Angebot investieren wollen. Durch die Elektrifizierung des Regionalverkehrs in der Weststeiermark machen wir eine Verdopplung der Verkehrsleistung möglich. Und genau darum geht es: Wir wollen im Zusammenspiel mit den neuen Elektrofahrzeugen zu schnelleren Verbindungen, zu kürzeren Taktfolgen kommen, weil wir das in der Region brauchen.

Was sind die Ziele dieser Integration? Was wollen wir mit der Integration des Teilbetriebs Infrastruktur der GKB in die ÖBB-Infrastruktur erreichen? – Einerseits ist es die effiziente Abwicklung der Infrastrukturprojekte der GKB, also der Elektrifizierung beziehungsweise des zweigleisigen Ausbaus und der Errichtung von Unterführungen in Graz. Diese Projekte – nur, damit das auch hier transparent gemacht wird – werden schon jetzt durch die ÖBB durchgeführt. Es ändert sich also selbst an der Umsetzung der Projekte nichts, weil sie bereits jetzt durch die ÖBB-Infrastruktur durchgeführt werden. Wir wollen also den


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öffentlichen Verkehr in der Weststeiermark stärken und die Weiterführung des erfolgreichen Verkehrsunternehmens GKB sicherstellen.

Mit der Integration bei der Infrastruktur können wir tatsächlich Synergien heben, und ich darf jetzt noch zwei Dinge differenzieren: Wir können finanzielle Synergien im mittleren einstelligen Millionenbetrag heben, das sind tatsächlich Einsparungen. Wir können aber darüber hinaus über die Umstellung der Finanzierung das jährliche Budget entlasten. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Investitionskosten in die Infrastruktur geringer werden, sondern sie gehen in das sehr erfolgreiche Modell der ÖBB-Rahmenplanfinanzierung über. Um diese beneiden uns unsere Kollegen und Kolleginnen aus den Nachbarländern übrigens sehr, denn langfristige Sicherheit, Planbarkeit über sechs Jahre hat sonst keiner. In Summe sind das Synergieeffekte, bei denen es sich auszahlt, sie zu heben.

Der Betrieb der Infrastruktur der GKB war in den letzten Jahren ein Zuschussbetrieb. Das heißt, es gab im Jahr 17 Millionen Euro Zuschuss aus dem Betrieb in die Infrastruktur. Auch das ist ein Faktor, den es für die finanzielle Gesundheit des Unternehmens zu beachten gilt.

Ich verstehe es (Bundesrat Leinfellner: Nein, das glaub’ ich nicht!), und das haben schon etliche gesagt: In Zeiten des Umbruchs gibt es Verunsicherung, in Zeiten von Veränderung gibt es Verunsicherung. Ich möchte mich wirklich auch beim Betriebsrat und bei der Gewerkschaft bedanken, bei allen, die sich gemeinsam bemühen, und zwar sowohl aufseiten der GKB als auch aufseiten der ÖBB.

Dieser Verunsicherung ist mit Fakten entgegenzutreten, mit Aufklärung, auch mit Einzelgesprächen mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denn das ist uns allen ein Anliegen, und dieser Beschluss heute ist auch wichtig, weil er Klarheit schafft, weil man damit auch in den nächsten Zeitraum übergehen kann. Aus diesem Grund, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass dieser Beschluss heute gefasst wird.


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Ich habe den Angestellten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der GKB-Infrastruktur, die jetzt in die ÖBB wechseln, auch den Kollegen in der Steiermark – das sehen Sie in diesem Gesetz, von Anfang an war mir das ein Anliegen –, von Anfang an kommuniziert, dass es eine umfassende regionale Arbeitsplatzgarantie gibt, die auf Bezirksebene wirkt. Ich glaube, das ist das erste Gesetz, das eine bezirksmäßige Arbeitsplatzgarantie ermöglicht.

Wir haben alle Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GKB, die in die ÖBB-Infrastruktur AG übergehen, gewahrt – die sind mit diesem Gesetz gewahrt. Ich möchte mich an dieser Stelle wirklich auch sehr herzlich beim Betriebsrat der GKB bedanken, der in einer schwierigen Situation ist, aber in der Begutachtung auch anerkennend gesagt hat – genauso wie die Arbeiter­kammer –, dass das, was da für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelungen ist, gut ist. Das war mir wichtig, und deswegen auch wirklich ein Danke an die Mitarbeiter. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schachner.)

