Stenographisches Protokoll

22. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 12. Juni 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Stenographisches Protokoll

22. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode               Donnerstag, 12. Juni 2003


Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Juni 2003: 9.00 – 22.21 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen

Beratungsgruppen: Oberste Organe; BKA mit Dienststellen; Soziale Sicherheit, Gene­rationen und Konsumentenschutz

2. Punkt: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen

Beratungsgruppen: Oberste Organe; BKA mit Dienststellen; Soziale Sicherheit, Gene­rationen und Konsumentenschutz

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................... ....... 6

Ordnungsruf ................................................................................................................... 22

Geschäftsbehandlung

Mitteilung des Präsidenten Dr. Andreas Khol betreffend Beschluss in der Prä­sidialkonferenz über die Vorgangsweise in den Budgetberatungen ....................................................................... 7

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ............................................................................................................ 8

Wortmeldungen im Zusammenhang mit einer von Abgeordnetem Dipl.-Ing. Uwe Scheuch angebrachten tatsächlichen Berichtigung:

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................... 148

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 150

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 150

Mag. Wilhelm Molterer .............................................................................................. 150


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22. Sitzung / Seite 2

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung              ............................................................................................................................. 149

Beschluss über Vertagung der Beratungen über die Bundesfinanzgesetze für das Jahr 2003 und das Jahr 2004 samt Anlagen ............................................................................................... 223

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 6

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 6

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Finanzen betreffend mehr als 27 Millionen € für Selbstdarstellung und Reklame (520/J) ............................ 102

Begründung: Dr. Josef Cap ........................................................................................ 107

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .............................................................. 113

Debatte:

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 119

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 122

Josef Bucher ............................................................................................................... 125

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 126

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 129

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 131

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 133

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 135

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 137

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 139

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen (112 d. B.) .......................................................................... 8

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (61 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen (113 d. B.) .......................................................................... 8

Beratungsgruppe Oberste Organe: Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei, Kapitel 02: Bundesgesetzgebung, Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof, Kapitel 04: Ver­waltungsgerichtshof, Kapitel 05: Volksanwaltschaft, Kapitel 06: Rechnungshof
........................................................................................................................................... 9

Beratungsgruppe BKA mit Dienststellen: Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen, Kapitel 13: Kunst, Kapitel 70: Öffentliche Leistung und Sport (nur im Budget 2003) ........................ 9

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 10

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 13

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 17


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22. Sitzung / Seite 3

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 22

Dieter Brosz (tatsächliche Berichtigungen) ...........................................................  26, 33

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..............................................................  27, 45

Mag. Barbara Prammer ............................................................................................... 33

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................... 36

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 37

Josef Bucher ................................................................................................................. 40

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 42

Dr. Andrea Wolfmayr ................................................................................................... 45

Michaela Sburny ........................................................................................................... 47

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 49

Staatssekretär Franz Morak ........................................................................................ 51

Mag. Gisela Wurm ........................................................................................................ 53

Peter Haubner ............................................................................................................... 54

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 57

Elmar Lichtenegger ..................................................................................................... 59

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 62

Dr. Gertrude Brinek ..................................................................................................... 63

Dieter Brosz .................................................................................................................. 65

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................... 66

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 68

Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 69

Karl Öllinger .................................................................................................................. 70

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 72

Mag. Andrea Kuntzl ..................................................................................................... 74

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................................................. 75

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 77

Mag. Christine Muttonen (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 79

Mares Rossmann ......................................................................................................... 79

Mag. Walter Posch ....................................................................................................... 81

Jakob Auer .................................................................................................................... 83

Heidemarie Rest-Hinterseer ....................................................................................... 85

Detlev Neudeck ............................................................................................................. 86

Beate Schasching ........................................................................................................ 87

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ................................................................  89, 152

Carina Felzmann .......................................................................................................... 91

Dr. Johannes Jarolim .................................................................................................. 92

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ................................................................................. 94

Otto Pendl ..................................................................................................................... 95

Herta Mikesch ............................................................................................................... 97

Stefan Prähauser .......................................................................................................... 98

Mag. Hans Langreiter .................................................................................................. 99

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 100

Christian Faul ............................................................................................................. 101

Edeltraud Lentsch ...................................................................................................... 140

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 141

Johannes Zweytick .................................................................................................... 142

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 144

Anita Fleckl ................................................................................................................. 144

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 145

Gerhard Steier ............................................................................................................ 146

Hermann Krist ............................................................................................................ 147

Katharina Pfeffer ........................................................................................................ 151


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22. Sitzung / Seite 4

Beratungsgruppe Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten­schutz: Kapitel 15: Soziale Sicherheit, Kapitel 16: Sozialversicherung, Kapitel 19: Familie, Generationen, Konsumentenschutz      ............................................................................................................................. 153

Redner:

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 153

Dr. Werner Fasslabend .............................................................................................. 155

Karl Öllinger ................................................................................................................ 158

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 162

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 163

Astrid Stadler .............................................................................................................. 165

Sabine Mandak ........................................................................................................... 167

Maximilian Walch ....................................................................................................... 168

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 170

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 171

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 172

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 174

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 176

Karl Dobnigg ............................................................................................................... 178

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................................... 179

Josef Broukal (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 184

Karl Donabauer .......................................................................................................... 185

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 186

Barbara Rosenkranz ............................................................................................... ... 188

Renate Csörgits .......................................................................................................... 190

Christine Marek .......................................................................................................... 191

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 192

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 194

Franz Riepl .................................................................................................................. 196

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 197

Dieter Brosz ................................................................................................................ 198

Anton Wattaul ............................................................................................................. 200

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 201

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 201

Barbara Riener ........................................................................................................... 202

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber ................................................................................. 203

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 205

Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................................. 206

Gabriele Binder .......................................................................................................... 209

Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................................................... 209

Manfred Lackner ........................................................................................................ 210

Notburga Schiefermair .............................................................................................. 212

Mag. Melitta Trunk .................................................................................................. ... 213

Maria Grander ............................................................................................................. 214

Mag. Barbara Prammer (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 215

Dietmar Keck .............................................................................................................. 215

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 216

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 217

Ing. Josef Winkler........................................................................................................ 218

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 219

August Wöginger ....................................................................................................... 220

Ingrid Turkovic-Wendl ............................................................................................... 221

Anna Höllerer .............................................................................................................. 221

Dipl.-Ing. Hannes Missethon ..................................................................................... 222


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22. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Einstellung der Förderungen aus der Bundes-Jugendförderung an den Österreichischen Pennälerring – Ablehnung siehe 25. NR, 18.6.2003 ......................................................................................................... 199

Eingebracht wurden

Antrag der Abgeordneten

Heinz Gradwohl, Fritz Grillitsch, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend laufende Berichterstattung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft über den jeweiligen Stand der Verhandlungen der Reform der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) und der WTO-Verhandlungen (149/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend mehr als 27 Millionen € für Selbstdarstellung und Reklame (520/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Fahrtechnikzentrum und Restaurant in Marchtrenk/OÖ (521/J)

Anna Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Maßnahmen gegen den zunehmenden Flugverkehr über Vorarlberg (522/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Ausbildung von ABC-Abwehr-Kräften in Vyskov/Dedice, Tschechische Republik (523/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Ausbildung von ABC-Abwehr-Kräften in Vyskov/Dedice, Tschechi­sche Republik (524/J)



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22. Sitzung / Seite 6

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Peter Schieder, Dr. Caspar Einem und Dr. Evelin Lichtenberger.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzler­amt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitglie­dern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter wird durch den Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (96 der Bei­lagen);

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundes­betreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden (120 der Beilagen);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Agrarrechtsänderungsgesetz 2003 (117 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1999 geändert wird (122 der Beilagen);

Umweltausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Wasserbautenförde­rungsgesetz 1985 geändert werden sowie das Hydrografiegesetz aufgehoben wird (121 der Beilagen);


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22. Sitzung / Seite 7

Verfassungsausschuss:

Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lett­land, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Po­len, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (110 der Beilagen);

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (119 der Beilagen).

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor ich in die Tagesordnung eingehe und Beschlüsse herbeiführe, möchte ich das Hohe Haus davon informieren, dass wir gestern in einer Präsidialkonferenz, die nach Schluss der Haussitzung stattfand, Einvernehmen über eine neue Vorgangsweise der Gestaltung der Budgetdebatte gefunden haben.

Wir debattieren in diesen Tagen das Budget 2003 und das Budget 2004. Die bisherige Praxis war die, dass wir eine Debatte über mehrere Tage geführt haben, an jedem Tag dann die Sitzung unterbrochen, diese am nächsten Tag wieder aufgenommen haben und die Abstimmungen am Schluss gemacht haben.

Wir sind nun draufgekommen, dass dieses Praxis Geschäftsordnungsprobleme auf­wirft, weil in einer Debatte jeweils ein Redner nur 20 Minuten lang reden und nur zwei Wortmeldungen abgeben darf. Das hätte bedeutet, dass gerade für die kleineren Frak­tionen die Redezeit gewaltig eingeschränkt gewesen wäre, und darüber hinaus, dass man für die gesamte Budgetdebatte nur eine Dringliche Anfrage, einen Dringlichen Antrag und nur eine Kurzdebatte hätte herbeiführen können.

Wir haben gestern in der Präsidialkonferenz folgende neue Vorgangsweise beschlos­sen: dass wir nicht jeden Tag die Sitzung unterbrechen, sondern uns vertagen, daher jeden Tag mit einer neuen Sitzung beginnen. Daher besteht jeden Tag für jeden Ab­geordneten die Möglichkeit, 20 Minuten lang zu reden und zwei Wortmeldungen ab­zugeben. Außerdem besteht jeden Tag die Möglichkeit zur Wahrnehmung der Minder­heitsrechte beziehungsweise der Kontrollrechte des Hohen Hauses, nämlich die Mög­lichkeit, Dringliche Anträge, Dringliche Anfragen und Anträge auf Kurzdebatten zu stel­len.

Darüber bestand Einvernehmen, und ich bedanke mich bei den Mitgliedern der Präsi­dialkonferenz, dass wir ein schwieriges Problem einvernehmlich auch nach einem lan­gen Tag lösen konnten.

Wird dazu das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

*****

Behandlung der Tagesordnung

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich komme jetzt zu den formellen Mitteilungen.

Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung zusam­menzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.


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22. Sitzung / Seite 8

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Klub der SPÖ hat gemäß § 93 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 520/J der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „mehr als 27 Millionen € für Selbstdarstellung und Reklame“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestal­tung und Dauer der Debatte erzielt.

Demgemäß wurde für den heutigen Sitzungstag eine Tagesblockzeit von 10 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 175 Minuten, Freiheitliche 120 Minuten, Grüne 130 Minuten.

Einvernehmen besteht weiters darüber, dass die Redezeitregelung für Regierungsmit­glieder gemäß § 57 Abs. 8 GOG nicht in Anspruch genommen wird.

Bei Überschreitung der 20 Minuten Redezeit für jedes ressortzuständige Regierungs­mitglied beziehungsweise bei Überschreitung der 10 Minuten Redezeit für jeden res­sortzuständigen Staatssekretär, und zwar bei den jeweiligen Teilen der Bundesfinanz­gesetze, wird die überzogene Redezeit jeweils auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet.

Die Redezeit ressortfremder Regierungsmitglieder beziehungsweise Staatssekretäre wird jedenfalls auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet. Ausgenommen davon ist die Redezeit des Herrn Vizekanzlers bei der anlässlich der Behandlung der Gruppen „Oberste Organe“ und „Bundeskanzleramt mit Dienststellen“ abgehaltenen Generaldebatte, soweit die Redezeit die Dauer von 10 Minuten nicht überschreitet.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

1. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen (112 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (61 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen (113 der Beilagen)

 



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22. Sitzung / Seite 9

Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 und 2 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies Berichte des Budgetausschusses über die Regierungsvorlagen (60 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen (112 der Beilagen)

und

(61 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen (113 der Bei­lagen).

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Im Sinne einer in der Präsidialkonferenz einvernehmlich abgesprochenen Vorgangs­weise wird die Debatte in

einen Teil Oberste Organe und in einen Teil BKA mit Dienststellen,

einen Teil Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz,

einen Teil Justiz,

einen Teil Militärische Angelegenheiten,

einen Teil Wirtschaft und Arbeit,

einen Teil Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft,

einen Teil Gesundheit und Frauen,

einen Teil Inneres,

einen Teil Äußeres,

einen Teil Verkehr, Innovation und Technologie,

einen Teil Bildung, Wissenschaft und Kultur und einen

weiteren Teil Finanzen

gegliedert.

Die Gliederung ist den Abgeordneten auch schriftlich zugegangen.

Die Abstimmungen über die Entwürfe der Bundesfinanzgesetze 2003 und 2004 werden am Mittwoch, dem 18. Juni 2003, stattfinden.

Oberste Organe

Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei

Kapitel 02: Bundesgesetzgebung

Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof

Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof

Kapitel 05: Volksanwaltschaft

Kapitel 06: Rechnungshof

BKA mit Dienststellen

Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen

Kapitel 13: Kunst

Kapitel 70: Öffentliche Leistung und Sport (für das Budget 2003)

 



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22. Sitzung / Seite 10

Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung des Teiles „Oberste Organe“.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Wunschgemäß stelle ich ihm die Redezeit auf 15 Minuten ein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


9.08

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Mitglieder der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Mei­ne sehr verehrten Damen und Herren! Das Doppelbudget der Jahre 2003 und 2004 ist für uns vor allem vor folgendem Hintergrund zu betrachten: Welchen Beitrag leistet dieses Doppelbudget in dieser wirtschaftlich nicht sehr einfachen Situation: einen Bei­trag dazu, dass das Wachstum in Österreich ein stärkeres wird, dass es uns gelingt, die Beschäftigung zu steigern und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren? Welchen Beitrag leistet dieses Budget zur Stabilisierung der staatlichen Ausgaben und der öffentlichen Haushalte? Und welchen Beitrag leistet dieses Budget vor allem für die Chancen und Möglichkeiten, die die Österreicherinnen und Österreicher in den nächsten zwei Jahren brauchen werden?

Wenn ich dieses Doppelbudget vor diesem Hintergrund betrachte, werde ich versu­chen, eine faire Bewertung durchzuführen, Herr Finanzminister, und zwar eine faire Bewertung vor allem vor dem Hintergrund Ihrer angekündigten Zielsetzungen, auch jener in Ihrer Budgetrede.

Sie, Herr Finanzminister, haben darauf hingewiesen, dass es darum geht, mehr Wachstum zu erzielen, und Ihrem eigenen Budget und den Begleitheften liegt zugrun­de, dass auf Basis Ihres Budgets das Wirtschaftswachstum in Österreich in den nächs­ten Jahren um 0,4 Prozent geringer sein wird als jenes im europäischen Durchschnitt.

Das war nicht immer so: Österreich hat in den letzten eineinhalb Jahrzehnten meistens ein wirtschaftliches Wachstum gehabt, das bedeutend über dem durchschnittlichem Wachstum in der Europäischen Union gelegen ist. Nun verzichten Sie auf ein so hohes Wachstum und bescheiden sich mit 0,4 Prozent weniger, als der europäischen Schnitt ausmacht.

Herr Finanzminister! Das scheint mir keine sehr ambitionierte Wachstumspolitik zu sein, sondern – ganz im Gegenteil! – das Akzeptieren, dass Österreich von der euro­päischen Überholspur auf die europäische Kriechspur kommt. Das ist keine gestal­tende Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Weshalb das so ist, kann man auch aus den Zahlen herauslesen, die Sie uns vorgelegt haben.

Wenn zum Beispiel im heurigen Jahr die öffentlichen Investitionen des Bundes um 40 Prozent weniger sein werden, als das im Jahre 2002 der Fall war, dann heißt das doch nichts Anderes, als dass die öffentliche Hand ihre Verantwortung für Investitionen zurücknimmt.

Wenn, was die Entwicklung der Kaufkraft in Österreich betrifft, gerade auf Grund der gestern beschlossenen Budgetbegleitgesetze die Lohneinkommen und die Pensions­einkommen real nicht steigen, sondern bestenfalls stagnieren werden, dann heißt das, dass auch auf der Ebene der Kaufkraft in Österreich nichts in Form eines zusätzlichen Anreizes für das wirtschaftliche Wachstum geschieht.

Wenn man betrachtet, wie die langfristigen Wachstumsfaktoren aussehen, nämlich Investitionen in Bildung, in Wissenschaft und Forschung, dann sieht man, dass die Ansätze, die sie im Budget gewählt haben, weit hinter den selbstgestellten Zielsetzun­gen zurückbleiben.


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22. Sitzung / Seite 11

Daher entsprechen diese Doppelbudgets, Herr Finanzminister, nicht Ihrer Ankündi­gung, alles zu tun, um das wirtschaftliche Wachstum zu fördern, sondern ganz im Ge­genteil: Sie leisten den größten Beitrag dazu, dass sich das Wachstum in Österreich nicht besser entwickeln kann! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben in den vergangenen Jahren in Ihren Budgetreden immer darauf hingewie­sen, Sie hätten keine Möglichkeiten, denn das Nulldefizit sei die große Zielsetzung, die über allen anderen Zielsetzungen zu stehen hat. Ich kann mich erinnern, dass Sie, Herr Finanzminister, schon bei mehreren Budgetdebatten hier im Parlament auf Vor­schläge, dass die Bundesregierung aktiver in der Investitionspolitik sein sollte, um einen Beitrag zu einem stärkeren wirtschaftlichen Wachstum zu leisten, meistens in der Weise reagiert haben, indem Sie gesagt haben, all diese Vorschläge würden das Nulldefizit gefährden und daher wären diese Vorschläge nicht relevant.

Interessant und bemerkenswert ist daher, dass Sie in Ihrer heurigen Budgetrede wort­wörtlich gesagt haben, „dass in einer schwächeren konjunkturellen Phase, wie wir sie derzeit in Österreich haben, Defizite im Staatshaushalt durchaus sinnvoll sind“.

Herr Minister, haben Sie die Entwicklung der letzten zwei Jahre verschlafen? Wir hat­ten in Österreich auch schon im Jahr 2001 und im Jahr 2002 eine schwierige konjunk­turelle Situation, und da lautete jeweils Ihre Antwort: Wir müssen unbedingt das Nullde­fizit erreichen und können uns daher nicht mehr Investitionen leisten!

Das Ergebnis dieser Politik war, das Sie im Jahre 2002 weder das Nulldefizit erreicht noch Ihren selbst gewählten Budgetpfad eingehalten haben, sondern ganz im Gegen­teil: Es ist Ihnen das Budgetdefizit explodiert!

Das heurige Budgetdefizit ist auch nicht das Ergebnis einer gestaltenden Wirtschafts­politik, sondern das Ergebnis der Versäumnisse in der Wirtschaftspolitik der letzten beiden Jahre, da Sie wieder nicht bereit gewesen sind, zu investieren und einen Bei­trag zur Wachstumspolitik zu leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Einsicht, Herr Finanzminister, kommt etwas zu spät. Doch das Lehrgeld für diese Wirtschaftspolitik müssen die Österreicherinnen und Österreicher zahlen, und zwar vor allem jene Menschen, die in den letzten beiden Jahren ihren Arbeitsplatz verloren ha­ben.

Da Sie mit Stolz immer darauf verweisen, dass unsere Arbeitslosenrate bedeutend niedriger ist als jene im europäischen Durchschnitt, muss ich Ihnen sagen: Das ist zwar richtig und auch wichtig für Österreich, aber wenn wir diese Frage ehrlich analysieren, dann müssen wir doch feststellen, dass Österreich bereits seit mehr als zwei Jahrzehn­ten eine bedeutend geringere Arbeitslosigkeit hat, als es sie im europäischen Schnitt gibt.

Aber der Schlüssel zu dieser geringeren Arbeitslosigkeit ist unter anderem Ausfluss einer zentralen Überzeugung gewesen: Wir haben nämlich in Österreich Wirtschafts­politik immer so verstanden, dass man, wenn man eine zu hohe Sockelarbeitslosigkeit hat, selbst in Zeiten guter Konjunktur von dieser Sockelarbeitslosigkeit nur sehr schwer wegkommen kann. Entscheidend war daher, dass wir am Ende der siebziger und am Beginn der achtziger Jahre, als die Arbeitslosigkeit in den anderen europäischen Staa­ten explodiert ist, eine Wirtschaftspolitik betrieben haben, auf Grund welcher es in Ös­terreich gelungen ist, die Sockelarbeitslosigkeit gering zu halten. Dieser historische Bezug macht Folgendes deutlich: Dass wir in Österreich heute eine niedrige Arbeitslo­sigkeit haben, ist in erster Linie das Verdienst Ihrer Vorgänger – und nicht Ihr Ver­dienst, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Herr Abgeordneter Stummvoll, weil Sie gar so amüsiert sind: Betrachten wir einmal die Leistung in der Arbeitsmarktpolitik des derzeitigen Finanzministers: Das Unangenehme ist doch, dass unbeschadet der in Österreich niedrigeren Arbeitslosigkeit die österrei­chische Arbeitslosenrate im Rahmen der Europäischen Union am allerstärksten an­steigt. Das heißt, das die Gefahr besteht, dass in der derzeitigen wirtschaftlichen Krise die Sockelarbeitslosigkeit in Österreich steigt, von der, nach einem hoffentlich baldigen Ende dieser Krise wieder wegzukommen, sehr schwer sein wird.

Herr Finanzminister, es wäre Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir nicht den höchs­ten Zuwachs an Arbeitslosigkeit in Europa erreichen, sondern dass die Arbeitslosigkeit unter den bestehenden Bedingungen sinkt – wie das im Übrigen auch einige euro­päische Staaten zusammenbringen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fasslabend: Deutschland!)

Ich höre aus den Reihen der ÖVP schon wieder das „Keulen-Argument“. Sie dürften offensichtlich mit Deutschland mehr zu tun haben als mit der österreichischen Realität, denn es fällt Ihnen – und das ist eklatant – bei jeder wirtschaftspolitischen Diskussion nichts Anderes ein als das Argument: Schauen wir nach Deutschland! (Abg. Scheib­ner: Sagen Sie, wie Sie es machen würden!), als ob Deutschland das einzige Land in Europa wäre, das man als Maßstab für die österreichische Wirtschaftspolitik heranzie­hen könnte. (Abg. Dr. Stummvoll: Rot-Grün ist sehr peinlich!)

Ich habe den Eindruck, Herr Abgeordneter Stummvoll, dass Sie es sich, wenn es um die österreichische Wirtschaft geht, zu einfach machen. Glauben Sie wirklich, dass der Verweis auf Deutschland irgendein wirtschaftspolitisches Problem in Österreich löst? Ich sage Ihnen: Es löst in Wirklichkeit kein einziges, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Der Vergleich macht uns sicher!)

Es ist schon eine außerordentlich defensive Haltung, wenn man sich, wenn man bei 15 Staaten in der Europäischen Union an 14. Stelle liegt, nicht mit den 13 Staaten, die, was das wirtschaftliche Wachstum betrifft, vorne liegen (Abg. Dr. Stummvoll: Das stimmt nicht!), vergleicht, sondern mit dem einzigen Staat, der an letzer Stelle liegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo bleiben denn ihre vollmundigen Ankün­digungen, dass wir unter die besten Drei in Europa kommen sollen? Wieso vergleichen Sie sich nicht mit den skandinavischen Staaten und mit deren wirtschaftspolitischen Erfolgen, mit jenen Staaten, die im Ranking vor Österreich liegen? Wenn es darum geht, die Zukunft Österreichs positiv zu gestalten, dann sollte man sich doch mit jenen Staaten vergleichen, die es besser machen – und nicht mit jenen Staaten, die es schlechter machen. Das wäre eine bedeutend bessere Politik für Österreich als Ihr dauernder Verweis auf Deutschland! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Kernpunkt dieser Budgets – vom Finanz­minister immer wieder so dargestellt – ist der Beginn der „größten Steuersenkung“ und die Steuerfreistellung von Einkommen von unter 1000 €. – Es stimmt, dass viele Men­schen von dieser Steuersenkung profitieren werden. Aber haben Sie sich schon einmal angesehen, in welchem Ausmaß sie profitieren werden? Die Hälfte aller Men­schen, die von dieser Steuersenkung profitieren werden, werden mit exakt 4 € pro Jahr davon profitieren, also mit weniger als 40 Cent pro Monat.

Wenn man dem gegenüberstellt: die Belastungen durch die Erhöhung der Energie­steuern, die Gebührenerhöhungen, die nun angekündigten Pensionskürzungen und die Notwendigkeiten, die daraus für eine private Pensionsvorsorge entstehen, dann er­kennt man: Diese so genannte Steuersenkung ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein! Sie gleicht bei weitem nicht jene Belastungen aus, die die österreichische Bevölkerung in den nächsten zwei Jahren zu ertragen haben wird, meine sehr verehr­ten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrer Rede des öfteren darauf hingewiesen, dass eine kleine Volkswirtschaft kaum eigenständige Möglichkeiten hat, das wirtschaftliche Wachstum anzukurbeln. Und ich gebe zu, dass das in einer internationalisierten Wirt­schaft auch bedeutend schwieriger ist, als das noch vor 30 Jahren der Fall gewesen ist. Trotzdem sollte es einem doch zu denken geben, wenn es in Europa Staaten gibt, die ähnlich groß oder klein sind wie Österreich und die es schaffen – trotz gleicher internationaler Bedingungen –, ein überdurchschnittliches Wachstum zu erreichen. Und es sollte einem zu denken geben, dass Österreich nur ein unterdurchschnittli­ches erreicht.

Mich befriedigt der Hinweis darauf: Wir müssen auf den Aufschwung in den Vereinigten Staaten warten!, überhaupt nicht, denn ich habe den Eindruck, das geht aus wie bei „Warten auf Godot“: Man wartet, man wartet – und es geschieht trotzdem nichts. Die Politik muss aber den Anspruch haben, all die Möglichkeiten, die wir auf staatlicher Ebene zur Verfügung haben, um das wirtschaftliche Wachstum zu fördern, auch in Angriff zu nehmen – und uns dabei nicht auf andere zu verlassen und zu warten! Das ist die Aufgabe der Politik in diesen Zeiten! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Frage, auf die Sie bei der heutigen Debatte auch eingehen sollten, ist, wie Sie es in Zukunft mit den österreichischen Industriebetrieben halten werden. Die Betriebe, an denen es noch Teile von staatlichem Eigentum gibt, sind größtenteils in einer ausge­zeichneten wirtschaftlichen Situation und liefern hervorragende Ergebnisse (Abg. Dr. Stummvoll: Dank der Privatisierung!), und die Privatisierung war ein wesentlicher Beitrag dazu.

Aber, Herr Abgeordneter Stummvoll, man kann es auch zu weit treiben, nämlich dann, wenn es überhaupt keine öffentliche oder österreichische Beteiligung an diesen Betrie­ben mehr gibt (Abg. Kopf: „Österreichische Betriebe“ heißt nicht staatliche Beteili­gung!), und wenn dann diese Betriebe zum Spielball internationaler Konzerne wer­den. – Wir Sozialdemokraten legen Wert darauf, dass das wesentliche österreichische Industriekapital in österreichischer Hand bleibt und es hier keinen Ausverkauf gibt, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage gleich dazu: Es muss sich dabei nicht immer um öffentliches Eigentum han­deln (die Abgeordneten Kopf und Dr. Stummvoll: Eben!), aber wesentlich ist, dass die wichtigen Konzernentscheidungen in Österreich getroffen werden. Wesentlich ist, dass die Forschungs- und Entwicklungsaufgaben in Österreich durchgeführt werden. We­sentlich ist, dass die industrienahen Dienstleistungen in Österreich durchgeführt wer­den und dass in Österreich eine industriepolitische Perspektive vorhanden ist.

Wichtig ist, nicht zuzulassen, dass einzelne unserer Betriebe zwar zu Cash-Cows in­ternationaler Konzerne werden, aber nach und nach die Dienstleistungen und die Ar­beitsplätze wegfallen.

Daher, Herr Finanzminister: Überlegen Sie es sich noch einmal, ob Sie wirklich einen Teil unserer ÖIAG-Beteiligungen für billiges Geld auf den Markt werfen wollen – oder ob es nicht doch bedeutend besser wäre, dass Österreich weiter die Kontrolle darüber hat! (Beifall bei der SPÖ.)

9.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Mol­terer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Herr Klubobmann, Sie sind am Wort.

 


9.24

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Sinne


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einer fairen Auseinandersetzung meine ich, Herr Dr. Gusenbauer, dass es auch not­wendig ist, manches zurechtzurücken, was in dieser Diskussion nicht ausschließlich von Ihnen, sondern in der gesamten Diskussion der letzten Tage und Wochen an Ein­drücken, ich würde sagen, verschoben worden ist.

Meine Damen und Herren! Wir sind in Österreich in einer Situation, in der wir vom höchsten Beschäftigungsstand sprechen können, der in dieser Republik jemals ge­herrscht hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es haben fast 3,2 Millionen Menschen in unserem Land Arbeit. Jeder, der sich mit Wirtschaft und Wirtschaftspolitik beschäftigt, weiß, dass sozial ist, was Arbeit schafft, und insofern ist diese Situation die beste Grundlage für sozialen Frieden und für soziale Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu diesem korrekten Bild Österreichs gehört, dass wir im vergangenen Jahr den abso­luten Rekord an Unternehmensgründungen zu verzeichnen hatten: Nahezu 30 000 junge Menschen, Männer und Frauen, haben den Schritt in die Selbstständigkeit ge­wagt. Und ich finde, das ist auch ein Qualitätszeichen für die Stimmung in unserem Land: Es lohnt sich, Unternehmer zu werden, es lohnt sich, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Das ist ein positives Signal, das ich hier verspüre, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im vergangenen Jahr – ich halte das wirtschaftspolitisch für einen wirklichen Meilen­stein – haben wir durch sensationelle Exporterfolge zum ersten Mal einen Überschuss in der Handelsbilanz für unser Land Österreich erzielt, meine Damen und Herren (Abg. Mag. Kogler: Das ist doch die Folge einer internationalen Entwicklung!), weil österrei­chische Unternehmen den Mut gehabt haben, den Schritt über die Grenzen zu wagen, mehr als früher, und weil – das halte ich für besonders wichtig – Österreich auch ins­gesamt erkannt hat, dass in der Erweiterung der Europäischen Union eine ganz große Chance für Wirtschaft und Arbeit liegt. Gerade in den Erweiterungsländern konnte nämlich ein wesentlicher Teil dieses sensationellen Exporterfolges erzielt werden.

Meine Damen und Herren! In unserem Land Österreich können wir aber auch davon reden – und das beweisen auch internationale Studien –, dass unser Bildungssystem Bestnoten erreicht, Bestnoten im internationalen Vergleich. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Stimmt ja gar nicht! Das ist doch die blanke Unwahrheit! Das ist eine Frechheit!) Und das ist wichtig, wenn wir auch über die zukünftige Absicherung unseres Standortes reden, weil dieser nur durch die Qualität der Köpfe sichergestellt werden kann.

Meine Damen und Herren! Dieses Österreich bekommt, auch was die Frage der Si­cherheitsstandards betrifft, Bestnoten, internationale Bestnoten für die die innere und die äußere Sicherheit. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Falsch! Falsch! Lesen Sie die Studie, Herr Klubobmann, erkundigen Sie sich!)

Die Menschen können sich in unserem Land sicher fühlen, und, meine Damen und Herren, die Menschen können sich in Österreich auch wohl fühlen. Wir bekommen Bestnoten, was die Lebensqualität in Österreich betrifft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Das ist eine Frechheit, so etwas zu behaup­ten! So etwas von unseriös! Kann nicht einmal die Studien lesen!)

Die Lebensqualität ist beispielsweise auch an einer der wichtigsten Zukunftsressourcen ablesbar, nämlich am Wasser. Das ist das wichtigste Lebensmittel, und der Umgang damit zeigt, wie eine Politik die notwendigen ökonomischen Zielsetzungen des Wachs­tums bei gleichzeitiger Sicherheit auch mit den ökologischen Zielsetzungen in Einklang bringen kann. Die Wassersituation und die Politik der Lebensqualität sind beredte Zei­chen dafür.


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Meine Damen und Herren! Unser Land Österreich bekommt auch Bestnoten, wenn es um die Familien geht. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Österreich ist das familienfreundlichste Land der Welt, würde ich sagen, meine Damen und Her­ren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Ja, ja, wir sind das Paradies auf Erden!)

Dabei geht es um viel mehr als nur um die Frage der Familienförderung per se: Es geht aus meiner Sicht um eine wichtige Zukunftsfrage für die Familien. Zukunft für die Familien heißt: Zukunft für Kinder, und Zukunft für Kinder heißt, eine moderne, eine dynamische, eine lebenswerte und zukunftsorientierte Gesellschaft zu haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Ja, ja, wir sind im Schlaraffenland!)

Meine Damen und Herren! Genauso ist es, wenn wir über die soziale Sicherheit in Ös­terreich reden. Gerade im Anschluss an die gestrige Diskussion und Entscheidung möchte ich festhalten, dass selbstverständlich auch nach dieser Pensionssicherungs­reform Österreich das Land mit dem höchsten sozialen Standard sein wird – jedenfalls in Europa, und ich denke mir, darüber hinaus im Pensionsbereich weltweit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Gusenbauer, im Sinne dieser Auseinandersetzung ist es auch notwendig und richtig, andere Seiten zu beleuchten. Ja, da bin ich sehr dafür! Natürlich wissen wir, dass die Frage der weltwirtschaftlichen Entwicklung Probleme bereitet und nicht ohne Auswirkungen auf Europa und auf Österreich bleibt.

Aber wenn Sie schon Deutschland angesprochen haben, dann kann ich Ihnen schon sagen, wo das Problem liegt: Für Österreich und die österreichische Wirtschaft ist Deutschland einer der ganz wesentlichen beziehungsweise der wichtigste Handels­partner.

Das Problem besteht darin, dass Deutschland, das früher einmal der Konjunkturmotor in Europa war, heute zum Konjunkturbremser in Europa geworden ist, Herr Kollege Gusenbauer. (Abg. Auer: Leider!) – Leider!, sage ich. (Beifall bei der ÖVP.)

Insofern macht uns der Vergleich sicher, als wir in Österreich selbstverständlich in einer anderen, in einer besseren Situation sind, weil – und das sage ich auch voll Selbstbewusstsein – in Österreich einfach eine bessere Politik gemacht wird. Das ist auch ein wesentlicher Unterschied! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe Ihnen Recht, dass wir die Probleme am Arbeitsmarkt nicht leugnen, aber auch den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungssituation in Österreich nicht schlecht reden dürfen. Ich habe durchaus so etwas wie Lob aus Ihren Worten herausgehört, weil die Arbeitsmarktsituation in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eigentlich sehr gut ist. Und wenn dieser Hinweis von der Opposition kommt, dann ist das doch ein Zeichen dafür, dass wir auch da auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich leugne aber nicht Fragestellungen und Probleme – wir kommen noch darauf zu sprechen – etwa für ältere Arbeitnehmer, aber auch für jüngere Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben natürlich auch die eine oder andere Frage in den Strukturen zu lösen. Selbstverständlich ist etwa die Pensionssicherungsreform eine notwendige Maßnahme, um Strukturen zu verändern, damit das Gute bewahrt wird. Strukturen zu verändern, heißt auch, die Frage zu klären, wie die Gebietskörperschaften zueinander stehen. Strukturen zu verändern, heißt aber auch, dort, wo der Staat sich aus Aufga­ben zurückziehen soll, dies konsequent zu tun. In diesem Sinne ist selbstverständlich auch die Privatisierung ein richtiger Schritt gewesen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Herr Kollege Gusenbauer, gehen Sie einmal zur VOEST! Ich bin Oberösterreicher und weiß daher im Detail viel über die frühere und die jetzige Situation dort. (Abg. Dr. Gu­senbauer: Ich war dort!) Reden Sie mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Arbeit­nehmerschaft, aber auch mit dem Management. Herr Kollege Gusenbauer! Die VOEST ist doch ein Paradebeispiel dafür, dass es richtig war, dass sich der Staat aus den unternehmerischen Entscheidungen zurückgezogen hat, weil es einfach nicht rich­tig ist, wenn der Staat dort Aufgaben übernimmt, die andere besser können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gusenbauer, wenn Sie über Privatisierung reden, dann habe ich ein be­stimmtes mulmiges Gefühl (Abg. Dr. Stummvoll: Wir auch! – Rufe bei der ÖVP: Oje!), weil vielleicht damit etwas gemeint sein könnte, was etwa die Bank Austria betrifft. – Wir machen es anders, wir machen es besser, Herr Kollege Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Austria Tabakwerke! „Super“!)

Eine offensive Politik – und das Budget dieser Bundesregierung für die Jahre 2003 und 2004 ist dafür eine solide Basis – hat selbstverständlich mehrere Zielsetzungen, vor allem die Zielsetzung einer offensiven Standard- und Wachstumspolitik, damit wir das Ziel der Vollbeschäftigung nicht nur weiter anstreben, sondern auch erreichen können. Daher investieren wir auch: Etwa die Konjunkturpakete 1 und 2 sind ein Investment zur richtigen Zeit in diese offensive Standort- und Wirtschaftspolitik.

Wir handeln auch auf dem Arbeitsmarkt. Denken Sie beispielsweise nur daran, dass mit der Senkung der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer ein ganz wichtiges Sig­nal für den Arbeitsmarkt gesetzt wird, was nebenbei – das ist noch völlig unbemerkt geblieben – beispielsweise durch den Wegfall der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei den Arbeitnehmern zu einer Nettolohnerhöhung führt. Das ist der Effekt der Senkung der Lohnnebenkosten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Natürlich ist auch das Recht auf Qualifikation für ältere und jüngere Arbeitnehmer das richtige Signal.

Im Bereich der sozialen Sicherheit – das Thema Pensionssicherungsreform habe ich schon angesprochen – werden wir auch im Gesundheitsbereich die notwendigen Strukturveränderungen durchführen müssen, damit wir das beste und effizienteste Ge­sundheitssystem erhalten.

In die Sicherheit investieren wir richtig. In die Sicherheit investieren wir deshalb, weil es auch eine wesentliche Frage des Wohlbefindens unserer Menschen ist, auch in Zu­kunft zu Recht das Gefühl zu haben, in einem der sichersten Länder – wenn nicht im sichersten Land – der Welt zu leben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir nehmen auch das Ziel der Entlastung sehr ernst. Herr Kollege Gusenbauer, es irritiert mich etwas, wenn eine Steuerfreistellung für Einkom­men unter 14 500 € als „peanuts“, als Kleinigkeit hingestellt wird. – Wissen Sie, was das bedeutet? Dass 200 000 Österreicherinnen und Österreicher mehr als bisher kei­ne Steuer bezahlen werden! Das halte ich für einen wirklich wichtigen wirtschafts- und sozialpolitischen Meilenstein! (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich investieren wir auch in den Bildungsbereich (Abg. Dr. Niederwieser: Alles zusammengestrichen!) und in den Umweltbereich. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Das ist doch ein Schmäh!) Ich denke, dass mit der Ökosteuer auf der einen Seite und dem Klimapaket auf der anderen Seite auch für die Umwelt und für die Ökologie das richtige Signal gesetzt wird.


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Diese Budgets, meine Damen und Herren, wurden in aller Seriosität und Vorsicht auch in Berücksichtigung der – zugegeben – nicht einfachen wirtschaftlichen Lage erstellt. Professor Helmuth Kramer vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung be­stätigt, dass die Budgets selbstverständlich Rücksicht auf die Wirtschaftssituation und auf die gedämpfte Wachstumserwartung nehmen, sagt aber gleichzeitig, dass von die­sem Budget auch die richtigen Impulse für die Beschäftigung, für die Wirtschaft und für die Infrastruktur ausgehen. (Abg. Mag. Kogler: Falsches Zitat! Zitieren Sie richtig!)

Bei vielen Diskussionen, die in diesem Haus auch von der Opposition geführt werden, kann ich mich eines Eindrucks oft nicht erwehren, meine Damen und Herren – das, was auf der Ausgabenseite immer wieder gefordert wird, muss zuerst verdient wer­den –, aber manchmal habe ich bei Ihnen von der Opposition den Eindruck, dass das Budget so gesehen wird, als ob es ein Bankomat wäre, der im Himmel gefüllt und auf Erden geleert wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Schließen Sie die Steuerschlupflöcher!)

Nein, meine Damen und Herren: Das Budget ist natürlich ein wichtiger Impulsgeber für den Standort, ein wichtiger Impulsgeber für die Wirtschaft, ein wichtiger Impulsgeber für die Beschäftigung, ein wichtiger Impulsgeber für die Sicherheit, ein wichtiger Im­pulsgeber für die Umwelt und für die nachhaltige Orientierung.

Dieses Budget ist aber auch aus der Verantwortung für die Machbarkeit heraus erstellt worden und hat selbstverständlich auch die Entlastung der Bürger von Steuern und Abgaben zum Ziel. So gesehen ist es ein Budget der Verantwortung, ein Budget, das diese Bundesregierung, die den Mut zur Verantwortung für die Zukunft hat, zu Recht und richtigerweise erstellt hat. Ich bedanke mich dafür! Das ist eine solide Grundlage für Wirtschaft und Arbeit in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Amen!)

 


9.39

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte.

 


9.39

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, eine Redezeit von 15 Minuten einfordern zu dürfen; Herr Kollege Molterer hat mich dazu animiert. – Aber zunächst möchte ich noch die Mitglieder auf der Regie­rungsbank begrüßen, den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes und die Damen und Herren der Volksanwaltschaft.

Herr Klubobmann Molterer, es ist geradezu erstaunlich, wie man in einem politischen Rollenwechsel, fast möchte ich sagen, seine Analysefähigkeit verlieren kann. Das ist bedenklich, aber jedenfalls entspricht das meiner Wahrnehmung, und ich habe Sie mit Ihren Beiträgen tatsächlich sehr geschätzt, die ich noch vernehmen durfte, solange Sie ein Ministeramt innehatten. Irgend etwas ist da passiert; aber das ist vielleicht ein eige­nes Thema.

Oder ist es passiert, dass Sie möglicherweise beim Finanzminister Anleihe genommen haben, auf dessen Budgetrede wir heute vielleicht eingehen sollten, anstatt den Ver­such zu starten, wie Sie das gemacht haben, ihn möglicherweise noch zu imitieren. Ein bisschen mehr mit dem Pathos einer religiös-kultischen Handlung, etwas ähnlich einer kleinen Predigt, ein paar Reizworte und Applaus, verhalten, aber doch setzt er ein – das, seien Sie mir nicht böse, ist doch keine Budgetdebatte! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Herr Oberlehrer!)

Beziehen wir uns noch einmal auf die Budgetrede des Herrn Finanzministers – das ist zunächst möglicherweise, möchte man meinen, der bessere Orientierungspunkt –,


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entkleiden wir diese Rede einmal von den „Werbedurchsagen“, die ja schon hinrei­chend gewürdigt wurden, und schauen wir, was dann übrig bleibt. Was bleibt übrig? – Nicht viel, das ist das Problem! Mir scheint, übrig bleibt der offensichtliche Versuch, die Situation so darzustellen, dass am Ende einer solchen Analyse (Ruf bei der SPÖ: Inse­rate!) – auf die Inserate werden wir heute gesondert eingehen – geradezu ein Legitima­tionszwang entsteht, dass weder die Bundesregierung als solche noch der Finanzmi­nister – bis auf die Inserate – im Besonderen nichts zu tun haben in der gegebenen Situation. Das ist die Conclusio einer solchen Budgetrede, wenn wir sie uns in Erinne­rung rufen wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt bin ich selbst überrascht, dass wir uns der Situation wiederfinden, uns mit diesen Dingen herumschlagen zu müssen, weil ich nämlich angenommen habe, dass in der Runde der Erstredner irgendwann auch die Zeit sein wird, wirklich darauf einzugehen, was vorliegt, nämlich auf das Budget 2003/2004. Allenfalls sollten wir über die angebli­che Steuerreform im Jahre 2004 reden, denn das hätte unmittelbaren Bezug zu den Zahlen, die wir dort vorfinden.

Herr Kollege Molterer, Sie haben es geschafft, dazu eigentlich nichts zu sagen. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Sie haben nicht zugehört!) Vielleicht gehen wir dann ge­meinsam ein paar Punkte durch und suchen Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Ich muss bei den Unterschieden beginnen, und zwar genau bei jenem Punkt, wo dieser Legitimationsdruck geradezu erzeugt wird – ein Selbstzwang, am Ende nichts tun zu sollen. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Wo waren Sie eigentlich?)

Herr Bundesminister! Herr Bundeskanzler! Herr Wirtschaftsminister – er ist leider nicht anwesend! Ich habe mir die Mühe gemacht, Ihre Reden zur Wirtschafts- und Budget­politik in den letzten zweieinhalb, drei Jahren anzuschauen, und ich muss sagen, es ist eigentlich immer das gleiche Bild, das Sie vermitteln, obwohl sich die Realität längst geändert hat. Sie reden immer das Gleiche, da kann doch etwas nicht stimmen! (Abg. Mag. Mainoni: So richtig vorbereitet ist Ihre Rede heute nicht!)

Wir brauchen jetzt nicht unbedingt nachzuvollziehen: ideologisches Kampfvokabular, hier Neo-Liberalismus, hier Alt-Keynesianismus oder so etwas, das ist nicht meine Ab­sicht, aber irgendwo steckt – und das ist in der Politik nichts Falsches – hinter den an­geblichen Analysen und den sich daraus ergebenden Folgerungen doch etwas wie Ideologie.

Wenn ich das zusammenzähle und auseinander dividiere, was Sie eigentlich sagen wollen – meiner Meinung nach zumindest –, dann ergibt das Folgendes: Die Realität in Österreich ist besonders super! Die internationale Situation ist zwar schlecht, wir sind trotzdem super! Irgendwie wundert sich jeder, wie das alles so super bleiben kann, wo doch angeblich hier nichts getan werden kann. – Das stimmt nicht zusammen, und ich sage Ihnen auch, wie das aufzulösen ist.

Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte, das werden Sie mit Ihren ideologischen Zu­gängen auch nicht ausräumen können. Einerseits ist es richtig, dass es nur mehr einen national beschränkten Spielraum gibt, wirtschaftspolitisch zu agieren. – An dieser Stel­le sollten wir einmal festhalten, dass Budgetpolitik selbstverständlich erstens Wirt­schaftspolitik, zweitens Umverteilungs- oder Verteilungspolitik, drittens Investitionspoli­tik und so weiter und so fort ist. Das alles negieren Sie, muss man sagen, wenn man sich Ihre Beiträge anschaut, insbesondere die aktuelle Budgetrede des Herrn Finanz­ministers. – Daher darf man sich am Ende auch nicht wundern, dass in dem hier nun vorliegenden Budget kaum – das sage ich ganz vorsichtig – irgendwelche Steuerungs­versuche oder Impulssetzungen wirtschaftspolitischer Art erkennbar sind. Das Schlim­me daran ist: Sie wollen das auch gar nicht! Da helfen die Predigten des Klubobman­nes Molterer auch nicht mehr. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Nur noch eine einzige Anleihe aus der Vergangenheit, die das belegt: Sie haben die längste Zeit mit relativ viel Aufwand – jedenfalls mit mehr Aufwand, als Sie sich der tatsächlichen Wirtschaftspolitik zugewandt haben – zunächst behauptet, es gäbe keine Krise. Wir erinnern uns an das Jahr 2001. Nicht einmal „The Economist“ hat Sie of­fensichtlich überzeugen können. Der Bundeskanzler sprach von Stagnation, allerdings auf hohem Niveau. – Gott sei Dank haben wir in Österreich noch diese gute Situation!

Aber entscheidend für die Analyse wirtschaftspolitischer Maßnahmen einer Regierung ist doch: Was löst sie mit Maßnahmen an Veränderungen aus? Und die Veränderun­gen der Daten, die Sie immer strapazieren, ist bei weitem nicht so rosig wie das abso­lute Niveau. Das betrifft natürlich das Wachstum als solches, das ist so definiert, das betrifft aber auch die Veränderung der Arbeitslosenquote. Sie gehen immer damit hau­sieren, dass die Arbeitslosenquote in Österreich relativ günstig liegt. Dem wird nie­mand widersprechen, die Frage ist nur: Ist das das Ergebnis Ihrer Politik? Oder ist es Ergebnis Ihrer Politik, dass sich das in Österreich rapide verschlechtert? Anderswo stagniert diese Quote oder – wie Kollege Gusenbauer gesagt hat – verbessert sich sogar.

Daran müssen Sie sich messen lassen! Sie können hier nicht ständig irgendwelche Globaldaten aufzählen und mit einem Benchmarking-Kauderwelsch die wirtschaftspoli­tische Debatte zunebeln. Das führt zu nichts! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn es aber so ist, dass die Lage so rosig nicht ist – was Sie ruhig einbekennen könnten, weil niemand von Ihnen fordern wird, dass Sie da allein zu agieren hätten –, dann wären in der Folge bestimmte Maßnahmen gefordert. Diese wollen Sie nicht und deshalb machen Sie den ersten Schritt gleich gar nicht. Dieses Spiel kann jetzt aber so nicht mehr funktionieren, weil die Realität mittlerweile so ist, dass Sie sich das selbst eingestehen müssen: Es gibt so etwas wie eine stagnationsähnliche Situation, und die einzige Frage, die jetzt zu beantworten ist, lautet: Was hat ein kleines Land wie Öster­reich – trotz seiner Kleinheit, wenn Sie so wollen – an wirtschaftspolitischen Möglich­keiten?

Darin liegt der Unterschied zwischen einer fehlgeleiteten Analyse und einer, die sich dieser Frage zuwendet. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer Regierungspolitik und dem, was wir vorschlagen werden. Ich mache jetzt ganz klar fest, dass die Opposition, jedenfalls die Grünen ganz andere Herangehensweisen hätten, was das Budget 2004 betrifft – bleiben wir nur bei diesem einen – und was die dazugehörigen Steuerreform­maßnahmen betreffen würde; muss ich leider im Konjunktiv sagen.

Bei Ihnen ist es vollkommen klar: Das Budget 2004 darf Ihrer Ansicht nach ruhig re­striktiv wirken. Herr Kollege Molterer, Sie haben Herrn Kramer falsch zitiert, es tut mir Leid, aber unvollständig zitieren, ist auch falsch zitieren. Selbstverständlich gehen vom Budget 2004 restriktive Effekte aus. Das ist auch das Problem: Alle erkennen, dass jetzt etwas getan werden müsste. Und was machen Sie? – Gottes Gnade, hätten Sie vielleicht gesagt, oder wie war das mit dem Himmel-Bankomat? Gottes Gnade, dass gerade noch die automatischen Stabilisatoren wirken dürfen. Super! Bravo! Wollen Sie das auch noch verhindern? Da können Sie dann in Europa als wirtschaftspolitischer Zombie herummarschieren; das wird Sie nicht weiterbringen.

Tatsache ist doch, dass man Möglichkeiten aufzeigen muss. Was wäre möglich? Na­türlich wäre es möglich, ein bestimmtes Volumen an finanziellen Mitteln in die Hand zu nehmen – ich sage das ganz bewusst und offensiv –, das hat nämlich nichts mit ver­mehrter Schuldenpolitik zu tun, wovon vorhin schon in drei Zwischenrufen die Rede war. (Rufe bei der ÖVP: Sondern?) Warten Sie ab! – Man muss dann wirtschaftspoliti­sche Maßnahmen setzen, wenn sie gebraucht werden (Abg. Dr. Mitterlehner: Mit wel­chen Mitteln?), und nicht dann Steuerzuckerln verteilen, wenn das Ganze wirtschafts-


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politisch in Wahrheit nur zu einem wahltaktischen Budgetzyklus führt, der dazu ange­tan ist, die wirtschaftspolitischen Probleme zu verschärfen, anstatt sie zu lösen. (Abg. Dr. Trinkl: Schon was von Wirtschaftspolitik gehört?)

Wenn es so ist, dass wir in dieser Legislaturperiode Steuergeld in die Hand nehmen können, sei es, um bestimmte Ausgaben zu forcieren, von denen Sie immer behaup­ten, dass sie gemacht werden – in Wahrheit gibt es Bilanzverlängerungen, die Sie als Ausgabe verkaufen, so etwa in der Universitätspolitik –, dann bitte zum richtigen Zeit­punkt, und dieser wäre jetzt, 2003 und 2004, sodass sich sowohl Konsumenten als auch Unternehmen darauf einstellen können dürfen, dass etwas geschieht. Das wäre nicht nur realpolitisch, sondern auch psychologisch sehr wichtig, denn das würde ent­sprechende Folgeerscheinungen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es also möglich ist, bis zum Jahre 2006 – und das tun Sie, bis heute zumindest noch, Herr Finanzminister – 6,5 Milliarden Steuernachlass, für wen auch immer, das würde die Frage sein, zu versprechen, dann sagen wir Ihnen: Nehmen Sie den Mund nicht so voll, aber nehmen Sie wenigstens das Geld in die Hand, was realistisch und sinnvoll ist! Ziehen Sie eine Etappe der Steuersenkung vor, die aber zielgerichtet! Das passiert nur in homöopathischen Dosen, ich will das nicht ableugnen, aber das ist eben zu wenig.

Dass jetzt jene Einkommensschichten, die bislang nur von Ihrer Belastungspolitik ge­troffen wurden, auch etwas von diesen Steuersenkungen haben sollen, hat zwei Effek­te: erstens einen sinnvollen und gerechten verteilungspolitischen Effekt, zweitens aber, wenn wir bei der konjunkturellen Situation sind, wenigstens teilweise – nicht 1 : 1 selbstverständlich, aber wenigstens teilweise – einen konjunkturbelebenden Effekt. (Abg. Dr. Mitterlehner: Das ist ein Widerspruch!)

Weshalb verweigern Sie sich dieser simplen Einsicht, dass die untersten Einkommens­schichten überhaupt keine Entlastung haben können, weil sie nämlich bis jetzt schon keine Steuer zahlen? Das ist doch ganz klar! Sie können daher auch nicht von diesen Maßnahmen profitieren. Und das sind wesentlich mehr als jene, die von der Maßnah­me betroffen werden, bei einem Einkommen zwischen 900 – ich sage es jetzt monat­lich – und zirka 1 050 € steuerfrei gestellt zu werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.) – Diese Maßnahme wirkt sich im Bereich von zirka 3,5 Millionen € aus, Herr Kollege, rechnen Sie einmal nach und reden Sie dann!

Jetzt wäre der simple Zugang der, dass diese Komponente der negativen Einkom­mensteuer etwa so ausgeweitet wird, dass ein ähnlicher Betrag – wir haben einen Be­trag von 250 Millionen € ausgerechnet, das halte ich für durchaus vertretbar – für diese untersten Einkommensschichten zur Verfügung gestellt wird. Das ist technisch ganz einfach möglich, es wird aber nicht gemacht, weil es nicht in Ihre Ideologie passt. Das ist das Problem. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das hätte, weil Sie (in Richtung ÖVP) gerade den Kopf schütteln, auch wirklich etwas zu tun mit der Besserstellung der so genannten kleinen Leute. Das wollen Sie offen­sichtlich nicht, aber das müssen Sie selbst vertreten.

Im Übrigen wäre es sinnvoll, wirklich die Hälfte der EinkommensbezieherInnen besser­zustellen, was auch möglich ist, aber nicht mit 4 € pro Jahr, wie treffend ausgeführt wurde, sondern so, dass es auch merkbar ist, und dass wir uns dann eine großspurige Ankündigung für das Jahr 2005 ersparen. Sie können heute überhaupt noch nicht wis­sen, was im Jahr 2005 ist (Abg. Scheibner: Jedenfalls eine Steuerreform!); ich würde Ihnen dazu gratulieren. Die Wirtschaftsprognosen, die Sie Ihrer Budgetberechnung zugrunde gelegt haben, werden alle drei Monate revidiert, und zwar nach unten – nicht, dass ich Ihnen das vorwerfe, Sie wollen nur nicht reagieren, das werfe ich Ihnen vor! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Jetzt, in dieser Situation gehen Sie her – nächster Punkt, den ich kritisieren muss – und reden von Eigenkapitalstärkung – super, das sagen wir schon seit 20 Jahren –, reden davon, dass jetzt etwas geschieht. Wieder falsch! (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) Herr Bundeskanzler, Sie wissen es ohnehin! Es ist kei­ne Eigenkapitalförderung, wenn die Möglichkeit besteht, nach sieben Jahren das so auf die Seite gelegte Geld – sagen wir es einmal so – de facto steuerfrei zu entneh­men. (Abg. Dr. Trinkl: Sie haben noch weniger Ahnung als der ...!)

Das ist doch ganz klar, welche Anreizmechanismen Sie da schaffen: Möglicherweise wird vorübergehend die Betriebsbilanz aufgebessert, aber Sie schaffen einen massiven Anreiz, dass das Geld am Ende herausgenommen wird. Und das ist in meinen Augen Steuerprämiensparen für Unternehmer, das hat mit Investitionsanreiz, den Sie hier verkünden, nichts zu tun. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Es werden auch die Zukunftsparolen des Herrn Finanzministers, die wir bald wieder werden entgegenneh­men dürfen, nichts an dieser simplen Einsicht ändern. (Rufe bei der ÖVP: Keine Ah­nung von der Wirtschaft! – Abg. Dr. Mitterlehner: Das war Schwachsinn!)

Letzter Punkt: Kollege Molterer hat hier wieder die Ökologisierung strapaziert. Das, was Sie hier in diesem Budget mit dem ihm zugrunde liegenden Budgetbegleitge­setz ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Missethon, das Wort „Schwachsinn“ habe ich nicht gehört! (Abg. Dipl.-Ing. Missethon macht eine abwehrende Handbewe­gung. – Abg. Dr. Mitterlehner: Das war ich!) Bitte, Herr Kollege Mitterlehner! (Abg. Dr. Mitterlehner: Aber es war Schwachsinn! – Abg. Dr. Trinkl: Aber es war nicht be­sonders klug, Herr Präsident!)

Bitte fortzusetzen, Herr Abgeordneter Kogler.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Ich sage Ihnen: Die Ökologisierung des Steuersystems wäre eine sinnvolle Sache. Darin besteht vollkommene Einigung. Das Problem bei dem Vorschlag, den wir hier vorliegen haben, ist, dass der Idee nicht nur nichts Gutes getan wird, sondern sie in Wahrheit sogar geradezu verraten wird. Und das haben Sie auch mitzuverantworten. Das, was wirklich ausgelöst wird, ist die besondere Besserstellung des Agrardiesels. Das ist eine Nonsens-Maßnahme, seien Sie mir nicht böse, das hat mit Ökologisierung nichts zu tun, sondern das ist das Ge­genteil davon.

Auch sonst werden Sie keine besonderen Lenkungseffekte erzielen mit Ihren Maß­nahmen, weil Sie sich gar nicht in das Thema hineinwagen. Ökologische Steuerreform heißt, wie der Name sagt, Strukturreform. Und dafür müsste man, auf mehrere Jahre angekündigt, ganz klar, ein größeres Volumen avisieren, in Etappen einführen und im Gegenzug – jetzt hören Sie zu, Herr Kollege Mitterlehner! – die Lohnsummensteuern senken, und zwar so, dass das spürbar wird. (Abg. Dr. Trinkl: Aber es gibt keine Lohn­summensteuern mehr!) Das geht dann, wenn man es gegenfinanziert. (Abg. Dr. Trinkl: Herr Kollege, es gibt keine Lohnsummensteuern mehr!)

Mit unseren Maßnahmen sind wir der Wirtschaftskammer schon voraus, weil unser Volumen hier wesentlich mehr vorsieht, als das, was Sie überhaupt noch propagieren. Aber man muss gegenfinanzieren, das ist der Punkt. (Abg. Dr. Trinkl: Ah, Sie wollen sie einführen!) Und da lassen Sie einfach aus, da lassen Sie aus, ebenso in vielen an­deren Bereichen, wo es wirklich um Zukunftspolitik geht! (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden uns wieder einmal darüber unterhalten, und irgendwann am Ende der Etappe wird man sehen, dass die Grünen Recht behalten haben. In Zukunft wird es halt immer wichtiger werden, dass die Grünen auch Recht bekommen und das umset­zen können. Man wird ja sehen, wie das weitergeht. Es wird möglicherweise nicht so


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lange dauern, bis die Situation eintritt, dass Sie alle sehr froh darüber sein werden, dass die Konzepte der Grünen Eingang in welche Konstellationen auch immer finden.

Wenn man die Budgetreden des Herrn Finanzministers strapazieren und einen einzi­gen Werbespruch noch gelten lassen will – den er sich dann mehr oder weniger ge­heim vorsagen muss, denn anders wird es nicht mehr gelingen –, kann man sagen: Für alles, was da verbockt wird: Grün macht’s wieder gut! (Beifall bei den Grünen. – Ironi­sche Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und dann werden wir uns wieder weiter unterhalten können.

Für jetzt sollte der Herr Finanzminister einmal erklären, was seine Budgetrede mit der Realität zu tun gehabt hat und was dieses Budget mit den wirklichen Problemen, die zu lösen sind, zu tun hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Mitterlehner hat auf dem „Schwach­sinn“ beharrt. – Ich erteile ihm einen Ordnungsruf.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. Gewünschte Redezeit: 15 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


9.57

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren Volksanwälte! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kogler, vielen Dank für die nette Frühstücksplauderei, die Sie hier dargeboten haben. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.) Das nächste Mal spricht hoffentlich wieder Professor Van der Bellen, denn da findet man wenigsten inhaltliche Ansätze zum Reagieren. Es sollte ja auch ein Diskurs in der Debatte stattfinden können, aber wenn das so weitergeht, geht in dieser Budgetdebatte zumindest den Rednern der Opposition die Luft schon aus, noch bevor sie richtig begonnen hat.

Herr Finanzminister! Ich weiß schon, dass die Budgetpolitik dieser Bundesregierung eine gute ist, aber dass sie so gut ist, dass der Opposition so wenig dagegen einfällt, das hätte nicht einmal ich geglaubt. Herzliche Gratulation! Aber auch Sie hätten sich in dieser Debatte mehr an Diskussionsstoffen verdient. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In der Tat gibt es dem, was diese Bundesregierung ja nicht erst jetzt in der zweiten Legislaturperiode einer von ÖVP und FPÖ geführten Regierung, sondern schon seit dem Jahr 2000 als Prinzipien einer Budgetpolitik festgehalten hat, wenig entgegenzu­setzen. Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus hinaus, aber auch eine gleichzeitige Wachstumspolitik mit der klaren Setzung von Prioritäten.

Man muss immer wieder daran erinnern, was am Beginn dieser Budget- und Regie­rungspolitik gestanden ist: ein schwieriger, ein sehr, sehr schwieriger Sanierungskurs. Wir mussten einen Brocken aufarbeiten, den Vorgänger hinterlassen haben, die eine Politik der offenen Geldbörse verfolgt haben – aber nicht zu Gunsten der Steuerzahler oder der Bevölkerung, wofür eine sorgsame Budgetpolitik eigentlich da wäre, wofür die Bundesregierung eigentlich verantwortlich wäre, sondern nur, um Wahlzuckerl, Ge­schenke für die eigenen geschützten Bereiche zu vergeben.

Diese Sanierung ist gelungen, meine Damen und Herren! Mit dem im Jahr 2001 er­reichten Nulldefizit war es erstmals seit Jahrzehnten der Fall, dass die öffentliche Hand nicht mehr ausgibt, als sie einnimmt. Das war ein Erfolg dieser Bundesregierung!


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Mit dieser Sanierung konnten auch wieder Spielräume geschaffen werden, gerade in einer Zeit, in der die Konjunktur uns allen Probleme bereitet und in der es – da muss ich an das vorige Jahr erinnern – auf Grund von Naturkatastrophen notwendig gewe­sen ist, der betroffenen Bevölkerung auch wirklich spürbar zu helfen – und nicht so wie in Deutschland, meine Damen und Herren von der SPÖ. Ich weiß schon, Sie wollen diese Vergleiche nicht hören, aber man muss diese Vergleiche ziehen, denn Deutsch­land war ja immer das von Ihnen zitierte Paradebeispiel: eine sozialistisch geführte Regierung, sogar noch mit jenem Koalitionsmodell, das Sie sich wünschen. Auch Ab­geordneter Kogler wollte uns vorhin offensichtlich schrecken, als er sagte: Grün macht es wieder gut! – Also das, bitte, wirklich nicht! Das Beispiel Deutschland, das Sie nicht hören wollen, zeigt ja, wohin das führt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es führt zu Budgetdefiziten, die explodieren und auf Grund derer man dann keine Spielräume mehr hat, wenn es notwendig ist, Konjunktur belebende Maßnahmen zu setzen und dort, wo es nötig ist, der betroffenen Bevölkerung zu helfen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie wollen es natürlich nicht hören (Ruf bei der SPÖ: Geh!), aber wir müssen in diesen Jahren alleine für die Zinsbelastung 7 Mil­liarden € pro Jahr aufwenden! Da wird Gott sei Dank jetzt reduziert, aber diesen Betrag müssen wir alleine für die Zinsbelastung für die Schulden, die Sie in den letzten 30 Jahren aufgehäuft haben (Ruf bei der SPÖ: Und die ÖVP!), aufwenden. – Ja, natür­lich nicht Sie alleine, aber die Finanzminister haben alle Sie von der SPÖ gestellt, und diese haben es ja zustande gebracht, dass das Jahr nicht zwölf, sondern 13 Monate hat, zumindest wenn es darum geht, die Wirtschaft zur Kasse zur bitten. Das war Ihre Budgetpolitik! Das haben Sie zusammengebracht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gleichzeitig haben Sie noch einen Schuldenberg aufgehäuft! Was könnten wir alles tun, wenn wir diese Zinsbelastung nicht hätten? (Abg. Mag. Hans Moser: Wovon spre­chen Sie eigentlich?) – Wovon ich spreche? Wo haben Sie bis zum Jahr 2000 gelebt? (Heiterkeit des Abg. Mag. Mainoni.) Haben Sie das alles mitgetragen, wie mit offenen Händen das Geld ausgegeben worden ist, wie dann immer wieder Einschnitte gemacht worden sind und – weil wir gestern die Pensionsreform diskutiert haben – in den Jah­ren 1995/1996 Sparpakete aufoktroyiert worden sind, wobei es null Prozent Pensions­erhöhung gab? Meine Damen und Herren! Es gab eine Belastung nach der anderen, nur um das Budgetdefizit kurzfristig halbwegs im Rahmen zu halten, damit man weiter verschwenden kann – aber keine Strukturreformen. Sie haben keine grundlegenden, zukunftsweisenden Reformen gemacht, sondern nur Budgetkosmetik betrieben. Und ein paar Jahre später waren wir wieder mit diesen Problembereichen konfrontiert.

Davon rede ich, Herr Abgeordneter! Aber das wollen Sie nicht mehr wissen, denn das ist schon ein paar Jahre her. Wir haben das korrigiert, und das sollten Sie einmal in einer positiven Art und Weise zugeben. Sie sollten einmal zugeben, dass diese Bun­desregierung ... (Abg. Silhavy: Wir haben die höchste Abgabenbelastung, seitdem es diese Regierung gibt!) Seitdem es diese Regierung gibt? – Na wunderbar, dann wer­den Sie ja unserer Steuerreform zustimmen, die wir mit einer ersten Etappe im Jahr 2004 in Kraft treten lassen und die mit der Etappe des Jahres 2005 ein Gesamt­volumen von 3 Milliarden € umfassen wird – die größte Steuerreform, die es in den letzten Jahrzehnten gegeben hat! Warum sind Sie dagegen? – Ein schlechtes Gewis­sen bewegt vielleicht zu dem einen oder anderen Zwischenruf, aber es sollte auch da­zu führen, dass man einmal Einkehr hält und sich überlegt, ob es vielleicht besser wä­re, die positive Budgetpolitik der Regierung zu unterstützen und auch das eine oder andere an eigenen Verbesserungsvorschlägen einzubringen.

Aber so, wie wir bei der Pensionsreform keinen einzigen Abänderungsantrag der Sozi­aldemokraten erhalten haben, werden sie auch hier keine konstruktiven, keine positi-


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ven Vorschläge mit einbringen. Es ist natürlich für Sie unangenehm, meine Damen und Herren von der SPÖ, vor allem in den von Ihnen kontrollierten Bereichen, wenn wir sagen: sparsame Verwaltung – etwa im öffentlichen Dienst –, Abbau von Planstellen im öffentlichen Dienst; den öffentlichen Dienst, die Ministerien, die Verwaltungseinhei­ten, auch die Institutionen der Länder gilt es als Dienstleistungsstellen einzurichten – und nicht als Obrigkeitsstellen, wo der Bürger als Bittsteller behandelt wird!

Es war ja entlarvend, meine Damen und Herren, was Sie gestern im Zusammenhang mit dem Härtefonds für die Bezieher kleiner Pensionen gesagt haben. Sie haben ge­sagt, da werde der Bürger zum Bittsteller gemacht, weil er einen Antrag stellt! (Abg. Silhavy: Warum geben Sie ihm dann keinen Rechtsanspruch!) – Wir sehen einen Staatsbürger nicht als Bittsteller (Abg. Silhavy: Warum geben Sie ihm dann keinen Rechtsanspruch?), wenn er einen Antrag stellt auf etwas, worauf er ein Recht hat, nämlich auf eine Entlastung! (Abg. Mag. Wurm: Ein Feudalsystem wollen Sie ma­chen!) Sie degradieren vielleicht in der Verwaltung und dort, wo Sie an der Macht sind, etwa in der Bundeshauptstadt Wien, den Bürger zum Bittsteller, indem Sie so tun, als ob die Partei die öffentlichen Mittel vergeben würde. – Nicht die Partei vergibt die öf­fentlichen Mittel (Ruf bei der SPÖ: Der Schelm spricht, wie er denkt!), sondern es ist der Staat als Dienstleister, der die Rahmenbedingungen dafür setzen soll, dass sich die Staatsbürger, die Wirtschaft, die Gesellschaft entfalten können. (Abg. Silhavy: Wa­rum wollen Sie dann keinen Rechtsanspruch geben?) – Das sind unsere Ansatzpunk­te, meine Damen und Herren, die Sie natürlich aus Ihrer ideologischen Sicht nicht ver­stehen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wollen aber auch nicht – und das sei hier angemerkt –, dass man einen Sparkurs nach dem Motto „Rasenmäher“ ansetzt: Überall gleich durch! Mit dem Rechenstift hin­einfahren und reduzieren! – Das wäre nicht die Politik, die wir hier zu unterstützen ha­ben, meine Damen und Herren und Herr Finanzminister. Es ist notwendig, auch in die­sen Bereichen Schwerpunkte zu setzen.

Da heute hier im Hohen Haus die Volksanwälte und auch der Präsident des Rech­nungshofes anwesend sind und es in der Debatte ja auch um die Obersten Organe geht, haben wir – und gerade wir als Volksvertreter, als Parlamentarier – uns auch mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Arbeitsbedingungen, die Rahmenbedingun­gen für diese auch für uns als Parlamentarier so wichtigen Institutionen ausreichend sind. Das werden wir auch noch zu diskutieren haben, und ich gehe davon aus, dass wir hier auch noch den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag machen werden und einbringen können, denn auch das – etwa die erfolgreiche Arbeit unserer Volks­anwälte – ist Dienstleistung für den Bürger! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Es ist auch Dienstleistung für den Bürger, wenn der Rechnungshof prüft – der „unan­genehm“ prüft; das wissen wir alle, die schon einmal von Prüfungen betroffen gewesen sind. (Abg. Dr. Gusenbauer: Deswegen warten wir die Berichte nicht ab! Die sind so unangenehm, die Berichte, dass man gar nicht darauf wartet!) Aber diese Prüfungen sind notwendig, weil der Staatsbürger auch wissen möchte und wissen soll, was mit seinen Steuergeldern geschieht. Auch hier ist es notwendig, die Rahmenbedingungen für eine optimale Arbeit zu schaffen und sicherzustellen.

Es ist auch notwendig – ich habe soeben den Ausdruck „sicherstellen“ verwendet –, die Sicherheit des Landes als wichtige Priorität zu sehen: die soziale Sicherheit – und ich glaube, hier haben wir auch wichtige Schritte gesetzt –, aber auch die Sicherheit im Bereich der Exekutive und der Landesverteidigung. Auch hier darf man, glaube ich, nicht kürzen im Sinne eines Versuches, das Budget linear zu sanieren oder zu reduzie­ren, sondern auch hier geht es darum, auf Grund von Aufgabensituationen die Hand­lungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und zu verbessern.


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Meine Damen und Herren! Genau in diese Richtung der Schwerpunktsetzung geht auch die Budgetpolitik dieser Regierung, und das sehen wir auch in diesem Bundesfi­nanzgesetz.

Schwerpunkt Forschung. – Entweder haben Sie es nicht gelesen, meine Damen und Herren von der Opposition, oder Sie wollen das eben ganz einfach anders sehen: Für Forschung gibt es zusätzlich 600 Millionen €. (Ruf bei der SPÖ: Was?) 1,5 Milliarden € im Jahr 2004 für Forschungsaufgeben! – Lesen Sie es einmal, Herr Kollege in der vor­letzten Reihe! (Zwischenruf des Abg. Broukal.) Das ist eine Steigerung von 24 Prozent seit dem Jahr 1999, als Sie noch die Verantwortung trugen. 24 Prozent mehr in Zu­kunftsideen, in Forschung und Entwicklung, die maßgeblich auch für die Entfaltung der Wirtschaft und unserer Gesellschaft der Zukunft sein werden!

Für Bildung und Wissenschaft gab es im Jahr 1999 7,5 Milliarden €. – Im Jahr 2004: 9 Milliarden €! Die Mittel für die Universitäten werden verdoppelt, meine Damen und Herren! (Abg. Brosz: Jetzt ist der Schmäh schon wieder da! Das gibt es ja nicht!) – Was heißt da „Schmäh“? Entkräften Sie das doch einmal gescheit! (Abg. Brosz: Das ist doch die Bilanzverlängerung! Das gibt es ja nicht!) Schauen Sie sich einmal die Zahlen an! Das sind die Realitäten – und nicht Ihre Propaganda, die Sie hier in den Vordergrund stellen.

Für Infrastrukturaufgaben stehen 2,8 Milliarden € zur Verfügung. Noch nie ist in Öster­reich so viel für den Ausbau der Infrastruktur ausgegeben worden.

Für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind es 4 Milliarden €, für Familienleistungen 5 Milliarden €, meine Damen und Herren! Das ist auch ein klares Signal für die Prioritä­ten dieser Bundesregierung, dass die Familien in diesem Budget einen unserer Schwerpunkte darstellen, dass wir auch hier die soziale Absicherung der Familien, für die wir mit dem Kinderbetreuungsgeld einen ersten Schritt gesetzt haben, weiterführen wollen, denn das ist auch ein Kern der Gesellschaft: eine funktionierende Familien­struktur mit einer sozialen Absicherung! – Das sollten Sie doch auch anerkennen, oder haben Sie hier auch eine unterschiedliche ideologische Sichtweise?

Auch zum Thema Wirtschaftsförderung ein paar Anmerkungen: Wir bekennen uns da­zu, dass nicht der Staat der beste und offensivste Arbeitgeber oder Wirtschaftsförderer ist, sondern wir sagen: Der Staat hat, auch im Bereich der Wirtschaft, die Rahmenbe­dingungen zu schaffen – alles andere machen die Unternehmer. Wir können stolz dar­auf sein, gerade im klein- und mittelständischen Bereich, dass wir innovative, ausge­zeichnete Unternehmer haben, die sich auch etwas trauen, die auch international tätig sein wollen. (Abg. Dr. Wittmann: Die Stimmung unter den Unternehmern ist denkbar schlecht!) Wir müssen sie dabei unterstützen und alle Prügel und Hemmnisse, die ihnen dabei im Wege stehen, wegnehmen, meine Damen und Herren von der Sozial­de­mokratie!

Da hätten Sie auch in den von Ihnen geführten Bundesländern einiges zu tun, denn viele der bürokratischen Hemmnisse liegen im Landesbereich. (Abg. Dr. Wittmann: Die schlechteste Stimmung bei den Unternehmern seit zehn Jahren!) – Nicht die schlechteste Stimmung, sondern die beste Stimmung bei Unternehmungen, die Ver­trauen in diese Bundesregierung haben und die sehr froh sind, dass es kein Zurück gegeben hat in dieses sozialdemokratische Denken, mit dem Sie auch die Unterneh­mer zu Bittstellern in den Parteizentralen gemacht haben, auch im öffentlichen Bereich. Abgeordneter Gusenbauer hat ja Gott sei Dank zugegeben, dass österreichische Be­teiligung nicht unbedingt staatliche Beteiligung bedeuten soll. – Natürlich, daher: Schauen wir einmal, dass in Österreich auch diese Beteiligungsstrukturen an jenen Betrieben, an denen der Staat noch Anteile hat, möglich werden!


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Aber bei der Wirtschaftsförderung sollten Sie doch anerkennen, dass wir eine Senkung der Lohnnebenkosten durchführen werden, dass der nicht entnommene Gewinn jetzt steuerlich begünstigt wird – eine ganz wichtige Maßnahme, um Investitionen zu för­dern! – und, wie ich schon gesagt habe, dass diese Unsinnigkeit, der 13. Umsatz­steuertermin, abgeschafft wird. Das sind richtungweisende Maßnahmen – gerade jetzt, wo es darum geht, den Unternehmungen zu helfen, aus dieser Konjunk­turflaute wieder herauszukommen.

Und letztlich geht es darum, meine Damen und Herren, auch den Steuerzahler zu ent­lasten. Es ist richtig, dass die Steuer- und Abgabenquote in Österreich sehr hoch ist, zu hoch ist. Deshalb bekennen wir uns dazu – und das war ein wichtiges Thema gera­de auch meiner Fraktion in den vergangenen Monaten und Jahren –, dass wir eine spürbare, eine wirklich spürbare Steuerreform durchführen: mit einem Volumen von 3 Milliarden €, wobei die erste Stufe mit dem Jahr 2004 wirksam wird. 200 000 Öster­reicher zusätzlich – Klubobmann Molterer hat es bereits gesagt – wer­den dadurch in diesem Bereich keine Steuern zu zahlen haben. 1,6 Millionen Arbeit­nehmer werden davon begünstigt sein. Über 700 000 Pensionisten werden von dieser Steuerreform be­günstigt sein – auch das sei noch als Nachtrag zur gestrigen Diskussi­on über die Pen­sionsreform hier festgehalten.

Meine Damen und Herren! Das sind die Schwerpunktsetzungen in diesem Budget. Das sollten Sie positiv anerkennen! Sie sollten hiezu positive Beiträge leisten, aber Sie soll­ten nicht so tun, als ob daran alles schlecht wäre, als ob Sie alles besser wissen wür­den. (Abg. Reheis: Aber Sie wissen alles besser!) Da haben wir die 30 Jahre Ver­schwendungspolitik noch zu gut in Erinnerung – im Gegensatz zu Ihnen; diesbezüglich haben Sie anscheinend wirklich ein Kurzzeitgedächtnis.

Meine Damen und Herren! Herr Finanzminister! Das Budget, Sparkurse, Finanzpolitik dürfen nicht Selbstzweck sein, sondern Mittel zum Zweck: Mittel zum Zweck, die Rah­menbedingungen für unsere Gesellschaft, für die Bevölkerung, für die Wirtschaft zu schaffen, damit sie sich selbst entfalten können – denn in einer freiheitlichen Gesell­schaft, in einer liberalen Gesellschaft, weiß der Einzelne schon selbst, wie er sich sei­nen Lebensbereich einzurichten hat, wie er die Chancen nützen kann, die notwendig sind, um auch weiterzukommen. Der Staat muss die Hemmnisse abbauen. Er muss fördern, dort, wo es notwendig ist, und er muss sozial absichern, dort, wo diese Chan­cengerechtigkeit nicht gegeben ist.

Ich glaube, dass mit diesem Doppelbudget 2003/2004 ein wichtiger Wegweiser gesetzt wird, der in diese Richtung zeigt. Wir als Parlamentarier bekennen uns zu diesem Kurs, und ich gehe davon aus, dass diese positive Entwicklung, dieser positive Budgetkurs auch für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, weitergeführt werden kann! (Bei­fall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.14

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Brosz zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmun­gen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


10.14

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Kollege Klubobmann Scheibner hat soeben behauptet, dass im Jahr 2004 die Bildungsausgaben beziehungsweise die Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung von 7,5 Milliarden € im Jahr 1999 auf 9 Milliarden € steigen werden. – Das ist unrichtig!


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Der Groß... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.) – Jetzt sagen Sie da hinten auch, das stimmt nicht?! (Bundesminister Mag. Grasser: Das ist eine falsche Berichtigung, die Sie machen!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Am Wort ist der Redner. Bitte ihm nicht ins Genick zu reden – das mag kein Redner! (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Abgeordneter Dieter Brosz (fortsetzend): Das ist insofern unrichtig, als der Großteil dieser zusätzlichen Ausgaben eine Folge der Bilanzverlängerung durch die Ausgliede­rung der Universitäten ist und die tatsächlichen Ausgaben im Jahr 2004 8,2 Milliar­den € betragen werden. Das ist geringfügig mehr als im Jahr 2000, denn den großen Steigungsbetrag gab es von 1999 auf 2000. (Abg. Scheibner – eine Graphik in die Höhe haltend –: Schauen Sie einmal! So schaut es aus!)

Weiters hat Klubobmann Scheibner behauptet, dass im Jahr 2004 das Universitäts­budget gegenüber dem Jahr 1999 verdoppelt wäre. – Auch das ist unrichtig. Das ist ebenfalls die Folge dieser Bilanzverlängerung.

Richtig ist vielmehr, dass die Ausgaben im Jahr 2003 rückläufig sind und im Jahr 2004 das Niveau von 2002 wieder erreichen werden. (Beifall bei den Grünen.)

10.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. Er hat eine Redezeit von 20 Minuten. Wenn er länger spricht, wird die darüber hinaus gehende Redezeit der Österreichischen Volkspartei abgezogen. (Ruf bei der SPÖ: Vom Budget?) – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


10.16

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich an diese Redezeit halten. – Zunächst einmal, um die Wahrheit wieder ein wenig dorthin zu rücken, wo sie ist: Im Budget stehen natürlich genau die Zahlen, die von Herbert Scheibner genannt wurden. Was Sie, Herr Abge­ordneter Brosz, tatsächlich berichtigt haben, weiß ich nicht. (Abg. Dr. Niederwieser: Also bitte, wenn ihr den Schmäh jetzt fortsetzt, dann muss man aber wirklich ...! Sogar die Gehrer hat da den Finanzminister korrigiert!) Selbst wenn Sie die bilanztechnisch notwendigen Effekte herausrechnen, stehen im nächsten Jahr für die Universitäten 130 Millionen € mehr zur Verfügung – und das ist nun bei Gott kein Bettel, sondern das ist viel Geld, und darauf sind wir stolz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens: Meine Damen und Herren! Alfred Gusenbauer hat zu Recht darauf hinge­wiesen, dass man die Vergleiche nicht nur mit Deutschland ziehen soll, man soll sich vielmehr mit den Besten vergleichen. Das ist absolut richtig, und es ist ja auch unser gemeinsames Ziel, innerhalb der nächsten Jahre unter die „Top 3“ in Europa zu kom­men. In manchen Bereichen sind wir es bereits: Was etwa die Frage der Beschäfti­gungslage betrifft, so sind wir unter den besten drei in Europa. Wir haben Platz eins in der Umweltqualität. Wir haben Platz eins bei den Bildungsausgaben pro Schüler – das ist ein ganz wichtiges Kriterium. Wir sind das sicherste Land. Wir liegen auf Platz eins oder zwei, was die Unternehmensinvestitionen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrifft. Es gibt also eine ganze Reihe von Dingen, auf die man wirklich stolz sein kann. Das ist nicht erst jetzt der Fall, sondern das ist eigentlich ein langfristiger Standortvor­teil, den Österreich immer hatte und hoffentlich auch immer behalten wird.

Es ist richtig, dass wir nicht allein auf der Welt sind, dass wir einige große Schwierig­keiten durch die Vernetzung haben. Wir sind heute eine offene Volkswirtschaft, 50 Pro­zent unseres Einkommens müssen wir im internationalen Wettbewerb erwirt­schaften. Wenn Länder wie Deutschland, die Schweiz und Holland ein Nullwachstum haben,


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dann kann natürlich niemand erwarten, dass das auf eine offene Volkswirt­schaft wie Österreich keine Rückwirkungen hat.

Es ist aber ganz interessant, dass man sieht, dass wir uns in manchen Bereichen deut­lich verbessert haben. Herr Abgeordneter Kogler hat durchaus Recht, wenn er sagt: Den Spielraum, den wir haben, müssen wir nützen! – Und das haben wir, glaube ich, auch in einigen interessanten Bereichen getan. Ich darf Ihnen als Beispiel im Folgen­den kurz darlegen – ein wichtiges Kriterium, weil es ja die Menschen direkt betrifft –: Wie sieht die Situation bei der Vermittlung von Arbeitslosen aus?

Im Jahr 1997 betrug die durchschnittliche Vermittlungsdauer pro Arbeitslosen 131 Ta­ge. Das heißt, jeder Arbeitslose hat im Schnitt rund 130 Tage, 131 Tage ge­braucht, um einen Arbeitsplatz neu vermittelt zu bekommen. – Im Jahr 2003 liegt diese Zahl bei 103 Tagen. Das heißt, durch die Reform des Arbeitsmarktservice, und durch viele tech­nische Möglichkeiten und auch bessere Qualität in der Betreuung, ist es ge­lungen, die durchschnittliche Verweildauer in der Arbeitslosigkeit um einen ganzen Monat zu drücken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das ist interessant, meine Damen und Herren! Das ist deswegen interessant, weil das ja auch erklärt, warum wir etwa besser als Deutschland sind. Das ist ja sonst nicht er­klärbar: Westdeutschland, Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen sind ja starke, wirtschaftlich starke Länder. Was ist also das Geheimnis, das erklärt, dass in Deutschland die Arbeitslosenrate, und zwar nicht nur wegen der neuen Bundesländer, sondern auch im Westen Deutschlands, im Vergleich zu Österreich so hoch ist? – Das ist eine der Antworten auf diese Frage: Dass wir rechtzeitig die Reform des Arbeits­marktservice durchgeführt haben, übrigens gemeinsam mit Jolly Hesoun, der damals Sozial- und Arbeitsminister war. Ich war sein Co-Verhandler. – Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Beispiel, und das sind jene Elemente, auf die wir setzen können.

Oder nehmen Sie als zweites Beispiel folgenden Fall, der wahrscheinlich gerade die Ökonomen interessieren wird: Wir hatten, wenn wir Anleihen begeben haben, immer einen enormen Nachteil gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich mich richtig erinnere, lag der Zinsspread zu dem Zeitpunkt, als ich Bundeskanzler wurde, bei ungefähr 35 Basispunkten.

Wir haben in diesen Tagen, genau am 21. Mai 2003, eine zehnjährige Bundesanleihe begeben. Geplant war ein Begebungsvolumen von 3 Milliarden €: Diese Anleihe ist jedoch derart überrannt worden, dass innerhalb eines Tages die ganze Geschichte geschlossen war. Wir hätten leicht 10 Milliarden € verkaufen können, haben dann aber 5 Milliarden € begeben, der Kurs der Coupons beträgt 3,8 Prozent. Das Interessante daran ist, dass es damit der Republik Österreich als erstem Staat Europas gelungen ist, eine zehnjährige Anleihe zu Swap-Konditionen gleich der Benchmark-Anleihe – die ist nämlich Deutschland – zu begeben.

Das heißt: Wir haben den Nachteil, den wir noch vor drei Jahren hatten und der vom Geldvolumen her ziemlich teuer war, vollkommen aufgeholt! Das sind Dinge, zu denen man Karl-Heinz Grasser und Alfred Finz wirklich aus vollem Herzen gratulieren kann. Das ist ein konkreter Erfolg, und der Steuerzahler spürt das! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und wenn Standard & Poor’s, also nicht irgendjemand, sondern diejenigen, die – Daumen oben oder unten – entscheiden, wie die Bewertung eines Landes ausfällt, schreibt:

„Austria has succeeded in becoming a European leader in terms of fiscal consoli­dation. ..., the turnaround since 1998, when Austria had the highest general govern­ment deficit among EU sovereigns, has been remarkable.“,


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dann ist das doch bitte ein wirklicher Erfolg! – Das ist von uns nicht erfunden, das stammt aus keiner Propagandaküche, das ist die beinharte Realität auf den Märkten.

Das kann man, so glaube ich, selbst in einer schwierigen Zeit, in der es gar nicht leicht ist, Budgetkonsolidierung und Wachstumspolitik zu machen, an einem solchen Tag durchaus erwähnen, und darauf sind wir stolz, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich sage das jetzt aber nicht, um den Eindruck zu erwecken, alles sei super – über­haupt nicht! Ich weiß genau, wo unsere Probleme liegen, und bin der Erste, der das auch ausspricht. Und die Frage: Was können wir tun, um stärker zu wachsen? ist 100-prozentig richtig. Das ist die entscheidende Frage. Alles andere, alle Wünsche, die geäußert werden – noch stärkere Steuerentlastung, noch mehr für dieses oder jenes –, geht ja, ehrlich gesagt, überhaupt nur dann, Herr Abgeordneter Kogler, wenn wir Wachstum haben.