Jetzt steht – und das ist der Antrag von Bundesrat Schachner – die Frage nach den Rechten der im restlichen Betrieb der GKB verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Raum. Da ist die Sicherung der Rechte der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer in gewerkschaftlicher, in sozialpartnerschaftlicher Hand, wie, glaube ich, von Ihnen erkämpft und gut verteidigt. Wir machen aber natürlich unseren Teil: Wir verhandeln gerade den nächsten Verkehrsdienste­vertrag für die GKB, und zwar einen realen Vertrag mit realen Zahlen, mit realen Finanzierungen, der dieses Unternehmen im Absatzbetrieb de facto ausfinanziert. Dieser VDV, Verkehrsdienstevertrag, wird bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Ich darf Ihnen abschließend noch versichern: Wir haben bei diesem Integrations­projekt wirklich größtes Augenmerk darauf gelegt, dass sich der Erfolg des Unternehmens GKB – und das ist ein erfolgreiches Unternehmen, nicht nur ein Unternehmen mit großer Tradition, sondern ein Unternehmen, das zum Beispiel im Güterverkehrsbereich einen Standard setzt, wirklich erfolgreiche Arbeit


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macht – mit diesem Integrationsprojekt auf der Infrastrukturseite nicht ändert. Ganz im Gegenteil: Wir werden unser Möglichstes tun, dass die GKB auch nach dieser Integration der Infrastruktur in die ÖBB als Unternehmen voll funktionstüchtig bleibt, wirtschaftlich gut abgesichert ist, ein gutes Umfeld für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bildet und in der Region alle mit noch besserem Service transportieren kann, mit noch besseren Verbindungen auf einer besseren Infrastruktur, mit besseren Fahrzeugen in einem dichteren Takt – also ein Unternehmen ist, das einer guten Zukunft entgegengeht.

Dafür werden wir weiterhin genauso konstruktiv arbeiten, wie wir es bisher getan haben. Deswegen herzlichen Dank an alle, die da dabei sind! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.14


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Es liegt noch eine weitere Wortmeldung vor, und zwar gelangt Herr Bundesrat Horst Schachner zu Wort. – Bitte.


18.14.14

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Schaut, noch einmal: Mit dem, was Sie jetzt gesagt haben, haben Sie in vielen Punkten auch recht, da muss ich Ihnen recht geben, das stimmt auch. Zum Vertrag für die 190 Leute, die rüberkommen: Da gibt es keinen besseren, ich kenne keinen besseren in ganz Österreich.

Es geht aber um die 320, die übrig bleiben, die machen sich Sorgen. Ich kann Ihnen jetzt sagen, dass dort im Unternehmen 110 Millionen Euro aus Rücklagen sind, und 70 sollen jetzt schon einmal rauskommen. Die sollen jetzt irgendwo ins Verkehrsministerium kommen, und das wissen die Leute natürlich. Deswegen haben sie Angst, und ich habe auch nichts anderes gesagt. Der Absatzbereich, der übrig bleibt, diese 320 Personen haben Angst. (Bundesrat Leinfellner: Das weiß sie nicht!)


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Wir wissen schon, dass wir uns als Gewerkschafter helfen können, das ist kein Problem, aber viel besser wäre es, wenn die die gleiche Regelung kriegen würden, die die ÖBBler bei der Abspaltung für das Verbliebene gekriegt haben – dass sie auch für die nächsten fünf, zehn, vielleicht 15 Jahre einen sicheren Arbeitsplatz haben. – Das habe ich gemeint. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Leinfellner und Spanring.)

18.15


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen doch noch vor. Zu Wort gelangt Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte.


18.15.25

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Das waren jetzt zwei intensive Tage, ich glaube, für uns alle, aber trotzdem muss ganz kurz noch die Zeit sein: Es waren nicht nur für uns intensive Tage, sondern besonders intensive Tage waren es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Parlament. Vielen Dank für die Arbeit im letzten halben Jahr! Die war ganz, ganz großartig – sei es die Reinigung, sei es das Expedit, seien es die parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, seien es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Klubs. Da wird ganz, ganz tolle Arbeit geleistet, ohne die wir als Bundesrätinnen und Bundesräte unsere Arbeit nicht machen könnten. – Vielen Dank dafür, und ich wünsche im Namen meiner Fraktion alles Gute und erholsame Tage im Sommer, damit Sie wieder gestärkt in den Bundesrat zurückkommen! (Allgemeiner Beifall.)

18.16


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist noch Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte.


18.16.21

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Das gibt es natürlich wie üblich von unserer Seite auch: allen Mitarbeitern – allen Parlamentsmitarbeitern, allen Sicherheitsmitarbeitern, der Bundesratskanzlei – wunderschöne Ferien!


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Wunderschöne freie Tage wünsche ich euch, erholt euch gut! Es ist nicht immer ganz wenig anstrengend mit uns hier herinnen, das ist uns allen schon bewusst. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Erholt euch gut, damit ihr im Herbst dann wieder voller Kraft und voller Stärke zurück seid, damit ihr uns auch wieder besser ertragt!

Der Regierung wünsche ich - - Nein, wir machen es anders: Der österreichischen Bevölkerung wünsche ich, dass es die Regierung über den Sommer zerreißt und dann vielleicht im Herbst Neuwahlen sind. Ansonsten: Erholt euch gut und einen schönen Sommer! (Beifall bei der FPÖ.)

18.17


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Karlheinz Kornhäusl. – Bitte.


18.17.17

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Ja, lieber Christoph Steiner, den Wunsch kann ich dir leider nicht erfüllen, so traurig dich das jetzt auch stimmen mag. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Das stimmt, dass du uns das nicht erfüllen kannst ...!)

Was ich aber natürlich teile und wo ich mich anschließen möchte, ist, dass ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses, egal in welcher Position, egal an welcher Stelle, ganz, ganz herzlich bedanken möchte. Ihr liefert alle großartige Arbeit.

Ich möchte mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen Bundesrätinnen und Bundesräten sehr herzlich für die über weite Strecken kollegiale Zusam­menarbeit bedanken, auch wenn man schon kritisch anfügen muss, dass das, was gestern hier passiert ist, aber auch schon zuvor, teilweise manche Grenzen des Anstands überschritten hat. Ich glaube, das darf man an dieser Stelle auch


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einmal sagen. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ, Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ – Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)

Es ist ja heute schon gesagt worden: Man glaubt gar nicht, wie viel Applaus oder wie viel Lob man dann doch aushält. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich glaube, umso besser ist es, dass wir jetzt zumindest ein paar Tage haben, in denen wir ein bisschen zur Ruhe kommen können, in denen man sich erholen kann. Das wünsche ich Ihnen allen von Herzen: ein paar Tage gemeinsam mit der Familie, im Kreise Ihrer Lieben, um sich zu erholen, um Kraft zu schöpfen.

Ich für meinen Teil kann jedenfalls sagen: Ich freue mich, Sie und euch alle dann spätestens im Herbst wiederzusehen. – Herzlichen Dank und schönen Sommer! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.19


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


18.19.25

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Natürlich muss auch ich etwas sagen: Vor allem bedanke ich mich natürlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion, der Bundesratskanzlei, aber auch der Klubs. Es war anstrengend, es waren zwei sehr herausfordernde Tage, auch für uns – das kann man schon sagen. Natürlich wünsche ich allen einen wunder­schönen Sommer – erholt euch gut!

Ich wünsche euch einen wunderschönen Sommer, und weil ja Kärnten die Präsidentschaft innehat auch auf Slowenisch: Imejte cudovito poletje! (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

18.20

18.20.11



BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 282

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das sehe ich nicht. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Sicherstellung der Arbeitnehmer:innenrechte für die verbleibenden Mitarbeiter:innen der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmBH (Absatzgesellschaft)“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt. (Bundesrat Leinfellner – in Richtung ÖVP und Grüne –: So viel sind euch die Mitar­beiter wert?! Unglaublich!)

18.21.2618. Punkt

Wahl von Mitgliedern und eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tages­ordnung.

Es liegen mir folgende Nominierungen der Fraktionen vor:


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 283

Mitglieder:

von der ÖVP vorgeschlagen: Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler aus Salzburg;

von der FPÖ vorgeschlagen: Bundesrätin Marlies Doppler aus Salzburg;

Ersatzmitglied:

von der SPÖ vorgeschlagen: Bundesrat Michael Wanner aus Salzburg.

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diese Wahl­vorschläge durch ein Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Die Wahlvorschläge sind somit angenommen.

18.22.3319. Punkt

Antrag der Bundesrät:innen Mag.a Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Kindern Perspektiven geben – unbeschwert, chancenreich und demokratisch erwachsen werden“ (393/A-BR/2023)

18.22.34


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 284

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 393/A-BR/2023 der Bundesräte Mag. Claudia Arpa, Dr. Karlheinz Kornhäusl, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Kindern Perspektiven geben – unbeschwert, chancenreich und demokratisch erwachsen werden“.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Abhaltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbständigen Antrag 393/A-BR/2023 verweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.24.24*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 5. Oktober 2023, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 3. Oktober 2023, 14 Uhr, vorgesehen.


BundesratStenographisches Protokoll957. Sitzung, 957. Sitzung des Bundesrats vom 13. Juli 2023 / Seite 285

Auch ich bedanke mich recht herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern, bei allen Kolleginnen und Kollegen und Bundesrätinnen und Bundesräten und wünsche einen schönen Sommer. Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

18.25.17Schluss der Sitzung: 18.25 Uhr

 

 

 

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