Nun stellt sich die Frage: Wie kann ich dieses generieren? Das kommt ja nicht da­durch, dass wir es uns wünschen. Jeder hier im Saal – und wahrscheinlich auch außer­halb – wünscht es sich. Die Frage ist: Was können wir konkret tun? – Und meine Ant­worten, der Versuch einer Antwort, lauten:

Erstens: ein klares und uneingeschränktes Ja zur Erweiterung. – Das habe ich immer gesagt, Sie wissen das. Ich glaube das wirklich aus tiefster Überzeugung. Jetzt haben wir auch den Beweis dafür: Jene Länder rings um uns, die beitreten werden, haben zum Teil Wachstumsraten zwischen 3, 4, manche sogar 5 Prozent, und wir profitieren davon, weil wir eben nicht – so wie es manche behauptet haben – die Chancen ver­schlafen haben, sondern weil sich die österreichischen Unternehmungen, aber auch, bitte, die staatlichen Institutionen, auch die Bundesländer, voll auf diese neue Chance draufgesetzt haben.

Diese Entwicklung haben wir auf der Ebene der Bundesregierung begleitet: Hinsichtlich des Arbeitsmarktes haben wir eine siebenjährige Übergangsfrist zum Schutz des hei­mischen Arbeitsmarktes herausverhandelt. Wir haben für die Bauern ein 3 Milliarden €-Paket für die nächsten Jahre außer Streit gestellt; dies ist wichtig, denn die Bauern werden den Konkurrenzdruck durch die Erweiterung natürlich spüren, Wir haben der­zeit ein großes Programm zur Verbesserung der Infrastruktur laufen, das gerade die Straßen- und Schienenverbindungen mit den Nachbarländern verbessern soll. Und: Wir haben mit der regionalen Partnerschaft ein politisches Konzept, das hoffentlich auch greifen wird.

Daher: Dieses Ja zur Erweiterung, das, wie ich glaube, alle in diesem Hohen Haus weit über die Parteigrenzen hinweg verbindet, ist eines der wichtigen und auch realistischen Instrumente, die wir haben.

Das Zweite ist Bildung und Forschung. – Ich glaube, das ist auch keine Frage: Jeder, der hier in diesem Saal sitzt, weiß ganz genau, dass wir derzeit zu viel für manche Konsumzwecke ausgeben – die Sozialquote ist in Österreich enorm hoch, das weiß jeder –, während einige investive Ausgaben für die Zukunft – und dazu rechne ich Bil­dung und Forschung – noch zu niedrig sind. Nur: Ich muss aber auch dazu sagen: Al­les, was ich hier mehr investieren will, muss ich woanders wegnehmen. Ich muss da­nach trachten, finanzielle Spielräume dafür zu schaffen. (Abg. Broukal: Abfangjäger!)

Wir haben, so glaube ich, in sehr schwieriger Zeit gerade im Bereich von Bildung und Forschung auch einiges zustande gebracht. Das ist ja nicht so ohne weiteres machbar, aber es wird kommen: 600 Millionen € an zusätzlichen Forschungsgeldern werden ... (Abg. Dr. Niederwieser: Wann kommen die 2,5 Prozent?) – Ich verstehe Sie leider nicht. (Abg. Dr. Niederwieser: Wann kommen die 2,5 Prozent?) – Wir haben immerhin


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gerade die 2 Prozent-Marke knapp erreicht, und wir werden auf diesem Weg weiterge­hen.

Das konkrete Angebot lautet: 600 Millionen € zusätzlich vom Staat – das müssen natürlich auch die Unternehmungen quasi unterfüttern –, und zudem wollen wir, wie ich gestern schon erwähnt habe, versuchen, über die Notenbank eine Forschungsstiftung, eine Österreich-Stiftung aufzubauen, die uns aber dann klarerweise beim Budget wie­derum weniger Spielraum gibt, denn die Gewinne der Notenbank, die heute ins Budget fließen, würden dann zweckgebunden der Forschung zufließen. Dafür bitte ich dann aber auch um Ihre Unterstützung im Hohen Haus, damit wir diesen Schwerpunkt auch nachhaltig leben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der dritte Bereich betrifft richtigerweise die Investitionen. – Diesbezüglich sind wir nicht schlecht unterwegs, man muss wirklich einmal den österreichischen Unternehmungen, den kleinen, den großen, ein großes Dankeschön sagen. Wir haben eine Investitions­quote von 23 Prozent Anteil am BIP! Das hat kein anderes europäisches Land, dieser Wert liegt um 2 Prozent über dem Schnitt der Euro-Zone und auch der Europäischen Union.

Aber auch wir vom Staat kommen gerade bei Schiene und Straße – und das ist über­prüfbar; Sie müssen natürlich die ausgegliederten Bereiche, nämlich ASFINAG und die Schieneninfrastrukturgesellschaft dazurechnen, das ist aber auch richtig – zusammen­gerechnet auf eine deutliche Steigerung, nämlich, wie Willi Molterer schon gesagt hat, von 1,6 Milliarden € im Jahr 1999 auf 2,3 Milliarden € im Jahr 2004. – Ich halte dieses Investitionsthema für ganz wichtig, es muss auch steuerlich durch entsprechende Maß­nahmen unterstützt werden.

Der vierte Bereich ist ganz wesentlich, nämlich der Export. – Es ist ja in den letzten zehn Jahren ein kleines Exportwunder entstanden. Die österreichischen Unternehmer haben sich neue Märkte erschlossen und sehr viel gemacht. Wir werden, wissend, dass das ein Konjunkturmotor werden könnte, in den nächsten zwei Jahren ein Son­derprogramm, bestehend aus 50 Millionen € vom Staat und hoffentlich in gleicher Höhe von der Wirtschaftskammer mit noch einmal 50 Millionen € unterstützt, also ein Son­derprogramm von 100 Millionen € für Exportmaßnahmen starten.

Das ist etwas, das, wie ich glaube, hoffentlich auch das Wohlgefallen der kritischen Opposition finden wird, denn dort ist wirklich etwas zu holen – vor allem auf Märkten, wo wir bisher nicht so ausreichend vertreten waren. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Über die Steuersenkung und über die Familienförderung hat vor allem Herbert Scheib­ner sehr ausführlich gesprochen. Das ist deswegen wichtig, weil das vor allem den kleineren Einkommen zugute kommen wird. Die 340 Millionen € oder die Dreiviertelmil­liarde €, die wir durch die Steuerentlastungen, Lohnnebenkostensenkungen in diesen Jahren zur Verfügung stellen, kommen ja überwiegend den Beziehern kleiner Einkom­men zugute und stärken damit die Kaufkraft. Das ist sehr teuer, das gebe ich zu, aber es ist genau richtig eingesetzt.

Ich danke auch dem Finanzminister dafür, dass er in dieser Zeit gesagt hat: Nein, da halten wir eben nicht am Ziel, keine Schulden zu machen – das ja an sich absolut sinn­voll ist –, fest, jetzt müssen wir begrenzt, verantwortbar Geld in die Hand nehmen! (Abg. Eder: Ein bisschen zu spät!) – Nicht zu spät, genau richtig; die Konjunkturpro­gramme sind genau zu dem Zeitpunkt begonnen worden, als der Wachstumsknick er­kennbar geworden ist – und das ist auch wichtig: den richtigen Zeitpunkt nicht zu ver­passen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Witt­mann: Ist schon 2000 erkennbar gewesen!)


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Dann haben wir massiv darum gekämpft, von der Europäischen Zentralbank eine Zins­senkung zu bekommen. Seit November des vorigen Jahres haben wir immerhin eine Zinssenkung um 1,25 Prozent – das ist schon etwas! Und ich hoffe sehr, dass das grei­fen wird, zumal auch die Unsicherheitsfaktoren Ölmärkte, Irak-Krieg jetzt vorbei sind; da könnte schon etwas geschehen.

Letzter Punkt: Ich meine, dass wir dringend versuchen müssen, auch von uns aus, die notwendigen Strukturmaßnahmen, die ja auch eine Ursache dafür sind, dass die Skandinavier besser sind als andere europäische Länder, jetzt zu setzen. Und nichts anderes versuchen wir, nämlich den Umbau unserer staatlichen Bürokratie hin zu einer schlankeren, effizienteren Verwaltung. Dazu gehören natürlich ein Dienstpostenabbau, vor allem aber auch sinnvolle Reformen.

Präsident Fiedler, der ja anwesend ist und dem ich ebenso wie der Volksanwaltschaft sehr für seine wertvollen Anregungen danke, wird der Präsident des Österreich-Kon­vents sein. Ich erwarte mir, dass wir durch diesen Konvent viele Ideen dafür be­kom­men, wie wir diesen sinnvollen Umbau des Staates und der Staatsfunktionen opti­mie­ren können.

Wir haben uns im Regierungsprogramm einige schwergewichtige Zielsetzungen vor­genommen:

Zum ersten Mal sollen Polizei, Gendarmerie und Zollwache in einer Hand, in einem gemeinsamen Haus vereinigt sein. Die Profis, die Praktiker wissen genau, das dies ein Jahrhundertprojekt ist – und das nehmen wir in Angriff.

Auch eine Neuordnung der Gerichtsorganisation, die zum Teil 200 Jahre zurückreicht, wird erfolgen, das ist ein wichtiges Thema.

Das Gesundheitssystem – nicht in seinen Finanzströmen, aber von der Organisation her – soll beleuchtet werden, denn es stellt sich die Frage: Wie kann man zentrale und föderale Elemente so vereinen, dass das für den einzelnen Versicherten wirklich Sinn macht? (Abg. Dr. Grünewald: Ja, wie?)

Oder: Die Frage E-Government, das jetzt das Finanz-Online-Benchmark in Europa ist, mit dem man die Steuererklärung über das Internet machen kann, muss forciert wer­den.

Oder: Mit dem geplanten Projekt ADONIS, das gerade in die Endphase kommt und daher natürlich auch viele Diskussionen aufwirft und das eines der spannendsten Pro­jekte ist, werden wirklich all diese Organisationen vernetzt.

Auch die Chipkarte im Bereich der Gesundheitsorganisation soll umgesetzt werden und so weiter.

Die Bundesheerreform ist dringend notwendig, weil sich natürlich die Bedrohungsbilder geändert haben, ebenso die Pensionssicherungsreform, die Sie gestern beschlossen haben.

Erlauben Sie mir, dass ich einen Punkt hier erwähne, der mir sehr wichtig ist: Alles, was wir tun, hat auch etwas mit Psychologie zu tun. Man kann eine Entwicklung be­günstigen – nicht „hinaufreden“, schönreden, aber man kann eine Erwartung, eine Hoffnungslage begünstigen, stärken – oder man kann sie schwächen und „hinunterre­den“. Das, was mich sehr gestört hat – ich muss das hier offen sagen –, waren zum Beispiel immer wieder Sätze wie, dass die Pensionssicherungsreform Pensionskür­zungen von 10 oder 20 oder 30 Prozent ... (Abg. Mag. Posch: Was denn sonst?) – Warten Sie! Darf ich das Argument wenigstens sagen, bevor Sie es in Grund und Bo­den verdammen?


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Das ist natürlich objektiv falsch, das wissen Sie genauso gut wie ich. (Abg. Mag. Pram­mer: Können Sie sich vorstellen, dass auch Sie falsch liegen? Oder ist das ...?) Darf ich vielleicht jemanden zitieren, der Ihnen unverdächtiger zu sein scheint als ich, nämlich die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales der vorver­gangenen Legislaturperiode Lore Hostasch? Diese hat auf genau dasselbe Argument, das von der damaligen Opposition gekommen ist, die sagte, Durchrechnungszeiträume bedeu­ten Pensionsverluste, geantwortet – ich zitiere –:

Vergessen Sie nicht, „daß die Neupensionen über dem Durchschnitt der jetzt beste­henden Pensionen liegen werden. Das heißt nicht, daß, in absoluten Zahlen gesehen, nach dem bisherigen System eine Pensionskürzung anfallen wird, sondern es geht nur darum, daß die Steigerungen etwas geringer als im alten System ausfallen werden. Aber genau das soll und wird den Generationenvertrag stärken.“ – Zitatende.

Das Gleiche hat übrigens die damalige SPÖ-Sozialsprecherin Reitsamer gesagt, die auf den Vorwurf, ein 36-jähriger Beamter hätte so und so viel Prozent minus durch die Anhebung der Durchrechnungszeit vom letzten Jahr vor dem Pensionsantritt auf 18 Jahre zu erwarten, erwidert hat – ich zitiere –:

„Ich wage zu bezweifeln,“ dass man so ein Beispiel überhaupt rechnen kann. „Bei einem Alter von 36 Jahren müßte man sich das in jedem einzelnen Fall anschauen. Das gilt auch für die Privatwirtschaft. ... Und man vergißt Lohnerhöhungen, man vergißt Pensionsanpassungen.“ – Zitatende. Genau das ist der Punkt! Es wird natürlich nicht im Jahr 2033 irgendjemand um 30, 40 Prozent weniger Pension haben als heute. Das ist ja absurd, denn dazwischen liegen Lohnsteigerungen, Anpassungen, Neubewertun­gen, die wir alle vorhaben. Und ich bitte Sie, dass man den Menschen eine Perspektive anbietet, die realistisch ist, die zwar durchaus auch kritisch sein kann, aber man soll nicht eine ohnehin schwierige Situation in Schwierigkeiten hineinreden – darum ersu­che ich Sie, darum bitte ich Sie, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Gleiche gilt bei der ÖIAG. Die ÖIAG ist in Wirklichkeit in den letzten drei Jahren eine absolute Erfolgsgeschichte. Es ist richtig, dass auch früher schon Privatisierungen gemacht worden sind, aber trotzdem war es natürlich immer ein quasi im Staatseigen­tum und damit unter sehr starkem politischen Einfluss stehender Industriebereich. Eines muss ich schon ganz offen dazu sagen:

Wir waren alle irgendwann einmal in den letzten Monaten in der VOEST. Kein Mensch weiß heute mehr, welcher Couleur, welcher politischen Farbe der Herr Aufsichtsrat A, B, C, D, Manager eins, zwei, drei oder vier angehört. Sie alle machen einfach ihren Job ordentlich! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und das ist einer der größten Erfolge in der ÖIAG-Politik, nämlich dass dort Profis am Werk sind, und nicht mehr nach der politi­schen Farbe gefragt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitli­chen.)

Herr Dr. Gusenbauer! Sie haben natürlich Recht: Am liebsten ist es uns, wenn die Ent­scheidungen in Österreich fallen, das ist doch gar keine Frage! Die Headquarters, die Forschungsinstitutionen, die strategischen Entscheidungen soll es hier geben. Aber trotzdem bin ich davon überzeugt – denn irgendwann einmal werden die Begehrlichkei­ten von Seiten der Politik wieder wachsen –: Es ist gescheit, wenn es nicht der Staat ist, der Eigentümer ist. Und ich hätte mir gewünscht, dass Ihre kritischen Worte – viel­leicht nicht von Ihnen, aber von anderen – hinsichtlich der Headquarters auch zu jenem Zeitpunkt gekommen wären, als die Bank Austria letztlich sang- und klanglos zur Gän­ze ans Ausland gegangen ist. (Rufe bei der ÖVP: So ist es!) Da muss ich fragen: Wo sind heute die strategischen Entscheidungen? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)


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Daher: Gehen wir diesen begonnenen Weg weiter! Nehmen wir die Frage der Fiskalpo­litik, der Konsolidierung der Budgets auch weiter ernst, selbst wenn es heute eine schwierige Konjunktursituation gibt! Machen wir es uns nicht zu leicht! Suchen wir ge­meinsam nach Lösungen dafür, wie wir noch besser werden können, wie wir stärker wachsen können, aber reden wir Österreich nicht schlecht, weil das verdient es nicht, und dazu sind wir in Österreich, glaube ich, auch viel zu gut! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nach dem Grundsatz „repetitio est mater studiorum“ hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu einer neuerlichen tatsächlichen Berichtigung ge­meldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die diesbezüglichen Bestimmungen der Ge­schäftsordnung. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.36

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Rede behauptet, dass auch dann, wenn man die bilanzverlängernden Maßnah­men wegrechnet, eine Erhöhung des Universitätsbudgets von 130 Millionen € übrig bleibt. – Auch das ist unrichtig!

Richtig ist nämlich vielmehr, dass der Budgetvoranschlag des Jahres 2002 von 1 Mil­liarde 882 Millionen € relativ drastisch überzogen worden ist, und die tatsächlichen Ausgaben 2 Milliarden 16 Millionen € betragen haben. Das war eine Überschreitung von ... (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Na, selbstverständlich!

Das war eine Überschreitung von 134 Millionen €. (Abg. Dr. Fasslabend: Das ist ja keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Scheibner: Das ist ein Debattenbeitrag! – Abg. Großruck: Das ist ja falsch!) Vergleichen kann man in diesem Zusammenhang nur die tatsächlichen Ausgaben und im Jahr 2004 den Budgetansatz der Globalbudgets, die nicht mehr überschritten werden dürfen.

Daher ist es unrichtig, dass es im Jahr 2004 eine Erhöhung von 130 Millionen € geben wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Fasslabend: ... Rüge ...! – Abg. Großruck: Einen Ordnungsruf für so eine Berichtigung!)

10.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Prammer. Die Redezeit ist wunschgemäß 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


10.37

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Herr Bundeskanzler! Ihre Objektivitäten sind nicht unsere, denn für uns ist schon eindeutig klar: Wenn Sie den so genannten kleinen Leuten Geld wegnehmen – wie es zum Beispiel gestern im Zusammenhang mit dieser so genannten Pensionsre­form geschehen ist –, dann wird es auch kein Wachstum geben. Das, was hier an Poli­tik, an Budgetpolitik passiert, ist unsozial, ist unausgewogen! Aber genau das sollte eigentlich der Hauptansatz für ein Budget in Österreich sein, um soziale Ausgewogen­heit, soziale Gerechtigkeit zustande zu bringen.

Sie tun das aber nicht! Ganz im Gegenteil: Sie werden, und das wissen Sie, zwischen 2004 und 2007 den Österreicherinnen und Österreichern mehr als 2 Milliarden € an zusätzlichen Belastungen zumuten. Und da nützt die schönste Sonntagsrede nichts, wenn Sie sich hier herstellen und immer wieder nur von Dingen reden, die nicht der Realität entsprechen.

Ich komme nun ein paar Mal auf die Budgetrede des Herrn Finanzministers zu spre­chen. Der Finanzminister hat zwei Mal hintereinander in seiner Budgetrede eine ganze


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Menge an Aussagen getätigt, die nichts mit den vorgelegten und vorliegenden Budget­zahlen zu tun haben. – Herr Finanzminister, weder Sonntagsreden draußen noch Re­den hier in diesem Haus gestatten Ihnen das so einfach, Sie müssen sich auch mit den Realitäten konfrontieren lassen.

Sie sagen: „Wer Armut ... bekämpfen will ..., der muss unsere Unternehmen von Fes­seln und Belastungen befreien,...“ – Dies ist ein Originalzitat aus Ihrer Budgetrede. Aber was heißt das? Wer oder was sind die Fesseln und Belastungen?

Ich konzentriere mich auf das Wort „wer“, das heißt aber: Was Sie hier sagen, muss eindeutig als Angriff gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstanden wer­den (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser), also: Abbau von Sozial­rechten, Abbau von Schutzmaßnahmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und ganz besonders werden die Frauen, die natürlich immer die schwächeren am Arbeits­platz sind, die Last zu tragen haben.

Nicht anders kann ich auch die Debatte um die Ladenöffnungszeiten verstehen. Das ist ein kleiner Teil von vielen, wo Sie einen Fortschritt sehen, wo Sie so genannte Freiheit sehen. Diese Ihre Freiheit liegt aber woanders, nicht bei den vielen Menschen, die in Österreich unselbständig beschäftigt sind.

Herr Finanzminister! „Freiheit und Eigenverantwortung bedeuten, dass die Menschen diese Chancen selber nützen müssen“ – Das haben Sie in Ihrer Budgetrede auch ge­sagt. Das klingt auch gut.

Ich frage mich nur, wie die kleine Verkäuferin das machen wird, wohin sie geht, wenn sie einen Kinderbetreuungsplatz braucht, um ihre Chancen zu nützen. Selbst betreu­en – oder was heißt das? (Zwischenruf der Abg. Steibl.) In Wien haben wir – Frau Kol­legin Steibl, das wissen Sie ganz genau – die beste Situation hinsichtlich der Kinder­betreuungseinrichten (Abg. Steibl: Die teuerste!) und ganz sicher nicht in jenen Bun­desländern, von denen Sie immer reden. (Beifall bei der SPÖ.) Ich würde jeder Frau wünschen, das Angebot vorzufinden, das die Frauen Gott sei Dank in Wien vorfinden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Dr. Trinkl.)

Wo sind die Kinderbetreuungsmillionen, die es früher gegeben hat? – Ich habe das gestern schon gesagt: Das wäre gut investiertes Geld. Wir haben Ihnen schon früher vorgerechnet – damals haben Sie sogar noch mit uns mitgerechnet –, dass wir nicht nur 30 000 Betreuungsplätze geschaffen haben, sondern dass wir mit diesen zweimal 600 Millionen Schilling damals auch 2 000 Arbeitsplätze geschaffen haben. (Beifall bei der SPÖ.) – Das zu den Maßnahmen, die Regierungen und Parlamente auch setzen könnten. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Sie reden von „Freiheit der Menschen“ und weisen auch auf Beschäftigtenzahlen hin. Wie ist das mit den Beschäftigtenzahlen in diesem Land, wo sind sie denn in den ver­gangenen Jahren gestiegen? – In der Teilzeitbeschäftigung. Ich schaue mir an, wie Frauen in Teilzeitbeschäftigung auf eigenen Beinen stehen können. Und wenn Sie meinen, dass nur die absoluten Zahlen und eben nicht die Vollzeitbeschäftigung letzt­endlich den Generationenvertrag sichern werden, dann irren Sie, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Auch wieder eine Maßnahme gegen die Frauen.

Nächster Punkt – der Herr Bundeskanzler hat das jetzt auch noch einmal gesagt –: die Beamten. Herr Minister Grasser! Sie haben sich in Ihrer Budgetrede wirklich verstie­gen, denn Sie haben gesagt: „Weg mit dem Speck!“ Wörtlich: „Weg mit dem Speck!“ – Ich erinnere noch einmal daran. Also, liebe Beamtinnen und Beamte, jetzt wisst ihr, was der Herr Finanzminister von euch hält!


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Ich sage nur: Beamte sind weder Speck noch Maden im Speck. Sie sind jene Perso­nen in diesem Land, die die Staatsaufgaben zu erfüllen haben. Meine Damen und Her­ren von der Regierung! Sie sollten zumindest so objektiv sein, bevor Sie Dienstposten streichen, kürzen und Menschen vorzeitig in Pension schicken, den Konvent abzuwar­ten, um zu sehen, wo in Zukunft die Staatsaufgaben liegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Minister hat sich damals schon mokiert und gesagt: Wir werden dem Druck der Straße nicht nachgeben! – Das ist bezeichnend, das Budget trägt diese Hand­schrift: Sie ignorieren die Bedürfnisse und die Anliegen der Menschen in diesem Land.

„Steuern senken heißt Freiheit schenken!“ – Das haben Sie auch gesagt, und darauf möchte ich noch einmal in Bezug auf die Frauen zu sprechen kommen.

Sie halten es für unglaublich toll, dass jetzt für Einkommen unter 14 500 € jährlich Steuerfreiheit gewährt wird (Abg. Ellmauer: Das ist nichts für Sie! – Abg. Dr. Fekter: 200 000 Personen sind betroffen, die sind Ihnen egal!), aber haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, was die vielen Frauen, auch wieder teilzeitbe­schäftigten Frauen, die vorher schon in der Steuerbefreiung waren, von dieser Maß­nahme haben? Es wird gleich null sein, gleichzeitig haben sie aber alle Erschwernisse zu tragen. Die 4 € sind ja heute schon erwähnt worden.

Sie reden vom großen Gender Mainstreaming, aber Sie haben auf die Frauen restlos vergessen, nicht nur in Ihrer Budgetrede, sondern auch in der Realität, und deren Inte­ressen ignoriert.

Da das Stichwort „Pensionen“ noch einmal gekommen ist: Dieser „BittstellerInnen-Fonds“, den Sie jetzt schaffen, ist wirklich noch einmal und ganz besonders zu erwäh­nen, denn Sie schaffen dort nicht nur keinen Rechtsanspruch (Abg. Scheibner: ...! Das ist, weil Sie die Leute immer so behandeln!), sondern geben auch nur eine – das kann man nicht oft genug sagen – einmalige Unterstützung. Zuerst nehmen Sie den Men­schen mit den Änderungen bei den Pensionen Möglichkeiten – und dann wird einmalig unterstützt; vielleicht alle drei Jahre, vielleicht alle fünf Jahre. Und gerade Frauen und KleinstpensionsbezieherInnen werden wahrscheinlich nichts davon haben, werden ganz sicher nicht jene Unterstützungen erhalten, die sie brauchen.

Durchrechnung. – Sie haben die Durchrechnung erwähnt und haben die frühere Sozi­alministerin Hostasch zitiert. Ich habe das auch an dieser Stelle schon mehrfach ge­sagt: Längere Durchrechnungszeiträume sind keine ungerechten Maßnahmen, wenn man anderes auch tut, nämlich die Aufwertungsfaktoren richtig setzt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was machen Sie? – Sie haben gestern einen Entschließungsantrag zur Harmonisie­rung beschlossen (Abg. Steibl: Das muss man verhandeln!), dort werden Sie sich in Zukunft irgendwie etwa entlang der Lohnentwicklung bewegen; aber nicht in der Ver­gangenheit.

Die Durchrechnung wird erhöht, die Aufwertungsfaktoren werden aber nicht geän­dert. – All das trifft die Menschen, ist unsozial und ungerecht! (Abg. Dr. Trinkl: Lesen Sie nach bei Hostasch!) – Ja, da würde ich Ihnen empfehlen: Lesen Sie nach bei Hostasch, denn Hostasch hat die Zusammenhänge immer ausgewogen und fair be­wertet, und dementsprechend sind auch die Maßnahmen gesetzt worden. (Abg. Zwey­tick: Sie müssen die Zeichen der Zeit erkennen!) Erst jetzt geht es zurück, die Men­schen spüren das (Abg. Ellmauer: Warum sind Sie so negativ?), und nicht zuletzt deswegen gehen die Menschen auf die Straße, auch wenn sie von Ihnen, meine Da­men und Herren, noch so ignoriert werden! (Beifall bei der SPÖ.)

 


10.45


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Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Baum­gartner-Gabitzer. Wunschgemäße Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


10.45

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Herr Prä­sident des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Bud­gets, die wir heute diskutieren, die Budgets für 2003 und 2004, sind unserer Meinung nach eine hervorragende Grundlage, um in den nächsten beiden Jahren ordentlich zu wirtschaften und der Regierung die Möglichkeit zu geben, in dieser schwierigen Situa­tion, in dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage entsprechend zu handeln. (Zwischen­ruf des Abg. Mag. Posch.)

Auf die schwierige wirtschaftliche Lage haben wir schon immer hingewiesen, wie dies auch Herr Kollege Kogler hier getan hat, wir haben allerdings nicht von einer „Krise“ gesprochen, und das ist ein wesentlicher Unterschied. Dass es schwierig ist, haben wir nicht bestritten, aber wir haben diese Schwierigkeiten und die Herausforderung ange­nommen und versucht, Rezepte zu entwickeln, sehr geehrte Damen und Herren! (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Regierung ist mit diesen Budgets ihren Zielen treu geblieben: dem Ziel, das Nullde­fizit weiterhin zu halten, weitgehend zu halten, soweit es eben möglich ist, und dem Ziel, Konjunkturimpulse zu setzen. Das heißt, Geld soll dort ausgegeben werden, wo es sinnvoll, notwendig und strukturell wichtig ist, zum Beispiel im Bereich der Infra­struktur, für familienpolitische Maßnahmen, in den Bereichen Forschung, Bildung und Wissenschaft.

Eine kurze Bemerkung zur tatsächlichen Berichtigung des Kollegen Brosz. Herr Kolle­ge Brosz hat hier in seiner tatsächlichen Berichtigung natürlich nicht tatsächlich berich­tigt, sondern Äpfel mit Birnen verglichen. Er hat nämlich nicht Erfolg mit Erfolg vergli­chen, sondern Erfolg mit Voranschlag. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Bundesregierung bemüht sich, die Kostenbremse zu ziehen – sie wird das auch tun – und am Ziel eines gesamtstaatlich ausgeglichenen Staatshaushaltes festzuhal­ten. Wir befinden uns diesbezüglich im Vergleich mit anderen Ländern – es ist nicht so, wie Kollege Gusenbauer hier behauptet hat, dass wir uns immer mit den Letzten ver­gleichen – auf einem sehr guten internationalen Standard. Wir sind nämlich betreffend die Defizitquote – 2002 lagen wir noch an der achten Stelle – 2003 an sechster Stelle. Wir sind hier – international gesehen – in einer außerordentlich hervorragenden Situa­tion. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In den letzten beiden Tagen und auch heute schon haben mich die Redner der Opposi­tion sehr „beeindruckt“ – uns alle wahrscheinlich –, denn sie haben ein ungeheuer düs­teres Bild von Österreich gezeichnet. (Abg. Scheibner: Auch von sich selbst!) Ein Bild, das meiner Meinung nach überhaupt nicht stimmt und das auch sehr wenig mit der Realität zu tun hat. Auch meine Vorrednerin hat hier ziemlich eindrucksvoll nur auf Schwierigkeiten hingewiesen und letztlich eine – gestatten Sie mir, das ist mein Aus­druck – gewisse Kultur des Jammerns hier verinnerlicht. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.)

Ich möchte hier auf einen für mich sehr bemerkenswerten Beitrag in einem Artikel in der „Zeit“ hinweisen, es ist dies eine ziemlich schonungslose Analyse von Helmut Schmidt, der geschrieben hat: „Weil Deutschland sich ändern muss“. Er hat genau auf diese Kultur des Jammers hingewiesen. Er wollte Deutschland Mut machen und hat in seiner Schlussfolgerung gesagt: Deutschland ist ein starkes, lebenswertes, zukunftsfä­higes Land, man muss allerdings an die Kraft und an die Fähigkeiten dieses Landes glauben und darf nicht Weltmeister im Krankjammern werden. (Abg. Mag. Prammer:


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Das heißt aber nicht, dass Sie ungerechtfertigt den „kleinen“ Leuten in die Tasche grei­fen können!)

Ich denke, dass sich die österreichische Opposition auf genau demselben Weg befin­det, nämlich versucht, Weltmeister im Krankjammern zu werden. Aber dazu haben wir nun wirklich keinen Grund, Frau Kollegin Prammer! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Angela Merkel, die Oppositionsführerin in Deutschland, hat in der letzten Ausgabe der „Zeit“ darauf geantwortet und hat meiner Meinung nach auch für uns sehr interessante und auch richtige Antworten gegeben. Sie sagt:

Der Befund ist richtig, und es ist auch gut, dass man den Deutschen wieder Mut gibt, es ist wichtig, dass die Leute den Mut nicht verlieren, aber wesentlich ist, dass die kon­krete Politik Antworten geben muss. Wichtig ist, dass diese Antworten Investitionen in die Zukunft beinhalten. (Abg. Mag. Prammer: Ich kann mich da an einen Helmut Kohl erinnern!)

Weiters Frau Merkel: Die Leitlinien, das sind Freiraum, Eigenverantwortung und Wett­bewerb. Und die politischen Angebote müssen genau diese Grundsätze verinnerlichen, dann kann sich ein Land aus einer schwierigen Situation befreien. – So weit das Zitat.

Sorgen, meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition, und Befürchtungen allein sind zu wenig. Das Malen von Grauslichkeiten, wie uns Herr Gusenbauer das heute gezeigt hat, Beschwörungen der „sozialen Kälte“ und das „Drüberfahren“ zwei Tage lang ununterbrochen zu replizieren, das ist zu wenig!

Ich denke, es müssen politische Angebote gemacht werden, Rezepte müssen her, und diese Bundesregierung hat uns das in der Vergangenheit gezeigt. Sie hat auch den Mut dazu gehabt, Reformen vorzulegen, auch Reformen, die schwierig sind wie zum Beispiel die Pensionssicherungsreform, um in Zukunft auf Probleme, die uns mögli­cherweise betreffen werden, Antworten geben zu können. Das ist eine positive Lebens- und Zukunftsgestaltung, diese wünsche ich mir von einer Bundesregierung – und diese Bundesregierung macht sie. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 8 Minuten Redezeit werden wunschgemäß eingestellt. – Bitte.

 


10.52

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobro jutro! Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Liebe Frau Volksanwältin Bauer! Herr Volksanwalt Stadler! Herr Präsi­dent des Rechnungshofes! Ich möchte meine Ausführungen damit beginnen, mich na­mens der grünen Fraktion bei den Damen und Herren der Parlamentsdirektion, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments aufs Allerherzlichste dafür zu bedan­ken – und Budgetdebatten sind immer ein Anlass dazu, das zu tun –, dass sie uns Ab­geordnete und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des grünen Klubs über das gesam­te Jahr so wunderbar unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ und ÖVP.)

Die politische Arbeit der Fraktionen und der einzelnen Abgeordneten wäre nicht in der Form möglich, wenn die „Infrastruktur“ des Parlaments nicht so gut wäre. Und da mei­ne ich nicht eine „Infrastruktur“, die sich sozusagen auf Hardware bezieht, sondern vor allem die „Software“, die menschliche und inhaltliche Zuwendung, die wir von den Mit­arbeitern bekommen, die für uns sehr wertvoll ist.


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Herr Präsident! Ich bitte Sie, dass Sie diesen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter weitertragen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das mache ich gerne, Frau Abgeordnete! Auch ich bin stolz auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Danken möchte ich auch, weil sich heute die Gelegenheit bietet, der Volksanwaltschaft und möchte mich den Worten des Klubobmanns Scheibner, der das auch schon gesagt hat, anschließen.

Ich habe heute so wenig Redezeit zur Verfügung und bitte Sie um Entschuldigung da­für, dass ich nicht näher auf die Bedürfnisse und Wünsche der Volksanwaltschaft ein­gehen kann.

Mein nächster Punkt – auch in aller Kürze – gilt einer Problematik – und da bin ich so­zusagen unmittelbar beim Budget, da das Budget immer den Rahmen für die politische Arbeit darstellt. Politische Arbeit wird nicht nur von Politikerinnen und Politikern, die das sozusagen bezahlt machen, gemacht, sondern in diesem Land maßgeblich auch von nicht staatlichen Organisationen, von Vereinen, von Vereinigungen, und ich beziehe mich jetzt auf jene Gruppen und Menschen, die im Volksgruppenbereich aktiv sind und das gesamte Jahr hindurch Wesentliches leisten.

Diese politische Arbeit – „politisch“ jetzt auf die Themenbereiche bezogen, Herr Bun­deskanzler, die die Volksgruppenangelegenheiten betreffen – wäre nicht möglich, wenn es nicht eine staatliche Unterstützung und Förderung gäbe.

Bei allem Respekt, den ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, entgegenbringe, weil die Volks­gruppenförderung im Gegensatz zu anderen Bereichen im Rahmen des Budgets nicht gekürzt wird, sondern gleich bleibt, und auch Dank dafür, dass das nicht ge­schieht, möchte ich Sie schon darauf hinweisen, dass eine Nicht-Kürzung, ein Gleich­bleiben in diesem Fall Stagnation bedeuten, nämlich auch eine Stagnation der Mög­lichkeit, politische Arbeit zu leisten.

Ich beziehe mich auf das, was erst jüngst stattgefunden hat: Die Volksgruppe der Un­garn in Wien und im Burgenland – also nicht jene Volksgruppe, der ich angehöre – hat eine massive Beschwerde an die Bundesregierung gerichtet – vielleicht ist Ihnen das schon zu Ohren gekommen; ich gehe davon aus – und damit auch an die Volksvertre­tung, und zwar dahin gehend, dass die Unterstützung und Förderung, die sie bekommt, keineswegs ausreicht, den Anforderungen zu entsprechen, die an die Volksgruppenor­ganisation, an jedes einzelne Mitglied einer Volksgruppe jetzt gestellt werden, in der Vergangenheit gestellt wurden und in Zukunft in noch größerem Umfang gestellt wer­den im Rahmen der Aufgaben, die sich im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung ergeben.

Wir verstehen uns als Brücke zu den Nachbarländern und, wenn Sie so sollen, zu den Nachbarvölkern. Wir haben hier Möglichkeiten, die – und das ist das Problem, wenn es nicht genügend Geld gibt – nur unzureichend genützt werden können, wodurch auch Chancen vertan werden.

Die Volksgruppenangehörigen in Österreich zählen – das weiß der Herr Bundeskanzler sicher genauso gut wie ich – zu jenen Bevölkerungsgruppen, die nicht zufällig nicht in der Mitte, sondern an der Peripherie, am Rand leben, sprich die Slowenen in Kärnten, die Kroaten, die Roma und die Ungarn im Burgenland. Aber auch die kleine Gruppe der Tschechen und Slowaken – jetzt spreche ich nur von den anerkannten Volksgrup­pen –, die zwar im Zentrum Österreichs, nämlich in Wien lebt, lebt in Wien am Rand. Darum brauchen sie Unterstützung und Förderung. Und da das Budget die in Zahlen gegossene Politik ist, fehlt diese Unterstützung, um die Zukunftsprobleme und Zu-


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kunftsherausforderungen bewältigen zu können, wie Kollegin Baumgartner-Gabitzer es gerade erwähnt hat. (Beifall bei den Grünen.)

Glauben Sie nicht, Herr Bundeskanzler, dass mir dieses Anliegen, weil ich jetzt nicht mehr dazu sage, weniger wichtig wäre als in der Vergangenheit, es ist nur eine Frage der Redezeit, weil ich mich heute auch einem Thema widmen möchte, mit dem Sie sich in den letzten Jahren sozusagen noch viel hautnaher als jeder von uns im Natio­nalrat auseinander gesetzt haben: den Fragen der Restitution, den Fragen der Ent­schädigung der Zwangsarbeiter und dem, was in den letzten Jahren hier passiert ist.

Sie wissen es, Herr Bundeskanzler, denn Sie sind der Vorsitzende des Kuratoriums des Versöhnungsfonds, Sie sind auch Mitglied des Kuratoriums des Nationalfonds der Republik Österreich: Ich persönlich und meine Fraktion bringen jenen, die hier aktiv sind, größte Wertschätzung entgegen. Wir sind in gewisser Hinsicht auch stolz und zufrieden, auch einen Teil dessen, was sich in den letzten Jahren hier bewegt hat, ge­leistet zu haben. Deshalb ist das Engagement, das wir in den letzten Tagen und Wo­chen in Bezug auf die prekäre finanzielle Situation der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich – also des Bundesverbandes der Kultusgemeinden – an den Tag gelegt haben, ein ehrlich motiviertes; es ist vielleicht hinfällig, das zu sagen.

Es ist in erster Linie nicht die Sorge um die Anliegen der Jüdinnen und Juden in Öster­reich, dass es diesen gut gehen soll, sondern die Sorge um die Republik Österreich. Es ist ein Anliegen der österreichischen Bevölkerung – das ist meine tiefste Überzeu­gung; die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion sehen das auch so –, dass nicht Jüdinnen und Juden im wahrsten Sinne des Wortes auf die Barrikaden steigen müs­sen, wenn durch die prekäre finanzielle Situation ihre Institutionen, ihre Religionsge­meinschaft und ihre Möglichkeit der Arbeit in Frage gestellt werden.

Sie haben ja die Appelle gehört, die der Präsident der Kultusgemeinde, der gesamte Kultusrat und viele Einzelpersonen ausgesprochen haben. Es sind ja nicht nur, wenn Sie so wollen, die Betroffenen, die sich da engagieren, sondern von Kardinal Schön­born bis zu Bischof Sturm gibt es eine Palette von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, an der Spitze all dieser der Herr Bundespräsident, die an Sie appelliert haben, die Frage der kurzfristigen – der kurzfristigen! – Sicherung der jüdischen Einrichtungen in Österreich zu klären. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb möchte ich den Herrn Bundeskanzler diesbezüglich ansprechen, aber nicht nur ihn, meine Damen und Herren, sondern vor allem auch Herrn Klubobmann Mag. Molterer und Herrn Klubobmann Scheibner. Der Herr Bundeskanzler hat sozusa­gen das Budget vorgelegt für die Regierung, aber wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, beschließen das Budget. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben jedenfalls bis Mittwoch nächster Woche die Möglichkeit, diese Frage einer Unterstützung der Kultusgemeinde zu lösen. Der Präsident der Kultusgemeinde Dr. Muzicant hat sich ja in einem Schreiben an jeden einzelnen Abgeordneten dieses Hauses mit der Formulierung gewendet: Er richte sich in dieser schicksalhaften Stunde an alle demokratischen Parteien des Landes mit dem dringenden Appell, der Kultus­gemeinde zu Hilfe zu eilen und die Existenz der jüdischen Gemeinde durch eine erwei­terte finanzielle jährliche Unterstützung der Kultusgemeinde abzusichern.

Es ist nicht die Frage der Restitution, um die es hier geht; ich möchte das ganz stark betonen. Die Frage der Rückgabe und des Versuchs der Wiedergutmachung und Ent­schädigung für geraubtes Vermögen, das Jüdinnen und Juden in Österreich gestohlen und nicht restituiert wurde, ist getrennt zu sehen von der Frage, ob wir Österreicherin­nen und Österreicher wollen, dass die kleine jüdische Gemeinde, die knapp 7 000 Mit­glieder umfasst, hier Bedingungen vorfindet, die ermöglichen, dass dieses vielfältige gesellschaftliche, politische, religiöse Leben von Jüdinnen und Juden in Ös­terreich,


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das sie selbst in den letzten 30, 40 Jahren aufgebaut haben, weitergehen und in der Form abgesichert werden kann, wie es heute existiert.

Und das ist eine Summe, meine Damen und Herren – und heute haben wir in den bis­herigen Debattenbeiträgen schon viele Zahlen gehört –, an der es ganz sicher nicht scheitern wird. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Bayr.)

Präsident Muzicant hat den Fehlbetrag der Kultusgemeinde mit 2,7 Millionen € im Jahr beziffert. Die Banken sagen: Ihr kriegt von uns jetzt keine Kredite mehr, denn das ha­ben wir 20 Jahre lang gemacht! Die Kultusgemeinde wendet sich deshalb mit diesem Hilferuf an den Gesetzgeber, der das Bundesfinanzgesetz dahin gehend ausgestalten kann.

Deshalb meine Bitte, mein Appell an Sie: Setzen wir uns, wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier, meine Herren Klubobleute und die Herren Präsidenten, zusammen und versuchen wir, bis nächste Woche eine Lösung zu finden, damit wir den Schaden von diesem Land – nicht Schaden von den Jüdinnen und Juden allein –, der uns durch ein Nichtaktivwerden entstehen wird – und das zeichnet sich schon ab –, abwenden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Bayr.)

11.03

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. Ich stel­le die Uhr wunschgemäß auf 10 Minuten ein.

 


11.04

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Verehrte Volksanwälte! Herr Rechnungshofpräsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das Ziel der Budgetpolitik in Österreich stand in den letzten Jahren ganz im Zeichen der Konsolidierung des Budgethaushalts. Das hat ja auch schon mein Vorredner, der Parteivorsitzende der SPÖ, in seiner Betrach­tung so analysiert, ja, er hat sogar zuerkannt, dass dieser Weg phasenweise richtig war.

Wenn Gusenbauer Samuel Beckett mit den Worten „Warten auf Godot“ zitiert, dann müssen Sie verstehen, dass dieses Warten natürlich auch auf unserer Seite irgend­wann einmal ein Ende hat, denn wir warten schon seit vielen Tagen und Wochen auf konstruktive Vorschläge, was die Pensionssicherungsreform, was die Steuerreform betrifft. Es war auch in den Ausschüssen sehr, sehr wenig von einem konstruktiven Miteinander spürbar. (Abg. Mag. Trunk: Waren Sie im Ausschuss? Ich habe Sie nicht gesehen!) – Ich war im Ausschuss, Frau Kollegin, und muss Ihnen sagen, da ist nichts gekommen, was uns in irgendeiner Weise beflügelt und überzeugt hätte, sondern es war nur eine von Ihnen sehr vehement betriebene Ablenkungspolitik zu erleben, die Sie auch mit dem ÖGB betrieben haben, um uns in unserer konstruktiven Arbeit hier im Hohen Haus zu behindern, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Budgetpolitik in Österreich stellte in den letzten Jahren ein in seinen Grundzügen sehr vorbildhaftes Vorgehen in der gesamten Europäischen Union dar: Es wurde der gesamtstaatliche Haushalt in Ordnung gebracht, es wurde der Stabilitätspakt gemein­sam mit der Europäischen Währungsunion verwirklicht – eine Zielsetzung, die im Gleichklang mit der europäischen Wirtschaftspolitik gestanden ist. Dieser Stabilitäts­pakt hat natürlich auch die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs im Kontext der europäi­schen Mitgliedstaaten sichergestellt.

Zwischen 1997 und 1999 hat Österreich eine sehr dramatische Defizitentwicklung erfahren, die uns dazu veranlasst hat, einzugreifen und dieses zweitschlechteste Er­gebnis innerhalb der Europäischen Union mit massiven Konsolidierungsschritten zu


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kompensieren. Das ist uns mit der Budgetkonsolidierung der letzten und der jetzigen Bundesregierung eindrucksvoll gelungen, und dafür gebührt ihr auch unsere Anerken­nung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Alle Experten haben bestätigt, dass bereits 1997 beziehungsweise 1999 damit hätte begonnen werden müssen, den Budgethaushalt in Österreich in Ordnung zu bringen, dass jeder Tag, der zugewartet werden musste, uns sehr, sehr viele Millionen Euro gekostet hat und uns heute in eine absolut schwierige Situation geführt hat. Wir haben das im Zuge der Pensionsreformdebatte viele Tage diskutiert, dass uns diese Schul­denpolitik der letzten Jahrzehnte – 163 Milliarden € Schulden, 7 Milliarden € Zinsen­dienst pro Jahr und eine Million Österreicher, die Sie an die Armutsgrenze geführt ha­ben – in eine Situation gebracht hat, die nicht von heute auf morgen bewältigbar ist, für die eine solide und glaubwürdige Politik Zeit braucht, um entsprechend darauf zu rea­gieren und diese fehlgeschlagenen politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte wieder gutzumachen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat mit dem Konsolidie­rungskurs der letzten Jahre einen enormen Fortschritt gemacht. Wir haben im Jah­re 2001 bereits das Nulldefizit erreicht; 2002 beträgt das Maastricht-Defizit des Ge­samtstaates 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist deutlich weniger, als noch im Herbst von Seiten der Experten prognostiziert wurde. Unter dem Strich also eine sehr gute Zwischenbilanz, auf die man in Anbetracht der gesamteuropäischen und weltkonjunkturellen Entwicklung durchaus stolz sein darf.

Schauen wir uns aber die Eckdaten der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung einmal an. Hier muss man sehr beeindruckt feststellen, dass wir in Österreich im Mai dieses Jahres eine Rekordbeschäftigung aufgewiesen haben. Niemals zuvor waren so viele Menschen in Österreich in Beschäftigung. Wir haben mit einer Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent im gesamten europäischen Durchschnitt die drittniedrigste, und wir haben mit einer Inflationsrate von 1,7 Prozent ebenso die drittniedrigste in der Europäischen Union, und diese Inflationsrate ist weiter im Sinken begriffen.

Das Exportwachstum ist zweifellos eine große Errungenschaft in der Außenhandelsge­schichte Österreichs und wurde heute vom Bundeskanzler als eindrucksvoll gelobt. Wir haben hier ein Wachstum von über vier Prozent zu verzeichnen, das doppelt so hoch ist wie jenes im gesamten Durchschnitt der Europäischen Union, und mit knapp 28 000 Unternehmensgründungen in Österreich einen Wert, der ebenfalls beispielge­bend ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Mit diesem Doppelbudget 2003/2004 legt die Bundesregie­rung einen neuerlichen Baustein für eine zukünftig positive wirtschaftliche und wachs­tumspolitische Entwicklung in Österreich. Es ist sicherlich erforderlich, tief greifende Reformen durchzuführen, wie etwa die Einsparungen von Dienststellen, die Abschaf­fung von Parallelstrukturen, den Einsatz von modernen Managementmethoden und Controllinginstrumenten, wie wir sie aus der privaten Wirtschaft kennen, in allen Selbstverwaltungskörperschaften und Sozialversicherungsträgern.

Im Gesundheitsbereich geht es uns um vernünftige Regelungen, was die Selbstbehalte betrifft, und es geht uns bei den Österreichischen Bundesbahnen um eine betriebswirt­schaftliche Ausrichtung des Selbstfinanzierungsgrades. Es geht uns um die Kürzung der gestaltbaren Ermessensausgaben, und es geht uns, wie wir in den letzten Wochen sehr intensiv diskutiert haben, um eine Sicherung der Pensionen auf Dauer.

Das, meine Damen und Herren, ist einstweilen erledigt. Mit der gestrigen Abstimmung wurde eine Reform beschlossen, die die Pensionen für die nächsten Jahrzehnte sichert und mit der hier im Nationalrat eine sehr verantwortungsvolle und gute Entscheidung


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für die Österreicherinnen und Österreicher getroffen wurde. (Beifall bei den Freiheitli­chen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung setzt mit diesem Budget aber auch die größte Steuerreform der Zweiten Republik um. (Abg. Öllinger: Mit diesem Bud­get?) Das ist ein Signal für eine wachstumsorientierte Wirtschaft in diesem Land. Das ist ein Signal dafür, dass sich Arbeit und Leistung in Österreich zukünftig wieder lohnen werden. Die Steuerfreiheit für Personen mit bis zu 14 500 € Jahresverdienst ist eine Errungenschaft, die ich mir eigentlich von Abgeordneten der Sozialdemokratie ge­wünscht hätte, die sich in den vergangenen Jahrzehnten immer als das soziale Gewis­sen unseres Landes aufgespielt hat, aber leider all diese Errungenschaften verspielt und eine Schuldenpolitik betrieben hat, die uns in der jetzigen Situation sehr, sehr zum Schaden gereicht hat.

Wir haben mit der Umsetzung dieser jahrelangen Forderung, nämlich die Bezieher von unteren und niedrigen Einkommen zu entlasten, diese Personengruppe sehr bevorteilt. (Abg. Silhavy: Übervorteilt, heißt das, Herr Kollege!) Davon sind 200 000 Österreiche­rinnen und Österreicher zukünftig direkt betroffen, insgesamt aber 1,6 Millionen Arbei­ter in Österreich. Das wird die Kaufkraft und die Wirtschaft stärken. Das wird auch im Zuge der Wachstumspolitik in Österreich dazu führen, dass wir eine verantwortungs­volle Wirtschaftspolitik betreiben können. Ich denke in diesem Zusammenhang an die zwei zusätzlichen Punkte der Steuerreform, nämlich die Besteuerung der nicht ent­nommenen Gewinne mit dem halben Steuersatz und die Streichung des 13. Umsatz­steuertermins, was eine jahrelange Forderung der Wirtschaft gewesen ist. Für viele Wirtschaftstreibende und Unternehmer, wie ich einer bin, haben die Besteuerung der nicht entnommenen Gewinne in diesem Ausmaß und der 13. Umsatzsteuertermin eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik der letzten Jahre dargestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Summe ist dieses Budgetbegleitgesetz für uns ein Beweis für eine maßvolle Haushaltspolitik bei einer relativ geringen und ver­antwortungsvollen Defizitentwicklung, für eine Wachstumspolitik, die die Innovations­kraft und die Eigenkapitalbildung in den Unternehmen stärken wird. Die Eigenkapital­bildung ist das Fundament und die Basis für den wirtschaftlichen Aufbau eines Unter­nehmens. Das sollten auch Sie von den Grünen endlich einmal zur Kenntnis nehmen, denn bei Ihren Reden habe ich immer den Eindruck, bei Ihnen ist Umsatz gleich Ge­winn, und das – das muss ich Ihnen einmal von dieser Stelle aus sagen – ist nicht der Fall. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Bei Ihnen heißt es „verantwortungsvolle Defizitentwicklung“!)

Diese Bundesregierung wird mit diesem Budgetbegleitgesetz den Grundstein legen für Wachstum und Beschäftigung, für mehr Zukunft, für mehr Chancen und für mehr Leis­tungsgerechtigkeit in unserem Land, es wird daher unsere Zustimmung erhalten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.14

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Witt­mann. – Bitte.

 


11.15

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Herr Rechnungshof­präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ausführungen des Klubobmannes der ÖVP hätten eigentlich verheißen, dass in diesem Land Milch und Honig fließen, dass alles eitel Wonne ist – nur die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. Sie haben die schlechteste Stimmung seit Jahrzehnten in diesem Land. Sie haben Unternehmen, die die Hoffnung in die Zukunft verloren haben, Sie haben Einzelpersonen, die durch


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Ihre Maßnahmen in ihrer Zukunftsplanung verunsichert sind, und Sie haben mit Ihrer Wirtschaftspolitik in den letzten drei Jahren im Wesentlichen drei Merkmale geschaf­fen.

Erstens haben Sie die höchste Steuerquote Europas erreicht. Wir sind, was diese rie­sige Steuerquote betrifft, von niemandem eingeholt worden. Wenn Deutschland diese Steuerquote hätte, die wir jetzt haben, wäre es mit einem Schlag schuldenfrei. Weiters wurde unter Ihrer Wirtschaftspolitik der höchste Schuldenstand erreicht, von Nulldefizit keine Rede. Sie haben in den drei Jahren von 2000 bis 2003 den Schuldenstand um mehr als 100 Millionen Schilling erhöht. Es ist das Defizit eigentlich explodiert. Das Einzige, was Sie gemacht haben: Sie haben alles schöngeredet und es perfekt verkau­fen wollen, und das ist Ihnen teilweise auch gelungen.

Aber jetzt kommt man langsam darauf, dass das alles nicht gestimmt hat, was da ver­kauft wurde, dass diese Ihre Wirtschaftspolitik eine der schlechtesten in Europa war und dass Sie dieses Sparpaket zum falschen Zeitpunkt beschlossen haben. Bereits 2000 waren Anzeichen vorhanden, dass konjunkturelle Einbrüche kommen – und der Herr Bundeskanzler hat heute vom richtigen Zeitpunkt gesprochen. Genau um zwei Jahre zu spät! Man hat es Ihnen bereits damals gesagt, dass hier jetzt die Spielräume zu schaffen wären. Der Kurs eines Nulldefizits war zu diesem Zeitpunkt falsch, wie Sie jetzt auch selbst zugeben, dass man in schlechteren wirtschaftlichen Zeiten mit einer expandierenden Ausgabenpolitik gegensteuern muss.

Das heißt, Sie haben zum falschen Zeitpunkt das Falsche gemacht. Wir haben ein un­terdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, das daraus resultiert, logischerweise, weil man zu spät in diese Mechanismen eingegriffen hat.

Aber Sie betreiben auch noch Umverteilung zum falschen Zeitpunkt und in falschen Bereichen. Wenn Sie hergehen und Bildungsstunden kürzen, dann bewirkt das, dass Sie den öffentlichen Bildungssektor schwächen und damit einen Druck auf den Privat­schulsektor ausüben. Das heißt, dass die unteren Einkommensschichten nicht mehr jenen Bildungszugang haben, wie sie ihn gehabt haben, und in die Privatschulen nur mehr jene Leute gehen können, die es sich leisten können. Das ist zwar ideologisch gewünscht, aber Sie verzichten damit auf kreatives Potential in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schöls.)

Und Sie machen eine Pensionsreform, mit der Sie Leuten mit einem Einkommen von 14 000 S oder 1 000 € Geld wegnehmen, um die allseits bekannten Anschaffungen zu tätigen. Sie sagen, wir brauchen Spielräume und was weiß ich alles, und dann tätigen Sie eine Anschaffung, die zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht die wichtigste ist, näm­lich die Abfangjäger, die nach einem dubiosen Ausschreibungsverfahren, einem äußerst bedenklichen Ausschreibungsverfahren und einer äußerst bedenklichen Me­thode angekauft werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich frage Sie nur eines – und da sind wir auch beim Thema dieses Tagesordnungs­punktes –: Der Rechnungshof, der im vergangenen Jahr hervorragende Arbeit geleistet hat, wird uns einen Bericht über diesen Beschaffungsvorgang abliefern; dieser soll am 2. Juli kommen, wenn ich richtig informiert bin, das heißt in den nächsten 14 Tagen. Sie warten aber diesen Bericht nicht ab, sondern haben bereits gestern den Beschaf­fungsvorgang beschlossen. Warum? Welche Notwendigkeit war gegeben, dass Sie bereits jetzt diesen Beschluss fassen und nicht die hervorragende Arbeit des Rech­nungshofs abwarten? Der Nationalrat hätte auch in 14 Tagen diesen Beschluss fassen können, er hätte ihn auch erst in zwei Monaten fassen können, es hätte dadurch keine Verzögerung gegeben – es wäre wahrscheinlich vernünftig gewesen.

Sie werden diesen Vorgang nicht mehr rückgängig machen können. Sie stürzen diese Republik mit diesem Ankauf in ein Desaster, denn genau diese Handlungsspielräume,


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die der Bundeskanzler angesprochen hat, werden durch den Ankauf dieser Abfangjä­ger verbaut. Und wir hätten das Geld für etwas anderes bei weitem notwendiger ge­braucht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie von den Koalitionsparteien nehmen den Kleinen, nämlich den Pensionsbeziehern, das Geld weg, damit Sie diese unnötige Anschaffung vornehmen können. Sie führen Selbstbehalte bei der medizinischen Versorgung ein. Das heißt, Sie nehmen wieder jenen, die es sich nicht leisten können, das Geld weg, weil alle dieselben Selbstbehalte zu zahlen haben. (Abg. Schöls: Warum ist Ihr ehemaliger Altkanzler in eine Privatklinik gegangen?) Das ist eine Umverteilung von unten nach oben, die wir zutiefst ablehnen und die in einer wirklich schwierigen Zeit wie dieser nichts verloren hat! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben dann die Pensionsreform mit einem Härtefonds abzufedern versucht. Ich finde das einfach lächerlich! Wenn man sich die Regelungen für den Härtefonds an­schaut, weiß man, was man davon zu halten hat: Sie nehmen den Leuten für ihre ge­samte Pensionszeit Geld weg und geben ihnen nur eine Einmalzahlung! Da kann sich ein Pensionist dann am Anfang seiner Pension gerade noch einen Anzug kaufen – und dann ist das Geld weg! (Zwischenruf des Abg. Schöls.)

Das heißt, Sie schröpfen ihn zwar 20 bis 30 Jahre hindurch jährlich – und dann geben Sie ihm eine Einmalzahlung. Und da sagen Sie noch, der wird nicht zum Bittsteller! Nennen Sie doch bitte das Kind beim Namen!

Gleichzeitig aber gibt der Finanzminister für seine Werbespesen 4 Millionen € aus. Er beschäftigt Werbefirmen, damit er gut dasteht! Damit diese verfehlte Wirtschaftspolitik besser wird, soll sie besser verkauft werden. – Sinnlose Ausgaben! Sinnlose Ausgaben in einer Zeit wie dieser! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein paar Sätze zu den Einsparungen dieser Regierung. Sie haben zwar die Verwal­tungsakademie abgeschafft, aber Sie haben dort keinen einzigen Beamten einge­spart. Sie zahlen weiter die Gebäude, Sie zahlen alle anderen Kosten weiter. Das Ein­zige, was abgeschafft wurde, ist der Chef dieser Verwaltungsakademie, offensichtlich deshalb, weil er ein rotes Parteibuch hatte. (Abg. Silhavy: Aha!) Aber gleichzeitig scheint jetzt im Kursprogramm die Tochter des Bundeskanzlers auf. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

An dieser Stelle möchte ich schon auch festhalten: Das ist nicht die Einsparung, die wir uns vorstellen! Es genügt, wenn der Neffe des Landeshauptmannes von Niederöster­reich da sitzt. Man sollte das nicht auf die Spitze treiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Kurz noch zur Kunstpolitik. – Dazu ist nur eines zu sagen: Eine persönliche Auseinan­dersetzung zwischen dem Stadtrat von Wien und dem Staatssekretär im Bundeskanz­leramt interessiert niemanden. Wenn Sie die Förderung eines der bekanntesten, eines der besten und eines der größten Festivals Österreichs abstellen, dann kann ich nur sagen: Wo bleibt Ihre Politik?

Ich glaube, Sie haben sich selbst einmal gut beschrieben, und ich will Ihnen sagen, wie ich diese Kunstpolitik beurteile, wenn da persönliche Auseinandersetzungen und klein­karierte, persönliche Streitereien dazu führen, dass wichtige Kultureinrichtungen nicht mehr gefördert werden. Sie haben einmal folgende Strophe gesagt: Wo bin ich hier? Was tu ich hier? Keiner ist da, und keiner sagt es mir. Ich hoffe nur, das ändert sich bald. Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt? – Dieser Chef sind mittlerweile Sie, und Sie sollten sich wirklich vor Augen führen, dass Sie hier über öffentliche Mittel verfügen. (Rufe bei der ÖVP: Schlusssatz!)

Ich halte es auch für nicht tragbar, dass der Staatssekretär für Sport nicht da ist, wenn sein eigenes Budgetkapitel behandelt wird; wenigstens da sollte er anwesend sein. Es


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ist beschämend: Wir haben 2004 das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport, und Sie kürzen die Schulsportstunden, die für viele Jugendliche oft der einzige Zugang zum Sport sind. Beim Schulsport wird ja jeder Jugendliche mit dem Sport konfrontiert. Diese Kürzung ist der falsche Zugang, das ist keine gute Leistung, die Sie da erbrin­gen.

Sie führen eine „Sport-Strafsteuer“ ein mit 0,1 Prozent Beitragserhöhung bei den Kran­kenversicherungen, für die so genannte Freizeitunfallversicherung. Das trifft nur die aktiv Sport Treibenden, weil sie durch diese „Sport-Strafsteuer“ natürlich besonders bestraft werden.

Ich frage mich nur: Wie soll diese Regierung eigentlich dieses Land in einer schwieri­gen Zeit aus dieser Krise führen, wenn sie immer zum falschen Zeitpunkt das Falsche macht? (Beifall bei der SPÖ.)

11.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


11.24

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Ich hätte hier nicht einen solchen Tiefpunkt an persönlicher Verunglimpfung meiner Familie erwartet. Ich melde mich daher ausdrücklich zu Wort, weil ich das zurückweisen möchte.

Ich habe mich im Ausschuss auf eine Frage eines SPÖ-Abgeordneten hin erkundigt und habe die Sache aufgeklärt, und ich dachte, das sei damit erledigt. Richtig ist: In der Verwaltungsakademie gab es eine öffentliche Ausschreibung für ein Pilotseminar. Es hat ein privater Anbieter – ich kenne den Namen gar nicht – gewonnen, und unter den Vortragenden für dieses Pilotseminar war meine Tochter, die freiberufliche Psychologin ist.

Wenn Sie daraus einen politischen Fall machen wollen, dann muss ich sagen: Hut ab, vor Ihrem „Anstand“! Ich möchte mich davon auf das Schärfste distanzieren! Lassen Sie bitte meine Familie aus dem Spiel! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.25

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

 


11.25

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Werte Volksanwälte! Meine Da­men und Herren! Ich möchte hier auf die großflächige Schwarzmalerei meines Vorgän­gers und das kurze Aperçu zur Kunstpolitik nicht eingehen.

Ich möchte als Kultursprecherin meiner Fraktion meine Redezeit einem wichtigen Thema widmen, nämlich dem Kunstbudget 2003/2004, das mit rund 220 Millionen € annähernd gleich geblieben ist wie 2002, und darüber sind wir froh, müssen wir froh sein. Es gibt keine drastischen Kürzungen, und wir stehen mit unserem Budget gut da, weil Staatssekretär Morak vernünftig und umsichtig mit den vorhandenen Ressourcen umgeht und weil er laufend neue Finanzierungsmöglichkeiten zusätzlich zu den vor­handenen Budgetmitteln aufspürt. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf diese Weise verbessert er die Rahmenbedingungen für die österreichischen Kunst­schaffenden – und er weitet sie aus; das muss einmal ausdrücklich festgestellt werden. Ich hoffe auch immer – aber ich weiß, dass ich vergeblich hoffe –, dass end­lich auch einmal die Opposition ein bisschen gerechter urteilt, vielleicht auch die Pres­se; aber das wünsche ich mir nur. Das wird nämlich viel zu wenig bemerkt und aner­kannt.


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Ich nenne zwei sehr wichtige Beispiele, nämlich die beiden neuen, großen Töpfe, die Morak aufgetan hat: den Digitalisierungsfonds und den TV-Filmförderungsfonds, mit je 7,5 Millionen € jährlich, aus Teilen der Rundfunkgebühr, die bis jetzt ins allgemeine Budget geflossen sind und jetzt zur Verbesserung Österreichs als Medien- und Film­standort zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine wichtige Maßnahme ab 2004, kei­ne einmalige Aktion, sondern eine nachhaltige Investition. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Trotz dieser schwierigen budgetären Situation zwei neue Töpfe für Kunst, für Medienkunst, aufzumachen, das ist wahrhaftig nicht selbstver­ständlich!

Eine weitere wichtige Maßnahme ist die in Angriff genommene Umlagerung, die geän­derte Verteilung der Förderungsmittel. Die klare Absichtserklärung, in Zukunft vermehrt Förderungen in die Bundesländer fließen zu lassen, ist mir als Steirerin natürlich be­sonders wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es muss langfristig un­bedingt einen Ausstieg aus einer Förderungspolitik geben, die noch immer mehr als 80 Prozent der Bundesförderungen nach Wien fließen lässt. Das ist eine Ungerechtig­keit, die abzubauen eines der wichtigsten kulturpolitischen Vorhaben überhaupt ist.

Ich nenne einige Beispiele, die Zeichen sind für diese veränderte Vergabepolitik; Zei­chen in der Steiermark:

Erstens. Das Gironcoli-Museum in Herberstein. Es wird zu je einem Drittel durch Bund, Land und die Familie Herberstein finanziert. – Zeichen für Stärkung und Internationali­sierung einer Region, gelungenes Beispiel für Public-Private-Partnership.

Zweitens: der Ernst-Jandl-Preis, der sich zu einer bei Literaten und Literaturfreunden sehr beachteten Lyrik-Biennale in Neuberg an der Mürz entwickelt hat. Er wird heuer zum zweiten Mal verliehen. Übrigens: Vor zwei Jahren ging er an den jungen Autor Thomas Kling, heuer wird der Schweizer Dichter Felix Philipp Ingold ausgezeichnet.

Drittens: die Etablierung einer digitalen TV-Übertragungsplattform in der Steiermark. Darauf bin ich besonders stolz, meine Damen und Herren! Landeshauptmann Klasnic hat für die Steiermark hier besonders rasch reagiert, wie es für sie typisch ist. Sie ist offen gegenüber neuen Technologien. In der Digitalisierung liegt die Zukunft des Fern­sehens, weshalb dieses Pilotprojekt in der Steiermark gesamtösterreichisch wichtig ist und für die Aufbruchsstimmung gerade bei uns in der Steiermark spricht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Nicht zu vergessen: die sonstigen Zuwendungen des Bundes im Rahmen des Kultur­hauptstadtjahres Graz 2003, das übrigens ganz hervorragend ausgelastet ist, wenn man sich die Nächtigungs- und Besucherzahlen anschaut. Ich bin sehr oft bei den ver­schiedenen Veranstaltungen dort unterwegs und weiß das sehr genau. Es wird sehr gut angenommen – von der Bevölkerung, von den Grazern, den Steirern, den anderen Bundesländern. Es gibt übrigens am 28. Juni eine ÖBB-Sonderfahrt. Graz wird von vielen Kulturinteressierten und Kunsttouristen aus der ganzen Welt besucht.

Die genannten Beispiele, meine Damen und Herren, sollen stellvertretend für andere Vorhaben in den Bundesländern stehen, und es sind betreffend Kunst- und Kulturför­derung in den Regionen viele weitere positive Initiativen geplant beziehungsweise wer­den sie bereits durchgeführt:

Ein zunehmender kultureller und künstlerischer Austausch mit Osteuropa, eine Förde­rung – das ist mir persönlich besonders wichtig – der Kinder- und Jugendliteratur – ich erwähne hier die soeben gegründete Kinder- und Jugendliteratur-Datenbank ALIDA – www.alida.at –; vielleicht schauen Sie da einmal hinein, das ist eine bestimmt sehr interessante und besonders für die Autoren wichtige Sache.


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Zu dem allem kommen Aufstockungen der direkten Kunstförderung und der Ausbau von Preisen und Stipendien. Da geht Geld direkt an die Künstler. Auf dem Kinderbuch-Sektor nenne ich die fünf Mira-Lobe-Stipendien, die jedes Jahr verliehen werden, und die Angleichung der Kinder- und Jugendbuchverlags-Förderung an die Erwachsenen­buch-Förderung.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend kann man die Kunst- und Kulturpolitik der letzten Jahre eigentlich in drei Stufen gliedern:

Wir waren bis 2000 schwer verschuldet. Das haben wir in Ordnung gebracht. Und wir haben zusätzliche Mittel aufgestellt. – Ob Sie das sehen wollen oder nicht, es sind ganz eindeutig drei Stufen einer Erfolgsgeschichte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste auf der Rednerliste ist Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

 


11.32

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist manchmal schwierig – ich bin wirklich ein konstruktiver Mensch, und die­jenigen, die mich länger kennen, werden das bestätigen –, es ist, stelle ich fest, nach diesen Tagen schwierig, sich immer wieder diese Konstruktivität zu erhalten, sie sich wieder zu holen.

Wenn Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer sagt, die Opposition zeichne immer ein düsteres Bild, kann ich nur sagen: Mich wundert manchmal, dass ich noch immer und immer wieder so fröhlich bin – trotz Ihrer Verschleierungstaktik im Budget, trotz Ihrer Angriffe auf demokratische Rechte der Zivilgesellschaft, wie Streiks, und trotz Ihrer gebetsmühlenartigen Wiederholungen, wie unkonstruktiv die Opposition sei. (Beifall bei den Grünen.) Aber, wie gesagt, es gelingt, ich bin immer wieder fröhlich.

Ich möchte diese Verschleierungstaktik im Budget jetzt an einem konkreten Beispiel von heute festmachen. Sie haben uns beziehungsweise dem Kollegen Brosz vorge­worfen, dass er Voranschlag und Ergebnis und somit Äpfel mit Birnen vergleicht. Das haben Sie uns schon im Budgetausschuss erklärt. Gut, das sind zwei verschiedene Dinge, aber eines muss ich schon sagen: Jahr für Jahr stellt sich heraus, dass der Voranschlag mit dem Ergebnis nicht übereinstimmt. Ich hätte ein Problem bei meiner persönlichen Budgetierung, wenn ich am Ende eines Jahres immer draufkomme, dass ich doppel so viel ausgegeben habe, wie ich mir vorgenommen habe. (Beifall bei den Grünen.)

Ich mache es an einem ganz konkreten Beispiel deutlich. (Abg. Dr. Brinek: Nachjustie­rungen!) Nachjustierungen? – Ich werde Ihnen gleich vorrechnen, was Sie da nachjus­tieren.

Bundesimmobiliengesellschaft/Bildungsbereich. – Sie haben im Schulbereich für die Miete um 150 Millionen € zu wenig budgetiert. Das ist um 50 Prozent zu wenig! 150 Millionen €, obwohl Sie wissen müssen, wie hoch die Mieten für Schulen bei der BIG sind. Das ist ja nichts, was explosionsartig explodiert, sondern Sie kennen das.

Sie haben auch bei den Unis 50 Millionen zu wenig budgetiert, also de facto sind die tatsächlichen Kosten doppelt so hoch. Mich würde daher schon interessieren, was Ihre Angriffe sollen, dass das alles nicht stimme, was wir sagen.

Und das besonders Dramatische kommt ja noch, nämlich in Bezug auf die Unis. (Abg. Dr. Brinek: Das hat mit dem Budgetprovisorium zu tun!) In Bezug auf die Unis ist alles provisorisch, ich weiß! Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, dass immer alles


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provisorisch ist und wir nie genau wissen, was kommen wird, von den Abänderungsan­trägen bis zum Budget. Wir können aber nur mit dem arbeiten, was wir in der Hand haben. Und wenn Sie uns nicht mehr in die Hand geben – gut; das ist momentan der Stand.

Aber lassen Sie mich zu den Unis noch Folgendes sagen: Letztes Jahr 50 Millionen € zu wenig für Mieten. Das war bis jetzt noch ziemlich egal, denn die Unis konnten sich darauf verlassen, dass das, was zu wenig budgetiert war, aus dem Budget nachge­schossen wird. Ab 2004 wird das anders ausschauen. Da gibt es nämlich dann die Globalbudgets, und wenn Sie dann zu wenig budgetiert haben, trifft das die Unis im vollen Ausmaß, und das ist eine Katastrophe! (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt, das sind Ihre quasi Tricks im Budget. Der Hintergrund war ja, dass Sie die­ses viel gelobte Nulldefizit angepeilt haben, und deswegen haben Sie einfach die Kos­ten, von denen Sie gewusst haben, dass sie entstehen werden, eben nicht in den Vor­anschlag hineingeschrieben. So war es, und deswegen wird das im Nachhinein dann korrigiert werden müssen.

Zum Kollegen Bucher, den ich jetzt nicht sehe. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch auf den neben ihm in der zweiten Reihe sitzenden Abg. Bucher zeigend –: Da ist er!) – Ach da, hervorgerückt! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wir rücken schnell auf! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ja, ja, manchmal geht es in die andere Richtung auch ganz geschwind! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Ich kann Sie beruhigen: Wir können Gewinne und Umsätze durchaus unterscheiden, aber Faktum ist auch, dass die Gewinne der Unternehmen dreimal so schnell steigen wie die Gehälter der Angestellten. (Widerspruch bei der ÖVP.) Und da darf man schon die Frage stellen, ohne klassenkämpferisch zu sein, wo dieses Geld hingeht, wo es investiert wird und wer da welche Unterstützung braucht. (Abg. Dr. Fekter: Wo ist denn die Eigenkapitaldecke der österreichischen Betriebe? – Abg. Dr. Stummvoll: ... gegen die Großen keine Chance!)

Ich sage ja nicht, dass die kleinen und mittleren Unternehmen diese großen Gewinne haben; das ist sozusagen die Gesamtrechnung. Dass es genug Kleine und Kleinste gibt, das weiß ich selber gut, die genauso am Limit sind wie die, die Sie jetzt mit Ihrer Pensionsreform bestraft haben. Das trifft die kleinen Unternehmer ganz genauso, da haben Sie Recht, und vor allem auch die Unternehmerinnen.

Aber weil Sie gesagt haben, wir machen keine Vorschläge: Wir haben Ihnen sehr wohl Vorschläge gemacht, wie man auch die wirtschaftliche Situation verbessern könnte. Heute wurde schon mehrfach gesagt, dass es dafür auch in einer so kleinen offenen Volkswirtschaft, wie es Österreich ist, durchaus Möglichkeiten gibt.

Da gibt es einmal die Möglichkeit, in Forschung und Entwicklung zu investieren, was nachgewiesenermaßen ein sehr großes Potential auch im Hinblick auf Arbeitsplätze hat, aber einfach auch ein wichtiger Aspekt ist für ein modernes Land, das Sie doch immer anstreben.

Was investieren Sie in Forschung und Entwicklung? – Sie sprechen von 600 Millionen. Davon ist 2003 im Budget aber nichts zu finden; mag sein, dass aus den vorjährigen Ansparmaßnahmen etwas herausgenommen wird. Für 2004 sind 180 Millionen vorge­sehen. Das ist ein absolut lächerlicher Betrag und wird nichts von dem erfüllen können, was Sie behaupten, nämlich eine Ankurbelung und eine Investition, die wirtschaftlich wirklich etwas bewegt. (Beifall bei den Grünen.)

Gleiches gilt für den Bereich der Arbeitsmarktpolitik: Es ist null budgetiert für eine akti­ve Arbeitsmarktpolitik! Sie lassen gerade noch diese automatischen Stabilisatoren durchschlagen, Sie lassen die zusätzliche Arbeitslosigkeit, die momentan entsteht –


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unter anderem auch, wenn auch in geringerem Ausmaß, durch die Pensionsreform – einfach durchschlagen. Das ist aber schon das Einzige. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik betreiben Sie nicht, und das könnten Sie zum Beispiel mit dem, was Sie Ökosteuer nennen – was natürlich weit entfernt ist von jeder Ökosteuer, sondern eine reine Steu­ererhöhung ist –, machen, indem Sie ein bisschen mehr Geld in die Hand nehmen, wie es die Grünen vorgeschlagen haben, nämlich bis zu 3 Milliarden, und dann gegenfi­nanzieren, dann kompensieren und dann investieren – von der thermischen Gebäude­sanierung bis zu Investitionsinitiativen im Bereich erneuerbare Energien.

Das heißt, es gäbe genügend Möglichkeiten in diesem Spielraum, den Österreich als Nationalstaat hat, durchaus etwas für ein Wirtschaftswachstum zu tun, nur nützen Sie diese Möglichkeiten nicht. Sie nützen diese Gelegenheiten nicht!

Ein letzte Bemerkung noch zu dem, was der Finanzminister bezüglich Stärkung des sozialen Zusammenhaltes sagt. Er sagt, allein eine starke Wirtschaft sichere den sozialen Zusammenhalt. – Das ist ein großer Trugschluss. Eine starke Wirtschaft sichert die Steigerung des Wohlstands einer Gesellschaft. Diesbezüglich sind wir uns, so glaube ich, einig. Aber die Stärkung des sozialen Zusammenhaltes hängt nicht von der starken Wirtschaft ab, sondern von einer gerechten und guten Verteilungspolitik. Und wir haben diesbezüglich unsere berechtigten Zweifel, ob Sie diese Herausforde­rung annehmen, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! (Bei­fall bei den Grünen.)

11.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

 


11.41

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Werte Volksanwälte! Hohes Haus! Das Doppelbudget 2003/2004 ist die Weichenstellung für einen positiven Budgetkurs. Der Schuldenabbau ist in der Vergangenheit im Vorder­grund gestanden und steht auch in der Gegenwart und in der Zukunft im Vordergrund. Es muss auch in Zukunft außer Frage stehen, dass mit diesem Budgetkurs, den wir in Österreich fahren, die Sicherheit, die heute schon angesprochen worden ist, weiterhin gewährleistet ist.

Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. Es kann aber nicht so sein, dass man überall einspart und die Sicherheit damit aufs Spiel setzt. Es ist wichtig, dass die Sicherheit weiterhin aufrecht bleibt.

Es ist aber auch wichtig – das sieht man anhand der Zahlen –, dass die Gesundheit und das Gesundheitsbewusstsein der Österreicher wesentlich steigen. Das zeigt sich auch darin, dass die Lebenserwartung in Österreich immer höher wird.

Meine Vorrednerin, Frau Sburny, hat gemeint, es sollte mehr in Forschung und Ent­wicklung investiert werden. Ich glaube, dass das, was im Budget für Forschung und Entwicklung veranschlagt ist, ausgezeichnet ist. Wenn mehr möglich ist, dann bin ich natürlich dafür, dass Maßnahmen getätigt werden, denn Forschung und Entwicklung sind langfristige Ziele, die wir anstreben, aber es muss natürlich auch auf die kurzfristi­gen, die in nächster Zeit auf uns zukommen, Bedacht genommen werden.

In diesem Zusammenhang spreche ich vor allem jene Maßnahmen an, die für die Ver­einbarkeit von Familie und Beruf notwendig sind. Das lässt sich ebenfalls aus diesen Budgets für 2003 und 2004 herauslesen. Genauso ist auch eine Steuerreform unbe­dingt notwendig sowie auch die Pensionsreform.


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Das ist der wichtigste Punkt in diesem Budgetbegleitgesetz, dass wir die Pensionen für die jüngeren Generationen nachhaltig sichern, aber zugleich auch eine Überführung in ein neues Pensionssystem sichergestellt haben. Und eine Harmonisierung steht eben­falls an. – Das sind wichtige Komponenten, die in diesen Budgets enthalten sind. (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Der Nationale Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ist ebenfalls mit integriert und stellt eine wichtige Kompo­nente dieses Budgets dar.

Zur Steuerreform möchte ich eines sagen: Es wird mittels dieser Maßnahmen gewähr­leistet, dass Einkommensbezieher besser gestellt werden und dadurch auch die Kauf­kraft in Österreich gestärkt wird, was wiederum die österreichische Wirtschaft ankur­belt. Es gibt wesentliche Änderungen im Einkommensteuergesetz. Bruttojahresein­kom­men in der Höhe von bis zu 14 500 € werden steuerfrei gestellt, und jene von bis zu 21 800 € werden steuerlich entlastet. Das ist ein wesentlicher Schub. Das ist eine gute Basis für den Wirtschaftsaufschwung in Österreich. Die Maximalentlastung für die Selbständigen beträgt 580 € pro Jahr, 475 € bei Nichtselbständigen und 450 € bei den Pensionisten. Das gleicht wiederum kleinere Verluste, die wir schon im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes bei der Pensionsreform minimiert haben, indem die Verluste gedämpft werden, aus.

Geschätzte Damen und Herren! Von dieser Senkung werden 1,65 Millionen Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen beziehungsweise begünstigt sein, davon sind zirka 350 000 Alleinverdiener oder -erzieher. Das ist, Frau Kollegin, auch für Sie wichtig zu wissen, dass das wesentliche Verbesserungen beinhaltet. Es sind zirka 730 000 Pensionisten – davon sind wiederum 115 000 Alleinverdiener – und 60 000 Selbständige – davon sind wieder 12 000 Alleinverdiener –, die merklich davon profitieren.

Es fallen zirka zwischen 180 000 und 200 000 Personen komplett aus der Steuer­pflicht. Wenn da jemand sagt, dass das nicht positiv sei, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für nicht entnommene Gewinne wird ein begünstigter Steuersatz eingeführt, nämlich der halbe Durchschnittssteuersatz – begrenzt bis zu einem Wirtschaftsjahr – für das gestiegene Eigenkapital bis zu höchstens jeweils 100 000 €. Bei nachträglichem Sin­ken des Kapitals – ausgenommen sind natürlich Verluste – kommt es zur Nach­ver­steuerung.

Zu den Studiengebühren, die in der Vergangenheit oft bekrittelt wurden: Ich bin auch dafür, dass Berufstätige ihre Studiengebühren für ein ordentliches Universitätsstudium absetzen können, weil diese Menschen gegenüber anderen Studierenden gehandicapt sind.

Die Anschlusskosten und Grundgebühren im Bereich der Breitbandtechnologie werden ebenfalls zeitlich befristet als Sonderausgaben abzugsfähig gemacht. Das halte ich auch für sehr gut.

Die Änderung der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge wird ein wichtiger Faktor sein.

Es gibt noch wesentliche Änderungen beim Bundespflegegeldgesetz, aber da habe ich noch die Gelegenheit, mich im Zuge der Beratungen über soziale Sicherheit und Gene­rationen dazu zu äußern. Ebenfalls werde ich zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, zur Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes und so weiter am Nachmittag noch Stellung nehmen.


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Ich möchte mich zum Abschluss beim Rechnungshof-Präsidenten für die hervorragen­de Arbeit des Rechnungshofes bedanken und möchte auch für die hervorragende Ar­beit der Volksanwälte im Sinne der österreichischen Bevölkerung, die Sie in der Ver­gangenheit getätigt haben, danken. Ich bin überzeugt, Sie werden auch in Zukunft so wie in der Vergangenheit zum Positiven für die österreichische Bevölkerung tätig sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sollten Ihnen die Mittel zu wenig werden, bitte schreien Sie auf, wir werden es ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Sburny: Das haben sie schon gemacht!)

11.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

 


11.47

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas irritiert über die Rede des Abgeord­neten Wittmann (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Er heißt Wichtigmann!), weil ich das Gefühl habe, er schwelgt in einem Schlaraffenland der negativen Superlative. Das kann nicht Österreich sein. Das kann nicht die Kulturpolitik sein, das kann auch nicht die Politik der Bundesregierung sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Er setzt aber eine traute Gewohnheit der Sozialdemokratie fort. Josef Cap hat damit begonnen, meine Lieder zu zitieren, hier komme ich zu einem späten Ruhm meines Liedgutes. Ich danke ihm dafür. Nach „Sieger sehen anders aus“ und „Wo ist der Chef?“ kann ich ihm auch noch ans Herz legen: „Der Kohlweißling und die Apokalypse“ oder „Ich fahr den Caterpillar“ oder „Zwei drei sieben acht Tetrachlordibenzo-p-dioxin“.

Mit Frau Abgeordneter Petrovic (Abg. Mag. Mainoni: Stoisits!) habe ich ein trautes Themenverhältnis im Menschenrechtsausschuss geschlossen, daher sage ich jetzt ein, zwei Sätze zu den Volksgruppen. Wir haben nicht nur die Budgets gleich gehalten, vom Staatssekretariat für Kunst und Medien sind nicht nur Zuwendungen erfolgt, son­dern – das möchte ich auch sagen – es wurden auch die Zweisprachigkeit, die Minder­heiten im ORF-Gesetz verankert. Das ist immerhin eine Budgetsumme von 2 bis 3 Millionen €. Das ist eine Aufwertung, auch der Stellung der Volksgruppen. Ich möchte Sie bitten, das nicht zu vergessen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Allen Wortmeldungen der Opposition war aber eigen, dass sie immer von den schwie­rigen Zeiten, von den furchtbaren Zeiten geredet haben: vom Nullwachstum, von Spar­kursen und so weiter und so fort. Im Rahmen dessen, das muss ich Ihnen ehrlich sa­gen, ist das Kulturbudget, das wir hier verwalten und das die Bundesregierung hier verwaltet, beachtlich. 220 Millionen € – wenn Sie die Medienoffensive dazunehmen, sind es 235 Millionen € – werden verwendet, um den Kunst- und Kulturstandort Öster­reich zu forcieren.

Wenn Sie das trotz der Menetekel, die Sie an die Wand malen, mit der europäischen Realität vergleichen, wo es Kürzungen von 10, 20 und mehr Prozent gibt, wenn Sie in der „Frankfurter Allgemeinen“ und in anderen Zeitungen von der Schließung von Thea­tern, von Opernhäusern und von der Zusammenlegung von Orchestern lesen, dann wissen Sie, dass wir hier in einem Land leben, dem Kultur viel wert ist und das sich über Kultur auch weiterhin zu definieren gewillt ist.

Richtig ist – ich danke Frau Abgeordneter Wolfmayr, dass sie darauf eingegangen
ist –, dass wir natürlich Schwerpunkte setzen wollen und Schwerpunkte setzen müssen. Dazu zählt, dass wir – das war lange eine Forderung der Opposition, und ich kann mich noch erinnern, als ich Mitglied des Hohen Hauses war, war es auch eine


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Forde­rung von mir – in den Filmstandort Österreich investieren. Es hat immer daran ge­krankt, dass es zu wenig Geld gibt.

Ich danke dem Finanzminister außerordentlich dafür, dass es nach langen, schwieri­gen Verhandlungen gelungen ist, dass wir mit dem Gebührengeld, das dem Staats­budget zugeordnet wird, im Grunde genommen die Filmpolitik finanzieren können, die das ergänzt, was wir in diesem Lande schon haben. Die Erfolge der österreichischen Filmschaffenden in Cannes und in Venedig wurden immer finanziert von der Kunstsek­tion und vom ÖFI. Das heißt, die gute Zusammenarbeit mit den staatlichen und ausge­gliederten Stellen bedarf einer Ergänzung, weil wir den Produktionsstandort Österreich betonen wollen.

Das heißt: Wir haben eine Spitzenfinanzierung bis zu 20 Prozent im Bereich der Pro­duktion, der Fernsehproduktion, wenn ein Produzent 80 Prozent der Mittel mit Partnern und Co-Financiers aufgebracht hat. Die Mittel dafür betragen 7,5 Millionen €. Zusam­men mit den 8,5 Millionen €, die wir im ÖFI verwalten, zusammen mit dem Budget, das ich bereit bin, in die Filmhochschule für den Erstlingsfilm zu investieren, ist das ein Pa­ket, das sich sehen lassen kann, und das ist natürlich eine Antwort auf die große Kritik, die es gab, dass die Republik zu wenig für ihre Filmschaffenden tue. Ich glaube, wir alle können damit zufrieden sein, es ist dies für die nächsten sieben bis acht Jahre eine Lösung der anstehenden Probleme. Und ich bin allen, die daran beteiligt waren, sehr dankbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das zweite Problem ist nicht neu, sondern darauf hat schon Bundeskanzler Sinowatz vor 28 Jahren im kulturpolitischen Maßnahmenkatalog hin­gewiesen. Die Verteilungsgerechtigkeit im Kulturbereich, vor allem in der Kunstförde­rung in diesem Land ist nicht gegeben. Es wurden damals die soziokulturellen Budgets eingeführt, die in etwa 50 Millionen Schilling betragen haben. Zuerst waren es 34 Millionen, die dann auf 50 Millionen Schilling angewachsen sind. Aber ich glaube, dass wir darüber hinaus gehen müssen. Es hat eine Entwicklung im Kunst- und Kultur­bereich gegeben, das heißt, dieser Bereich ist natürlich in diesen 28 Jahren anders geworden.

Wir haben jetzt ein Kunsthaus in Bregenz, wir werden demnächst ein Kunsthaus in Graz haben, wir haben große Events, aber wir haben auch Kulturproduktionen von Krems – denken Sie an die Kulturmeile – bis Schwaz in Tirol, von der „styriarte“ in der Steiermark bis zu den Salzburger Festspielen. Das heißt, es ist in diesen 28 Jahren ein anderes Kulturverständnis in diesem Land gewachsen – no na, es wurde ja auch ge­fördert! Deswegen verstehe ich auch nicht die Verwunderung des einen oder anderen Kulturpolitikers, der jetzt sagt: Um Gottes willen, wieso wird das Geld aus Wien abge­zogen? – Da findet – glauben Sie mir das – ein Wettbewerb statt, und der Bessere soll gefördert werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es kann nicht sein, dass wir gerade im Bereich der Kunstförderung 70 bis 75 Prozent der Mittel in Wien ausgeben, und dabei rechne ich die Bundestheater und die Bun­desmuseen nicht ein. In einem Bundesland, das etwa gleich groß ist wie Wien, zum Beispiel Niederösterreich, haben wir nur 2,4 oder 2,5 Prozent. In Oberösterreich ist es noch weniger. Meine Damen und Herren! Das ist kein Vorgang, den wir schnell erledi­gen können. Aber es ist eine Warnung, auch von der Konferenz der Kulturbeauftragten der Länder, die sich darauf geeinigt haben – inklusive Wien –, dass wir all diese Posi­tionen durchforsten und uns überlegen müssen: Wo ist es wichtig, dass wir in das In­vestment gehen?

Meine Damen und Herren! Glauben Sie mir, das ist ein wesentliches Anliegen, das wir vorantreiben werden. Ich glaube auch, dass wir hier Konsens mit allen gut Meinenden haben werden, denn Sie können es, glaube ich, nicht wirklich gerne sehen, Herr Abge-


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ordneter Wittmann, dass der Bund in Wiener Neustadt eine Förderposition in der Höhe von 6 540 € hat oder dass wir ein Literaturarbeitsstipendium für Anni Stern-Braunberg oder ein Tanzstipendium „Laura Popelka“ um 11 000 € haben . Das kann nicht Ihr Be­dürfnis sein, das kann nicht Ihre Zufriedenheit erwecken. Das kann es nicht gewesen sein.

Ich glaube, dass die Kunstförderung dort eingreifen soll, wo wir helfen wollen, wo wir etwas weiterentwickeln wollen und wo wir diesen Weg, den wir zusammen gegangen sind, weitergehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nun zum Medienstandort Österreich: Es geht nicht nur um die Filmförderung auf der einen Seite, sondern auf der anderen Seite auch um die Li­beralisierung der elektronischen Medien, die wir – vier Jahre nach Albanien und 18 Jahre nach Deutschland! – vorangetrieben haben, sodass wir jetzt auf Augenhöhe sind und nunmehr die Digitalisierung vorantreiben. Damit befinden wir uns jetzt auf Augenhöhe mit der europäischen Entwicklung, sind hier also zum ersten Mal Teil der europäischen Entwicklung im Medienbereich.

Ich danke dem Finanzminister dafür, dass wir auch in diesem Bereich im Rahmen von Public-Private-Partnership Mittel der öffentlichen Hand in der Höhe von 7,5 Millionen € locker machen konnten. In diesem Sinne stehen uns zwei gute Jahre bevor. Ich glau­be, wir werden sie gut bewältigen. Mit den Rahmenbedingungen können wir jedenfalls leben, und ich glaube, wir können auch etwas weiterbringen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.56

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


11.56

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundespräsident! (All­gemeine Heiterkeit. – Rufe bei den Freiheitlichen: Freudscher Versprecher!) Sehr ge­ehrter Herr Präsident des Nationalrates! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Dame und Herren der Volksanwaltschaft! Freudsche Versprecher passieren ab und zu. – Als Vorsitzende des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen möchte ich mich in meinem Debattenbeitrag vor allem an die Dame und an die Herren der Volksanwaltschaft wenden und mich vor allen Dingen bei ihnen für die Arbeit, die sie im Dienste der Bürger und Bürgerinnen in dieser Republik leisten, bedanken.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Ich habe mich mit Ihrer Bilanz befasst, die sich wahrhaft sehen lassen kann: Sie haben im Jahr 2002 14 851 Anbringen erledigt, es gab 6 896 Prüfverfahren, 22 000 Eingaben wurden bear­beitet, und 2 325 Menschen haben ihr Anliegen an einem der 263 Sprechtage im Jahr 2002 an Sie gerichtet. – Das ist eine wahrhaft stolze Bilanz, die kann sich sehen lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben eine Struktur erstellt, die die Anhäufung der Beschwerden und den immen­sen Arbeitsanfall, den Sie seit Ihrem Amtsantritt zu bewältigen haben, genau illustriert. Daher glaube ich, dass es einfach wichtig, notwendig und an der Zeit ist, dass die Budgetmittel aufgestockt werden. Ich habe mit Freude vernommen, dass Abgeordneter Dolinschek gesagt hat: Sagen Sie, was Sie brauchen, wir sorgen dann dafür, dass die Mittel vorhanden sind. – Ich glaube, wenn so viel gute Arbeit im Sinne unserer Bürger und Bürgerinnen geleistet wird, dann muss auch die entsprechende Ausstattung gege­ben sein.


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Daher glaube ich, dass es mehr als recht und billig ist, dass nicht nur das gleiche Bud­get vorhanden ist, sondern dass auch das, was Sie uns schon im Februar dieses Jah­res in einem Brief zur Kenntnis gebracht haben, nämlich dass Sie zusätzlich drei Refe­rentenstellen und zwei Stellen für Kanzleiarbeiten benötigen, bewilligt wird. Das ist wirklich wichtig und notwendig für unsere Republik und für die Bürger und Bürgerinnen in diesem Staat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden uns dafür einsetzen. Ich hoffe, dass wir diesbezüglich zu einem Konsens in diesem Haus kommen und dann den entsprechenden Beschluss fassen können.

Dass Ihr Anliegen mehr als berechtigt ist, kann man auch sehen, wenn man einen in­ternationalen Vergleich anstellt, wenn man sich zum Beispiel die Personalsituation bei der Volksanwaltschaft, beim Ombudsmann in Ungarn anschaut, wenn man also mit anderen Ländern vergleicht. Sie sind, obwohl Sie sicher effektiv und gestrafft arbeiten, auf Grund des Mehranfalls von Arbeit nicht in der Lage, entsprechend effizient zu ar­beiten, wenn Sie nicht die entsprechende Ausstattung haben. Daher haben Sie dies­bezüglich unsere Unterstützung und, so hoffe ich, auch jene des gesamten Hohen Hauses.

Zum Inhaltlichen möchte ich noch einmal Folgendes sagen: Es wäre schon notwendig, dass man in verschiedenen Fragen auf Sie hört, da Sie ja mit den Auswirkungen der Gesetze durch die Beschwerdeführer immer wieder in Kontakt kommen. Daher müss­ten wir hier im Hohen Haus darauf achten, dass wir auf diese Beschwerden auch in dem einen oder anderen Fall, bei dem es sich nicht nur um einen Einzelfall handelt, sondern um ein allgemeines Problem, in Form von Gesetzesänderungen reagieren.

Mir ist aufgefallen – ich habe mir kurz Ihre Berichte angeschaut und durchgelesen –, dass zum Beispiel dieser Fall der Mehrkindfamilie aufgetreten ist. Es gibt eine Familie mit neun Kindern, diese würde die Kinder gerne gemeinsam in einem Auto in Form einer Fahrgemeinschaft zur Schule, zum Kindergarten oder wohin auch immer bringen. Dafür bedarf es einer Gesetzesänderung, dass nämlich das Führerscheingesetz geän­dert wird. Das sollte wohl möglich sein, es kann doch nicht daran scheitern, dass einige Formulare neu gedruckt werden müssen. – Das wäre ein Beispiel, wie man diesen Menschen – in diesem Fall diesen Mehrkindfamilien – helfen könnte. In anderen Län­dern ist es schon möglich. Es bräuchte nur eine kleine Änderung, und das wäre etwas, was wir leisten sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss – die Uhr zeigt mir schon an, dass meine Redezeit zu Ende ist –: Ich möchte Ihnen sagen, sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren von der Volksanwalt­schaft, ich freue mich auf den Herbst. Wir haben einen Termin mit dem Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen vereinbart. Ich freue mich auf eine intensivierte Zu­sammenarbeit, habe einen Antrag mit Ihren Forderungen mehr oder weniger einge­bracht und freue mich wirklich auf eine gute Zusammenarbeit im Sinne der Bürger und Bürgerinnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Glawischnig.)

12.02

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.

 


12.02

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren von der Volksanwaltschaft! Werte Herren auf der Regie­rungsbank! Ich möchte als Sportsprecher meiner Fraktion zum Kapitel Sport sprechen, denn die beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Österreicherinnen und Österreicher haben immer direkt oder indirekt mit dem Sport zu tun. (Abg. Mag. Lunacek: Wo ist der Staatssekretär?) Die Palette reicht von der aktiven Sportausübung bis hin zur „Kon-


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sumation“ von Sportveranstaltungen; der Sport ist also ein wichtiger sozialer, pä­dago­gischer, wirtschaftlicher und gesundheitspolitischer Faktor.

Die österreichischen Sportler sind hervorragende Botschafter unseres Landes und ein­malige Werbeträger für unsere Heimat Österreich. Denken wir nur kurz zurück an die letzten Wochen, an die Erfolge eines Werner Schlager, der die gesamte Weltelite vom Tisch geschossen hat und Tischtennis-Weltmeister wurde! Denken wir an unsere Schi­fahrer, die heuer im Winter wieder einmal die Erfolgreichsten waren und als Aus­hänge­schild des Wintersportlandes Österreich gute Tourismuswerbung machen.

Gestern haben Österreichs Fußballer mit einem 5 : 0 gegen Weißrussland (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – Abg. Dr. Stummvoll: Ausnahmsweise!) – aus­nahmsweise – die Scharte vom vergangenen Wochenende ausgewetzt. Nicht zu ver­gessen sind weiters unsere Behindertensportler wie Danja Haslacher und Thomas Geierspichler, die in beeindruckender Manier Spitzenleistungen bringen und immer wieder Medaillen nach Hause holen.

Neben dem grenzenlosen Einsatz unserer Sportler ist aber auch die finanzielle Basis für die Entwicklung ganz besonders wichtig. So ist es sehr erfreulich, dass im Rahmen der Verhandlungen der Sportförderungen im Budget 2003/2004 mit 60,7 Millionen € für das Jahr 2003 und mit zirka 62 Millionen € für das Jahr 2004 diese Rahmenbedingun­gen festgelegt wurden. Das sind immerhin um 1,5 Millionen € mehr als im Jahr 2002. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese erhöhten Mittel fallen in der besonderen Sportförderung an, die die Basisförde­rung für die österreichischen Sportverbände bildet. Mit über 500 000 € erhält der Öster­reichische Behindertensportverband den Löwenanteil – eine richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt!

Mit den nun zu beschließenden finanziellen Rahmenbedingungen wird auch der Brei­tensport in Österreich für die nächsten beiden Jahre seine Aktivitäten weiter ausbauen können. Die drei Dachverbände leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die Ös­terreicherinnen und Österreicher ein lebensbegleitendes Sportangebot – für den leistungs-, fitness- oder gesundheitsorientierten Sport – erhalten.

Das flächendeckende Vereinsnetz bietet die vielfältigsten Angebote mit bestausgebil­deten Übungsleitern und Trainern auf höchstem Niveau. Dies ist zum Großteil durch diese finanziellen Förderungen möglich, denn dadurch kann bei den Vereinen für aus­reichende Strukturen und diese hohe Qualität gesorgt werden.

Wie wichtig der Sport für unsere Gesundheit ist, zeigt eine Harvard-Studie, die unter­streicht, dass die gesundheitlichen Vorsorgeaspekte des Sports in Österreich noch zu wenig von der Bevölkerung wahrgenommen werden: Rund 60 Prozent der österreichi­schen Bevölkerung, die wenig beziehungsweise gar keinen Sport betreiben, erleiden in der Folge zumeist schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Darum ist der Sport als Vorsorgefaktor für jedermann und jede Frau von großer Bedeu­tung, deshalb muss er weiter unterstützt werden. Nur mit dem breiten Spektrum der Dachverbände ist es auch möglich, einen wesentlichen Beitrag zur Volksgesundheit und damit auch wieder zur Entlastung unserer Gesundheitssysteme zu leisten. Als Vizepräsident der Sportunion Österreich habe ich immer wieder einen umfassenden Einblick in die wichtige Funktion der Dachverbände, der Vereine und ihrer Arbeit für und um den österreichischen Sport.

Auch für die Jugend ist sportliche Betätigung von großer Bedeutung. In den 12 300 ge­meinnützigen Sportvereinen in Österreich wird optimale Nachwuchsarbeit geleistet. In diesen zahlreichen Vereinen sind rund 300 000 ehrenamtliche Funktionäre tätig – diese sind ein entscheidender Beitrag zum Erfolgssystem Breitensport in Öster­reich –,


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diesen ehrenamtlichen Funktionären gehört auch einmal ein aufrichtiges Dan­keschön gesagt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Mag. Lunacek.)

Die erfolgreich aufgebaute Struktur und das Engagement der Trainer, der Eltern und der Sportler tragen viel dazu bei, dass die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel um ein Mehrfaches durch Eigenleistungen vervielfacht werden. Aktive Sportpolitik, so wie von der Regierung praktiziert, bedeutet aber auch gleichzeitig aktive Wirtschaftspo­litik. Die aktive Förderung von Großveranstaltungen in Österreich und die Unterstüt­zung von internationalen Bewerbungen so, wie sie in den Budgets vorgesehen sind, bedeuten einen weiteren großen Schritt in die richtige Richtung.

Ich nenne hier nur ein Beispiel zur Durchführung von Sportveranstaltungen: die Euro­päischen Betriebssportspiele 2003, an denen rund 6 000 Sportler aus ganz Österreich und ganz Europa Ende Juni in Salzburg teilnehmen werden. Alleine die Begleitperso­nen, Trainer und Betreuer bringen über 30 000 zusätzliche Nächtigungen.

Durch den erfolgreichen Zuschlag für die Fußball-Europameisterschaft 2008 mit unse­rem Partner Schweiz werden viele wichtige wirtschaftliche Impulse gesetzt, vor allem für die Bauwirtschaft. Insgesamt werden alleine jetzt für die Fußball-Europameister­schaft 100 Millionen € in die Qualitätssteigerung der Stadien in Wien, Klagenfurt, Inns­bruck und Salzburg investiert, davon kommen 60 Prozent vom Bund und der Rest aus den Ländern.

Hand in Hand damit geht die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und die Sicherung von bestehenden Arbeitsplätzen. In den Vorbereitungen auf diese Fußball-Europa­meisterschaft werden auch qualifizierte Arbeitsplätze im Bereich Technologie, Organi­sation und Tourismus geschaffen. Die positiven Auswirkungen auf den heimi­schen Tourismus, die Erhöhung der Bekanntheit einzelner Regionen in Verbindung mit dem Faktor Sport, die schon angesprochene erhöhte Investitionsbereitschaft in Infra­struktur und andere Standortfaktoren bilden weitere positive Aspekte für diese sportli­chen Großereignisse.

Für mich besonders wichtig ist natürlich die Bewerbung Salzburgs um die Olympischen Winterspiele 2010, die auch vom Bund mit 1 Million € unterstützt wird. Bereits die Be­werbung und das Erreichen des Status einer Candidate City haben sich für das Land durch konkrete wirtschaftliche Auswirkungen an Wertschöpfungen bezahlt gemacht. Das Institut für Höhere Studien hat errechnet, dass die Bewerbung 5,2 Millionen € an Wertschöpfung bewirkt hat, die daraus resultierenden Kaufkrafteffekte stellen einen Wert von 7,4 Millionen € dar. In den Jahren 2001 bis 2003 wurden alleine in diesem Bereich insgesamt 66 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das zusätzliche Steueraufkom­men aus der Bewerbung beträgt zirka 1 Million €.

Sowohl im Rahmen der Bewerbung als auch im Vorfeld dieser Spiele finden Veranstal­tungen in der Region statt, die ohne Olympische Spiele dort nicht ausgetragen würden. Gemeinsam mit unseren Partnerregionen Kitzbühel und der Sportwelt Amadé wurden im Rahmen der Bewerbung wertvolle Konzepte für Infrastruktur, Verkehr und Umwelt­planungen für die Zukunft erstellt, die unabhängig vom Zuschlag der Olympischen Spiele schon genützt werden können. Alleine diese Leistungen stellen einen Wert von rund 570 000 € dar.

Eine besonders positiv zu bewertende Auswirkung der Bewerbung sind auch die grö­ßere Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Heimatregion sowie die Image- und Wer­beeffekte für das ganze Land. Wenn es am 2. Juli in Prag wirklich klappt – davon bin ich als Salzburger und Österreicher natürlich überzeugt –, dann findet das größte Sportereignis der Welt – und das sind die Olympischen Winterspiele nun einmal – in Österreich statt.


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Was das wirtschaftlich bedeutet, ist auch seit dem 10. Juni klar, denn am 10. Juni hat das Internationale Olympische Komitee mit NBC die Fernsehverträge für die Jah­re 2010 und 2012 abgeschlossen. Diese belaufen sich auf eine Höhe von 2 Milliar­den US-Dollar. Das bedeutet, dass wir alleine für die Winterspiele einen Anteil von 820 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt bekommen, der zu 50 Prozent auf das IOC und zu 50 Prozent auf die Host City aufgeteilt wird.

Zum Abschluss möchte ich einfach sagen: Sie sehen, meine Damen und Herren, es wird viel getan für den Sport; und so gilt es auf ein Neues: Es lebe der Sport! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.10

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


12.11

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Da mein Vorredner seine Rede über den Sport mit dem Popmusikzitat „Es lebe der Sport“ von Rainhard Fendrich beendet hat, kann ich jetzt nahtlos wieder zur Kultur umschwenken und mich dem Kunstbudget widmen. Ich möchte zuerst zu den nackten Zahlen des Kunstbudgets und dann etwas ausführlicher zur Kunst- und Kulturpolitik insgesamt kommen.

Zuerst zum Kunstbudget und zu den nackten Zahlen. Seit Jahren erleben wir nun et­was, was man nur mehr mit Mängelverwaltung beschreiben kann. Auch die Voran­schläge für die Budgets 2003 und 2004 sind im Vergleich zu 2002 nicht gestiegen, sondern um 0,33 Prozent gesunken, also de facto auf diesem Tiefstand eingefroren worden. Wenn man das näher betrachtet, dann sieht man teilweise sehr schmerzhafte Kürzungen, vor allem im Bereich bildende Kunst mit minus 6 Prozent, Musik und dar­stellende Kunst mit minus 8 Prozent, und ein Ansteigen im Bereich Kulturinitiativen und Film.

Wenn man daraus einen politischen Schwerpunkt ableiten möchte, dann muss man vorher dazusagen, wenn man Kunstbudgets verwaltet, dass es sehr stark auf das Wie ankommt, wie man das macht. Wir haben heuer im Mai einige Hilferufe von Einrichtun­gen erhalten, die mit einem Fuß bereits im privaten Konkurs, im Ausgleich gestanden sind, die MitarbeiterInnen entlassen mussten. Das ist darauf zurückzuführen, dass sichtlich im Bundeskanzleramt Dienst nach Vorschrift gemacht wird; es gibt nämlich keine Budgetzusagen und keine Planungssicherheit für wesentliche Institutionen in Österreich.

Vereine und Institutionen, die seit Jahren verdienstvolle Arbeit geleistet haben und leis­ten, haben nicht nur dauernd unter diesen rasenmäherartigen Kürzungen zu leiden, sondern sie leiden auch darunter, dass es keine transparente und vernünftige Verwal­tung gibt, bei der man Planungssicherheit hat und sich am Anfang des Jahres sicher sein kann, welche Projekte man verwirklichen wird können. Das ist sehr schade! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Betreffend das Wie: Es gibt sehr wenige Strukturentscheidungen von Ihrer Seite, es gibt im Wesentlichen rasenmäherartige Kürzungen, die für viele Institutionen eines be­deuten: zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Das betrifft beispielsweise Ein­rich­tungen wie die Neue Oper Wien. Es ist immer ganz knapp mit den Mitteln, knapp unter dem Betrag, der gebraucht wird. Die Konsequenzen sind dann ein Mangel an Qualität, dass nur noch Stücke mit kleiner Besetzung gespielt werden können oder dass Einla­dungen ins Ausland nicht mehr angenommen werden können. Weitere Kon­sequenzen


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sind, dass zum Beispiel Einrichtungen wie das Depot erst wieder im Sep­tember aufmachen können, um nur vier Monate für ein Jahr Programm zu machen.

Beim Orpheus Trust, der Dokumentationsstelle für österreichische Musiker, die von den Nazis vertrieben wurden, fehlt ebenso ein kleiner Betrag für deren Programm, so­dass ein dort Beschäftigter dann sagen muss: Ich arbeite jeden Tag von neun Uhr in der Früh bis Mitternacht. Nach sieben Jahren permanenten Überlebenskampfes bin ich manchmal zu müde, um zu sehen, was ich erreicht habe. – Das ist sehr schade. Das ist eine Frage, wie man das handhabt. Wie geht man mit dem Kunstbudget, mit dem Mitteleinsatz um?

Das, was ich Ihnen wirklich zum Vorwurf machen muss, Herr Staatssekretär, ist, dass Sie die Probleme dieser Initiativen nicht sehen und oft bis zum Mai warten. Diese Leute müssen Ihnen monatelang für ihre Planungssicherheit, für ihre Projekte nachtelefonie­ren. Das ist keine Kunst- und Kulturpolitik! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was passiert, wenn Sie tatsächlich politische Schwerpunkte setzen? – Ich habe das so verstanden, dass ein politischer Schwerpunkt die regionale Stärkung, regionale Kultur­initiativen sind, das Wegverteilen von Wien hin zu den Bundesländern. Was passiert, wenn man so etwas macht? – An und für sich kann man über das sehr wohl diskutie­ren. Ich teile da durchaus auch Ihre Einschätzung, dass man da Kriterien anlegen kann. Aber was passiert, wenn Sie so etwas machen?

Wir haben das in den internationalen Medien als Welle der Empörung wahrgenommen. Was passiert, wenn Sie eine kleine Subvention streichen? – Da kommen Kommentare wie „sittenwidriger Gunstentzug“, „Brachialmethoden“, „irritierende Fehlleistungen“. „Eine Umverteilung tut aus Sicht der Länder Not. Moraks Brachialmethoden sind je­doch fatal.“, lauten die Schlagzeilen. Das steht alles in renommierten internationalen Zeitungen.

Ich frage mich: Wie passiert das? Wie passiert es, dass Ihnen ständig bei Ihren politi­schen Vorhaben eine Welle der Empörung entgegenschlägt? Das war bei den Wiener Festwochen, das war bei der „Diagonale“. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn nur Linke drinnen sitzen!) Bei der „Diagonale“ war es noch schlimmer, als bei diesem renommier­ten Festival die Ausschreibung der neuen Intendanz zu einer Welle der Empörung ge­führt hat.

Ich frage mich, ob Sie sich vielleicht auch fragen (Abg. Dr. Fekter: Das ist doch die Antwort!), warum diese Fehlleistungen immer im Nachhinein solche Wellen schlagen, warum das nicht funktioniert. Ich habe länger darüber nachgedacht und der Schluss, zu dem ich gekommen bin ... (Abg. Dr. Fekter: Das waren die sozialistischen Förder­töpfe, die dieses ...!) – Es waren nicht die sozialistischen Fördertöpfe! Wenn Ihnen bei der Kunst- und Kulturpolitik als einziges Argument immer wieder nur die Schulden aus der Vergangenheit einfallen, dann ist das wirklich sehr schade.

Aber warum passiert Ihnen das ständig, dass Österreich im Ausland als blamabel hin­gestellt wird? In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sind Kommentare zu lesen wie: aus dem Regierungsbunker in Wien konservative Kulturpolitik. – Da werden Theater-Intrigen zitiert.

Ich bringe ein Zitat aus der „Presse“ – das ist wahrlich keine subversive Zeitung –: „Theater-Intrigen sind böse. Die bösesten aber sollen die Burgtheater-Intrigen sein. Das ist natürlich eine Unterstellung, die wir nicht teilen. Der Kenner sieht aber doch mit Staunen nach der Kabale um die Josefstadt die Kabale um die Diagonale. In beiden Fällen zog der ehemalige Burgschauspieler und jetzige Kunst-Staatssekretär Franz Morak die Fäden.“


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Warum ist das so? – Die Antwort ist eine sehr einfache. Gerade im Kunst- und Kultur­bereich ist politische Willkür etwas, was man absolut vermeiden muss. Wenn Sie regi­onale Umverteilung unter einem einzigen Aspekt machen, nämlich nur um dem roten Wien eines auszuwischen oder unliebsame Initiativen in irgendeiner Form zu kürzen, dann ist das sehr traurig, hat aber mit politischen Schwerpunkten absolut nichts zu tun. Deswegen gibt Österreich in den letzten Monaten in allen ausländischen Zeitungen, von der FAZ abwärts, ein blamables Bild seiner Kunst- und Kulturpolitik ab.

Ich würde Sie bitten, diese Vorgänge abzustellen, nicht wegen der Summen – denn den Wiener Festwochen sind diese paar 100 000 € wirklich egal –, aber die Vorgangs­weise ist zu kritisieren. Bei mir ist der Eindruck entstanden, dass Sie bis jetzt nicht ver­standen haben, worum es in der Kunst- und Kulturpolitik geht, nämlich um eine gewis­se Distanz, um die Freiheit der Kunst, die auch zu wahren und zu achten ist. Man kann nicht immer, wenn irgendjemand aufmuckt, wenn irgendjemand von der falschen Partei ist, sozusagen gleich zuschlagen. „Moraks Brachialmethoden“, das sind nicht meine Zitate. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist aber leicht zu verstehen! Dazu brauchen wir nicht Ihre Erläuterungen!) Das sind alles Zitate von renommierten Kunst- und Kulturkri­tikern und Beobachtern der österreichischen Kulturpolitik. (Abg. Dr. Brinek: Sie sagen nur die Hälfte, die andere Hälfte lassen Sie weg!)

Ich würde Sie wirklich bitten: Lassen wir diese Streitereien um die paar 100 Millionen €! Versuchen wir wirklich, in diesem Bereich das große Prinzip „Freiheit der Kunst“ zu achten und zu ehren und nicht solche Kriterien wie in der letzten Zeit bei der „Diagona­le“, den Wiener Festwochen und so weiter anzuwenden! Die blau-schwarze Bundesre­gierung möge endlich sachliche, fachliche und fundierte Kriterien und die Freiheit der Kunst anerkennen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Lichtenegger ist so schnell, dass er schon beim Rednerpult ist, bevor man ihn aufrufen kann. Er ist aber der nächste Redner und hat eine Redezeit von – freiwillig –: 8 Minuten. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ein typischer Sportler!)

 


12.18

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich habe mich schon aufgewärmt, deswegen war ich schon vorher da. Wir reden heute über das Sportbudget; meines Erachtens ist die Summe nicht immer alles, sie ist nicht immer der Stein der Weisen. Wir sollten uns auch fragen: Wie wird das Geld eingesetzt? Vor allem: Was machen wir mit dem Geld? Wo wird das Geld investiert? – Nichtsdestotrotz gibt es heuer und auch im nächsten Jahr 20 Millionen € mehr.

Mein Vorredner Peter Haubner hat schon die Olympischen Winterspiele 2010 ange­sprochen. In drei Wochen, am 2. Juli, findet die Abstimmung in Prag statt. Das ist ein ökonomisch äußerst interessantes Ereignis bei relativ geringen Kosten, sagt das Insti­tut für Höhere Studien, begründet damit Gesamtausgaben von 901 Millionen €, und dem steht eine Wertschöpfung von heute bis zum Jahr 2012 von 811 Millionen € ge­genüber. Da sind die Werbeverträge mit den Fernsehstationen noch gar nicht mit ein­gerechnet.

Zusätzlich – was auch sehr wesentlich ist – wird es bis 2012, falls Salzburg den Zu­schlag erhält – und da bin ich Peter Haubners Meinung, dass das ganz wichtig für uns ist –, 19 000 zusätzliche Arbeitsplätze allein durch diese Olympischen Spiele geben. Abgesehen vom sportlichen Wert – ich war selber schon bei zwei Olympischen Spielen dabei – sind das, so glaube ich, Eckpunkte, die wir nicht leugnen können.


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Noch dazu kommt doppelt so viel Lohnsteuer herein, wie der Bau der Sportanlagen kostet, die großteils schon vorhanden sind. Abgesehen von den touristischen Vorteilen, die positiv zu erwähnen sind, ist das natürlich eine riesengroße Gratiswerbung für den Standort Österreich, für Salzburg und für Kitzbühel. Ähnliches ist auch für die Fußball-Europameisterschaft zu erwarten.

Endlich einmal ist Österreich nicht nur gepeinigt von peinlichen Fussballniederlagen; in Österreich ist ja Fußball die Nummer eins, und zwar nicht nur in den Medien. – Mit dem Bau neuer Stadien wird ja auch ein Zeichen gesetzt für die Zukunft, eben auch für die Zukunft unserer Jugend, die diese neuen Stadien dann nutzen kann. Das stellt für den Nachwuchssport einen wichtigen Impuls dar. Auch das Interesse der Jugendlichen, der Jugendsportler wird so wieder geweckt – und so können mehr junge Sportler für den Fußball gewonnen werden.

Weitere Entwicklungen im österreichischen Sport hat es mit dem Förderungsmodell „Top Sport Austria“ gegeben. Hiebei ist es zu wesentlichen Strukturveränderungen gekommen. Sie alle kennen sicherlich „Top Sport Austria“ als Förderungsmodell für den österreichischen Spitzensport.

Neu in diesem Förderwesen ist es, dass es eine zentrale Annahmestelle geben wird, dass man als Sportler nur mehr einen Antrag zu stellen braucht, nicht mehr verschie­dene. Diese Koordinationsstelle setzt sich dann in Verbindung mit verschiedenen För­derstellen, Stellen, bei denen man als Sportler Geld zur Förderung bekommen kann, wobei sich der Antragsteller diese Förderstellen selbst aussuchen kann. Als junger Sportler weiß man ja oft gar nicht, woher man Fördergeld bekommen kann, ja über­haupt, was einem zusteht. Diese Koordinationsstelle hilft einem eben dabei. Diese An­träge werden auch relativ schnell behandelt – und, was dadurch noch gewährleistet ist: Es gibt nicht mehr diese doppelte Förderung. Das heißt, dass man eben nicht mehr für ein und dasselbe Trainingslager oder für Zusatzernährung beispielsweise von zwei verschiedenen Stellen Förderungen bekommt. Das ist also somit auch geregelt.

Was auch ein interessanter Impuls ist: In Kärnten, und zwar in St. Veit, gibt es ein ers­tes Pilotprojekt, nämlich den so genannten Bewegungskindergarten, was meines Er­achtens einen wichtigen Schritt in Richtung Kinder-, Jugend- und Nachwuchsarbeit darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dabei steht aber nicht nur der Sport, sondern die Bewegung bei den Kindern im Mittelpunkt. Ich glaube, Bewegung ist auch ein wichtiges Instrument in Bezug auf gesellschaftliche Integration.

Als ich ein Kind war, hat es noch keine Play-Station gegeben, auch noch keinen Com­puter; aber das wird wahrscheinlich bei Ihnen allen auch so gewesen sein. Als Kinder waren wir halt noch im Wald und haben uns mit anderen Kindern spielenderweise un­terhalten. Unser gesellschaftliches Leben hat sich damals ganz anders dargestellt, als das heute der Fall ist.

Wichtig ist, dass die Kinder bereits im Kindergarten lernen, mit ihrem eigenen Körper umzugehen – und dass sie auch lernen, mit sich selbst in ihrer Freizeit etwas anzufan­gen. Damit kann man auch, glaube ich, präventiv der Drogenproblematik entgegen­steuern, und dann stellen sich eben solche Fragen nicht, ob man eine Hasch-Trafik eröffnen soll oder nicht, wie es diese Diskussion vor kurzem in Wien gab und von einem Abgeordneten, nämlich vom Herrn Brosz, gesagt wurde. (Abg. Dr. Niederwie­ser: Wie sehen Sie die Kürzungen der Turnstunden? – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Aber nicht nur das Förderwesen ist ein wichtiger Aspekt, sondern eben auch die Integ­ration des Behindertensports. Vor zwei Jahren habe ich an den Leichtathletik-Welt­meisterschaften in Edmonton teilgenommen, und ich möchte in diesem Zusam­men­hang sagen: Im Rahmen von Leichtathletikbewerben hat es ja bereits Demonstra­tions-


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bewerbe von Behindertensportlern gegeben, und da waren Leistungen zu sehen, die selbst mich als Sportler sozusagen vom Hocker gerissen haben. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, der sicherlich auch in Österreich weiter verfolgt werden wird. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang natürlich das österreichische Bun­desheer. Das österreichische Bundesheer bietet, glaube ich, über 220 Sportlern die Möglichkeit, dort als Leistungssportler ihren Dienst auszuüben, was ein ganz wichtiges soziales Element in Bezug auf den Leistungssport darstellt.

Leistungssport in Österreich – abgesehen von Fußballern und Schifahrern – wäre in dieser Form ohne das österreichische Bundesheer nicht möglich. Es war auch so, dass es vorher ein altes System gegeben hat, wo man als Zeitsoldat zum österreichi­schen Bundesheer gekommen ist, dort diese Leistungen maximal neun Jahre lang in Anspruch nehmen konnte – und man hatte auch einen Anspruch auf berufliche Aus­bildung. – Heute ist man als Sportler dort „Militärperson auf Zeit“, quasi ein Beamter. Und damals haben die Sportler auch gewusst, dass sie keinen Pensionsanspruch ha­ben werden, weil sie auch keine Beiträge einzahlen.

Durch die Pensionsreform jedoch, die gestern hier beschlossen wurde, werden diesen Sportlern – das ist allerdings schon zehn oder zwölf Jahre her, also schon länger – erstmals 30 Monate an Pensionsbeitragszeiten angerechnet; ein großer Schritt vor­wärts für diese Sportler, die damals beim österreichischen Bundesheer waren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich muss man dem österreichischen Bundesheer großen Dank aussprechen: Es ist immer wieder bei Großveranstaltungen dabei. Ich erwähne in diesem Zusammen­hang etwa nur den „Ironman“-Triathlon in Klagenfurt, Beach-Volleyball-Veranstaltungen in Kärnten sowie sonstige große Veranstaltungen. Unser Bundesheer ist immer da, wenn man es braucht, und es leistet immer tatkräftige Unterstützung. Ohne das öster­reichische Bundesheer könnten Großveranstaltungen oft gar nicht durchgeführt wer­den. (Abg. Dr. Niederwieser: Das wird aber dann kein Geld mehr haben, wenn Sie die Abfangjäger kaufen!) Ich sehe in diesem Zusammenhang auch die Bilder von Kitzbühel vor mir: Wenn die Abfahrt wieder einmal verschneit ist, dann marschieren eben die Bundesheerler hinauf und schaufeln Schnee, damit wir alle dann um 11 Uhr den Ab­fahrtslauf via Fernsehen mitverfolgen können.

Ein großes Dankeschön nochmals an das österreichische Bundesheer, ein Danke­schön auch an die vielen Vereine und Funktionäre, die ja durch ihren unermüdlichen Einsatz den Breiten- und Nachwuchssport in Österreich sozusagen aufrechterhalten. Ein Dank diesen unermüdlichen Mitarbeitern, die wirklich oft ihre gesamte Freizeit – vielleicht nicht immer im Sinne und Interesse ihrer Familie – in den Sport investieren, die es aber so möglich machen, dass österreichische Vereine ein Gesamtvolumen an Ein- und Ausgaben von über 500 Millionen € zustande bringen, wobei diese Summe nur zu 15 Prozent durch Fördermittel von Bund, Ländern und Gemeinden gedeckt ist.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, dass da eine Menge Geld im Spiel ist – und ich muss dazu sagen: Diese Leute sind auf alle Fälle ihre Ehrenamtlichkeit wert. – Vie­len Dank im Sinne des Sports! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.26

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Er hat das Wort.

 



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12.27

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte anregen, zu versuchen, bei diesem Budgetkapitel doch Blöcke zu bilden. Es sind näm­lich jetzt diese dauernden Sprünge zwischen Sport, Kultur, Kontrollwesen et cetera geradezu rekordverdächtig. Vielleicht gibt es eine Methode, eine Möglichkeit, diese Debatte eben inhaltlich kompakter zu gestalten.

Es ist sozusagen gute Tradition, dass sich die SPÖ anlässlich der Debatte zu den Obersten Organen bei den Damen und Herren Beamten des Rechnungshofes be­dankt, und auch ich tue das jetzt mit voller Überzeugung, denn diese setzen sich wirk­lich vor­bildhaft ein, arbeiten sehr gut und sehr professionell. Ich meine aber, diese BeamtIn­nen hätten es sich verdient, dass sich auch einmal ÖVP und FPÖ mit dem Dienstrecht, das vorgelegt wurde, befassen. (Beifall bei der SPÖ.) Lippenbekenntnisse allein, wie sie traditionell abgegeben werden, sind da schon zu wenig!

Respekt auch dem Herrn Präsidenten des Rechnungshofes, der in den vergangenen Jahren wirklich Standfestigkeit und Rückgrat bewiesen hat. Ich erinnere zum Beispiel nur daran, wie Herr Bundeskanzler Schüssel und Herr Finanzminister Grasser positive Budgeteffekte der letzten Jahre mit „Ausgabeneinsparungen“ begründet haben. – Da hat Herr Präsident Dr. Fiedler sehr standhaft gesagt, dass positive Effekte überwie­gend via Einnahmen zustande gekommen sind.

Weiteres Beispiel: Wenn es um den Privatisierungsfetischismus dieser Regierung geht, fordert Herr Präsident Dr. Fiedler schon seit langem ein Konzept ein, was die ÖIAG betrifft. – Oder: Als Minister Bartenstein gesagt hat, wir haben 30 000 Beamte zu viel, hat Herr Präsident Dr. Fiedler geantwortet: Bevor man da mit dem Rasenmäher drüberfährt, soll man sich einmal anschauen, welche Aufgaben die Beamten erfüllen.

Herr Präsident Dr. Fiedler, wir von den Sozialdemokraten haben ein gutes Gefühl, wenn Sie dem Österreich-Konvent als Präsident vorsitzen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man Lob spendet, meine Damen und Herren, ist natürlich auch ein bisschen Kritik erlaubt. In der „Pressestunde“ vom 23. Februar – das hat mir nicht so gut gefal­len – hat Herr Präsident Dr. Fiedler gemeint, man könnte die Zahl der Abgeordneten dieses Hauses reduzieren, und zwar auf 150. (Abg. Mag. Mainoni: Das glaube ich, dass Ihnen das nicht gefallen hat!) Prinzipiell habe ich kein Problem damit, glaube aber, man sollte dann schon dazusagen, dass sich die Bundesregierung vergrößert hat, und zwar um zwei Staatssekretäre, so nach dem Motto: „Bring your family!“, um viel­leicht den einen oder anderen Kritiker ruhigzustellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Bei dieser Gelegenheit müsste man Herrn Bundeskanzler Schüssel auf etwas auf­merk­sam machen, dass nämlich ein Kritiker, eben der Herr Landeshauptmann Pröll, zurzeit gefährlich leise ist, hingegen ein anderer Kritiker, nämlich Herr Dr. Haider, zur­zeit sehr, sehr laut ist. – Aber der Herr Bundeskanzler wird dazu sicherlich auch seine eigenen Interpretationen haben, wie er ja auch dem „Kurier“ vom 7. März gegenüber gemeint hat – das ist wirklich interessant –: „Sparen auch bei der Regierung“. – Na, das ist ein schönes „Sparen“: plus zwei Staatssekretäre! Dafür können sich die Steu­erzahlerIn­nen beim Herrn Bundeskanzler bedanken! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeord­neten der Grünen.)

Insgesamt, meine Damen und Herren, sollte man Legislative und Kontrolle stärken – und das ist ja ganz wichtig gerade bei einer Bundesregierung, die zig Millionen Euro für Selbstbeweihräucherung und Eigenwerbung ausgibt.


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Laut Bundesvoranschlag kostet der Rechnungshof insgesamt 24 Millionen €, und ich glaube, wenn man so viel Geld ausgibt, und das zu Recht, für eine Kontrollorganisati­on, dann sollte man aber auch dem Rechnungshof Gehör schenken, was den Ab­schluss des größten Rüstungsgeschäftes der Zweiten Republik, was die Abfangjäger­vergabe betrifft.

Ihr ohnehin schwaches Argument, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, das Sie in den letzten Tagen immer gebracht haben, dass der Rechnungshof nur ex post prüfe, weil de facto ja längst die Entscheidung pro Eurofighter gefallen ist, gilt ja seit gestern nicht mehr, haben Sie doch gestern hier die Finanzierung beschlossen – und damit ist eben jetzt eine Ex-post-Prüfung möglich.

Darum möchte ich noch einmal an Sie appellieren – bevor dieser Vertrag jetzt unter­schrieben wird –: Warten Sie doch die paar Tage ab, bis der Rechnungshof seinen Bericht über die Vergabe vorlegt!

Da Sie sich davor so schrauben, Kollege Mainoni, verweise ich auf die „Salzburger Nachrichten“, in denen es heißt: Grassers EADS-Kontakte: krasse Regelwidrigkeit. Finanzminister Grassers Privatverhandlungen mit den Eurofighter-Anbietern, so die „SN“, bieten zumindest eine „seltsame Optik“.

Meine Damen und Herren! In dieser Sache wird ja bald nicht nur der Rechnungshof zuständig sein, sondern noch ganz, ganz andere Institutionen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Murauer: Die Staatsanwaltschaft hat zu­rückgelegt ...!)

12.31

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Kollegin Dr. Brinek. – Bitte.

 


12.31

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohe Repräsentanten der Obersten Organe! Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Kunst und Kultur zurückkommen. Beginnen möchte ich mit einem bekannten Satz, nämlich:

Ein Großteil dessen, was wir heute als Kunst bezeichnen, wurde weder damals, als sie geschaffen wurde, noch heute als Kunst bezeichnet: weder von den Experten noch vom Publikum.

Das heißt, über Kunst, das heißt, was Kunst ist und wo Schwerpunkte zu setzen sind, wurde und wird immer diskutiert. Das ist gut so, weil diese Diskussion darüber schon Teil von Kunst und Kultur sein kann – wenn sie gut gemacht ist. Wenn sie polemisch, wenn sie dilettantisch ist, dann hat sie mit Kunst nichts zu tun – und im Horizont von Kunst schon überhaupt nicht vertreten zu sein.

Wenn zum Beispiel der Intendant der Wiener Festwochen von „Kulturkrieg“ spricht und sich zum „Kunst-Clausewitz“ aufspielt, wenn 2,7 Prozent der Bundesmittel an – wie hat das Hans Haider genannt? – „gewohnheitsmäßiger Förderung“ ausgesetzt werden, und wenn er, Bondy, da von „Substanzverlust“ spricht, dann steht seine Kritik auf tö­nernen Füßen, denn das hat mit Kunst und Kunstkritik überhaupt nichts zu tun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich, meine Damen und Herren, ist es in der Tat so, dass man über die Höhe die­ses Betrages ein wenig spotten kann, wie das Sven Gächter gemacht hat – Franz Morak hat Gächter zitiert, das sage ich gerne in Richtung „Kurier“ –, dass das die „Pro­secco-Kosten“ sind. Dass beziehungsweise ob der Prosecco gesponsert ist, das war eine „Nachreichung“ von Bondy.


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Übrigens zur Erinnerung: Auch Wien stoppt die Basisförderung für „basis wien“ und geht zur Projektförderung über. Also Wien, Mailath-Pokorny, folgt dem Beispiel Morak. Noch eine kleine Anmerkung. Auch das DEPOT weiß, dass die 15 000 € die erste Tranche sind und von Gefährdung daher keine Rede sein kann. Das wurde im Brief an DEPOT auch mitgeteilt, meine Damen und Herren. Geschätzte Frau Kollegin Gla­wischnig, lassen Sie sich die ganze Wahrheit sagen! (Abg. Mag. Weinzinger: Aber nicht von Ihnen!)

Höchst problematisch wird es allerdings – um bei den Wiener Festwochen zu blei-
ben –, wenn sich in Kunst- und Kulturpolitik dilettantische Sozialpolitik mischt und wenn die Schauspiel-Direktorin zur Pensionsreform Stellung nimmt. Das kann sie vielleicht in einem Kommentar oder in einer Zeitungsglosse tun, aber bitte ihre Ergüsse nicht den Programmzeitschriften, Programmheften beizulegen, quasi nach dem Motto: Jetzt kommt die wirkliche inhaltliche Mitteilung!

Die Schauspiel-Direktorin schreibt zum Beispiel, Rentengeher müssten nach dieser Pensionsreform mit Versorgungslücken bis zu 70 000 € – in welchem Zeitraum, sagt sie nicht – rechnen.

Dazu kann ich nur sagen: blamabel, blamabel, Frau Direktorin! So kann Kulturpolitik nicht gemacht werden – und so etwas hat in Programmheften der Wiener Festwochen-Veranstaltungen schon gar nichts zu suchen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass für die Wiener Festwochen Handlungsbe­darf genug besteht. Nehmen Sie nur den Rechnungshofbericht – und damit sind wir wieder bei den 2,7 Prozent Bundesförderung. Laut Bericht wird schon für die Zusatz­pensionsausgaben von zwei Personen im Jahr so viel zurückgelegt, wie die ganze Bundesförderung beträgt. Der Rechnungshof hat massiv Kritik daran geübt.

Herr Kollege Kräuter, nehmen Sie den Rechnungshofbericht von Seite 1 bis zur letzten Seite ernst, wenn Sie schon daraus zitieren!

Meine Damen und Herren! Mit „Kunstqualität“ und mit dem Ausrufen des „Kunstkrie­ges“, mit „Substanzverlust“ hat das wirklich nichts zu tun, Frau Kollegin Glawischnig! Ich hoffe doch nicht, in der Kritik an Intendanten Vuckovic der „Diagonale“ so etwas wie die Forcierung xenophobischer Attitüden gemerkt zu haben! Was haben Redakteure, was haben Reporter, was haben Journalisten gegen diese Berufung gesagt – wo das doch jemand überaus Qualifizierter ist und die Vorgänger entweder nicht mehr zur Ver­fügung standen oder lange Jahre dort im guten Schaffen gewirkt haben?! – Dazu möchte ich nur den Filmschaffenden-Chef Kurt Mayer zitieren.

Natürlich, geschätzte Frau Kollegin Glawischnig, gibt es in diesem Budget Kürzungen, Akzentverschiebungen und Steigerungen. Das ist das, was ich vorhin gesagt habe, wenn über Kunstpolitik gesprochen wird. Und ich meine auch, dass Sie es sich nicht zu leicht machen sollten. Wie haben Sie sinngemäß gesagt? Fackeln Sie nicht wegen ein paar hundert Millionen Euro herum, sondern geben Sie diese einfach an jene, die es brauchen!

Ich bin sehr dafür, dass wir über jede Kommastelle, über jeden Euro, über jede Million Euro sehr genau hier diskutieren – und nicht leichtfertig mit Steuergeldern um uns schmeißen! (Abg. Dr. Glawischnig: Es geht um die Vorgangsweise!) War das ein Missverständnis? – Das Geld solle man lockerer ausgeben, das war doch sinngemäß Ihr Tenor. (Abg. Dr. Glawischnig: Nein!)

Ich bin dafür, dass wir es so machen, wie es Staatssekretär Morak macht: Schwer­punkte setzen, Akzentverschiebung, Neustrukturierung in Inhalt und Form. Damit kann maßvoll mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen und Kunst- und Kulturqualität


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hoch gehalten werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

 


12.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Brosz. Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


12.37

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nachdem ich heute schon zwei Mal das Vergnügen hatte, tatsächliche Berichti­gungen zum Thema Bildungsbudget und generell zur Budgetpolitik der Regierung zu machen, möchte ich darauf jetzt noch einmal eingehen. Es war schon bemerkenswert, dass die Reaktion des Finanzministers Grasser auf die Kritik an seiner Budgetrede war, dass seine Zahlen interpretationsbedürftig wären. Das hat er dann selbst zugege­ben.

Und heute fängt das gleiche Spiel wieder von vorne an, und da kann man sich wirklich nur wundern, wie unseriös über Budgetpolitik gesprochen wird, wenn man im Hinter­grund dann wieder hört, das stimme nach den Zahlen ohnehin. – Dazu muss man sa­gen: Wenn man sich Budgets anschaut, dann muss man sich auch die Substanz an­schauen!

Da gilt – und das möchte ich hier auch noch einmal für die Debatte festhalten – insbe­sondere das nicht, was Sie von ÖVP und FPÖ hier immer verkünden, nämlich Schwer­punktsetzungen im Bildungsbereich, im Entwicklungsbereich, im Forschungsbereich. Die sind in dem Maße, wie Sie das vorgeben, einfach nicht zu finden.

Die Vorgangsweise von Finanzminister Grasser ist schon frappierend. Mir kommt das so vor, wie wenn ein Unternehmen – Kollege Wattaul sitzt hier vorne; vielleicht können wir das dann diskutieren – Finanzprobleme hat, zwischenzeitig zur Bank geht, dort Geld aufnimmt, weil es eben Finanzprobleme gibt, auf der anderen Seite jedoch ver­schweigt, dass damit die Verbindlichkeiten steigen! – So kann man ein Budget nicht machen! Da muss man ja wohl sagen, wenn es Einnahmen und Ausgaben, wenn es Gegenrechnungen gibt: Was ist da, was verbessert die Situation reell, und was ist das, was durch Bilanzverlängerung oder durch andere Finanzierungsformen entsteht? Das ist es, was wir dem Finanzminister seit langem ankreiden, dass er sehr trickreiche Budgets erstellt.

Die Tricks sind das eine Kapitel, aber das hat schon auch konkrete Auswirkungen. Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer ist jetzt leider nicht mehr da. – Zu behaupten, wir würden Äpfel mit Birnen vergleichen und die Budgets stimmen, man dürfe nur den Voranschlag vergleichen und nicht das Ergebnis, dazu bringe ich Ihnen ein Beispiel.

Im Budgetausschuss machten Sie auch noch ganz stolz den Vermerk, dass bei den Alternativschulen die Budgets aufgefettet worden sind, durch Umschichtungen nämlich, und zwar erhöht auf das Fünffache – und das ist ja nicht wenig, nur: Das Problem ist, dass es, wenn es nicht im Budget steht, auch keinen Anspruch gibt. Da steht drinnen: 75 000 €, sie bekommen jedoch 350 000 €, jährlich neu zu entscheiden. Das Problem ist nur: Die Organisationen, in dem Fall die Alternativschulen, können sich nicht darauf verlassen. Sie erfahren während des Jahres, ob sie das bekommen oder nicht. Das bedeutet natürlich eine massive Verunsicherung! Und so lässt sich auch keine Planung machen! (Beifall bei den Grünen.)

So einfach ist das nicht. Da stehen schon wirkliche Interessen dahinter, und ich glaube daher, dass man mit Budgetpolitik und mit Sicherheiten seriöser umgehen sollte, als Sie hier das tun.


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Staatssekretär Schweitzer, dessen Kapitel ja hier auch abgehandelt wird, ist heute lei­der nicht da. Dabei hätte ich ein paar positive Dinge zu ihm sagen können, aber ich mache es trotzdem: Ich finde, dass das, was sich im Bereich der Sportförderung, ins­besondere in diesen zwei Budgets tut, durchaus interessant ist, besonders der Aspekt, dass erstmalig die Dotierung für die bestehenden Strukturen nicht eins zu eins erhöht wird, sondern Schwerpunkte gesetzt werden, insbesondere im Behindertensport, im Gesetz steht, auch im Bereich von Frauensportförderung, was wir auch sehr begrüßen. Ob das dann eingehalten wird oder nicht, werden wir auch noch sehen, aber zumindest die Vorgabe ist da. Das ist begrüßenswert, auch wenn das heißt, dass bestehende Organisationen, Dachverbände, die Fachverbände, also alle, die bislang Geld bekom­men haben, nicht im gleichen Ausmaß mehr dazu bekommen. Aber dazu stehen wir, dass es hier Schwerpunktsetzungen geben soll.

Ich finde, dass die bisherige Tätigkeit des Sportstaatssekretärs durchaus einige erfri­schende Aspekte mit sich gebracht hat, dass er zumindest versucht, an bestehenden Strukturen zu rütteln. Wie dieses Rütteln enden wird, ist ein anderes Kapitel. Wir wer­den dann sehen, ob ihm etwas auf den Kopf fällt, was von oben kommt, wenn man rüttelt, oder ob er wirklich etwas umsetzen kann. Ich kann ihm da nur einiges an Durch­setzungsfähigkeit wünschen.

Ich glaube, dass es insbesondere im Bereich der Sportförderung wirklich angesagt ist, nicht einfach eins zu eins das zu machen, was man bereits die letzten Jahrzehnte – fast hätte ich gesagt: Jahrhunderte – gemacht hat. Er hat mich ja selbst darüber aufge­klärt, dass das Zielfischen auf dem Land, also das Casting, in der Bundessportförde­rung erfasst ist. Ich war völlig verblüfft, dass es diesen Sport gibt. Man angelt also nicht im Wasser, sondern auf einer Wiese, und dafür gibt es Fördermaßnahmen und Förde­rungen.

Da denke ich mir, irgendwo gibt es neue Schwerpunktsetzungen, über die man auch nachdenken könnte, und da fiele mir auch anderes ein, wofür man das Geld verwen­den könnte. Wenn er da etwas erreicht, soll er unsere Unterstützung dabei haben. (Beifall bei den Grünen.)

12.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mainoni. Er hat das Wort.

 


12.42

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Volksanwalt, ich darf mich zuerst einmal bei der Volksanwaltschaft sehr herzlich bedanken. Gerade für uns Nationalratsabgeordne­te, die wir doch eine Reihe von Interventionen bekommen, ist die Volksanwaltschaft eine sehr bekannte, beliebte und vor allem sehr effiziente Anlaufstelle im Falle von Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger, die die Volksanwälte auch entsprechend be­handeln und lösen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn ich die Abgeordneten der SPÖ zum Thema Budget reden höre, fällt mir natürlich immer einiges ein. Ich erinnere mich an die letzten Wochen der Regierung Rot-Schwarz, an Herrn Finanzminister Edlinger, der, weil das Budget völlig außer Rand und Band geraten ist, gesagt hat: Es gibt noch ein Nettodefizit von – damals – 20 Mil­liarden Schilling. Man wusste nicht so recht, was mit dem Ausdruck „Nettodefizit“ ge­meint war.

Lieber Günter Stummvoll, du wirst dich noch erinnern können: Das Nettodefizit war über die normale Verschuldung hinausgehend, unter Einhaltung der Maastricht-Krite-


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rien, darüber hinaus haben noch 20 Milliarden gefehlt. Das heißt also, die SPÖ kam mit dem Budget überhaupt nicht zu Rande.

Ich kann mich an Lore Hostasch erinnern, die gesagt hat: Es gibt kein Loch bei der Finanzierung der Sozialversicherungen. Nach der Wahl war es dann so weit: 6 Milliar­den Schilling, musste man zugeben, fehlen.

Ich kann mich aber auch an die siebziger und achtziger Jahre erinnern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ – es sind nur mehr wenige von damals heute hier herinnen –, in denen die Verstaatlichte durchfinanziert wurde, um letztendlich dann trotzdem sämtliche Arbeitsplätze dort aufgeben zu müssen. Eine völlige Fehlentwick­lung, Sünden, die wir jetzt alle zurückzahlen müssen! Das sind nämlich die ersten Schritte der Staatsverschuldung in den siebziger Jahren gewesen. Bruno Kreisky mag als Außenpolitiker für Österreich eine wichtige Rolle gespielt haben, aber wirtschafts­politisch und finanzpolitisch war diese Zeit eine Katastrophe. Damals hat das Schul­denmachen begonnen.

Nur zur Erinnerung: Bruno Kreisky hat den sehr populären Ausdruck geprägt: „Mir sind ein paar hundert Millionen Schulden lieber als ein paar hundert Arbeitslose.“ – Ja, das klingt populär, das war aber der Anfang dieses Schuldenbergs, der letztendlich ge­macht wurde. Er hat nämlich nur die Hälfte der Thesen von John Maynard Keynes ver­folgt, nämlich das antizyklische Verhalten des Staates bei seinen Ausgaben. In Zeiten der wirtschaftlichen Rezession sollte der Staat natürlich ausgeben, aber in Zeiten, in denen die Wirtschaft floriert, müsste der Staat ja wieder sparen. – Das hat die SPÖ nicht geschafft, das war der Grundstein für diese Verschuldung. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Ich komme aber doch noch zum konkreten Thema: Budget Oberste Organe. Da gibt es eine Budgetpostenüberschreitung in den Jahren 2001 und 2002 von einer Person, die quasi über der Straße, also auf der anderen Seite des Ringes residiert, vom Obersten Organ, vom „Ersatzkaiser in der Hofburg“ – so „Die Ganze Woche“ –, vom Herrn Bun­despräsidenten. Er, der Herr Bundespräsident, der in Reden ja so oft die vorausbli­ckende Vorsorge im Staatshaushalt einmahnt – ich kann mich an seine Worte erin­nern –, schlägt finanziell selbst beachtlich über die Stränge. Das Staatsoberhaupt braucht immerhin vier Dienstwägen und vier Chauffeure. Zum Vergleich: Der Herr Bundeskanzler hat einen Dienstwagen und einen Chauffeur; man mag sich darauf seinen Reim bilden.

Im Jahr 2001 gab es bereits eine Budgetüberschreitung von insgesamt 1 Million €. Da­mals war ja der so genannte Reisekrieg ausgebrochen. Zur Erinnerung: Der Reise­krieg spielte sich derart ab, dass der Herr Bundespräsident samt Gattin gegen die Au­ßen­ministerin auf Auslandsreisen war, und jeder versuchte, die besten Destinationen zu bekommen. Das hat sich mit 1 Million € Überschreitung zu Buche geschlagen; die­ses Jahr waren es 620 000 €. Er ist stets im Privatjet unterwegs, auch auf Fahrten zwi­schen Wien, Linz und Salzburg mit dem Privatjet unterwegs, um – nach Eigendefiniti­on – dem Termindruck nicht ausgesetzt zu sein. Repräsentationsausgaben von insge­samt 1,6 Millionen € für das Jahr 2002 statt der veranschlagten 450 000 € – das ist schon eine beachtliche Überschreitung.

Ich bin der Ansicht, das Staatsoberhaupt sollte Vorbild für Österreich sein; es sollte aber auch ein Vorbild hinsichtlich Spargesinnung sein. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Muttonen. – Bitte, Frau Kollegin.

 



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22. Sitzung / Seite 68

12.47

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! – Er ist verschwunden. Es ist niemand mehr da, das finde ich beachtlich, da wir doch zum Kapitel Kunst sprechen. Meine Damen und Herren! Nun liegt mir also diese Vorstellung der Regierungsparteien und des Herrn Staatssekretärs zu Kunst und Kultur in Zahlen gegossen vor, und das lässt mich zu folgenden Schlüssen kommen. Herr Staatssekretär, wo immer Sie sind (Staatssekretär Morak: Hinter Ihnen!), ich fürchte, das wird nicht Ihrem Wunschdenken entsprechen.

Zum Beispiel kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei den Verhandlun­gen über die Budgets 2003 und 2004 Kunst- und Kulturpolitik wieder einmal kein The­ma gewesen ist. Das Kunstbudget tümpelt weiter dahin. Die Förderungsmittel haben für die kommenden Jahre eindeutig den Stand von 1999 nicht erreicht, und das ist wirklich kein Grund für irgendeine Art von Selbstzufriedenheit, Herr Staatssekretär und meine Damen und Herren von den Regierungsparteien. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist bekannt, dass Budgets gute Gradmesser für die Wichtigkeit, die einem Bereich zugestanden werden, sind. Demnach hat man den Eindruck, dass dieser Bereich, also Kunst und Kultur, für Sie nicht wirklich wichtig ist.

Empörend und unnotwendig ist aber auch, dass Sie noch einen Schritt weiter gehen und zahlreiche Vertreter und Vertreterinnen der Kunst- und Kulturszene zusätzlich brüskieren und schikanieren. (Abg. Dipl.-Ing. Regler: Wer schikaniert?)

Frau Kollegin Brinek – ich sehe Sie jetzt im Moment nicht –, Sie verurteilen das Wort „Kulturkrieg“. Nehmen wir an, das ist B in einer Abfolge, dann frage ich mich: Was war A? Und ich kann Ihnen sagen, was davor gekommen ist: Davor ist ein Überfall ge­kommen, nämlich eine überfallsartige Streichung der Subventionen am ersten Tag der Wiener Festwochen, ohne Vorwarnung, für diese jetzt laufende Periode. Und das ist nicht gerade die feine Art, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es hat noch mehrere symbolische Handlungen in diese Richtungen gegeben. Die Bei­spiele sind bekannt: die Kürzungen bei kritischen Kunst- und Kulturschaffenden, die Demontage der Leitung der Grazer Diagonale, Festwochen-Subventionskürzungen und aktuelle Umverteilungsdiskussionen. (Abg. Dr. Brinek: Vertrag ausgelaufen, nicht Demontage!)

Im Rahmen dieses Kapitels wird ja auch über Sport diskutiert, also passt das ganz gut hier her. Diese Umverteilungsdiskussion wird von Beobachtern als Match gewertet, als Match zwischen Ihnen und dem Roten Wien. So wird das allgemein eingestuft.

Außerdem halte ich diese Umverteilungsdebatte für ein Ablenkungsmanöver. Die Tak­tik dürfte sein, möglichst viel Staub aufzuwirbeln, um dahinter zu verstecken, dass die Kunst der Regierung eben sehr wenig wert ist.

Die von der Regierung ausgelöste Kulturkrise geht mittlerweile wirklich an die Funda­mente, das offene kulturelle Klima ist gestört und vergiftet, Kleingeist und Revanchis­mus sind spürbar. (Abg. Großruck: Die Staatskünstler!) Die Wichtigkeit einer kulturel­len Grundversorgung der Zivilgesellschaft ist für Sie offensichtlich nicht einsehbar. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Das redet ihr euch ein!)

Die Resignation unter den Künstlerinnen und Künstlern ist dementsprechend groß. Ihre restriktive Förderungspolitik zwingt die Kreativen und KünstlerInnen, sich mit der Siche­rung ihrer bloßen Existenz zu beschäftigen und nicht so sehr mit ihrem kreativen Po­tential, wodurch für Österreich sehr viel verloren geht.

Auf Förderzusagen oder die Auszahlung von Mitteln müssen Kulturinitiativen monate­lang warten. Davon sind nicht nur Einzelfälle betroffen. Zum Beispiel ist es so, dass jetzt im Juni 2003 einige der Initiativen noch immer nicht wissen, ob sie die Mitarbeiter


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und Mitarbeiterinnen bezahlen können, die sie 2003 schon in dieser Zeit beschäftigt haben. Und das ist unzumutbar, meine Damen und Herren, das ist einer Kulturnation unwürdig. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eine Frage habe ich noch an Sie, Herr Staatssekretär. Ihr Bekenntnis zum österreichi­schen künstlerischen Film und seiner Förderung, das Sie ja heute hier abgelegt haben und auch bei der Enquete vor einem Jahr, ist offensichtlich noch aufrecht, wenn ich das richtig verstanden habe. Und da möchte ich dazusagen – Sie haben Cannes er­wähnt, Sie haben Venedig erwähnt –: Sie wissen sehr genau, dass der Film einen sehr langen Vorlauf hat und dass die Filmförderung, wie sie bis zum Jahr 2000 bestanden hat, wesentlich dazu beigetragen hat.

Gerüchteweise wird hinter verschlossenen Türen – das scheint Ihre Spezialität zu sein – ein tief gehender Umbau der österreichischen Filmförderung vorbereitet, und da möchte ich schon gerne wissen: Wann wird diese Novelle zur Filmförderung zu begut­achten sein? Was ist ihr Inhalt? Ich hoffe sehr, dass zumindest in diesem Fall die Be­troffenen beteiligt werden, denn das wäre schon sehr wichtig, sonst werden, um in der kriegerischen Sprache der ÖVP zu bleiben, solche Schnellschüsse und Trägerraketen produziert, wo niemand der Betroffenen beteiligt ist, wie das zum Beispiel auch beim Fernsehfilmfonds der Fall war. Die Betroffenen waren nicht eingeladen. Übrigens hat der Rechnungshof darauf hingewiesen, dass es doch sehr empfehlenswert wäre, die­sen Bereich zur Aufgabe des Österreichischen Filminstituts zu machen.

Meine Damen und Herren! Die Regierung hat sich im Jahr 2000, genau am 4. Februar, aus der Kunst- und Kulturpolitik verabschiedet. Heute, drei Jahre später, hat sie diese Bühne noch immer nicht betreten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

12.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Ell­mauer zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.54

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Mitglie­der der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Ein ausgeglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus hinaus kennzeichnet die budgetpolitische Leitlinie der Bundesregierung und spiegelt sich im Budget 2003 und 2004 wider.

Mit dem Doppelbudget für die Jahre 2003/2004 setzt die Bundesregierung ihren erfolg­reichen Stabilitätskurs fort. Der Entwurf für den Bundesvoranschlag 2003 sieht Ein­nahmen in Höhe von 57,5 Milliarden € und Ausgaben in Höhe von 61,5 Milliarden € vor. 2004 sind Ausgaben von 59,14 Milliarden € und Einnahmen von 62,57 Milliarden € vorgesehen.

Auch um die Erfüllung der Maastricht-Kriterien müssen wir nicht bangen. Anders als die Bundesrepublik Deutschland oder Frankreich werden wir die Defizitgrenze bei wei­tem nicht erreichen.

Die zukunftsorientierten Ausgaben für Ausbildung, Forschung und Infrastruktur wurden erhöht, um unsere Spitzenposition in der Europäischen Union zu festigen. Gerade die Steigerung des Forschungsfreibetrages auf 15 Prozent ist eine wichtige Maßnahme, Österreich ist ein wichtiger Forschungsstandort. Ein Beispiel: Wien ist im internationa­len Vergleich im Bereich der biologischen und medizinischen Forschung unter den Besten der Welt. Dies wird auch künftig mit den Mitteln der Österreich-Stiftung von der Oesterreichischen Nationalbank fortgesetzt werden. Forschung und Entwicklung sind uns wichtig! (Abg. Gradwohl – in Richtung ÖVP –: Applaus!)


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Besonderes Augenmerk habe ich als Menschenrechtssprecher dem Bereich der Volks­gruppen und unseren behinderten Menschen gewidmet. Ich meine, man erkennt die Qualität einer Gesellschaft am sozialen Umgang mit ihren Minderheiten bezie­hungs­weise benachteiligten und behinderten Mitbürgern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Auch in diesem Bereich ist Österreich wie in so vielen in der Europäischen Union im Spitzenfeld angesiedelt. Die Volksgruppenförderung bleibt gleich, kein Cent weniger wird für die Förderung der Volksgruppen ausgegeben. Im Gegenteil: Es ist uns in der vergangenen Legislaturperiode gelungen, die Volksgruppen als Staatszielbestimmung zu verankern. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir bekennen uns damit zu den Volksgruppen, wir leisten unseren Beitrag, um deren Sprache, Kultur und Bestand zu sichern und zu fördern. Mir persönlich ist es ein be­sonderes Anliegen, dass diese Kultur des Miteinander auch weiterhin in voller Vielfalt erhalten bleibt.

Die Volksgruppen sind eine wesentliche Bereicherung Österreichs. Oft werden wir dar­um beneidet. Jetzt, vor der EU-Erweiterung, können wir von unserer Lage im Herzen Europas, von der offenen Kultur und von dem Respekt gegenüber den anderen nur profitieren. Unsere traditionell guten Beziehungen zu den Nachbarn werden uns dabei besonders hilfreich sein. Zu diesen guten Beziehungen haben auch die Volksgruppen in Österreich einen großen Beitrag geleistet. Mit 3,7 Millionen € ist die Förderung für die Volksgruppen auch im Budget 2003 und 2004 enthalten. Die notwendigen Mittel sind nun festgeschrieben, und deren Aufteilung kann beginnen.

Aber gerade zu dieser Aufteilung möchte ich ein paar Worte verlieren. In Österreich gibt es unter anderem etwa drei gleich große Volksgruppen: Slowenen, Ungarn, Kroa­ten. Slowenen und Kroaten bekamen im Jahr 2002 jeweils zirka 1,1 Millionen € an För­derung, die Ungarn, deren Zahl jene der Slowenen und Kroaten ein bisschen über­steigt, nur etwa 300 000 €, obwohl gerade die Arbeit der ungarischen Volksgruppe – diese ist infolge der Siedlungsstruktur über das ganze Bundesland verstreut – sehr schwierig ist.

Ich appelliere deshalb an die verantwortlichen Beamten, diese besondere Erschwernis bei der Förderung zu berücksichtigen, oder noch besser: Wir, der Nationalrat, werden ein eigenes Förderungsszenario schaffen.

Eine gerechte Behandlung und Förderung von Behinderten sind der Bundesregierung und mir ein besonderes Anliegen. Es ist mir wichtig, dass die Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderung auch heuer fortgesetzt werden kann. Die neuerliche Budgetierung mit 72 Millionen € ist gesichert. Alle Menschen haben ein Recht auf einen Arbeitsplatz, und es liegt in unserer Verantwortung, den behinderten Mitbürgern die ihnen gebührende Unterstützung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.59

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

 


12.59

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren – auch auf der Regierungsbank! Es muss irgendwo einen Textgenerator geben, wo, weiß ich noch nicht, aber in den Reihen der Regierungsparteien mehren sich die Anzeichen, dass Sie mit einem sehr guten Textgenerator ihre Reden bestrei­ten. Man mische die Worte „verantwortungsvoll“, „Entwicklung“, „Kurs“, „Budget“ und „Defizit“ und konstruiere daraus die Budgetrede. (Abg. Dr. Fekter: „Kompetenz“!)


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Ich habe jetzt von Ihnen gehört: „verantwortungsvolle Entwicklung“, „verantwortungs­voller Kurs“, „verantwortungsvolles Budget“ und „verantwortungsvolles Defizit“. Das lässt sich kombinieren mit „verantwortungsvoller Budgetkurs“, „verantwortungsvolle Defizitentwicklung“ und noch weiteren Variationen.

Es ist wunderbar, man braucht eigentlich nicht teilzunehmen an der Debatte. Ich war jetzt ganz kurz draußen und habe mir gedacht, wenn ich wieder hereinkomme, höre ich das, bunt durcheinandergemischt, mit denselben Textbausteinen von Entwicklung, Kurs, Budget und Defizit in ähnlichen Variationen. Grenzgenial! Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Stummvoll: Bis jetzt haben Sie auch nichts anderes gesagt!)

Ich finde es nur ein bisschen gemein Ihnen gegenüber, dass allein der Finanzminister das Recht hat, die Texte aus der Werbebranche dazumischen zu dürfen. Das finde ich gemein. Da sollten Sie wirklich noch Anstrengungen unternehmen, auch in Ihrem Text­generator „Oh it’s a Feh, oh it’s a Budget!“ hinzumischen zu dürfen. (Abg. Dr. Brinek: Das ist um 15 Uhr dran! – Abg. Freund: Kommt jetzt nichts anderes mehr?)

Es ist spannend, aber die Spannung hat auch ihre Grenzen, etwa dort, wo wir bei­spielsweise darüber diskutieren sollten – und einige der Redner und Rednerinnen ha­ben das versucht –, warum ausgerechnet im Budgetjahr 2002 die großen Diskrepan­zen zwischen dem Voranschlag und dem Budgetergebnis auftauchen. Was war die Ursache dafür, dass es diese großen, teilweise wirklich erstaunlichen Diskrepanzen im Voranschlag und dann im Budgeterfolg gegeben hat? (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es gibt keine andere Auflösung – das fällt doch auf: wenn man einzelne Budgetkapitel anschaut, dann sieht man, das geht ordentlich auseinander; Kollege Wattaul lauscht schon ganz interessiert –, als dass man versucht hat, ein Nulldefizit zu konstruieren, das es dann tatsächlich nicht gegeben hat. Herr Kollege Wattaul, versuchen Sie es! Gehen Sie die Kapitel einzeln durch! Schauen Sie sich das Jahr 2002 an, und Sie wer­den bemerken, dass das gerade im Jahr 2002 auffallend ist.

Kollegin Sburny hat die Kritik dann noch ausgeweitet, weil es generell in einzelnen Be­reichen zwischen Voranschlag und Budget ordentlich auseinanderklafft. Aber was das Jahr 2002 betrifft, ist es schon sehr erstaunlich, dass Sie ausgerechnet in diesem Jahr offensichtlich nicht verantwortungsvoll genug waren, jenseits des Textgenerators die Budgetplanung und den Budgeterfolg so einzuhalten und zu kontrollieren, wie es eigentlich notwendig gewesen wäre. (Beifall bei den Grünen.)

Zwei Anmerkungen noch. Es trifft sich gut, Herr Staatssekretär, dass Sie jetzt hinter mir sitzen. Ich kann eigentlich das, was Kollegin Muttonen an Kritik geäußert hat, nur an Sie weitergeben. Ich finde es erstaunlich, dass Sie eine Debatte losgetreten haben, die, obwohl scheinbar auf einem bestimmten Niveau liegend, dennoch die Urinstinkte in Österreich anspricht. Stichwort „Oberzeiringer Shakespeare“. Ich bin nicht dagegen, dass Shakespeare in Oberzeiring oder sonst wo gut gespielt wird, aber Oberzeiring bewusst gegen eine sich hauptsächlich im urbanen Bereich formierende Kunst- und Kulturszene zu instrumentalisieren, das halte ich für bedenklich, meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Meinungsfreiheit haben wir aber schon noch!)

Wenn man andererseits – jenseits dessen, was rund um die Wiener Festwochen pas­siert ist – weiß, dass das Problem, das der Herr Staatssekretär offensichtlich mit der Kulturszene in Wien hat (Widerspruch bei der ÖVP), sich auch darin niederschlägt, dass die Kultur- und Kunstszene teilweise ein halbes bis dreiviertel Jahr warten muss (Abg. Dr. Brinek: Das ist doch bei der Wiener Förderung dasselbe!), ehe sie die Mittel aus dem laufenden Budget erhält, weil diese Mittel so lange zurückgehalten werden, und jedes Jahr gesagt wird, das geht nicht, das geht nicht ... (Staatssekretär Morak:


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Das geht auch nicht! Wir beschließen jetzt erst das Budget! – Abg. Dr. Brinek: Das ist bei der Wiener Förderung genauso!)

Wir behandeln heute das Budget, aber Sie haben ja vorher ein provisorisches Budget gehabt. Aber nein, die Kulturinitiativen, viele Initiativen haben bis heute das Geld noch nicht erhalten. Das wissen Sie genauso gut wie ich. (Abg. Dr. Brinek: Aber sie haben schriftliche Nachrichten erhalten!)

Sie sollten daher nicht auf der einen Seite auf das Budget verweisen, das heute erst beschlossen wird, wenn Sie gleichzeitig zugeben, dass sie das Geld auf Grund des provisorischen Budgets ohnehin schon bekommen hätten können. Verwickeln Sie sich bitte nicht in Widersprüche!

Der Punkt ist doch der – reden wir doch ganz offen –: Herr Staatssekretär, Sie haben offensichtlich kein geklärtes Verhältnis zur Kulturszene, auch nicht zur Kritik an Ihrer Person. Ich verstehe schon, dass es nicht leicht ist, als Kunststaatssekretär mit einer äußerst misstrauischen – auch Ihnen als Person gegenüber misstrauisch, weil Sie selbst aus der Kulturszene, aus der Kunstszene kommen – Szene zurechtzukommen (Abg. Dr. Fekter: Es ist nicht seine Aufgabe, everybody’s Darling zu sein!), aber es kann doch nicht so sein, dass die ganze Kunst- und Kulturszene in Österreich, sofern sie sich im urbanen Raum aufhält, darunter leidet und dass Ihr Problem und Ihre per­sönlichen Beziehungen (Abg. Dr. Fekter: Sie haben ein Problem, er nicht!) – nein, ich habe kein Problem, weder mit dem Staatssekretär noch mit der Kunst- und Kultursze­ne – auf Kosten der Kulturszene ausgetragen werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich merke, das trifft einen wunden Punkt bei Ihnen. (Lebhafter Widerspruch bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Überhaupt nicht!) – Nein, nein, „überhaupt nicht“! (Beifall bei den Grü­nen.)

Eine abschließende Bemerkung. Es ist falsch adressiert, es tut mir Leid, Herr Präsident des Rechnungshofes, ich flüstere Ihnen das sozusagen nur zu. Aber natürlich regt mich auf – da können Sie überhaupt nichts dafür, ich habe es nur bemerkt bei den De­batten um die Politikerbezüge der letzten Tage und Wochen –, dass die Darstellung, was wir für die Ruhebezüge ausgeben, auf Grund der unterschiedlichen Verantwor­tung – einerseits Nationalratspräsident, auf der anderen Seite Bundeskanzleramt –, dass eine Darstellung dessen, was insgesamt in diesem Bereich ausgegeben wird, nur sehr schwer transparent zu bekommen ist.

Wenn man die alten Bezüge der Bundesländer noch dazurechnet, gibt es insgesamt elf Verantwortlichkeiten in diesem Bereich, in einem Bereich, der budgetmäßig nicht mehr sehr viel ausmacht – Gott sei Dank –, jenseits der einzelnen Bezüge.

Aber das war nur so zu Ihnen hin geflüstert, weil natürlich der Rechnungshof die Kon­trolle auszuüben hat, aber es ist unser Problem, das Problem des Nationalrates, wel­che Verantwortlichkeiten er in diesem Bereich beschließt. Und ich meine: Elf verschie­dene Verantwortlichkeiten für die Exekution von Ruhebezügen, von denen zwei auf Bundesebene liegen, das ist zuviel! (Beifall bei den Grünen.)

13.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Rosenkranz. Selbst gewählte Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Frau Abgeordnete, bitte.

 


13.07

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr verehr­ten Herren auf der Regierungsbank! Die Redner der Opposition haben ein düsteres Bild gezeichnet (Abg. Öllinger: Nein, gar nicht!) – nein, Sie haben sich launig unterhal-


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ten –, und was die Politik für Frauen betrifft, da wurden diese Politik und das Budget sogar in Grund und Boden verdammt. (Abg. Öllinger: Das schon!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen der SPÖ, die jetzt nicht sehr zahlreich hier sind, das war schon ein bisschen polemisch. (Abg. Öllinger: Was war polemisch?) Seien Sie ehrlich! Das können Sie so nicht ernst gemeint haben, vor allem dann nicht, wenn Sie sich ein bisschen Ihres Langzeitgedächtnisses bedienen und wenn Sie sich die beiden Budgets vor Augen führen, die Sie als die letzten beiden verantwortet haben.

Ich darf Sie daran erinnern: Da gab es Mitte der neunziger Jahre bereits – in Wort­schöpfungen waren Sie auch nicht ganz faul – so genannte Strukturanpassungsmaß­nahmen – vulgo die beiden Sparpakete, wenn ich erinnern darf; der Volksmund hat sofort und treffend erkannt, worum es hier eigentlich geht –, und das war eigentlich schockierend. Da sind Dinge drinnen gewesen, die hat sich keine Regierung vorher je erlaubt. Dass zum Beispiel die Familienbeihilfe von 1992 an gekürzt worden ist, war für mich damals als jemand, der eben in die Politik eingestiegen ist, völlig überraschend. Ich hätte nicht gedacht, dass man sich das trauen kann.

Es gab den Wegfall der Geburtenbeihilfe. Das war verheerend für die finanzielle Situa­tion der Familien, verheerend aber auch für die Prävention in der Gesundheitspolitik, denn wir wissen mittlerweile, dass sich die Zahl der Untersuchungen von Kleinkindern dadurch um 20 Prozent verringert hat. Das trifft genau die, die es dringend brauchen, weil die Eltern nicht in dem Maße organisiert sind, dass sie das eigenverantwortlich, ohne finanziellen Anreiz machen, genau die, die Sie immer vorgeben, zu vertreten, genau deren Kinder sind dann eben nicht regelmäßig zum Arzt gebracht worden. Das ist etwas, was eindeutig Sie zu verantworten haben und was dem entgegensteht, was Sie rhetorisch immer behaupten.

Die Selbstbehalte bei den Schulbüchern wurden eingeführt – ich kann mich sehr gut daran erinnern, denn am Schulanfang bin ich mit all den Erlagscheinen gar nicht mehr zurechtgekommen. Diese Selbstbehalte haben überhaupt keinen sorgsameren Um­gang mit den Schulbüchern bewirkt, überhaupt nicht, haben aber die Eltern, vor allem zu Schulanfang, massiv belastet.

Es gab weiters Selbstbehalte bei den Schülerfreifahrten, und die Heimfahrtbeihilfe war weg. Es war ein echter familienpolitischer Kahlschlag.

Ich weiß gar nicht, ob Ihre Abgeordnete Prammer damals schon Frauenministerin war. (Abg. Öllinger: In den letzten drei Jahren hat es gar kein Frauenministerium gege­ben! – Abg. Dr. Niederwieser: Sie sollten auch zur ÖVP hinüberschauen! Die war da­mals auch dabei!) – Nein, Sie waren es! Ihr Kanzler, Ihre Frauenministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das möchte ich nicht verantworten müssen. Und eines kann ich Ihnen sagen: Unter freiheitlicher Regierungsbeteiligung wird es zu so etwas mit großer Sicherheit, mit absoluter Sicherheit nicht kommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was mit freiheitlicher Regierungsbeteiligung dann im Jahre 2000 passiert ist, war ein echter Paradigmenwechsel: Das Kindergeld. Damit wurde zum ersten Mal die Leistung der Kindererziehung als eine gesellschaftlich notwendige und deswegen auch materiell zu unterstützende Leistung anerkannt.

Ich kann mich auch gut an die Debatte um das Kindergeld erinnern. Die wohlmeinen­den Kritiker haben damals gesagt: Das wird man sich nie leisten können, völlig un­denkbar, geht nicht! – Ich stelle daher mit großer Befriedigung fest: Das Kindergeld ist im Budget wohl dotiert. Und nicht nur das: Frau Staatssekretärin Haubner, bei der die­se Agenden in guten Händen sind, hat ankündigen können, dass wir mittlerweile auch eine Lösung für Mehrlingsgeburten gefunden haben. Dieses Kindergeld ist also gut dotiert, ist gut budgetiert und wird bleiben.


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Dieser Regierung schlägt nämlich – im Unterschied zu dem, was da irgendwann ein­mal gefallen ist – nicht immer nur eine Welle der Empörung entgegen. Was das Kin­dergeld betrifft, so gab es jedenfalls eine Welle der Zustimmung. Das ist es auch, was man in der Familienpolitik braucht und was man machen muss. (Abg. Dr. Nieder­wieser: Wann ist eigentlich die nächste Nationalratswahl?)

Sie haben das Kindergeld aus ideologischen Überlegungen auch grundsätzlich kriti­siert, schlicht und einfach deswegen, weil Sie der Eigenständigkeit und der Entschei­dungsfähigkeit der Frauen gegenüber ein sehr, sehr großes Misstrauen haben. Sie verdächtigen die Frauen immer, dass sie in Fallen hineintappen, in Babyfallen, Scheck­fallen, sonstige Fallen. Gestehen Sie doch endlich ein, dass es wichtig ist, den Frauen zuzuerkennen, dass sie sich selbst entscheiden können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sind der Meinung, es ist günstig für kleine Kinder, wenn sie in häuslicher Betreuung sind, oft durch die Mütter, manchmal auch durch die Väter. – Sie sind der Meinung, das wäre ungünstig für die Frauen, Kinder seien ein echtes Erwerbshindernis. Probieren wir es einmal dialektisch: Sie haben Ihre Antithese zu unserer These. Probieren wir es einfach aus mit der Synthese und gestehen wir zu, dass wir das mit der Wahlfreiheit lösen können. Und das ist genau das, was mit diesem Kindergeld gelungen ist!

Daher bin ich auch sehr zufrieden und zuversichtlich hinsichtlich der frauen- und famili­enpolitischen Maßnahmen dieser Bundesregierung. Denn was die Frauen brauchen, ist ein nüchterner Blick auf ihre Lebenswirklichkeit, auf ihre Bedürfnisse, ein Blick, der nicht durch ideologische Barrieren verstellt ist. Die daraus resultierende Politik dieser Regierung – davon bin ich überzeugt, und das kann man auch sehr gut im Budget se­hen – wird diese Dinge beherzigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

13.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl 5 Minu­ten zu uns. (Abg. Dr. Fekter: Zu uns auch?) – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.13

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Rosenkranz! Wir werden in der nächsten Debatte ausführlich Gelegenheit haben, uns mit der Familienpolitik auseinander zu setzen. Es stimmt, es hat auch in früheren Phasen, in Phasen, als die SPÖ Regierungsverantwortung getragen hat, Sparpakete gegeben, mit schmerzhaften Maßnahmen. Ich bedauere zum Beispiel nach wie vor, noch heute, den Wegfall der Geburtenbeihilfe. Ich wäre froh, wenn wir die Möglichkeit hätten, sie wieder einzuführen. Ich habe sie immer für eine, auch von der Umverteilung her, sehr wirksame und wichtige Maßnahme gehalten.

Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zu der Politik, die Sie jetzt machen und auch mittragen, Kollegin Rosenkranz: Sie betreiben einen offensiven System­umbau, bei dem der Staat sich Schritt für Schritt aus der Verantwortung zu­rückzieht und verabschiedet (Ruf bei den Freiheitlichen: So ein Blödsinn!), und das ist in einem wesentlich höheren Ausmaß eine sozial unausgewogene Politik, die noch viel an Ver­elendung in diesem Land bringen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Scheuch! Habe ich das Wort „Blöd­sinn“ gehört oder habe ich eine Halluzination gehabt? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Eher Letzteres!) – Ich habe es also nicht gehört. (Abg. Wattaul: Das war ein privates Ge­spräch! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Also das kann ja wirklich nicht ordnungsrufverdächtig sein, wenn man „Blödsinn“ sagt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

 


Bitte fortzusetzen, Frau Abgeordnete.


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Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (fortsetzend): Ich verstehe Ihre Aufregung, aber vielleicht könnten Sie mir Ihre Aufmerksamkeit wieder ein wenig schenken.

Nur noch eine Bemerkung, Frau Kollegin Rosenkranz. Ich bin selbstverständlich nicht der Auffassung, dass Kinder an sich ein Erwerbshindernis – so haben Sie, glaube ich, gesagt – sind. Die Kinder sind das natürlich nicht! Das Erwerbshindernis ist die fehlen­de Infrastruktur, die vorhanden sein müsste, um vor allem den Frauen zu helfen, ihre Kinder gut betreut zu wissen und daneben berufstätig zu sein. Das ist der Punkt, und natürlich nicht die Kinder an sich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Herr Staatssekretär Morak, in Ihrer Auseinandersetzung mit der Wiener Kulturszene arbeiten Sie seit Wochen mit sehr eigenwilligen Zahlen. Wir sagen es Ihnen immer wieder – und Sie wissen es ja mittlerweile, Sie tun es bewusst –: Die Aufteilung der Mittel nach Bundesländern, die Sie zitieren, ergibt sich daraus, dass die Zuordnung schlicht und einfach danach erfolgt, in welchem Bundesland die Adresse liegt, wo der Betreffende sein Ansuchen stellt oder wo das Bankinstitut ist. – Das kann doch keine Grundlage für eine kulturpolitische Maßnahme sein!

Wenn Sie diese Zahlen bereinigen, dann stellt sich heraus, dass das ganz anders aus­schaut. Sie kennen die Zahlen vermutlich mindestens so gut wie ich. Wenn Sie zum Beispiel das, was Sie Wien zurechnen, um diverse Biennale-Beiträge bereinigen, die in der Summe dann 1 Million € ergeben, oder wenn Sie sie bereinigen – ich zitiere jetzt eine zweite Zahl – um die Subventionen von ungefähr 10 Millionen €, die das Österrei­chische Filminstitut bekommt, dann schaut die Sache ganz anders aus und dann ist es natürlich so, dass man Wien direkt viel, viel weniger zurechnen muss.

Selbstverständlich muss Wien auch in der Kulturpolitik eine Hauptstadtfunktion wahr­nehmen (Abg. Dr. Fekter: Das ist Graz! Graz ist die Kulturhauptstadt!), und selbstver­ständlich ist es so, dass viele Kulturinstitutionen sich freiwillig – sie könnten ja auch nach Graz gehen – in Wien ansiedeln und hier ihr Büro haben, aber ihre Arbeit durch­aus überregional angelegt ist.

Das heißt, dass man die Zahlen bereinigen muss und dass man die Zahlen, die Sie nennen – zum Beispiel eben für Institutionen, die überregional arbeiten, aber ihren Sitz in Wien haben –, ja nicht als Landeskulturförderung ausweisen kann. Das ist ein gro­ßer Unterschied, und ich würde Sie bitten, hier mir fairen Zahlen zu arbeiten. Ich kom­me auf ungefähr 30 Prozent Anteil in Wien. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Morak.) – Bereinigt, habe ich gesagt. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssek­retär Morak.) – Gut, dann schauen wir uns Ihre Zahlen an und diskutieren das weiter.

Nachdem Sie bei Ihrer Maßnahme den Wiener Festwochen gegenüber von einer sym­bolischen Maßnahme gesprochen haben, werte ich das als Ankündigung, dass hier noch einiges bevorsteht. Herr Staatssekretär, vielleicht könnten Sie uns auch an dieser Stelle informieren, mit welchen derartigen weiteren „symbolischen Maßnahmen“ von Ihnen die Wiener Kulturszene noch zu rechnen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

13.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr ergreift Frau Abgeordnete Mag. Dr. Fekter das Wort. 4 Minuten hat sie sich vorgenommen. – Bitte.

 


13.18

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Werte Herren Staatssekretäre! Sehr geehrter Herr Rechnungshofpräsident! Sehr geehrte Frau Volks­anwältin Rosemarie Bauer! Herr Volksanwalt Kostelka! Ich möchte zuerst der Volksan­waltschaft sehr herzlich danken für die gute Zusammenarbeit, die wir Abgeord­nete mit der Volksanwaltschaft haben. Ich habe eine Fülle von Interventionsfällen, bei denen ich


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nicht weiterhelfen kann und die ich an die Volksanwaltschaft weiterleite. Bis­her habe ich immer ein sehr positives Feedback bekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Bezüglich der Anregung der Volksanwältin Rosemarie Bauer im Hinblick auf die Ge­setzesvorlage „Recht auf Licht“ oder die Probleme, die wir mit Thujenhecken haben, kann ich Ihnen mitteilen, dass wir wahrscheinlich im Herbst hier eine Vorlage bekom­men und die Anregung der Volksanwaltschaft bereits heuer umsetzen können werden.

Nun möchte ich zu den Ausführungen von Kollegin Kuntzl kommen. Auch ich möchte mich dem Problem widmen, dass Wien eigentlich bisher überproportional die Kultur­subventionen abgeschöpft hat. Es ist Gott sei Dank das jetzige Budget nicht eine bloße Fortschreibung von Zahlen, sondern es hat ganz klare neue Impulse; Details sind be­reits gebracht worden.

Herzlich danken möchte ich Herrn Staatssekretär Morak dafür, dass er eine Umschich­tung der Subventionen bisher mit Schwerpunkt Wien in Richtung Bundesländer vorge­nommen hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Zweytick: Gerechte Verteilung!)

Hervorragende kulturelle Leistungen werden nämlich in ganz Österreich erbracht und nicht nur in der Bundeshauptstadt! Herr Kollege Öllinger, hervorragende kulturelle Leis­tungen gibt es auch im nicht-urbanen Raum. (Abg. Öllinger: Hab ich etwas gesagt?) Es ist also nicht gerechtfertigt, bloß den urbanen Raum zu fördern. (Abg. Zweytick in Richtung des Abg. Öllinger –: Warst du schon einmal in Oberzeiring?)

Als bekannt wurde, dass Staatssekretär Morak Umschichtungen vornimmt, hat es so­fort eine mediale Kampagnisierung gegeben. (Abg. Öllinger: Das gegenseitige Aus­spielen ist das Problem!) Es ist meiner Meinung nach eine unerträgliche Überheblich­keit, wenn hier in Wien die kulturellen Leistungen der Bundesländer als provinziell ab­getan werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch.)

Lange Jahre hat Wien 75 Prozent des Kulturbudgets wie den Rahm von der Milch ab­geschöpft. Für alle anderen Bundesländer blieb dann nur mehr das restliche Viertel übrig. Gleichzeitig fördert Wien auch bei den gemischten Förderungen eigentlich un­terproportional, nämlich nur zu 50 Prozent. – Die anderen 50 Prozent trägt der Bund. In den Bundesländern sind wir gewohnt, dass ein Drittel das Land, ein Drittel der Bund und ein Drittel die Gemeinde fördern.

Dieses Missverhältnis zwischen den Bundesländern und Wien wird durch dieses Bud­get abgestellt. Die sozialistische Reaktion auf die Kürzung des Budgets für die Wiener Festwochen um jene 2 Prozent, die angeblich nur das „Prosecco-Geld“ waren, war maßlos überzogen. Im Zusammenhang mit dem, was damals passiert ist, von „Kultur­kampf“ zu reden, ist allein schon in der Wortwahl total daneben.

In diesen Jammergesang haben dann auch die sozialistischen Abgeordneten im Bud­getausschuss eingestimmt. Es ist mir, ehrlich gesagt, nicht ganz verständlich, dass Kollege Wittmann, ein Niederösterreicher, nur für das Wiener Budget gekämpft hat (Abg. Dr. Brinek: Der Reheis aus Tirol!), dass Kollegin Muttonen, eine Kärntnerin, auch nur für das Wiener Budget gekämpft hat, und dass in blindem Kadergehorsam auch Kollege Reheis, ein Tiroler, nur für das Kulturbudget der Hauptstadt Wien ge­kämpft hat.

Meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion! Sind Ihnen eigentlich Ihre Wahlkreise und die kulturellen Leistungen in Ihren Bundesländern überhaupt nichts wert? (Abg. Mag. Wurm: Klangspuren! – Abg. Faul: ... werden alle Oberzeiring kennen oder Wien?) Halten Sie nichts von den kulturellen Leistungen in den Bundesländern? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Als Oberösterreicherin bin ich jedenfalls sehr froh und Herrn Staatssekretär Morak dankbar, dass er diese sehr gute Idee umgesetzt hat, die immerhin unser Landes­hauptmann Dr. Josef Pühringer, Finanz- und Kulturreferent, bei der Landeskulturrefe­rententagung in Oberösterreich massiv gefordert hat, und dass sie somit umgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

 


13.23

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Herr Rechnungshofpräsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit ein paar Worten des Dankes an die Parlamentsdirektion beginnen, und zwar für die Unterstützung, die sie uns immer zu­kommen lässt. Ich möchte meinen Dank ganz besonders an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des internationalen Dienstes richten. – Ich bitte den Herrn Präsidenten, das auch weiterzuleiten. Sie sind es nämlich, die uns bei den Auslandsreisen nicht nur so­zusagen durch eine „physisch tragende Rolle“ unterstützen, indem sie die Papiere und die diversen Mitbringsel überallhin mittragen, sondern auch inhaltlich und organisato­risch dazu da sind, dass diese Reisen tatsächlich wie geschmiert ablaufen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich denke, das ist einen besonderen Dank wert. Diese Kollegen arbeiten im Hinter­grund, und ich freue mich sehr, dass diese Unterstützung auch in Zukunft – so hoffe ich – beibehalten wird, damit kein Sand ins Getriebe dieser Auslandsreisen kommt. – Herzlichen Dank für ihre Arbeit!

Ein paar Worte auch zu Bundeskanzler Schüssel (Abg. Lentsch: Der beste, den es je gab!), der sich heute, obwohl ihn auch meine Vorrednerin Terezija Stoisits dazu aufge­fordert hat, zu der Frage der Finanzierung der Kultusgemeinde nicht geäußert hat. Meiner Meinung und der Meinung meiner Fraktion nach ist es ein Skandal, dass in Österreich mehr als 50 Jahre nach Ende des nationalsozialistischen Regimes die jüdi­schen Gemeinden hier in Österreich in ihrer Existenz gefährdet sind und dass es von Seiten dieser Bundesregierung nicht möglich ist, diese Finanzierung weiterhin sicher­zustellen. Das einzige, was gesagt wurde, war, dass es ein Darlehen geben soll, das später einmal gegengerechnet wird.

Herr Bundeskanzler! – Er ist jetzt leider nicht mehr da! – Ich halte das für einen Skan­dal in dieser Republik und fordere Sie auf, nicht nur dieses Darlehen zu gewähren, sondern tatsächlich die Finanzierung der Kultusgemeinde zu sichern und sich dazu auch öffentlich zu äußern und nicht nur kolportierte Dinge im Raum stehen zu lassen, wie etwa, dass Sie keine „abgetakelten Mossad-Leute“ unterstützen wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Werte Damen und Herren von der Bundesregierung! Ein weiterer Punkt, den ich hier nach der Lektüre der heutigen Zeitungen erwähnen muss: Es ist Ihnen stets ein Anlie­gen gewesen, und Sie haben oft davon gesprochen, die Strukturen dieser Republik zu entpolitisieren. Es dürfe nicht mehr alles parteipolitisch gefärbt sein.

Was muss ich heute lesen? – Der Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank hat Ewald Nowotny, der bisher in der Europäischen Investitionsbank gearbeitet hat, einen der renommiertesten österreichischen Banker mit internationaler Erfahrung, einstimmig als Vizegouverneur nominiert. Was muss ich hören? – Die österreichische Bundesre­gierung sagt, das ist ein Roter, das geht nicht. (Abg. Mag. Posch: Der ist „inkompe­tent“!) Er dürfe nicht hinein, er sei inkompetent. – Der Einzige, der von den genannten


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Bewerbern tatsächlich diese internationale Erfahrung hat, soll diesen Platz nicht be­kommen? (Abg. Dr. Paritk-Pablé: Ist eh schon alles rot ...! – Abg. Öllinger: Bezeich­nend!)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie das wirklich durchziehen, dann beweist auch dieser Fall, dass es Ihnen nicht um die Entpolitisierung geht, sondern nur darum, dass dieses Land noch schwärzer eingefärbt werden soll, als es eh schon ist. Blau kommt – zum Glück, sage ich einmal – nicht mehr vor, aber schwarz alleine ist nicht die Farbe, die diese Republik hat. Die ist nämlich rot-weiß-rot! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Öllinger: Rosenstingl!)

Lassen Sie mich nun, auch wenn Staatssekretär Schweitzer heute nicht da ist, doch einige Worte zum Thema Sport sagen, der ja auch in diesem Kapitel angesiedelt ist. Die beiden Sportsprecher der Regierungsfraktionen, Haubner und Lichtenegger, waren voll des Lobes dafür, dass jetzt mehr für den Breitensport, für Behindertenförderung und auch für die Großveranstaltungen getan wird. – Da sind wir mit Ihnen einer Mei­nung. Beide, vor allem aber Herr Haubner, haben ganz genaue Zahlen genannt, um zu zeigen, wie wichtig die Großsportveranstaltungen für die österreichische Wirtschaft sind.

Da stimme ich Ihnen schon zu. Die Frage, die ich von meiner Seite dazu stelle, ist aber: Wie schaut es denn mit der ökologischen Nachhaltigkeit dieser Großveranstal­tungen aus, mit der „ökologischen Zukunftsfähigkeit“, um eine Phrase aus Ihrem Text­generator zu verwenden? – Diese Themen sind bei beiden Sportsprechern nicht vor­gekommen. (Abg. Öllinger: Die kommen nicht vor, die Wörter!) Man war nur voll des Lobes für die Fußballer im Zusammenhang mit der Europameisterschaft. – Ja, gut, dass wir sie haben.

In Sachen Bewerbung für die Olympiade sind wir Grünen ein bisschen anderer Ansicht, aber ob der Zuschlag gegeben wird, liegt nicht mehr in unseren Händen. (Abg. Neu­deck: Gott sei Dank!) Wo aber sind Ihre Forderungen, dass es dort auch Verkehrskon­zepte geben soll, die diesem Namen tatsächlich gerecht werden und nicht nur, wie das IOC es vorschlägt, darin bestehen, dass es da genügend Parkplätze geben soll? – Das ist nach Ansicht der Grünen kein Verkehrskonzept mit ökologischem Hintergrund, mei­ne Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Der Bund, der da auch mitfinanziert, kann und soll Bedingungen stellen. Es heißt ja oft, man müsse genügend Parkplätze schaffen, denn alle kommen mit dem Auto. Ich gebe Ihnen ein Beispiel dafür, wie das sehr wohl auch anders funktionieren kann: Im Wiener Praterstadion wird bei der Messe, bei Fußballveranstaltungen oder Ähnlichem norma­lerweise die Hauptallee für Parkplätze aufgemacht. Was ist beim Grönemeyer-Konzert geschehen? – Da wurde die Hauptallee nicht aufgemacht, aber es gab kein Verkehrs­chaos, weil die Leute das gewusst haben und mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinge­fahren sind. (Abg. Zweytick: In Wien geht das ja!)

Das beweist: Es ist möglich, man muss es nur wollen und man muss es in die Ver­kehrskonzepte hineinbringen. – Das fordere ich von Ihnen und auch vom Staatssekre­tär, in Bezug auf Großveranstaltungen in Österreich.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, ob für erfolgreiche Fachverbände – also solche, deren Sportler und Sportlerinnen im Spitzensportbereich erfolgreich sind – andere Strukturen geschaffen werden, damit das auch nachhaltig ist. Die Beantwortung unserer Frage aus dem Budgetausschuss war nicht wirklich ganz klar. Mir geht es vor allem darum, dass in Bereichen wie zum Beispiel Tischtennis oder Schwimmen, in denen jetzt ganz große Erfolge erzielt werden, Strukturen geschaffen werden, damit der Nachwuchs diesen Weg auch weiter gehen kann. Ich hoffe, Sie werden in diese Richtung arbeiten.


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Ein letzter Punkt: Ich habe die Behindertenförderung schon erwähnt, die auch wir be­grüßen. Mir ist aber aufgefallen, dass die beiden Sportsprecher der Regierungsfraktio­nen nicht erwähnt haben, dass es auch mehr Geld für Frauen- und Mädchenförderung gibt. Das ist ein Anliegen, das auch uns wichtig ist. Ich bin froh, dass das passiert. (Abg. Dr. Brinek: Sie haben ja wenig Zeit gehabt!) – Die haben zu wenig Zeit gehabt? Ich denke, diese paar Worte hätten sie schon herausgebracht. Ich hoffe, dass das Fak­tum der Wichtigkeit von Frauen- und Mädchensport in Zukunft auch in den Textgenera­tor der ÖVP- und FPÖ-Sportsprecher aufgenommen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Mag. Muttonen hat sich zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


13.30

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Fekter hat behauptet, ich hätte nur für das Wiener Kulturbudget ge­kämpft. – Das ist unwahr!

Wahr ist hingegen, dass ich für das Budget gekämpft habe, und zwar als Bundespoliti­kerin für das Bundesbudget. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Das Bundesbudget enthält Bundesländerteile!)

13.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Rossmann wunsch­gemäß 5 Minuten. – Bitte.

 


13.31

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Staats­sekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Volksanwaltschaft! Es ist heute schon viel Allgemeines gesprochen worden und auch viel im Detail zu gewissen Kapiteln. Ich möchte insofern ausholen, als ich durch meine Tätigkeit als Staatssekretärin für Tourismus die Möglichkeit hatte, in Österreich auch in Gebiete zu kommen, die man sonst nicht besucht. (Abg. DDr. Niederwieser: Schau, solche Dinge vergisst man so schnell!) Oft habe ich dabei für mich gedacht: Österreich ist wirklich eines der schönsten Länder der Welt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nicht nur der Tourismus profitiert davon. Vor allem in den letzten zwei Jahren, tragi­scherweise seit dem 11. September, hat Österreich durch die verstärkte Anreise aus dem Nahbereich per PKW, Bus oder Bahn eine Erfolgsbilanz im Tourismus, die sich sehen lassen kann.

Aber Österreich gewinnt auf Grund seiner Schönheit auch an Standortqualität. Wir wis­sen, dass viele Betriebe bei der Betriebsansiedelung immer mehr speziell die Stand­ortqualität in den Vordergrund stellen. So ist es uns gelungen, auch in Gebieten, in denen bisher kaum Betriebe angesiedelt waren, auf Grund der Schönheit und auch der Erreichbarkeit und Nähe zu anderen Ländern – zum Beispiel der Steiermark oder auch Kärntens zu Slowenien und Italien – durchaus Betriebe anzusiedeln, was vor ein, zwei Jahren noch nicht möglich war.

Kollegin Lunacek hat von der Nachhaltigkeit gesprochen. Es wird auf allen Ebenen – nicht nur im Umweltbereich – von der Nachhaltigkeit gesprochen, auch im Sozialbe­reich oder im Budget- und Wirtschaftsbereich. Gestern haben wir 91 Budgetbegleitge­setze beschlossen, die gerade auf diese Nachhaltigkeit und auf nachhaltige Maßnah­men abstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Abgesehen von der Pensionssicherungsreform sind aber auch – und das ist wichtig! – nachhaltige Anreize vorhanden, sowohl im Arbeitsmarktbereich als auch im Sozial- und Wirtschaftsbereich. Diese nachhaltigen Anreize sollen Lenkungseffekte haben, um die Standortsicherung und die Standortqualität auch in Zukunft zu gewährleisten. Ge­rade von Seiten der Opposition wird die Steuerreform nicht so dargestellt, aber wir er­warten uns auch gar nichts anderes nach diesen letzten Wochen, auch in der Pensi­onsdebatte. (Abg. Reheis: Ich habe jetzt von Ihnen auch nichts anderes erwartet!)

Ich kann Ihnen nur einmal mehr sagen: Allein durch die Anhebung des allgemeinen Absetzbetrages und die Einschleifregelung – von der wollen Sie ja überhaupt nichts wissen – bis zu einem Bruttojahreseinkommen von 21 800 € werden insgesamt 1,65 Millionen Arbeitnehmer von dieser Steuerreform profitieren! (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.) Davon sind – das wurde heute von der Kollegin Kuntzl ange­sprochen – 350 000 Alleinverdiener und Alleinerzieherinnen und –erzieher, 730 000 Pensionisten und – was mich auch freut – 60 000 Selbstständige. – Das sind gerade die Kleinstunternehmer, die jeden Groschen dringend brauchen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Auch wenn Sie immer sagen, das sind nur ein paar Euro, 50 €, 80 €, 400 € oder 500 € im Jahr: Gerade diese Schicht braucht jeden Euro, jeden Cent, und genau das gegen­teilige Argument haben Sie in der Debatte um die Pensionssicherung gebracht. Sie müssten sich schon einmal die Argumente ganz klar und deutlich zurechtlegen, um sich nicht immer wieder selbst zu widersprechen!

Jeder Schilling, jeder Cent ist erforderlich, und so ist es auch wichtig, dass die nicht entnommenen Gewinne nun steuerbegünstigt werden. Auch das wurde heute einmal mehr lächerlich gemacht. Ich habe zum Kollegen Kogler gestern schon gesagt, ich lade ihn einmal in einen der Kleinbetriebe zu einer Bilanzbesprechung ein. – Der wird schauen, wie die Bilanzen aussehen! Wenn man überhaupt Gewinn macht und den dann nicht oder nicht in voller Höhe versteuern muss, sondern wieder investieren kann, dann ist das einfach eine Erleichterung, die zu schaffen schon längst Gebot der Stunde gewesen wäre.

Wir Freiheitlichen haben das schon im Koalitionsübereinkommen 2000 festgehalten. Wir haben es festgeschrieben und darauf gepocht. Es war damals aber auch von Sei­ten des Finanzministers noch nicht möglich, vom Nulldefizit abzurücken. Es war an­scheinend noch nicht opportun, Sie kennen die Geschichte. Wir freuen uns aber, dass es wenigstens jetzt ein Teil dieses Paketes ist und zur Umsetzung kommt.

Sie wollen auch nicht hören, dass es eine Lohnnebenkostensenkung gibt. Ihre Wähler, die Arbeitnehmer werden sich aber darüber freuen! Zum ersten Mal gibt es auch bei Arbeitern eine Lohnnebenkostensenkung. Das war ebenso ein Gebot der Stunde, um am Arbeitsmarkt einfach wieder konkurrenzfähig zu sein und Österreich international konkurrenzfähig zu machen.

Die Strategie, die Sie in den letzten Jahrzehnten der sozialistischen Finanzpolitik ver­folgt haben, war, dass man Betriebsansiedelungen in Österreich einfach mit öffentli­chen Mitteln in Milliardenhöhe gefördert hat, wohl wissend, dass diese Betriebe bereits in fünf Jahren ihre Produktion in Billiglohnländer auslagern. (Beifall bei den Freiheitli­chen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Faul und Reheis.)

Das war Ihre Finanzpolitik. – Unsere sieht anders aus. Wir wollen den Wirtschafts­standort Österreich sichern.

Ich möchte auch noch das Kapitel lebenslanges Lernen ansprechen. Das sind immer so Schlagworte, auch in Ihrer Ära war das so. Was machen wir jetzt? – Lebenslanges Lernen wird gefördert. Was ist es denn, wenn nicht eine Förderung, dass jetzt Studien-


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gebühren abgesetzt werden können? Wenn Berufstätige den ohnehin unheimlich schwierigen Weg gehen, noch ein ordentliches Studium zu absolvieren, dann ist es doch mehr als legitim, wenn man diese Studiengebühren nun steuerlich absetzen kann.

Aber auch die Verlängerung des Bezuges von Arbeitslosengeld ist jetzt gewährleistet, wenn jemand an einer Fortbildungsmaßnahme teilnimmt. – Hier gibt es nun Rechts­sicherheit. (Abg. Mag. Posch in Richtung des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch, der mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretär Mag. Schweitzer spricht –: Das ist eine Unhöflichkeit, dass die da eine Quatschstunde machen!)

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss möchte ich noch dem Rechnungshof und der Volksanwaltschaft danken. Ich meine, die Volksanwaltschaft ist wirklich die letzte Instanz für so genannte Bürokratieopfer. Wenn man den Bericht anschaut, dann fällt auf, dass die größten Fälle Verwaltungsfälle sind. Das zeigt einmal mehr, dass der Konvent wichtig ist und eine Bereinigung der Verwaltungskompetenzen erfolgen muss, um Bürokratieopfer wirklich vermeiden zu können.

Ich habe auch selbst viel mit Leuten und Fällen zu tun gehabt, bei denen man nicht mehr erklären kann, warum die Behörde so gehandelt hat. Es gibt Verflechtungen von Gesetzen, die einander überlagern und so weiter. Ich muss sagen, es ist wirklich Außerordentliches, was Sie von Seiten der Volksanwaltschaft leisten. Ich freue mich auch – ich betrachte das öfters als Fernsehzuschauerin –, wenn die Volksanwälte – Gott sei Dank! – auch in der Öffentlichkeit ihren Auftritt haben und damit ein neues Selbstverständnis der Arbeit der Volksanwaltschaft auch in der Öffentlichkeit dokumen­tiert ist.

Ein herzliches Dankeschön! Vor allem die Parteiunabhängigkeit, die Sie pflegen, freut mich ganz besonders. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Rossmann begibt sich zur Regierungsbank und reicht Rechnungshofpräsident Dr. Fiedler und Staatssekretär Dr. Finz die Hand.)

13.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


13.39

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat sich leider der Debatte zu seinem Budgetkapitel entzogen. Es darf dennoch nicht ganz unwidersprochen bleiben, was er zu seiner Pensionsreform gesagt hat, die er fast be­schwörend und beschwichtigend gelobt hat. Er hat gemeint, es werde niemand verlie­ren. – Ich behaupte: Jeder wird verlieren!

Sein Beamtenchef Fritz Neugebauer, der jetzt leider nicht hier ist, hat es auch in seinen Aussendungen ganz klar gesagt. Er hat gesagt: 45 Versicherungsjahre sind genug, und wenn ein Pensionssystem nach 45 Versicherungsjahren keinen abschlagsfreien Pensionsantritt ermöglicht, dann ist es menschenverachtend und muss geändert wer­den.

Ich verstehe den Loyalitätszwang, unter dem er steht. Ich verstehe den Druck, unter den er gekommen ist, so wie damals auch Frau Minister Gehrer, als es um die Einfüh­rung der Studiengebühren ging, dem gleichen Druck ausgesetzt war. Insofern trage ich es Fritz Neugebauer nicht nach. Aber Sache bleibt es: Ein System, das massive Ab­schläge einführt und gleichzeitig das Pensionsantrittsalter auf 65 erhöht, ist menschen­verachtend, und es führt zu dramatischen Kürzungen der Pensionen, auch wenn der Herr Bundeskanzler anderes behauptet.


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In Wahrheit ist das die späte Rache der Haider-FPÖ. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: „Späte Rache“?) Nach ihrer politischen Marginalisierung hat sie sich mit ihren Vorstellungen über Harmonisierung und Pensionsreform hier durchgesetzt, wobei ich in der Substanz gar nicht definieren möchte, was ich meine.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat gesagt, es stimmt einfach nicht, dass das System in den nächsten Jahren zu teuer wird. Sowohl der Bundeszuschuss zu den Pensionen als auch der Pensionsaufwand insgesamt werden sinken. Das heißt, in Wahrheit war diese Pensionsreform in der Sache nicht notwendig, sie ist eine reine Beschaffungsak­tion für das Budget.

Der Herr Bundeskanzler hat das auch gewusst, weil er ja im öffentlichen Dienst selbst Frühpensionierungen durchgesetzt hat. Der Staat hat sich – und da rede ich jetzt gar nicht von den Einschwärzungen in den diversen Ministerien – seiner sämtlichen alten Beamten entledigt und sie in die Frühpension geschickt. Was also der Staat da vor­spielt, ist genau das, was Sie bei der Pensionsreform nicht wollen.

Ein paar Bemerkungen seien mir zum Thema Volksgruppen gestattet. Mittlerweile ist ja das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Kärntner Ortstafeln wirk­sam geworden, und zwar seit 1. Jänner. Trotzdem gibt es keine Entscheidung. Der Herr Bundeskanzler hat sich im Ausschuss damit verteidigt, dass die Konsenskonfe­renz zu keiner Einigung gekommen sei. Aber Konsenskonferenz hin oder her, die Ver­ordnung hat der Herr Bundeskanzler zu erlassen! Man kann nicht auf der einen Seite vom ÖGB und vom „Druck der Straße“ sprechen, dem man sich nicht beugen würde, weil die Beschlussfassung hier im Parlament stattfindet und weil die Gesetze zu beach­ten sind, und auf der anderen Seite einfach eine Verordnung nicht erlassen, obwohl dies der Verfassungsgerichtshof vorgeschrieben hat. Da wird mit zweierlei Maß ge­messen!

Ebenso möchte ich darauf hinweisen, dass auch die Volksgruppenförderung seit 1998 im Wesentlichen stagniert, was in krassem Widerspruch zur Staatszielbestimmung und auch zur Präambel der Koalitionsregierung von 1999 steht. Das sei hier auch einmal gesagt.

Ein paar Bemerkungen seien mir abschließend noch zu einer sehr ernsten Angelegen­heit gestattet, nämlich zur Israelitischen Kultusgemeinde. Ich verweise – und Kollegin Stoisits hat das heute in ihren Ausführungen schon sehr korrekt und sehr gut darge­stellt – auf das Schreiben der Israelitischen Kultusgemeinde, die darauf verweist, was den österreichischen Juden in den Jahren 1938 bis 1945 angetan wurde, nämlich die Ermordung von 65 000 Gemeindemitgliedern und die Vertreibung von 135 000 Juden aus Österreich, und dass es fast undenkbar war, dass nach dem Krieg wieder eine jüdische Gemeinde entstehen würde. Es sind zahlreiche Intellektuelle aus Österreich geflüchtet, und sie sind nach dem Krieg nicht mehr nach Österreich zurückgekehrt, was Österreich schwer geschadet hat.

Daher glaube ich, dass es gegenüber dieser nicht kleinen jüdischen Gemeinde, son­dern klein gewordenen jüdischen Gemeinde eine Verpflichtung der Republik gibt, zu helfen. Dafür muss man, denke ich, ein Gespür haben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das darf ja nicht wahr sein!) Ich glaube, dass die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Österreich wichtig ist und dass sich ein demokratisches Land, das sich zu den Men­schenrechten und zur europäischen Wertegesellschaft bekennt, auch verpflichten muss, das zu unterstützen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das werde ich ein paar Kärntner Freunden erzählen!)

Was meinst du? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern!) Bitte? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern!) – Das ist ein sehr interessanter Zwischenruf: Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern als die


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jüdische Gemeinde in der Stadt! – Ich möchte das jetzt festgehalten haben (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ja!) hier für das Protokoll. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ja!) Das ist eine sehr interessante Perspektive. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Scheuch hat das gesagt!) Wir sind von der Freiheitlichen Partei in Wahrheit nichts anderes gewöhnt. Aber bei der ÖVP vermute ich doch noch, dass der eine oder andere hier sitzt, der bei klarem Verstand und vernünftig zu denken imstande ist.

Daher sage ich, es muss ein Interesse der Republik an der Erhaltung einer alten, einer historisch gewachsenen, über Jahrhunderte gewachsenen religiösen Gemeinde hier geben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Mit vielen Millionen ausgestattet!) Da nützt das An­gebot eines Darlehens oder der Verweis auf mögliche Projektförderungen oder die Möglichkeit eines Kredites nichts, sondern der Staat hat – und da bin ich bei Kollegin Stoisits – die Verpflichtung, hier einzuschreiten, nach alldem, was die jüdische Ge­meinde im Dritten Reich durchmachen musste. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.45

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Auer zu Wort. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


13.45

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Im Sinne einer fairen Betrachtung, so hat heute Herr Klubobmann Gusenbauer gemeint, sollten wir die beiden Budgets für 2003 und 2004 analysieren. Ich halte fest: Ja, es gibt hier eine positive Ausgangslage, die Budgetsa­nierung der letzten Jahre hat gegriffen. Wir wissen, dass es 2001 gelungen ist, einen Überschuss zu erwirtschaften. Und auch das neue Budget wird über den Konjunktur­zyklus hinweg ein sehr positives, ausgeglichenes Budget sein.

Meine Damen und Herren! Es ist ja interessant: das Gegenüber in Deutschland „in der Sackgasse des Stillstands“ – so titelten die „Oberösterreichischen Nachrichten“ Ende Mai dieses Jahres. (Abg. Faul: Wieder ein Parteiblattl, ein schwarzes!) Meine Damen und Herren, „Deutschland droht neuer Pleitenrekord“, lautete eine weitere Schlagzeile. Ich sage ganz offen, ich habe keine Freude damit! Ich bedauere diese Entwicklung, weil es auch für unsere Wirtschaft wichtig wäre, wenn es in Deutschland positive Zah­len gäbe. Nicht dass Sie glauben, ich habe da besondere Freude, im Gegenteil: Ich bedauere diese Entwicklung ganz entschieden!

Meine Damen und Herren und Herr Kollege Posch! Auch im Sinne einer fairen Be­trachtung – die Pensionsreform. Ich war vor kurzem in Schweden. Das ist, wie Sie wis­sen, ein seit langem sozialdemokratisch regiertes Land. Pensionsantritt: 65 für Mann und Frau! Sie können frühestens mit 61 in Pension gehen – aber da sollten Sie sich einmal die Abschläge ansehen! Dann könnten Sie hier aufzeigen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie noch etwas wissen wollen, Herr Kollege Posch, im Sinne einer fairen Be­trachtung – und es ist schön langsam mein Lieblingsbuch, das „Wirtschafts- und sozi­alstatistische Taschenbuch“ der Arbeiterkammer –: Die Gesamtsteuerbelastung in die­sem sozialdemokratisch regierten Land Schweden beträgt 53,4 Prozent. Meine Damen und Herren, da ist Österreich in einem wahrlich glückhaften Zustand! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Doppelbudget 2003/2004 zeigt deutliche Signale – sie wurden ausgeführt – in Richtung Entlastung älterer Arbeitnehmer, es zeigt auch deutliche Signale in der Behandlung nicht entnommener Gewinne. Diese werden steuerlich begünstigt; es ist dies wichtig für die Eigenkapitalstärkung. Es ist tatsächlich auch notwendig, mehr


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Wachstum zu erreichen. Wünschenswert und notwendig ist mehr Wachstum, meine Damen und Herren!

Auch der Export stützt dieses österreichische Wachstum, diese positiven Kennzahlen. Wir sollten daher bei dieser Gelegenheit auch einmal den 70 Außenhandelsstellen der Österreichischen Wirtschaftskammer danke sagen! Denn damit hat jeder exportorien­tierte Betrieb 70 Hilfestellungen auf der Welt, und die sind ganz besonders wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sehr wichtig für neue, verstärkte Betriebsgründungen wäre auch weniger Bürokratie. Seien wir doch ehrlich: Heute kann kein Handwerksmeister, kein mittelständischer Unternehmer, kein führender Angestellter und auch kein Vor­stand in einer AG alle Paragraphen, die seinen Beruf betreffen, auch nur im Entferntes­ten auswendig können. Jeder selbstständige Unternehmer und Gewerbetreibende muss vor den Vorschriften des Staates und seiner Behörden Angst haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Hier nun ein Vorschlag: Viele Betriebsinhaber wissen, dass das Arbeitsinspektorat manchmal zu Recht das eine oder andere aufzeigt, gar keine Frage. Das ist im Sinne eines vernünftigen Arbeitnehmerschutzes auch notwendig. Aber mich würde einmal interessieren, was ein Arbeitsinspektorat hier, in diesem Haus, alles finden würde, meine Damen und Herren! (Abg. Faul: Die lassen wir nicht herein!) Die lassen wir hier offensichtlich nicht herein. Hier sollte man die gleichen Wettbewerbsbedingungen, von denen so viel geredet wird, auch einmal in die Wege leiten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Das ist keine artgerechte Haltung, was wir hier haben!)

Gerade auch im Sinne der Arbeitnehmer des Parlaments, die heute zu Recht gelobt worden sind, die keine Chance haben, in diese gleichen Regelungen mit einbezogen zu werden, für die überfallsartige Nachtarbeit selbstverständlich und ein Mangel an Tageslicht in den Büros des Hauses an der Tagesordnung ist – hier wäre es notwen­dig, verehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich anerkenne, dass hier in den letzten Jahren viel geschehen ist, was die Verbesserung der Infrastruktur, die Verbesserung der Arbeits­möglichkeiten der Parlamentarier betrifft. Hier hat – und das bekenne ich öffentlich – die grüne Fraktion das größte Verdienst. Denn sie hatte, als ihre Abgeordneten herein­gekommen sind, das Selbstverständnis, dass hier einfach eine notwendige Ausstattung vorhanden zu sein hat. Das sei anerkannt! (Demonstrativer Beifall bei den Grünen. – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es sei auch anerkannt, dass Präsident Fischer hier sehr viel getan hat. Auch das sei anerkannt!

Aber wir sollten außerdem anerkennen und so offen sein, zuzugeben, dass wir von einer modernen Unterstützung noch weit entfernt sind. Die Arbeitsbedingungen des österreichischen Parlaments und der Parlamentarier sind im Verhältnis zu vielen euro­päischen Parlamenten vorsintflutlich, nämlich noch weit hinten. (Abg. Dipl.-Ing. Pirkl­huber: Sehr richtig!) Das sollte auch einmal offen gesagt werden. Hier ist noch das eine oder andere zu tun.

Ich bitte in diesem Sinne, in übergreifenden Gesprächen im kommenden Herbst hier tatsächlich vernünftige Schritte einzuleiten. Ich bin sicher, dass uns auch das Präsidi­um des Parlaments in diesem Sinne unterstützen wird. (Beifall bei der ÖVP, den Frei­heitlichen, den Grünen sowie der Abg. Schasching.)

13.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 



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13.52

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Danke, Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung und der Volksanwalt­schaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Danke, Herr Abgeordneter Auer! Jetzt getraue auch ich mich, etwas Kritisches zu sagen, weil Sie auch etwas Kritisches ge­sagt haben. Man befindet sich hier ja in der Nichtraunzerzone, wie ich gehört habe. Ich habe aber nicht vor, zu raunzen, sondern hier einige wichtige Aspekte aus dem Be­reich der Regionalpolitik zu erörtern, da die Regionalpolitik auch zu den Agenden des Bundeskanzleramtes gehört.

Ich beschäftige mich schon seit den achtziger Jahren mit diesem Thema im Rahmen der eigenständigen Regionalentwicklung. Themen wie Raumordnung, Raumentwick­lung, Regionalpolitik sind etwas sperrige Themen und in der öffentlichen Wahrneh­mung nicht unbedingt sehr präsent. Es steht auch hier in den einleitenden Worten des Bundeskanzleramtes, dass die Regionalpolitik von verschiedenen Staaten und von verschiedenen Personen durchaus unterschiedlich interpretiert wird.

Die Strukturfonds der Europäischen Union sind neben der Agrarförderung das zweit­wichtigste Förderinstrument der EU. Rund ein Drittel des EU-Budgets wird dafür ver­wendet. Meine Damen und Herren, das ist doch ein gewaltiger Betrag! Es handelt sich insbesondere um den Europäischen Fonds für Regionalentwicklung, den EFRE, der im Bereich des Bundeskanzleramtes verwaltet wird, den Europäischen Sozialfonds, den ESF, der in den Bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit fällt, und den Ausrichtungs- und Garantiefonds für Landwirtschaft, der im Landwirtschaftsminis­terium verwaltet wird.

Es gibt mittlerweile eine Programmabrechnung für die Periode 1995 bis 1999. Öster­reich hat in diesem Zeitraum aus den Strukturfonds insgesamt fast 1,7 Milliarden € erhalten. Die Endabrechnung ist jetzt im Gange und wird Mitte des Jahres abgeschlos­sen sein. Zum Beispiel wurden im Rahmen des Europäischen Regionalfonds 17 000 Projekte mit Gesamtkosten in der Höhe von 5,9 Milliarden € unterstützt, und dabei wurden rund 27 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Das ist eine gewaltige Anzahl, aber es könnte hier, wie ich noch ausführen werde, sehr viel mehr geschehen. Es hat eine Art Wechsel in der Regionalentwicklungspolitik ge­geben: Einerseits ist mehr Geld von Europa hereingekommen, andererseits wurde von Österreich zwar sehr viel aufgewendet, aber offensichtlich haben diese Aufwendungen nicht mehr zu dem gleichen Erfolg wie früher geführt.

Bei der Durchsicht des Budgets ist mir aufgefallen, dass im Bundesvoranschlag auf der Förderungenseite im Jahr 2001 ein Betrag von 490 000 € angesetzt war, wohingegen jetzt als erwartete Förderungen im Jahr 2003 nur noch 404 000 € vorgesehen sind. Das ist interessant. Auf der Aufwendungsseite wurden im Jahr 2001 90 Millionen abge­rechnet, obwohl für dieses Jahr 159 Millionen angesetzt gewesen wären. Das heißt – oder kann man das so interpretieren?, das ist jetzt die Frage –, dass die Förderungen einfach nicht ausgeschöpft wurden.

Auch für das Jahr 2002 haben wir schon die Abrechnung. Da wurden 75 Millionen € an Aufwendungen ausgezahlt, obwohl dafür 145 Millionen € angesetzt gewesen wären. Das heißt, man hat um ein Vielfaches nicht ausgeschöpft.

Gerade im ländlichen Raum könnte solchen regionalen Entwicklungsprogrammen eine besondere Rolle im Rahmen der Armutsbekämpfung zukommen, im Rahmen der Gen­der-Mainstreaming-Programme, das heißt auch, der Bildung und Ausbildung für Män­ner und Frauen im ländlichen Raum, die es viel schwerer haben, zu dieser Ausbildung zu kommen. Aber das wurde nicht ausgeschöpft.


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In einer Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft habe ich sehr viele Details zum Thema Evaluation bekommen. Es wird im Moment alles evaluiert. Die Evaluation ist aus meiner Sicht ausgesprochen wichtig, meine Da­men und Herren, nur: Vom Wiegen wird das Schwein nicht fetter! Man muss vorher schon auch Programme machen, um etwas evaluieren zu können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank für den letzten Satz, Frau Abgeordnete! Ich werde ihn in meinen Zitatenschatz aufnehmen. (Heiterkeit.)

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Neudeck. Freiwillige Redezeitbeschrän­kung: 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

 


13.58

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Präsident des Rechnungshofes! Werte Volksan­wälte! Ich möchte ganz kurz auf die Rede des Kollegen Auer eingehen, weil ich es als etwas ganz Neues finde – (in Richtung des Staatssekretärs Mag. Schweitzer) kommt zu spät und schwätzt dann hinten! –, dass man sich auch traut, auf die Arbeitsbedin­gungen sowohl der Mitarbeiter als auch der Abgeordneten hier im Haus einzugehen.

Ich bin Mitglied des Baukomitees, und dort ist es eigentlich immer so: Wenn wir ir­gendwelche Anregungen für Umbauten oder sonstige Maßnahmen bekommen haben, dann heißt es immer, es wird überall gespart, wir müssen mit gutem Beispiel vorange­hen! – Es gibt aber hier sehr wohl Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze, die, wie ich vorhin auch in einem Zwischenruf gesagt habe, von einer „artgerechten Haltung“ sehr weit entfernt sind.

Ich glaube, es wird hier zu einem gewissen Umdenken kommen müssen. Es geht hier nicht um Luxus, es geht nicht um Verschwendung, sondern es geht um notwendige Maßnahmen, die auch im baulichen Bereich getätigt werden müssen. Das ist beson­ders bei einem alten, sehr geschichtsträchtigen und denkmalgeschützten Objekt natür­lich nicht ganz einfach. Daher finde ich auch die Entscheidung, das Palais nebenan mit all diesen Auflagen wesentlich umzubauen, nicht ganz ideal, sondern hätte eher einem Neubau das Wort gesprochen. Aber das ist leider schon Geschichte, und das kann man nicht mehr ändern.

In diesem Zusammenhang gilt mein Dank dem Rechnungshof unter seinem Präsiden­ten Fiedler und seinen Mitarbeitern, die Untersuchungen und begleitende Kontrollen in einer vorbildlichen Art und Weise durchführen, den immer wieder auftretenden Skanda­lisierungsversuchen der Opposition widerstehen und das in einer unparteiischen und souveränen Art als Kontrolle, aber nicht als Werkzeug des Schlechtmachens so man­cher Maßnahmen verwenden.

Es ist natürlich leichter, im Nachhinein zu kontrollieren und zu sagen, was an einer Entscheidung falsch war. Es war oft bei der Entscheidung, als man sie getroffen hat, nicht in der notwendigen Bandbreite die Information da, und das findet durchaus im Rechnungshof Berücksichtigung.

Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit. Ich würde mir eine lange Zusammenarbeit mit Ihnen wünschen, aber es geht, wie ich gehört habe, nächstes Jahr Ihre Amtszeit zu Ende. Doch ich hoffe, dass ein ebenso fachlich versierter und unparteiischer Präsident wie Sie dann dem Rechnungshof vorsitzen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Das wird schwer!)

Meine Damen und Herren! Über die unter diesem Tagesordnungspunkt zu behandeln­den Budgetkapitel ist von den Vorrednern schon sehr viel gesagt worden. Als ich heute


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früh ins Parlament gefahren bin, habe ich gehört, dass es heute hier eine heiße Debat­te geben wird. Ich habe geglaubt, das sei auf den Inhalt bezogen, die Hitze kommt aber eher von der Temperatur. Die Opposition dürfte gerade damit beschäftigt sein, ihre Pensionen nachzurechnen, und ist draufgekommen, dass doch nicht so viel he­runter­gestrichen wurde und dass das Gesetz durchaus in Ordnung ist. (Abg. Dobnigg: Wir werden Beweise liefern!) – Bis jetzt warst du sprachlos, also gar so beweisträchtig dürf­ten deine Informationen nicht sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf noch darauf hinweisen, dass auch in diesen Budgetbegleitgesetzen für die Wirtschaft wesentliche Maßnahmen gesetzt werden, etwa durch den Wegfall des 13. Umsatzsteuertermins und durch die begünstigte Versteuerung der nicht entnom­menen Gewinne. Ich möchte auch dem Finanzminister danken, dass er dem hehren Ziel des Nulldefizits beim vorgelegten Doppelbudget etwas abgeschworen hat, um wirt­schaftsankurbelnde Maßnahmen zu setzen.

Ich hätte mir schon gewünscht, dass die Opposition, die in Zeiten des Nulldefizits ge­schrien hat, das sei ihr nicht recht, man müsste eigentlich etwas mehr auf der Ausga­benseite tun, um die Wirtschaft anzukurbeln, und bei den Einnahmen etwas bremsen, jetzt, wo das geschieht, nicht wieder alles kritisiert. Jetzt ist es ihr auch nicht recht, jetzt verdammt sie plötzlich ein Budgetdefizit, über das alle anderen EU-Staaten froh wären oder wo sie sich freuen würden, wenn sie nur eines in dieser Höhe oder ein nicht we­sentlich höheres hätten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schasching. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.03

 


Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzten Dame und Herren auf der Regierungsbank! Ich freue mich besonders, dass mittlerweile auch der Herr Sportstaatssekretär hier eingetroffen ist. Wir haben heute hier einen sehr vielfältigen Redevormittag, und zwar mit den unterschiedlichsten Beiträgen, erlebt, weil die einzelnen Kompetenzen aufgeteilt worden sind und auf Grund dessen die Sport­sprecher von der ÖVP und der FPÖ schon vor längerer Zeit ihre Wortspende abgege­ben haben. Ich bin aber froh darüber, dass es mir endlich gelungen ist, unter anderem auch zu dir zu sprechen. (Abg. Scheibner: Nur Ihretwegen ist er gekommen!)

Das wäre eine nette Geschichte, wenn er nur meinetwegen eingeflogen wäre. Ich ver­mute aber doch, dass der Herr Staatssekretär schon gespannt darauf wartet, was die SPÖ zum Thema Sportbudget zu sagen hat.

Lassen Sie mich zum Thema Sport zuerst einmal festhalten, dass natürlich wir alle in Österreich auf hervorragende Spitzensportlerinnen und Spitzensportler stolz sei kön­nen, dass es, wie es auch meine Vorredner gesagt haben, natürlich für uns wichtig ist, dass wir einen Werner Schlager, eine Mirna Jukic  und viele, viele andere Spitzen­sportler haben, die als Aushängeschilder für unser schönes Heimatland positiv Wer­bung machen, wodurch natürlich in die Tourismuswirtschaft, in die heimische Wirt­schaft auch Geld fließt.

Dass der Sport ein enormer Wirtschaftsfaktor ist, eine enorme Wirtschaftskraft hat, das wissen wir, und daher ist es meiner Meinung nach ausgesprochen wichtig und notwen­dig, zu betonen, dass wir genau in diesen Bereich logischerweise wesentlich mehr Geldmittel zu investieren hätten, um das zu forcieren.

Logischerweise hoffe auch ich, dass die Olympischen Spiele 2010 in Salzburg bezie­hungsweise Kitzbühel ausgetragen werden; ich wäre sehr froh darüber. Wir alle sind


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gespannt, ob das gelingen wird, denn auch dadurch würde die Wirtschaft in einer Wei­se angekurbelt werden, die uns allen nur sehr positiv nützen könnte.

Der Sport ist aber nicht nur für Tourismus und Wirtschaft von Bedeutung. Auch die positive Beispielswirkung für unsere Jugend und sein Wert für die Gesundheit sind besonders in den Vordergrund zu stellen.

Wir wissen, dass über 80 Prozent aller Welt- und Europameister aus nicht olympischen Sportarten kommen, und daher ist es mir ganz besonders wichtig, zu betonen, dass wir die Breite und die Vielfalt auch in Zukunft ganz besonders fördern und unterstützen müssen.

Wir müssen aber auch hinterfragen, woher all diese Spitzenleistungen kommen, wer da dahinter steckt. In den meisten Fällen ist es das Elternhaus. Ganz selten – aber doch manchmal – ist es die Schule. Im Großen und Ganzen sind es Vereine, Verbän­de, die da am Werk sind, die da in Tausenden Stunden ehrenamtlicher Tätigkeit das schaffen, was wir dann im Spitzenfeld bewundern können. Dafür ein herzliches Danke­schön! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses herzliche Dankeschön sollte aber von Seiten der Bundesregierung verbunden werden mit einem Dankeschön im Sinne einer Anerkennung in Form einer entspre­chenden Dotierung im Sportbudget. An dieser Stelle komme ich zu dem Kritikpunkt, den ich schon im Ausschuss gebracht habe. Logischerweise und klarerweise ist es für uns wichtig und bedeutsam, auch den Behindertensport zu unterstützen. Es ist auch wichtig und bedeutsam – ich möchte das besonders betonen –, für Frauen- und Mäd­chensport Schwerpunkte zu setzen.

Daher ist es wichtig – Herr Staatssekretär, ich habe es schon im Ausschuss gesagt –, dass die besondere Bundessportförderung für die Aufrechterhaltung der bestehenden Strukturen, von denen der Breitensport forciert wird, aus dem dann schlussendlich die Spitzensportler herangebildet werden, nicht auf einem Mittelstand, so wie er jetzt ge­geben ist, eingefroren wird, sondern eine entsprechend höhere Dotierung erfährt. Das ist doch wohl ein Gebot der Stunde.

Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass alle Parteien im Vorfeld der letzten Nationalratswahlen Ankündigungen gemacht und Versprechungen abgege­ben haben, was sie denn alles im Sportbereich tun wollen.

Von Seiten der ÖVP zum Beispiel kam folgende Aussage – ich zitiere –: „Für uns steht fest, dass wir die Tätigkeit der vielen kleinen und großen Sportvereine und -verbände verstärkt unterstützen müssen.“

Es wird angekündigt, dass mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden.Ich muss dazu feststellen: Das ist jetzt leider nicht der Fall!

Von Seiten der FPÖ wurde die Aussage getroffen: „Eine Erhöhung der Bundes-Sport­fördermittel ist aus sportpolitischer Sicht wünschenswert.“ – Dazu darf ich bemer­ken: Wo ist sie geblieben, die vielzitierte „Sportmilliarde“?

Ich weiß schon, Herr Staatssekretär, du hast von der „Sportmilliarde“ nie gesprochen, aber du hast einmal eine Angleichung an das Kulturbudget angedacht. Das ist bei wei­tem nicht der Fall, aber das würde der österreichische Sport ganz dringend brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn mein Kollege jetzt gleich mit dem „Zeit“-Taferl winken wird, muss ich doch noch auf ein zweites gebrochenes Versprechen hinweisen.


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In den Vorhersagen, welche Prioritäten man nach der Wahl setzen wird, sagt die ÖVP: „Nicht nur der Sportunterricht steht im Zentrum unserer Vorhaben, ...“ – Das sagt sie, wenn es um Schulsport geht.

Dazu muss ich sagen: Wenn das Streichen von Turnstunden bedeutet, dass der Sport­unterricht im Zentrum der Vorhaben steht, dann müssen wir uns wirklich davor fürch­ten, was alles die ÖVP noch ins Zentrum ihrer Vorhaben stellen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann nicht Sinn der Sache sein, dass wir jetzt dort kürzen und dort streichen, wo wir es am nötigsten brauchen, nämlich bei den Kindern und Jugendlichen, die verstärkt Sport und Bewegung, eine Entspannung und auch eine Förderung ihrer Gesundheit brauchen würden. – Danke schön. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

14.09

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Staatssekretär Schweitzer. Redezeit: 10 Minuten. Wenn die Redezeit überschritten wird, wird sie dem FPÖ-Klub abgezogen, und das würde ein ehemaliger Klubobmann nie zulassen. – Sie sind am Wort, Herr Staatssekretär.

 


14.09

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Ich habe nicht vor, die Redezeit auszuschöpfen, aber es ist mir doch wichtig, einige An­merkungen und vor allem auch Klarstellungen anzubringen.

Ich freue mich, dass die Sportdebatte – ich habe mich sehr genau informieren lassen über das, was während meiner Abwesenheit gesagt wurde – sehr konstruktiv geführt wurde und dass von allen hier im Parlament vertretenen Parteien anerkannt wird, dass sich im Rahmen der Möglichkeiten jeder nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, das für den Sport zu tun, was notwendig ist. Das haben wir auch im Budget gemacht.

Frau Kollegin Schasching, Sie wissen, dass die Rahmenbedingungen für die Erstellung dieses Doppelbudgets im Vergleich zu anderen Ländern nicht wirklich gut waren – aber sie waren noch relativ gut –, dass aber der Sport einer jener Bereiche ist, der sich über einen Zuwachs im Budget freuen kann. Immerhin sind in diesen beiden Budgets je­weils 20 Millionen Schilling mehr budgetiert, als dies im Budget des abgelaufenen Jah­res der Fall war. Das heißt, dass es eine deutliche Erhöhung des Sportbudgets gibt.

Ich möchte einmal mit dem Märchen aufräumen, das da lautet, Österreich sollte end­lich eine „Sportmilliarde“ bekommen. Diese Forderung ist nicht notwendig, denn Öster­reich hat diese „Sportmilliarde“ bereits.

Frau Kollegin Schasching! Ich habe mir zusammenschreiben lassen, wie viel Geld tat­sächlich von der öffentlichen Hand für den Sport ausgegeben wird. Allein die Bundes­länderförderungen – und da kommt ja auch ein großer Teil vom Bund dazu – betragen in Summe mehr als 2 Milliarden Schilling. Mehr als 2 Milliarden Schilling an öffentlichen Geldern werden über die Landessportorganisationen in den Ländern verteilt. Dazu kommt die besondere Bundessportförderung, dazu kommt die allgemeine Sportförde­rung, und dazu kommt die Leistungssportförderung des Bundesheeres. Das macht in Summe, wenn ich all das zusammenzähle, einen Betrag von rund 210 Millionen € oder beinahe 3 Milliarden Schilling aus.

Klar ist aber: Dieses Geld könnte unter Umständen noch besser eingesetzt werden, als es momentan der Fall ist. Wir haben auf Grund historischer Entwicklungen im österrei­chischen Sport eine Struktur, die dazu führt, dass wir in manchen Fällen Mehrgleisig­keiten haben, die in dieser Form nicht notwendig sind. Ich bin sehr froh darüber, dass man darüber nachdenkt, wie es in den einzelnen Dachverbänden zu Schwerpunktset­zungen kommen kann, damit diese Mehrgleisigkeiten beseitigt werden.


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Ich darf Ihnen aber vor allem sagen, dass wir uns in dem Zeitraum, den wir jetzt zu verantworten haben, bemüht haben, im Rahmen unserer Möglichkeiten das Ganze zu optimieren. Sie wissen, dass wir erst vor kurzem, und zwar in der letzten Woche, die Spitzensportförderung optimiert haben, indem wir vieles einmal durchleuchtet haben. Dabei haben wir festgestellt, dass es allzu viele Beiräte gibt, die nicht notwendig sind, um das vorhandene Geld zu verteilen. Wir haben diese Verwaltungsebene ganz schlank gemacht. Darüber hinaus haben wir einen sportmedizinischen Pool eingerich­tet, denn wir wissen, dass Spitzensportförderung, die auch für den Breitensport not­wendig ist, ganz wichtig ist.

Ich habe gestern die tolle Etappe auf das Kitzbüheler Horn erleben dürfen. Ich muss sagen: Dieses Radfahren, das an der Spitze recht interessant anzuschauen ist, hat auch einen enormen Breitensporteffekt. Es war unglaublich, wie viele Leute den Weg auf das Kitzbüheler Horn mit ihrem Rad angetreten sind und ihn auch bewältigt haben. Es ist wirklich schön, zu sehen, wie viele Leute in Österreich jetzt Rad fahren oder wie viele Leute dem Beispiel eines Thomas Musters folgend mit dem Tennissport begon­nen haben.

Das heißt, Spitzensport ist genau das, was wir für den Breitensport brauchen. Deshalb muss es eine Optimierung der Spitzensportförderung geben. Ich bin überzeugt davon, dass es dadurch entsprechende Auswirkungen auf den Breitensport geben wird.

Was die Turnstunden betrifft, erlaube ich mir schon eine Anmerkung: Sie wissen, dass ein Entwurf diskutiert wurde, der eine 25-prozentige Kürzung vorgesehen hat. Der Entwurf, der in Begutachtung gegangen ist, hat jedoch überhaupt keine Kürzung zum Inhalt gehabt. Schlussendlich ist es auf Grund der Tatsache, dass die Rückmeldungen von den Landesschulräten betreffend die Tatsache, dass es zu keinen Turnstunden­kürzungen kommen soll, sehr kritisch waren, zu einer geringfügigen Kürzung gekom­men.

Aber es ist – und das wissen wir alle auch – im Rahmen der Schulautonomie sogar die tägliche Turnstunde möglich. Es geht darum, vor Ort dafür zu sorgen, dass der Turn­unterricht nachgefragt wird, dass es eine Nachfrage von den Schülern und von den Eltern gibt, und dann besteht die Möglichkeit, im Rahmen des Schulgemeinschaftsaus­schusses einen Beschluss herbeizuführen, dass sogar die tägliche Turnstunde durch­geführt wird.

Mit insgesamt 19 Stunden für die Hauptschule ist das bei einer Fünf-Tage-Woche mög­lich. (Abg. Gradwohl: Sehr witzig!)

Es liegt also nicht nur an denen, die Verordnungen erlassen, sondern es liegt auch an denen, die vor Ort handeln, die vor Ort unterrichten, die vor Ort den Unterricht erteilt bekommen. Wenn der Unterricht von allen unseren Kollegen großartig gemacht wird – und von vielen ist er ja großartig –, dann kann die tägliche Turnstunde auch gemacht werden. Das wollte ich Ihnen dazu gesagt haben.

Insgesamt glaube ich betonen zu können, dass in der österreichischen Sportpolitik in vielen Bereichen die gleiche Zielsetzung vorhanden ist. Ich bedanke mich für die kon­struktive Zusammenarbeit im Rahmen meiner Tätigkeit. Ich freue mich, dass wir uns gemeinsam große Ziele vorgenommen haben, wie unter anderem auch die Umsetzung des Berufssportgesetzes. Es ist auf gutem Weg.

Wir sind auch relativ erfolgreich, was die Bewerbungen für die Ausrichtung großer in­ternationaler Veranstaltungen betrifft. Wir haben demnächst eine Bewerbung für die alpinen Skiweltmeisterschaften im Bereich Dachstein-Tauern-Region vorzubereiten. Ich hoffe, dass der 2. Juli für Österreich erfolgreich sein wird, wenn es in Prag zur Ver­gabe der Olympischen Winterspiele für 2010 kommt. Die Vorbereitungen für die Euro-


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pameisterschaft 2008 laufen hervorragend. Unsere Vorbereitungsprojekte werden in­ternational sehr beachtet. „Challenge 2008“ wird international nicht nur beachtet, son­dern auch nachgemacht.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir mit Ihnen gemeinsam Sportpolitik machen, die in­ternationale Anerkennung gefunden hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

14.16

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Felzmann. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


14.16

Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Dame und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie zum Thema Kunst zurückführen. Ich möchte kurz eine Bemerkung an die Adresse der Kollegin Glawischnig richten: Sie hat unseren Ruf im Ausland angesprochen. Sie ist jetzt leider nicht im Saal, ich darf daher ihre Kollegen ersuchen, ihr Folgendes aus­zurichten: Wir haben sehr viele unterschiedliche große Aktivitäten im Ausland. Ich darf Sie auf die „design now“, auf die große Design-Veranstaltung, die in Japan und in New York stattgefunden hat, hinweisen. Wir wurden dort großartig empfangen. Es findet demnächst in Paris die Architekturausstellung statt. All das sind Dinge, auf die wir sehr stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn die Grünen wirklich Interesse daran haben, zu kooperieren, was das Thema Kultur und Kunst betrifft, dann rege ich an, dass Sie sich auch ein bisschen von diesem Irrglauben lösen, dass das Ihr Thema ist, dass Sie dieses Thema gepachtet haben. Das haben Sie nicht, genauso wenig wie die Themen Bildung, Innovation oder Techno­logie. Wie gesagt: Wir sind bereit, mit Ihnen zu kooperieren!

Nun einen Satz zu den Ausführungen von Kollegin Muttonen, die von „Umverteilungs­aktion“, von „Staub aufwirbeln“ gesprochen hat. Meine persönliche Meinung dazu ist: Wenn man eher der Starrheit verpflichtet ist, dann ist das, was wir machen, natürlich ziemlich unbequem. Natürlich bewegen wir uns, natürlich setzen wir Schwerpunkte. Aber Ihre Performance in den letzten Wochen war nicht besonders kreativ, wenn ich das so sagen darf, daher räume ich auch ein, dass Sie mit dem Thema Kreativität nicht so viel am Hut haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sagen: Der Wettbewerb von morgen wird auf dem Feld der Kreativität gewonnen!, und das wusste Staatssekretär Morak schon vor vielen Jahren. Er hat diesen Weg be­schritten und ihn auch nicht verlassen. Wir brauchen diesen Weg der Kreativwirtschaft. Bitte, fürchten Sie sich nicht, dass von den öffentlichen Kunstförderungen etwas weg­genommen wird. Kreativwirtschaft heißt ein Nebeneinander, ein Miteinander der ver­schiedenen Bereiche. Zu den Kreativen zählen nicht nur Künstler, sondern dazu gehö­ren auch Architekten, Designer, Multimedia-Agenturen, all jene, die primär den Wert oder ihren Output durch Ideen schöpfen und generieren können.

Einer der Schwerpunkte der Kreativwirtschaft und des Weges des Staatssekretärs Morak war und ist der Bereich der Filmwirtschaft, und es gibt jetzt – Sie alle haben es heu­te schon gehört – den Digitalisierungs- und Filmförderungsfonds. In der operativen Umsetzung wurde hier einer der Schwerpunkte gesetzt.

Erstmals ist es nun gelungen, Gelder, die bisher in das allgemeine Budget zurückge­flossen sind, im Sinne des österreichischen Medien- und Kulturstandortes diesem Fonds zur Verfügung zu stellen.

Neben diesem Fonds finden zahlreiche andere Aktivitäten zum Thema der Kreativwirt­schaft statt – ich erwähne etwa die Wirtschaftskammer Österreich, die Arbeitsgemein-


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schaft Kreativwirtschaft, auf Landesebene, auf Bezirksebene –, und all diese Aktivitä­ten haben eines gemeinsam: Es gilt, Österreich als Kreativstandort zu etablieren.

Wir sehen uns als wirtschaftliche Drehscheibe in einem geeinten Europa. Wir haben die Wirtschaft auf der einen Seite, und wir sind auch eine Weltkulturstadt, in der es Museen, Galerien, eine wirkliche Fülle von kulturellen Angeboten gibt. Die Kombinati­on, die Zusammenführung, die Verschränkung von beidem führt zu einer höheren Wertschöpfung, zu mehr Arbeitsplätzen und auch zu einem verstärkten Wirtschafts­wachstum. Das haben wir in England gesehen.

Im Juli, wenn dann der erste österreichische Kreativwirtschaftsbericht vorliegt, werden wir, davon bin ich überzeugt, die Österreicher verstärkt sensibilisieren können, diesen Weg weiter zu gehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr erhält Herr Abgeordneter Dr. Jarolim das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


14.21

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Felzmann, dass wir die Tätig­keit dieser Regierung mit positiver Kreativität nicht in Zusammenhang bringen können, wird Sie bei genauerer Betrachtungsweise nicht erstaunen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Niederwieser: Bravo!) – Es liegt mir sehr am Herzen, darauf hinzuweisen.

Ich möchte auch auf etwas anderes hinweisen. Kollege Scheuch – er ist jetzt nicht im Saal – hat vorhin einen Zwischenruf getätigt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch gibt seine An­wesenheit ganz hinten im Saal zu erkennen.) – Sie sind doch im Saal, Herr Scheuch. Sie haben einen Zwischenruf getätigt, und zwar etwas in der Richtung: Unterstützen wir nicht die Juden, unterstützen wir doch die Bergbauern! – Vielleicht habe ich Sie falsch verstanden, vielleicht habe ich das nicht richtig gehört, Herr Kollege. Oder viel­leicht haben die anderen Kollegen gehört, was Sie gesagt haben.

Ich möchte das jetzt nicht emotionalisierend erwähnen, sondern ich ersuche Sie: Kommen Sie bitte hier heraus und stellen Sie das richtig! Geben Sie eine Erklärung dazu ab! Ich glaube, dass eine solche Äußerung mit der Würde dieses Hauses nicht in Einklang steht. Aber vielleicht haben Sie sich nur versprochen. Ich bitte Sie, stellen Sie das richtig, das ist meine aufrichtige Bitte an Sie! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Posch: Der Herr Präsident ...!)

Wenn wir zu den Obersten Organen sprechen, dann ist es auch notwendig, sich mit der Frage des Verhältnisses der Obersten Organe zueinander auseinander zu setzen und auch mit der Einstellung, die im Rahmen des Diskurses hier gepflegt wird. Es wur­de hier eine Diskussion eingeleitet, die gerade im Zusammenhang mit der Entwicklung des österreichischen Konvents, der zukünftigen Verfassungslandschaft, sehr wichtig ist. Der Präsident dieses Hauses hat sie eingeleitet.

Präsident Khol hat im Zusammenhang mit der Stellung dieses Gremiums, des Natio­nalrates, zum Bundespräsidenten den Standpunkt vertreten, es gäbe hier eine Menge von „Verfassungsschotter“. – Ich möchte dieses Wort nicht qualifizieren, und ich möch­te auch nicht beurteilen, ob es angemessen oder nicht angemessen ist, verfassungs­rechtliche Regelungen – noch dazu als Universitätsprofessor – als „Verfassungsschot­ter“ zu qualifizieren.

Ich möchte mich nur damit auseinander setzen, was hier eigentlich zum Ausdruck ge­bracht werden soll, und in welcher Art und Weise hier von einem prominenten Vertreter der größten Partei dieses Landes, vom Vorsitzenden dieses Hauses, mehr oder weni­ger richtungweisend – oder, wie ich meine, hoffentlich nicht richtungweisend – zukünf-


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tige Entwicklungen angedeutet werden. (Ruf bei der ÖVP: Das ist Interpretations­sache!)

Sie wissen genau: Wir haben die Stellung des Bundespräsidenten der Verfassung von 1929 zu verdanken. Die Sozialdemokratie war es, die über die Jahre in einer Reihe von Beiträgen die Stellung des Bundespräsidenten – das Machtgefüge, den Hinter­grund, die Frage des Parlamentarismus und die Stellung dieses Hauses – immer wie­der angeschnitten und immer wieder auch die Frage zur Diskussion gestellt hat: Braucht es hier einen derartigen Bundespräsidenten?

Insofern erachte ich eine Diskussion – wenngleich vielleicht unter Verwendung anderer Worte als „Verfassungsschotter“ – an sich als angebracht. Ich erachte sie nur als rela­tiv unredlich, wenn das, was hier zum Bundespräsidenten gesagt wird, eigentlich nicht im Einklang zu den Dogmen und Hintergründen steht, die sonst die Verfassungsände­rung von 1929 gekennzeichnet haben.

Sie wissen, meine Damen und Herren, es hat damals eine Auseinandersetzung gege­ben, die davon geprägt war, dass insbesondere die österreichischen Heimwehren rela­tiv stark gegen die Stellung des Parlaments aufmunitioniert haben, dass sie zwar von einer so genannten wahren Demokratie gesprochen, in Wirklichkeit aber das Anliegen vertreten haben, die Demokratie einzuschränken. Dem Buch Walter/Mayer „Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts“ entnehmen wir, dass dies eine stän­destaatliche Art war, die Macht des Parlaments auszuschalten.

Herr Präsident Khol! Wenn ich mir eine Reihe von Erklärungen anschaue, die von Ihnen und Vertretern der Regierung – auch vom Bundeskanzler – in der letzten Zeit ab­gegeben worden sind, dann erkenne ich eine Entwicklung, die international, so würde ich meinen, im höchsten Ausmaß beklemmend ist. Ich wäre im Ausland nicht stolz dar­auf, dass wir überhaupt eine derartige Diskussion führen.

Ich würde im Inland appellieren, hier doch zu einer Art und Weise der Diskussion zu­rückzukehren, bei der man sehr offen sagt, was man eigentlich will. Herr Präsident Khol, Sie wissen jedenfalls, was ich meine. Wir haben in der letzten Zeit eine Fülle von Entwicklungen und Erklärungen, die ganz einfach aus dem Material des Ständestaates entliehen sind, und ich denke, dass wir das nicht notwendig haben.

Ich sage es nur kurz, weil meine Redezeit schon fast abgelaufen ist: Dass in einer Kir­che eine politische Rede gehalten wird, ist neu. Gott in die Verfassung hineinzuneh­men, ist ein ständestaatliches Relikt, das in einer modernen Demokratie nichts verloren hat! (Beifall bei der SPÖ.) Ich füge hinzu: bei allem Respekt vor der Religion, meine Damen und Herren – ich betone: bei allem Respekt, damit ich hier nicht missverstan­den werde!

Wenn ich daran denke, dass hier im Hause vor kurzem noch ein Buch über Engelbert Dollfuß vorgestellt wurde, das mit einem nahezu – Herr Präsident, ich habe es so emp­funden – verherrlichenden Vorwort von Ihnen eingeleitet wird, dann gebe ich zu be­denken, dass es sich dabei um jenen Engelbert Dollfuß handelt, der der Demokratie dieses Landes den Todesstoß versetzt hat, der durch die Beschießung von Gemein­debauten und durch einen auch im strafrechtlichen Sinn durchgeführten Arbeitermord der Geschichte dieses Landes eine traurige Prägung gegeben hat!

Wenn Dollfuß von Ihnen ein würdiges, ehrenvolles Redegeleit erhält, und gleichzeitig immer noch sein Bildnis bei Ihnen – Sie entschuldigen, dass ich das wiederhole – im Klub hängt, dann meine ich: Gehen Sie in sich, Herr Präsident! Gehen Sie in sich, mei­ne Damen und Herren von der ÖVP, und räumen Sie endlich mit Ihrem Geschichtsver­ständnis auf! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

 


14.28


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Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim! Ich kann Ihnen im Vor­sitz nicht darauf antworten. Ich werde Ihnen aber antworten, wenn wir das Gesetz über den Österreich-Konvent am Abend des 18. Juni diskutieren, denn dann werde ich nicht den Vorsitz innehaben. Ich werde mich dann zu Wort melden und Ihnen entgegnen. (Abg. Mag. Stoisits: Das freut uns!)

Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Regler zu Wort gemel­det. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


14.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst zu Ihnen, Herr Dr. Jarolim. Erstens: Ein Rollentausch ist oft nicht ganz so ungewöhnlich. Mir hat einmal jemand, der bei einer politischen Rede zugehört hat, ge­sagt: Es verkehrt sich alles: Die Politiker predigen, und die Pfarrer politisieren. – Das weiß auch Ihre Partei, offenbar nicht ohne Anlass.

Zweitens: Herr Präsident Khol hat keineswegs die Funktion des Bundespräsidenten in Frage gestellt, wie das früher einmal von Professor Welan  getan wurde, sondern ledig­lich einige seiner Befugnisse, wobei man sich überlegen muss, ob nicht damals, bei der so genannten Selbstausschaltung des Parlamentes im Jahr 1933, ein Eingreifen des Bundespräsidenten hätte erfolgen sollen. Es ist leider nicht erfolgt. Bei einer Inan­spruchnahme seiner Kompetenzen hätte großer Schaden abgewendet werden kön­nen. – Man muss sich, glaube ich, sehr genau überlegen, welche Kompetenzen man wegnimmt und welche nicht.

Zu den Obersten Organen möchte ich einen Punkt ansprechen, und zwar den Verwal­tungsgerichtshof. Ich möchte mich dabei auch an den Herrn Präsidenten des Rech­nungshofes in seiner Funktion als Vorsitzender des Österreich-Konvents wenden.

Wir haben im Zusammenhang mit dem Jahresbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2002 gehört, der VwGH sei heillos überlastet, er sei nicht mehr in der Lage, die Rückstände abzubauen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Ös­terreich bereits mehrfach wegen überlanger Verfahrensdauer vor dem VwGH gerügt. Die Erledigung der Beschwerden gegen Bescheide dauerte im Jahr 2002 im Durch­schnitt etwas über 21 Monate.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Budget, das wir in diesen Tagen beschließen, ist zwar der Personalaufwand für den VwGH etwas gestiegen, aber die Planstellen in diesem Bereich sind offenbar nicht ausreichend.

Ich selbst habe gehofft, dass durch die Schaffung der Unabhängigen Verwaltungsse­nate in den Ländern die Zahl der Beschwerdefälle, die zum VwGH kommen, etwas abnehmen wird, diese Hoffnung hat sich aber nicht erfüllt. Ich glaube daher, dass es unbedingt notwendig ist, auch in den Ländern Verwaltungsgerichtshöfe einzuführen.

Ich weiß, es gibt das Bedenken, dass dann die Rechtsprechung auseinander läuft, aber ich glaube, dass dem Verfassungskonvent, der sich sicher auch damit beschäfti­gen wird, etwas einfallen wird, damit die Verwaltungsgerichtshöfe in den Ländern aus­reichende Kompetenzen haben und nicht mehr alles zum Bundes-Verwaltungsgerichts­hof kommt, wir aber trotzdem eine einheitliche Rechtsprechung erhalten. Ich glaube, da können wir vielleicht auch in Deutschland einige Anleihen nehmen, wo ein der­artiges System funktioniert.

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist der Medienbereich. Es ist schon von Andrea Wolfmayr gesagt worden, dass wir im Budget 15 Millionen € für die Förde­rung der Verbreitungstechnik im digitalen Bereich und für die Fernsehfilmproduktion zur Verfügung haben. Ich finde, das ist ein erheblicher Fortschritt, der hier erreicht wurde.


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Wichtig erscheint mir auch, dass im Privatfernsehgesetz eine Änderung erfolgt ist, zu der wir gestern ja gesagt haben. Nunmehr können auch Testbetriebe und Pilotversu­che, die noch nicht ausgestrahlt wurden, gesendet werden, womit ein Zusatznutzen für den Fernseher entsteht.

In diesem Zusammenhang freut mich Folgendes ganz besonders: Sie wissen, am 1. Juni ist das ATV, das erste bundesweite terrestrische private Fernsehprogramm, auf Sendung gegangen. Das war mir in meiner beruflichen Tätigkeit immer ein ganz be­sonderes Anliegen, und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass im Juli 2001 das Gesetz für das private terrestrische Fernsehen geschaffen wurde und dass wir – Staatssekretär Morak hat es schon erwähnt – nach Albanien als letzter Staat in Europa diesen sicherlich wichtigen Schritt getan haben.

Noch etwas zur Fernmeldegebührenordnung. Es sind hier einige Klarstellungen hin­sichtlich des Pflegegeldes und der Pflegegeldbezieher erfolgt. So wurde festgelegt, dass das Pflegegeld bei der Befreiung von der Fernmeldegebühr und damit auch von der Rundfunk- und Fernsehgebühr nicht auf die Höhe des Haushaltsnettoeinkommens angerechnet wird. Leider muss jedoch künftig auch von den Pflegegeldbeziehern der Nachweis der Bedürftigkeit erbracht werden. Mir ist schon klar, dass dies eine gewisse soziale Symmetrie darstellt, aber wir sollten uns doch damit befassen, ob nicht für Pflegegeldbezieher eine administrative Vereinfachung geschaffen werden kann.

Zum Rundfunkgebührengesetz: Ich durfte gestern schon lobend erwähnen, dass jetzt auch die Studentenheime und Schülerheime von den Rundfunkgebühren befreit sind.

Sehr sinnvoll ist auch die neue Regelung für Zweitwohnungsbesitzer, weil nunmehr eine saisonale Meldung abgegeben werden kann und es daher nicht mehr notwendig ist, zwei Mal volle Gebühren zu bezahlen. – All das sind Erfolge, die diese Regierung erreicht hat, besonders mit Staatssekretär Franz Morak. (Beifall bei der ÖVP.)

14.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. Die Uhr ist auf 5 Minuten eingestellt. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


14.35

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, dass ich mich eingangs namens meiner Fraktion, aber auch persönlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofes, der Volksanwaltschaft, aber vor allem, meine geschätzten Damen und Herren, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion und der Klubs für ihre ausgezeichnete Leistung und Unterstützung sehr herzlich bedanke! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der öffentliche Dienst, die öffentlich Bediens­teten unserer Republik, unserer Heimat, leisten hervorragende Arbeit von hoher Quali­tät. Das war und ist ein wichtiger Beitrag – ich kenne diese Aussagen auch von Seiten der Wirtschaft – auch hinsichtlich der Standortfrage unserer Heimat.

Gestatten Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch heute im Rahmen der Budgetdebatte darauf hinzuweisen, dass man sehr oft die Kolleginnen und Kolle­gen des öffentlichen Dienstes in der politischen Diskussion und auch in der Öffentlich­keit ausschließlich als Kostenfaktor darstellt. Ich habe hier bereits mehrmals in Debat­ten darauf hingewiesen, dass diese Kolleginnen und Kollegen Menschen sind, Freun­dinnen und Freunde von vielen auch hier im Saal! (Zwischenruf.) Meine Damen und Herren! Darüber könnten wir einmal diskutieren. Das wäre schön, aber es ist halt leider nicht so. – Dort hinten sitzt (in Richtung des Abg. Neugebauer) der Fritz, diskutiert das untereinander aus!


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Ich meine, wir sollten der Kollegenschaft im öffentlichen Dienst, die einen wertvollen Dienst für unsere Heimat leistet, wieder Sicherheit bieten und sie nicht ununterbro­chen in politischen Auseinandersetzungen weiter verunsichern!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es legitim ist, dass bei neuen Regierungen immer wieder Kompetenzverschiebungen stattfinden: Stellen Sie sich einmal vor, wie das ist, wenn ganze Sektionen hin und her geschoben werden – ich habe das erst vor einigen Wochen hier gesagt –, wenn Hunderte Menschen, Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter sich auf einmal ganz woanders wieder finden, auf ganz ande­ren Arbeitsplätzen.

Das ist zwar formal in Ordnung, aber ich glaube, wir alle gemeinsam haben die Aufga­benstellung, im weitesten Sinne des Wortes auch als Dienstgeber zu fungieren. Dienstgeber ist zwar die Bundesregierung, aber wir schaffen hier als Gesetzgeber den gesetzlich notwendigen Rahmen. Wir haben auch eine entsprechende Sorgfaltspflicht walten zu lassen und ganz einfach auch ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es dem Bundeskanzler schon im Budgetausschuss gesagt: Ich halte es für richtig, dass die Kompetenzen für den öffent­lichen Dienst wieder in das Bundeskanzleramt zurückgekommen sind. Sie von den Regierungsparteien haben uns im Jahr 2000 erzählt, dass es das Allerwichtigste auf der Welt ist, dass man dafür ein neues Ministerium mit eineinhalb Sektionen schafft! Damals war das Nulldefizit das Credo – das war sakrosankt. Heute ist es nicht mehr sakrosankt, und Gott sei Dank sind die Kompetenzen wieder zurück im BKA! Ich sage das in aller Deutlichkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber wir haben noch eine Problematik, und ich bin mit meiner Meinung nicht allein. Auch fraktionsübergreifend wird diese Meinung vertreten. In Zeiten, in denen es auf dem Arbeitsmarkt ohnehin schwierig ist, muss man sich überlegen, ob es wirklich ratsam ist, Tausende Planstellen wegzurationalisieren, teilweise sogar mit großer Freude! Zu Recht hat der Bundeskanzler schon im Budget­ausschuss darauf hingewiesen, dass am enormen Arbeitsaufwand in erster Linie wir als Kollektiv schuldig sind. Bei dieser steigenden Gesetzesflut muss man sich einmal überlegen, ob man in dieser Richtung weitermacht, denn auf diese Weise produzieren wir eigentlich, wenn wir Rechtssicherheit wollen, die Arbeit.

Dafür können die öffentlich Bediensteten aber nichts, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann man sich untereinander vielleicht erzählen, aber hier sollten wir die öffentlich Bediensteten wirklich in Ruhe lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Bitte wäre also, wenn wir in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes – ich möchte jetzt nicht alles wiederholen, was wir in dieser Woche ohnehin schon diskutiert haben –, alle Reformen durchführen, die gestern beschlossen worden sind, dann wird das auch zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit beziehungsweise der Armut führen. Ich bitte Sie, Folgendes zu überlegen – das ist heute noch nicht angesprochen worden, aber ich spreche es an –: Der Dienstgeber Bund hat, wie ich meine, die Verpflichtung, Lehrlinge einzustellen. Es war vor Jahren eine wichtige Einführung, dass wir auch Lehrlinge eingestellt haben.

Wenn ich mir heute anschaue, in welchem Bereich der Bund noch Lehrlinge beschäf­tigt, muss ich sagen, nach meinem Dafürhalten drückt sich der Arbeitgeber Bund auch vor dieser im Interesse unserer Jugend so wichtigen Maßnahme. Ich meine, auch die Gebietskörperschaften sollten ihren Beitrag dazu leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich kenne die Diskussionen schon sehr lange. Wir haben schon vor Ihrer Tätigkeit in der Bundesregierung miteinander diskutiert, Herr


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Staatssekretär, auch auf einer anderen Ebene, und ich denke, wir wissen beide, wovon wir hier sprechen und was wir meinen; so würde ich das einmal zum Ausdruck bringen. Ich würde aber wirklich einmal dringend an alle appellieren, dass wir, wo wir immer von Gerechtigkeit sprechen – und ich habe mir diesen Entschließungsantrag nicht nur ge­nau durchgelesen ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist zwar eine freiwillige Begrenzung, aber Ihr Ordner wird schon unruhig.

 


Abgeordneter Otto Pendl (fortsetzend): Ich möchte nur Folgendes feststellen: Wenn wir gemeinsam – und ich werde die Diskussionen, die heuer im Herbst noch kommen werden, genau verfolgen – im Sinne eines modernen Rechtes, eines harmonisierten Rechtes – und das ist aus meiner Sicht unbedingt notwendig! – auch über Lebenszeit­modelle, über Arbeitszeitmodelle diskutieren, dann darf eines nicht passieren: dass man vielleicht in jungen Jahren im Aktivleben nichts mehr verdient, alles fokussiert auf das Ende einer Laufbahn und dort auch noch absenkt! – Das, meine Damen und Her­ren, wird sicher mit der sozialdemokratischen Fraktion nicht möglich sein. (Beifall bei der SPÖ.)

14.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mikesch wunsch­gemäß 4 Minuten zu uns. – Bitte.

 


14.42

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Meine sehr verehrten Damen und Herren der Obersten Organe! Dem Sport kommt in unserer Freizeitgesellschaft eine immer größer werdende Bedeutung zu, und dieser Bedeutung wird unsere Bundesregierung im Wege der Sportförderung gerecht. Mit der Aufstockung der Mittel der Sportförderung um 1,5 Mil­lionen €, mit einer speziellen Ausrichtung auf den Behindertensport, zeigt diese Bun­desregierung, dass sie den Sport sehr ernst nimmt.

Weiters sollen mit diesen Mitteln vor allem der Schulsport sowie frauenspezifische Maßnahmen im Sportbereich gefördert werden.

Immerhin beträgt das Gesamtsportbudget für die Jahre 2003 und 2004 122,7 Millio­nen €. Wir haben in Österreich 12 300 Sportvereine mit 2,5 Millionen Mitgliedern. Die gemeinnützigen Vereine und Verbände sind die wichtigsten Säulen des Sports. Ich möchte hier von dieser Stelle aus auch einmal danke sagen an all die vielen Men­schen, die viele freiwillige Stunden in die Vereine und Verbände einbringen, um diese mit Leben zu erfüllen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Öfter als einmal pro Woche betreiben 1,5 Millionen Menschen in Österreich Sport. Brächte man die 60 Prozent sportlich Inaktiven dazu, wenigstens einmal pro Woche Sport zu betreiben, wären Einsparungen von über 800 Millionen € im Gesundheitsbe­reich möglich.

Sport, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat eine enorme wirtschaftliche Be­deutung in unserem Land. Die Vernetzung von Sport und Wirtschaft wird immer enger. Der Markt für Sportartikel, Sportdienstleistungen und Sportstätten-Bau wächst und schafft damit neue Arbeitsplätze. Sportbekleidung und Sportgeräte unterliegen einer ständigen modischen und technischen Weiterentwicklung, und damit gibt es auch im­mer wieder neue Möglichkeiten für die Wirtschaft. Auch unsere erfolgreichen Sportle­rinnen und Sportler sind interessante Werbeträger, die wir sehr gerne nützen.


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Immerhin sprechen wir im gesamten Sportbereich von einer Wertschätzung von 5,43 Milliarden € pro Jahr, das sind 2,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, und von einem Beschäftigtenanteil von 2,6 Prozent.

Sport, meine Damen und Herren, hat aber auch eine Schattenseite, und das sind die Freizeitunfälle. Laut einer Studie betragen die Kosten, die aus sportbedingten Krank­heitsfällen entstehen, immerhin rund 300 Millionen €. Da sind wir bei einem Punkt, der mich als Unternehmerin trifft.

Es ist eine gute Lösung, dass an Stelle einer flächendeckenden Senkung der Unfall­versicherungsbeiträge, die nur marginal gewesen wäre, speziell für Klein- und Mittelbe­triebe die Regelung geschaffen wurde, dass Unternehmen bis 50 Mitarbeiter 50 Pro­zent der Entgeltfortzahlung bei Sport- und Freizeitunfällen rückerstattet bekom­men. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wird aber aus meiner Sicht in Zukunft trotzdem notwendig sein, dass die Menschen, die Sport betreiben, mehr Eigenverantwortung übernehmen. Meine Damen und Her­ren! Stellen Sie sich vor, was es für einen Betrieb mit zehn Mitarbeitern, der Lieferter­mine und Zahlungsverpflichtungen einhalten muss, bedeutet, wenn einer seiner Mitar­beiter wegen eines Kreuzbandrisses für Wochen ausfällt.

Großveranstaltungen wie die Fußball-Europameisterschaften wurden nach Österreich geholt, andere stehen noch vor der Entscheidung. Damit wurde und werden weitere, sehr wichtige wirtschaftliche Impulse eingeleitet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

14.46

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prähauser. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


14.46

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Kollegin Mikesch hat jetzt deutlich gemacht, wo die Unterschiede in der Auffassung zum Sport von Regierungsparteien und Sozialdemo­kratischer Partei liegen. Sie hat das Wirtschaftspolitische vorangestellt und hat gleich­zeitig als Unternehmerin die vielen Sportunfälle, die zu immensen Ausfällen in Ihrem Privatbetrieb geführt haben, bedauert.

Meine Damen und Herren! Wir sehen den gesundheitspolitischen, den zwischen­menschlichen Aspekt als herausragend für den Sport, als wichtig, das andere ist eine natürliche Abfolge davon. Wenn wir all jene Arbeitsstunden entlohnen könnten, die deshalb besser abgewickelt wurden, weil die jungen Menschen, die Menschen, die Sport betreiben, die Männer und Frauen, die sich täglich in frischer Luft bewegen, mehr Kreativität, mehr Kraft eingebracht haben, dann, glaube ich, würde der wirtschaftliche Verlust durch einen Ausfall nicht so dramatisch sein, Frau Kollegin Mikesch!

Für uns ist es natürlich wichtig, dass der Sport jene Ressourcen hat, die er braucht. Wenn man sich das Budget anschaut – natürlich ist ein Budget eine Frage des Habens und des Ausgebens –, muss man sagen, es zwickt an allen Ecken und Ende, weil, wie wir glauben, die Regierung das Geld an falschen Stellen ausgibt. Nicht der Sport allein sollte als Leidtragender daraus hervorgehen.

Ich möchte einen Vorschlag wiederholen: Wenn wir schon nicht in der Lage sind, Ver­eine, Sportorganisationen, Dachverbände, Fachverbände staatlich entsprechend zu unterstützen, dann sollten wir doch die Kreativität der Fachverbände nutzen und diesen die Möglichkeit einräumen, selbst dafür zu sorgen, zu Mitteln zu kommen. Ich mache daher noch einmal den Vorschlag, den ich schon wiederholt vorgebracht habe: Es gibt


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die Möglichkeit, mittels ORF, Sportarten an die Öffentlichkeit heranzubringen – ich möchte gar nicht sagen Randsportarten, sondern Sportarten, die von ORF-Journalisten halt nicht so geliebt werden wie Trial zum Beispiel oder Autorennen; es gibt auch ande­re, die die Menschen interessieren – und einer breiten Zuseherschicht vorzuführen, wodurch das Interesse für diese Sportarten geweckt werden könnte.

Wer weiß zum Beispiel, was Softball ist? Ich habe es nicht gewusst, ich weiß nur, dass es olympisch ist. Wie viele österreichische Mannschaften es in Softball gibt, wird man wahrscheinlich nicht schwer erraten – ganz wenige bis gar keine! Das ist aber eine sportliche Betätigung, an der zum Beispiel in Amerika, in Asien, in Afrika gerade Frau­en sehr viel Freude haben.

Auf der anderen Seite haben wir Sportarten und Sportverbände, wie etwa den Schi­sportverband oder den Fußballverband, die durch Werbeverträge auch Eigenmittel ent­sprechend lukrieren können, aber Verbände wie Ringen, Bogenschützen (Zwi­schenruf bei der SPÖ), Jiu-Jitsu, genau, haben diese Möglichkeiten nicht. Wenn man an das Fernsehen herantritt und bittet, vielleicht ein paar Minuten etwa von großen Veranstal­tungen in Österreich, wo sich unsere Sportler für Europameisterschaften, für Weltmeis­terschaften qualifizieren müssen, zu übertragen, stößt man auf taube Ohren. Natürlich ist dann das Lukrieren von Werbegeldern, von Sponsorengeldern für solche Veranstal­tungen sehr schwierig. Wenn man nicht einmal ein Zeitungsinserat schalten kann oder eben im Fernsehen ein paar Werbesekunden bekommt, dann hat man auch in der Öffentlichkeit wenig Verständnis, und es kommt auch kein Geld in die Kassen.

Wir haben genug Funktionäre und Funktionärinnen mit Verbindungen, die nicht der Werbewirtschaft schaden würden, wenn sie Geld lukrieren für die Vereine, für die sie eintreten. Übrigens danke, Frau Mikesch, für das Lob für die ehrenamtlichen Funktio­näre; ich fühle mich hier auch angesprochen. Wir haben Kontakte genug, um Wirt­schaftsunternehmen zu bitten, uns zu unterstützen, nur sollte es von uns auch eine Gegenleistung geben.

TW1 wäre eine gute Möglichkeit, Sportveranstaltungen ins Fernsehen zu bringen. Ta­geszeitungen, die zum Beispiel öffentliche Gelder über die Presseförderung lukrieren, könnte man verpflichten, auf entsprechende Veranstaltungen hinzuweisen. Der Staat hätte den Vorteil, den Fachverbänden weniger Geld geben zu müssen oder dabei zu bleiben, und die Fachverbände könnten sich das noch Notwendige selbst erarbeiten.

Danken würden uns das die jungen Menschen, die von der Straße wegbleiben, danken würden uns das Unternehmer wie etwa Frau Mikesch, die gesunde Arbeitskräfte ha­ben, und wir alle würden uns freuen, weil der Staat dadurch auch bei den Gesund­heitsausgaben sparen dürfte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.51

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Dame, werte Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte mich zu einem Thema, das heute etwas umrissartig besprochen worden ist, äußern, und zwar zum Österreich-Konvent. Wir wissen, dass sich alle in diesem Haus vertretenen Fraktionen dazu bekannt haben, einen Österreich-Konvent mit dem Ziel, durch eine Verfassungsreform vielleicht auch grundlegende Änderungen durchzuführen, einzurichten und somit eine Diskussions­plattform aufzubauen, um eben eine Verfassungsreform zu erarbeiten.

Als Maßnahme der neuen Bundesregierung zur Vorbereitung einer nachhaltigen Opti­mierung und Modernisierung der Verwaltung, nicht nur der Verwaltung, sondern auch


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des gesellschaftlichen Lebens, ja auch des Wirtschaftslebens, ist die Einsetzung eines Konvents gut getroffen. Ich wünsche Herrn Präsidenten Fiedler zu dieser verantwor­tungsvollen Aufgabe, die er sicher auch sehr kompetent bewältigen wird, alles Gute. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ohne unserem Präsidenten vorgreifen zu wollen: Die Verfassung braucht meiner Mei­nung nach nicht neu geschrieben zu werden, aber sie bedarf zumindest einer Erneue­rung, um dem 21. Jahrhundert gerecht zu werden. Es geht dabei auch darum, die Kompetenzen der Europäischen Union, des Bundes, der Länder und auch der Ge­meinden zu artikulieren. Wir sind bekennende Europäer, wir wissen aber auch um die Stärken unserer Regionen. Deshalb ist es notwendig, auch den Föderalismus, die Länder- und die Gemeindeautonomie entsprechend zu vertreten und vielleicht auch klare Abgrenzungen zu finden im Hinblick auf einen Finanzausgleich, der den Regio­nen und den Ländern zu Gute kommen sollte.

Meine Damen und Herren! Es müssen natürlich auch budgetär Voraussetzungen ge­schaffen werden, es müssen Mittel zur Verfügung gestellt werden, Mittel auch für die Gemeinden und Länder für die Daseinsvorsorge und für die öffentlichen Dienstleistun­gen, weil nämlich die Daseinsvorsorge Bestand haben muss und vielleicht auch aus­gebaut werden sollte, und zwar in der Form, dass die Verwaltung bei den Regionen bleibt, dass die Verwaltung bei den Gemeinden beziehungsweise den regionalen Ge­bietskörperschaften bleibt. Sie darf nicht aus der Hand gegeben werden – das ist ein Credo von mir –, vor allem nicht in ausländische Hände, um vielleicht kurzfristig Steu­ervorteile zu erzielen, aber dann einer ungewissen Zukunft entgegenzugehen. Sichern wir diese Dinge ab! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Gaßner.)

Lassen Sie mich auch kurz auf ein Thema zu sprechen kommen, das Kollege Jarolim erwähnt hat. Ich bekenne mich als regionaler Politiker zu meinen Wurzeln, die einem christlichen Wertedenken entspringen. Und dieses christliche Wertedenken, das sage ich ganz offen, ist für mich Gottergebenheit und natürlich auch Gottverbundenheit. Ös­terreich, unser aller Heimat, hat seinen Bestand auf den Wurzeln des christlichen Wer­tedenkens aufgebaut, denn Parameter wie Achtung der Menschenrechte, der Freiheit, der Demokratie, eine nachhaltige Entwicklung und das Streben nach dem Gemeinwohl sind, meine ich, Fundamente des christlichen Wertedenkens.

Die familienpolitischen Leistungen dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren, tragen diese Handschrift. Ich sage Ihnen, Herr Dr. Jarolim: Das einfache Kreuz auf die Stirn, den Mund und die Brust eines vielleicht dreijährigen Kindes durch die Mutter, durch den Vater oder sonstigen Erziehungsberechtigten wird diesem Kind in seinen späteren Jahren bei der Bewältigung seiner Aufgaben als Jugendlicher oder auch als Erwachsener weiterhelfen. Glauben Sie mir das! Geld allein macht nicht glücklich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Scheuch zu Wort gemeldet. Sie kennen die Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werter Herr Präsident des Rechnungsho­fes! Herr Abgeordneter Jarolim hat gesagt, ich hätte gesagt, wir sollen den Juden kein Geld geben, sondern es lieber den Bergbauern zur Verfügung stellen. – Diese Aussa­ge ist unrichtig!


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Ich habe in meinem Zwischenruf lediglich bemerkt (Abg. Brosz: Das ist unwichtig!), dass es für mich als Agrarsprecher auch sehr wichtig ist, die Bergbauern zu unterstüt­zen. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass das in keiner Weise irgendeine antisemiti­sche oder auch nur annähernd antisemitisch gemeinte Aussage war! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Brosz: Aber wörtlich!)

14.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich habe mir das Stenographische Protokoll verschafft, weil ich diesen Zwischenruf auch als missverständlich interpretiert habe. Wäre er anti­semitisch gemeint, wäre er mit der Würde des Hauses nicht vereinbar. Ihre Klarstel­lung, Herr Abgeordneter Scheuch, ist hiemit von mir zur Kenntnis genommen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


14.57

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Werte Damen und Herren Mit­glieder der Regierung! Herr Präsident des Rechnungshofes! Lieber Herr Staatssekre­tär! Alle Financiers, alle Mitfinanciers und letztlich der Rückfluss, das heißt die Sekun­därmarktrendite oder die vermeintlichen Gewinne aus diesen Events – so kann man natürlich leicht ein Milliardenbudget darstellen (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Mil­liarden!), ein 3-Milliarden-Budget darstellen.

Du hast in deinen Ausführungen auch die Entwicklungen im Schulsport, im Spit­zen­sport, im Breitensport, aber letztlich auch die ganz großen Veranstaltungen wie die Teilnahme an den Europameisterschaften, die Bewerbungen um die Olympiaden für dich vereinnahmt. Das, muss ich sagen, müssen wir schon richtig stellen. In Wirklich­keit sind die Initiatoren dieser Bemühungen um die Teilnahme an solchen Großveran­staltungen die Regionen.

Die Regionen wissen um ihre touristische Stärke, und sie wissen auch, dass ein ge­wisser Rückfluss in wirtschaftlicher, aber auch in werbewirksamer Hinsicht eintreten wird. Und diese Regionen – ich war in der Steiermark bei der Bewerbung um die Olym­piabeteiligung selbst dabei – müssen auf Knien den Staat um ein paar Cent, um ein paar Euro bitten. Erst dann, wenn diese Großveranstaltungen eröffnet werden, sehen wir den Staat, nicht den Staat selbst, sondern natürlich die Repräsentanten des Staa­tes. Ich habe noch ganz deutliche Bilder aus St. Anton und Bilder vom letzten Grand Prix vor Augen.

Lieber Herr Staatssekretär! In einem muss man dir Recht geben: Deine Bemühungen um den Jugendsport, um den Schulsport sind unwidersprochen. Auch deine persönli­chen Leistungen im Sport anerkennen wir. Wir würden uns wünschen, dass auch Un­terrichtsministerin Gehrer hier mitziehen würde. Initiativen von dieser Seite vermissen wir ganz stark.

Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass die Initiativen dadurch ge­bremst sind, dass letztlich vom Finanzminister kein Geld für diese Jugendsportinitiati­ven bereitgestellt werden. Wenn es dem Finanzminister wichtiger ist, ein paar sündteu­re Abfangjäger zu kaufen als für die Gesundheit unserer Kinder und Jugend vorzusor­gen, so ist das die andere Seite. (Abg. Scheibner: Also bitte!) Es ist aber so, letztlich ist es dasselbe Geld. (Beifall bei der SPÖ.)

Am deutlichsten wird es immer, wenn man ein praktisches Beispiel bringt; Kollege Amon ist ein Steirer und kennt das. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Es gibt so an die 40 VolksschullehrerInnen in meiner 9 000-Einwohner-Stadt, und alle 40 sind älter als 45 Jahre. Durch die Anhebungen und Kürzungen im Schulbereich sind die Schul­klassen mit 28 bis 30 SchülerInnen oft randvoll.


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Die jungen VertragslehrerInnen hat man alle entlassen. Man hat ihre Verträge nicht verlängert, sie sind jetzt ohne Job. Diese hätten den Turnunterricht wirklich gerne ab­gehalten. Man kann den älteren Kolleginnen und Kollegen – die noch immer älter wer­den – auch gar nicht verdenken, dass sie diesen Sportunterricht nicht gerne machen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Jetzt ist es 15 Uhr. Einen letzten Satz bitte!

 


Abgeordneter Christian Faul (fortsetzend): Ich komme schon zu meinem Schluss­satz. – Lieber Herr Staatssekretär! Diese Arbeit, die qualifizierte Arbeit des Turnunter­richts, unternehmen die freiwilligen Leute in den Vereinen, die Leute in den Dachver­bänden – auf die Sie so gerne losgehen. Ich bitte Sie, daran zu denken! (Beifall bei der SPÖ.)

15.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Cap und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend mehr als 27 Millionen Euro für Selbstdarstellung und Reklame (520/J)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftli­chen Anfrage 520/J. Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Durch den Bundesminister für Finanzen wurden seit 4.2.2000 mehr als 27 Millionen Euro für Selbstdarstellung und Reklame verschleudert – bei dieser Summe handelt es sich um die höchsten Ausgaben für externe Dienstleister – veranlasst durch ein einzi­ges Ressort – seit 1945. Davon allein im Jahre 2002 15,93 Millionen Euro, das ent­spricht dem 1,5-fachen Betrag, den die Bundesregierung für die Bedeckung des Härte­fonds der Pensionsversicherung für das Jahr 2004 budgetiert hat.

Die Berichterstattung rund um die exorbitanten Ausgaben des Finanzministers für Be­ratungsleistungen und Propaganda gipfelte in einem Artikel der Tageszeitung „Salz­burger Nachrichten“ vom 11. Juni 2003, wonach die großflächigen Inserate in den Tageszeitungen am Pfingstwochenende, in denen 37 Universitätsprofessoren zum ra­schen Beschluss der Pensionsreform aufriefen, nicht von diesen selbst bezahlt wur­den, sondern sämtliche Kosten in Höhe von 190.000 Euro durch das Finanzministeri­um und somit durch den Steuerzahler getragen wurden.

Obwohl die Bundesregierung nicht als Initiator dieser Inserate aufscheint, wurden sämtliche Kosten aus Budgetmitteln bezahlt. Die Unterzeichner dieses Aufrufes, darun­ter Univ.-Prof. Streissler, WU-Rektor Badelt sowie der Doktorvater von Finanzminister Grasser, Univ.-Prof. Kofler, wurden nicht einmal um eine finanzielle Beteiligung er­sucht, sondern man begnügte sich ausschließlich mit deren Unterschrift. Laut dem ge­nannten Medienbericht ist für diese Vorgangsweise sowie der kompletten Formulierung und Gestaltung des Inserates das Kabinett von Finanzminister Grasser verantwortlich.

Dieser manipulierte Aufruf, der klar die Unabhängigkeit der Lehre in Frage stellt, zog nicht nur heftige Kritik durch besorgte Universitätslehrer nach sich, sondern es wider­spricht diese Regierungspropaganda ganz offensichtlich den Grundsätzen der Wirt­schaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit, an denen sich der Finanzminister zu orientieren hätte.


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Trotz heftigster politischer Kritik und der Befassung des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses mit den Ausgaben des Finanzministers für Beratung hat BM Grasser Ende März eine weitere Kommunikationskampagne mit der Auftrags­höhe von 2,2 Millionen Euro ausgeschrieben. Dazu stellt ein Vertreter des Fachver­bandes Werbung fest: „Eine Unwägbarkeit stellt eindeutig der Zeitrahmen dar: Schließ­lich sucht das Ministerium Zusammenarbeit von Juni 2003 bis 31. Dezember 2007. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung kann kaum klar sein, welche kommunikativen Not­wendigkeiten sich in zwei oder drei Jahren ergeben“ (Extradienst vom 18.4.2003).

Besonders im Gegensatz zu den Interessen des Steuerzahlers steht die Vorgangswei­se von Finanzminister Grasser – bereits vor Bildung der Regierung Schüssel II – einen 950.000 Euro teuren Werbeauftrag auszuschreiben, der eine Bewerbung von zukünfti­gen Regierungsmaßnahmen beinhaltet. Insgesamt wurden durch das BMF seit 4.2.2000 mindestens 6 Millionen Euro ausschließlich für Regierungspropaganda ver­geben.

Aber nicht nur für Reklame, sondern vor allem für die Auslagerung von ressortinternen Aufgaben an externe Berater wurde Steuergeld in exorbitanter Höhe verschwendet.

Unter Heranziehung von entsprechenden Anfragebeantwortungen und diesbezüglicher Medienberichterstattung ergibt sich nachfolgendes Bild der Ausgaben von Finanzminis­ter Grasser für Beratung und Werbung:

1. Beratungsaufträge (seit 4.2.2000):

Arthur Andersen Business Consulting GmbH (Beratungstätigkeit zur Erreichung eines Nulldefizits) € 4.290.482,–-

Mc Kinsey & Company Inc. (Reorganisation der Finanzverwaltung, Finanz 2001) € 344.649,–-

Institut für Verwaltungsmanagement GesmbH (Kosten- und Leistungsrechnung für die öffentliche Verwaltung) € 50.000,–-

A.T. Kearney GmbH (Reorganisation des Vergabewesens) € 2.603.767,–-

WIFO (Bereitstellung von Beratungskapazitäten im Rahmen der Arbeitsgruppe „Aus­gliederungen“) € 2.180,–-

Mummert und Partner/FAA Holding GmbH und Co. KEG (Reorganisation der Zollver­waltung) € 338.408,–-

Externe Berater, Prof. Dr. Josef Zechner (Reform der österreichischen Bankenaufsicht, Finanzmarktaufsicht) € 171.420,–-

Privatisierungsberatung der Bundeswohnbaugesellschaften, Aufträge an eine Rechts­anwaltskanzlei, € 506.330,21

2 Universitätsprofessoren sowie die € 179.040,–-

Lehman & Brothers Bankhaus AG € 10.230.000,–-

Dr. Richard Kirchweger (rechtliche Beratung im Zusammenhang mit einer Umstruktu­rierung der ÖBB) € 62.172,–-

Kanzlei Grant Thornton – Jonasch & Platzer (Beratungsleistungen im Zusammenhang mit einer Reorganisationsmaßnahme der ÖBB, Integration der Schieneninfrastrukturfi­nanzierung) € 41.625,–-

Rechtsanwaltskanzlei Schramm & Partner (Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Umstrukturierung der ÖBB) € 50.622,–-


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Infora (Begleitung des Change-Prozesses im Rahmen der Neuorientierung der Finanz­verwaltung) € 451.650,–-

Rechtsanwaltskanzlei Lessiak & Univ.-Prof. Aicher (laufende Rechtsberatung in diver­sen Vergabeverfahren) € 341.801,–-

Univ.-Prof. Sandner (fachliche Beratung im Zusammenhang mit diversen Vergabever­fahren, Bewertungen, Evaluierungen, Leistungsbeschreibungen) € 96.624,–-

TQS – Team für Qualitätssicherung (Projekt „Österreichische Zollverwaltung: Quali­tätssicherung und Projekterfolg aus Kundensicht“) € 12.000,–-

KPMG Corporate Finance GmbH

(Beratungsleistung im Zusammenhang mit der Privatisierung der Österreichischen Bundesverlag AG) € 788.866,–-

Austria Wirtschaftsservice GesmbH

(Rahmenvertrag zur Unterstützung beim Aufbau und der Einführung eines Beteili­gungs- und Finanzcontrollings) € 31.232,–-

2. Propagandaausgaben (seit 4.2.2000):

Dr. Hochegger Kommunikationsberatung GmbH (Information der Öffentlichkeit über finanz- bzw. wirtschaftspolitische Maßnahmen) € 139.800,–-

Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik – Dr. Bernd Marin

(Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Pensionsreform, Mitarbeitervorsorge, Sozialversicherungsbeiträge; Vorbereitung und Teilnahme an Konferenzen und Prä­sentationen, Mitwirkung am Weltaltenplan)            € 145.345,–-

The White House

(PR-Kampagne zur verbesserten Darstellung der Leistungen des BMF) € 163.716,–-

Dr. Hochegger Kommunikationsberatung GmbH

(Informations- und Kommunikationskampagne für kleine und mittlere Unternehmen, KMU-Dialog) € 2.360.290,–-

Diaserie zum Thema Konjunkturpaket und steuerliche Maßnahmen € 52.838,–-

Radio-Spots zum Thema Konjunkturpaket und steuerliche Maßnahmen € 17.632,–-

Recherchen und Erstellung von Inhalten für das Internet € 6.000,–-

3. Schaltung von Inseraten (seit 4.2.2000):

„Wir sichern die Pensionen“-Kampagne € 508.710,–-

Informationen betreffend Null-Defizit € 326.359,–-

5 Schaltungen zum Thema „Euro-Ehrlich“   € 91.567,–-

Weitere Schaltungen zum Thema „Euro“ € 96.486,–-

Inserat in Financial Times € 59.019,–-

Media Select WerbegesmbH (Anzeigen in diversen Tageszeitungen – Telefonstunde des HBM) € 88.325,–-

Inserat und Beilage zum Thema Unternehmensneugründungen – Jungunternehmer € 98.784,–-

Inserate zum Thema Konjunkturpaket und steuerliche Maßnahmen € 60.079,–-


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C+M Marketing Services AG (Inseratenkampagne, Abfertigung neu – Österreichtele­fon) € 3.432,–-

Gesamtsumme: € 24.811.250,21

Zu dieser ermittelten Gesamtsumme sind noch die Aufträge für die Schaltung des Pro­fessoren-Aufrufes sowie die im März ausgeschriebene Kommunikationskampagne hin­zuzurechnen, sodass insgesamt von Aufträgen in Höhe von mehr als 27 Millionen Euro ausgegangen werden muss.

Bei dieser Summe handelt es sich um die höchsten Ausgaben für externe Dienst­leister – veranlasst durch ein einziges Ressort – seit 1945. Noch nie in der Ge­schichte in der Zweiten Republik wurden durch einen Finanzminister derartig viele res­sort­in­terne Dienstleistungen an Dritte ausgelagert, obwohl im Finanzministerium eine große Anzahl von bestens ausgebildeten Fachbeamten zur Verfügung steht und damit ein entsprechendes Know-how im Ressort brach liegt.

Viele Indizien und einzelne Aufträge deuten klar darauf hin, dass durch diesen intensi­ven Einsatz von Beratern vor allem einem Zweck gedient wird: der Persönlichkeitswer­bung von Finanzminister Grasser. Diese erreichte ihren Höhepunkt in einer ganzseiti­gen Einschaltung samt Foto des Ministers in der Financial Times am 30.11.2001.

Kritische Medien wie die Wiener Stadtzeitung „Falter“ berichten über Veranstaltungen von Finanzminister Grasser „in Casinos, Opernhäusern und Kunsthallen“ samt „tau­sender Cocktails und Brötchen“. Berechtigterweise stellt sich diesbezüglich die Frage, ob „hier das private Image eines Politikers mit öffentlichen Mitteln aufpoliert wird“ und ob „der Sparefroh der Republik tief in den Staatssäckel greife, um den Kurs seiner Ich-Aktie in die Höhe zu treiben“ (Falter Nr. 24/03).

Gerade die oben angeführten Aufträge zeigen klar, dass verschiedene natürliche und juristische Personen zu ähnlichen Themen beschäftigt wurden. Auch erscheint die He­ranziehung von privaten Auftragnehmern für Gesetzesvorbereitungen – unabhängig von der enormen Kostenhöhe – als höchst bedenklich.

Vergleicht man die budgetierten Personalkosten der Zentralstelle des Bundesministeri­ums für Finanzen für die Budgetjahre 2003 und 2004 mit den im Jahre 2002 angefalle­nen Kosten für externe Berater, so ergibt sich nachfolgende Kostensituation:

Personalausgaben von rund 44 Millionen Euro stehen Beratungs- und PR-Kosten von rund 16 Millionen Euro gegenüber. Das heißt, dass mehr als ein Drittel der Gesamtper­sonalkosten des Ressorts für externe Beratung verwendet wird (das entspricht dem Jahresgehalt von ca. 220 Beamten).

Trotz Rechnungshofkritik an den kostenintensiven und ergebnisarmen Vergaben an externe Berater und den Werbekampagnen ohne Informationscharakter werden durch Finanzminister Grasser auch im Jahre 2003 vermehrt entsprechende Aufträge verge­ben. Grundsätzlich führten die oben näher bezeichneten Auslagerungen von Aufgaben des Finanzministeriums an Dritte zu keinen erkennbaren Erfolgen – ausgenommen der Imagepflege des Finanzministers – sondern zu einer enormen Belastung des Steuer­zahlers.

Aus den dargestellten Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bun­desminister für Finanzen folgende

Anfrage:

1. Ist es richtig, dass die Kosten der Schaltungen eines am 7. Juni 2003 in verschiede­nen Tageszeitungen veröffentlichten Aufrufs von Universitätsprofessoren für eine „ra-


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sche Beschlussfassung über Reformen unseres Pensionssystems“ durch die Bundes­regierung bzw. durch das Bundesministerium für Finanzen bezahlt wurde?

2. Inwieweit war es Ihre Absicht, durch dieses in der Frage 1 näher bezeichnete Inserat den Leser dahingehend zu täuschen, dass es sich um eine unabhängige Initiative handle?

3. Wie hoch waren die Kosten für diese Schaltungen und von welcher Institution wurde dieses Inserat graphisch erstellt?

4. Welche Werbekampagnen wurden bzw. werden durch das BMF im Budgetjahr 2003 in Auftrag gegeben, welche Themen sollen durch die jeweiligen Kampagnen transpor­tiert werden und welche Kosten ziehen diese Werbemaßnahmen nach sich?

5. Welche Kosten werden durch die momentan laufende Regierungswerbung zur „Pen­sionsreform“ (Schaltungen in Tageszeitungen – TV-Werbespots) verursacht und wel­ches Unternehmen wurde mit der Durchführung dieser Kampagne beauftragt?

6. Aus welchen Umständen erklärt sich der exorbitante Bedarf an externen Beratungs­dienstleistungen für das Bundesministerium für Finanzen?

7. Aus welchen Umständen resultiert die Beauftragung von mindestens drei Bera­tungsunternehmen im Zuge des Verkaufs der Bundeswohnungen?

8. Aus welchem Grund wurden für die juristische Beratung der Angebotsevaluierung im Zuge des Verkaufes der Bundeswohnungen zwei Universitätsprofessoren beauftragt und wie viele Juristen sind im BMF beschäftigt?

9. Aus welchem Grund wurde eine Rechtsanwaltskanzlei mit der juristischen Vergabe­rechtsberatung für den Verkauf der Bundeswohnungen befasst und wie viele Juristen in Ihrem Ressort beschäftigen sich mit Vergaberecht?

10. Wie viele Unternehmen wurden insgesamt mit Beratungsleistungen im Zusammen­hang mit einer Umstrukturierung der ÖBB beauftragt, welche Kosten wurden dadurch verursacht und woraus erklärt sich der Umstand, dass für diese Beratungsdienstleis­tung mindestens zwei Rechtsanwaltskanzleien beauftragt wurden?

11. Warum ist es notwendig, eine Rechtsanwaltskanzlei und zwei Universitätsprofesso­ren mit der laufenden Rechtsberatung in diversen Vergabeverfahren zu betrauen und aus welchen Gründen wird das ressortinterne Know-how nicht genutzt?

12. Aus welchen Gründen wurde Dr. Bernd Marin bzw. das Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik für PR-Dienstleistungen herangezogen und ist es richtig, dass für diese Dienstleistungen 145.345 Euro an Kosten angefallen sind?

13. In welche Einzelaufträge gliedert sich die Informations- und Kommunikationskam­pagne für kleine und mittlere Unternehmen und aus welchen Gründen wurde für die Erhebung von Bedürfnissen der KMUs nicht die dafür zuständige Wirtschaftskammer herangezogen?

14. In welcher Höhe wurden durch das Finanzministerium seit 4.2.2000 Aufträge für externe Beratung und Werbung vergeben (unter Anführung möglicher nicht im Begrün­dungstext genannter Vergaben und deren Kostenhöhe)?

15. Von welchem Unternehmen wurde Ihre persönliche Homepage (www.karlheinzgrasser.at) erstellt und können Sie ausschließen, dass dieses Unter­nehmen auch Auftragsbeziehungen zum BMF unterhält?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dring­lich zu behandeln.

*****

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Cap als erstem An­fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. Seine Wortmeldung darf gemäß § 93 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.01

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es geht heute hier um eine Dringliche Anfrage an den Herrn Finanzminister, der förmlich darum gebettelt hat, dass es eine Dringliche Anfrage an ihn gibt. Er hat sich zwar Arbeitsmaterial mitgenommen, unterstreicht ein bisschen und hebt mit dem „Stabilo Boss“ Texte hervor, aber er sollte ein bisschen aufpassen, denn so einfach ist das nicht mehr, wie es vor einiger Zeit vielleicht einmal war.

Die Dringliche Anfrage soll sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, was mit 27 Millionen € für Selbstdarstellung und Reklame, genau aufgeschlüsselt, passiert ist. Wir haben dem natürlich Fragen angehängt und erwarten uns, dass es eine wirkliche, punktgenaue Beantwortung dieser Fragen gibt. (Bundesminister Mag. Grasser: Mehr als das!) – „Mehr als das!“, sagt der Herr Finanzminister. Wir werden das dann prü­fen. – Und dann gibt es eine Debatte, in der man darauf eingehen kann. (Zwischenbe­merkung von Bundesminister Mag. Grasser.)

Es geht ein wenig auch um die Bewertung der Vielgesichtigkeit oder der vielen Gesich­ter von Karl-Heinz Grasser, dem Finanzminister. Das eine Gesicht, das wir aus den diversen Inseraten und auch hier von der Regierungsbank in den Phasen der besonde­ren, spannungsgeladenen Diskussionen kennen, ist das Gesicht des Lächelns, des permanenten Lächelns, wobei er Anlauf nimmt (Heiterkeit), auflacht, dauerlächelt – und, wenn er es nicht verabsäumt, auch wieder ablächelt, damit er dann wieder in die Ruheposition kommt. Wenn er auf das Ablächeln vergisst, lacht er durch. Es kann auch sein, dass er die ganze Nacht durchlacht – das ist aber nicht mehr unser Problem; außer wir haben eine Nachtsitzung, dann ist es unser Problem.

Man fragt sich manchmal, warum er lächelt – es ist oft so grundlos. Aber das ist etwas, was nicht Gegenstand der Anfrage ist, aber Teil des Marketingkonzeptes, denn er gibt sehr viel Geld aus. (Zwischenruf des Abg. Neudeck.) – Den Karl-Heinz Grasser hätten Sie verteidigen sollen, als er von der FPÖ weggegangen ist, Herr Neudeck, und nicht jetzt, da er schon draußen ist! (Abg. Neudeck: Ich verteidige auch parteilose Minister!) Aber vielleicht wollen Sie ihn wieder zurückhaben. Von mir aus können Sie ihn auch haben. Nehmen Sie ihn von der Regierungsbank und setzen Sie ihn bei sich wieder hinein in die Fraktion! Das wäre sowieso besser. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber zurück zum Thema „Marketing“. Irgendwie scheint das ein Marketingkonzept zu sein: Wenn jemand so viel Geld für Marketing und Reklame ausgibt, dass man damit sogar eine Dringliche Anfrage gestalten kann, dann muss etwas dahinter sein, das erklärt, warum das so ist. (Ruf bei der ÖVP: ... würden Sie gerne auf der Regierungs­bank sitzen! – Abg. Mag. Molterer: Absolut richtig!) Daher haben wir uns mit dieser Frage auseinander gesetzt.

Wir haben übrigens – und das ist interessant – einen Zusammenhang hergestellt zwi­schen der Summe, die seit dem 4. Februar 2000 in diesem Bereich ausgegeben wur­de, und jener Summe, die für das zur Verfügung steht, was Sie so vollmundig hier ein­gebracht haben, nämlich den Härtefonds. Ich nehme an, Sie werden sich das durchge­lesen haben: Die Mittel des Härtefonds machen einen Bruchteil dessen aus, was Karl-Heinz Grasser, der begabte In-die-Taschen-Greifer der österreichischen Bürgerinnen und Bürger, ausgibt – in Saus und Braus ausgibt! (Abg. Neudeck: Jetzt kommt sicher noch der Eurofighter dazu! Schon! Schon!)


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Wenn man sich das ansieht: 10 Millionen hat der Härtefonds ausgemacht, und 27 Mil­lionen macht ... (Abg. Mag. Molterer: 44! 44 Millionen!) – Ihre Zahlen kenne ich! Die gibt es in keinem arithmetischen Lehrbuch. Sie haben ganz eigene Zahlen, das ist eine ganz eigene Sprache! (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber war eines der ausschlaggebenden Momente dafür, dass wir gesagt haben: Jetzt muss er doch einmal befragt werden!? – Das war die Inseratenserie der 37 Uni­versitätsprofessoren, die händeringend – natürlich auf Steuerkosten, aber der Herr Finanzminister kann das noch genauer ausführen – während der Pfingstfeierta­ge – quasi diese Zeit nutzend, an den Heiligen Geist appellierend – an die widerspens­tigen Österreicherinnen und Österreicher herangetreten sind, um für diese schändliche Pensionsreform, die diese vielen Kürzungen beinhaltet, zu werben. 190 000 € hat es gekostet – in Altwährung übersetzt sind das 3,5 Millionen Schilling –, nur dass 37 Pro­fessoren diesen Appell übermitteln können, im Übrigen auch sein Doktorvater! – Was macht das Studium, Herr Finanzminister? Wie geht’s? Sind wir schon fertig? Ha­ben Sie heute die Vorlesung versäumt? Hindern wir Sie ein bisschen daran? Statt bei der Vorlesung sitzen Sie heute hier im Hohen Haus? (Abg. Mag. Molterer: Aber so lang wie der Cap braucht er nicht! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheit­lichen.) – Aber das ist sein Problem! (Abg. Mag. Molterer: So lang, wie der Josef Cap zum Doktor gebraucht hat, braucht er nicht!)

Übrigens ein interessanter anderer Aspekt, weil Klubobmann Molterer gerade einen Zwischenruf gemacht hat: Es hat eine Zeit gegeben, da hat die ÖVP versucht, den Eindruck zu erwecken, als würde sie wirklich darüber nachdenken, ob sie mit der SPÖ eine Koalition macht oder vielleicht mit den Grünen eine Koalition macht. – Karl-Heinz Grasser, der Schnelldenker, der Blitzgneißer, hat da schon ganz anders agiert: Er hat bereits vor der Bildung der Regierung Schüssel II einen 950 000 € teuren Werbeauf­trag ausgeschrieben. Er muss also offensichtlich schon während der Sondierungsge­spräche, während Dr. Schüssel mit Dr. Gusenbauer und uns allen noch zusammenge­sessen ist, einen Werbeauftrag ausgeschrieben haben, damit man die künftigen Seg­nungen des Finanzministeriums bewerben kann. Er muss, Herr Klubobmann Molterer, damals – da waren Sie noch Minister – schon mehr gewusst haben als Sie. Sie sind übrigens auch in den Verhandlungsrunden dabei gesessen, mit ihm Seite an Seite. Während Sie noch – scheinbar ernsthaft – mit uns Sondierungsgespräche geführt ha­ben, hat er schon ausgeschrieben, um weiter zu bewerben, was er als Finanzminister vorhat!

Diese Sondierungsgespräche mit der SPÖ waren daher ein Schmäh! Diese Gespräche mit den Grünen waren daher ein Schmäh! Karl-Heinz Grasser hat es bewiesen: Er hat ausgeschrieben und wollte bereits bewerben. Oder glauben Sie, er hat das ausge­schrieben, damit später ein sozialdemokratischer Finanzminister oder Alexander Van der Bellen als Finanzminister eine ordentliche Werbekampagne um 14 Millionen Schil­ling machen kann?

Wenn man es hat, dann hat man es! Aber es sind Steuergelder, und ich bin überzeugt davon, es wäre schwierig gewesen, aus diesem Vertrag noch herauszukommen, denn diese Firmen pflegen ja Verträge zu machen – siehe Eurofighter –, aus denen man schwer wieder herauskommt. – Ich sage das hier nur.

Das war also einer der vielen Gründe: Allein seit dem 4. Februar mindestens 6 Mil­lionen € ausschließlich für Regierungspropaganda! Wir haben das hier aufgelistet und, damit Sie es besser lesen können, schön in drei Teile geteilt:

Ein Teil sind die Beratungsaufträge. – Nun, auf Grund dessen, wie sich die Regie­rungsmitglieder bis jetzt dargestellt haben, verstehe ich ja, dass sie grundsätzlich an Beratung denken. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)


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Das verstehe ich, das ist mir klar. – Aber allein schon der erste Beratungsauftrag, übri­gens in der Größenordnung von 4 290 000 €, ... – Lächeln! (Heiterkeit des Bundesmi­nisters Mag. Grasser sowie allgemeine Heiterkeit.) – Ein ganz schlimmer Vorwurf: 4 290 000 € hat er gerade für einen Beratungsauftrag hinausgeschmissen – und er lächelt! Also nicht vergessen, Herr Minister: ablächeln!, denn sonst wird das sehr krampfhaft werden.

Dieser Beratungsauftrag also – der erste, den wir in dieser Aufzählung angeführt ha­ben – betrifft: Beratungstätigkeit zur Erreichung eines Nulldefizits! – Das ist ja das Al­lerbeste: Die haben gar nicht gewusst, wie sie das Nulldefizit erreichen! (Heiterkeit.) Die sind in der Himmelpfortgasse gesessen, völlig ratlos. (Heiterkeit des Abg. Dr. Stummvoll. – Abg. Neudeck: Die haben es nicht gewusst, aber haben es ge­macht! Ihr habt gewusst, wie es geht, aber habt es nicht gemacht! Das ist der Unter­schied!) Er ist auf und ab gegangen in seinem Arbeitszimmer und hat sich gedacht: Wie erreiche ich das Nulldefizit? So ein Wahnsinn! Ich erreiche das nie, das Nulldefizit! Ich armer Tropf! Da schlage ich mich so wacker, ich armer Tropf!

Plötzlich die zündende Idee: Ich mache einen Beratungsauftrag! – Die Berater kom­men alle im Gänsemarsch herein und sagen: Wir wissen, wie wir das jetzt machen!, – und patsch!, schon war das Nulldefizit da. Und das nachhaltig, wie wir wissen: Jedes Jahr sollte es ein Nulldefizit geben. – Eine tolle Firma! Die war dieses Geld wert: Jedes Mal ein Nulldefizit!

Übrigens haben Sie selbst gesagt, Herr Finanzminister, dass das Nulldefizit bloß ein Marketinginstrument war. Das trifft wahrscheinlich überhaupt bei all Ihren Redebeiträ­gen hier im Hohen Haus in gewisser Weise zu, auch was das Nulldefizit und die aus­gabenseitige Sanierung des Budgets betrifft, denn Sie sagen ja – ich zitiere –: 

„Für mich ist das Parlament ein Ort, wo viele Personen in Rollen auftreten und rheto­risch wunderbare Reden formulieren, ohne dass sie tatsächlich glauben, was sie sa­gen.“

Das heißt, Sie haben ohnedies nie daran geglaubt, dass das Nulldefizit ... (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.) – Lächeln! Jetzt wieder lächeln! Wie­der lächeln! (Heiterkeit bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP sowie Beifall bei der SPÖ.) Sie reden hier also, ohne dass Sie daran glauben, dass das Nulldefizit wirk­lich erreichbar ist.

Wenn es aber so ist, dass Sie das, was Sie hier im Parlament sagen, ohnedies alles nicht glauben (Ruf: Wir auch nicht!) – Sie auch nicht, aber jetzt beschäftige ich mich gerade mit ihm; wir machen uns das später aus –, wie ist das dann bei Ihrer Ansage: Jetzt kommt die größte Steuerreform – ich hätte fast gesagt: „aller Zeiten“, aber lassen wir das, damit es für Sie noch eine Steigerungsstufe in Ihrem Marketingkonzept gibt; also – so haben Sie sie angekündigt –: die größte Steuerreform der Zweiten Republik. (Bundesminister Mag. Grasser: In der Geschichte!)

Wann kommt die wirklich? Ich meine, irgendwann einmal müssen Sie ja – bezie­hungsweise Sie sollten überhaupt einmal – Mut zu einer Jahreszahl finden. Sagen Sie einmal eine Jahreszahl und legen Sie sich endlich einmal fest, damit wir es leichter haben, uns darauf einzustellen, damit wir uns auch auf die Steuerreform freuen kön­nen, damit die Österreicherinnen und Österreicher schon wissen, was sie dann ausge­ben können, was sie dann alles tun können! – Na gut. Darauf kann man sich, glaube ich, auch nicht verlassen.

Es geht weiter bei den Beratungsaufträgen. All die hier angeführten Beträge sind Ihre Summen. Übrigens: Alles, was mit Reorganisation, Vergabewesen, Finanzverwaltung, Umstrukturierungen, Neuorientierung der Finanzverwaltung zu tun hat, ist eine Ausge-


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burt von Ratlosigkeiten. Dazu muss man aber wissen: Das Finanzministerium hat an sich die qualifiziertesten und besten Beamten. – Herr Abgeordneter Stummvoll nickt zustimmend. – Da stellt sich schon die Frage: Wieso muss man, wenn man die qualifi­ziertesten und besten Beamten hat, solche Aufgaben dauernd ausgliedern? Wieso muss man da in Rechtsanwaltskanzleien gehen? (Abg. Dr. Stummvoll: Das eine schließt das andere nicht aus, lieber Freund!) – Ja, wenn man in Saus und Braus Fi­nanzminister sein will und sagt: Super, ich greife jetzt in die ... – Viele Österreicherin­nen und Österreicher können gar nicht mehr vernünftig auf der Straße gehen, weil links und rechts die Hand des Finanzministers in ihren Taschen drinnen ist, der ununterbro­chen die Euros herauskletzelt! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn das schon so ist und er sich das Geld holt, dann sagt der Herr Finanzminister: Jetzt habe ich den Österreichern so viel Geld weggenommen!, und dann fängt er an nachzudenken und fragt: Was mache ich nur damit? Was mache ich nur damit, bevor Ihre Bündevertreter und Interessenvertreter kommen, die dann immer eine Idee haben, was man mit dem Geld macht, das man den Steuerzahlern aus der Tasche zieht? Was mache ich damit, bevor die Teilorganisationen Ihrer Partei noch kommen?

Jetzt ist es ihm eingefallen: Er gliedert alles aus – das ist unfassbar! –, übrigens mit sehr geringem Erfolg und geringem Ergebnis – siehe Kritik des Rechnungshofes. Herr Finanzminister, Ihre Lieblingslektüre sollte nicht das sein, worin Sie gerade blättern, um sich ein bisschen Luft zuzuwacheln, sondern Sie sollten lieber einmal in den Rech­nungshofbericht hineinschauen. Der ist gar nicht so unkritisch, muss man sagen, eigentlich sogar sehr kritisch! – Jetzt wieder: Lächeln! (Heiterkeit des Bundesministers Mag. Grasser.) Ich weiß es ja! Da kann man sagen, was man will: Lächeln, einfach immer lächeln! (Abg. Mag. Molterer: Bei Cap: Lachen! Bei Cap lächelt man nicht, bei Cap lacht man!) – Sie müssen ihm nicht dauernd helfen. Ist er schon bei Ihnen? Ist er schon Mitglied? Ist es schon so weit? Lassen Sie ihn dann einmal in aller Ruhe sich selbst verteidigen!

So, gehen wir weiter in dieser Liste der vielen, vielen Beratungsverträge. – Wir haben dann einen zweiten Punkt, um hilfreich zu sein, einfach als „Propagandaausgaben“ tituliert. Auch hier findet sich eine lange Liste der diversen Vorbereitungen und Teil­nahmen an Konferenzen und Präsentationen, Mitwirkung am Weltaltenplan – das sehe ich ein, denn es ist ja wirklich interessant, wie die Altersentwicklung weltweit aussieht. Aber eines ist interessant, zum Beispiel „PR-Kampagne zur verbesserten Darstellung der Leistungen des BMF“: 163 000 €! – Also das ist auch nicht gerade ein geringer Betrag dafür, dass er einfach noch mehr und noch weiter darüber nachdenkt, wie er sich selbst darstellt. Denn das Finanzministerium, wenn ich das so sehe, ist ja er: „C’est moi!“, so heißt es in dem berühmten Satz, „Das Finanzministerium bin ich!“, nicht nur der Finanzminister.

Und dann etwas, was überhaupt mein Lieblingsposten in dieser Auflistung ist, nämlich diese KMU-Dialog-Veranstaltungen. Der „Falter“ beschreibt das unter dem Titel „Spa­refrohs Millionenshow“ wie folgt – ich zitiere –:

„Als das Nulldefizit im Hochwasser unterzugehen drohte, schnallte sich der Finanzmi­nister wie ein Motivationstrainer sein Funkmikrofon um, mietete Casinos, Opernhäuser und Kunsthallen, ließ Tausende Cocktails und Brötchen reichen, tänzelte auf einer Bühne, sprang ins Publikum und warf dabei das Wort Nulldefizit auf riesige Video­walls.“ – Sie (in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretärs Dr. Finz) schauen schon ganz neidig, gell? (Heiterkeit bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen sowie Beifall bei der SPÖ.) Finanzminister müsste man sein!, wird er wahrscheinlich gedacht haben. Da müssen Sie sich noch ein bisschen anstren­gen, Herr Staatssekretär, aber vielleicht tut sich eh bald etwas!


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Ich zitiere weiter: „Danach durfte das Kleinunternehmertum mit einem Abstimmungsge­rät („eine neue Form politischer Mitgestaltung“) seine Wünsche an den Minister depo­nieren.“ (Abg. Großruck: ... ein Kasperltheater ...!)

Hören Sie einmal zu! Das ist übrigens Ihre bisherige Wählerklientel gewesen, die mas­senweise bei den Veranstaltungen des Finanzministers gesessen ist. Dass Sie jetzt verbittert sind, verstehe ich total. Versuchen Sie aber trotzdem, hier einmal in Ruhe der Debatte zur Dringlichen Anfrage zu folgen! (Abg. Großruck: ... Ihren Mitgliedern den Eintritt ins Kasperltheater!) – Kasperlveranstaltungen waren seine KMU-Geschichten.

Das waren diese Veranstaltungen, für die 2 360 000 € angeführt sind. 2 360 000 € hat das gekostet! (Abg. Neudeck: Ich sehe Neid in Ihren Augen, Herr Kollege!) Das sind fast 30 Millionen Schilling in der Altwährung (Abg. Neudeck: Bei Ihnen könnte man zehnmal so viel nehmen, und Sie schaffen das nicht!), die der Steuerzahler und die Steuerzahlerin zu berappen hatten, damit diese Veranstaltungen stattfinden konnten, die er in Wirklichkeit – vom Ergebnis her – in Franziskanerklöstern abhalten hätte sol­len, weil nachher nämlich alle, die dort gesessen sind, genauso Gegenstand der Aus­sackelung waren wie viele andere Österreicherinnen und Österreicher auch, mit dem bekannten Erfolg (Abg. Neudeck: Kollege, wie war Ihre Marathon-Zeit?), dass das der Wirtschaft nichts gebracht hat, dass wir ein ganz schlechtes Wirtschaftswachstum ha­ben, dass wir eine hohe Arbeitslosenrate haben und dass in Wirklichkeit die Klein- und Mittelbetriebe nach wie vor stöhnen.

Ich stelle mir die Frage, was der Herr Finanzminister eigentlich – außer das, was diese Millionenshow betroffen hat – genau für diese Klein- und Mittelbetriebe getan hat! (Abg. Wittauer: Die Steuerreform! – Abg. Dr. Fekter: Die 13. Umsatzsteuer abgeschafft! Eigenkapitalstärkung!) Und da, muss ich Ihnen sagen, wird die Sache bitterernst, wenn man sich ansieht, wie viel an Steuergeldern dafür letztendlich verwendet wurde!

Es geht weiter – ich weiß, dass Ihnen (zur ÖVP gewandt) das körperliche Schmerzen bereitet (Abg. Neudeck: Nur phonetisch! Nur phonetisch!), es ist mittlerweile ja Ihr Fi­nanzminister –, aber Sie müssen sich das anhören, denn hier ist der Ort, wo darüber zu sprechen ist!

Noch etwas: Sie wissen, dass wir, das Parlament, das Haushaltsrecht haben. Wir soll­ten auf die wenigen Rechte, die wir haben, sehr sorgsam achten. Es gab eine Phase, in der über Ankauf und Finanzierung der Eurofighter und so weiter diskutiert wurde und man darüber nachgedacht hat, wie man mehr oder minder dem Parlament dieses Haushaltsrecht einschränkt oder überhaupt gleich nimmt, damit der Finanzminister selbst handeln kann, falls dieses Milliardenprojekt Eurofighter viel mehr kosten sollte, als man vielleicht glaubt. Und da wurde darüber nachgedacht, dass man dem Parla­ment dieses Recht nimmt und dass dieses Problem im Rahmen der Möglichkeiten des Finanzministers letztlich im Ministerium zu lösen ist.

Wie bezeichnet man das? – Normal ist das einfach eine Einschränkung der Rechte des Parlaments und daher von allen Abgeordneten abzuwehren! (Beifall bei der SPÖ.)

Für Karl-Heinz Grasser ist es unter dem Titel „Verwaltungsvereinfachung“ gelaufen! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: „Verwaltungsvereinfachung“! – Da könnte ich gleich einmal darüber nachdenken, wenn ich an einzelne Regierungspositi­onen denke, was alles Verwaltungsvereinfachung sein könnte. (Abg. Neudeck: Bei Ihren Argumenten merkt man, dass Ihre Berater nichts kosten! Das merkt man!)

Nein, da sollten Sie sich jetzt einmal ausnahmsweise anders aufregen – oder Sie wol­len, dass Ihnen als Abgeordnete Rechte genommen werden. (Abg. Neudeck: Ihre Ar­gumente sind schwach!) Dann, sage ich Ihnen, haben Sie aber offensichtlich kein rich­tiges Verhältnis zu diesem Haus (Abg. Neudeck: Es geht um Ihre Argumente, nicht um


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unsere Rechte!), in dem Sie sitzen, denn das kann man in Wirklichkeit nicht zulassen, und schon gar nicht mit diesem Neusprech-Vokabel, wo überhaupt so eine Art von Politik der Beliebigkeit dahinter steckt. – Einmal mehr: Es kommt immer ein Zitat von Jörg Haider vor, damit Sie sich wieder ein bisschen an ihn erinnern, falls Sie ihn ver­gessen haben sollten.

Er, Haider, hat das auch gesagt in der Beschreibung dessen: diese Politik der Belie­bigkeit, dieses Wechseln der jeweiligen Bezugspersonen – ein Vater muss immer da­bei sein, der neue sitzt gerade daneben. Es muss immer irgendeine Bezugsperson sein. Und das Wechseln der Seite ist, wenn es sein muss, problemlos. Mit dem richti­gen Marketingkonzept ist es auch möglich, das gescheit zu verkaufen. – Gut.

Diese Politik der Beliebigkeit steckt da irgendwo dahinter, wenn ich mir das anschaue, wie es da heißt: Es ist ja bloß eine Verwaltungsvereinfachung! – Das ist eine ganz heikle Geschichte, wenn man etwas, was mit demokratischen Rechten zusammen­hängt, als solche bezeichnet.

Aber eigentlich will er ja nur – wenn ich ihn aus dem „profil“ vom 10. Februar zitieren darf – „der glücklichste Finanzminister sein“. Er stellt ja eigentlich gar keinen besonders großen Anspruch. Er sagt: „Ich will der glücklichste Finanzminister sein, und dabei nie Politiker werden.“ – Nie, nie, nie, nie – pfui gack! Politiker will ich nicht werden! (Heiter­keit bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.) Ich bin der so genannte politik­freie Finanzminister, der täglich mit Politik rein gar nichts zu tun hat!

Wem wollen Sie das eigentlich einreden, Herr Minister? Da müssen Sie ja Selbsthyp­nose-Stunden veranstalten, wenn Sie das selber zu glauben beginnen wollen. Das ist absurd! Natürlich sind Sie Politiker! Natürlich sind Sie das! Und natürlich haben Sie täglich politische Entscheidungen zu fassen! Und natürlich ist die Regierung ein politi­sches Gremium! Und natürlich ist das Parlament ein politisches Gremium, wo Sie sich zu verantworten haben und wo Sie Fragen, so wie heute, auch zu beantworten ha­ben – und dafür werden wir sorgen, dass Sie auch diese Erkenntnis haben.

Übrigens: Eine besonders interessante Frage wird sein, wie das mit Ihrer persönlichen Homepage ist. Sie haben eine ganz besondere! Wissen Sie, ich schaue mir gerne Ihre persönliche Homepage an, ich möchte auch gerne wissen, wer diese finanziert und wer sie macht. Und ich bin heilfroh, dass drinnen gestanden ist – ich habe heute noch einmal hineingeschaut –, unter dem Titel „Ein Kindheitstraum“: „Auch ein Finanzminis­ter hat einmal ans Christkind geglaubt.“ – Diese Information ist für mich ganz wichtig. Ich hoffe, dass Sie heute, als Finanzminister, nicht noch immer ans Christkind glauben! Aber damit habe ich wirklich Einblick in Ihre Persönlichkeits- und Entscheidungsstruk­tur bekommen. – Die täglichen Homepage-Benützer nicken zustimmend. Danke an die Abgeordneten in den Reihen der FPÖ, die mir hierin zustimmen.

Mich würde jedenfalls interessieren: Wer bezahlt das? Das ist sehr ernst! Wer bezahlt das? Oder wollen Sie auch mit Ihren Steuergeldern dafür geradestehen, oder wollen Sie haben, dass mit Ihren Steuergeldern im Endeffekt Reklame für eine Person ge­macht wird?

Diaserie, Radiospots – mein Gott! Dann gibt es noch die Schaltung von Inseraten, wo­bei mir ein Inserat besonders aufgefallen ist. Also ich habe wirklich nur so geschaut: Eine ganze Seite in der„Financial Times“. Ich habe mir das sogar fotokopieren lassen, weil das ja wirklich beachtlich ist. (Der Redner zeigt die entsprechende Seite aus der „Financial Times“.) – Das hat 59 019 € gekostet! Ich gebe zu: Es ist ein großes Inserat und es handelt sich um viel Papier, denn die Zeitung ist auch ein bisschen größer. (Abg. Dr. Fischer: Wie viel kostet das?) – 59 019 €, das sind umgerechnet 700 000, 800 000 S in Altwährung, wobei das wahre Sujet dieser Anzeige das Foto und das Lä­cheln ist, wenn Sie mich fragen. Das ist jedenfalls ganz prominent platziert, und dann


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steht da natürlich auch ein bisschen etwas über Österreich. Damit soll wahrscheinlich der Wiedererkennungswert gesteigert werden bei den Treffen, die er absolviert, wenn er nach Amerika fährt.

Ist es Ihnen als UnternehmerInnen recht, wenn Sie Ihre Steuergelder in der „Financial Times“ wieder finden in der Größenordnung von 59 000 €? – Dann finde ich das be­achtlich! (Abg. Dr. Fekter: Mir ist es nicht recht, dass man Österreich im Ausland ma­dig macht!) Ich finde, dass das eigentlich unverantwortlich ist, diese permanente Selbstbewerbung und, wenn man hinriecht, auch die Selbstbeweihräucherung.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Ich habe vergessen, die Uhr einzu­stellen. Sie sind jetzt bei 20 Minuten. Ich würde Sie bitten, zum Ende zu kommen.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Ich sage Ihnen etwas, Herr Präsident, ich werde mich wirklich darum bemühen, aber erlauben Sie mir noch zwei Sätze, weil ich mich jetzt darauf nicht vorbereiten konnte. Ich hätte mir die Rede ansonsten natürlich komplett anders angeordnet. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich will nur noch zu einem wirklich letzten Punkt Stellung beziehen: Ich habe heute in den „Salzburger Nachrichten“ über diesen EADS-Kontakt gelesen und darüber, dass Sie sozusagen schon vor der Vergabe mit den EADS-Leuten gesprochen haben. Und dann behaupten Sie, Sie hätten eigentlich mit allen geredet: Sie haben mit der stellver­tretenden Ministerpräsidentin Schwedens über den Gripen geredet, Sie haben mit dem US-Botschafter über die F-16 geredet, und wahrscheinlich wollten Sie auch mit dem Außenminister oder dem Präsidenten von EADS reden. Das ist aber schwer gegangen, weil das ein Unternehmen ist, und so haben Sie eben leider mit Unternehmensvertre­tern reden müssen.

Ich sage Ihnen: Deswegen fordern wir den Untersuchungsausschuss! Wir wollen ein­fach wissen: Was haben Sie mit diesen Unternehmensvertretern besprochen, und wie­so ist plötzlich im Ministerrat dieser Stimmungswandel eingetreten? – Das verdient einen Untersuchungsausschuss! Und das wird auch die vielen, vielen Gesichter des Karl-Heinz Grasser klären – und in dem Fall ist es das Eurofighter-Gesicht, das einer besonderen Aufklärung bedarf. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

15.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bun­desminister für Finanzen zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


15.23

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Danke vielmals, Herr Präsi­dent! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren Abgeordneten! Es hat heute Vormittag Herr Abgeordneter Gusenbauer gesagt, er bemühe sich um eine faire Beurteilung der Budgets 2003 und 2004. Herr Abgeordneter Cap braucht eigentlich nie dazuzusagen, worum er sich bemüht, weil seine parteipoliti­sche Polemik, denke ich, mehr als bekannt ist – wobei ich mich bei Ihnen bedanke, weil ich, ehrlich gesagt, an einem normalen Arbeitstag nie so viel zum Lachen komme, wie wenn ich Ihren Ausführungen zur Dringlichen folgen darf. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Reheis.)

Da Sie meine Dissertation angesprochen haben, darf ich Ihnen vielleicht zwei Rat-schläge mitgeben: Der Erste ist: Lebenslanges Lernen würde auch Ihnen nicht scha­den. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und der Zweite – glauben Sie mir, es ist wirklich konstruktiv gemeint –: Wenn man se­riöse Sacharbeit zu 100 Prozent durch Polemik substituiert, dann bleibt am Ende des Tages nicht viel an Glaubwürdigkeit übrig. Daher würde ich Ihnen empfehlen, diese


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Politik zu verändern. Ich werde nicht in diesem Stil antworten, sondern Ihnen mit seriö­ser Sacharbeit antworten, Herr Abgeordneter Cap. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit auch für die Dringliche Anfrage, weil sie mir Gelegenheit dazu gibt, 20 Minuten in der Öffentlichkeit zu einer Angelegenheit Stellung zu nehmen, die Sie in den letzten Wochen ein bisschen subkutan in den Medien zu ventilieren versucht haben, ungeachtet meiner Anfragebeantwortungen, die ich schon bisher in dieser Sache vorgebracht habe. Sie werden sehen, dass nichts von all den Selbstdarstellungs- und Reklamevorwürfen, die Sie hier erhoben haben, richtig ist. Faktum ist vielmehr, dass Hunderte – ich betone: Hunderte! – Millionen € Ersparnis für die Steuerzahler mit einer Vielzahl von Projekten erarbeitet worden ist.

Wenn ich sozusagen mit einigen tatsächlichen Berichtigungen beginnen darf:

Erster Punkt: Sie behaupten in Ihrer Anfrage, dass es sich bei dem, was die Professo­ren für die Zukunft handelnd inseriert haben, um einen manipulierten Aufruf handeln würde.

Ich darf Ihnen sagen: Erstens ist das nicht manipuliert, sondern offensichtlich echt. Zweitens ist selbstverständlich nicht die Unabhängigkeit der Lehre in Gefahr, sondern Professoren wie ein Prof. Streissler, wie ein Prof. Frisch, wie ein Prof. Winckler, wie ein Prof. Arnulf Rainer – und viele andere, die sich jetzt noch dieser Initiative angeschlos­sen haben – haben es nicht notwendig, sich parteipolitisch instrumentalisieren zu las­sen, sondern die haben ein Interesse, meine Damen und Herren, und das ist die Si­cherung des Wohlfahrtsstaates. Und sie haben an alle politischen Parteien und an die Sozialpartner appelliert und haben gesagt: Sehen Sie der Realität ins Auge! Erkennen Sie, dass die stetig steigenden Kosten des Pensionssystems unsere Zukunft gefähr­den, reformieren Sie heute, um unser Sozialsystem auch morgen zu sichern! – Wir haben gestern reformiert, meine Damen und Herren, denn wir haben gestern wichtige Strukturreformen beschlossen, die die Zukunft und den Wohlstand in unserem Land sichern werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie fragen mich: Wer hat das bezahlt? – Ich darf die zweite tatsächliche Berichtigung durchführen: Sie unterstellen in Ihrer Dringlichen Anfrage, wenn Sie sie gelesen haben, dass das 190 000 € gekostet hätte und das Bundesministerium für Finanzen hätte es bezahlt.

Richtig ist aber vielmehr, meine Damen und Herren, dass selbstverständlich kein Cent, kein Euro aus dem Bundesbudget kommt, vom Steuerzahler, aus dem Bundesministe­rium für Finanzen oder von sonst irgendwoher. Das wird nicht mit öffentlichem Geld bezahlt! Damit habe ich Ihnen auch die beiden ersten Fragen beantwortet.

In der dritten Frage fragen Sie mich nach den Kosten und nach der graphischen Dar­stellung. Meine Damen und Herren! Da ich nicht der Auftraggeber bin, kann ich Ihnen auch nicht sagen, wer es bezahlt hat und von wem die Graphik gemacht worden ist. Aber nehmen Sie zur Kenntnis: Das ist eine unabhängige Initiative von fast 50 Profes­soren, denen unser Land und die Zukunft dieses Landes ein Anliegen sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vielleicht noch zwei Halbsätze: Wenn Sie sich bemüht hätten, die „Salzburger Nach­richten“ zu lesen, und zwar auch neben dem, was Sie soeben zitiert haben, dann hät­ten Sie erfahren können, dass der Bundespressedienst entgegnet und das insofern klargestellt hat: Es gibt keine Mittel aus dem Bundesbudget zur Finanzierung. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Wenn Sie auch die Vorgänge in Deutschland beobachten würden, hät­ten Sie wahrgenommen, dass es auch dort eine Initiative von mehr als 100 deutschen


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Professoren gab, die sagten: „Den Reformaufbruch wagen!“ – Das heißt aber auch: Was in Deutschland erlaubt ist, wird unseren Professoren schon lange gestattet sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dritter Punkt der tatsächlichen Berichtigung: Sie behaupten, es gebe keine erkennbaren Erfolge, die mit unseren Beratungsaufträgen verbunden seien, sondern nur Belastungen für die Steuerzahler. Darauf muss ich Ihnen ehrlich antworten: Sie sehen offensichtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht, denn so zahl­reich, so erkennbar und beweisbar sind die Erfolge unserer Arbeit, und ich darf Ihnen dafür auch einige Beispiele nennen.

Sie sagen: Kosten durch Arthur Andersen: 4 290 000 €. – Das ist richtig. Die Einspa­rungspotentiale, die dem gegenüberstehen – und das sagen Sie leider nicht, daher auch keine Fairness –: Erster Punkt: Support-Prozesse, zum Beispiel Fuhrpark-Re­form, Hausverwaltungsreform (Abg. Eder: Das weiß jeder Hausmeister!), Kanzlei­wesen-Reform, Bibliotheken-Reform – Einsparungspotential: 46,1 Millionen € .

Zweiter Punkt: Buchhaltungsreform: Einsparungspotential 72,7 Millionen €.

Dritter Punkt: eine ganze Reihe von Arthur Andersen-Projekten in allen Ressorts der Bundesverwaltung mit einem Einsparungspotential von 109,1 Millionen €.

Meine Damen und Herren! Sie sehen: Es ist erstens bedauerlich, dass diese Initiativen nicht schon von meinen Vorgängern umgesetzt worden sind. Zweitens ist es wichtig und gut für den Steuerzahler, dass wir diese Initiative ergriffen haben. Das wird die Kosten der Verwaltung senken und einen Spielraum für Entlastungen bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zweiter Punkt: Sie führen Kosten von A.T. Kearney für eine Reform des Vergabewesens in Höhe von 2,6 Millionen € an. – Das ist völlig richtig. Wir haben einmalig 2,6 Millionen € dafür ausgegeben, um eine Bundesbeschaffungs­gesmbH zu gründen, wozu Sie in den 30 Jahren, in denen Sie Verantwortung getragen haben, nicht in der Lage waren. Wir haben gesagt: Bündeln wir die Nachfragemacht des Bundes, kaufen wir billiger ein! Anstatt zwölf, 13, 14 Beschaffungsabteilungen ne­beneinander zu haben, versuchen wir, für den Steuerzahler günstiger einzukaufen.

Das Beschaffungsvolumen hat im ersten Jahr 290 Millionen € betragen, die Einsparung durch diese Reformmaßnahme 29 Millionen €.

Meine Damen und Herren! Das Beschaffungsvolumen ist um weitere 250 Millionen € ausgeweitet worden. Wir rechnen in diesem Jahr daher mit Einsparungen jenseits der 50 Millionen €. 2,6 Millionen € stehen also einem Einsparungspotential, realisiert im Jahr 2002, von 29 Millionen € gegenüber. Heuer werden mehr als 50 Millionen an Ein­sparung dazukommen. Das ist ein mutiges Reformprojekt. Es nützt dem Steuerzahler, es reduziert die Kosten in der öffentlichen Verwaltung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dritter Punkt: Sie führen Veräußerungen von Bundeswohnungen mit einem Gesamt­kostenvolumen von 10,8 Millionen € an. (Abg. Eder: Das ist ein Skandal, was Sie da aufführen! Wer zahlt das? – Die Mieter zahlen dafür!) Meine Damen und Herren! Die­sen 10,8 Millionen € werden Veräußerungserlöse in der Größenordnung von 600 Mil­lionen bis 1 Milliarde € gegenüberstehen. Das heißt, das sind Kosten in einer Größen­ordnung von 0,82 Prozent bis 1,37 Prozent, ja nachdem wie hoch die Ver­kaufserlöse tatsächlich sein werden.

Vierter Punkt: Sie haben die KPMG angeführt. Kosten von 788 000 €. Sie haben nicht gesagt, dass dem Veräußerungserlöse für die Veräußerung des Bundesverlages in Höhe von 24 Millionen € gegenüberstehen.


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Fünfter Punkt: Sie haben McKinsey mit 344 000 €, Mummert & Partner, Info­ra ange­führt – alles Reformprojekte, die eine grundlegende Reform der Finanzverwal­tung und der Zollverwaltung betreffen, Reformprojekte, die mit verantwortlich dafür sind, dass es uns in unserer Zeit gelungen ist, den Personalstand in der Finanzverwal­tung um 1 854 Köpfe zu reduzieren und in Summe 75 Millionen € an Einsparungspo­tentialen zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Allein mit diesen fünf Beispielen habe ich Ihnen 20 Millio­nen € erklärt, die Sie angegriffen haben, wobei Sie mit Unterstellungen gear­beitet haben. Sie haben eines dabei gelernt, meine Damen und Herren: Die Kosten machen einen Bruchteil der Einsparungen für den Steuerzahler aus. Wir haben gut gewirtschaf­tet, ein hervorragendes Ergebnis für den Steuerzahler! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich hoffe, dass Sie jetzt verstehen: Wenn wir Geld einmalig für Beratungsaufwendun­gen ausgeben, dann deshalb, weil wir hoch spezialisiertes Experten-Know-how zukau­fen, mit einer klaren Zielsetzung, nämlich ein Vielfaches an Einsparungen, wenn mög­lich schon im ersten Jahr, aber dann fortlaufend für den Steuerzahler zu erreichen.

Zweiter Punkt: Wenn wir Beratungsleistungen zukaufen, dann deshalb, um nicht be­triebsnotwendiges Vermögen für den Steuerzahler bestmöglich zu verkaufen.

Meine Damen und Herren! Dritter Punkt – auch das sei mir gestattet –: Wenn ein Un­ternehmen nichts tut, wenn man wenig bewegt und sich mit der Verwaltung von Beste­hendem begnügt, dann kommen auch keine Kosten dabei heraus. (Abg. Eder: Steh­sätze!) Wir haben ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm. Wir gehen neue Projekte an. Wir machen aus einem schlecht geführten Unternehmen, das Sie uns hinterlassen haben, einen Marktführer in Österreich mit mehr Dienstleistungsqualität für die Bevölkerung, für die Unternehmer, mit weniger Kosten, und damit wird am Ende eine Entlastung des Steuerzahlers möglich sein.

Meine Damen und Herren! Um Ihre Fragen konkret zu beantworten. Die ersten drei Fragen, was die Professoren betrifft, habe ich bereits ausgeführt.

Zu Frage 4:

Ich möchte betonen, es werden durch das Bundesministerium für Finanzen keine Wer­bekampagnen in Auftrag gegeben.

Sie haben die Klein- und Mittelbetriebsoffensive angesprochen. Da sage ich Ihnen aus tiefer Überzeugung: Die Klein- und Mittelbetriebe, meine Damen und Herren, sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Wir haben eine gemeinsame europäische Strategie, den Lissabon-Prozess, der besagt, wir wollen der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum werden. Die Schaffung dieses wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraumes mit einem Wachstum und mit zusätzlichen Arbeitsplätzen wird uns dann gelingen, wenn es uns möglich ist, dieses Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, die Klein- und Mittelbe­triebe, stärker zu unterstützen.

Ich verstehe, wenn Sie sagen, es ist Ihnen lieber, wenn ich im Büro sitze und nicht hi­nausgehe. Ich sage Ihnen: Das ist nicht mein Verständnis von Politik. Ich gehe lieber unter die Menschen, ich gehe lieber zu den Unternehmen und rede mit ihnen über ihre Sorgen und Probleme. Daraus entsteht ein Handlungsprogramm für Klein- und Mittel­betriebe, und das wird dann umgesetzt. Wenn Sie heute unsere Budgetbegleitgesetze ansehen, erkennen Sie: Erster Punkt: Die 13. Umsatzsteuervorauszahlung ist gefallen. Das war ein Ergebnis dieses Klein- und Mittelbetriebsprozesses.


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Zweiter Punkt: nicht entnommene Gewinne, deutliche Begünstigung, mehr Eigenkapi­tal, mehr Möglichkeit, in die Betriebe zu investieren. – Das war ein Ergebnis des Klein- und Mittelbetriebsprozesses.

Dritter Punkt: Senkung der Lohnnebenkosten. – Das war ein Ergebnis des Klein- und Mittelbetriebsprozesses.

Daher: Wir gehen hinaus, wir reden mit unseren Unternehmern und wir setzen es da­nach auch ganz konkret um. Es zahlt sich aus: für die Betriebe, für die Wirtschaft, für die Arbeitnehmer. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was die Frage 5 betrifft, so darf ich darauf verweisen, dass diese Informationsoffensi­ve in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes fällt und die Kosten unter den Grenzen liegen, bei denen gemäß Bundeshaltsgesetz das Bundesministerium für Finanzen mit zu befassen wäre. Daher ersuche ich um Verständnis, wenn ich Ihnen die Daten mangels Wissens nicht weitergeben kann, darf aber betonen – so wird uns vom Bundeskanzleramt mitgeteilt –, dass für die Erstellung der Kreativleistungen nicht ein­mal eine Agentur beauftragt wurde (Abg. Öllinger: Das merkt man Gott sei Dank auch!), sondern weil man sparsam wirtschaftet, hat man das selbst gemacht und nur für die technische Umsetzung eine Produktionsfirma beauftragt. Auch hier sieht man: Sparsames Wirtschaften setzt sich durch, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 6:

Sie fragen nach, warum wir ausgliedern, warum wir externe Beratungsleistungen zu­kaufen. – Wir tun das nur dann, meine Damen und Herren, wenn es um hoch ambitio­nierte Reformprogramme geht, wenn es um komplexe Reformschritte mit großer wirt­schaftlicher Tragweite geht. (Abg. Öllinger: Senkung der Lohnnebenkosten – dazu brauchen Sie eine Beratung!?) Bei unserem Arbeitsprogramm betreten wir in vielen Fällen Neuland. Wir haben, wie Sie wissen, einen Reformstau übernommen, haben die Ärmel aufgekrempelt und sind die Arbeit angegangen.

Deswegen möchte ich nochmals anmerken: Die Kosten für diese Beratungsleistungen sind oftmals bereits im ersten Jahr verdient. Aus fachlicher Sicht wäre es bei diesen schwierigen Projekten, die wir angegangen sind, trotz der – da gebe ich Ihnen Recht, Herr Abgeordneter Cap – hervorragenden allgemeinen Fachkompetenz, die es im BMF gibt, nicht verantwortlich gewesen, hätten wir nicht zusätzliches, hoch spezialisiertes Experten-Know-how zugekauft.

Zur Frage 7:

Sie behaupten bereits das x-te Mal, dass wir drei Beratungsunternehmen mit dem Ver­kauf der Bundeswohnungen beauftragt hätten. – Das ist nicht richtig, sondern wir ha­ben in einem EU-weiten Ausschreibungsverfahren mit einer Beratungsfirma, nämlich mit Lehman Brothers, einen Vertrag zur bestmöglichen Veräußerung der Anteile an den landeseigenen Wohnbaugesellschaften abgeschlossen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn sich dieses Unternehmen bei der Durchführung dieses Auftrags weiterer Subunternehmer bedient, ist das natürlich zulässig, verursacht dem Bund aber keine weiteren Kosten.

Die Fragen 8, 9 und 11 darf ich zusammen beantworten.

Ich darf hinzufügen, dass ich mich bereits mehrfach in parlamentarischen Anfragen dazu geäußert habe, und möchte noch ergänzen, dass wir auf Grund der Komplexität dieses Verfahrens und zur Wahrung größtmöglicher Transparenz und Objektivität eben zwei Universitätsprofessoren mit der Evaluierung der Angebote beauftragt haben, die dabei ihr externes Fachwissen mit einbringen konnten.


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Um größtmögliche Sicherheit bei der Abwicklung der Verfahren zu erreichen, wurde eine auf Vergaberecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei damit und mit dem Ab­schluss des Vertrages beauftragt.

Sie fragen, wie viele Juristen wir im BMF haben. – Wir haben 144 Juristen. Kein Einzi­ger davon ist ausschließlich mit Vergabeverfahren befasst. Es gibt keine reine Verga­beabteilung in meinem Ressort, weil dies auf Grund der geringen Anzahl zu den sonst anfallenden Aufgaben zählt. Daher ziehen wir nur in Einzelfällen externe Vergabespe­zialisten hinzu.

Ich darf Ihnen sagen, dass es auch falsch ist, dass wir das ressortinterne Know-how dabei nicht nützen würden. – Ganz im Gegenteil: Der Großteil der Auftragsvergaben wird völlig ohne Beiziehung externer Experten rein hausintern nach dem Bundesverga­begesetz 2002 abgewickelt. Lediglich bei der Vergabe hoch komplexer Dienstleistun­gen, in denen der exakte Leistungsgegenstand aus fachlichen Gründen erst im Zuge des damit notwendig werdenden Verhandlungsverfahrens festgelegt werden kann, werden externe Berater beigezogen.

Ich darf Ihnen sagen, auch hier gibt uns der Erfolg Recht, weil in keinem einzigen die­ser Verfahren die Zuschlagsentscheidung erfolgreich angegriffen wurde. Jeder Zu­schlag, den wir erteilt haben, hat gehalten. Sie wissen, das spart wirklich Kosten im Vergleich dazu, wenn ein Verfahren aufgehoben wird und ein neues entsprechend durchgeführt werden muss.

Zur Frage 10:

Wir haben im Zusammenhang mit der Restrukturierung der ÖBB drei Rechtsgutachten eingeholt. Sie fragen: Warum drei und warum von verschiedenen Juristen? – Das ist sehr einfach, weil nämlich die Reform der Eisenbahn verschiedene spezifische Rechts­bereiche berührt, zum Beispiel das EU-Eisenbahnrecht, das EU-Beihilfenrecht, das Vergaberecht sowie gesellschaftsrechtliche Aspekte, und dies folglich ein hoch­komple­xer Prozess ist. Ich darf darauf hinweisen, dass die Österreichischen Bundes­bahnen vom Steuerzahler jährlich einen Zuschuss von 4,1 Milliarden € erhalten. Exter­ne Spe­zialisten haben uns nun dabei geholfen, ein Einsparungspotential von 400 Mil­lionen € zu identifizieren, und wir werden jetzt an eine entsprechende Umset­zung herangehen.

Ich sage Ihnen: Jeder Euro, den wir in die Restrukturierung der ÖBB investieren, ist ein gut angelegter Euro, denn Sie haben uns ein unproduktives und schlecht geführtes Unternehmen übergeben! Wir werden die Kosten für den Steuerzahler zurückführen und ein produktives und gut geführtes Unternehmen daraus machen. (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Zur Frage 12:

Ich war ganz fasziniert, als Sie gesagt haben, dass Professor Marin, ein anerkannter Sozialrechtsexperte, PR für uns macht. – Er sagt zwar oft, dass der Bundeskanzler und die Bundesregierung Recht haben, aber ich glaube, er sagt das mit der kritischen Dis­tanz eines Professors und eines großen Experten. Ich darf Ihnen daher sagen: Sein Institut, dem übrigens 20 Staaten angehören, die sich daran auch finanziell beteiligen – und Österreich ist einer dieser Staaten –, wird von uns ganz normal mit einer jährlichen Grundsubvention gefördert, so wie das auch beim Wifo, beim IHS und beim WIW der Fall ist. Das heißt: Wenn Sie sagen: Streichen Sie die Subventionen für das Wifo, für das IHS und für das Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik!, dann ist das Ihre Poli­tik. Wir werden das nicht machen! Wir schätzen diese Institute, wir unterstützen sie, denn sie liefern gute Arbeit. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitli­chen. – Abg. Neudeck: Die arbeiten effizienter als „Euroteam“!)


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Zur Frage 13:

Der Gesamtauftrag gliedert sich in zahlreiche Einzelleistungen, die nach Bedarf ent­sprechend abgerufen werden können und abgerufen wurden. Diese Einzelleistungen sind in fünf Arbeitspakete strukturiert. Die konkrete Abrechnung erfolgte nach tatsächli­chem Aufwand. Soweit eine Beiziehung der Wirtschaftskammer nach der Art der Leis­tung zweckmäßig erschien, war dies im Zug des Auftrags natürlich auch möglich.

Zur Frage 14 möchte ich darauf verweisen, dass ich bereits am 22. Mai 2003 an den Herrn Präsidenten des Nationalrats einen Erhebungsbericht gemäß § 40 Abs. 1 des Geschäftsordnungsgesetzes übermittelt habe. Ferner möchte ich auch auf die umfang­reiche Beantwortung der 105 Einzelfragen aufmerksam machen, die mir Herr Abge­ordneter Cap und Kollegen bereits am 13. Februar 2002 gestellt haben. Diese Unterla­gen dürften auch als Quelle für die Zahlen, die Sie in der Einleitung angeführt haben, Verwendung gefunden haben.

Meine Damen und Herren! Die letzte Frage, nämlich Frage 15, betrifft meine persönli­che Homepage. – Ich hoffe, sie hat bei Ihnen Gefallen gefunden! Offensichtlich sind Sie eine der Kundschaften und schauen sie sich öfters an. Meine Damen und Herren! Das ist gut, denn sie hat wichtige Inhalte, die Sie aufnehmen können und unter Um­ständen auch transportieren sollten. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Frei­heitlichen.)

Allerdings möchte ich darauf verweisen, dass diese Frage nicht Gegenstand des Fra­gerechts gemäß § 90 Geschäftsordnungsgesetz ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Danke vielmals für das Signal! – Ich möchte aber festhalten, damit es hier keine Ge­rüchtebildung gibt: Selbstverständlich wird kein einziger Euro und kein einziger Cent meiner privaten Homepage mit Steuergeld finanziert. Das ist selbstverständlich nicht der Fall! Es wäre sehr plump, wenn ich Ihnen auf eine solche Frage etwas anderes sagen müsste. Natürlich ist diese Homepage privat und über Sponsoren finanziert.

Außerdem möchte ich Ihnen auch sagen: Es gibt keine Förderung ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich weiß, dass Sie die Antwort nicht hören wollen, lassen Sie mich aber doch noch fertig ausführen, denn Sie haben ja danach gefragt: Es gibt diesbezüglich keine Förderung durch Firmen, die mit dem BMF in wirtschaftlicher Beziehung standen oder stehen.

Damit, meine Damen und Herren, komme ich zum Schlusssatz: Jeder Euro, der für Beratungsleistungen von uns ausgegeben wird, bringt ein Vielfaches an Einsparungen für den Steuerzahler. Am Ende stehen geringere Kosten für die öffentliche Verwaltung, wird eine Entlastung und wird mehr Wachstum möglich sein, und schließlich wird mehr Beschäftigung für Österreich das Ergebnis diesen erfolgreichen Reformprozesses sein. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Zwi­schenruf des Abg. Riepl.)

15.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.44

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Kanzler! Herr Minis­ter! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das wirklich Bemerkenswerteste


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und Auffallendste an den Antworten des Ministers war der müde Höflichkeitsapplaus, der aus Ihren Reihen, meine Damen und Herren, nur noch vereinzelt gespendet wird. Herr Minister! Viele Anhänger haben Sie nicht mehr im Hohen Haus! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das muss man aber auch verstehen! (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Wenn ein parteifreier Finanzminister Eigenwerbung um zig Millio­nen € betreibt, dann ist niemand dafür, nicht einmal Sie, Herr Kollege Scheibner! Dafür hat niemand Verständnis, weder die ÖVP noch die FPÖ, noch die Grünen und schon gar nicht die Sozialdemokraten.

Meine Damen und Herren! Es wird immer deutlicher: Der Lack ist ab! Da gibt es einen Minister, der von Inseraten und Plakaten lebt, der sich vom Vorgekauten ernährt und Plattitüden herunter betet, wie er heute wieder eindrucksvoll bewiesen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Präsident Dr. Khol! Sie bezeichnen das hin und wieder als „brillant“, auch wenn Plus und Minus bei einer Budgetrede verwechselt werden, und das lässt Böses erah­nen, was den Redebeitrag des Kollegen Stummvoll betrifft. Sie werden wahrscheinlich sagen, dass die Regierungsmitglieder alle sehr, sehr sparsam sind. Zum Beispiel spart Minister Bartenstein sogar, wenn er Schuhe kauft. Er kämpft verbissen um jedes Pro­zent Rabatt, das er nur erreichen kann.

Oder: Minister Grasser spart beispielsweise beim Gewand. All das ist ja schon nach­gewiesen und bekannt! Er hat sich seinerzeit auch die Studiengebühren erspart, und zwar, meine Damen und Herren, kurz nachdem er sich den Präsenzdienst erspart hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Jetzt wird es sehr tief!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege! Ich werde aber auch ein paar Beispiele brin­gen, wo die Bundesregierung wirklich eindrucksvoll spart. – Sie spart nämlich ein­drucksvoll bei der sozialen Gerechtigkeit! Und der Herr Bundeskanzler hat eine kom­plette Wirtschaftsplattform für Abfangjäger eingespart. Das muss man sich einmal vor­stellen! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Haben Sie auch etwas Fri­sches im Kräutergarten?)

Der Herr Verteidigungsminister spart sich mit Sicherheit in den letzten Tagen die Lektü­re der Eurofighter-Berichte in den Tageszeitungen. Herr Vizekanzler Haupt spart Ener­gie, denn er bewegt sich durch Umfallen fort, und vielen von der FPÖ und so manchen von der ÖVP gefällt das so gut, dass sie das auch gleich mitmachen!

Herr Minister! Sie kaufen sich ja in Wirklichkeit das Lob sogar von Universitätsprofes­soren. Natürlich sind Sie die Antwort schuldig geblieben, wer diese Inserate letztend­lich bezahlt hat. Nach jetzigem Stand Ihrer Beantwortung war es der Steuerzahler, denn etwas anderes, Herr Minister, haben Sie uns hier noch nicht berichtet! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Es ist ohnehin, Frau Kollegin Fekter, Ihre Methode, Leute gegen Bezahlung irgendet­was Positives zur Regierung sagen zu lassen. Da gibt es etwa diesen Fernsehspot mit dem berstenden Damm, und ein bezahlter Pensionist sagt dann irgendetwas Freundli­ches.

Meine Damen und Herren! Es gibt aber auch unbezahlte Stellungnahmen von der Be­völkerung. Man muss sich nur einmal die Leserbriefe und die Postings zu dieser Zig-Millionen-€-Verschwendung des österreichischen Finanzministers anschauen.

Diese Zahlen muss man jemandem schmackhaft machen, dessen zukünftige Pension nicht mehr 900 €, sondern gedeckelt nur noch 810 € im Monat betragen wird!, heißt es


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beispielsweise in einem solchen Leserbrief. „Das muss nicht nur ein Fall für den Rech­nungshof, sondern auch ein Fall für den Staatsanwalt sein.“

Herr Finanzminister! In einem anderen Posting – es ist einfach unfassbar, da muss es sich um einen Unternehmer handeln! – heißt es: Und unsereins muss mit einer Abgabenquote bis zu 46 Prozent ein Auskommen finden! – Zitatende.

Herr Minister! Ich bringe noch einige Kommentare: „War anzunehmen, dass das so laufen wird, es ist aber trotzdem ein riesiger Skandal!“ „Besonderen Dank und Respekt an die Leute im Finanzministerium. Es sollte mehr so mutige und aufrichtige Leute ge­ben!“ „Viel künstliche Verpackung zu Höchstpreisen. Alles auf das Konto des Volkes, aber, sorry, ohne Inhalt!“

Ein anderer aufmerksamer Beobachter schreibt: „220 Millionen Schilling, das sind 1 000 Industriearbeitergehälter. Was regt man sich auf? Das ist ja nur die Studienge­bühr von 44 000 Studenten. Ich möchte mir auch meine Dissertation von Unterneh­mensberatern schreiben und das Ganze noch vom Steuerzahler bezahlen lassen.“ (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) – Kollege Stummvoll, Sie können ja dann dar­auf eingehen!

Und noch ein Kommentar: „‚Coca Cola‘-Österreich gibt 90 Millionen Schilling im Jahr für Produktwerbung aus, ‚Red Bull’ musste im ersten Jahr mit 20 Millionen Schilling auskommen, nur Grasser verbraucht für Behübschung und Eigenwerbung 220 Millio­nen Schilling im Jahr.“ (Abg. Faul: Das ist unvorstellbar!)

Meine Damen und Herren! Noch zwei Punkte, einerseits zur Behübschung, zu einer Sache, die rechts- und staatspolitisch sehr, sehr bedenklich ist, und andererseits zu einer Charaktersache.

Karl Heinz Grasser hat im Unvereinbarkeitsausschuss im März des Jahres 2000 ge­meint, dass er selbstverständlich bei seinen weiteren Kontakten mit Firmen des Magna-Konzerns auf strengste Beachtung allfälliger Befangenheitsgründe achten wird.

Meine Damen und Herren! Was aber ist heute in den „Salzburger Nachrichten“ nachzu­lesen? – Selbstverständlich hat er Verhandlungen geführt! Das ist eine selbstverständ­liche Selbstverständlichkeit für den Minister! (Abg. Dr. Fekter: Herr Abgeordneter! Deutschnachhilfe nehmen!) Herr Finanzminister! Das kann nicht mehr unter Behüb­schung eingereiht werden, sondern da haben Sie ein massives Problem!

Meine Damen und Herren! Zuletzt möchte ich auf die Charaktersache zu sprechen kommen. Alle, die schon im Vorjahr dabei waren, erinnern sich: Es war auch im Vorjahr brüllend heiß um diese Zeit, und der Herr Finanzminister hat es damals in einem Zei­tungsinterview als unfassbar bezeichnet, dass sich die Politiker und die Abgeordneten in der heißen Jahreszeit einfach so in den Urlaub verabschieden.

Weiter hieß es allerdings in diesem Artikel, dass der Finanzminister seit Anfang der Woche in einer Fünf-Sterne-Bungalow-Anlage mit weitläufigem Garten auf der Insel Kreta logierte. (Abg. Dr. Fekter: Vranitzky hat einen Zweitwohnsitz in Kreta!) – Frau Fekter, Sie können ja dann Stellung dazu nehmen!

Herr Finanzminister! Wie das Leben oft so spielt, ist gerade bei dieser Zeitungsnotiz auch der Kostenfaktor Forstinger angeführt: Allein für die Pressekonferenz „Ein Jahr Forstinger“ kosteten 196 Beraterstunden 28 054 €! Herr Finanzminister! Eine gewisse Affinität zwischen Forstinger und Ihnen ist hier schon bemerkbar! Dennoch mache ich darauf aufmerksam, meine Damen und Herren: Frau Forstinger hat nur 10 Prozent von dem verjubelt, was der Herr Finanzminister ausgibt. Das ist wirklich ungeheuerlich! (Beifall bei der SPÖ.)


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Herr Minister! Kurz noch einmal zu dieser Charaktersache: Wer die Kollegen hier im Hohen Haus eintunkt und sich dann selbst in den Urlaub vertschüsst, von dem kann man sagen, dass er charakterlich nicht sehr tief verwurzelt ist. Herr Minister, ich möch­te Ihnen jetzt noch einen Rat geben, und das kostet überhaupt nichts bei mir: Charak­ter kann man sich nicht kaufen, auch nicht mit dem Geld des Steuerzahlers. Charakter hat man – oder man hat ihn nicht, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ.)

15.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Gusenbauer: Jetzt kommt wieder eine Sternstunde des österreichischen Parlamentarismus! – Abg. Mag. Wurm: Teuer wird es, wenn Stummvoll spricht!)

 


15.52

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden sich noch an die Rede des Kollegen Cap erinnern können. Er hat uns als besonderes Corpus delicti eine Kopie der „Financial Times“ mit einem Foto des Finanzministers entgegengehalten.

Herr Kollege Cap! Dazu möchte ich bemerken: Mir ist ein Foto des Finanzministers, mit dem er für den Wirtschaftsstandort Österreich international Werbung betreibt, viel lie­ber als jene Fotos, die um die Welt gegangen sind, auf welchen Dr. Gusenbauer mit Champagner auf die Sanktionen gegen Österreich angestoßen hat. Mir sind erstere Fotos viel lieber! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich bin mit Prognosen immer sehr vorsichtig, aber ich wage die Prognose, dass das, was Sie mit dieser Anfrage bezwecken wollen, nämlich einen erfolgreichen Finanzminister anzuschwärzen, seine Sympathiewerte um keinen Zehntelprozentpunkt senken wird. (Abg. Reheis: Jetzt fällt Ihnen nichts mehr ein!) Die Menschen durchschauen diese billige Strategie!

Es ist auch nicht so, wie dies vor der Wahl der frühere Finanzminister Edlinger bei einer Diskussion im Falter Verlag, bei der ich dabei war, gemeint hat: Der Finanz­minister habe diese hohen Sympathiewerte, weil er jung und fesch ist. – Ich habe damals ge­sagt, dass es eine Beleidigung für die Österreicher ist, wenn man glaubt, dass sie nur danach urteilen. (Abg. Mag. Wurm: Da waren Sie eifersüchtig!)

Vielmehr wissen die Menschen, dass dieser Finanzminister für drei Dinge steht, die sie auch haben wollen: für Stabilität im Staatshaushalt und keine neuen Schulden, für eine Politik der Steuersenkung und für eine Politik der Zukunftsvorsorge. Das wissen die Menschen, meine Damen und Herren! Und daher können Sie den Finanzminister mit so primitiven Anfragen zweifellos nicht anschwärzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Freiheitlichen.)

Er steht für eine Politik dieser Bundesregierung, die zweifellos eine Trendwende zu 30 Jahren sozialistischer Finanzminister und zu 30 Jahren expansiver Schuldenpolitik durch SPÖ-Finanzminister darstellt. – Das ist dieser Finanzminister! (Zwischenruf der Abg. Bures.)

Lassen Sie mich jetzt aber zum Thema kommen: Herr Kollege Cap! Ich habe hier vor zwei Tagen eine Rede zum Budgetbegleitgesetz gehalten, und ich habe nicht gewusst, dass Sie heute diese Dringliche Anfrage stellen werden. Wie Sie sich erinnern werden, habe ich damals gemeint, dass, wenn diese Regierung bei der Pensionsreform einen Fehler gemacht hat, es weder an den Zielen noch am Inhalt oder an der Rezeptur und auch nicht an der Dosis gelegen ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Der einzige Fortschritt im


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Finanzministerium ist, dass Stummvoll nicht mehr dort ist!) Wenn ein Fehler gemacht wurde, dann dieser: Es wurde zu wenig kommuniziert.

Ich gehöre zu jenen, die immer wieder sagen: Politik ist Kommunikation. Ich habe das schon vor Jahren gesagt. Sie können Ihren früheren Bundeskanzler Vranitzky fragen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann.) In den Kabinetten Vranitzky I und Vranitzky II war ich Staatssekretär. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das war eine schlimme Zeit!) Damals habe ich gesagt: Was dieser Regierung fehlt, ist die psychologisch-mediale Aufberei­tung brisanter Reformvorhaben, denn das ist Staatskunst. Staatskunst bedeutet, das langfristig Notwendige kurzfristig mehrheitsfähig zu machen. Und da ist es keine Schande, professionelle Berater beizuziehen, Herr Kollege Cap! (Abg. Dr. Cap: Herr Professor Stummvoll!) Glauben Sie nicht, dass wir jetzt nicht lange Listen machen könnten, was Ihre früheren Finanzminister alles an Aufträgen an externe Experten ver­geben haben! Sich jetzt aber alles gegenseitig vorzurechnen wäre mir wirklich zu billig, Herr Kollege Cap! (Abg. Dr. Cap: Bitte um ein Stummvoll-Zitat!)

Herr Kollege Cap, Sie haben hier am Rednerpult eine perfekte kabarettistische Leis­tung geboten! Sie müssen dieses Kabarett jetzt nicht durch Zwischenrufe noch verlän­gern. Als junge Kollegen gesagt haben, dass im Parlament schon sehr viel Zeit mit Diskussionen vergeht, habe ich gemeint: Wenn ihr ins Simpl geht, müsst ihr dafür zah­len, den Cap habt ihr umsonst! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen. – Abg. Scheibner: Umsonst, aber nicht gratis! – Abg. Faul: Den Finanzminister haben wir auch nicht gratis!)

Herr Kollege Cap! Das, was ich jetzt gesagt habe, war einerseits ein Kompliment, an­dererseits aber die Bitte, sich in Zukunft doch ein bisschen mehr auch auf die Sach­ebene zu begeben.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch etwas sagen: Gerade bei so brisan­ten Reformvorhaben, wie sie diese Regierung in Angriff genommen hat, ist die Informa­tion des Staatsbürgers eine unbedingte Notwendigkeit. Es gibt nichts Schlimmeres, als zu glauben, dass wir, nur weil wir wissen, dass etwas notwendig ist, es politisch auch schon umsetzen können. Ich habe es auch bei Diskussionen um die Pensionsreform oft erlebt, dass die Menschen danach gefragt haben: Warum sagt uns das niemand? Wenn man darauf hinweist, dass es ohnedies diese oder jene Presseaussendungen gegeben hat, dann fallen mir jene Kommunikationsexperten ein, die sagen: Wenn eine Botschaft nicht mindestens zehn Mal versendet wird, kommt sie nicht an. (Abg. Dr. Gusenbauer: Darum halten Sie noch immer dieselbe Rede!)

Was uns allen fehlt – Herr Kollege, da nehme ich mich nicht aus! –, ist der Mut zur Wiederholung. Daher ist Informationspolitik in einer Informationsgesellschaft ein wichti­ger Bestandteil auch der Regierungspolitik, und ich danke dem Herrn Finanzminister dafür, dass er die Aufgabe, politisch wichtige Reformen durch relevante Informationen entsprechend aufzubereiten, ernst nimmt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Hätte jetzt nicht Ap­plaus kommen sollen?) – Herr Kollege Gusenbauer! Meine Fraktion braucht Ihre Ein­sätze nicht! (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap.)

Ich habe vorige Woche ein längeres Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden eines großen internationalen Konzerns geführt, der für sieben Produkte weltweit in Österreich Kompetenzzentren geschaffen hat. Er hat mir gesagt, dass er eigentlich ein Problem hat: Österreich sei ein guter Standort für Innovationen, habe aber nicht das entspre­chende Image. Er hat weiters gesagt: Ihr braucht gar nicht mehr Geld für Förderungen in die Hand zu nehmen, sondern ihr müsst darauf achten, dass ihr das Image Öster­reichs als Innovationsstandort verbessert. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Und ich habe ihm zugesagt, dass wir uns zusammensetzen und ein Konzept erarbeiten


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werden, wie man durch bessere Informationspolitik und PR das Image Österreichs als Innovationsstandort verbessern kann.

Da geht es nicht um Milliarden an Förderungen, sondern da geht es nur um Informati­on! PR ist Werbung um öffentliches Vertrauen, und dabei geht es darum, Österreich als Industriestandort, Wirtschaftsstandort und Innovationsstandort weltweit zu präsen­tieren. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen, und das ist gut investiertes Geld, Herr Kollege Cap! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ihr zweiter Vorwurf neben der Informationspolitik betraf den Zukauf von externem Know-how: Lieber Kollege Cap! Man muss auch wissen – und Sie haben es in Ihrer Anfrage zum Teil ohnehin aufgezeigt –, für welche Vorhaben Experten-Know-how in Anspruch genommen wird, nämlich für geradezu epochale Reformen!

Wir haben hier vor ungefähr zwei Jahren die neue Finanzmarktaufsicht beschlossen. Ich habe damals gesagt, dass sich Ihr Finanzminister Androsch schon in den siebziger Jahren darum bemüht hat, die Bankenaufsicht zu reformieren und aus dem Ministerium auszugliedern. 30 Jahre lang war das aber nicht möglich, und es war erst – auch das habe ich gesagt – auf Grund einer sehr professionellen Vorbereitung dieses Vorhabens möglich. Da hat eine Projektgruppe mit sehr viel internationalem Know-how unter dem Vorsitz von Professor Zechner ein Jahr lang gearbeitet. Fragen Sie Ihren Kurt Heindl, der schon ausgeschieden ist: Auch er hat anerkannt, dass mit sehr viel Expertenwis­sen vorgegangen wurde und wir mit sehr viel internationaler Erfahrung ein sehr moder­nes Gesetz gemacht haben. Hiebei handelt es sich um ein gutes Investment in die Qualität unserer Gesetzgebung, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Cap: Heil Augustus! Salve imperatore!)

Wir haben die Bundesbeschaffungsgesellschaft gegründet, Herr Kollege Cap! Sie re­den immer nur von den Kosten, was zeigt, wie wenig Sie von Wirtschaft verstehen! In der Wirtschaft stellt man ständig die Kosten der Leistung gegenüber. Der Finanzminis­ter hat zu Recht darauf hingewiesen, dass allein das Einsparungspotential dieser Bun­desbeschaffungsgesellschaft rund 10 Prozent betrug, was mit fast 50 Millionen € gleichzusetzen und somit ein Vielfaches des zugekauften Experten-Know-how ist. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Drittes Beispiel (Abg. Dr. Gusenbauer: Noch ein Zitat?): Wenn wir jetzt eine völlige Neugestaltung der Bundesverwaltung haben, wo die Grundsätze des New Public Ma­nagement konkret umgesetzt werden, so ist das eine epochale Reform, und dafür muss man Geld in die Hand nehmen. (Abg. Dr. Cap: Ein Zitat geht sich noch aus!)

Ich verteidige immer die Mitarbeiter des Finanzministeriums, darum habe ich auch ge­nickt bei Ihrer Passage, dort sitzen hervorragende Leute. (Abg. Dr. Cap: Stimmt!) Aber das eine schließt das andere nicht aus. Und eigentlich danke ich diesem Finanzminis­ter, dass er nicht das Obergscheiterl der Nation spielt, sondern sagt: Ich möchte Re­formen durchführen und kaufe auch Experten-Know-how zu, obwohl ich hervorragen­de Leute habe. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ich glaube, die ÖVP sollte nächstes Mal lieber den Auer reden lassen!)

Wir brauchen beides! Wir brauchen hervorragende Beamte, wir müssen aber auch das tun, was jedes Unternehmen macht, nämlich Experten-Know-how auf dem Markt zu­kaufen. (Abg. Dr. Cap: Wissen Sie, was wir brauchen? Ein Stummvoll-Zitat brauchen wir!)

Herr Kollege Cap, noch einmal: Sie werden mit dieser Anfrage, so wie mit vielen ande­ren Dringlichen Anfragen, einen Bauchfleck landen. Uns kann es nur recht sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


16.01


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner in der Dringlichen Anfrage gelangt Herr Abgeordneter Bucher zu Wort. Ihre Redezeit ist mit 10 Minuten begrenzt. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Dr. Fekter.)

 


16.01

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Abg. Dr. Fekter. – Ruf: Hört einmal zu!) Kritik ist wichtig, richtig und erforderlich in einer Zeit, in der es zu einem Informationsoverflow kommt und sehr viele Informationen, vor allem politische Informationen im Alltag untergehen. Dazu bekennen wir uns!

Wir Freiheitlichen waren auch immer eine sehr kritische Partei. (Rufe bei der SPÖ: Wa­ren! Waren!) – Wir sind eine kritische Partei (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), aber in einem Ausmaß und mit einem Stil (Abg. Dr. Cap: Der war gut!), der sich grundlegend von Ihrem Stil unterscheidet, Herr Kollege Cap, denn das, was Sie heute geboten ha­ben, ist wirklich ein kabarettreifes Stück. (Ruf: Das ist ein Trauerspiel, kein Kabarett!) Falls Sie nach Ihrer politischen Tätigkeit keine Anstellung im Kabarett Simpl bekom­men, dann darf ich Ihnen vorschlagen, vielleicht zum Villacher Fasching zu kommen. Ich werde alles unternehmen, werde meinen Einfluss geltend machen, damit Sie dort zukünftig eine Bühne bekommen, auf der Sie diese Auftritte haben, die Sie brauchen, um eine wirkungsvolle Darstellung Ihrer Politik zu machen! (Beifall bei den Freiheitli­chen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihr Nachbar, Herr Abgeordneter Gusenbauer, hat ja schon beim letzten Villacher Fa­sching einen Vorgeschmack bekommen, wenn ich an seine perückenhafte Vorstellung mit dem Landeshauptmann denke. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bekennen uns, was die Dringliche Anfra­ge betrifft, die Sie uns heute vorgelegt haben, zu einer seriösen und gerechtfertigten Kritik. Wir bekennen uns aber auch zu den Beratungsleistungen, die notwendig sind (Abg. Dr. Gusenbauer: Das stimmt! Bei so einem Finanzminister hat man einen gro­ßen Beratungsaufwand!), um alle Ausgliederungen, Privatisierungen und vor allem auch die Verwaltungsreform so, wie wir sie uns alle wünschen, wie es sich alle Abge­ordneten in diesem Hause schon seit vielen Jahren gewünscht haben, umsetzen zu können. (Abg. Dr. Cap: Verdoppeln Sie lieber die Hilflose!)

Dazu ist es erforderlich, dass wir dieses Ziel im Auge behalten und alle Kosteneinspa­rungspotentiale, die möglich sind, ausschöpfen – durch externe Beratung, durch Exper­tisenvorschläge, die notwendig sind, um den eigenen Horizont und auch den Horizont unserer sehr guten Beamten zu erweitern und alle Möglichkeiten zu nutzen.

Ich gehe jetzt auf Ihre Anfragen im Detail ein. Betreffend Reorganisation der Finanz­verwaltung muss ich sagen: Sie haben doch immer von der Bundesregierung gefor­dert, ein modernes Finanz- und Verwaltungsdienstleistungsunternehmen zu schaffen. Das ist auch der Anspruch, den wir stellen. Daher verstehe ich nicht, dass Sie, wenn der Herr Finanzminister und die Bundesregierung dieser Forderung nachkommen, mit so einer Dringlichen Anfrage die Bereitschaft verweigern, mitzugehen.

Oder: Umstrukturierung der ÖBB. – Die Österreichischen Bundesbahnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben einen Schuldenberg von etwa 60 Milliarden Schil­ling. Das ist ein gewaltiger Betrag, der die Bundesregierung in ihrem finanziellen Bewe­gungsspielraum enorm einschränkt.

Meine Damen und Herren! Bei dieser Gelegenheit darf ich gleich auf Kampagnen ver­weisen, die Ihr damaliger Verkehrsminister Caspar Einem in Auftrag gegeben hat, et­wa: „Schiene statt Verkehrslawine!“ (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. – Abg.


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Mag. Prammer: ... das ist ein Unterschied!) Diese Kampagne hat ebenfalls 32 Millio­nen Schilling verschlungen, aber da hat niemand den Herrn Verkehrsminister zur Rede gestellt und aufgefordert, dies zu rechtfertigen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Oja! Die FPÖ! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das war eine schlechte Kampagne! – Abg. Mag. Pram­mer: Aber Sie haben kein einziges Mal den Einem dabei gesehen!) Und ich erspare Ihnen jetzt die berühmte Diskussion rund um die Affäre „Euroteam“. Ich erspa­re Ihnen, dass wir das heute hier auch noch diskutieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Fachmännische Expertisen sind unentbehrlich bei der Bewältigung von zielgerichteten Reformen, denn es geht um eine komplexe Fragestellung in dieser sehr mutigen Vor­gehensweise der Bundesregierung, die sich nicht davor drückt, diese heißen Eisen, die Sie in Form eines Reformstaus zurückgelassen haben, auch anzufassen, zu bewälti­gen. (Abg. Dr. Cap: Mir kommen die Tränen! – Abg. Mag. Wurm: Schneidig, schnei­dig!)

Ich glaube auch, dass die Bürger ein Recht auf Information haben (Abg. Dr. Gusen­bauer: Aber nicht auf Propaganda!), auf sachlich richtige Information. (Abg. Dr. Cap: Agitprop ist das!) Und mir ist es – auch als Abgeordneter, und da spreche ich auch für meine Fraktion – lieber, dass Geld in Beratungsleistungen investiert wird (Abg. Dr. Gu­senbauer: Bevor es der Finanzminister selber macht!), anstatt falsche politische Ent­scheidungen zu treffen, die später den Steuerzahler zur Kasse bitten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nichts ist für den Steuerzahler teurer als eine falsche politische Entscheidung, die manchen Politikern in der Vergangenheit oft auferlegt wurde. (Abg. Dr. Cap: Sie tun sich schwer heute, sehr schwer! – Abg. Dr. Gusenbauer: Es ist ziemlich zäh!) Und wir haben durch die jüngsten Medienberichte erfahren, dass im Rahmen des Runden Ti­sches auch der Herr Bundespräsident gefordert hat, eine offensive Informationskam­pagne zum Thema Pensionsreform zu starten. Es sind dies also wertvolle Empfehlun­gen, derer sich die Bundesregierung angenommen hat und die auch künftighin ge­macht werden. (Abg. Dr. Cap: Wieso tun Sie sich so schwer?)

Unsere Fraktion steht, wie gesagt, zu diesen Tätigkeiten, die im Übrigen alle auch vom Ministerrat beschlossen wurden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Es gibt schon harte Sachen im Leben eines Abgeordneten, nicht wahr?)

16.07

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Uhr ist auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


16.07

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! So ungefähr (in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministers Mag. Grasser) schaut es aus, wenn ein angeblicher Sparefroh in wenigen Tagen mehr als drei Mal hintereinander beim Schmähführen, beim Schwindeln und bei sonstigen Dingen ertappt worden ist. (Rufe bei der ÖVP: „Schmähführen“?! „Schwindeln“?!)

Da stellt man sich dann hierher und verteidigt sich damit, dass Herr Kollege Cap einen zugegeben launigen Beitrag zwischendurch abgeliefert hat. Aber er hat eine zutiefst ernste Dringliche Anfrage gestellt, darüber können Sie sich nicht schon wieder hinweg­schwindeln! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie haben sich in den letzten paar Wochen ein paar Mal ganz offensichtlich, jedenfalls was die Rolle eines Finanzministers be­trifft – über andere Rollen könnten wir ja noch extra reden –, anständig ins Out manöv-


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riert, das muss ich Ihnen schon sagen! Aber jetzt ist eigentlich Schluss mit lustig! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Budgetrede fördert, entkleidet von den berühmten Werbesprüchen, jedenfalls eines zutage, nämlich dass sehr wohl falsche Angaben gemacht wurden. Professor Van der Bellen hat es Ihnen klipp und klar vorgerechnet. Vielleicht wenden Sie sich bei Ihrer Dissertation auch der Problemstellung zu: Was ist eine Bilanzverlängerung?, und: Was darf ich darüber sagen und was nicht? (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Aber viel ernster verhält es sich – und man muss es im Kontext erwähnen, man muss es erwähnen! – mit einer ganz offensichtlich unzulässigen Beeinflussung eines sehr teuren Vergabevorganges in offener Frist, bevor die Vergabeentscheidung gefallen ist, und zwar mit möglichem Einfluss auf das Ergebnis dieser Entscheidung. (Abg. Dr. Cap: So ist es!) Das ist sehr schwerwiegend und überhaupt nicht mehr lustig! Ich frage Sie wirklich, wie Sie gedenken, diese Sache ein weiteres Mal, und dann einmal tatsächlich klarzustellen. Was Sie bis jetzt geboten haben, war eigentlich keine Selbst­verteidigung, sondern ein Sich-weiter-Hineinreiten, was uns nicht mehr wundert, da die Faktenlage erdrückend ist. Was es da noch zu lachen gibt, möchte ich jetzt wirklich einmal wissen. Da ist nichts mehr zum Lachen, das ist eine Tragödie für die Steuerzah­lerinnen und Steuerzahler!

Und da fügt es sich ins Bild, dass Sie – drittens – dabei ertappt werden – und ich rede jetzt nicht von den Beratungsverträgen, ich möchte das ausdrücklich von dieser Anfra­ge abgrenzen ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.) – Das ist nicht unglaublich, das ist leider glaublich! (Bundesminister Mag. Grasser: Leider falsch!)

Ich rede jetzt von den Werbekampagnen, die Sie um Ihre eigene Person aufziehen, und ähnlichen Dingen. Wie sonst auch, operieren Sie nach dem Motto: Wenn ich das Geld mit beiden Händen beim Fenster hinausschmeiße, wird sich schon irgendwo noch eine Tür für mich öffnen! – Und diese Vorgangsweise entspricht eben nicht mehr dem Sparefroh! Da ist der Frohsinn weg, denn von Sparen war ohnehin schon lange keine Rede mehr. Deswegen schauen wir uns jetzt die Dinge der Reihe nach noch einmal an. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die Beratungsverträge betrifft, habe ich Ihnen angeboten, dies von den anderen Themenstellungen zu differenzieren, weil das, vorausgesetzt es wird gute Beratungs­leistung gemacht, natürlich einen gewissen Effekt hat. (Abg. Dr. Fekter: Aber sicher!) Das wird ja kein vernünftiger Mensch bestreiten. Das war auch nicht die Intention der Dringlichen Anfrage des Abgeordneten Cap und KollegInnen, so wie ich das dem ent­nommen habe. Natürlich kann man jetzt sagen: Die Bundeswohnungen haben einen ungefähren Wert von – was weiß ich – 600 Millionen €, einer Milliarde €, und dagegen verschwindet bald einmal ein Beratungsvertrag in der prozentuellen Summe. – Kunst­stück!

Die Frage ist ja: Was wird eingekauft? Wer wird zu so einem Beratungsvertrag einge­laden? Ist das überhaupt gescheit ausgeschrieben worden? Und: Wer ist es letztlich geworden? Arthur Andersen, das waren doch diejenigen, die Enron hervorragend bera­ten haben. (Bundesminister Mag. Grasser: Das war bei den Bundeswohnungen ...!) Wir harren ja der Ergebnisse. (Bundesminister Mag. Grasser: Das war Lehman, Herr Abgeordneter!) – Bitte? (Bundesminister Mag. Grasser: Das war Lehman, nicht Arthur Andersen! Sie verwechseln den Berater!) – Dann bin ich Ihnen dankbar. Ich gestehe meinen Fehler wirklich ein, wenn es so war. (Bundesminister Mag. Grasser: ... nicht der einzige Fehler!) Ich will Ihnen diese Korrektur glauben.


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Trotzdem: Das Problem bei diesen Beratungsverträgen ist nicht eines der prozentuel­len Summe zum möglichen Gesamtgewinn, den Sie da darstellen, das Problem ist ja die Frage der politischen Entscheidung im Vorhinein: Was soll denn privatisiert werden und was nicht? Wenn man sich hinstellt und sagt: Ich privatisiere alles! – Na super! Dann kommt irgendein Berater und bekommt noch einmal 10 Millionen. Das dann in Beziehung zum halben Bundesvermögen zu setzen, das ist doch keine Rechtfertigung. Da wird einfach die Fragestellung falsch herum aufgezäumt.

Wenn Sie uns dann erklären, New Public Management sei damit forciert beziehungs­weise geleistet worden, dann sage ich: Beratungsleistung, gute Nacht! Welches New Public Management haben Sie denn entdeckt? Wo geht etwas weiter? Wenn man mit den Beamten redet, die da wirklich engagiert sind ... (Abg. Broukal: Es war Arthur Andersen bei Enron, sagt der Google zumindest! Vielleicht weiß ... der Herr Finanzmi­nister ...!) – Vielen Dank! (Rufe bei der ÖVP: Aber nicht bei den Bundeswohnungen! – Abg. Dr. Fekter: Hat wieder was verschlafen, der Herr Broukal!) Beziehen wir uns auf Google, beziehen wir uns auf die Suchmaschine: vorläufig also doch wieder Arthur Andersen. – Vielleicht sollten Sie auf Ihrer Homepage entsprechende Korrekturen vor­nehmen. (Bundesminister Mag. Grasser: Bei den Bundeswohnungen, Herr Abgeord­neter, war es der Lehman!)

Von einem New Public Management ist kaum etwas zu entdecken, aber Sie führen das hier als besonderen Erfolg an. Das kann mit diesen Beratungsverträgen, wenn sie so gut sind, nichts zu tun haben. Aber lassen wir das beiseite! (Rufe und Gegenrufe zwi­schen den Abgeordneten Broukal und Dr. Fekter.)

Das Problem bei derartigen Regierungskampagnen oder auch bei Kampagnen einzel­ner Ministerien ist Folgendes: Wo ist die Grenze des Zulässigen? – Darüber kann man natürlich immer streiten. Ich möchte nicht behaupten, dass überhaupt kein Geld für Werbung seitens der Regierung oder eines Ministeriums ausgegeben werden soll, aber es geht doch immer darum, womit „informiert“ – unter Anführungszeichen – wird. Da geht es eben darum, dass maximal Bildfläche für einen Finanzminister verbraucht wird. Das kann doch nicht der Sinn und Zweck sein! Das ist doch anachronistisch für den Steuerzahler. Sie geben den Sparefroh, aber um dieses Bild aufzubauen, schmeißen Sie das Geld der Steuerzahler hinaus! Das passt doch nicht zusammen, und das ist das Problem an der Geschichte!

Ich bin ja nicht allein mit dieser Kritik, ich habe deshalb extra einen aktuellen Rech­nungshofbericht angefordert, den wir im Ausschuss behandeln werden. Sie selbst wer­den ja Gelegenheit haben, im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dort werden wir dieser Sache dann ernsthaft und tat­sächlich auf den Grund gehen.

Wir haben auch schon die Problematik behandelt, was mit diesen Regierungskam­pagnen eigentlich los ist. Der Rechnungshof empfiehlt heftig – im Gegensatz zur bis­heri­gen Praxis –, endlich einmal klare Richtlinien und Kriterien für diesen Bereich zu er­ar­beiten.

Aber: Was lesen wir? – Die Regierung wehrt sich, das wird nicht als zweckdienlich be­trachtet, das sei einer anlassbezogenen Öffentlichkeitsarbeit abträglich. – Ihre Anlässe kennen wir. So geht es dann aus! Und das ist eben der Unterschied: Wird damit ein Bürger oder eine Bürgerin in einem Inserat informiert, was seine/ihre Rechte betrifft, was seine/ihre Möglichkeiten betrifft, irgendeine Dienstleistung des Staates in An­spruch zu nehmen oder nicht? – Nein, man muss die Bilder des Finanzministers kon­sumieren! Man muss lesen: Keine neuen Schulden! – und was weiß ich noch. Ob das dann wahr ist oder nicht, ist Wurscht. Das ist das Problem!


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Deshalb sollten Sie hier nicht relativ trotzig auf Rechnungshofberichte – in diesem Fall ist das sogar amtlich, da haben wir es ja – reagieren, sondern sich diesen Ansichten einfach stellen und, wie ich meine, Sie sollten sich ihnen sogar beugen.

Das Problem bei all diesen Dingen ist also die Selbstdarstellung. Wenn – und das möchte ich von diesen Beratungsverträgen wirklich differenzieren –, wenn es tatsäch­lich so ist, Herr Bundesminister für Finanzen, dass zehn Auftritte – Sie können mich korrigieren, wenn es nicht stimmt – Ihrerseits zur – ich weiß nicht genau, was Sie da vorhatten – Belehrung, zur Bewerbung, zu was weiß ich was im Zusammenhang mit Klein- und Mittelbetrieben über 2 Millionen € kosten, dann frage ich mich, ob diese Un­ternehmerinnen und Unternehmer nicht mehr davon gehabt hätten, wenn man das Geld aufgeteilt und ihnen einfach so überwiesen hätte. Damit hätten sie nämlich auch schon etwas machen können. (Abg. Großruck: Das ist grüne Wirtschaftspolitik!)

Aber was dort passiert ist, ist offensichtlich die reine Selbstdarstellung – auf Steuerzah­lerkosten! Und das kann man einfach nicht akzeptieren. Da sind Trennlinien zu ziehen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Cap: Wie ein Sektenprediger!)

Insofern ist der Befund, was die Beträge für Werbekampagnen, und da speziell der Person des Finanzministers, betrifft, relativ eindeutig: Hier ist vom Sparefroh zum Meis­ter der Verschwendungssucht übergegangen worden! Das wird die Öffentlichkeit sicher noch weiter beschäftigen. Sie haben ja zu den einzelnen Zahlen, die hier aufgelistet sind, kaum Stellung genommen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Gras­ser.) – Nein, haben Sie nicht!

In diesem Fall ist es ein Glück, dass es einen Untersuchungsausschuss gibt, nämlich den Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses.

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kogler, die freiwillige Redezeit ist vorbei. Ich stelle Ihnen jetzt die letzte Minute der gesetzlichen Redezeit ein.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Die Fragestellung betreffend die Abfangjäger wird eine andere sein. Aber ich sage Ihnen: Auch dort werden wir um einen Untersuchungsausschuss – und Sie mit Ihrer Verantwortung ebenfalls – nicht he­rumkommen. Nur: Im Unterschied dazu geht es dort um die hundertfachen Summen! Und es geht nicht mehr nur um Verschwendungssucht, es geht eigentlich um den schwerwiegenden Verdacht – und ich wiederhole es – der Schiebung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.17

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. Die Uhr ist auf 7 Minuten – freiwillig – gestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Karl-Heinz Flott­well! K H F!)

 


16.17

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder, der mit Wirtschaft zu tun hat, weiß, dass man ein schlechtes Pro­dukt auch durch Werbung nicht verkaufen kann. Und die Menschen unterscheiden sehr wohl, ob Ihr Produkt, Ihre Politikinhalte gut oder schlecht sind. Und ein sehr typisches Beispiel für schlechte Politik sind die Vorgänge rund um den Verkauf der bundeseige­nen Wohnungen.

Wenn ich vielleicht nur ganz kurz daran erinnern darf: Vor zweieinhalb Jahren wollte der Herr Minister durch den Verkauf der BUWOG-Wohnungen – vorerst war nur an die Mieter gedacht – sehr viel Geld für das Budget lukrieren. Es sind aber in den Verkauf gleich einmal Hürden eingebaut worden. Man hat gesagt, es müsse ein bestimmter Prozentsatz – zuerst war von 30 Prozent die Rede, das ist dann auf 25 Prozent redu­ziert worden – der Mieter zum Kauf bereit sein, damit es überhaupt zu einem Verkauf


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an diese kommt. Dann sind unzulässige Zahlungen von 7 500 – damals noch – Schil­ling in den Raum gestellt worden. Und der Herr Bundesminister hat immer gesagt, ein Verkauf an Dritte stehe überhaupt nicht im Vordergrund.

Dabei ist eigentlich ganz klar, dass alles nur darauf hinausgelaufen ist und hinausläuft, dass diese Wohnungen an Gesellschaften, an Immobilienfirmen und Investoren ver­kauft werden sollen.

In diesem Zusammenhang ist auch ein Artikel in der „Presse“ vom 5. Juni dieses Jah­res sehr interessant, in der Kollege Großruck ein Interview gegeben hat, in dem unter anderem auch die Äußerung gefallen ist, dass die hohen Mieten ... (Abg. Großruck: Das war unbezahlt, das Interview!) – Ja, aber horchen Sie sich das Ergebnis an, das ist interessant, weil ja auch immer wieder von einer Mieterhöhung bei den Genossen­schaftswohnungen in der Wiedervermietung geredet wurde. In diesem Interview wurde gesagt, dass diesen Druck der Herr Finanzminister ausgeübt habe. Sie haben sich von einer geplanten Mieterhöhung in der Wiedervermietung distanziert. Das habe ich in diesem Zusammenhang sehr interessant gefunden, vor allem angesichts dessen, dass Großinvestoren diese Wohnungen kaufen sollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Vielleicht noch zur Information: Es hat ja auch Prozesse gegen die BUWOG gegeben. Diesbezüglich gab es bereits eine einstweilige Verfügung, und gestern ist in Linz ein Urteil gegen die WAG-Wohnungen ergangen, in dem rechtlich klargestellt wurde, dass es rechtswidrige Verkaufsbedingungen für die Mieter gegeben hat. Und das ist eigent­lich unerhört!

Sie sind nicht einmal bereit, die Mindestanforderungen in einem Rechtsstaat einzuhal­ten, andererseits aber werden hier Großbeträge ausgegeben, wie es in der Zweiten Republik in einem Ressort noch nicht üblich war. Das ist wirklich unerhört! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Mieter selbst haben nur Nachteile zu erwarten: Es sind Verzögerungen entstanden, die Mieter, die kaufen wollen – das sind ja nur ganz wenige –, sind verunsichert, es sind Kosten entstanden. Der gesamte Ablauf ist zu hinterfragen, und eine Frage ist dabei in den Vordergrund zu stellen: Wem nützt das Ganze? Welche Personengruppen haben von solch einem geplanten Verkauf einen Vorteil? (Ruf bei der ÖVP: Die zukünf­tigen Eigentümer!) – Die zukünftigen Mieter? Es ist nur ein kleiner Prozentsatz, der kaufen will, aber der soziale Wohnbau hat in Österreich eine sehr wichtige und enorme Bedeutung. (Abg. Großruck: Ist das zur Dringlichen oder zu etwas anderem? Reden Sie zur Dringlichen oder zu etwas anderem?) Die Mieter haben sicher nicht den Vorteil. Das Grundbedürfnis auf Wohnen wird durch den sozialen Wohnbau gedeckt.

Die Beschäftigten der BUWOG haben auch keinen besonderen Vorteil, denn das ist ein ordentlicher, florierender Betrieb mit sicheren Arbeitsplätzen.

Bleibt eine Gruppe, die möglicherweise Vorteile hat: das Bankhaus Lehman & Brothers und die Rechtsanwaltskanzleien. Die haben vom Herrn Minister für ein bisher völlig fehlgeschlagenes Projekt immerhin 10,9 Millionen € an Beratungssalär zum Teil schon bekommen, das andere wird erst ausbezahlt. (Abg. Großruck: Meinen Sie „Euroteam“, oder was meinen Sie? – Abg. Mag. Wurm: BUWOG-Verkauf!)

Mit dieser Angelegenheit wird sich die Staatsanwaltschaft beschäftigen, es hat nämlich eine anonyme Anzeige gegeben, und jetzt wird die Sachverhaltslage geprüft. In dieser Anzeige wird behauptet – das wird eben zurzeit geprüft –, dass Beratungsaufträge an nahe stehende Firmen vergeben wurden, obwohl die Anbote zu teuer waren. Die Kos­tendifferenz soll in die Taschen von Mitarbeitern geflossen sein – laut „NEWS“ vom 20. Februar.


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Als Verteiler dieser Provisionen wird ein gewisser Karlheinz Muhr genannt – laut ano­nymer Anzeige. Und wenn Sie, Herr Finanzminister, Ihr Büro und Ihr Sprecher sagen, dass Sie mit dem nichts zu tun haben, muss man einmal Karlheinz Muhr in einen Zu­sammenhang stellen: Er ist einerseits Broker in New York, pflegt zu Ihnen freund­schaftliche Kontakte, ist Berater von Lehman & Brothers, von den Austrian Airlines, Aufsichtsrat bei der Firma Frank Stronach – jeder weiß, dass das einmal Ihr Arbeitge­ber war. (Abg. Broukal: Karenziert, nicht „war“!)

All das wird jetzt einmal geprüft, und man wird ja sehen, was dabei herauskommt. (Bundesminister Mag. Grasser: ..., ich hoffe, dass Sie sich danach entschuldigen wer­den!) – Ich sage ja nur das, was öffentlich bekannt ist.

Auf die Frage, warum externe Berater herangezogen werden, sagen Sie, der Fall sei so komplex und so schwierig. – Bis jetzt gibt es eigentlich außer einem Flop und für die Mieter Kosten überhaupt keine Ergebnisse.

Fragen, die in der letzten Besprechung vorgebracht wurden, sind noch immer offen: Hat Ihnen die Firma Lehman & Brothers geraten, ob dieser Verkauf in Tranchen durch­geführt werden soll, wie hoch der erzielbare Erlös sein soll und ob auch an ausländi­sche Konsortien verkauft werden soll? – Ich denke, das ist eine sehr wesentliche Fra­ge, die hier geklärt werden soll.

Ganz zum Schluss, um wieder zur Produktfrage zurückzukommen, möchte ich nur sa­gen: Es ist an der Zeit und angebracht, dass Sie Ihr Produkt verbessern, Herr Finanz­minister. Nehmen Sie die Vorschläge der SPÖ an, orientieren Sie sich an unseren Vor­schlägen (Abg. Dr. Fekter: Am „Schulden-Rudi“ oder an wem?), so können Sie Aus­gaben für Werbefirmen sparen, und ich garantiere Ihnen: Wir werden kein Honorar dafür verlangen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

16.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort. Zu Ihrer Information: Die Uhr ist auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


16.25

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): In dieser Dringlichen Anfrage ist weniger von den Bundeswohnungen die Rede, vielmehr werden Beratungsverträge vorwurfsvoll aufgelistet und Informationskampagnen für die Bürger angeprangert.

Herr Kollege Cap, was ist so schlecht an Beratungsleistungen? – Eigentlich sind nur schlichte Geister der Meinung, alles selbst zu wissen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Mag. Posch.)

Herr Kollege Cap, was ist so schlecht an Expertenunterstützung? – Professionelles Management nützt diese Dienstleistung, und nur Unprofessionelle wursteln ohne Ex­pertenmeinung dahin.

Oder: Was ist so schlecht an Informationen für die Bürger?

Kollege Cap hat hier sehr kabarettistisch zitiert, dass der Herr Minister Informations­kampagnen für die KMUs geleistet hat. – Meine Damen und Herren! Viel zu oft wird kritisiert, dass es einen Mangel an Informationsleistung über die Regierungsarbeit gibt. Ich erinnere mich daran: Erst vor kurzem hat uns der Herr Bundespräsident aufgefor­dert, dass wir besser informieren sollen. Also was ist so schlecht daran?

Was ist schlecht an Bürgerkontakten? – Cocktails und Brötchen finden sich als Kritik­punkte in dieser Dringlichen Anfrage. Ich erinnere mich daran: Cocktails und Brötchen gab es auch bei den Kanzlerfesten der sozialistischen Bundeskanzler. (Abg. Dr. Trinkl:


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Ist aber schon lange her!) – Ist schon lange her, ja. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Wenn man die Sachlage seriös betrachtet: Der Herr Minister hat aufgelistet, wofür die Beratungsleistungen erbracht und die Expertisen erstellt wurden. Und ich kann Ihnen sagen: Professionelles Regieren erfordert Beratung, Expertisen und vor allem auch Information der Bürger.

Der Vorwurf der Opposition betrifft aber nicht bloß die Beratungsleistung, sondern vielmehr die Vergabe der Aufträge an die private Wirtschaft. Es ist nicht der Vorwurf der Kosten allein, der hier im Raum steht, sondern die SPÖ hat grundsätzlich ein abso­lut gestörtes Verhältnis zu Privataufträgen, sie steht nämlich auf dem Standpunkt, Re­gierungsarbeit und die damit in Zusammenhang stehenden dienstlichen Leistungen sollen nur durch staatliches Personal abgewickelt werden.

Es ist entlarvend, dass sich in dieser Dringlichen Anfrage der Satz findet: „Auch er­scheint die Heranziehung von privaten Auftragnehmern für Gesetzesvorbereitungen – unabhängig von der enormen Kostenhöhe – als höchst bedenklich.“

Das ist ja skurril, was soll das heißen? Darf die Wirtschaft bei der Gesetzeserarbeitung nicht mehr mitarbeiten? Darf die Wissenschaft nicht mitarbeiten – außer es ist ein pragmatisierter Professor? Was bedeutet das, dass man hier Dritte nicht mitarbeiten lässt?

Im Begutachtungsverfahren arbeiten ja auch sozusagen weite Bereiche der Bevölke­rung mit. Dürfen das nur Institutionelle? – Also ich habe das nicht verstanden.

Es findet sich in der Anfrage auch der vorwurfsvolle Satz: „Noch nie in der Geschichte in der Zweiten Republik wurden durch einen Finanzminister derartig viele ressortinter­ne Dienstleistungen an Dritte ausgelagert ...“ (Ruf bei der SPÖ: Das ist richtig!) – Ist richtig, und dieser Satz entlarvt Ihre wirkliche Motivation (Abg. Mag. Wurm: Sparen ist das aber nicht!): Sie haben ein Missverhältnis dazu, wie man einen schlanken Staat betreibt, wie man private Dienstleistungen nützt und sich Experten-Know-how holt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist richtig – da stimme ich Ihnen zu –, dass wir im öffentlichen Dienst hervorragen­des Know-how haben und sehr viele gute Beamte und gute Experten. Das gilt insbe­sondere auch für das Finanzministerium. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber dass diese Beamten nichts zu tun hätten, wie das in Ihrer Anfrage herauskommt, stimmt nicht. In der Anfrage steht nämlich: Es steht „eine große Anzahl von bestens ausgebildeten Fachbeamten zur Verfügung“ und ihr „entsprechendes Know-how“ liegt „im Ressort brach“. – Ja glauben Sie, dass die nichts zu tun haben? (Ruf bei der SPÖ: Schauen Sie, der Herr Schweitzer sitzt auf dem Bundeskanzler-Sessel! So weit ist es schon gekommen!)

Ich verwehre mich dagegen, dass man unterstellt, im Finanzressort wären ausreichend brach liegende Kapazitäten und Beamte, die nichts zu tun hätten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die notwendige Dienstleistung ist ja vom Kollegen Kogler eigentlich sogar irgendwie akzeptiert worden, nämlich dass man Beratung und Expertisen zukaufen kann oder sich beraten lässt – das, glaube ich, ist unbestritten, das ist nicht strittig. Das heißt, strittig ist, wie der Minister das vergeben hat und dass er überhaupt Fremde beauftragt hat. (Ruf bei den Grünen: Und was kostet es? – Abg. Öllinger: Auch der Preis!)

Was wäre die Alternative gewesen? – Der Herr Finanzminister hätte, wenn man davon ausgeht, dass die Beamten im Finanzressort nicht Däumchen drehen, sondern fleißig sind, neue Dienstposten für derartige Expertisen schaffen müssen.


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Betriebswirtschaftlich ist zu hinterfragen, ob man Dienstleistungen durch hauseigenes Personal und hauseigene Experten durchführen lässt oder ob man sie zukauft. Unter sozialistischen Finanzministern sind solche Entscheidungen fast immer zugunsten zu­sätzlicher Dienstposten gefallen. Ich sage Ihnen: Schlanker Staat heißt aber, lieber Aufträge einmal zu vergeben, als Dienstposten über Jahre budgetwirksam zu haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Neben der Kritik, dass sie an Private gegangen sind, gab es auch noch die Kritik hin­sichtlich der Informationskampagne und der Bürgernähe des Herrn Ministers. Meine Damen und Herren von der Opposition! Wir haben in diesem Land ein verfassungs­rechtlich garantiertes Recht auf Medien- und Informationsfreiheit. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es kein Monopol auf Information oder Desinformation gibt, deshalb wird die Regierung auch in Zukunft die Bevölkerung richtig informieren und Inserate schal­ten, wenn sie dies für notwendig hält. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.31

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung ÖVP –: Hat die Regierung nicht das Desinformationsmonopol? – Abg. Dr. Fekter: Nein, das hat die SPÖ!)

 


16.32

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mehr als für den Kollegen Bucher hat es nicht gereicht, kein weiterer Freiheitlicher steht auf der Verteidigerliste. (Abg. Neudeck: Das ist aber nicht wahr! Tatsächliche Berichtigung!) Sie haben sachlich vollkommen Recht (Abg. Dr. Jarolim: Man muss das auch sagen!): Es ist mit Sicherheit vernünftiger, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, die Verteidigung des vorliegenden Finanzministers nicht zu über­treiben. (Abg. Neudeck: Der ist ja nicht „vorliegend“! – Abg. Scheibner: Er ist vorsit­zend! – Heiterkeit.) Ich würde Ähnliches auch der Österreichischen Volkspartei emp­fehlen.

Kommen wir nun zu einigen Punkten. Wie mein Fraktionskollege Werner Kogler plädie­re auch ich dafür, sich die Sachen möglichst genau anzuschauen. Ich werde mich auch nicht mit den verschiedenen so genannten – das Wort „so genannt“ ist da schon wich­tig – Beratungsverträgen befassen und auch nicht näher – vielleicht können wir das einmal anderenorts tun – der Frage nachgehen, was eigentlich die doppelte Botschaft bedeutet: Ich bin stolz darauf, dass ich 1 800 Dienststellen abgebaut habe, und bin gezwungen, immer mehr Aufträge für besonders teures Geld außer Haus zu vergeben. (Abg. Mag. Wurm: Und das im Ausland auch noch!)

Sehen Sie keinen Zusammenhang, Herr Finanzminister? – Auf der einen Seite haben Sie offensichtlich zu wenige Leute, und auf der anderen Seite haben Sie zu viele Leu­te. Was ist da los mit der Personalpolitik in Ihrem Haus? (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Wäre es nicht notwendig, die Personalpolitik auch von den Qualifikationen her so zu gestalten, dass man dann, wenn man Leute für Beratungen braucht, diese auch hat? – Das ist der eine Punkt; der andere sind die Propaganda­ausgaben und Schaltungen von Inseraten, wo sich diese Frage nicht mehr stellt.

Kommen wir zur ersten Kampagne, zur teuersten Kampagne, der so genannten Klein-und-Mittelunternehmer-Kampagne. Herr Bundesminister! Wir haben eine genaue Schilderung dieser Kampagne erhalten, die Unterlagen des Finanzministeriums geben sehr detailliert Auskunft, und wir wissen, was Sie den Klein- und Mittelunternehmern neben Pensionskürzungen zu bieten hatten, nämlich eine Unmenge von Cocktails:


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Cocktails, Cocktails, Cocktails. Wer zu Ihnen kommt, wer eine Veranstaltung besucht, wer Sie live und daneben auf dem Flatscreen bewundert, der bekommt Cocktails.

Cocktails sind das, was Sie der kleinen und mittleren Wirtschaft zu bieten haben, und deswegen mache ich Ihnen den Vorschlag, wenigstens ehrliche Cocktails einzuschen­ken. Ich möchte Ihnen ein Beispiel eines ehrlichen Cocktails zeigen, einer Mischung, für die Sie dann selbst einen Titel finden können. (Der Redner nimmt ein Cocktailglas und füllt – unter Fortsetzung seiner Rede – bei den entsprechenden Ausführungen drei Flüssigkeiten in das Glas, wobei etwas Flüssigkeit verschüttet wird. – Ruf bei der ÖVP: Der Pilz hat Durst!)

Geben Sie, Herr Finanzminister, ins Cocktailglas einen Schuss „Magna-Bitter“ – der kommt immer zuerst. Ohne „Magna-Bitter“ wird bei Karl-Heinz Grasser nichts gemixt. Das gibt den Grundton, das gibt den Grundgeschmack. (Ruf bei der ÖVP: Aber dem Cap seine Vorstellung war besser!) Dazu kommt dann „EADS-Saft“, der wichtige „EADS-Saft“ – da rutscht dann alles besser. Das ist so etwas wie ein Genussgleitmittel. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Ein „EADS-Saft“ auf den „Magna-Bitter“. Und das, wovon Sie dann sehr viel brauchen, sind Steuergelder, Steuergelder, bis das Glas zum Überlaufen kommt, Herr Finanzminister! – Das ist ein Cocktail, bei dem Sie sich überlegen können, wie Sie ihn nennen. (Der Redner überreicht dem auf der Re­gierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Grasser ein Getränk.)

Mein Vorschlag lautet, Herr Finanzminister: Nennen Sie ihn „Schieb und dry“, nennen Sie ihn nach dem größten Vorhaben, das Sie politisch zu verantworten haben.

Reden wir gleich über das, reden wir über die Namensgebung, denn ich bin schon ge­spannt darauf, welche Inserate Sie rund um die Eurofighter schalten werden. Wird das ähnlich lauten wie bei der so genannten Nulldefizit-Kampagne? (Abg. Mag. Molterer: Ist es üblich, dass hier ein Barmixer steht?) Werden Sie dann auch wieder inserieren, null Bock beizutragen, an die Österreicherinnen und Österreicher? Wollen Sie den Ös­terreicherinnen und Österreichern klarmachen, dass sie Bock haben sollten, über 6 Milliarden Schilling zu finanzieren? Wollen Sie ihnen klarmachen, dass das nicht ihr Geld ist? Wollen Sie ihnen klarmachen, dass dann ein Nulldefizit erreicht wird?

Da kommen wir kurz zu dem Punkt, wo es sehr, sehr ernst wird. Das ist ein Punkt, den ich auch bei dieser Dringlichen Anfrage mit Ihnen diskutieren möchte: Fragen Sie ein­mal Ihren Staatssekretär Finz – Sie wissen, was er auf unsere Frage im Budgetaus­schuss geantwortet hat –, warum bei den Eurofightern nicht die Sofortzahlungsvariante und nicht die Fünfjahresvariante gewählt wurde: Weil dort überall die Eurofighter die Nummer zwei gewesen wären! Und warum wurde die Neunjahresvariante gewählt? Was war der Grund, den der Finanzstaatssekretär dem Budgetausschuss in aller Of­fenheit erklärt hat? – Weil wir damit in der Lage sind, eine Schuld einzugehen, die wir vor Brüssel verstecken können!

Der Finanzstaatssekretär hat erklärt: Da schaffen wir es gerade noch, eine nicht Maas­tricht-relevante Schuld einzugehen und aus einer Finanzschuld eine Verwal­tungs­schuld zu machen.

So, meine Damen und Herren, wird heute Nulldefizit-Politik gemacht, indem gesagt wird: Verschulden wir uns, aber nehmen wir die Schuld aus der Finanzschuld in die Verwaltungsschuld, sagen wir in Brüssel: Maastricht-mäßig hat das überhaupt nichts gekostet, Maastricht-mäßig zahlen wir nichts, Maastricht-mäßig ist das null. Und dann kommt wahrscheinlich wieder das nächste Inserat: Null Bock, etwas beizutragen?, oder: Nulldefizit – jetzt oder nie!

Herr Finanzminister, so wird es auf Dauer nicht gehen! Die Österreicherinnen und Ös­terreicher wissen genauso gut wie Sie, dass Eurofighter etwas kosten, dass eine Pen-


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sionsreform etwas kostet und dass Behübschungs- und Rechtfertigungsinserate etwas kosten. Alles, was Sie machen, geht auf Kosten der Österreicherinnen und Österrei­cher, nichts wird gespart. Jeder Euro – das stimmt! – wird zweimal umgedreht, aber das Pech ist: Jeder Euro, der von Ihnen, Herr Finanzminister, zweimal umgedreht wird, ist nachher verschwunden!

Das ist die Grasser-Methode: zweimal umdrehen und weg – aber nicht einzeln, Millio­nen und Milliarden! Und jetzt geht es um Milliarden, die auf der Kippe stehen, und da, Herr Finanzminister, werden Ihnen keine Inserate und keine Werbung helfen. Da wird Ihnen auch die Freiheitliche Partei in Zukunft nicht mehr viel helfen. Da wird etwas uns helfen, nämlich dem österreichischen Nationalrat, der österreichischen Politik und einer demokratischen und interessierten Öffentlichkeit ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Pilz! Die freiwillige Redezeit ist schon län­ger vorbei. Ich schalte Ihnen jetzt die letzte Minute, die zehnte der gesetzlichen Rede­zeit ein.

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, das ist schon mein Schlusssatz: Was sich diese Republik verdient und was sich auch dieser Nationalrat verdient, ist lückenlose Aufklärung und ist ein Stopp von Kampagnen und Vergeu­dungsaktionen dieser Art. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

16.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte eine Mitarbeiterin, das Rednerpult sauber zu machen. (Abg. Mag. Molterer: Das ist wirklich eine Zumutung! Der Nächste macht eine Schnitzeljause da draußen!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

 


16.42

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der heutigen Dringlichen Anfrage und allem, was dazugehört, habe ich schon sehr viel unsauberere Dinge gesehen als dieses Rednerpult, das heute mit diesem Mix et­was bespritzt wurde. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Finanzminister! Es wird schon wieder spannend, wie es so ausschaut mit der Wahrheit. (Abg. Mag. Molterer: Der Gaßner wird Vorsitzender vom Pilz-Fanklub! Das darf nicht wahr sein!) Ja, leider darf es schon wahr sein. Sie haben gesagt, die Firma Arthur Andersen Consulting ist nicht identisch mit derjenigen Beraterfirma, die in Ame­rika Enron und die Swissair so hervorragend beraten hat. Nach meinen Informationen ist sie identisch, und wenn ich mir das Nulldefizit anschaue, dann muss sie identisch sein, denn das ist auch ein Verhau. Zumindest war es das, jetzt gibt es das ja nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

4 290 000 € haben Sie dieser Firma gesponsert, nur um umzustrukturieren, um die 55-jährigen qualifizierten Beamten in die Pension zu schicken, bei vollen Kosten. Diese Kosten sind nicht eingerechnet. Und wissen Sie, was Ihre Beamten dazu sagen? Wis­sen Sie, was die zu dieser ganzen Maßnahme von Arthur Andersen gesagt haben? Nämlich Folgendes: Die haben uns interviewt, unsere Ideen aufgeschrieben und mit einem neuen Mascherl versehen.

Herr Finanzminister! Diese Umstrukturierungen wären billiger gewesen, wenn Sie mit Ihren Fachbeamten, mit Ihren qualifizierten Leuten geredet hätten. Das hätte nicht 4 Millionen € gekostet! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Die Reorganisation des Vergabewesens – auch so ein lustiger Punkt; na lustig ist das leider nicht mehr, ein tragischer Punkt dieser 27 Millionen Vergeudungs-Euros, die Sie in drei Jahren ausgegeben haben. Sie haben sich heute damit gerechtfertigt, dass da­mit die Bundesbeschaffungsgesellschaft gegründet wurde. Sind Sie wirklich der Mei­nung, Herr Bundesfinanzminister, dass man 2,6 Millionen € dafür ausgeben muss, dass man eine AG gründet, die dann gemeinsam beschafft? Das hätten Ihnen sicher­lich auch Ihre Spitzenbeamten sagen können, Ihre Spitzenbeamten, die an all den Vergabegesetzen sehr wesentlich mitgewirkt haben.

Dann stellt sich auch noch die Frage: Wenn Sie schon die Vergabe reorganisieren, wieso brauchen Sie dann zu den einzelnen Vergaben wieder Beratungen? Da kommt mir wieder der Name Universitätsprofessor Aicher unter. Den habe ich dieser Tage schon einmal gehört, den hat, glaube ich, auch der Herr Verteidigungsminister zu Rate gezogen. Sind denn wirklich alle Vergaben dieser Bundesregierung so – unter Anfüh­rungszeichen – „schwindlig“, dass Sie nur mit Gutachten auskommen? Können Sie nicht normal vergeben, so wie wir das alle im öffentlichen Bereich machen? Sind denn die Eurofighter wirklich das Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Abg. Kopf: Wenn Sie jede Vergabe kritisieren, müssen wir es ja machen!)

Sie können noch Tausende Gutachter heranziehen: Bei der Vergabe der Eurofighter wird immer ein bisschen etwas Anrüchiges hängen bleiben, meine sehr geehrten Da­men und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Von den ÖBB haben wir schon geredet, warum man da drei Firmen braucht und so weiter. Ich habe leider diese Zeit nicht.

Diese KMU-Aktion ist aber schon spannend, die muss ich schon noch einmal ganz kurz erwähnen. Es wurde ja alles hier schon aufgezählt: die Shows mit den Cocktails, den Brötchen, die Veranstaltungen in den Casinos und anderen schönen Häusern. Herr Finanzminister! Ich zitiere Ihnen nur eine heutige Pressemeldung des Österreichi­schen Gewerbevereins genau zu diesem Thema „Förderung der KMUs“ und zu dieser Aktion, die Sie hier gestartet haben. Wissen Sie, was der ÖGV – und dieser ist absolut nicht verdächtig, uns irgendwie nahe zu stehen – dazu meint? – Ich zitiere:

„Grasser erzählte auf seinen Roadshows mit der ihm arteigenen wundersamen Elo­quenz, vom tollen Geniestreich der Eintagsfliege ,Nulldefizit‘.“ „Für diese Nullleistungs­information“ „des ,Anwaltes der Steuerzahler‘ von eigenen Gnaden“ „durften sich die Wirtschaftstreibenden mit Brötchen aus eigenem Steuergeld laben“. „Dem Österreichi­schen Gewerbeverein (ÖGV) platzt langsam der Kragen.“ – Originalzitat dieser Verei­nigung, Herr Finanzminister. Nur so viel dazu, wie Sie fördern. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen empfehlen: Wenn Sie wirklich mit Klein- und Mittelunternehmern reden wollen, dann kommen Sie zu mir nach Schwertberg auf den Marktplatz. Ich werde Ihnen wirklich die Möglichkeit geben, mit denen zu reden, die dringend Unterstützung brauchen. Da hätten Sie jede Möglichkeit, ohne dass es Sie einen Schilling kostet. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister, spannend ist auch die Tatsache, dass die Universitätsprofessoren nicht ... (Zwischenruf des Abg. Murauer.) – Murauer, pass auf, was du abstimmst, sonst stehst du wieder in der Zeitung! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Murauer: Ja, ja! Na machen wir einmal einen Probedurchgang, Gaßner!) – 37 Universitätsprofessoren haben nichts gekostet. Sie haben dafür kein öffentliches Geld genommen, dass sie der Bevölkerung suggeriert haben, wie notwendig die dringliche Beschlussfassung der Pensionsreform ist.

Wer hat das bezahlt? – Sie stehen vor dem österreichischen Parlament und sagen: Wir nicht! – Punkt. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.)


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Und dann haben Sie noch die Kühnheit zu behaupten, Herr Finanzminister, Ihre eigene Homepage ist auch nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert. (Bundesminister Mag. Grasser: Na selbstverständlich nicht!) Gut, nehmen wir an, Sie haben sie selber bezahlt. – Aber nein, Sie sagen uns: durch Sponsoren bezahlt. Herr Finanzminister! Das ist Geschenkannahme. Da ist mir ein Paragraph in Erinnerung, nämlich der § 304 des Strafgesetzbuches, in dem sehr deutlich steht, was für Beamte, die Geschenke annehmen, hier vorgesehen ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Was für Beamte gilt, gilt auch für Sie, Herr Bundesfinanzminister. Wir werden uns vor­behalten, mit dem Herrn Staatsanwalt darüber zu reden, wie denn das ist, wenn Sie Geschenke annehmen, Herr Bundesfinanzminister. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen. – Bundesminister Mag. Grasser: Tun Sie das, bitte! So eine Frechheit ...!)

Wenn Sie mir hier ins Ohr flüstern, dass dies eine Frechheit wäre, dann sage ich, dass es eine Frechheit ist, wenn Sie dem Parlament sagen, dass Sie von privaten Sponso­ren Ihre Homepage finanziert bekommen – ganz zu schweigen von den Wartungskos­ten! Wer zahlt denn die, Herr Bundesfinanzminister? (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen. – Abg. Murauer: Gaßner, Sie werden dem Motto: Irgendwas wird schon hängen bleiben!, wirklich gerecht!)

Mein Schlusssatz ist folgender: Die Pensionistinnen und Pensionisten, die durch die ach so soziale Pensionsreform im nächsten Jahr unter 1 000 € haben werden und dann bittend zu diesem Fonds gehen und fragen dürfen, ob sie vielleicht etwas be­kom­men könnten, werden sich etwas denken, wenn in dem Fonds im ersten Jahr 10 Mil­lionen € drinnen sind und der Bundesfinanzminister 27 Millionen € in drei Jahren nur zur Selbstdarstellung und Reklame vergeudet. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

16.50

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Finanzminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Betrachten wir die Sachlage ganz nüchtern (Abg. Kopf: Wir sind nüchtern!), und dann ziehen wir einmal ganz nüchtern im Sinne des Finanzministers Bilanz.

Punkt 1: Herr Finanzminister, Sie stimmen mir sicherlich bei, es handelt sich um Steu­ergelder. Wir diskutieren über die Verwendung von Steuergeldern. – Gut.

Punkt 2: Herr Minister! Sie stimmen mir sicherlich bei, wir diskutieren über die Frage der Beratung, des Zukaufs von Know-how, neudeutsch: Consulting. Dazu werden Steuergelder verwendet.

Ja, Sie haben das Recht, sich im Sinne der Effizienz, im Sinne der Verbesserung der staatlichen Institutionen Know-how zuzukaufen, keine Frage. Nur, die Frage, die wir stellen, ist: in welchem Ausmaß, mit welcher Effizienz und mit welchem Ergebnis? Und was das betrifft, haben wir bis jetzt von allen sozusagen betroffenen Institutionen erfah­ren, dass zum Beispiel Andersen & Andersen bei weitem nicht das Geld wert war, das Sie investiert haben. Das ist auch eine nüchterne Tatsache. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesminister Mag. Grasser: Wer hat das be­hauptet?)

Ich habe mich erkundigt: New Public Management wird schon verschiedenst in den Kommunen, in den Bundesländern, teilweise auch in den Ministerien anzuwenden ver­sucht. Ich kann Ihnen eine Kommune nennen, die hier sogar einen internationalen


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Preis gewonnen hat: den Speyerer Preis für öffentliche Verwaltung, nämlich die Ge­meinde Linz. Ich kann Ihnen aber gleichzeitig mitteilen, dass die Gemeinde Linz, um diesen Preis zu erzielen, minimalsten Zukauf von Außen-Know-how getätigt hat, son­dern in erster Linie auf das Innen-Know-how zurückgegriffen hat und interne Wissens­quellen, interne Erfahrungsquellen, das heißt bewährte Beamtinnen und Beamte, he­rangezogen hat, um innovative Verwaltungsprojekte zu entwickeln und voranzutreiben. (Abg. Scheibner: Das kann man schwer vergleichen!)

Null Kosten und ein super Preis und ein super Ergebnis! Bitte, das sollten Sie auch in den Ministerien vorantreiben, denn ich glaube, auch in Ihren Ministerien, genauso wie in Ihren Universitäten, sitzen Menschen, die wissen, wie es besser geht. Die internen Ressourcen gilt es zu nützen! Das zum Punkt 2. (Beifall bei den Grünen. – Bundesmi­nister Mag. Grasser verlässt seinen Platz auf der Regierungsbank und spricht mit Abg. Mag. Molterer.)

Zum Punkt 3. Herr Minister! – Sie sind jetzt momentan nicht da! (Ruf bei der SPÖ: Da drüben steht er!) Daher: Herr Staatssekretär – Sie vertreten ihn ja immer sehr nett und sehr zuvorkommend! Punkt 3: politisches Marketing. Keine Frage, politisches Marke­ting ist in einer Zeit, in der Marketing überhaupt relativ überbordend verwendet wird, durchaus gerechtfertigt. Nur, Herr Finanzminister, ich glaube, im Sinne der Effizienz des Einsatzes von Steuergeldern lassen Sie die Zügel etwas schleifen und schießen Sie schon etwas übers Ziel. (Abg. Öllinger: Das ist unmöglich, Herr Finanzminister! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Finanzminister, ich glaube, es ist ein schlichtes Gebot der Höflichkeit, dem ande­ren zuzuhören. Normalerweise versuchen Sie im Sinne des politischen Marketings, sich gerade den Abgeordneten gegenüber als durchaus freundlich, höflich und auch dankbar zu erweisen. Im Sinne dieser Haltung, die Sie ja immer auf den Lippen führen, ersuche ich Sie auch persönlich, diese Haltung mir gegenüber an den Tag zu legen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) – Ich rede ja ganz nüchtern, wie Sie vielleicht durch den Herrn Staatssekretär vermittelt bekommen.

Also zum Punkt 3, zum politischen Marketing. Klar, das ist notwendig, es ist durchaus erfolgsträchtig, man gewinnt damit vielleicht WählerInnen. Nur: Nehmen Sie auch den Effizienzposten, den Steuergelderposten und den Rechnungshof ernst! Greifen Sie zurück auf das, was mein Kollege Kogler schon zitiert hat, auf die Anmerkungen des Rechnungshofes. Zur Erhärtung darf ich sie noch einmal zitieren: „Die Finanzierung von Öffentlichkeitsarbeit ist“ durchaus „zulässig“. Auf „parteipolitische Wahlwerbung“ sollte aber verzichtet werden. Darauf sollte man es nicht ausrichten. Dass es hier rechtlicher Rahmenbedingungen bedarf, ist unbestritten, aber diese fehlen uns noch.

Sie sollten in erster Linie, gerade als Finanzminister, darauf achten, dass hier Rah­menbedingungen gesetzlicher Natur geschaffen werden, die nicht dazu führen, dass Steuergelder für parteipolitisches Marketing verwendet werden. Aber Sie stehen so­wieso über der Partei, bei Ihnen ist ja das „KHG“ die Punze beziehungsweise die Mar­ke. Die „KHG“-Werbung sollten Sie sich wirklich aus privaten Taschen zahlen lassen. Sie machen es ja auch, aber Sie vergessen darauf, zum Beispiel bei der Finanzierung der Homepage, dass Sie das ja, wenn Sie sie privat finanzieren, sicherlich als steuerli­chen Abschreibposten geltend machen. Deshalb ist Ihre Aussage, dass kein Cent von Steuergeldern da hineinfließt, sicherlich nur die halbe Wahrheit, denn Sie schreiben es ja ab. Also insofern wird halt ein bisschen etwas dem Staat vorenthalten. – So, das war eine kleine Fußnote. (Abg. Mag. Molterer: Das darf ja nicht wahr sein!) Ja, meine Gü­te, ist ja ehrlich, Herr Klubobmann!

Zum 4. Punkt, der Vergabe – und das ist für mich die zentrale Frage. Da darf ich auch wieder zitieren. Herr Professor Raschauer hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass


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es insgesamt jetzt eine Tendenz gibt, dass sich die Bundesregierung, speziell Sie, Herr Finanzminister, immer wieder bei Vergaben darum bemüht, externe Beratungsinstituti­onen zum Zug kommen zu lassen, und auf internes Know-how verzichtet. Ich darf wie­der zitieren:

„In dieser Intensität gab es solche Aufträge früher nie. Zurzeit ist es wohl Mode, solche Aufträge an Private zu vergeben. Da stecken natürlich auch Lobbys dahinter.“ – Das ist nicht die Einschätzung von irgendeiner parteipolitischen Stelle, das ist eine nüchterne Einschätzung.

Diese vier Punkte, Herr Finanzminister, sind unser Vorwurf Ihnen gegenüber: Mit Steu­ergeldern wird nicht so effizient umgegangen, wie es sein sollte. Im Hinblick auf Zukauf von Beratung könnten Sie etwas leiser treten. Im Hinblick auf politisches Marketing sollten Sie auf den Einsatz von Steuermitteln mehr verzichten, und bei Vergaben soll­ten Sie sich internen Know-hows bedienen und nicht ständig externes zukaufen.

Ich könnte jetzt noch lange über Lehman Brothers und die Bundeswohnungen reden, nur: Das wird ein Extra-Thema werden. Das wird uns noch näher und ausgiebiger be­schäftigen, denn hier haben wir den Hauptbrocken des Vorwurfes, der heute am Tisch liegt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.57

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. Wunschgemäß ist die Uhr auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


16.57

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Pilz hat wieder extrem herum­geschüttet – und, wie man sieht, es ist wieder einmal nichts geblieben. Er hat auch gesagt, dass nur ein Freiheitlicher auf der Rednerliste steht. Auch das hat nicht ge­stimmt. Ich habe mich schon lange vor seiner Wortmeldung zu Wort gemeldet, war auch schon auf dem Bildschirm als Redner ersichtlich. Also das war nur der Wunsch, aber nicht die Wahrheit. (Abg. Öllinger: Interessant, Herr Kollege!) Er ist wie immer nicht am letzten Stand, und er will nur mit ... (Abg. Öllinger: Es reicht manchmal auch der vorletzte Stand!) Na ja, der war auch noch nicht gegeben, weil ich schon länger draufstehe, Kollege.

Ich möchte aber jetzt nicht den Finanzminister verteidigen, denn er hat diese Fragen ausreichend und informativ, so meine ich, beantwortet. Ich möchte eher der SPÖ, die hier diese Anfrage gestellt hat, den Spiegel vorhalten. Ich verstehe Ihren Groll, denn ich glaube, es war bei Ihnen gewöhnlich so, dass Sie von den Beratern, die Sie be­schäftigt haben – „Euroteam“ et cetera –, Rechnungen bekommen haben, die Sie be­zahlt haben, aber keine Leistungen. (Abg. Öllinger: Das ist ja harmlos im Vergleich!) Das ist der Unterschied. Er hat Leistungen bekommen und dafür auch bezahlt. (Abg. Öllinger: Vergleichen Sie ihn schon mit „Euroteam“?)

Dass externe Berater notwendig sind, zeigt ja die SPÖ, denn sie hat sich ja für den Wahlkampf einen externen Berater aus den USA einfliegen lassen. Und dass dieser den Parteiobmann Gusenbauer nicht so gut verkaufen konnte wie die Berater den Fi­nanzminister Grasser, liegt wahrscheinlich nicht am Berater, sondern am Produkt, das er zu vertreten hatte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Berater dürfte den Kollegen von der SPÖ aber einen Rat gegeben haben: Kehren Sie nicht vor Ihrer eigenen Tür, denn der Staub, der da aufgewirbelt wird, vernebelt Ihre schwache Oppositionspolitik noch mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


16.59


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor. Da­her schließe ich die Debatte.

Fortsetzung der Tagesordnung

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der heutigen Tagesordnung wieder auf.

Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Lentsch zu Wort. Freiwillige Rede­zeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


17.00

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem diese Dringliche wieder einmal unter dem Motto: Fest an­schütten, es wird schon ein bisschen etwas hängen bleiben!, abgelaufen ist, möchte ich mich nun wieder dem Budgetkapitel Oberste Organe und insbesondere dem Rech­nungshof zuwenden.

Als Mitglied des Rechnungshofausschusses ist es mir ein ganz spezielles Anliegen, Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, Ihren Beamten und natürlich auch Ihren Mitarbei­tern nicht nur in meinem Namen, sondern auch namens meiner Fraktion zu danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle – und besonders die Mitglieder des Rechnungshofausschusses – wissen Ihre Arbeit und die Qualität Ihrer Berichte zu schätzen: Sie bieten eine wertvolle Grundlage für unsere Arbeit hier im Hohen Haus.

Geschätzte Damen und Herren! Das vorliegende Budget für 2003 sieht beim Rech­nungshof Ausgaben in der Höhe von 24,6 Millionen € und für das Jahr 2004 Ausgaben in der Höhe von 24,3 Millionen € vor. Diese Einsparung ist sicherlich zu vertreten, denn so, wie wir in anderen Bereichen auch sparen müssen, müssen wir auch beim Rech­nungshof sparen. Die schlanke Verwaltung des Rechnungshofes ist dabei sicherlich eine sehr, sehr große Hilfe, und ich möchte mich auch dafür bedanken.

Aber das Kostenargument ist beim Rechnungshof so wie bei allen anderen Kontrollun­ternehmen eigentlich sekundär, denn erstens muss ein Berater mehr bringen, als er kostet, und zweitens ist der Rechnungshof für das Funktionieren unserer Verwaltung und der öffentlichen Wirtschaft unbedingt notwendig. Wir können auch jährlich den Berichten entnehmen, wie viele Mehreinnahmen beziehungsweise Minderausgaben durch den Rechnungshof bewirkt werden, und das sind regelmäßig dreistellige Millio­nenbeträge, also ein Vielfaches der Kosten, die der Rechnungshof verursacht.

Wo wir Abgeordnete allerdings aufpassen müssen – und da spreche ich vor allem auch die Oppositionsparteien an –, ist dort, wo wir selbst in Versuchung kommen, den Rechnungshof als politische Keule einzusetzen. Wir tun dem Rechnungshof nichts Gutes, geschätzte Damen und Herren, wenn wir – als höchste aller Drohungen! – mit Rechnungshof-Sonderprüfungen drohen. Das hilft den Beamten nicht, die dann von den Kontrollierten oft als Inquisitoren empfunden werden. Ich weiß, dass sich der Rechnungshof selbst nicht so sieht, sondern als Partner und als Impulsgeber für die Wirtschaft und für die Verwaltung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Dieses Selbstverständnis, das unter Präsident Fiedler sehr erfolgreich entwickelt wurde, ist im Dienste unseres Landes sehr, sehr wichtig und auch notwendig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


17.03


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22. Sitzung / Seite 141

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ulrike Königs­berger-Ludwig. – Bitte.

 


17.04

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Nationalrates! Zunächst ein paar Worte in Richtung der Frau Kollegin Rossmann. Sie hat in ihren Ausführungen die „großartigen Maßnahmen“ der Bundesregierung im Bereich der Erwachsenenbildung erwähnt. – Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie wissen aber schon, dass gerade in diesem Bereich das Budget um 25 Prozent gekürzt worden ist und dass das Budget nur mehr 0,1 Prozent vom Ge­samt-Bildungsbudget ausmacht. Außerdem werden die Förderstellen in den Bundes­ländern einfach geschlossen. – So viel zu den „großartigen Maßnahmen“ im Bereich der Erwachsenenbildung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber jetzt zu meinem eigentlichen Thema, zum Thema Kunst und Kultur.

Ich möchte zu Beginn ein paar allgemeine Gedanken zum Thema Kunst und Kultur darbringen: Ziel der sozialdemokratischen Kulturpolitik ist es, allen Menschen zu er­möglichen, ihr schöpferisches Potential zu entwickeln und zur Geltung zu bringen. Wir stehen für die Freiheit der Kunst und für die Vielfalt der Kultur – das sollte eigentlich für alle KulturpolitikerInnen so sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Aufgabe einer Kulturpolitikerin oder eines Kulturpolitikers ist es, Rahmenbedingun­gen und Möglichkeiten für die KünstlerInnen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, ihre Kunst frei zu entfalten, denn nur so kann ein großes Spektrum an Kunst entstehen und vor allem auch bestehen. Ziel und Aufgabe von KunstpolitikerInnen kann es nicht sein, Kunst zu zensurieren und vorzuschreiben, was Kunst zu sein hat – da bin ich ganz bei Frau Kollegin Brinek; sie ist jetzt leider nicht da.

Maximal das Zulassen kann Ziel von KulturpolitikerInnen sein, und da hätte ich gerne an Frau Kollegin Brinek die Frage gestellt: Wer bestimmt denn nun, was gut ist? – Gut ist nicht zwingend das, was von der Mehrheit begeistert aufgenommen und für gut be­funden wird. Gut ist auch nicht automatisch, was nur mehr einer – meist selbst ernann­ten – Elite zugänglich ist. Und gut ist vor allem aber auch nicht das, was von manchen PolitikerInnen darunter verstanden wird.

Als Kulturstadträtin in meiner Heimatgemeinde weiß ich auch neben all diesen Fragen sehr gut über die Problematik bei Subventionsvergaben Bescheid – wenn auch in be­scheidenerem und kleinerem Rahmen. Ich denke, es ist der einzig richtige Weg, ein offenes Klima zu schaffen, wo die unterschiedlichen kulturellen Richtungen, von Tradi­tion bis hin zur zeitgenössischen kritischen Kunst, Platz haben, ohne parteipolitische Färbung.

Kunst hat außerdem die Aufgabe und die Verpflichtung, Barrieren abzubauen, Brücken zu schlagen, Bewusstsein zu bilden und Verständnis und Toleranz zu fördern. Dazu müssen aber auch die verantwortlichen KulturpolitikerInnen tolerant und offen sein – den KünstlerInnen und auch der Kunst gegenüber.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Doppelbudget ist aus kul­turpolitischer Sicht gerade auch im Hinblick auf die innovative, kritische Kunst kein Grund zum Jubeln.

Ein Schwerpunkt in der Kulturpolitik ist laut Aussage von Staatssekretär Morak die Förderung der Regionen. Aus Sicht einer Kulturpolitikerin aus einer ländlichen Region kann ich das natürlich nur begrüßen. Ich kann es allerdings nicht begrüßen – auch als Regionalpolitikerin nicht –, wenn dadurch willkürlich – ich betone: willkürlich! – in be­stehende, gut angenommene Kulturveranstaltungen aus heiterem Himmel eingegriffen


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und gekürzt wird, wie das bei den Wiener Festwochen passiert ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Ich frage mich an dieser Stelle: Warum müssen die Regionen gegeneinander ausge­spielt werden?

Herr Staatssekretär – leider ist er jetzt nicht da –, speziell in diesem Bereich werden wir SozialdemokratInnen ganz genau darauf achten, wie diese Regionalförderung ausge­geben wird, und vor allem, wo diese Regionalförderung hinkommen wird. – Ich als Re­gionalpolitikerin freue mich schon auf die übermäßigen Förderungen, die ich nächstes Jahr zu erwarten habe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

17.08

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. Er hat das Wort für zirka 4 Minuten. – Bitte.

 


17.08

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Frau Volksanwältin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich darf gleich an die Ausführungen meiner Vorrednerin anschließen und hier einiges richtig stellen.

Kollege Öllinger hat hier gemeint, dass Staatssekretär Morak – der zwar jetzt nicht da ist, aber Dieter Brosz wird ihm das sicher ausrichten – Oberzeiring instrumentalisiere für seine Kulturpolitik. Ich würde doch bitten, hier nicht die Tatsachen zu verdrehen, denn denunziert, verhadert und lächerlich gemacht wurde Oberzeiring nur von den Mit­gliedern Ihrer Partei, der SPÖ, und den Medien, und gerade als Steirer weise ich das auf das Schärfste zurück! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitli­chen.) – Bitte, wenn Sie ihm das mitteilen. (Zwischenrufe des Abg. Brosz.)

Bleiben Sie bei der Wahrheit, und nehmen Sie zur Kenntnis, dass sich die Kulturland­schaft in den Bundesländern in den letzten zehn bis 20 Jahren eindrucksvoll verändert hat. Gerade in den Regionen sind vielfältige Initiativen und Veranstaltungen entstan­den. Wenn ich nur die Steiermark hernehme: die „styriarte“ oder den Steirischen Herbst – alles sehr innovative und renommierte zeitgenössische Kunstaktivitäten, und darauf hat die Kulturpolitik des Bundes auch zu reagieren.

Wien hat Qualität und Innovation nicht allein gepachtet. Endlich nimmt diese Bundes­regierung – und auch unser Staatssekretär – Rücksicht auf unsere Bundesländer und deren kulturpolitischen Initiativen auch ernst, denn zu rechtfertigen ist dieses Missver­hältnis der Aufteilung der Fördergelder nicht. Ich hoffe, diese positive Einstellung ge­genüber den Bundesländern in diesem Zusammenhang bleibt auch in den kommenden Jahren so erhalten. – Das zur Kulturpolitik, und ich glaube auch, es war notwendig, dass man das hier richtig stellt.

Zum Sport – ich gehöre ja dem entsprechenden Ausschuss an – haben meine Vorred­ner Peter Haubner und Elmar Lichtenegger schon sehr viel Wichtiges gesagt.

Zusammenfassend: Diese drei Punkte – Gesundheitsvorsorge, Tourismusfaktor und Wirtschaftsfaktor – sind meines Erachtens Synergien, die man im Sinne der Öffentlich­keit zusammenführen muss und die man auch sehr gut zusammenführen kann, sodass auch etwas übrig bleibt.

Ich möchte hier ein eher weniger lustiges Beispiel erwähnen. Neben der so bedeuten­den Gesundheitsvorsorge liegt es natürlich auch bei uns – und im Besonderen auch beim Sportstaatssekretär –, die Rahmenbedingungen gerade auch bei den Kleinsten und Kleinen, bei den Kindern, zu verbessern. Es hat mich nämlich sehr betroffen ge­macht, als ich hörte, dass in den Wiener Kindergärten gar keine Bewegungsräume vorhanden sind. (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt nicht! – Abg. Silhavy: Das glauben Sie


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ja selber nicht!) Wo bleibt bei der Wiener SPÖ die Verantwortung für die Gesundheit unserer Kinder? Das frage ich Sie! (Abg. Silhavy: Da hat man Ihnen aber was Fal­sches erzählt!)

Wir können nachher noch darüber sprechen, aber: Frau Kollegin, das ist Faktum! (Bei­fall bei der ÖVP.)

Zum Tourismus, der ja auch ein wesentlicher Faktor ist: Ich als Steirer darf hier die ARGE der Fußballcamps erwähnen, die sehr wichtig sind als Werbefaktor, aber auch enorme Einnahmen durch die Umwegrentabilität sicherstellen. Die Infrastruktur ist zwar nicht so weit ausgebaut, wie wir es gerne hätten; da hätten wir für die Zukunft noch einiges vor. Die vielen ehrenamtlichen Funktionäre, die heute schon angesprochen worden sind und ihre Freizeit für die Kinder opfern, brauchen für die Zukunft einen Rahmen, der ihnen die Arbeit in ihrer Freizeit ermöglicht. Ich möchte da besonders das Berufssportgesetz und das Sportgesetz und deren arbeitsrechtliche Bedingungen an­sprechen. Hier ist Handlungsbedarf, und unser Staatssekretär hat sich ja hier Großes vorgenommen, nämlich endlich wirklich ein Berufsgesetz zu schaffen, das in der Öf­fentlichkeit hält, aber auch transparent für die ehrenamtlichen Funktionäre ist. Es wird ganz entscheidend sein für die Zukunft, etwas Derartiges umzusetzen.

Sportverein, Kultur- und Wirtschaftsevents. – Frau Kollegin Lunacek hat es heute ir­gendwie kritisiert, wenn – und ich finde das gut – Fußballstadien nicht nur für Sport verwendet werden, sondern auch für Wirtschaftsevents oder besonders für Kultur­events. Dieses Konzert vom Grönemann – oder Grönemeyer; so heißt er – ist sicher klass gewesen. Aber wenn Sie dann sagen, man hätte hier nicht die Schleusen für die Autos öffnen müssen, weil die öffentlichen Verkehrsbedingungen so toll sind hier in Wien: Erklären Sie das bitte einem Klagenfurter! Von Klagenfurt nach Wien fährt keine U-Bahn. Das ist ein Privileg, das man nur hier hat, man muss deswegen auch so fair sein, zu sagen, dass der Rest der österreichischen Bevölkerung gezwungen ist, mit dem Auto zu solchen Veranstaltungen anzureisen.

Das gehört schon dazu, und ich meine, es sollten unsere Sportstadien künftig in sinn­voller Weise auch für andere Veranstaltungen eingesetzt werden. Auch da wäre sicher­lich noch mehr Handlungsbedarf. Ich glaube, aus Sicht der Öffentlichkeit könnte man das noch viel besser nutzen, und man wird es auch tun, denn die Sportstadien werden der Öffentlichkeit, Kultur- und Wirtschaftsevents künftig auch nicht versperrt bleiben können.

Trotzdem ist es wichtig, dass es eine Erhöhung des Budgets gibt, und zwar um 1,5 Mil­liarden € jährlich. Das ist eine wichtige Entscheidung, und ich bedanke mich in diesem Zusammenhang vor allem bei unserem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, aber auch bei Staatssekretär Schweitzer.

Abschließend möchte ich zu diesem Doppelbudget, das sinnvolle Investitionen und Planungen für künftige wichtige Vorhaben in unserem Land beinhaltet, nur sagen: Doppelt hält besser! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitli­chen.)

17.13

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Zweytick! So wie ich Sie seit langem kenne, wollten Sie statt der Formulierung „denunziert ... wurde Oberzeiring nur von den Mit­gliedern Ihrer Partei ...“ sicherlich einen anderen Ausdruck verwenden; davon bin ich überzeugt. (Abg. Zweytick: Ja!) – Gut.

 


Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Krainer zu Wort ge­meldet. Faktum – Gegenfaktum, 2 Minuten.


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17.14

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kollege Zweytick hat soeben gemeint, in den Wiener Kindergärten gäbe es keine Bewegungsräume. – Das ist falsch!

Wahr ist vielmehr: In den Wiener Kindergärten gibt es sehr wohl Bewegungsräume! Dazu nur drei Beispiele, die ich persönlich kenne:

Mein eigenes Kind geht in die Josefstädter Straße ... (Rufe bei der ÖVP: Keine tatsäch­liche Berichtigung!)

17.14

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Krainer! Das geht leider nicht, denn ich muss bei allen gleich streng sein: Faktum – Gegenfaktum! Die Beispiele kann man in einer Rede erwähnen.

(Beifall bei der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Krainer.)

Nächste Rednerin ist Kollegin Fleckl. Die Uhr ist auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

 


17.14

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Frau Kollegin Wolfmayr – jetzt ist sie gerade hinausgegangen – hat heute über die steiri­schen Kultur- und Kunstförderungen gesprochen und diese lobend erwähnt.

Auch ich bin eine steirische Abgeordnete und auch ich freue mich über die Förderun­gen, die in die Steiermark fließen. Aber ich sehe es als selbstverständlich an, dass eine Bundesregierung doch Interesse daran haben sollte, Graz als europäische Kultur­hauptstadt 2003 besonders zu fördern. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Bei Ihnen ist immer alles selbstverständlich, was gut ist!)

Dass sie in ihrer Rede etwas Selbstverständliches als Besonderheit hervorhebt, finde ich unpassend. Immerhin ist Graz die erste österreichische Stadt, die europäische Kul­turhauptstadt geworden ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Wir Wiener haben euch den Vortritt gelassen!)

Und im Übrigen hat die österreichische Bundesregierung ihre Drittelförderung bei wei­tem nicht erbracht und ihren versprochenen Beitrag nicht geleistet.

Ziel der Kunstpolitik kann es nur sein, zu unterstützen, ohne Inhalte oder Personen zu hinterfragen. Sie aber wollen nur jene unterstützen, die Ihnen genehm sind, die Ihnen nicht wehtun, die sich nicht kritisch äußern. Alle anderen wollen Sie mit Ihrer Kunstpoli­tik von Förderungen ausschließen und sie somit mundtot machen. (Abg. Scheibner: Also bitte!)

Ich als steirische Abgeordnete möchte ein anderes Beispiel bringen, das genauso exemplarisch ist für das Kunstverständnis der Bundesregierung, nämlich die „Diago­nale“, das in Graz stattfindende Festival für den österreichischen Film. Das Festival, das zu einem entscheidenden Faktor in der österreichischen Filmlandschaft geworden ist, das auch international Anerkennung fand. Sechs Jahre lang wurde dort wichtige Aufbauar­beit für Österreichs Filmschaffende geleistet. Sechs Jahre lang haben Inten­danten dort das aus dem Festival gemacht, was es heute ist oder, wie man jetzt schon sagen muss, war.

Und plötzlich, nach monatelangem Hinhalten, verordnen Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär – er ist wieder einmal nicht da –, um endlich einen Vorwand zu haben, eine Neukonzeption und wechseln beide Intendanten aus – und das nach fast einem dreiviertel Jahr der Dialogverweigerung! Never change a winning team! – das sollten Sie von den regierenden Parteien eigentlich wissen –, würde wohl die Strategie jedes


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gut laufenden Unternehmens sein. Und welche Strategie hat die Bundesregierung? – Offensichtlich keine, oder wenn, dann nur eine sehr undurchsichtige.

Ich kann und will die neue Führung nicht in Frage stellen, doch stellt es sich für mich als sehr enttäuschend dar, dass bei der niedrigen Zahl an Intendantinnen in Österreich in diesem Fall wieder keine Frau zum Zug gekommen ist. Ist das Ihre Strategie? Kunst und Frauen zu boykottieren? Kritische Menschen in Österreich ihrer Position zu enthe­ben, um eine angepasste Kulturlandschaft in Österreich zu erzeugen, die Ihnen be­quem ist? Letztendlich steht hier der Verdacht im Raum, aus anderen als aus kunstpo­litischen Erwägungen diese Entscheidungen getroffen zu haben.

Die freie Entfaltungsmöglichkeit von Kunst und Kultur gehört zum Wesen einer Demo­kratie. Und was schaffen Sie mit Ihrer Politik? – Sie schaffen in diesem Land letztend­lich ein Klima der Kulturfeindlichkeit, und das lehnen wir entschieden ab! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.19

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Werter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Wer­te Volksanwälte! Werte Volksanwältin! Ich möchte auf die Filmförderung zu sprechen kommen. Österreichs Filmemacherinnen und Filmemacher hatten in den letzten Jahren eine Reihe international beachteter Erfolge zu verzeichnen. Auch bei den heurigen Filmfestspielen in Cannes war Österreich mit fünf Filmen vertreten, worauf wir alle ge­meinsam stolz sein können.

Das zeigt, dass der Weg einer ausgewogenen Filmförderung, der unter Staatssekretär Dr. Peter Wittmann eingeschlagen wurde, richtig ist und auch nach seiner Amtszeit Früchte trägt. Aber anstatt diesen erfolgreichen Weg weiter zu beschreiten, verlassen Sie diesen in ein Dickicht undurchschaubarer Förderpolitik.

Der Film war einer jener Bereiche, die der Herr Staatssekretär Franz Morak in seiner ersten Amtsperiode am stärksten gekürzt hat. Besonders betroffen von seiner Politik des Ausradierens war der eigenproduzierte Kinofilm. Durchwegs hochwertigen und oft auch sehr kritischen Produktionen wird damit der Garaus gemacht. Ist das politische Willkür, politisches Kalkül? – Ich möchte die Beantwortung dieser Frage an dieser Stel­le offen lassen.

Mit der Schaffung des Fonds für Fernsehfilme, dem nun 7,5 Millionen € zur Verfügung stehen sollen, leiten Sie die Fördermittel in völlig neue Kanäle um. Offenbar haben Sie vor, der Filmförderung eine stärkere kommerzielle Ausrichtung zu geben, denn es ist zu erwarten, dass sich dieser Fonds ausschließlich der Produktion kommerzieller TV-Serien-Produktionen widmen wird, also durchaus auch aus eigener Kraft marktfähiger Einrichtungen.

Was die Organisation des neuen Filmförderungsfonds betrifft, so ist es nicht nachvoll­ziehbar, weshalb Sie auch hier wieder einmal nicht der Empfehlung des Rechnungsho­fes gefolgt sind. Der Rechnungshof hat in seiner Stellungnahme zur Novelle des Komm-Austria-Gesetzes vorgeschlagen, dass der geplante Fonds zur Förderung von Fernsehfilmen vom Österreichischen Filminstitut verwaltet werden sollte. Das Filminsti­tut, so der Rechnungshof wörtlich, verfüge nach mehr als 20-jähriger Tätigkeit über eine professionelle Infrastruktur, Erfahrung mit der Projektentwicklung und Produktion sowie über fundierte Kenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen.


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Von der Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH, die den Fonds jetzt verwaltet, kann man das wohl nicht behaupten. Und dieser Meinung war auch der Rechnungshof, auf dessen Meinung Sie überhaupt keinen Wert mehr zu legen scheinen.

Wenn Sie also den Headquarter absichtlich nicht dort ansiedeln, wo nachweislich Kompetenz und Infrastruktur für das Filmschaffen vorhanden sind, so kann man nur zum Schluss kommen, dass Sie auch im Bereich Filmschaffen das vorhaben, was Sie überall machen, nämlich bewährte Strukturen zu zerschlagen, um neue, teure Parallel­strukturen aufzuziehen und diese mit Ihnen nahe stehenden Personen zu besetzen.

Sie, meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, werden vor der Öffentlichkeit die Rechnung bezahlen müssen, und da wird auch Ihr Minister Bar­ten­stein keinen Rabatt aushandeln können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.22

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steier. Er hat das Wort für 4 Minuten. – Bitte.

 


17.22

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Volksanwälte! Hoch geschätzter Herr Rechnungshofpräsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist jedes Mal aufs Neue ein Erlebnis, an diesem Rednerpult stehen zu dürfen. Ich darf mich heute mit der Kürzung der Un­terrichtsstunden beschäftigen. Der Erfolg hat bekanntermaßen viele Väter und Mütter, ein Misserfolg nur wenige Verantwortliche. Unter dieses Motto lässt sich meiner An­sicht nach die Diskussion zum Thema Kürzung der Turnstunden stellen. In dieser Aus­einandersetzung haben die Beteiligten, Frau Bildungsministerin Gehrer und Sport­staatssekretär Schweitzer, wahrlich keine besonders sportliche Figur gemacht.

Zuerst hat sich der Herr Sportstaatssekretär via Medien als Retter der Turnstunden feiern lassen, dann wurden letztendlich die Turnstunden von den Kürzungen der Ent­lastungs- und Rechtsbereinigungsverordnung 2003 doch noch erfasst. Jetzt redet er sich darauf aus, dass das Sportstaatssekretariat jedenfalls alles unternommen habe, um den Turnunterricht sicherzustellen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das zeugt von wenig Kondition, Hartnä­ckigkeit und Durchsetzungskraft. (Beifall bei der SPÖ.)

Aktuelle Untersuchungen zeigen einen signifikanten Rückgang der körperlichen Leis­tungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen. Das körperliche Leistungsvermögen der 11- bis 14-Jährigen ist Besorgnis erregend, steht da zu lesen. Vor einer Kürzung der Sportstunden im Schulunterricht wird gewarnt. Wenn die Bildungsministerin bei den Budgetberatungen im Unterrichtsausschuss davon spricht, dass es ein hohes Ausmaß an Turnstunden gäbe, frage ich mich, wie dieser Eindruck bei ihr entsteht. Wenn die Bildungsministerin darüber hinaus den Ball elegant an die Schulen zurückspielt und meint, jeder Schule stehe es frei, eigene Schwerpunkte zu setzen und zusätzliche Turnstunden zur Verfügung zu stellen, dann kann ich dazu nur anmerken, dass sie es sich damit sehr leicht macht – vor allem im Hinblick auf die Diskussion um das Thema Kürzung der Turnstunden innerhalb der letzten Monate und auch deswegen, weil sich die Bildungsministerin verbal zur Wichtigkeit des Sports bekennt. In der APA stand zu lesen – Originalzitat –: Ich begrüße, dass der Sport seinen Stellenwert behalten hat. Sport ist ein wichtiger Bestandteil der Bildung.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Möglichkeit zur ausreichenden Bewe­gung ist auch für Kinder in unserer Zivilisationsgesellschaft mittlerweile immer stärker eingeschränkt. Oft fehlen die Möglichkeiten oder die Anreize. Softdrinks, Fastfood und das Couch-Potatoe-Verhalten, Stichwort Computer oder Fernsehen statt körperlicher


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Aktivitäten, führen zu eingeschränkten Bewegungsabläufen. Dies hat deutliche Auswir­kungen in Form von Haltungsschäden, Übergewicht, Konzentrationsmängeln und sonstigen Folgeerscheinungen.

Der Bewegungsdrang der Kinder sollte bereits in den Kindergärten gefördert werden. Dies wurde auch von der Bundesregierung erkannt, allerdings fehlen außer einer Ab­sichtserklärung im Regierungsübereinkommen dazu konkrete Vorstellungen. Sport­staatssekretär Schweitzer hat bei den Budgetberatungen im Sportausschuss erklärt, dass 2,4 Prozent der besonderen Sportförderung, also rund 900 000 €, unter anderem für die Entwicklung der Sportstrukturen, für innovative Sportprojekte, für die Förderung des Mädchen- und Frauensports und auch für gesundheitsfördernde Bewegungsmaß­nahmen im Kindergarten- und Vorschulalter eingesetzt werden sollen.

Wir werden genau beobachten, wie groß das Stück des Kuchens für den Kinder- und Volksschulsport werden wird und welche Maßnahmen damit genau gesetzt werden, denn motorische Fähigkeiten müssen bereits im Kindesalter trainiert werden. Wer nicht von klein auf bereits Freude an Bewegung hat, wird später kaum mehr Zugang finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Egal, ob in Form von Geld oder positiven Anreizen und Rahmenbedingungen, alles, was in die Fitness und Gesundheit unserer Kinder investiert wird, zahlt sich aus. Daher werden Sie aktiv, meine Damen und Her­ren der Bundesregierung! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Staatssekretär Mag. Schweitzer: Bewegungskindergarten in St. Veit! Ein innovatives Projekt!)

17.27

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krist. Er hat das Wort. (Abg. Wattaul – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Krist –: Der Herr Betriebsrat! – Staatssekretär Mag. Schweitzer: Redest du auch zum Sport?)

 


17.27

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Freilich! – Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine Dame und meine Herren der Staatsanwalt­schaft! Pardon, ich meine natürlich: der Volksanwaltschaft. (Heiterkeit.) Herr Präsident des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Das war gut!) – Man weiß ja nicht, was alles auf uns zukommt, wenn man sich diese Riege anschaut.

Meine Damen und Herren! Wie oft haben wir, haben die Österreicherinnen und Öster­reicher im Vorwahlkampf das Wort „Sportmilliarde“ gehört! Welche Hoffnungen und Erwartungen sind da bei den Aktiven, aber insbesondere auch bei den vielen ehren­amtlichen Funktionärinnen und Funktionären geweckt worden, und was ist schlussend­lich von all dem übrig geblieben? Was ist schlussendlich aus diesen großen Ankündi­gungen geworden?

Herr Staatssekretär! Sie selbst haben uns im Budgetausschuss mitgeteilt, dass von der Bundesregierung vorgesehen war, das Budget zu kürzen. Sie haben das glücklicher­weise verhindern können, dass es noch mehr gekürzt wird. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: So ist es!) – Ja, ich bestätige das, das ist lobenswert.

Trotz dieser wohlklingenden Wahlversprechungen können wir keine wesentliche Bes­serstellung für die Sportler, sondern eher eine Verschlechterung feststellen. Die grund­sätzliche Forderung nach der „Sportmilliarde“ hat in erste Linie die Bundessportorgani­sation und deren Fachverbände betroffen, das heißt, im Konkreten reden wir von den besonderen Bundessportfördermitteln. Auch Sie, Herr Staatssekretär, haben gesagt, Sie werden sich dafür verwenden und stark machen, dass diese angehoben werden.

Es ist nett, wenn Sie hier alle Landesförderungen aufzählen und auch dazu zählen, aber schlussendlich reden wir hier vom Bundesbudget und nicht von den Länderbud-


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gets. Geblieben ist nicht wirklich viel! Es wurde nicht erhöht, es gab keine Valorisierung und ist somit eine reale Kürzung.

Ausdrücklich aus meiner Kritik herausnehmen möchte ich natürlich die besondere För­derung für den Behindertensport, die ich sehr begrüße. Es ist zu hoffen, dass diese Förderung keine zeitlich befristete Einmalförderung bleibt. Unter die Räder kommen meiner Einschätzung nach insgesamt wieder einmal die kleineren Fachverbände, die sowieso nicht im medialen Rampenlicht stehen, die sowieso ständig mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben und denen nun wieder nur die Hoffnung bleibt, obwohl dort sehr viele sportbegeisterte Menschen sinnvoll ihre Freizeit verbringen.

Wo sind die Bekenntnisse der Bundesregierung, die Bekenntnisse in ihrem Regie­rungsprogramm, den Schulsport und die Vereine zu unterstützen? Was passiert in Wirklichkeit? – Im Rahmen des Sports ist man bemüht – Herr Staatssekretär; da muss ich Sie unterstützen –, aber der Unterricht schießt quer: Es werden Turnstunden ge­kürzt; und es ist völlig egal, ob das so vorgesehen war oder nicht. Fakt ist, es kommt real vor.

Ich kenne Schulen – ich bin auch in der Lage, den Schulstandort zu nennen –, in de­nen die Stundenkürzungen solche Auswirkungen haben, dass die Mädchen keine Vol­leyballmannschaft mehr zusammenbringen. Wir haben Schulen, in denen die Schüler­cupspiele des Fußballs nicht mehr durchgeführt werden können, weil sich keine Mann­schaft mehr zusammenfindet.

Ich kenne viele Lehrer, die darüber sehr unglücklich sind, und ich kenne sehr viele Eltern, die ziemlich erbost sind, dass man derartige Sparmaßnahmen auf dem Rücken und auf Kosten unserer Kinder und deren Gesundheit austrägt. Ich kann das verste­hen.

Wir haben jetzt erfreulicherweise ein Sportstaatssekretariat, einen trainierten Sportler als Staatssekretär, was aber fehlt, ist offensichtlich das sportliche Gewicht beim Verhandeln um Fördergelder für die Fachverbände und Vereine. Vielleicht wäre doch ein Sumo-Ringer bei den Budgetverhandlungen besser als ein Langstreckenläufer – aber hinauffuttern kann man ja, das ist kein Problem.

Herr Staatssekretär! Gehen wir gemeinsam Seite an Seite, insbesondere auch um den Stellenwert des Schulsports zu heben. Unsere Unterstützung kann ich Ihnen in Aus­sicht stellen.

Meine Damen und Herren der Regierungsparteien! Ich erinnere Sie daran, dass Ge­rechtigkeit, Chancengleichheit und Gleichbehandlung ein ganz besonders wichtiger Faktor sind für unsere Jugend und für unsere ständig wachsende Gesellschaft. Daran muss ich Sie bedauerlicherweise nicht nur im Bereich des Sports erinnern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.31

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubobmann Van der Bellen zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


17.32

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Um 14.56 Uhr hat sich Herr Abgeordneter Scheuch zu einer tatsächli­chen Berichtigung zu Wort gemeldet. Und diese tatsächliche Berichtigung ist offen­sichtlich unwahr. Ich finde, es ist der Mühe wert, das zu thematisieren.

Herr Abgeordneter Scheuch hat in Bezugnahme auf eine Wortmeldung des Abgeord­neten Jarolim gesagt – ich zitiere wörtlich –:


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„Herr Abgeordneter Jarolim hat gesagt, ich hätte gesagt, wir sollen den Juden kein Geld geben, sondern es lieber den Bergbauern zur Verfügung stellen. Diese Aussage ist unrichtig. Ich habe in meinem Zwischenruf lediglich bemerkt, dass es für mich als Agrarsprecher auch sehr wichtig ist, die Bergbauern zu unterstützen.“ 

Richtig ist vielmehr, dass das Stenographische Protokoll im Zusammenhang mit einer Wortmeldung des Abgeordneten Posch Folgendes vermerkt – ich muss mir eine Minu­te Zeit nehmen, um das vorzulesen, damit klar ist, was ich meine –:

Abgeordneter Posch geht auf die Frage ein, ob die Kultusgemeinde vom Staat unter­stützt werden soll, und sagt, dass es gegenüber der klein gewordenen jüdischen Ge­meinde eine Verpflichtung der Republik gibt, zu helfen.

„Dafür muss man, denke ich, ein Gespür haben.“ – Zwischenruf des Abgeordneten Scheuch: „Das darf ja nicht wahr sein!“ – Posch setzt fort: „Ich glaube, dass die Exis­tenz einer jüdischen Gemeinde in Österreich wichtig ist und dass sich ein demokrati­sches Land, das sich zu den Menschenrechten und zur europäischen Wertegesell­schaft bekennt, auch verpflichten muss, das zu unterstützen.“ – Zwischenruf Scheuch: „Das werde ich ein paar Kärntner Freunden erzählen!“ – Posch fragt: „Was meinst du?“ – Zwischenruf Scheuch: „Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern!“ – Posch fragt: „Bitte?“ – Zwischenruf Scheuch: „Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern!“ – Posch setzt fort: „Das ist ein sehr interessanter Zwischenruf: Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern als die jüdische Gemeinde in der Stadt! – Ich möchte das jetzt festgehalten haben hier für das Protokoll.“ – Zwischenruf Scheuch: „Ja!“ 

Das ist wohl eindeutig (Abg. Wittauer: Nein, das ist nicht eindeutig!), was Herr Abge­ordneter Scheuch hier an Zwischenrufen getätigt hat. Herr Abgeordneter Jarolim hat noch nachgefragt: Stimmt das wirklich, habe ich das richtig gehört, dass wir den Juden kein Geld geben sollen, sondern dieses lieber den Bergbauern zur Verfügung stellen sollen? Abgeordneter Scheuch sagt: Diese Aussage ist unrichtig.

Ich melde mich deswegen zur Geschäftsordnung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, weil es doch schwer erträglich ist, wenn in einer tatsächlichen Berichtigung offensicht­lich die Unwahrheit gesagt wird und damit den Kolleginnen und Kollegen hier im Haus die Unwahrheit gesagt wird. Das kann auf diese Weise nicht hingenommen werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Ich habe ausschließlich aus dem Stenographischen Protokoll des Parlaments zitiert, Herr Kollege von der FPÖ! (Abg. Scheibner: Nicht vollständig!) Es steht Ihnen frei, Herr Klubobmann Scheibner, sich dazu zu Wort zu melden, um klarzustellen, wie Sie dazu stehen, dass uns ein Kollege hier in diesem Haus mit einer offensichtlichen Un­wahrheit in seiner tatsächlichen Berichtigung konfrontiert. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.35

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Klubobmann Van der Bellen! Ich weiß, dass das eine heikle Sache ist, daher habe ich Sie aussprechen lassen, obwohl ich sagen muss, dass Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung entweder dazu dienen, einen Antrag zu stellen, oder auf die Herbeiführung eines geschäftsordnungsmäßigen Zustandes abzielen. Ich glaube, die Geschäftsordnung ganz gut zu kennen, aber ich habe keine Möglichkeit, eine tatsächliche Berichtigung, die vor 15 Uhr stattgefunden hat – nicht unter meinem Präsidium, aber das tut gar nichts zur Sache –, jetzt nachher noch ein­mal aufzugreifen! Das könnte nur in einer Debatte zu einem Tagesordnungspunkt pas­sieren, wo man das anschneiden kann.

Man kann bei Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung auf die Korrektheit oder Nichtkorrektheit einer tatsächlichen Berichtigung keinen Einfluss nehmen. Das ist mei-


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ne Feststellung dazu, und daher kann ich Ihnen auch keinen Verfahrensschritt ankün­digen. Ich überlasse es jetzt aus Fairnessgründen Kollegen Scheibner, ob er dazu das Wort haben will. Ich muss es ihm erteilen, wenn er sich zu Wort meldet. Vielleicht gibt er sich auch mit dieser rein geschäftsordnungsmäßigen Stellungnahme zufrieden.

Ich kann Ihnen, Kollege Van der Bellen, jetzt auch nicht ein zweites Mal das Wort ertei­len.

Kollege Scheibner! Wollen Sie unter großzügiger Auslegung, so wie bei Kollegen Van der Bellen, etwas zur Geschäftsbehandlung sagen? – Bitte.

 


17.37

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich gehe natürlich mit Ihrer Beurteilung dieser Geschäftsordnungsmeldung vom Abgeordneten Van der Bellen konform, ich stimme mit dem formal überein. Es ist mir aber trotzdem ein Anliegen, hier klarzustellen – das hat Herr Klubobmann Van der Bellen vergessen zu sagen –, dass Abgeordneter Scheuch in seiner tatsächlichen Be­richtigung ausdrücklich den Vorwurf zurückgewiesen hat, dass er in irgendeiner Art und Weise antisemitische Äußerungen getätigt habe. Das war auch der Vorwurf, der ihm in der Öffentlichkeit über eine APA-Aussendung gemacht worden ist.

Es ist wirklich streng zu unterscheiden, ob man einer finanziellen Zuwendung an eine Institution zustimmt oder ob man eine Bevölkerungs-, Volks oder Religionsgruppe kriti­siert. Diese Unterscheidung hat auch Abgeordneter Scheuch gemacht, und das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen.

17.38

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Cap hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.38

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sie haben vorhin gesagt, dass das eine sehr heikle Frage sei. Auf Grund dessen, dass ich mir die Zitierung aus dem Protokoll sehr genau angehört habe und ich nicht die Auffas­sung des Kollegen Klubobmann Scheibner teile, würde ich anregen, dass wir eine Prä­sidiale darüber durchführen. Ich denke, dass das doch ein schwerer Vorwurf ist. Vor allem kann man keine tatsächliche Berichtigung machen, die anscheinend nicht über­einstimmt mit dem, was im Protokoll steht. Da das in der Substanz eine sehr, sehr heikle Sache ist – ich will jetzt nicht in den Raum stellen, dass hier eine antisemitische Grundtönung dabei war –, will ich das in einer Präsidiale erörtern, weil ich das für eine Vorgangsweise halte, die hier im Hohen Haus nicht akzeptabel ist. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Molterer, bitte.

 


17.39

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir in der nächsten Präsidiale ein Gespräch darüber führen. Ich nehme aber zur Kenntnis, was Kollege Scheibner hier gesagt hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.39

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Cap! Ich sichere Ihnen zu, dass das in der nächsten Präsidialsitzung – wenn möglich noch in dieser Woche – besprochen wird. Ich bitte nur um Verständnis: Wir sind nur zu zweit im Präsidium, und daher würde ich bitten, dass wir nicht jetzt die Sitzung für eine Präsidiale unterbrechen, sie also jetzt


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gleich einberufen, sondern dass wir uns über einen Termin verständigen, an dem die­ses Problem, wie das allgemein üblich ist, besprochen werden kann.

Damit erkläre ich diese Runde von Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung für be­endet.

*****

Ich erteile Frau Abgeordneter Katharina Pfeffer im Rahmen der Tagesordnung das Wort. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


17.40

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssek­retär Schweitzer, parteipolitisch haben wir zwei zwar nichts gemeinsam, aber wir ha­ben eine Gemeinsamkeit: Wir sind beide Burgenländer, und ich gestehe dir zu, dass wir beide mit dem Sport verbunden sind und dass wir das Beste für die Sportlerinnen und Sportler sowie für die Vereine und Verbände wollen.

Aus gesundheitlichen Gründen habe ich der Aussprache im Sportausschuss leider nicht beiwohnen können, aber man kann vieles im Protokoll nachlesen. Aufgefallen ist mir, Herr Staatssekretär, dabei dein Satz: „Nachdenken müsse man auch über die Auf­teilung der Mittel, da eine Aufnahme von weiteren Verbänden in die BSO dazu führe, dass der ,Kuchen kleiner wird’.“

Da muss man sich wirklich etwas überlegen, denn es stehen viele Verbände, die in die BSO aufgenommen werden wollen, seit Jahren in der Warteschlange – und zu Recht, wie ich meine. Daher wäre es vielleicht von Vorteil, dieses Budget zu erhöhen.

Ein wichtiges Anliegen ist es aber uns allen, ein Bindeglied zwischen Vereinen und Schulen zu sein. Dieser wichtigen Aufgabe muss man verstärkt nachgehen. Vielleicht ein Beispiel aus der Praxis dazu: Mein Sohn ist staatlich geprüfter Judotrainer und wurde vom Leiter des Kinderdorfes Pöttsching ersucht, zusammen mit seinem Freund, der übrigens Mitglied des Gendarmerieeinsatzkommandos Cobra ist, die Kinder im Kinderdorf zu trainieren.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber auch gleich erwähnen, wie tüchtig dieses Gen­darmerieeinsatzkommando im sportlichen Bereich ist. Diese Gruppe hat bei der Anti-Terror-Weltmeisterschaft in Bonn, bei der 29 Nationen und 44 Mannschaften am Start waren, den Weltmeistertitel im Nahkampf gewonnen. – Herzlichen Glückwunsch auch von dieser Stelle aus dieser Mannschaft! (Beifall bei der SPÖ.)

Seit die Kinder des Kinderdorfes Pöttsching, die sehr lebhaft waren, in Jiu-Jitsu und Kickboxen trainiert werden, sind sie nachweislich ruhiger, disziplinierter und aufmerk­samer geworden. Auch die schulischen Leistungen haben sich verbessert. Sie lernen, in der Gemeinschaft besser miteinander umzugehen, aufeinander Rücksicht zu neh­men, und das, meine Damen und Herren, ist eine der wichtigsten Aufgaben in der Ver­einsarbeit allgemein. Ihre Trainer werden zu Bezugspersonen und zu Vorbildern.

Herr Staatssekretär! An dieser Stelle darf ich dich um Folgendes bitten: Man muss wei­ter unterstützend und fördernd eingreifen, denn diese wertvolle Arbeit mit unseren Kin­dern und Jugendlichen prägt sie für ihr ganzes Leben. Ich weiß, wovon ich spreche, denn seit 30 Jahren ist meine Familie in der Vereinsarbeit aktiv.

Natürlich wäre es dringend notwendig, dem Sport mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Da der Bund vielleicht nicht im Stande ist, diese Mittel aufzubringen, könnte man noch andere Lösungen in Form eines breiten Sponsorings suchen.


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Positiv erwähnen möchte ich noch die Errichtung der Bundessportschule für Segeln und Surfen am Neusiedlersee. Vielen Kindern und Jugendlichen werden diese beiden Sportarten näher gebracht beziehungsweise auch das Weltkulturerbe Neusiedlersee vorgestellt.

Die Fußballwelt ist auch wieder in Ordnung: 5 : 0 gegen Weißrussland. Ich gönne die­sen Erfolg der Nationalmannschaft und dem Nationaltrainer Hans Krankl. Dieses Er­folgserlebnis war von ungeheurer Wichtigkeit, und wir gratulieren dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

Dir, Herr Staatssekretär, darf ich auch weiterhin alles Gute in deiner Funktion wün­schen, und ich hoffe, dass du dich bei deinem Chef im Sinne des Sports durchsetzen wirst.

Einen herzlichen Dank von dieser Stelle aus auch an alle Sportlerinnen und Sportler und an alle ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre. (Beifall bei der SPÖ.)

17.44

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Staatssekretär Mag. Schweit­zer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


17.45

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf in aller gebotenen Kürze auf die Debattenbeiträge einge­hen. Zum Kollegen Steier ist zu sagen, dass gerade diese Bundesregierung beginnt, diese innovativen Projekte auch umzusetzen. Ein Beispiel dafür ist mit dem sozialde­mokratischen Bürgermeister der Gemeinde St. Veit an der Glan in Kärnten, Herrn Mock, gemeinsam mit dem für Sport verantwortlichen Landesrat Dörfler und mit der Bundesregierung in Angriff genommen worden.

Es handelt sich dabei um den so genannten Bewegungskindergarten, wo wir ein Mo­dell entwickeln, damit es ein umfassendes Bewegungsangebot gibt – einen Anreiz für kleinste Kinder, sich regelmäßig und vielfältig zu bewegen. Wir werden das auch wis­senschaftlich untersuchen, und zwar werden wir die Unterschiede in der körperlichen Entwicklung der Kinder in diesem Bewegungskindergarten und in einem Normalkinder­garten herausarbeiten, um daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen, die wir dann in allen Kindergärten umsetzen wollen, um wieder mehr körperliche Bewegungs­anreize für alle Kinder zu schaffen.

Zum Kollegen Krist und zu anderen Kollegen, die offensichtlich mit dem Rechnen Prob­leme haben, sage ich nur, dass wir im Vergleich zum Vorjahr die Mittel der Sportförde­rung trotz schwieriger Rahmenbedingungen erhöht haben, und zwar von 36,3 Millio­nen € auf 37,8 Millionen €, das ist eine Erhöhung um 1,5 Millionen € oder – in alter Währung – um 20 Millionen Schilling. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu neh­men. Das steht auch in den Unterlagen für diese Debatte. Hier von einer Kürzung zu sprechen ist schlicht und einfach falsch! Es gab eine Erhöhung. Ich ersuche Sie höf­lich, diese Erhöhung auch zur Kenntnis zu nehmen.

Außerdem ist es so, dass es nicht nur diese Art der Sportförderung gibt, sondern wir unterstützen auch sehr großzügig Bewerbungen für internationale Großereignisse, wie zuletzt die Bewerbung für Olympia 2010 in Salzburg. Ich hoffe, dass wir am 2. Juli auch den Zuschlag dafür bekommen.

Auch Durchführungen von Sportereignissen werden massiv von uns unterstützt – und nicht nur das –, wir schaffen auch die notwendige Infrastruktur. Das bedarf intensiver Investitionen. Der Bund ist, was Investitionen in den Sport betrifft, sicherlich äußerst


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großzügig. Ich bitte Sie höflich, dies auch zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen zu diesem Teil der Budgetbera­tungen liegen mir nicht vor.

Ich möchte dem Herrn Präsidenten des Rechnungshofes und den Mitgliedern der Volksanwaltschaft, die seit 9 Uhr Früh sehr tapfer hier ausgeharrt haben, herzlich für ihre Anwesenheit danken.

Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Kapitel 15: Soziale Sicherheit

Kapitel 16: Sozialversicherung

Kapitel 19: Familie, Generationen, Konsumentenschutz

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nach Beendigung der Verhandlungen zu diesem Teil nunmehr zu jenem Teil der heutigen Debatte, der sich mit „Sozialer Si­cherheit, Generationen und Konsumentenschutz“ befasst. Er umfasst die Kapitel 15, 16 und 19.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heidrun Silhavy. Die Uhr ist auf 8 Minuten ge­stellt. – Bitte.

 


17.48

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundeskanzler! Herr Präsident Fiedler! Hohes Haus! Wir diskutieren jetzt über das Kapitel „Soziale Sicherheit, Sozialversicherung, Familie, Generationen und Konsumen­tenschutz“.

Ich gehe nur mit zwei Sätzen auf das Budgetkapitel 15 ein, weil 10 Millionen € für eine Einmalzahlung für Pflegegeldbezieher und -bezieherinnen der Stufen 4 bis 7 vorgese­hen waren. Aber Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten von ÖVP und FPÖ, haben, ohne mit der Wimper zu zucken, diese Einmalzahlung gestrichen. – So viel zu Ihrer sozialen Einstellung. Sie sollten sich schämen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Groß­ruck: Schon wieder!)

Aber möglicherweise soll mit diesem Geld der erst gestern beschlossene so genannte Härtefonds – das sind zufällig auch gerade 10 Millionen € – finanziert werden. Miss­trauisch stimmt vor allem die Tatsache, dass sich diese 10 Millionen € für diesen Fonds im Budgetkapitel 16 nirgendwo finden. Es liegt also der Verdacht nahe, dass Sie nach dem Vorbild der Unfallrentenbesteuerung handeln, nämlich zuerst den betroffenen Menschen viel Geld wegzunehmen und dann quasi als großzügige Geste dieser Bun­desregierung einen kleinen Teil davon wieder dieser Gruppe zu gewähren. – So viel zu Ihrer sozialen Einstellung. Diese Politik ist wirklich eine Schande! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

Aber dieses Armutszeugnis Ihrer schwarz-blauen Sozialpolitik ist leider beliebig fort­setzbar. Ganz deutlich stellt sich der Zustand der Bundesregierung auch am Beispiel dieses Pensionspaketes dar.

Da traut sich – und es tut mir sehr Leid, dass er nicht anwesend ist – der ressortzu­ständige Vizekanzler Haupt offenbar nur eine der ÖVP genehme Regierungsvorlage vorzulegen. Dann, gleich nach dem Beschluss im Ministerrat, distanziert sich dieser ressortzuständige Vizekanzler von seiner eigenen Regierungsvorlage und begibt sich sozusagen in eine regierungsinterne Oppositionsrolle. Er bekämpft seine eigene Re-


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gierungsvorlage, weil er sich in der Regierung offensichtlich nicht durchgesetzt hat oder dort zu wenig zu sagen hat.

Seine Arbeit reduziert sich offensichtlich auf die eines ÖVP-abhängigen Dienstboten, und insofern, meine Damen und Herren, verwundert auch das so genannte Verhand­lungsergebnis der FPÖ bei diesem Pensionspaket wirklich nicht.

Dieses Ergebnis bedeutet nämlich, dass Sie ohne Rücksicht auf Verluste bei allen Pensionen, auch bei ganz kleinen Einkommen, kürzen. Da wäre einmal das Aussetzen der erstmaligen Pensionsanpassung. Das kostet alle NeupensionistInnen, auch jene mit ganz niedrigem Einkommen, 15 bis 18 Millionen € jährlich. Da genieren Sie sich nicht, auch in die Taschen der Kleinstpensionistinnen und Kleinstpensionisten zu grei­fen!

Meine Damen und Herren! Diese Politik ist zynisch und diese Politik ist zu verachten! (Beifall bei der SPÖ.)

Am 19. Mai hat der Vizekanzler im Rahmen der Ausschussberatungen noch behauptet, die Pensionsanpassung habe sich weiter am Ziel der Wertsicherung zu orientieren. Was Sie nunmehr für die Jahre 2004 und 2005 planen, ist ein einziger Raubzug bei bestehenden Pensionen. (Abg. Großruck: Falsch!) Gratulieren kann man den Abge­ordneten der Freiheitlichen wahrhaftig zu diesem Ergebnis! Da haben Sie sich „super“ durchgesetzt, und zwar dann, wenn die Medianpensionen, also Pensionen unter 700 €, nicht einmal mehr an ihren Wert angepasst werden.

Eine zusätzliche Erhöhung für Pensionistinnen und Pensionisten um 1 Prozent in der Krankenversicherung ist nach Ansicht des Vizekanzlers ebenfalls kein Eingriff in be­stehende Pensionen.

Also: Wertverlust auch bei Pensionen unter 1 000 €, Entfall der Anpassung nach Neu­eintritt in die Pension, Pensionskürzungen bei neuen Pensionen bis zu 10 Prozent, dafür aber höhere Beiträge von den Pensionisten und Pensionistinnen (Abg. Groß­ruck: Falsch! – Abg. Gradwohl: Lies einmal nach, Wolfgang!) und das Nicht-wirksam-Werden des Wertausgleichs durch Einmalzahlung im Jahr 2003 und 2004. Und das nennt der freiheitliche Vizekanzler keinen Eingriff in bestehende Pensionen?! – So viel zu den Worten und Taten der Freiheitlichen. So weit klaffen diese auseinander. Das ist wirklich eine Schande! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese „erfolgreichen“ Nachverhandlungen der Freiheitlichen, die so gefeiert werden, kosten die Versichertengemeinschaft im nächsten Jahr um 116 Millionen € zusätzlich mehr, als vorher vorgesehen war, und weitere 228 Millionen € im Jahr 2005.

Erfolgreich, meine Damen und Herren, waren diese Nachverhandlungen für einen: für den Finanzminister, aber nicht für die Menschen in Österreich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Aber das ist auch kein Wunder. Ich lese in den „Kärntner Nachrichten“ vom 6. Juni: „Kärntner Freiheitliche setzen ihre Position durch – Schutz der kleinen Leute“. – 6. Juni!

Gestern haben wir gehört, bis zum Schluss wurde verhandelt, um Verbesserungen zu erreichen. Was stimmt nun, meine Damen und Herren? – Ich denke, die Menschen verzichten auf diesen Schutz, weil dieser ist nämlich für sie existenzbedrohend.

Aber vielleicht sind diese sozialen Ungerechtigkeiten gar nicht zufällig passiert. Viel­leicht haben Sie sich gar nicht von der Schüssel-ÖVP über den Tisch ziehen lassen. Vielleicht entspricht dieses Pensionskürzungsprogramm ohnedies Ihrer Grundeinstel­lung, Ihrer freiheitlichen Gesinnung, denn Sie wissen ja selbst, dass Eile und Hektik nicht notwendig gewesen wären. Die Gesamtaufwendungen für die gesetzliche Pensi-


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onsversicherungen gehen auch ohne diese Maßnahmen laufend zurück: im Jahr 2004 auf 10,8 Prozent, im Jahr 2005 und in den folgenden Jahren auf 10,7 Prozent des Brut­toinlandsprodukts. Das wissen Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Diese Zahlen sind Ihnen bekannt.

Was steckt dann dahinter? Vielleicht jahrzehntelang vorhandenes konservatives Den­ken. In der „Neuen Tageszeitung“ vom 29. März 1959 steht:

„1910 war ein Viertel der Bevölkerung älter als 40 Jahre, während 1951 fast die Hälfte aller Österreicher älter als 40 Jahre war. Österreichs Bevölkerung überaltert – damit entsteht eine ernste Gefahr für die Sozialversicherung.“

Weiters steht dort: „Wir brauchen ein ,marktkonformes Sozialsystem‘ ...“. – 1959! So viel zu Ihrer zukunftsorientierten Sozialpolitik! So weit schreiten Sie in der Sozialpolitik bei Ihren Vorstellungen zurück!

Meine Damen und Herren! Das wundert mich auch nicht, in einem freiheitlichen Wo­chenblatt steht: „,Soziale Wärme‘ entsteht, wie jeder Genosse weiß, durch die Vertei­lung von durch bürgerliche Eliten zu finanzierenden Wohltaten an Tagediebe und Min­derleister.“

Meine Damen und Herren! Wer sind denn diese Tagediebe und Minderleister? Sind das die Menschen, die wenig Einkommen haben? Sind das Arbeitslose? Sind das Kranke? Sind das alte Menschen? Wer wird denn da so zynisch als „Minderleister“ bezeichnet? Das ist Ihre Einstellung zur Sozialpolitik? Sie sollten sich schämen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Beifall bei der SPÖ.)

Der ehemalige ÖVP-Klubobmann Dr. Khol, nunmehriger Präsident dieses Hauses, hat ja auch am 27. September 2002 gesagt:

„Staatlich veranstaltete Solidarität ist wichtig und nicht ersetzbar, aber teuer. Privat veranstaltete Solidarität ist wärmer und billiger.“

Für wen?, frage ich mich. Für die, die es sich nicht leisten können? – Nein, für die si­cher nicht! Da wird keine Wärme sein, es wird auch nicht billig sein, sondern es wird teuer sein, und die Menschen werden in der Kälte stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auf den Punkt gebracht hat es letztlich der Finanzminister: „Das verlange eine ,Kulturveränderung‘“. Es werde weniger Staat und weniger Fürsorge geben müssen, dafür werde jedermann ,mehr netto in der Brieftasche haben‘.“ – Er hat sich geirrt! Bei Ihrer Politik gibt es weniger Fürsorge, weniger Wärme in diesem Staat – und auch we­niger Geld in der Brieftasche. (Beifall bei der SPÖ.)

17.57

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Kollege Dr. Fasslabend. Die Uhr ist wunschgemäß auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

 


17.57

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Als wir gestern diese Marathonabstimmung zur Pensionsreform durchgeführt haben, sind viele Fragen aufgeworfen worden. Vielleicht hat sich auch der eine oder andere gefragt: Was be­deutet es eigentlich, wenn Betriebsräte, wenn Personalvertreter, wenn Arbeiterkam­merräte, wenn Spitzenfunktionäre der Gewerkschaft auf Landesebene und auf Bun­desebene auf der einen Seite dagegen und auf der anderen Seite dafür sind? War das nur Ausdruck einer fraktionellen unterschiedlichen Bewertung, wie das in der Demokra­tie zwischen Regierung und Opposition üblich ist? – Wahrscheinlich war das ein wich­tiger Faktor dabei. Aber ich glaube, in Wirklichkeit ist es um sehr viel mehr gegangen, nämlich um folgende Frage: Haben wir heute in allen Parteien eine Mehrheit, die bereit


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ist, auch in eine neue Dimension in der Sozialpolitik hineinzugehen? Haben wir eine Mehrheit, die nicht nur im bestehenden System verharrt, sondern die bereit ist, auch neue Herausforderungen anzunehmen, um das Sozialsystem des 21. Jahrhunderts zu schaffen? Da stellt sich für mich die Lage schon ganz anders dar.

Wir haben vor uns eine Situation, die nicht nur im quantitativen Bereich vollkommen anders ist als in den letzten Jahrzehnten. Ja, es ist so, dass sich die Alterspyramide de facto auf den Kopf gestellt hat. Heute sind die Ältesten oder die Älteren die größte Gruppe – oder sie werden es zumindest –, und die Jüngeren sind die schwächste Gruppe in der Gesellschaft.

Aber wir haben auch im qualitativen Bereich eine ganz andere Voraussetzung – ganz anders, als sich das etwa im Industriezeitalter dargestellt hat. Es ist nicht mehr die Ma­schine im Mittelpunkt. Es gibt keine fixierten Arbeitszeiten und vorgegebenen Karriere­verläufe mehr. Es ist nicht mehr so, dass man einen Beruf erlernt, vielleicht einmal wechselt und dann Jahrzehnte im gleichen Unternehmen bleibt.

Nein! Wir müssen umstellen. Dieser Umstellungsprozess ist sicherlich schwierig, aber ich glaube, er ist es wert, dass wir ihn gehen, denn nur so wird es gelingen, die Leis­tungsfähigkeit unseres Sozialsystems für das 21. Jahrhundert auch tatsächlich zu si­chern. Das ist kein leichter Weg, aber ein entscheidender Weg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Beschäftigen wir uns ein wenig mit den einzelnen Fragen, den großen Themenkomple­xen in der Sozialpolitik! Nehmen wir die Pensionsreform! Was wollen wir? (Abg. Silha­vy: Mehr Privat!) – Wir wollen, dass es in Zukunft nicht nur eine Harmonisierung der Systeme gibt, sondern wir wollen auch das persönliche Pensionskonto. Wir wollen die Leistungsfähigkeit über die Generationen hinaus gleichmäßig verteilt gesichert wissen. Ich halte das deshalb für wichtig, weil das persönliche Pensionskonto eine Vorausset­zung für die unterschiedlichen neuen Lebensläufe darstellt.

Selbstverständlich wird es in Zukunft so sein, dass man ein paar Jahre bei einem Un­ternehmen und dann bei einem anderen Unternehmen ist, dass man vielleicht ein paar Jahre im öffentlichen Dienst verbringt, dass man vielleicht ein paar Jahre selbstständig ist, dann unselbstständig, dann wieder selbstständig und dann wieder unselbstständig. Wir werden nur dann eine sichere Pension und ein sicheres System haben, wenn die einzelnen unterschiedlichen Systeme harmonisiert sind, sodass auch die Übergänge reibungslos vollzogen werden können. Deshalb ist das wichtig und nicht einfach nur, damit es sich in Zukunft groschenmäßig oder euromäßig, centmäßig ausgeht.

Wir brauchen auch in unserem Gesundheitssystem ganz große Reformen. Ja, wir ha­ben eines der besten Systeme, insbesondere im kurativen Bereich. Aber wir haben Schwachstellen, enorme Schwachstellen im präventiven Bereich. Und wir haben eine Kostenexplosion durch den Fortschritt in der Medizin. Wenn wir wollen, dass der medi­zinische Fortschritt allen zugute kommt, dann werden wir nicht nur einen Schwerpunkt Prävention setzen müssen, um große Kosten gar nicht erst entstehen zu lassen, son­dern wir werden unsere Systeme auch überprüfen müssen. Nicht nur die Überinvestiti­on in das Grundsystem, so wie wir sie zurzeit im Spitalswesen vorfinden, wird rückzu­führen sein, sondern wir werden vor allem auch in Spezialdisziplinen sehr viel mehr an Kapazität schaffen müssen und daher auch dort, wo es Überkapazitäten gibt, entspre­chend einsparen müssen.

Auch in der Familienpolitik werden wir dort fortsetzen müssen, wo wir in den letzten Jahren angesetzt haben, nämlich dass wir die Familien stärken und dass wir ihnen, vor allem auch den Frauen, die Wahlfreiheit einräumen, ob sie zuhause bleiben oder einen Beruf ausüben wollen. Wie viele Jahre sie zuhause sein können, um sich voll der Kin­dererziehung widmen zu können, wie viele Jahre sie im Beruf stehen müssen, ohne


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dass sie eine soziale Schwächung in Bezug auf ihre gesamten Lebenseinkünfte zu befürchten haben, um solche Fragestellungen wird es künftig verstärkt gehen.

Vor allem auch in ihrer Beschäftigungssituation werden wir den Menschen helfen müs­sen, insbesondere jenen Berufsgruppen, die es schwer haben, nämlich den Älteren, den Jüngeren, den Frauen. Wir werden vor allem den Behinderten helfen müssen. Wir wollen eine sozial integrierte Gesellschaft, und da muss die Behindertenpolitik einer der Schwerpunkte sein, und zwar nicht in der Form, dass ihnen der Staat Almosen gibt, sondern so, dass der Staat ihnen hilft, selbstständig durch Arbeit zu einem Le­benseinkommen zu kommen. Dabei muss ihnen der Staat, die Gesellschaft behilflich sein, damit sie ihr Leben möglichst selbstständig, eigenständig und in Eigenverantwor­tung führen können.

Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts erfordert nicht nur ein Umdenken, was die Ab­läufe betrifft, sondern vor allem auch ein Umdenken, was die Menschen betrifft. Wir haben Menschen vor uns, die zur Selbstverantwortung bereit sind, die in der Lage sind, mehr Selbstverantwortung zu übernehmen, und das müssen wir ihnen auch zugeste­hen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn ich mir dann die Fragen stelle: Wie weit sind die Sozialdemokraten auf diesem Gebiet etwa in der Frage der Pension? Waren sie für die Anhebung des Pensionsan­trittsalters? Waren sie für eine finanzielle Anpassung auch im Sinne eines Ausgleichs zwischen den Generationen?, dann muss ich sagen: Nein! Die einzige Antwort, die sie geben, sind Beitragserhöhungen. Waren sie etwa im Bereich der Gesundheitspolitik dafür, neue Wege zu gehen? – Nein, ganz im Gegenteil! Nicht nur, dass sie blockieren, sie gehen sogar so weit, dass sie eine Institution, die bereits in fast allen oder in allen Systemen eingeführt ist, noch schlecht machen. Sie gehen dazu über, Zukunftssyste­me, die notwendig sind, schlecht zu machen. Was ist schlecht an Selbstbehalten? (Abg. Öllinger: Das ist kein neuer Weg!) Nicht nur im gewerblichen Bereich, bei den Beamten oder im bäuerlichen Bereich gibt es das, nein, auch bei den ÖBB-Bedienste­ten gibt es das, auch im ASVG-Bereich gibt es das.

Aber wenn wir nur vorschlagen, dass es einer Pensionsversicherungsanstalt freigestellt sein soll, wenn es notwendig sein sollte, auch auf einen Selbstbehalt zurückzugreifen, dann sagen sie bereits nein, verteufeln das System und tun so, als würde man da die Ärmsten zur Kasse bitten und den Ärmsten die Möglichkeit einer gesundheitlichen Be­handlung nehmen. Das finde ich nicht nur falsch, sondern da machen sie den Leuten Angst, und das ist ganz, ganz schlecht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wissen Sie, warum Sie den Menschen Angst machen? – Weil sie selbst Angst haben, sich zu klaren Entscheidungen durchzuringen, zu klaren Entscheidungen in der Pensi­onspolitik, in der Beschäftigungspolitik, in der Gesundheitspolitik. Eine Partei, die selbst nicht weiß, wohin sie will, eine Partei, die selbst nicht so stark ist, dass sie den Diskus­sionsprozess in den eigenen Reihen durchführt, die sich nicht durchringen kann, sich auch zu einem positiven Schritt zu bekennen, die wird sich immer schwer tun und wird letztendlich auch nicht die Unterstützung der Bevölkerung haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich stelle immer wieder fest, gerade in den letzten Tagen, dass sich auf Grund der na­türlichen Reaktionen, die es zur Pensionsreform gegeben hat, einige der sozialdemo­kratischen Funktionäre sozusagen mit viel Rückenwind unterwegs fühlen. Überschät­zen Sie das nicht! Ich sage Ihnen, es wird Ihnen genauso gehen wie vor der letzten Nationalratswahl. Da sind Sie auch lange vorne gelegen. Dann, wenn es für die Men­schen irgendetwas zu kritisieren gibt, werden sie sich der Opposition zuwenden. Aber auf der anderen Seite haben die Menschen ein ganz feines und ganz ausgeprägtes Gespür und Gefühl dafür, wer es ernst meint und wer ihnen Lösungen für die Zukunft


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anbietet. Gegen alles und für nichts zu sein, das signalisiert keine Lösungskompetenz, die man von einer staatstragenden Partei mit Recht erwartet, und gerade auf sozialpo­litischem Gebiet befinden Sie sich auf einer völlig falschen Linie. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch noch mit einem positiven Beispiel aufwarten. Es sind nicht alle so; natürlich gibt es in jeder Partei Unterschiede. Auch wir tun uns nicht immer ganz leicht. Denken Sie, dass es für uns ganz selbstverständlich war, dass wir uns etwa im Regie­rungsprogramm dazu bekennen, dass es eine Grundpension zu geben hat, auch wenn nicht entsprechend dafür eingezahlt worden ist? – Selbstverständlich nicht! Das ist ein neuer Weg. Aber wir sind bereit, neue Wege zu gehen, und die Frage, wer in Zukunft die richtige Sozialpolitik macht, wird sich daran entscheiden, wer den Mut hat, neue Lösungsmuster zu entwickeln. Ich kann Ihnen nur das eine raten: Stärken Sie die Kräf­te in Ihrer Partei, die bereit sind, auch einen neuen Weg mitzugehen, sonst werden Sie auf ewig auf der Verliererstraße sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.07

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Uhr ist auf 12 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.07

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! Es ist ganz gut, Herr Vizekanzler, dass Sie jetzt anwesend sind. Es betrifft indirekt auch Sie, ich weiß nicht, in welcher Eigenschaft – ob als Vize­kanzler, ob als Parteivorsitzender – Sie sich angesprochen fühlen. Ich werde auch auf die Äußerungen des Kollegen Fasslabend, um das nicht zu vergessen, gerne zurück­kommen, denn seine Aufforderung nehme ich gerne an. Aber zuvor muss ich Ihnen sagen: Ich kann nicht so einfach und beliebig zur Tagesordnung übergehen.

Herr Vizekanzler! Sie waren nicht anwesend, aber in der Debatte zuvor ist es um die Unterstützung der jüdischen Gemeinde in Wien gegangen. Abgeordneter Posch hat gesagt, dass man dafür ein Gespür haben müsse, und Abgeordneter Scheuch hat ge­sagt: „Das darf ja nicht wahr sein!“

Dann setzte Abgeordneter Posch fort: „Ich glaube, dass die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Österreich wichtig ist und dass sich ein demokratisches Land, das sich zu den Menschenrechten und zur europäischen Wertegesellschaft bekennt, auch ver­pflichten muss, das zu unterstützen.“ – Abgeordneter Scheuch sagte darauf: „Das wer­de ich ein paar Kärntner Freunden erzählen!“

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Öllinger! Ich mache jetzt gleich folgende Bemerkung, bevor sich die Gemüter erhitzen, sodass man dann kaum noch der Ver­nunft einen Durchbruch schaffen kann: Wir haben es immer wieder so gemacht, dass irgendein aktuelles Ereignis kurz erwähnt werden kann, in ein, zwei Minuten. Das wer­de ich auch jetzt so handhaben. Aber ich könnte nicht zulassen, dass wir die Debatte jetzt quasi umfunktionieren in eine Debatte, die in einem anderen Teil der Verhandlun­gen stattgefunden hat. Ich habe ausdrücklich gesagt: Wir können diese Frage bei einem dafür geeigneten Verhandlungsgegenstand politisch debattieren!

Also jetzt, wo wir alle noch kühles Blut haben: Ein, zwei Minuten Bezugnahme auf et­was, was passiert ist, und dann bitte zur Sache. Das ist noch kein Ruf zur Sache, son­dern ich sage nur: Dann ist Sozialpolitik auf der Tagesordnung! Ich hoffe, das ist fair und für alle akzeptabel. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist gescheit, Herr Präsident!)

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Ich habe das auch nicht anders vorgehabt. Ich möchte aus dem Schreiben noch zitieren, und ich habe auch schon angekündigt, dass ich dann über etwas anderes spreche, nämlich über die Ausführungen des Kollegen Fasslabend beziehungsweise zur Sache.


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Ich wollte nur klarstellen, dass ich diese Bemerkung des Abgeordneten Scheuch eigentlich nicht gerne nur in der Präsidiale behandelt haben wissen will, und zwar aus einem Grund: Die Bemerkung ist hier im Hohen Haus gefallen, und die Bemerkung, die ich jetzt ja noch nicht vollständig zitiert habe, die ja weitergeht, bezieht sich darauf, dass Abgeordneter Scheuch dann sagt – ich zitiere lieber den Originaltext –: „Unter­stützen wir lieber unsere Bergbauern!“ Und dann sagt Abgeordneter Posch, der am Wort war:

„Das ist ein sehr interessanter Zwischenruf: Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern als die jüdische Gemeinde in der Stadt! – Ich möchte das jetzt festgehalten haben ...“ – Und da sagt Abgeordneter Scheuch wieder: „Ja!“

Und Posch weiter: „... hier für das Protokoll.“ Scheuch weiter: „Ja!“ – Dann Posch wie­der: „Das ist eine sehr interessante Perspektive.“ Und Scheuch wieder: „Scheuch hat das gesagt!“ – Und das heißt in diesem Kontext nur, Scheuch will lieber die Bergbau­ern als die jüdische Gemeinde unterstützen.

Es gibt dann weitere Zwischenrufe des Abgeordneten Scheuch, die ich hier nicht mehr zitiere. Ich kann nur ohne Erregung – und das betrifft indirekt auch Sie, obwohl ich Ihre Haltung dazu kenne, Herr Vizekanzler – an die Kolleginnen und Kollegen der freiheitli­chen Fraktion, aber im Besonderen an den Abgeordneten Scheuch appellieren ... (Ruf bei der ÖVP: Er hat es eh schon festgestellt!) – Nein, er hat seine Bemerkungen nicht mit dem Ausdruck des Bedauerns und einer Entschuldigung zurückgezogen, dass sie antisemitisch verstanden werden können, sondern er hat gesagt, er hat das nicht so gemeint, obwohl der Kontext eindeutig war. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie werden nie­mandem vorschreiben, wie wer was zu sagen hat, Abgeordneter Öllinger! – Abg. Scheibner: Er hat das ja wohl richtiggestellt! Aber das ist für euch nicht genug! Das ist der „sensible Umgang“ mit einem solchen Thema!)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Öllinger, ich bitte Sie, jetzt zur Tagesord­nung zu sprechen.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Ich appelliere nur an den Abgeordneten Scheuch, sich hier im Haus zu entschuldigen, bevor die Sache noch schlimmer wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme schon zur Tagesordnung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich habe mit Interesse die Ausführungen des Abgeordneten Fasslabend gehört. Mir fehlt ein bisschen der Glaube. Wenn da von der Dynamik des 21. Jahrhunderts und von neuen Antworten in der Sozialpolitik gesprochen wird, die die ÖVP zu geben bereit ist, dann frage ich mich: Wo liegt das Konzept der ÖVP vor? – In der Problembeschrei­bung, Herr Abgeordneter Fasslabend, ja, da gebe ich Ihnen Recht. (Abg. Dr. Brinek: Abfertigung neu zum Beispiel!)

Abfertigung neu? Greifen Sie es lieber nicht auf. Ich spare mir die Bemerkungen zur Abfertigung neu. Mir haben viele in diesem Haus und außerhalb des Hauses schon in den achtziger Jahren und auch in den neunziger Jahren gesagt, als die ÖVP noch fest der Meinung war, dass die Abfertigung eine Treueprämie ist, mit Ausnahme des Vor­arlberger Arbeiterkammerpräsidenten, gebe ich zu, und einiger weniger anderer Per­sonen, gebe ich zu, aber ich kann mich noch an die Debatten hier erinnern, außerhalb des Hauses erinnern ... Entschuldigung, ich kenne die Kolleginnen und Kollegen vom ÖAAB auch, die gesagt haben, nie und nimmer werde an der Abfertigung als Treue­prämie gerüttelt. Ja dass Sie es irgendwann einmal geschnallt haben, dass das jetzt eigentlich vorbei sein muss (Abg. Dr. Brinek: Genau!), danke, aber es ist eigentlich schon sehr spät gekommen. (Abg. Dr. Brinek: Millimeter um Millimeter!) Die Debatte hat schon in den achtziger Jahren begonnen, und sie wäre eigentlich sinnvollerweise schon in den achtziger Jahren mit einer modernen Lösung zu beantworten gewesen.


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(Abg. Dr. Brinek: Da hat die SPÖ den Sozialminister gestellt!) Okay, irgendwann ist es gekommen.

Ich weiß, dass damals nicht nur der ÖAAB gemauert hat, sondern auch die sozialde­mokratischen Gewerkschafter nicht sehr erfreut waren über eine Veränderung des In­stituts der Abfertigung. Aber verzeihen Sie mir, damals war die faktische Monatsprämie 4 Prozent, und jetzt ist sie 1,53 Prozent. Und noch dazu wollen Sie jetzt – Sie argu­mentieren es auch so – die Abfertigung, die damals ein Lohnbestandteil war, als zweite Säule für die Pensionsversorgung instrumentalisieren, und das ist ein anderes Paar Schuhe.

Aber sei’s drum. Natürlich sehe ich es auch: Die Abfertigung Neu hat gegenüber der Abfertigung alt auch ihre Meriten. Aber das ist nicht der Punkt! Wir haben eine andere Arbeitswelt, wir haben andere Herausforderungen. – So weit teile ich Ihre Meinung, Herr Kollege Fasslabend. Aber was sind die Antworten? – Die Antworten müssten an­dere sein. Sie haben sie selbst beschrieben. Die Leute wechseln von einem Verhältnis ins andere: selbständig auf unselbständig, vielleicht sind sie irgendwann einmal Beam­te. Was wir derzeit erleben, ist eine Zunahme der Zahl jener Arbeitsverhältnisse, die schlecht beziehungsweise prekär sozial gesichert sind, in denen es nicht die gute sozi­ale Absicherung gibt, in denen es keine Arbeitslosenversicherung gibt. Bei den neuen Selbständigen fehlt noch immer eine entsprechende Arbeitslosenversicherung. Ich rede jetzt von den neuen Selbständigen, die eigentlich eher die Unselbständigen sind, von den freien Dienstnehmern rede ich, um es ganz korrekt zu sagen, und für die gibt es auch nach dem, was die Regierung geplant hat, noch keine Arbeitslosenversiche­rung.

Ich rede von denen, die in Werkverträgen arbeiten und die nach wie vor schlecht gesi­chert sind, aber Sie haben Recht, Jobhopping wird zunehmen. Was geben wir für eine Antwort? Was geben Sie für eine Antwort? – Wir haben versucht, eine tatsächlich umfassende Antwort in der Frage der Alterssicherung zu geben. Ja, wir werden in Zukunft eine Grundsicherung im Alter für alle brauchen, und zwar ab dem Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters. Nein, die ÖVP gibt nicht die Antwort Grundsicherung für alle in Bereichen des gesetzlichen Pensionsalters. Das würde andere Antworten brauchen.

Wir haben es diskutiert, Herr Kollege Fasslabend, Sie waren bei der Diskussion nicht dabei, bei den Regierungsverhandlungen. Was Sie vorhaben, ist die Umwandlung der Sozialhilfe-Altersversorgung in eine Mindestpension Neu. Das ist für uns nicht ausrei­chend. Wir wollen einen garantierten gesetzlichen Anspruch und nicht die Möglichkeit eröffnen, dass dann vielleicht, so wie es derzeit bei jeder Sozialhilfeleistung durchaus möglich und denkbar ist und auch gemacht wird, die Jungen für die Pension der Alten auch noch mitzahlen müssen.

Sie wissen genau, dass es die Regressverpflichtung bei der Sozialhilfe gibt. Wenn man eine Sozialhilfepension schafft, dann schafft man damit die Möglichkeit, dass die Jun­gen für die Alten zahlen müssen. Doch das ist keine moderne Antwort, sondern das ist eine Belastung genau jener Institution, die Sie so hochheben, nämlich der Familie. (Abg. Großruck: Dass der Sohn für den Vater zahlt, oder wie?) Wenn die Jüngeren im Regress die Pension der Älteren mitzahlen müssen, dann ist das keine moderne Ant­wort, dann fallen wir in der Altersversorgung auf einen Status zurück, den wir schon längst überwunden haben. Durch das Institut einer gesetzlichen, einer öffentlichen Al­tersversorgung haben wir nämlich jene Zustände überwunden, wo die Familie, die Jun­gen für die Alten sorgen mussten. Das ist ein Fortschritt, darauf können wir stolz sein. Ich möchte nicht in eine Art der Sozialpolitik zurückfallen, so wie Sie es mit der Umwandlung von Notstandshilfe in Sozialhilfeleistung auch vorhaben, wo dann wieder


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die Angehörigen dafür zahlen müssen, wenn jemand in der Armutsfalle drinnen ist. (Abg. Großruck: Der Sohn soll seine Mutter nicht pflegen dürfen, ist die Antwort!) Das wären moderne Antworten, Herr Kollege Fasslabend, dass wir nicht wieder den Weg zur familiären Abhängigkeit auch beim Zugang zu Sozialleistungen zurückgehen.

Geben Sie eine moderne Antwort! Schaffen Sie eine Grundsicherung für alle im Alter! Schaffen Sie darüber hinaus eine einheitliche Sozialversicherung für alle! Wenn ich mir Ihren Antrag zur Harmonisierung der Pensionssysteme durchlese, dann muss ich sa­gen: Da kommt nur eines dabei heraus, nämlich dass Sie gar nicht daran denken, auf absehbare Zeit, also für 20 bis 30 Jahre – ich habe es auch in den Ausführungen von Abgeordneten aus Ihren Reihen gehört –, zum Beispiel die Institute der Sozialversiche­rung, Pensionsversicherung für die Selbständigen beziehungsweise für die Bauern durch eine Allgemeine Pensionsversicherungsanstalt zu ersetzen. Natürlich wollen Sie das beibehalten. Natürlich wollen Sie an den alten Instituten, wo Sie Ihre schwarzen und sonstigen Farben und Reservate pflegen können, beibehalten. (Abg. Wittauer: Das haben wir doch gesagt, dass wir das einzeln erarbeiten werden!) Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist keine moderne Antwort!

Schaffen Sie ein Pensionskonto, Herr Abgeordneter Fasslabend, nach dem Prinzip: Gleicher Beitrag ergibt gleiche Leistung! Aber dann müssten Sie es auch in Ihren An­trag hineingeschrieben haben, und zwar so deutlich, dass es jeder verstehen kann.

Aus den Debatten wissen wir, dass Sie das nicht wollen, sondern selbstverständlich steht dann in den ÖVP-Anträgen drinnen, berufständische und berufsspezifische Eigenheiten müssen nach wie vor gepflegt und berücksichtigt werden. Kollege Mitter­leh­ner nickt auch noch dazu, weil er diesen Gedanken der berufsspezifischen Eigen­heiten auch weiter pflegen will. Aber das hat mit einem Pensionskonto für alle nach dem Prin­zip gleiche und gerechte Leistungen, wenn gleiche Beiträge erbracht wurden, nichts zu tun, Herr Kollege Mitterlehner. (Abg. Dr. Trinkl: Mit Solidarität hat Ihre Wort­meldung auch nichts zu tun!) Das haben Sie offensichtlich nicht verstanden, und Sie denken ganz offensichtlich nicht daran, einen modernen Weg in der Sozialpolitik zu gehen. (Abg. Dr. Trinkl: Wie werden ja aufgefordert, dabei mitzutun!)

Zweiter Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren: das PensionistInnenthema. Ganz kurz nur, ich möchte jetzt die Pensionsdebatte nicht wieder neu beginnen. Ich sage nur eines, Herr Vizekanzler – das geht an Ihre Adresse, weil wir das Thema auch aus Verhandlungen mit der ÖVP kennen –: Es gibt zukünftig eine Belastung von Pen­sionistInnen mit kleinen Einkommen durch den Krankenversicherungsbeitrag, der er­höht wird, durch den Unfallversicherungsbeitrag, durch die Wertanpassung, die auch schon bei niedrigen Pensionen ab 650 € nicht mehr mit dem Prozentsatz durchschlägt, und durch die Selbstbehalte, die noch nicht fixiert sind, aber eine Belastung aus den letzten Jahren, die ganz neu ist und die durchaus Pensionistinnen und Pensionisten auch schwer getroffen hat, wurde vergessen ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Öllinger, es ist jetzt nicht nur die freiwillige Re­dezeit überschritten, sondern ich schalte Ihnen die letzte Minute der zulässigen ein.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... das Ende der beitragsfreien Mitversiche­rung. Klarerweise ist es seit zwei Jahren so, dass auch PensionistInnen zahlen müs­sen für ihre Frauen – in der Regel Frauen –, die keine Kinder auf die Welt gebracht haben. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Nur: Im Pensionsalter, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben die Leute nicht mehr die Möglichkeit, zusätzliche Einkom­men zu erzielen. Daher ist das insgesamt, wenn Sie es zusammenzählen, gerade für die Bezieher niedriger Pensionen, für die Sie sich ja einsetzen wollen – deshalb würde mich auch eine Antwort interessieren, Herr Vizekanzler beziehungsweise Frau Staats-


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sekretärin –, eigentlich ungerecht, um mir einen stärkeren Ausdruck zu sparen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.22

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dolinschek, Sie sind der nächste Redner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten; maximale Redezeit: 14 Minu­ten. – Bitte.

 


18.23

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! – Herr Kolle­ge Öllinger! Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren bewiesen haben, dass wir mo­derne Wege der Sozialpolitik gehen. Wir haben aufgezeigt, dass es Wege gibt – da war seinerzeit weder deine Fraktion noch die Fraktion der SPÖ dafür – für die Einfüh­rung des Kinderbetreuungsgeldes. (Abg. Öllinger: Wir haben eine modernere Ant­wort!) Es hat Probleme mit der Abfertigung gegeben, und ich habe es bei der grünen Fraktion immer vermisst, dass sie für eine Reform der Abfertigung eingetreten wäre. Ich habe das vom ersten Tage meines Eintritts in dieses Hohe Haus an getan (Beifall bei den Freiheitlichen), und ich war froh, dass es mit dem Arbeiterkammerpräsidenten Fink in Vorarlberg einen Mitstreiter gegeben hat, der als einziger in der ÖVP damals das auch mitgetragen hat.

Ich gebe dir Recht, dass in der ÖVP seinerzeit vor allem die Leute in der Wirtschaft natürlich Ängste gehabt haben, dass eine Abfertigung auch bei Selbstkündigung kom­men sollte, aber es war das Bestreben, eine Reform der Abfertigung herbeizuführen, und das hat diese Koalition zustande gebracht. Die Sozialpartner waren seinerzeit nicht dazu in Lage, aber uns es ist gelungen. Die Sozialpartner haben im Prinzip dann zum Schluss nur noch, weil sie eingeladen waren, die 1,53 Prozent beschlossen und eben die Berechnung für das ganze Erwerbsleben, was meiner Meinung nach nicht ganz richtig war. Mir wäre es lieber gewesen, die ersten 25 Erwerbsjahre und einen höheren Prozentsatz zu nehmen. Dann wäre nämlich mehr für die Leute herausge­kommen. Aber, okay, ich bin auch mit dem zufrieden, reformieren können wir immer noch.

Das Kinderbetreuungsgeld ist ebenfalls eingeführt worden, zuerst in Kärnten, dann bundesweit. Heute stellt niemand mehr dieses Kinderbetreuungsgeld in Frage.

Es sind in der letzten Regierungsperiode Schwerpunkte gesetzt worden und auch in dieser jetzt, und zwar Schwerpunkte in der Familienpolitik, in der Beschäftigungspolitik, in der Gesundheitspolitik, in der Behindertenpolitik und in der Jugendpolitik.

Geschätzte Damen und Herren! Das Kinderbetreuungsgeld habe ich schon erwähnt. Es wird auf Mehrlingsgeburten ausgeweitet.

Es werden familienpolitische Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel eine Erhöhung der Familienbeihilfen.

Die Familienhospizkarenz ist eingeführt worden.

Es bestätigt sich auch, dass es der richtige Weg war, die Heimfahrtsbeihilfen, die sei­nerzeit gestrichen worden sind, für Lehrlinge und Schüler, die am Wochenende heim­fahren, die in Internaten untergebracht sind, ebenfalls wieder einzuführen. Sie sind in diesem Budget mit 12 Millionen € dotiert.

Aus der Behindertenmilliarde werden für die Jahre 2003 und 2004 ebenfalls jeweils 72 Millionen € dotiert. Damit werden Maßnahmen für die Behinderten in Österreich gesetzt. Das ist Sozialpolitik moderner Art und trägt die Handschrift des Sozialministers und der Frau Staatssekretärin. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Sehr


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„modern“! Gratuliere!) Selbstverständlich, Frau Kollegin Silhavy. Auf diese Ideen wären Sie nie gekommen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie werden auch sehen, dass die Pensionsreform, wenn die Harmonisierung durchge­zogen wird, einen Sinn macht. Ich kann auch sagen, dass mir das eine oder das ande­re nicht passt. Das haben wir auch kritisiert, aber wir haben es verändert, wir haben es verbessert, und wir haben es umgesetzt. Es geht ja darum, die Pensionen auch für die Jugend zu sichern, und es geht darum, für jene, die jetzt bald in Pension gehen, das so abzufedern, dass die Fristen verlängert und die Verluste verringert werden. Auch das ist geschehen, sehr geehrte Damen und Herren!

Der Familienlastenausgleichsfonds, geschätzte Frau Kollegin Silhavy, ist in der Ver­gangenheit, als Ihre Fraktion die Verantwortung in diesem Hohen Haus getragen hat und den Sozialminister und den Bundeskanzler gestellt hat, immer wieder für das Bud­get zweckentfremded verwendet beziehungsweise oft zum Stopfen von Budgetlöchern ausgeräumt worden. Das gibt es seit zwei Jahren nicht mehr. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Der Familienlastenausgleichsfonds ist in der letzten Periode für rein familien­politische Zwecke verwendet worden. Das wird auch in Zukunft so sein, und das finde ich auch gut so. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wird jetzt auch ein aktueller Jugendbericht erstellt. Er wird im Juli hier dem Hohen Haus präsentiert. Es wird darin die Lebenssituation der Jugendlichen erfasst. Es wird einen zweiten Teil geben, der die Prävention enthalten wird, um die freiwillige Jugend­arbeit zu unterstützen. Es ist geplant, standardisierte Freiwilligenhilfen für die Jugend einzuführen, was einen großen Beitrag im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich darstellt.

Außerdem ist vorgesehen, den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Kinderrech­te ebenfalls noch in dieser Periode umzusetzen. Es sind für 2003 70 Millionen € vorge­sehen und für 2004 75 Millionen €. Die stehen zur Umsetzung der Kinderrechte zur Verfügung. Es wird an einem Plan gearbeitet, der heuer vorliegen wird. Es gibt vier Arbeitsgruppen, die daran arbeiten und sich mit folgenden Themen befassen: Schutz vor Diskriminierung, Berücksichtigung des Kinderrechtes, Recht auf Leben und Ent­wicklung, Entwicklung der Fähigkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ich glaube, dass das sinnvolle Investitionen für die Zukunft unserer Jugend sind, geschätzte Da­men und Herren.

Im Jahr 2003 sind – das habe ich vorhin beim Kinderbetreuungsgeld zu erwähnen ver­gessen – rund 14 000 Hausfrauen durch das neue Kinderbetreuungsgeld begünstigt. Es erhalten 1 255 Studentinnen das Kinderbetreuungsgeld. Ebenfalls erhalten es 636 Schülerinnen. Es sind auch Väter davon betroffen, und zwar erhielten im Jahr 2002 644 Väter das Kinderbetreuungsgeld; diese Zahl ist im Jahre 2003 auf 1 100 angestiegen.

Das sind sozialpolitische Maßnahmen, die diese Bundesregierung umsetzt. Wir werden auch in Zukunft hart daran arbeiten, dass es für die Familien, für die Jugend und für die Bedürftigen in Österreich vorangeht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

18.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.30

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Lassen Sie mich bitte eingangs zu den Aussagen des Abgeordneten


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Scheuch auch kurz Stellung nehmen. Ich werde danach zum Tagesordnungspunkt sprechen.

Für mich beginnt das erste Fragezeichen bei diesen Äußerungen bei folgendem Punkt: Abgeordneter Posch sagt nämlich nichts anderes, als – hören Sie es sich bitte noch einmal an –:

„Ich glaube, dass die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Österreich wichtig ist und dass sich ein demokratisches Land, das sich zu den Menschenrechten und zur euro­päischen Wertegesellschaft bekennt, auch verpflichten muss, das zu unterstützen.“ – Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hätte mir gedacht, dass das eine dermaßen allgemeine Aussage ist, dass sie wirklich einen breiten und völlig unumstrit­tenen Konsens in diesem Hohen Haus hat und findet.

Beim Zwischenruf des Abgeordneten Scheuch, der dann folgt, „Das werde ich ein paar Kärntner Freunden erzählen!“, beginnt bei mir das zweite Fragezeichen, denn was sind das für Freunde? Wessen Freunde sind das? Was machen die mit dieser Information? Woran stoßen die sich bei diesem Satz?

Dann folgt der Zwischenruf: „Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern!“ – Das halte ich für die von mir immer sehr verurteilte Politik, die die Freiheitliche Partei viele Jahre betrieben hat und wieder betreibt, nämlich Bevölkerungsgruppen gegeneinander aus­zuspielen, denn niemand (Abg. Scheibner: Das machen Sie die ganze Zeit! Die ganze Zeit haben Sie das gemacht!) in diesem Hohen Hause wird sagen, dass er die Berg­bauern nicht unterstützen will. Das ist ja keine Frage! (Beifall bei der SPÖ.) Aber wenn jemand sagt ... (Abg. Scheibner: Sie spielen die ganze Zeit Bevölkerungsgruppen ge­geneinander aus! Stellen Sie sich jetzt nicht her und behaupten das Gegenteil!) Das war der Anteil des Kollegen Scheuch, hier Bevölkerungsgruppen gegeneinander aus­zuspielen. Das tue nicht ich, im Gegenteil: Ich spreche mich dagegen aus! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Wie lange darf sie noch zu diesem Thema reden? – Abg. Silhavy: Das ist Ihnen unangenehm! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Entweder haben wir eine Geschäftsordnung – oder es kann jeder reden, was er will!)

Sehr wohl bekennen sich, denke ich, alle Fraktionen (Präsident Dr. Fischer fordert die Rednerin mit einem Glockenzeichen auf, zur Tagesordnung zurückzukehren) – sofort, danke, Herr Präsident, ich werde das gleich beenden! – dazu, die Bergbauern zu un­terstützen, allerdings kann man das nicht in Widerspruch zur jüdischen Gemeinde stel­len.

Als Entgegnung hat er gesagt, es sei nicht antisemitisch ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollegin Kuntzl, 2 Minuten habe ich Ihnen gewährt, so wie dem Kollegen Öllinger. – Bitte jetzt zur Tagesordnung!

 


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (fortsetzend): Danke, ich beende den Satz. Er hat gesagt, es sei nicht antisemitisch gemeint. – Dazu kann ich nur sagen: Ja, vielleicht gemeint, aber wenn Sie das so einschätzen, dann fehlt Ihnen leider ein politisches Grundverständnis, das in diesem Hohen Hause sehr wichtig wäre, und ich verlange eine Entschuldigung. (Abg. Scheibner: Wieso jetzt, wenn er das schon richtig gestellt hat? Seien Sie vorsichtig mit solchen Unterstellungen!) Nein, ich verlange eine Ent­schuldigung. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt mit dem Thema „Familienpoli­tik“ auseinander setzen und mich eingangs kurz mit dem FLAF beschäftigen, der natür­lich die wesentliche budgetäre und finanzielle Grundlage der Finanzierung der Famili­enleistungen in Österreich ist.


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Sie wissen alle, dass mit Ende dieses Jahres der Familienlastenausgleichsfonds leer ist, dass der Bund in Vorlage treten muss, und auf unsere Anfrage im Budgetaus­schuss haben wir erfahren, dass der Familienlastenausgleichsfonds angeblich im Jahr 2007 wieder ins Plus kommt. Bis dahin gedenkt man – auch laut Beantwortung unserer Anfragen – nichts zu tun, als die Dinge einfach laufen zu lassen.

Doch wer weiß, ob diese Prognosen stimmen? Allein wenn ich mir eine Anfragebeant­wortung von Ende 2001 anschaue, habe ich Zweifel, denn damals wurde in dem glei­chen Hause die Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds diametral zu dem ein­geschätzt, was jetzt in den Unterlagen zur Budgetrede des Finanzministers ausgewie­sen ist. Also man kann nur hoffen, dass die jetzigen Abschätzungen für 2007 valider sind. Aber wirklich notwendig, um die Familienleistungen in Österreich auch über die zwei Jahre hinaus abzusichern, wäre es, den Familienlastenausgleichsfonds auf eine neue finanzielle Basis zu stellen.

Was das Kinderbetreuungsgeld betrifft, bedarf es vieler Verbesserungen, weit über das hinaus, was Sie planen. Wichtig wäre zum Beispiel eine zeitliche Flexibilisierung, wich­tig wäre die Aufhebung der Zuverdienstgrenze. Meiner Meinung nach gibt es für diese keinen Grund mehr, weil aus dem Kinderbetreuungsgeld jetzt eine Transferleistung geworden ist und das Kinderbetreuungsgeld im Gegensatz zum Karenzgeld keinen Einkommensverlust mehr abdeckt, also kein Einkommensersatz ist. Wenn Sie zum Beispiel daran denken, dass man jetzt für eine gute Pension viele gute Jahre sammeln muss, dann muss ich sagen: Dann darf es keine Hürden geben, gute Jahre zu sam­meln, auch nicht über das Kinderbetreuungsgeld. Oder denken Sie an Alleinerzieherin­nen. Die können nicht lange zu Hause bleiben und vom Kinderbetreuungsgeld und von der Familienbeihilfe leben, die müssen die Möglichkeit haben, dazuzuverdienen, und brauchen trotzdem dringend die Unterstützung, die anderen dann auch zusteht.

Was ich auch für sehr dringend halte, ist die Nachbesserung beim Kündigungsschutz. Wir werden im kommenden Jahr die ersten Fälle haben, die mittendrin wahrscheinlich draufkommen, dass sie, während sie das Kinderbetreuungsgeld beziehen, gekündigt werden, weil ja bekanntlich der Kündigungsschutz nicht so lange dauert wie die Zeit, während welcher man Kinderbetreuungsgeld beziehen darf. (Abg. Steibl: Man muss sich nur richtig informieren! Hat Sie die Arbeiterkammer nicht richtig informiert?) Da sehe ich einen wichtigen Punkt für Nachbesserungen.

Selbstverständlich muss man in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass keine Mittel für den wichtigen Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen vorgesehen sind. Wir liegen im europäischen Schlussfeld, insbesondere was Kinderbetreuungsein­richtungen für die unter 3-jährigen betrifft. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Witt­auer: Das ist ja fast schon langweilig, diese dauernden Wiederholungen!) Da ist großer Nachholbedarf gegeben, und da wäre es auch wichtig, von der Bundesebene her An­reize und Unterstützung für den für die Kinder und für die Frauen so wichtigen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zu geben, wie das früher der Fall war. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Da waren wir viel flexibler! – Abg. Silhavy – in Richtung des Abg. Wittauer –: Ja, das merkt man ohnehin! – Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung der Abg. Silhavy –: Sie waren eh schon dran, Sie haben eh schon 10 Minuten geredet! Schauen Sie lieber in Ihren Computer hinein!)

18.36

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Stadler. – Bitte. (Weitere Zwischenrufe zwischen SPÖ und den Freiheitlichen.)

 


18.36

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Frau Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses!


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(Neuerliche anhaltende Zwischenrufe zwischen SPÖ und den Freiheitlichen.) Vielleicht könnten Sie die Diskussion draußen weiterführen. Ich würde Sie gerne um einige Minu­ten Aufmerksamkeit bitten. – Danke, Frau Kollegin Silhavy. (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich ist im europäischen Vergleich in der Budgetpolitik nach dem Maastricht-Kriterien im vorderen Drittel, Österreich ist aber auch im Sozialsystem und im wirt­schaftlichen Bereich im europäischen Spitzenfeld. Genau diese Entwicklung zeigt uns, dass ein Staat als Unternehmen im wirtschaftlicher Hinsicht Erfolg haben muss, um ein ordentliches Sozialsystem aufrechterhalten zu können. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matz­netter.) Kollege Matznetter, wir können nachher weiter diskutieren. Ich wür­de Sie wirklich bitten, mich ausreden zu lassen.

Nur der, der etwas erwirtschaftet, Kollege Matznetter, ist auch in der Lage, sozial zu sein. (Abg. Großruck: Da kennt er sich nicht aus!) Es schmerzt eigentlich schon, wenn Abgeordnete Ihrer Fraktion von wirtschaftspolitischen Maßnahmen behaupten, sie wä­ren sozial ungerecht. Sozialstaat heißt wirtschafts- und sozialpolitisches Handeln, heißt, Maßnahmen für Menschen, die in Not oder krank sind, zu setzen (Abg. Groß­ruck: Der Matzi kennt sich nicht aus!) – ja, das ist aber sein Problem, nicht das mei­ne –, heißt, Maßnahmen für Menschen im hohen Alter und für Menschen mit Behinde­rungen zu setzen. Soziale Reformen bedeuten langfristige Sicherung des Sozialstaates und nicht Sozialabbau, wie immer wieder behauptet wird. (Beifall bei der ÖVP.)

In Zeiten großer Veränderung ist es die Pflicht einer verantwortungsvollen Regierung, Reformen umzusetzen, um langfristig allen Österreicherinnen und Österreichern unser Sozialsystem zu erhalten.

Sozialpolitik heißt nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der Gießkanne über dieses Land zu fahren, wie es viele SPÖ-Sozialminister getan haben (Abg. Steibl: Ja, genauso ist es!), sondern es heißt, Prioritäten zu setzen.

Unsere Bundesregierung hat in diesem Budget Prioritäten gesetzt: einerseits soziale Marktwirtschaft, wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit, andererseits aber vor allem Stärkung unserer Familien, für die es viele Maßnahmen in diesem Bud­get gibt. (Abg. Wittauer: Ihr habt für die „kleinen Leute“ am wenigsten getan! Ihr habt nur für eure Leute was getan!) So findet man dort: Erhöhung der Familienbeihilfe, Kin­derbetreuungsgeld, Pflegegeld ab der Geburt für behinderte Kinder, die Familienhos­pizkarenz – bitte einmalig in Europa, viele Länder werden uns diese Familienhospizka­renz nachmachen –, Anhebung des Mehrkinderzuschlages, Schülerfreifahrten endlich auch für Internatsschüler, Steuerfreiheit bis zu 1 000 € und vieles andere mehr. Das sind alles Maßnahmen, die Österreich zum familienfreundlichsten Land in Europa ma­chen! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Familien zu stärken ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um ein Sozialsystem auf Dauer in dieser Qualität zu erhalten.

Nun auch ein Wort zur Sozialhilfe: Ich weiß, dass es in die Länderkompetenz fällt, aber ich möchte es nicht unerwähnt lassen, dass gerade die Sozialhilfe in Wien, die Ar­mutsbekämpfung in Wien die schlechteste aller Bundesländer ist. Wenn ich mir mein Heimatland Tirol anschaue, so muss ich sagen: Es sind gerade die Sozialdemokraten, die seit Jahren verhindern, dass das Sozialhilfegesetz novelliert wird. Es fehlt der Mut zur Veränderung, und es fehlt vor allem der Mut zur Treffsicherheit. Es ist zu wenig, einfach die Kommunen zu belasten, um den Sozialhilfetopf zu speisen. Das ist auf Dauer viel zu wenig. Da fehlt die Modernität, und da fehlt auch die Phantasie. (Beifall bei der ÖVP.)

Am Schluss auch ein paar Worte zu den Sozialpartnern: In Österreich sind wir eigent­lich alle sehr stolz auf die Sozialpartnerschaft. Die letzten Monate haben aber gezeigt,


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dass es da eines ganz großen Umdenkens bedarf. Das betrifft insbesondere die ÖGB-Funktionärinnen und -Funktionäre hier im Hohen Haus: „Sozial“ heißt „füreinander“, „Partner“ heißt „miteinander“.

Haben Sie den Mut zur Veränderung, haben Sie den Mut zu Prioritäten, haben Sie den Mut zu einem Füreinander und Miteinander, weit über die Parteigrenzen hinweg! Wenn Ihnen das wieder gelingt, nämlich für ein Füreinander und ein Miteinander zu arbeiten, dann werden Sie wieder stolz darauf sein, den Namen „Sozialpartner“ in Anspruch zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Matznetter und Silhavy.)

18.40

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf das Wort Frau Abgeordneter Mandak erteilen. Gewünschte Redezeit: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.41

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Soziale Sicherheit heißt auf der einen Seite, Lebensgrundlagen für jede und jeden zu sichern, soziale Sicherheit heißt aber auch – und deswegen gehört dieses Thema auch hierher, Herr Präsident! –, Bevölkerungsgruppen nicht gegeneinander auszuspielen und nicht gegeneinander aufzuhussen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wittauer: Wa­rum habt Ihr dann Abfangjäger Pensionen gegenübergestellt?)

Wir mussten schon wiederholt erleben, dass das passiert, und das hat sehr viel mit sozialer Sicherheit und mit sozialem Frieden in Österreich zu tun. Es ist heute zum Teil angeklungen, die Reaktionen auf die Aussagen von Kollegen Scheuch seien überzo­gen. Darauf möchte ich Ihnen nur sagen: Man muss schon am Anfang in diesem Be­reich ganz klare Grenzen setzen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist ein Bereich, der ganz sensibel ist. Da wollen wir nicht, dass eine Bevölke­rungsgruppe gegen eine andere ausgespielt wird!

Ich war bisher über den Ton der freiheitlichen Mandatare und Mandatarinnen ange­nehm überrascht. Es war heute das erste Mal, dass ich so eine Art und Weise der Dis­kussion gehört habe – und ich hoffe, auch das letzte Mal! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Als Familiensprecherin ist für mich in der Familienpolitik natürlich auch die Vorsorge­frage sehr zentral. Es sind gestern die Budgetbegleitgesetze verabschiedet worden, und es ist ganz klar, was das für die Pensionsvorsorge bedeuten wird. Es zeigen sich ganz klare Unterschiede zwischen unseren Vorstellungen und den Vorstellungen vor allem der ÖVP.

Es gibt eine Zeitschrift mit dem Namen „familie“. – Das ist das Organ des Familienbun­des der ÖVP. (Die Rednerin hält ein Exemplar der Zeitschrift „familie“ in die Höhe.) Es hat neulich eine Generalversammlung stattgefunden, und da gab es einen Leitantrag, unter anderem auch zum Bereich Pensionsvorsorge. Ich zitiere daraus:

„Leistbare Pensionsvorsorgemodelle, steuerlich absetzbar, sind für die Zukunftssiche­rung von Familien mit Kindern von großer Bedeutung. Vorstellbar wären Modelle, die junge Leute in ihrer Familiengründungsphase finanziell noch nicht zu stark belasten und dann ab einem gewissen Alter erst höhere Beiträge vorsehen.“

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Das ist nicht unsere Vorstellung von Pensionsvorsorge! (Abg. Steibl: Es muss ja nicht eurer Vorstellung entsprechen, es muss nur der Vorstellung der Väter, der Mütter und der Kinder in unserem Land entsprechen! Das ist die Mehrheit!) Sie spielen hier die Pensionsvorsorge den Einzel-


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nen zu und gehen ganz klar weg von einer Pensionssicherung für alle hin zu einer Pensionsvorsorge in der Verantwortung der Einzelnen, die meiner Meinung nach noch dazu völlig unklar ist.

Dann schreiben Sie, erst ab einem gewissen Alter sollen höhere Pensionsbeiträge vor­gesehen werden. – Ich weiß nicht, was für Kinder Sie haben. Meine Kinder kosten im­mer mehr Geld, je älter sie werden. Es ist nicht so, dass eine 20-jährige Studentin billi­ger ist als ein 3-jähriges Kindergartenkind! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Steibl und Marek.)

Für uns ist klar: Wir wollen nicht, dass steuerlich absetzbare Pensionsmodelle ein un­verzichtbarer Anteil der Pensionsvorsorge, der Altersvorsorge in Österreich werden.

Vor zwei Tagen gab es eine sehr interessante APA-Meldung, in der der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Klaus Liebscher, zitiert wird. Er weist auf die mög­lichen Risken der Zukunftsvorsorge hin, und zwar der Zukunftsvorsorge, die darin be­steht, sich auf dem Aktienmarkt mit Aktien einzudecken, um die Pensionen zu sichern. Wörtlich heißt es in dem Bericht, der vorgestellt wird:

„Die Konzentration der staatlichen Förderung der institutionalisierten individuellen Al­tersvorsorge auf ein Produkt mit einem hohen Anteil inländischer Aktien birgt ... nicht unbeträchtliche finanzökonomische Probleme in sich.“

In diesem Bericht heißt es weiters: „Die Konzentration der steuerlichen Förderung auf die Zukunftsvorsorge ist freilich geeignet, zu einer nicht unbeträchtlichen Risikoexpo­nierung der individuellen institutionalisierten Altersvorsorge zu führen.“

Das klingt kompliziert und sehr weit weg, de facto bedeutet das aber ein ganz klares Alarmsignal: Wählt für eure Pensionen nicht diese Art der Vorsorge, sie ist zu riskant, und das Risiko ist zu hoch, im Alter dann ohne oder mit weit geringerer Versorgung dazustehen, als ursprünglich geplant war! – Genau diesen Weg gehen Sie aber! Sie möchten gerne, dass die Pension sukzessive in eine Privatpension anstatt einer Grundvorsorge übergeführt wird.

Unser Weg ist ein deutlich anderer, und zwar einer der Umverteilung und der Grundsi­cherung für jede und jeden in Österreich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Darum geht es uns – und da tun Sie wieder nichts, mitsamt Ihrer Pensionsreform und entgegen all Ihren schönen Ankündigungen! Sie haben wieder den Frauen, die sich jahrelang um ihre Kinder kümmern, keinen eigenen Rechtsanspruch auf eine Grund­pension gegeben. Auch diesbezüglich haben Sie Ihre Versprechungen im Wahlkampf überhaupt nicht eingehalten! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kopf: Ist das nicht eine Pensionsversicherung?)

Wir Grüne stehen für diese Grundsicherung (Abg. Kopf: Ist das Pensionssteuer oder Pensionsversicherung?), für eine Grundsicherung, die dann um ein Pensionskonto erweitert wird. Wer dann noch will, kann sich gerne mit risikobeladenen, zusätzlichen Vorsorgemodellen eindecken. Diese Grundsicherung muss aber gegeben sein. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kopf: Aber dann ist es keine Pensionsversicherung mehr!) 

18.48

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. Freiwilli­ge Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.48

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Das Thema „soziale Sicherheit“


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hat mir bei meiner Vorrednerin eigentlich sehr gut gefallen. Sie hat gesagt: nicht ge­geneinander ausspielen, sondern miteinander arbeiten. – Das wäre in diesem Ho­hen Haus ganz gut, denn wer hat denn eigentlich das Budget um vieles kranker ge­macht? – Die, die es krank gemacht haben, jammern es auch jetzt noch krank, aber wir Freiheitlichen werden es gemeinsam mit der ÖVP wieder heilen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Der war gut!)

Es wird hier so viel gejammert. – Es stimmt schon, dass es in Österreich viele Arbeits­lose – vielleicht zu viele – gibt, aber als die SPÖ noch an der Regierung war, haben wir in den achtziger Jahren weit mehr Arbeitslose gehabt. (Rufe bei der SPÖ: Nein! Blöd­sinn!)

Sie sagen immer, es sei die höchste Arbeitslosenrate seit dem Zweiten Weltkrieg. – Bitte bleiben Sie immer bei der Wahrheit! – Ich werde euch das beweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sozialpolitisch hat es die größten Kürzungen unter SPÖ-Regierungen gegeben! (Abg. Öllinger: Lesen, denken, reden!) Von der Frauenpolitik möchte ich gar nicht sprechen: Da haben Sie zuerst das Karenzgeld von zwei Jahren auf ein Jahr reduziert, die Kin­derbeihilfe gekürzt und vieles andere mehr. (Abg. Öllinger: Zuerst lesen!) Zuerst ha­ben Sie vieles eingeführt – eine Heiratsbeihilfe und so weiter –, und dann haben Sie es wieder abgeschafft, aber die Schulden sind trotzdem immer mehr geworden. – So schaut es leider aus, und das ist die Wahrheit! (Zwischenruf der Abg. Binder.)

Arbeitsmarktpolitisch müssen wir alle zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass die Arbeitslosenzahlen reduziert werden.

Als Politiker können wir nur die Rahmenbedingungen schaffen. Arbeitsplätze können wir nicht sichern, das kann nur die Wirtschaft (Abg. Öllinger: Jetzt sagen Sie dasselbe wie der Grasser!), und der Wirtschaft müssen wir die Möglichkeit geben beziehungs­weise sie dabei unterstützen, damit sie bereit ist, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. (Abg. Öllinger: Stimmt so leider nicht!)

Es ist nicht leicht, aber trotz der schwierigen Situation, trotz des hohen Schuldenstan­des, den uns die alten Regierungen hinterlassen haben, trotz der 7 Milliarden € Zins­zahlungen jährlich könnte man viel investieren, speziell in den Bau, denn das Bauge­werbe ist der Motor der österreichischen Wirtschaft. Wenn das Baugewerbe eine gute Beschäftigungslage hat, dann folgen die Anschlussarbeiten, und dann haben alle Ar­beit. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Trotz dieser schwierigen Situation sind sehr viele Maßnahmen gesetzt worden. Man braucht nur unseren Vizekanzler anzusehen. Als Sozialminister hat er dementspre­chend viel Geld in Krankenhausbauten, zum Beispiel in das Unfallkrankenhaus in Linz, und vieles mehr investiert. (Abg. Öllinger: Das zahlen die Versicherten und nicht der Sozialminister!) Das sind Investitionen, bei denen die Steuergelder richtig verwendet wurden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.)

Nun zum Thema „Straßenbaumaßnahmen“: Es wurden überhaupt noch nie so viele Straßen gebaut wie jetzt in der letzten Zeit, seit die FPÖ mit in der Regierung ist. (Abg. Dr. Niederwieser: So wenige sind vorher nicht gebaut worden!) Da bewegt sich etwas, obwohl wir so viele Schulden haben beziehungsweise zurückzahlen müssen. (Abg. Binder: Tausende sind gebaut worden! – Abg. Dr. Niederwieser: Welche Stra­ßen zum Beispiel?)

Zur Arbeitsmarktsituation kann ich feststellen: Es wird sehr viel für die Weiterbildung getan. Doch heute habe ich fortwährend nur ein Gejammere gehört, nur die Klage ge­hört: Dort ist zu wenig, und da ist zu wenig! Dazu darf ich sagen: Überall sind die fi-


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nanziellen Mittel aufgestockt worden: im Bereich Weiterbildung, in den Bereichen Bil­dung und Forschung und im Bereich Lehrlinge.

Ich appelliere da an die Wirtschaftstreibenden in Österreich: Bitte gebt den Jugendli­chen eine Chance und nehmt sie als Lehrlinge auf! (Zwischenrufe der Abgeordneten Oberhaidinger und Mag. Trunk.) Bildet die Facharbeiter selber aus, dann habt ihr Qualität. Ich ersuche wirklich darum! Es gibt genug Förderungen für die Ausbildung von Lehrlingen, und dann gibt es auch keinen Facharbeitermangel mehr! – Beides kos­tet nämlich Geld. Wenn die Jugendlichen keinen Arbeitsplatz haben und Vater Staat Weiterbildungs- oder andere Bildungsmaßnahmen durchführen muss, kostet das viel Geld. Wenn sie aber in einem Betrieb eingestellt werden, dann bringt das sowohl den Jugendlichen etwas als auch der Wirtschaft.

Natürlich gehört auch auf dem Lehrlingssektor beziehungsweise in den Schulen dem­entsprechend noch einiges verändert, damit die Ausbildung besser wird. Arbeitnehmer, die unter 25 oder über 50 Jahre alt und arbeitslos sind, haben die Möglichkeit zu Schulungen, denn das AMS hat die Verpflichtung, Schulungsmöglichkeiten zur Verfü­gung zu stellen. (Zwischenruf der Abg. Hagenhofer.)

Eine besondere Freude ist die Einführung der Altersteilzeit. (Abg. Oberhaidinger: Wer finanziert das?) – Kollege, bitte hör zu! Morgen weißt du wieder nichts, wenn dich je­mand fragt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Verlängerung der Altersteilzeit war für mich ein ganz wichtiges Moment. (Abg. Öllinger: Die wird jetzt gekürzt!) Wenn Betriebe beab­sichtigen, Arbeitnehmer in die Arbeitslose zu entlassen, gibt es die Möglichkeit, sie weiterzubeschäftigen, aber nur mehr zu 50 oder 60 Prozent. Da hat Vater Staat bezie­hungsweise diese Regierung eine gute Maßnahme gesetzt. Auch das Blocken, das für mich sehr wichtig war, ist jetzt möglich: Man kann die Hälfte dieser Altersteilzeit eine volle Beschäftigung haben und die nächste Hälfte dafür zuhause bleiben. – Ich denke, dass das eine gute Lösung ist.

Das Altersübergangsgeld hat es auch noch nie gegeben. (Abg. Dr. Matznetter: Nein!) – Seid einmal ganz ehrlich: In früheren Zeiten hat es nur Arbeitslosengeld gege­ben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Wir wissen, wie viel Arbeits­losengeld das war. Es ist klar, dass euch das weh tut, denn ihr habt das nicht erfunden und konntet es nicht einführen. Das haben zu eurem Leidwesen diese Regierungspar­teien gemacht. Das ist eine gute Maßnahme: Arbeitslosengeld plus 25 Prozent. – So schaut das aus! (Abg. Hagenhofer: Das ist eine notwendige Maßnahme!)

Was mich ganz besonders freut: Trotzdem wird es nächstes Jahr die erste Etappe der Steuerreform geben – 14 500 € steuerfreies Jahreseinkommen. Auch der Mindestlohn von 1 000 € wäre damit im Regierungspapier enthalten. Ich ersuche die Sozialpartner, jetzt Hand anzulegen, damit es niemanden mehr gibt, der einen Vollzeitstelle hat und unter 1 000 € verdient. Dann werden auch die Pensionen steigen und nicht so viele Leute unter der Armutsgrenze leben. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.55

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. Ich mache auf die diesbezüglichen Vorschriften aufmerksam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.55

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Bei einer tatsächlichen Berichtigung muss man ja das richtig stellen, was falsch ist. Es ginge viel schneller, das wenige zu


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bestätigen, was am Redebeitrag des Kollegen Walch richtig war. (Zwischenrufe der Empörung bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt können Sie es noch immer nicht!)

Kollege Walch hat unter anderem gesagt, dass das Geld für Weiterbildung aufge­stockt wurde.

Ich berichtigte tatsächlich: In den Budgets 2003 und 2004 finden wir bei der Erwachse­nenbildung eine Kürzung um 25 Prozent. – Das ist keine Aufstockung! (Abg. Wittauer: Er hat gesagt „Bildung“!) – „Weiterbildung“ hat er gesagt. (Abg. Wittauer: Weiterbil­dung ist nicht nur für Erwachsene! Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) Das ist keine Aufstockung, sondern eine deutliche Reduzierung, Herr Kollege Walch! (Beifall bei der SPÖ.)

18.56

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. Die Uhr ist auf 4 Minuten gestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.56

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! Kollege Walch hat uns vorhin erzählt, was sozusagen die Ein­stiegsvoraussetzung in den FPÖ-Klub ist: dass man alles hinunterbetet, was eigentlich nicht wirklich der Fall ist. Herr Kollege Walch, viel mehr würde mich interessieren, wie es jetzt mit der Volksabstimmung zur Pensionsreform aussieht! (Abg. Wittauer: Haben wir abgelehnt!)

Das ist ja ein Thema, das für die Freiheitlichen sehr wichtig war. Setzen Sie sich dafür ein, dass diese Volksabstimmung kommt, denn sonst reicht die Matratze, die wir für die FPÖ-Fraktion kaufen sollten, weil Sie alle im Liegen umfallen, wahrscheinlich bis zum Erdmittelpunkt, und selbst dann hält sie das nicht aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte in meinem Beitrag etwas zum Pflegegeld sagen: Am 1. Juli 1993 wurde es eingeführt. In ein paar Wochen feiern wir das zehnjährige Jubiläum der sozialen Er­folgsstory Pflegegeld. Die Maßnahmen sind wirksam geworden. Für pflegebedürftige Menschen ist der Aufenthalt so lange wie möglich zu Hause gewährleistet, und sie können selbstbestimmt leben. Vor allem auch für behinderte Menschen ist das ein we­sentlicher Aspekt und eine wichtige Maßnahme.

Doch was gab es jetzt zu den Budgets 2003 und 2004? Welche Mäanderwindungen und akrobatischen Übungen des Herrn Sozialminister hat es dazu gegeben? – Wir sehen hier nach der Pensionsreform ein nächstes politisches Lehrbeispiel, denn der Haupt’sche Rückwärtsfaller aus dem Liegen kann sicher mit jeder Zirkusattraktion mit­halten. Das haben sich aber jene mehr als 300 000 pflegebedürftigen Menschen in unserem Land überhaupt nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Beginn der Legislaturperiode wurde vom Sozialminister eine Valorisierung des Pfle­gegeldes verlangt. Diese Valorisierung hat ihm dann der Finanzminister abgedreht. Dann kam der Vorschlag für eine Einmalzahlung, aber nur für die Menschen in den Pflegegeldstufen vier bis sieben. – Das sind ungefähr 25 Prozent von 330 000 Men­schen – also auch das eine schwere Diskriminierung von sehr vielen Menschen.

Dann wurde von Seiten der Länder der Konsultationsmechanismus in Angriff genom­men, weil auch die Länder finanzielle Leistungen erstatten mussten und das natürlich nicht budgetiert hatten. Auch da zeigt sich wieder, dass vorher darüber nicht geredet wurde, welche Maßnahmen gesetzt werden; auch da zeigt sich wieder Dilettantismus pur.


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Was ist nun sozusagen der Notausgang für den Herrn Sozialminister Haupt? – Er gründet einen Fonds, und dieser Unterstützungsfonds – so heißt er – soll jenen Men­schen helfen, die als nahe Angehörige pflegebedürftige Menschen mindestens ein Jahr pflegen. Die Richtlinien stehen nicht im Gesetz, denn die Richtlinien erstellt der Herr Minister. Das heißt, die Menschen machen sich auf zu einer Pilgerfahrt zu diesem Fonds und müssen als Bittsteller agieren. Es gibt Unsicherheit, weil keinerlei Rechts­anspruch aus den Maßnahmen in Zusammenhang mit diesem Unterstützungsfonds entsteht.

Das Pikante an dieser Sache ist, dass es bereits einen Unterstützungsfonds für Men­schen mit Behinderungen gibt. Dieser wird dotiert und für Menschen mit Behinderun­gen eingesetzt, wenn sie finanzielle Unterstützung brauchen. Diese 10 Millionen € flie­ßen jetzt in diesen Fonds, und es ist die Frage, wie den Menschen mit Behinderungen geholfen werden kann. (Präsident Dr. Khol übernimmt den Vorsitz.)

Was ebenfalls eine sehr dilettantische Vorgangsweise darstellt, ist die Abwicklung. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen muss jetzt den Unterstützungsfonds abwickeln und muss auch den Härtefonds der Pensionsreform abwickeln, bekommt aber weniger Personal. Auch hier sieht man wieder die Milchmädchenrechnung à la Bundesregierung Schwarz und Blau: weniger Personal – 4 Prozent weniger, das heißt 30 Planposten –, aber die Aufgaben steigern sich ins Unermessliche!

Ich denke, dass gerade im Jahr 2003, dem Europäischen Jahr für behinderte Men­schen, die behinderten Menschen auf der Strecke bleiben. Das ist das Armutszeugnis für diese Regierung. (Beifall bei der SPÖ.)

19.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. Er wird wunschgemäß 6 Minuten zu uns sprechen, und seine Rede wird durch einen Ge­bärdensprache-Dolmetscher in die Gebärdensprache gedolmetscht. (Abg. Mag. Lapp: Warum nur bei ihm?) – Auch bei Kollegin Haidlmayr, sorgen Sie sich nicht! – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Huainigg begibt sich mit seinem Rollstuhl zum Rednerpult.)

 


19.03

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Hören Sie mich? (Ja-Rufe.) – Lei­se Stimme, wie immer.

Ich bin ja vor kurzem in einem Film zur „Verzögerung der Zeit“ aufgetreten. Das ist jetzt ebenfalls ein eindrucksvolles Beispiel dafür gewesen, glaube ich, wie man auch im Parlament die Zeit ein bisschen verzögern kann. Zeit, um nachzudenken – vielleicht über das Europäische Jahr behinderter Menschen. Es ist jetzt Halbzeit, und es ist auch schon einiges passiert.

Vor allen Dingen wurde das Allgemeine Behinderten-Gleichstellungsgesetz auf die Reise geschickt. Es gibt jetzt eine entsprechende Arbeitsgruppe der Bundesregierung, die das Gesetz ausarbeiten soll; das ist ein wichtiger Erfolg, wie ich meine. Was auch wichtig ist: Es sind selbst betroffene, behinderte Menschen mit einbezogen, die dort ihre Lebenssituation einbringen und Diskriminierungen aufspüren, welche in weiterer Folge gesetzlich beseitigt werden sollen. Vielleicht gelingt solch ein Gesetz noch heu­er, dann wäre das heurige Jahr ein Jubeljahr! Aber es ist besser, sich Zeit zu lassen und ein ordentliches Gesetz zu machen, das wirklich geeignet ist, die Lebensqualität behinderter Menschen zu verbessern und Diskriminierungen zu beseitigen.

Das zweite Thema, das wichtig ist, ist die Arbeitslosigkeit behinderter Menschen, die effektiv und auch sehr effektvoll mit der Behindertenmilliarde bekämpft wird. Die Be­hindertenmilliarde hat sich als gutes Instrument der Arbeitsmarktpolitik erwiesen, das besagen auch die Zahlen: Es wurden im Jahr 2001 an die 3 000 neue Jobs für behin-


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derte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt geschaffen, und 2002 waren es schon 4 000 Jobs. Ich glaube, dass diese steigende Tendenz sehr positiv ist. Man muss auch sehen, dass viele dieser betroffenen Menschen nicht beim AMS als arbeitslos gemel­det waren. Warum? – Weil sie gar nicht daran gedacht hatten, dass sie jemals werden arbeiten können und dass der Arbeitsmarkt sie braucht!

Thema Pflegegeld: Es ist ein offenes Geheimnis, dass mir auch eine Valorisierung wichtiger gewesen wäre. Die Valorisierung ist wichtig, sie muss kommen, und ich glau­be, sie wird auch kommen! Ich glaube, dass auch im Parlament Unterstützung dafür zustande kommen wird und dass die Bundesregierung sich dafür einsetzen wird. (All­gemeiner Beifall.)

Novelliert wird auch die Fernmeldegebührenordnung. Fortan sollen behinderte Men­schen mit hohem Einkommen nicht mehr von der ORF-Gebühr befreit werden. Ich sa­ge, dass das eine gute Maßnahme ist; ich stehe dazu beziehungsweise sitze dazu. Einerseits ist es ja kaum gerechtfertigt, wenn zum Beispiel ein behinderter Abgeordne­ter gratis fernsieht – auch wenn er es gern tut –, andererseits ist es wohl auch ein Zei­chen der überholten Almosenpolitik gewesen, dass man gesagt hat: Behinderte Men­schen können nicht gleichwertig am Leben teilhaben, lassen wir sie wenigstens ein bisschen gratis fernsehen! – Das kann es auch nicht sein.

Aber ich sage auch, dass behinderte Menschen nur dann Gebühren zahlen sollen, wenn der ORF wirklich sein Programm verändert: wenn er es zugänglich macht, wenn er mehr Untertitel bringt, wenn er mehr Gebärdensprache bringt. Ich fordere den ORF auf, sich in einer Selbstverpflichtungserklärung zu diesen Reformen zu bekennen, da­mit diese Mittel wirklich zweckgebunden verwendet werden. (Allgemeiner Beifall.)

Nun zu Teil 2 meines kleinen Gebärdensprachkurses für Abgeordnete, den ich das letzte Mal begonnen habe. Ich bin oft gefragt worden, wie denn der Name „Prinzhorn“ gebärdet wird. „Prinzhorn“ – das ist die Auflösung. (Die Dolmetscherin führt die ent­sprechende Gebärde vor. – Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Es gibt auch neue Vokabel, zum Beispiel „Budgetbegleitgesetz“ oder „Pensionssiche­rungsreform“. (Die Dolmetscherin zeigt auch diese Gebärden.) Sie sehen, man kann alles auch in Gebärdensprache ausdrücken. (Abg. Brosz: Wie geht „Schüssel“?) Bitte? (Abg. Brosz: „Schüssel“ würden wir gerne einmal sehen!) – „Schüssel“. (Die Dolmet­scherin demonstriert die entsprechende Gebärde. – Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Die Gebärdensprache ist sicherlich eine wichtige Sprache, eine wertvolle Sprache, die als Amtssprache anerkannt werden soll.

Wenn Sie mir applaudieren wollen, dann geht das in Gebärdensprache so. (Die Dol­metscherin führt die Gebärde für „applaudieren“ vor. – Beifall bei der ÖVP.) Zum Schluss noch zwei wichtige Vokabel, die man kennen muss: „Auf Wiedersehen“ und „Mahlzeit“! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Huainigg, für Ihre be­wegende Ansprache.

Als Nächste wird nun Frau Abgeordnete Haidlmayr zu Wort gelangen. Sie war ja die Erste; auch an Herrn Abgeordneten Srb können Sie sich sicher erinnern.

 


Nun wird Frau Abgeordnete Haidlmayr zu uns sprechen. Freiwillige Redezeitbeschrän­kung: 7 Minuten, und wunschgemäß wird auch ihre Rede in die Gebärdensprache ge­dolmetscht. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.


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19.12

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich würde mir wünschen, dass Gebärdensprache in diesem Haus in Zukunft nicht nur eine Ein­tagsfliege ist und zweimal im Jahr für 10 oder 15 Minuten gesprochen wird, sondern dass Gebärdensprache wirklich als Sprache anerkannt wird und auch in diesem Haus die Übersetzung in Gebärdensprache eine Selbstverständlichkeit wird. Ich denke, ge­rade im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung wäre es ein gutes Zeichen, wenn wir das langfristig einführen könnten! (Allgemeiner Beifall.)

Dass dies möglich ist, ist keine Illusion. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es im Wiener Gemeinderat selbstverständlich ist, dass alle Gemeinderatssitzungen in Ge­bärdensprache gedolmetscht werden. Und was sich der Wiener Gemeinderat leisten kann, muss sich auch das Parlament leisten dürfen.

Was das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung betrifft, haben wir alle sehr große Hoffnungen in dieses Jahr gesteckt, weil wir gemeint haben – und mit „wir“ mei­ne ich immer „wir Menschen mit Behinderung“ –, dass sich sehr viel verändern wird. Franz-Joseph Huainigg hat es schon erwähnt: Ein halbes Jahr ist es her, seitdem es dieses Jahr gibt. Es sind angeblich noch viele Veranstaltungen geplant, aber bis jetzt ist sehr wenig wirklich passiert, und das finde ich ganz einfach schade.

Die Europäische Union hat uns vorgegeben, dass sich substanziell etwas ändern muss, im Interesse der Menschen mit Behinderung und in Richtung des Rechts auf Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Was wir bis jetzt geschafft haben, nämlich dass es die Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt gibt, ist ein erster Erfolg.

Aber ich möchte diesen Erfolg nicht überbewerten, weil das Gesetz noch nicht hier im Haus ist. Ob im Parlament tatsächlich beschlossen wird, dass es ein Gleichstellungs­gesetz gibt, das Menschen mit Behinderung einklagbare Rechte zuschreibt, werden wir erst sehen. Ich hoffe, dass es gelingen wird, und ich wünsche mir, dass Sie alle nicht blockieren, sondern dies auch in Ihre Länder transportieren und dort sagen, wie notwendig und wichtig Behinderten-Gleichstellung ist. Hier geht es ganz einfach um ein legitimes Menschenrecht, das uns Menschen mit Behinderung in gleicher Weise zu­steht, wie es nicht behinderte Menschen selbstverständlich für sich in Anspruch neh­men! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hätten wir schon ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz, dann wäre es auch selbstver­ständlich, dass Parlamentsreden in Gebärdensprache übersetzt werden müssen. Denn wäre das bei einem bestehenden Gesetz nicht der Fall, dann wäre das selbstverständ­lich eine Diskriminierung von gehörlosen Menschen, und gehörlose Menschen hätten in diesem Fall ein Klagerecht, weil sie von Kommunikation ausgesperrt werden. Ich habe Ihnen dieses Beispiel nur genannt, damit Sie eines sehen: Hier geht es um ganz klare Menschenrechte – nicht um Almosen und irgendwelche Nettigkeiten, sondern um Rechte!

Ich möchte noch einen Punkt zum Kapitel Budget und Soziales erwähnen, und zwar das Pflegegeld. 1993, das ist heute schon erwähnt worden, wurde das Pflegegeld ein­geführt, und 1993 wurde auch festgeschrieben, dass es eine jährliche Valorisierung gibt. 1996 wurde diese Valorisierung von SPÖ und ÖVP aus dem Gesetz eliminiert, und seither hat es keine einzige Valorisierung mehr gegeben. Das heißt, der Verlust für jeden einzelnen Pflegegeldbezieher und für jede einzelne Pflegegeldbezieherin beträgt inzwischen mehr als 25 Prozent. Ich glaube, da ist mehr als Handlungsbedarf ange­sagt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es hat ja auch so ausgesehen, wie wenn – nur habe ich schon im Dezember gewusst, dass das „wie wenn“, nämlich wenn Minister Haupt wieder Sozialminister wird, dann


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wird es die Valorisierung geben, nicht stimmt. Ich kannte bereits im Dezember die Grundzahlen des Budgets, und darin war nichts vorgesehen. Herr Minister, Sie haben uns also die Valorisierung sehr bald wieder „abgeschminkt“, und daraus ist nichts ge­worden!

Sie haben uns aber versprochen, dass es eine Einmalzahlung geben wird. Diese wäre natürlich wesentlich geringer gewesen, vor allem hätte sie – das war eigentlich eine Katastrophe – nur für PflegegeldbezieherInnen der Stufen 4 bis 7 gegolten. Dagegen haben sich selbstverständlich die Länder, die ja zur Begutachtung eingeladen worden waren, gewehrt, und das war für Sie, Herr Minister, der Anlass, auch diese Einmalzah­lung nicht mehr zu gewähren. Sie haben gesagt, die Länder wollen das nicht, aber so hat es nicht gestimmt. Die Länder wollten, dass es alle bekommen, und allen wollten Sie es nicht geben, also geben Sie es niemandem. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister, damit haben Sie wirklich einen totalen Vertrauensbruch gegenüber be­hinderten Menschen geschafft! Herr Minister, ich würde mir das an Ihrer Stelle überle­gen und schauen, ob ich nicht doch noch irgendwo Geld organisieren kann – auf lega­lem Weg natürlich –, um die Valorisierung zu gewährleisten. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sehr humoristisch!)

Ich könnte Ihnen legale Wege nennen, Herr Minister: Behindertenmilliarde – seit ihrem Bestehen wurde sie noch nie ausgeschöpft, nicht einmal zur Hälfte. Da wäre genug Geld vorhanden, um die Valorisierung sicherzustellen. Sie müssen nur bereit sein, das Geld wirklich dorthin zu geben, wohin es gehört, nämlich in diesem Fall in die Valorisie­rung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) – Herr Minister, ich möchte so gern, dass Sie mir zuhören, sonst kann ich Sie nächstes Mal nicht belan­gen, weil Sie mir dann vorwerfen, Sie hätten es nicht gehört.

Herr Minister! Die 10 Millionen, die Sie jetzt in diesen Unterstützungsfonds gegeben haben, sind eine Augenauswischerei sondergleichen. Wissen Sie, das Pflegegeld wur­de geschaffen, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, selbstbestimmt ihre As­sistenz zu organisieren und zu finanzieren. Der Sozialfonds sieht aber etwas ganz an­deres vor, da bekommt nicht die pflegebedürftige Person oder die betroffene Person das Geld, sondern die pflegende Person. Das ist eine Entmündigung für Menschen mit Behinderung. Trauen Sie Menschen mit Behinderung zu, dass sie sich mit ihrem Geld ihre Assistenzleistung organisieren und auch finanzieren können!

Das, was Sie tun, geht weg von der Selbstbestimmung und wieder hin zur Fremdbe­stimmung. Herr Minister! Das ist ein Rückschritt, ein gewaltiger Rückschritt! Woher Sie die Idee zu diesem Rückschritt haben, Herr Minister, möchte ich noch gerne wissen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen das – wie Sie behauptet haben – die Behin­dertenorganisationen, die SelbstvertreterInnen behinderter Menschen eingeredet ha­ben. Von denen kommt diese Idee nicht! Das kommt aus irgendwelchen krausen Köp­fen in Ihrem Ministerium, aber nicht von den behinderten Menschen – das möchte ich hier klargestellt haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend möchte ich noch auf eine wichtige Veranstaltung hinweisen: Am 1. Juli 2003 gibt es hier im Parlament eine von den Grünen veranstaltete Enquete zum Be­hinderten-Gleichstellungsgesetz mit VertreterInnen aus Deutschland und aus der Schweiz, wo es bereits ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz gibt.

Ich lade Sie alle hiermit herzlich ein, am 1. Juli zu dieser Enquete zu kommen. Ich bin der Meinung, dass zwar viele den Begriff „Behinderten-Gleichstellungsgesetz“ schon im Ohr haben, dass sie ihn kennen, aber noch lange nicht wissen, was sich hinter die­sem Gesetzestitel verbirgt beziehungsweise welche Substanz dieses Gesetz eigentlich haben soll. Sie können sich bei unserer Enquete diese Informationen holen, damit


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Ihnen im Herbst die Zustimmung zu einem wirklich ordentlichen Behinderten-Gleich­stellungsgesetz leichter fällt, als es jetzt der Fall wäre. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich noch ganz herzlich bei Ihnen, der Gebärdensprachdolmetscherin, bedanken, und hoffe, dass es gelingt, dass die Gebärdensprache als Sprache hier in diesem Hohen Haus schon sehr bald als eine Selbstverständlichkeit Einzug hält. –Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Haidlmayr, für Ihren Diskussionsbeitrag. Vielen Dank auch der Gebärdensprache-Dolmetscherin für ihre Ar­beit. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Freiwillige Rede­zeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.22

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Der Beginn der Diskussion über das vorliegende Budgetkapitel – Herr Präsident, Sie waren damals noch nicht Vorsitzender – war von einer Debatte über eine Äuße­rung und eine tatsächliche Berichtigung von Herrn Abgeordnetem Scheuch gekenn­zeichnet. Im Zusammenhang damit hat uns Frau Abgeordnete Kunzl vorgeworfen, wir würden Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen, und gesagt, das lehne sie ab.

Dazu möchte ich Ihnen, Frau Abgeordnete Kunzl, Folgendes sagen: Sie haben in den vergangenen Tagen ununterbrochen das Ausspielen von Gruppen, von Gruppeninte­ressen, von Sachthemen betrieben, bis zur negativen Perfektion, Frau Abgeordnete Kunzl, und gegen uns erheben Sie Vorwürfe, obwohl wir überhaupt keine Ausspielung gemacht haben. (Abg. Dr. Niederwieser: Völlig unpassend!)

Eines möchte ich Ihnen auch sagen: Ich bin der Ansicht, dass es in einer Demokratie erlaubt sein muss, dass jemand zu einem Subventionsansuchen – egal, von wem es eingebracht wird – eine andere Meinung oder eine differenzierte Meinung hat. Das beanspruche ich für mich selbst und für uns alle, die wir hier im Parlament sitzen, mei­ne sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete! Ich werde es so handhaben wie Prä­sident Fischer. Ich habe den Debattenbeitrag des Abgeordneten Öllinger am Fernseh­schirm gesehen und möchte Ihnen sagen: Sie haben jetzt noch eine halbe Minute Zeit, und dann kommt der Ruf zur Sache.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Sie hätten sich diese Belehrung sparen können, Herr Präsident. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Ich möchte nun etwas zur Übertragung durch einen Gebärdendolmetscher sagen: Schön fände ich es, wenn diese Gebärdendolmetscher (Abg. Haidlmayr: Gebärden­sprachdolmetscher!) dann fungieren würden, wenn die Fernsehübertragung gemacht wird, aber nicht hier für uns, die wir die Gebärdensprache mit Ausnahme einiger über­haupt nicht verstehen. – Herr Präsident! Ich darf diese Anregung an Sie weitergeben. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ.)

Ich wende mich jetzt dem Budgetkapitel Soziales zu: Trotz des Sparkurses, den die Regierung einschlagen musste – wir kennen die Ursachen, wissen, warum es not­wendig war –, ist es gelungen, wichtige Ansätze in diesem Budget, die Behinderte betreffen, nicht nur beizubehalten, sondern sogar noch auszudehnen. Ein Beispiel da­für ist die Förderung von Projekten. Gerade der Herr Sozialminister hat gemeint, im


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Jahr der Behinderungen wird es mehr Interesse geben, Projekte durchzuführen. Dieser Budgetansatz ist erhöht worden. Es wird die Behindertenmilliarde weiterhin geben. Damit werden entscheidende Impulse gegeben für eine Beschäftigung von behinderten Menschen, insbesondere von jugendlichen, aber auch von älteren Behinderten, die wegen ihres Gesundheitszustandes unter Umständen in Gefahr kommen, ihren Ar­beitsplatz zu verlieren.

Wie erfolgreich die Behindertenmilliarde eingesetzt wurde, zeigt sich daran, dass 17 400 Fälle im Jahr 2002 gefördert wurden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Frau Abgeordnete Haidlmayr, bitte schütteln Sie nicht den Kopf, sondern anerkennen Sie doch auch einmal das Positive! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Wenn Sie genauso wie Frau Abgeordnete Lapp hier kritisieren, die Valorisierung des Pflegegeldes sei die Regierung schuldig geblieben, dann darf ich Ihnen Folgendes sagen: Auch mir tut das furchtbar Leid, aber man muss auch anerkennen, dass Minis­ter Haupt der Erste in einer langen Reihe von Sozialministern war, der das Thema Va­lorisierung des Pflegegeldes überhaupt angeschnitten hat, der es zumindest in Erwä­gung gezogen hat. Dass es sich dann nicht ausgegangen ist, das ist nicht unsere Schuld, die wir eine der Regierungsfraktionen stellen, sondern das ist darauf zurückzu­führen, dass die Sozialdemokratie einen sehr hohen Schuldenberg hinterlassen hat, was auch Sie ganz genau wissen.

Frau Abgeordnete Lapp, eine Diskriminierung ist es auf keinen Fall, wenn das Pflege­geld nicht valorisiert wird. Es ist auch keine Entmündigung, wenn das Pflegegeld nicht valorisiert wird, Frau Abgeordnete Haidlmayr. Ich glaube, das muss man schon zur Kenntnis nehmen. Ich bin überzeugt davon, dass dann, wenn irgendwo Geld übrig bleibt, der Herr Sozialminister der Allererste sein wird, der die Valorisierung des Pfle­gegeldes in Angriff nimmt. Davon bin ich hundertprozentig überzeugt. (Abg. Mandak: Das hat er schon vor langer Zeit versprochen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen soeben gesagt: Er hat es versprochen, aber es konnte nicht durchgeführt werden, und zwar aus bekannten Gründen. (Abg. Öllinger: Weil Sie es für Abfangjäger brauchen!)

Schauen Sie, jetzt spielen Sie schon wieder gegeneinander aus. Wenn wir dann sa­gen, uns erscheinen andere Ausgaben wichtiger, dann sind wir die Bösen. Aber Sie wollen immer als diejenigen dastehen, die immer nur das Gute wollen, Herr Abgeord­neter Öllinger. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf: Abfangjäger sind keine Menschen!)

Ich möchte eigentlich zu dem wichtigen Kapitel Behindertenpolitik weiterreden. Heuer ist das Jahr der Behinderungen – das ist schon mehrmals angeschnitten worden (Abg. Haidlmayr: Das Jahr der behinderten Menschen!) –, das Jahr der behinderten Men­schen – es hat einmal Jahr der Behinderungen geheißen –, und ich glaube, dass in der Annäherung zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen wirklich sehr viel geschehen ist. Mir gefallen im Unterschied zur Frau Abgeordneten Haidlmayr auch jene Aktionen, die das Sozialministerium gestartet hat, nämlich die Verleihung eines Preises für Gemeinden beispielsweise, die behindertengerechte Veranstaltungen ma­chen, die dafür sorgen, dass es behindertengerechte Zugänge gibt. Mir gefällt auch, dass beispielsweise der „Behinderten-Oscar“ vergeben wird, und zwar an Betriebe, die besonders behindertenfreundlich sind. Wir wissen, dass insbesondere im Gemeinde­bereich Behinderungen – entweder bewusst oder auch unbewusst – vorhanden sind, sei es im Freizeitbereich, im Gastgewerbe oder bei kulturellen Veranstaltungen. Ich erwarte mir von diesen Wettbewerben wirklich etwas, nämlich einen Schub in der Um­weltfreundlichkeit Behinderten gegenüber. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Selbstverständlich ist uns allen klar, dass die Bewältigung der Behindertenproblematik Geld kostet, aber es gibt auch Dinge, die kein oder nur wenig Geld kosten oder unmit­telbar kein Geld kosten, und dazu gehört das Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Ich bin dem Herrn Sozialminister sehr dankbar dafür, dass er jetzt eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen hat, von der die Behindertengleichstellung einmal in Angriff genommen wird. Geredet worden ist sehr lange davon. Ich glaube, wir alle sollten jetzt ohne Vor­behalte daran mitarbeiten und dazuschauen, dass wir in der Behindertengleichstellung etwas zustande bringen und dass mit Ende des Jahres der behinderten Menschen wirklich ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz geschaffen wird, mit dem wir alle leben können und das den Behinderten sehr viele Vorteile bringt. (Beifall bei den Freiheitli­chen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


19.29

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Bis kurz vor den gest­rigen Abstimmungen wurde von ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten an der Pensionsreform herumgedoktert, und herausgekommen sind leider trotzdem unsoziale, ungerechte und ungerechtfertigte Pensionskürzungen.

Obwohl das Thema Pensionsreform alle Berufs- und Altersgruppen betrifft, hat diese ÖVP/FPÖ-Regierung die Jugend- und Seniorenvertreter von den Diskussionen und Runden Tischen ausgeschlossen, und dies, obgleich der Österreichische Seniorenrat als die gesetzliche Interessenvertretung der älteren Menschen einen Sozialpartnersta­tus genießt.

Dann stellt sich hier im Plenarsaal Frau Bundesministerin Rauch-Kallat her und be­hauptet, alle Vertreter der Pensionisten hätten den Erhöhungen von zweimal 0,5 Pro­zent des Krankenversicherungsbeitrages zugestimmt. Diese Aussage von Frau Bun­desministerin Rauch-Kallat ist die reinste Unwahrheit und muss ich auf das Schärfste zurückweisen, denn wahr ist vielmehr, dass sich der Obmann des Pensionis­tenver­bandes Karl Blecha stets und überall gegen diese ungerechten und unsozialen Er­höhungen ausgesprochen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Ist das der, der 180 000 S Pension kriegt!)

Wer unseren Charly Blecha kennt, der weiß, dass er sich tagtäglich der Sorgen und Probleme unserer rund 2 Millionen österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten annimmt und dass er ein Kämpfer für diese Gruppe ist. Es ist traurig, dass hier von der Regierungsbank aus Unwahrheiten verbreitet werden, und ich schließe mich erstmals der Meinung des Kollegen Walch an, der sagte: Bitte bei der Wahrheit bleiben!

Vielleicht hat sich der Obmann des ÖVP-Seniorenbundes, Stefan Knafl, oder die Seni­orensprecherin der ÖVP, Kollegin Turkovic-Wendl – sie ist jetzt im Saal – im stillen Kämmerlein dafür ausgesprochen, in der Öffentlichkeit oder hier im Plenum konnte man von beiden nichts Derartiges hören.

Gestern aber haben Sie, werte Kollegin Turkovic-Wendl, so wie die sich selbst als Ar­beitnehmervertreter bezeichnenden Abgeordneten von ÖVP und FPÖ allen diesen Belastungen zugestimmt. Die Menschen, welche Sie zu vertreten haben, haben Sie dadurch sehr enttäuscht. Aber damit haben Sie gezeigt – und diese Menschen werden es sich merken –, wie leichtfertig Sie mit ihren Schicksalen umgehen.

Weil in den letzten beiden Tagen der Härteausgleichsfonds von ÖVP und FPÖ als Er­folg verkauft wurde, möchte ich klarstellen, dass Sie Menschen, welche ein Leben lang


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hart und schwer gearbeitet haben, zu Bittstellern degradieren. Darüber hinaus täu­schen Sie die Menschen damit beziehungsweise machen ihnen falsche Hoffnungen, denn in Österreich haben leider rund eine Million Menschen eine Pension, die niedriger als 1000 € ist. Rechnet man nun die Gesamtsumme von 44 Millionen €, welche in den Jahren 2004 bis 2006 im Härteausgleichsfonds bereitgestellt werden soll, auf die po­tentiellen Anspruchsberechtigten um, so bekommt jeder Betroffene den „stolzen Be­trag“ – unter Anführungszeichen – von 1 € pro Monat. Das ist, meine Damen und Her­ren von der ÖVP und FPÖ, beschämend. Wenn Sie dies noch dazu als Erfolg verkau­fen, möchte ich wieder Kollegen Walch zitieren, der sagte: Bleiben Sie, bitte, bei der Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen geht es im Unterschied zu ÖVP und FPÖ um ordentliche, gerechte und faire Pensionen.

Zu den gestrigen Aussprüchen einiger ÖVP- und FPÖ-Abgeordneter, in welchen von einer „Weichenstellung“ gesprochen wurde, auch ein Satz: Ja, Weichen können und werden gestellt, nur: Wird eine Weiche falsch gestellt, kann es zur Katastrophe mit tragischen Folgen kommen.

Ich behaupte: Bei dieser Pensionskürzungsreform wurde die Weiche leider falsch ge­stellt, und die Leidtragenden werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unsere Jugend und die ältere Generation sein.

Ebenso richtig stellen möchte ich zum Abschluss noch einen weiteren wichtigen Punkt – es gäbe ja noch viele Punkte aufzuklären und richtig zu stellen –: Sie von ÖVP und FPÖ behaupten immer wieder, dass in bestehende Pensionen nicht eingegriffen wird. Dies ist ebenfalls unwahr, denn eine 1000-€-Pension wird in den Jahren von 2002 bis 2004 durch eine Einmalzahlungs- und Fixbetragsregelung um 817 € – das sind 11 250 S – im Jahr gekürzt.

Werte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ, Sie haben zwar gestern die Ab­stimmungen gewonnen, aber das Vertrauen der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher verloren. (Beifall bei der SPÖ.)

19.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr kommt Herr Vizekanzler Bundesminister Mag. Haupt zu Wort. Seine Redezeit beträgt 20 Minuten. Wenn er länger spricht, ver­kürzt sich darob die Redezeit seines Klubs. – Bitte, Herr Minister.

 


19.34

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mit den Ausführungen des Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion beginnen.

Herr Kollege Dobnigg, man sollte nicht vergessen, dass die 10 Millionen € – steigend in den nächsten Jahren – sehr wohl ein Erfolg der Abgeordneten der Freiheitlichen und der Österreichischen Volkspartei sind, denn von Ihrer Seite kam kein Entlastungsan­trag für die Menschen mit unteren Einkommen. (Abg. Dr. Matznetter: O ja!) Rückver­weisungsanträge und andere Anträge können bei den Menschen kein Vertrauen her­vorrufen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es hat mir Kollege Gusenbauer das Pensionsmodell der Sozialdemokratie übermittelt. Wenn ich mir darin das Kapitel faire Pensionsreform für Frauen und Familienleistungen ansehe, so stelle ich klar und deutlich fest, dass nach Ihrem Modell jene, die keine Einkommen haben, die Ausgleichszulage bekommen. Dazu muss ich sagen: Das ist deutlich schlechter als das, was die Bundesregierung


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verabschiedet hat, weil wir immerhin auf den Familienausgleichszulagenrichtsatz zu­steuern und das Jahr für Jahr machen.

Zweitens haben Sie in Ihrem Modell festgehalten, dass die Frauen in der Zeit der Ka­renz ihr Einkommen weiterhin stabilisiert bekommen. Das heißt: Wenn eine Frau, die teilzeitbeschäftigt ist, vor der Kinderpause mit ihrem Einkommen unter dem Aus­gleichszulagenrichtsatz ist, so wird sie, wenn sie arm ist, in der Zeit des Karenzgeldbe­zuges arm bleiben. Aber jene Frau, die Höchsteinkommenbezieherin ist, wird den Vor­teil haben, Höchsteinkommenbezieherin zu werden. Ich würde Sie daher bitten, in Ihrem Modell das dahin gehend zu korrigieren, dass man zumindest den Ausgleichszu­lagenrichtsatz bekommt. Dann werden jene Frauen, die teilzeitbeschäftigt sind und deren Einkommen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegt, in Ihrem System nicht mehr benachteiligt werden.

Vielleicht könnten Sie das, nachdem es ja nicht Gesetzeskraft hat, sondern als Infor­mationsbroschüre für Ihre Anhänger und für die österreichische Bevölkerung dient, in dieser Form korrigieren, denn mit dem Wort „zumindest“ würden Sie das deutlicher machen, als es jetzt in Ihrem Text ist – falls Sie solche Intentionen nicht haben, wie man herauslesen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man in der Diskussion vernehmen konnte, dass Kollege Gusenbauer bei Pensionisten mit höherem Einkommen, die über den Höchstgrenzen im ASVG-Bereich liegen, sich bis zu 10 Prozent Solidarabgabe vorstel­len kann, und wenn man sich vergegenwärtigt, was in den Medien von Karl Blecha zu hören war, dass nämlich der nächste Pensionsraub auf Grund der Anpassung in den Jahren 2003 und 2004 geplant wäre, so wie er es formuliert hat, dann muss ich sagen: Das ist unrichtig, denn das, was die Bundesregierung beschlossen hat, liegt deutlich unter den 10 Prozent, die Sie formuliert haben. Das liegt kumuliert etwa bei 8 Prozent bei den höchsten Einkommen, und bei 30 500 S – das ist die derzeit höchste ASVG-Pension – ist es, noch in Schilling gerechnet, eine Solidarbeitragsleistung von nicht ganz 2,8 Prozent auf beide Jahre.

Wenn man die Vorhaben der Sozialdemokratie mit den Vorhaben dieser Bundesregie­rung vergleicht, so kann man sagen, dass unsere Maßnahmen, die wir im Interesse der österreichischen Bevölkerung gesetzt haben, deutlich milder ausgefallen sind als die 10-Prozent-Forderung des Kollegen Gusenbauer. Das muss hier auch einmal klarge­stellt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich gebe zu, dass auch ich es als einen Mangel ansehe, dass das Pflegegeld nicht valorisiert werden konnte. Aber ich habe mich den Vorhaben verschrieben, die inner­halb der Bundesregierung unbestritten sind, nämlich in diesem Bereich nachhaltige Gesetzesänderungen herbeizuführen und keine Einmalaktionen zu machen, die am Ende der Legislaturperiode wieder zurückgenommen werden müssen. Ich bin guten Mutes, weil ich doch einiges für die Zukunft in diesem Bereich reservieren konnte, und kann sagen, dass die Valorisierung des Pflegegeldes in dieser Legislaturperiode mit Sicherheit kommen wird. Es werden darüber hinaus Maßnahmen gesetzt, die jenen Menschen, die Menschen mit Behinderungen betreuen, direkt zukommen.

Ich darf Sie alle an die Sendung des ORF „Help-TV spezial“ erinnern, wo Angehörige von behinderten Menschen ihr Schicksal, nämlich über fünf, sechs oder sieben Jahre keine Freizeit, keinen Urlaub, große Sorgen im Krankenstand zu haben, schilderten. Daher betrachte ich die 10 Millionen €, die ich für diese Gruppe reservieren konnte, als Erfolg im Jahr der Behinderten und als Hilfe für eine Gruppe, die 80 Prozent der behin­derten Menschen in diesem Staat betreut.

Ich sehe nicht ein, dass jene Bundesländer, die derzeit in einer für mich nicht nachvoll­ziehbaren Weise behinderten Menschen, wenn sie in Krankenanstalten-Pflege kom-


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men, das Pflegegeld entziehen – in manchen Bundesländern wie in Salzburg für vier oder fünf Tage, in anderen Bundesländern durchaus auch länger –, nicht endlich ein­lenken und die Position des Bundes vertreten, dass Pflegegeld ein Zuschuss zur Pfle­ge ist und nur so lange von den Pfleglingen in Heimen eingefordert werden kann, so­lange sie auch in Heimen gepflegt werden, aber dann, wenn sie in Krankenanstalten transferiert werden, ab dem Tag, an dem sie ins Krankenhaus kommen, nicht einbe­halten werden kann.

Ich bin gerne bereit, das mit den Landessozialreferenten auszudiskutieren, um diese meiner Ansicht nach nicht gesetzeskonformen Zustände endlich zu beenden, die auf Kosten der Pflegegeldbezieher stattfinden, und dann über eine gemeinsame Erhöhung des Pflegegeldes mit den Ländern in gesetzeskonformer Weise zu diskutieren.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass heute eine Sitzung meiner Beamten mit den Ver­tretern der Volksanwaltschaft stattgefunden hat, um das leidige Problem endlich einer Lösung zuführen, das mir ebenfalls die Länder eingebrockt haben, indem sie nämlich Menschen mit Behinderungen für zwei bis drei Monate in einer scheinbaren Berufstä­tigkeit angemeldet und dann in den Krankenstand geschickt haben, um dann lebens­lang eine Pension für diese Menschen, die eigentlich aus den Sozialtöpfen der Länder abzusichern gewesen wären, von den Pensionsversicherungen zu erwirken.

Das, was Kollege Maier von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion zu Recht rele­viert hat, ist tatsächlich ein Problem, das durch eine Entscheidung des Verwaltungsge­richtshofes nunmehr Härten in der Abwicklung dieses Systems für den Bund bringt, was darauf zurückzuführen ist, dass die Gebietskörperschaften ohne Bedenken, auf welchem Rücken sie ihre finanziellen Streitigkeiten austragen, diese Situation und die­sen Misstand im Rechtsbereich herbeigeführt haben.

Ich denke, dass es für die Gebietskörperschaften höchste Zeit ist – Eleonore Hostasch hat mit der Pfeil-Studie den Weg dafür geöffnet –, diesen Ausgleich zwischen den Län­dern und dem Bund herbeizuführen, um nicht finanzielle Streitigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften auf Kosten und auf dem Rücken der behinderten Menschen auszutragen.

Sie alle wissen, dass im Jahre 2004 ein neuer Finanzausgleich auszuverhandeln ist, und ich hoffe, dass auch auf Grund der guten Darstellungen durch die Volksanwalt­schaft diese leidigen Probleme zum Nachteil der behinderten Menschen endlich been­det werden können und dass die Vernunft bei allen, die über die Finanztöpfe verfügen, also sowohl beim Bund als auch bei den Ländern, Einkehr hält.

Ich darf Sie aber auch darauf hinweisen, dass wir im vergangenen Jahr für die behin­derten Menschen mit 10 Millionen € Soforthilfe im Zusammenhang mit dem Hochwas­ser, unbestritten von allen Behindertenorganisationen, eine gute Hilfe geleistet haben.

Ich darf Sie ferner darauf hinweisen, dass das, was ich in das Strukturpaket 2002 allein für die Jahre 2002 und 2003 hineinreklamiert habe, nämlich für den Gesundheits- und Wellnessbereich in Österreich endlich flächendeckend mit bis zu 50 000 € behinder­tengerechte Zugangsmöglichkeiten zu schaffen, nicht nur für die behinderten und die alten Menschen in diesem Staate Erleichterungen bringt, sondern auch noch einen erfreulichen Baueffekt in der vergangenen Wintersaison herbeigeführt hat, und dass daher auch die Verlängerung dieser Initiative aus dem Jahre 2002 über das volle Bud­getjahr 2003/2004 meiner Ansicht nach ein Erfolg ist.

Ich halte auch fest, dass wir bei der Kriegsgefangenenentschädigung eine deutliche Erhöhung erreichen konnten, nämlich von 7 Millionen € auf 25 Millionen € nach dem Bundespflegegeldgesetz die demoskopische Entwicklung voll ausverhandeln konnten.


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Für den Unterstützungsfonds der Menschen mit Behinderungen gibt es um nicht ganz 26 Millionen € mehr, das ist eine Steigerung von 20 Prozent in diesem Bereich. Oft war es so, dass dieser Fonds, weil er von meinen Beamten und von mir flexibel geführt worden ist, schon im Juli oder August ausgeschöpft war, weil es eben so viele Fälle in diesem Bereich gibt.

Wir hoffen, mit dieser Aufstockung nunmehr endlich über das ganze Jahr hinweg gleichmäßig Unterstützungen für Menschen mit Behinderungen geben zu können, und nicht nur bis September, Oktober, und dann etwa bei einer Autoanschaffung oder ähn­lichen Dingen bis Jänner, Februar des nächsten Jahres Vorgriffe machen zu müssen.

Ich finde auch, dass wir mit den Erhöhungen für Projekte im Jahr der Behinderten und mit einer Erhöhung der Beträge beim Impfschadengesetz am Verhandlungstisch sehr Gutes geleistet haben.

Wer vorhin Herrn Kollegen Huainigg hier gesehen hat, dem möchte ich sagen, dass er mir und meiner Gattin als ehemaligem Nachbarn in Spittal an der Drau in seiner Ent­wicklung von Jugend und Schulzeit her bekannt ist. Das ist ein nachvollziehbares Bei­spiel eines Menschen mit Impfschaden. Daher meine ich, auch im Hinblick auf den Bioterrorismus und unter Umständen dadurch notwendige Impfungen, dass die höhe­ren Schadensquoten notwendig und gerechtfertigt sind.

Diese Vorsorge und diese Vorkehrungen meines Hauses betreffen zwar nicht das Pflegegeld, aber ich glaube, man muss auch vorausschauend an Situationen denken, die uns die Weltlage bescheren kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedauere, dass man meist nicht das sieht, was man schafft, sondern immer nur das, was man nicht schafft. Damit werde ich als ver­antwortlicher Politiker leben müssen. Auch ich kann mir immer noch mehr, noch Bes­seres und Schöneres vorstellen, vor allem im Bereich der Betreuung der behinderten Menschen. Aber Sie werden mir Recht geben, dass das Ergebnis der Verhandlungen meiner Budgetkapitel, wenn man es genau betrachtet, in einer Zeit, in der sich der Staat die Sparsamkeit in wichtigen Bereichen auf die Fahnen geheftet hat, und das aus gutem und nachvollziehbarem Grund, doch gut ausverhandelt und ausgefallen ist.

Wenn wir die Pensionsreform und die Debatte darüber nochmals Revue passieren lassen, dann können wir feststellen, dass die Erhöhung des Ausgleichszulagenricht­satzes für Familien zwei Effekte hat: erstens den Betrag für die Familien deutlich zu erhöhen und zweitens den Frauen, die vom „Ausgleichszulagenrichtsatz einfach“ auf den „Ausgleichszulagenrichtsatz für Familien“ umgestuft werden, einen Zugewinn von 10 Prozent zu bringen, der sich jährlich zwar nicht in den Prozenten, aber in aktuellen Summen niederschlägt.

Es wurde heute aus dem „Kurier“ zitiert: 1 € pro Pensionist mit einer Pension unter 1 000 €. Dazu darf ich Ihnen sagen: Das ist ein Zeichen dafür, dass die Deckelungen, die die Bundesregierung und die Abgeordneten der beiden Regierungsparteien erreicht haben, tatsächlich auch nach den Berechnungen der Experten der Arbeiterkammer, des Gewerkschaftsbundes, der Bundeswirtschaftskammer, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern und meines Hauses durchschnittliche Verschlechterun­gen von nur zwischen 3 Prozent und maximal 8 Prozent in den nächsten drei Jahren bewirken, wobei 10 Prozent eine Höchstgrenze sind.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir sogar bei der so genannten Hackler-Regelung für Frauen, die 57, 58 oder 59 Jahre alt sind und die Hackler-Regelung in Anspruch neh­men, gegenüber der bestehenden Rechtslage sogar eine Verbesserung von 3 Prozent und mehr erreicht haben; dass ich für die behinderten Menschen durch die Erhöhung des Referenzalters für die Berechnung der Behindertenpensionen von 56 auf 60 Jahre


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den von 2 Prozent auf 1,78 Prozent gesunkenen Steigerungsbetrag voll ausgleichen kann und darüber hinaus auch für Menschen, die im späteren Leben, nämlich zwi­schen 56 und 60 Jahren, eine Invalidität mit nachfolgender Schädigung erleiden und eine Invaliditätspension erhalten, sogar geringfügige Verbesserungen erreichen konn­te. All das möchte ich nicht unter den Tisch fallen lassen, obwohl das sicherlich keine großen Summen sind.

All das ist der Ausdruck unserer Bemühungen um jene Menschen, die wir in unserer Diskussion als wichtige und schützenswerte Gruppen erachtet haben. Ich bitte, all das auch in der Debatte zur Pensionsreform nicht zu vergessen und nicht unter den Tisch fallen zu lassen.

Ich darf auch auf die Argumentation mit den Pensionisten hinweisen. 10 500 S beträgt die Steuerfreigrenze heute, 14 000 S wird sie in Zukunft betragen. Wir werden daher all jenen Pensionisten, die in diese Gruppe fallen – und das sind fast 850 000 der 1,7 Mil­lionen Pensionisten aus dem ASVG-Bereich –, sämtliche Steuerleistungen er­sparen. Das sind 200 000 Pensionisten mehr, um nicht falsch verstanden zu werden. Ich wie­derhole: 200 000 Pensionisten mehr.

Wenn man das gesamte System ansieht, dann stellt man fest: die untersten Pensionen erhalten die volle Inflationsabgeltung, und nicht, so wie bisher, nur Nettoanpassungen: im heurigen Jahr 0,5 Prozent, Ausgleichszulagenrichtsatzbezieher 1,6 Prozent, son­dern die unteren Pensionen erhalten so wie die Ausgleichszulagenrichtsatzbezieher die volle Anpassung, darüber hinaus zumindest bis zur ASVG-Höchstgrenze den Wert der Nettoanpassung.

Darüber hinaus gibt es auch die von den Sozialdemokraten geforderten Solidarbeiträ­ge, zwar nicht in 10-prozentiger Höhe, aber doch in einer Höhe, die spürbar ist. Daher kann man nicht sagen, dass die Bundesregierung nicht auf die Anregungen des Be­gutachtungsverfahrens eingegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube auch, dass es genau zu analysieren gilt, wie viele Menschen unter 1 000 € bekommen. Wie viele Menschen davon sind wirklich jene, die bereits Kollege Dobnigg angesprochen hat, Menschen, die ein Leben lang schwer und hart gearbeitet haben? Für mich – das sage ich auch gleich dazu – liegt die Grenze für „ein Leben lang“ schwer und hart Arbeitender bei 30 Beitragsjahren. Bei einem Menschen, der im Regelfall beim gesetzlichen Pensionsantrittsalter 45 Jahre lang gearbeitet hat, sind 30 Jahre voll gearbeitet zu haben und etwa 12 Versicherungs­jahre dazuzubekommen, eine typische Karriere eines österreichi­schen Bauarbeiters oder eines Hilfsarbeiters. Wenn Sie drei bis vier Monate sozusa­gen Winterarbeitsruhe dazurechnen, dann sehen Sie, dass das genau jene Menschen sind, die mit Hilfe dieser 10 Millionen € voll entschädigt werden.

Andere, die darunter liegen, haben entweder nur 5, 10 oder 15 Jahre lang gearbeitet, haben beispielsweise 6, 10 oder 15 Jahre lang in Österreich gearbeitet und dann etwa in Deutschland, in der Schweiz oder in anderen europäischen Ländern – und sie haben daher Doppelpensionen. Diesen sind, wie ich meine – wenn man eben die Doppelpen­sionen von 2 000 € oder 3 000 € zusammenrechnet –, sogar diese 3 oder 4 Prozent zumutbar. Nicht zumutbar hingegen sind sie für jene, die Einzelpensionen haben und die auch nicht in den Schutz des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Einzelbezieher kommen.

Ich glaube daher, dass wir uns auch nicht darüber zu unterhalten brauchen, dass eigentlich nicht mehr die Bezieher einer Ausgleichszulage die wirklich Armen in unserem Staat sind, sondern jene, die knapp darüber liegen, jene, die beispielsweise keine Be­freiung von der ORF-Gebühr haben, keine Befreiung von der Rezeptgebühr und auch keine Befreiung in Bezug auf Fahrtkosten.


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Für mich als Sozialpolitiker ist es daher wichtig, diesen Rahmen – ähnlich, wie mir das als Gesundheitsminister im Bereich der chronisch Kranken bei den Krankenversiche­rungen gelungen ist – mit etwa 30 Prozent mehr so abzudecken, dass es sozusagen bei der Schnittstellen-Problematik nicht zu einer sozialen Härte kommt.

Meine Damen und Herren! Sie alle sind eingeladen, bei der Harmonisierung mitzuar­beiten, um eben zwischen dem Ausgleichszulagenrichtsatz und der vollen Wirksamkeit in Bezug auf die Möglichkeit, mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz eine Befreiung in Anspruch zu nehmen, und dem Bereich knapp darüber sozial befriedigendere Lösun­gen zu finden, als es sie eben heute gibt.

Wir haben diesbezüglich viel Sommer- und Herbstarbeit vor uns, eine Arbeit, die wir selbstverständlich gerne leisten. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass mir die Sozial­partner versichert haben – ich darf Herrn Präsidenten Verzetnitsch ausdrücklich dafür danken –, daran voll mitwirken zu wollen. Präsident Verzetnitsch kann zwar zum Ge­spräch am nächsten Montag nicht persönlich kommen, aber ich verstehe durchaus, dass er an der Beerdigung des Sekretärs des steirischen Gewerkschaftsbundes, der ja sein persönlicher Freund ist, teilnehmen möchte. Präsident Verzetnitsch hat jedenfalls signalisiert, dass der Österreichische Gewerkschaftsbund bereit ist, an der Ausarbei­tung eines Pensionsmodells für Schwerarbeiter den Sommer hindurch mitzuarbeiten, sodass ein solches zum frühest möglichen Zeitpunkt in Kraft treten kann.

Ich komme aus dem Bezirk Spittal an der Drau, einem der größten „Baubezirke“ Öster­reichs, etwa mit der Firma STRABAG, die 56 000 Mitarbeiter und dort ihre Firmenzent­rale hat. Ich kenne also diese Problematik sehr genau. Ich werde jedenfalls diese Prob­leme zu lösen versuchen, und ich bin dankbar dafür, dass die Sozialpartner zu einer gemeinsamen Lösung bereit sind. Allerdings möchte ich schon hinzufügen, dass die Anliegen dieser Menschen 50 Jahre lang in der Zweiten Republik keiner Lösung zuge­führt wurden. Ich werde also sehr zufrieden sein, wenn es uns gelingt, das mit dem Jahre 2004 endlich zu lösen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dass es darüber hinaus auch gelungen ist, sowohl für die Familien als auch für den Konsumentenschutz deutliche Verbesserungen im Budget zu erzielen, sei nur am Rande erwähnt.

Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist erschöpft, ich möchte Sie hier nicht län­ger sozusagen in Ihren Sesseln festhalten, aber ich bin mir sicher, dass Ihnen Frau Staatssekretärin Haubner für diese Bereiche in der ihr zustehenden Redezeit ausführ­lich alle Vorteile der Budgets 2003 und 2004 erläutern wird. (Beifall bei den Freiheitli­chen und der ÖVP.)

19.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Broukal zu Wort gemeldet. Sie kennen die Geschäftsordnung, Herr Abge­ordneter. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


19.54

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Vizekanzler, ich möchte die friedliche Stimmung in keiner Weise stören, glaube aber zu wissen, was ich sage, wenn ich sa­ge, dass es nicht so ist, dass das SPÖ-Pensionsmodell vorgesehen hat, dass Frauen, deren aktives Einkommen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz lag, nur diesen ange­rechnet bekommen sollen.

Unser Vorschlag – ich bin mir ziemlich sicher, ihn gut zu kennen – war: Ausgleichszu­lagenrichtsatz plus die Höhe des Kindergeldes.


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Das nur, damit sich dieser falsche Eindruck bei Ihnen nicht festfrisst. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Redezeit: wunschgemäß 4 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


19.55

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staats­sekretärin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Natürlich ist jeder Parlamentarier von seiner Herkunft geprägt. Natürlich sind Weltanschauung, Ideologie und Sozialkul­tur etwas, was jeder mitbringt, aber ich denke dennoch, dass ein Parlamentarier mehr auf das Gemeinwohl und mehr auf den Staat, mehr auf die Bürger als auf seine eigene Ideologie zu schauen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn ich mir diese Debatte anhöre, wenn ich mir den ersten Debattenbeitrag hiezu vor Augen halte, dann muss ich sagen: Ich bin bestürzt! Ich bin bestürzt darüber, wie die Sozialsprecherin der angeblich sozial kompetenten Partei SPÖ hier heraus geht und zur Sache selbst absolut nichts sagt – aber folgende Worte verwendet: Schämen Sie sich!, Schande, zynisch, Verachtung, Raubzug, existenzbedrohend, Ungerechtigkeit, Pensionskürzungsprogramm, Abkassierer, Kälte, Armutszeugnis und so weiter! – Mei­ne Damen und Herren, das ist doch bitte keine Redekultur! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nicht genug damit, habe ich heute ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Steibl! Telefonieren im Plenum ist nicht gestattet! (Rufe bei der SPÖ: 100 €! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Abgeordneter Karl Donabauer (fortsetzend): ..., und zwar um 12.30 Uhr, eine Mittei­lung folgenden Inhalts erhalten – vielleicht haben auch andere einen solchen Brief be­kommen –:

An Herrn Donabauer: Du bist das größte asoziale Schwein in Österreich! (Zwischenru­fe bei der SPÖ.)

Das nächste Schimpfwort, das in diesem Brief steht, kann ich nicht einmal ausspre­chen; das verbietet mir meine Kultur, meine gute Kinderstube und Erziehung.

Daraufhin habe ich diesen Mann angerufen und gefragt: Warum sind Sie so erregt? – Und dieser Mann hat mir dann gesagt, wir seien unsozial, schlimm – und noch viel mehr. – Darauf ich: Wer sagt Ihnen denn das alles? – Jetzt wörtliches Zitat dieses Mannes:

Meine Betriebsräte in Linz sagen: Wenn wir uns nicht rühren – dieser Mann ist 50 Jahre alt –, dann werden wir einmal keine Pension haben, denn die Schüssel-Partei und die Freiheitlichen werden uns alles wegnehmen!

Dieser Mann war erbost, erregt – und ich verstehe das jetzt.

Meine Damen und Herren, das kann doch nicht Ihr Engagement, das kann doch nicht Ihre Politik sein, dass Sie Leute völlig eindimensional verhetzen und fanatisieren! – Dieser Mann war nachher sogar dankbar für das Gespräch, das ich etwa eine halbe Stunde lang mit ihm geführt habe, und er meinte dann: Warum redet man denn mit mir nicht offen und ehrlich?! – Ich habe ihm gesagt, dass wir sehr wohl Maßnahmen setzen müssen, damit wir die Pensionen auch für die Zukunft sichern können – und darum geht es doch.

Ich bitte Sie, ich lade Sie ein: Hören Sie doch endlich auf mit dieser einseitigen Propa­ganda! (Abg. Öllinger: Bitte, Kollege, beruhigen Sie sich doch!) Hören Sie doch end-


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lich auf mit diesen Beschimpfungen, mit diesem Ausgrenzen! Fangen Sie endlich ein­mal an, in der Sache mitzuarbeiten, so, wie es ja Herr Öllinger ganz gut macht. Wenn ich mir seinen Entschließungsantrag von gestern anschaue, dann muss ich sagen: Da waren einige Dinge dabei, über die man ruhig reden kann, Herr Öllinger; Sie machen das jedenfalls besser als die SPÖ. (Abg. Verzetnitsch:Format“! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mag. Prammer hält einen Artikel der Zeitschrift „FORMAT“ in die Höhe mit der Überschrift: „Österreicher haben die kleinste Pen­sion“. – Der Redner hält ein ganzseitiges Inserat des ÖGB aus der „Kronen Zeitung“ in die Höhe, in dem die Namensliste der Abgeordneten mit ihrem Abstimmungsverhalten beim Be­schluss über die Pensionsreform wiedergegeben ist.)

Herr Präsident Verzetnitsch, ich bedanke mich sehr herzlich für diese Wahlwerbung, die Sie mir angedeihen lassen, frage mich allerdings, ob das Ihre Gewerkschaftsmit­glieder wirklich so wollen. (Rufe bei der SPÖ: „FORMAT“! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich frage mich, ob diese ihre Beiträge hier nutzbringend verwendet sehen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bekenne mich dazu, dass ich in diesem Inserat auf der linken Seite stehe, und zwar stehe ich bei jenen, die Mut zur Sache haben – und nicht auf der Seite jener, die immer noch die angenehme Unwahrheit sagen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich meine, es ist höchste Zeit, dass wir diese Sozialdiskussion ins rechte Lot bringen, dass wir von dem reden, worum es geht, und dass wir den Menschen sagen, wo wir in Wahrheit stehen.

In unserem Land machen die Sozialausgaben etwa 29 Prozent des Bruttoinlandspro­duktes aus, ein Wert, für den sich niemand zu schämen braucht – und schon gar nicht diese Bundesregierung!

Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, hätten die Pflicht, Ihre Aufgabe genau in dieser Richtung zu sehen und sich hier einzubringen für eine vernünftige, für eine gute Weiterentwicklung in unserem Lande: zum Wohle aller Bürger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. Wunschgemäß wird eine Redezeit von 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


20.00

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Erlauben Sie auch mir eine kurze Vorbemer­kung zu dem, was heute hier schon für Emotionen gesorgt hat. Ich verhehle nicht, dass es bei mir eine gewisse Emotion auslöst, hier zu stehen und zu wissen, dass es mög­lich ist, in diesem Hohen Haus eine tatsächliche Berichtigung vorzunehmen, in der un­ter dem Titel: „Es ist unrichtig, dass ...“ erst recht wieder etwas behauptet wird, was nachweislich unrichtig ist, und dass das Präsidium und die Geschäftsordnung offen­sichtlich keine Möglichkeit kennen, dagegen aufzutreten.

Wenn wir über soziale Sicherheit sprechen, dann möchte ich ganz gewiss nicht zu einem Ausspielen einer Bevölkerungsgruppe gegen eine andere beitragen. Ich glaube, dass wir ganz besondere Verantwortung haben – angesichts der Geschichte Öster­reichs im letzten Jahrhundert –, insbesondere Angehörige der jüdischen Kultusge­meinde nicht gegen andere Gruppen auszuspielen, und appelliere daher an Sie, Herr Abgeordneter Scheuch, sich zu entschuldigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Wenn wir unter diesem Tagesordnungspunkt über Armut sprechen, dann muss ich sagen, ich halte es generell für eine Schande, dass in einem so reichen Land wie Ös­terreich so viele Menschen an der Armutsgrenze und darunter leben und dass dazu


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viele Frauen, viele Bergbauern und viele andere Bevölkerungsgruppen gehören. Ich glaube aber nicht, dass diese Armut zum Anlass genommen werden kann, um gegen die Finanzierung und gegen die Verhinderung der drohenden Verarmung der Kultus­gemeinde zu reden, und ich ersuche Sie daher, Herr Abgeordneter Scheuch, sich zu entschuldigen. (Abg. Wittauer: Noch einmal!)

Wenn wir über Generationen sprechen, dann glaube ich, dass wir gerade in Österreich mit vorangegangenen Generationen, mit unserer Verantwortung für die Geschichte und unserer Verantwortung für die Aufarbeitung dieser Geschichte in der heutigen Genera­tion und mit der Rechenschaft dafür, wie wir damit umgegangen sind, gegenüber ande­ren und kommenden Generationen sehr genau umgehen müssen, und möchte daher nicht haben, dass hier Schlampigkeiten, Missverständnisse oder Schlimmeres entste­hen, und ich ersuche Sie daher besonders eindringlich, Herr Abgeordneter Scheuch, sich für Ihre Äußerung zu entschuldigen.

Zum Bereich soziale Sicherheit geht von dieser Regierung manchmal ein merkwürdi­ges Verständnis aus. Soziale Sicherheit ist offensichtlich etwas, was von der Regie­rung im Wesentlichen als Almosen vergeben wird und nicht als Rechtsanspruch auf Existenzsicherung in einer entwickelten Gesellschaft gelten kann. Wie sonst könnten wir uns erklären, dass in Österreich immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze rutschen, ja dass inzwischen sogar nicht einmal mehr Arbeit vor Armut schützt?

Herr Vizekanzler – oohps, weg ist er! Der Sozialbericht, der in Ihrem Haus erarbeitet wurde, stellt fest, dass wir inzwischen 57 000 Menschen in Österreich haben – im Jahr 2002 war das –, die, obwohl sie einer Vollbeschäftigung nachgehen, unter die Armutsgrenze fallen. Mit den dazugehörigen Familienangehörigen sind das 178 000 Menschen, von denen man sagen kann: Selbst Arbeit, selbst viel Arbeit schützt vor Armut nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und was macht die Regierung in einer solchen Situation? – Sie beschließt, die Not­standshilfe, die bislang ein Rechtsanspruch war, abzuschaffen. Ein Rechtsanspruch, der jenen, die in Arbeitslosigkeit stehen, eine Überbrückung bis zu einem hoffentlich bald zu findenden neuen Job gewährt, die Notstandhilfe, soll abgeschafft und in die Sozialhilfe übergeführt werden.

Da gibt es aber einen wesentlichen Unterschied, und zwar strukturell: Die Sozialhilfe ist etwas, worum man ansuchen muss – also wieder die Bittstellerei und der Gnadenakt, das Almosengeben durch den Staat –, und – Tücke im Detail, und das Detail ist sehr groß in diesem Fall – die Sozialhilfe ist eine Angelegenheit der Länder und Gemein­den, sie wird in unterschiedlichstem Ausmaß quer durch Österreich gewährt, und auf jeden Fall wird in den Gemeinden und in den Ländern in den nächsten Jahren nicht mehr Geld für Sozialhilfe zur Verfügung stehen.

Das heißt, der Bund entledigt sich der Aufgabe und finanziellen Verpflichtung, Not­standshilfe zu gewähren, und überträgt das den ebenfalls mittellosen Ländern und Gemeinden, die gar nicht die Absicht haben, die Sozialhilfe so substantiell aufzusto­cken, dass sie die Armut finanziell auch nur einigermaßen auffangen könnte. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn ich dann noch lese, dass auch die Mindestpension – was laut Ihrem Entschlie­ßungsantrag angeblich kommt – ebenfalls den Ländern und deren Sozialhilfe überant­wortet wird, dann kann ich mir schon vorstellen, was das für die Mindestpension heißt. Sie ist verschoben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag und wird sicher nicht gemeinsam mit einer Harmonisierung des Pensionssystems diskutiert werden können, die ich im Übrigen auch für noch lange nicht gegessen halte, wenn ich mir das so ansehe.


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Lassen Sie mich noch einen Hinweis auf die immerhin anwesende Staatssekretärin dieses Ressorts anbringen, die ja für einen Teilbereich verantwortlich ist und sich ins­besondere auch für die Männerberatung in Österreich stark machen will.

Frau Staatssekretärin Haubner! Ich würde Sie ersuchen, sich mindestens ebenso dringlich dafür einzusetzen, dass die Mittel, die dafür eingesetzt werden, nicht zu Las­ten anderer Beratungseinrichtungen für Frauen gehen, und vielleicht zu überlegen, ob es wirklich Aufgabe des Staates ist – wenn ich den spärlichen Informationen das ent­nehme, was Sie vorhaben –, de facto eine Partnerschaftsberatung beziehungsweise eine Trennungsberatung für Männer anzubieten, und ob es nicht für eine sinnvolle emanzipierende Männerberatung ganz andere, wichtigere und dringlichere Aufgaben zu bewältigen gäbe.

Ich möchte mit einem Appell schließen. Vizekanzler Haupt ist inzwischen zwar nicht mehr Frauenminister, aber soziale Sicherheit, Generationen und Dinge, die damit in Zusammenhang stehen – insbesondere die Armut –, können nicht losgekoppelt wer­den von einer geschlechterspezifischen Betrachtung. Ich darf die EU zitieren, die in einer Empfehlung an Österreich insbesondere diesem Ressort mitgibt, man möge ent­sprechende Zielvorgaben für eine Strategie zur Beseitigung der Ursachen des ge­schlechtsspezifischen Lohngefälles und des Kinderbetreuungsangebotes erarbeiten.

Ich lege Ihnen, Frau Staatssekretärin Haubner, und dem abwesenden Vizekanzler die­se Aufgaben ganz besonders dringlich ans Herz. (Beifall bei den Grünen.)

20.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Wunschgemäße Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.07

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Hohes Haus! Wir sprechen jetzt über den Verhandlungsgegenstand soziale Si­cherheit und Generationen. Damit ist auch der Zusammenhang im Kern getroffen – ein Zusammenhang, der in der Politik der vergangenen Jahrzehnte einfach zu kurz ge­kommen ist, sei es, weil Sie von der SPÖ ihn so nicht erkennen konnten oder weil Sie ihn nicht erkennen wollten.

Der Sozialstaat, wie wir ihn derzeit haben und wie wir ihn auch bewahren wollen, steht und fällt im Grunde mit dem Umlageverfahren – einem Umlageverfahren, das eben extrem krisensicher – dazu bekenne ich mich, jede andere Methode der Altersabsiche­rung kann nur kompensatorisch und nur zusätzlich sein –, aber extrem demographie­abhängig ist. (Abg. Dr. Trinkl: Das Kapital auch!) Auch, das ist auch demographieab­hängig, aber das Umlageverfahren ist es pur.

Wenn ich also einen Sozialstaat habe – und das betrifft nicht nur die Pensionssiche­rung, darüber haben wir uns jetzt zwei Tage lang hier im Parlament und viele Wochen vorher unterhalten, sondern das betrifft auch die Gesundheitsversorgung –, dann muss ich ganz genau darauf achten, dass mir die demographischen Grundlagen nicht da­vonschwimmen. Das heißt, ich darf nicht – und das waren Sie jahrzehntelang – auf jenem Auge blind sein, das auf die Demographie abgestellt ist.

Das ist auch etwas, was bei uns im Unterschied zu anderen Staaten passiert ist. Zum Beispiel hat Frankreich Anfang Mai eine neue familienpolitische Offensive vorgestellt mit dem erklärten Ziel, die Geburtenrate zu erhöhen. – Das ist etwas, was ganz prag­matisch jeder Staat machen müsste, der ein Sozialstaat sein muss.

Bei uns ist eigentlich das Gegenteil passiert. Man hat es schon lange kommen sehen können. Man hat auch reagiert, indem man sich gesagt hat: Fein, es gibt jetzt weniger Kinder, im Familienlastenausgleich bleibt uns eine Menge übrig! – Somit hat man zum


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Beispiel im Jahr 1978 das erste Mal, im Jahr 1981 das zweite Mal zugunsten der Pen­sionsversicherung die Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds redu­ziert. – Das ist ungefähr das Gegenteil von dem, was man als nachhaltige Politik be­zeichnen kann.

Indem man aus einem Niedergang, aus einer Schlechtentwicklung, quasi einen Vorteil lukriert, schafft man noch schlechtere Rahmenbedingungen, sodass es weiterhin zu derartigen Dingen kommen kann. Sonst gilt eigentlich immer das Prinzip: Jetzt ist mehr Geld da, jetzt können wir mehr ausgeben! – Da hat man das nicht gemacht, aber das hätte bereits ein Warnzeichen sein müssen. Sie von der SPÖ, die Sie sich die soziale Kompetenz immer wieder auf die Fahnen heften und ganz locker zuschreiben, Sie be­achten nicht die grundsätzlichen Prinzipien, was aber notwendig wäre, damit Sie sie dann auch ausüben können.

Es ist an und für sich hanebüchen und klar verständlich: Der Sozialstaat mit seinem Umlageverfahren ist schlicht und einfach das Prinzip des Generationenvertrags von der Familie auf die Gesamtgesellschaft erhoben. Jeder weiß, drei Kinder tun sich leich­ter damit, ihre alten Eltern zu erhalten, als ein Einzelkind, und das haben Sie einfach nicht und nicht berücksichtigt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie von der SPÖ haben nicht einmal reagiert, wohl wissend, dass es in 20, 30 Jahren soweit sein würde, wie es jetzt ist, geschweige denn, dass Sie versucht hätten, diese Entwicklung umzukehren, wie das eben andere Staaten machen. Und das war ein gro­ßes Versäumnis, auch in Hinsicht auf die Politik, die Sie machen wollen, nämlich den Sozialstaat zu bewahren; wenn es Ihnen schon nicht darum geht, die Bevölkerungs­entwicklung im Auge zu haben. Aber auch dafür war es falsch.

Ihnen, die Sie so gerne das Argument der sozialen Kälte anbringen, war es auch reich­lich gleichgültig, wenn im Zuge Ihrer Politik ganze Bevölkerungsgruppen ausgespart geblieben sind. Jeder weiß, in jedem Bericht steht es, und es ist auch eine Binsen­weisheit, es ist ganz klar, dass es so ist: Kinderreiche Familien sind ganz besonders von Armut betroffen! – Ganz klar, mit jedem Kind steigt die Verpflichtung. Jede Studie sagt es: Der größte Armutsfaktor in Österreich ist die Anzahl der Kinder in einer Fami­lie.

Das war Ihnen vollkommen gleichgültig. Gleichgültig war Ihnen auch die Altersarmut von Frauen, die vor allem jene Frauen getroffen hat, die sich mit der Erziehung der Kinder in die verzwickte Lage gebracht haben, nicht genügend Jahre aus der Erwerbs­tätigkeit lukrieren zu können. – Und das ist schon etwas, was diese Regierung ganz entschieden anders macht!

Die rein rationale Entscheidung getroffen zu haben, dass der Sozialstaat, soll er erhal­ten bleiben, endlich auf seine Demographieabhängigkeit Rücksicht nehmen muss, das heißt, dass bei allen Systemen auch der Demographiefaktor eingebaut werden muss, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich gebe zu, ich würde mir den großen Wurf wünschen, aber ich bin schon froh, wenn wenigstens Schritte in die richtige Richtung passieren.

Frau Staatssekretärin Haubner, Sie haben sich sehr darum bemüht – und auch Erfolg gehabt; dafür muss man Ihnen herzlich danken –, dass es Schritte in diese Richtung gibt, dass zum ersten Mal unter der schwarz-blauen Regierung Schüssel I in der Al­terssicherung die pensionsbegründende Anrechnung von Kindererziehungszeiten ge­leistet worden ist und dass sichergestellt ist, dass das jetzt ausgebaut wird. Es wird auch so sein, dass Teilzeit berücksichtigt werden wird.

Ich darf hier ankündigen, Frau Staatssekretärin, dass ich, so wie es im Harmonisie­rungspapier steht, Sie mit allen meinen Kräften unterstützen werde, damit Sie sich


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durchsetzen, wenn es darum geht, die Beitragsgrundlage der Kindererziehungszeiten so zu harmonisieren, dass sie die Höhe des Präsenzgeldes erreicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. Ge­wünschte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.13

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staats­sekretärin! Ich möchte meine Rede mit Auszügen aus einer Rede eines Mannes be­ginnen, den ich sehr schätze, und zwar deshalb sehr schätze, weil er eine sehr große soziale Kompetenz hat. (Abg. Dr. Trinkl: Der Bundeskanzler!) – Nein, das ist ein Irr­tum, ich werde Ihnen dann sagen, wen ich zitiere, Sie werden sich wundern.

„Die Privatisierungen der letzten Jahre haben bei weitem nicht überall Vorteile ge­bracht. Viele Menschen empfinden es heute so: Dienstleistungen – etwa der Post oder Eisenbahn – sind schlechter geworden, die Menschen unzufriedener, und zusätzlich gingen zehntausende Arbeitsplätze verloren.“

Der Redner geht dann noch auf Situationen in anderen Ländern ein, wo die Privatisie­rung weiter fortgeschritten ist. Ich zitiere weiter wörtlich:

„In Österreich leben wir längst nicht mehr auf einer Insel der Seligen. Vorbei sind die Zeiten, wo man uns international für die funktionierende Sozialpartnerschaft bewundert hat. Über 300 000 Arbeitslose im Winter und fast 250 000 im Jahresdurchschnitt sind zwar noch etwas weniger als der EU-Durchschnitt. Aber wir wissen, dass Österreich den Spitzenplatz verloren hat und seit 1999 eine fast Verdoppelung hinnehmen muss.“

Und weiters: „Wie sehen unsere Rezepte aus, hier für mehr Gerechtigkeit einzutreten? Wir sind immer noch das 9.reichste Land der Erde (gemessen am pro Kopf Einkom­men) – da müsste es doch möglich sein, dass niemand in echter Armut lebt. Caritas, Diakonie und andere soziale Organisationen verzeichnen aber eine rasante Zunahme der Armut in Österreich. 300 000 Menschen sind heute von echter Armut betroffen, mehr als jemals seit den 50er Jahren. Allein durch die Pensionsreform und die geplan­te Abschaffung der Notstandshilfe dürften es viel mehr werden. Es ist auch traurig, dass man bei den Abfederungen, die die Pensionsreform sozial erträglicher machen sollen, nur an die über 35jährigen und nicht auch an die Jugend denkt.“

Ich habe jetzt Herrn Bischof Maximilian Aichern aus seiner Rede zum Thema „Markt versus Sozialethik“ anlässlich der Reichsberger Pfingstgespräche 2003 zitiert. Ich glaube, darüber müssten Sie, sehr geschätzte Damen und Herren von den Regie­rungsparteien, auch nachdenken. Von meiner Warte aus ist dem nichts mehr hinzuzu­fügen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ebenfalls unter dem Kapitel sichere Pensionen, Fairness der Generationen, kein unge­deckter Scheck für die Zukunft, hat Bundesminister Grasser in seiner Budgetrede am 7. Mai 2003 festgestellt, dass zurzeit die nachhaltige Finanzierbarkeit der Krankenver­sicherung gefährdet sei. Es wird auch mit Selbstbehalten gedroht.

Sonst fällt aber dieser Bundesregierung nichts ein. Ganz im Gegenteil! Es werden noch weitere Maßnahmen wie zum Beispiel die Zweckbindung der Tabaksteuer für das Ge­sundheitswesen, für das Gesundheitssystem, gestrichen. Das bedeutet, dass der Kran­kenversicherung noch einmal zusätzlich 82 Millionen € weggenommen werden. Die reißt sich der Finanzminister fürs Budget unter den Nagel. So schaut es aus, meine Damen und Herren!


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Ich möchte abschließen und festhalten: Während die Regierungspropaganda noch von Entlastung und von einer nicht garantierten Steuersenkung spricht, rollt über dieses Land eine extreme Belastungswelle. Sie verschweigen nämlich, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dass Sie in den Jahren 2004 bis 2007 die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Pensionisten und Pensionistinnen kumuliert mit mehr als 2,5 Milliarden € belasten, gleichzeitig aber den Unternehmern, Freiberuf­lern und Frächtern – eingerechnet und gegengerechnet die Belastungen – mehr als 400 Millionen € zum Geschenk machen.

Das ist die größte Umverteilung von Beziehern von Klein-, Kleinst- und Mitteleinkom­men zugunsten von gut verdienenden Unternehmen, die jemals in diesem Land statt­gefunden hat. Herr Bundeskanzler Schüssel und Herr Finanzminister Grasser werden wohl als der größte Belastungskanzler und der größte Belastungsfinanzminister in die Geschichte der Zweiten Republik eingehen – und Sie, Herr Vizekanzler, spielen mit. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Marek. Wunschgemäß spricht sie 4 Minuten zu uns, und sie betritt das Red­nerpult mit einer Blume in der Hand.

 


20.18

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Frau Kollegin Mandak, ein kleiner Hinweis: Der Österreichische Familienbund ist ein unabhängiger gemeinnütziger Verein – und nicht der „ÖVP-Familienbund“. (Beifall bei der ÖVP.)

Dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade für Frauen die politische Heraus­forderung schlechthin ist und bleibt, ist wohl unumstritten. Realistisch gesehen wird der Löwenanteil der Familienarbeit wohl auch in Zukunft mehr oder weniger Frauensache sein. Umso mehr müssen wir daher an entsprechenden Rahmenbedingungen arbeiten, die gerade uns Frauen beides ohne permanenten Kraftaufwand ermöglichen: Beruf und Familie.

Neben entsprechenden Betreuungsangeboten für Kinder zwischen 0 und 15 bestim­men Organisation und Kultur innerhalb eines Unternehmens ganz wesentlich, ob Eltern als Mitarbeiter Verständnis für ihre Anliegen finden. Als Betriebsratsvorsitzende eines Unternehmens, das in diesem Bereich wirklich beispielgebend ist, weiß ich, wie es wirklich gut funktionieren kann. Immer mehr Firmen erkennen dies – Gott sei Dank! – und gelangen mehr und mehr zu der Überzeugung, dass es sich einfach auszahlt, hier etwas zu tun.

Ein wichtiges Tool, das diesen Unternehmen dabei hilft, innerbetriebliche Abläufe in Bezug auf Familienfreundlichkeit zu optimieren und Schwachstellen zu finden, ist das Audit „Familie und Beruf“, welches vor fünf Jahren vom damaligen Familienminister Martin Bartenstein in Österreich eingeführt wurde. Vorbild dafür war der amerikanische „family-friendly index“, der in den USA seit Jahren ein wichtiges Qualitätsmerkmal für Unternehmen ist. Seitdem haben sich mittlerweile 70 Unternehmen und Institutionen der unterschiedlichsten Branchen dem Audit unterzogen und die Zertifizierung erhal­ten.

Geringere Fluktuation, sinkende Krankenstände und eine deutlich höhere Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind wichtige betriebswirtschaftliche Größen, die auch ganz wesentlich für den Erfolg dieser Firmen sind. Professionelle Begleitung durch speziell ausgebildete Berater und Gutachter garantieren größtmögliche Objektivi­tät.


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Die Kosten für die Durchführung des Audits halten sich zwar in Grenzen, trotzdem er­stattet das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen je nach Fir­mengröße einen Großteil dieser Beträge. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist natürlich gerade für kleinere Firmen ein ganz wichtiger Aspekt, um sich über­haupt zur Teilnahme am Audit zu entschließen – und das Interesse unserer Wirtschaft ist groß. Deshalb bin ich sehr froh, dass auch in den kommenden Jahren entsprechen­de Mittel zur Verfügung stehen werden, die eine Weiterführung und Weiterentwicklung dieser wichtigen Maßnahme sicherstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dass dieses Thema auch in der Öffentlichkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, zeigt auch der mittlerweile sehr große Bekanntheitsgrad des Bundeswettbewerbs „Frauen- und familienfreundlichster Betrieb“, der, wie ich in aller Bescheidenheit sagen darf, ebenfalls die Handschrift der ÖVP trägt. Und auch diese österreichweite Aktion wird in den kommenden Jahren fortgeführt werden. (Abg. Brosz: Das ist keine unabhängi­ge ...!)

Meine Damen und Herren – vor allem die Herren! Familienarbeit ist natürlich nicht reine Frauensache – oder sollte es zumindest nicht sein. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir ÖVP-Frauen fordern und fördern aktive Väter, damit eine partnerschaftliche Tei­lung der Familienarbeit – durch Bewusstseinsbildung, und nicht per Gesetz – immer selbstverständlicher wird.

Vergangenen Sonntag war Vatertag. (Einige weibliche Abgeordnete der ÖVP verteilen an die männlichen Abgeordneten aller Fraktionen je eine mit orange-rotem Papier de­korierte Topfpflanze mit orange-roten Blüten.) Aus diesem Grund dürfen wir Ihnen, meine Herren, ein Pflänzchen überreichen, das Sie hegen und pflegen mögen und das Sie alle daran erinnern soll, wie wichtig Väter für ihre Kinder und ihre Rolle in der Fami­lie sind! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Danke schön. – Nächste Rednerin ist Frau Dr. Gabriela Moser, Abgeordnete der Grünen – das passt zur Blume! Ihre Redezeit beträgt wunsch­gemäß 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.23

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen von der ÖVP, lassen Sie sich beim Austeilen der Pflanzen nicht stören. So viel Grün-Rot habe ich schon lange nicht gesehen! Danke für dieses optische Bild! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ. – Abg. Amon: Grün-Rot wer­den Sie auch noch lange nicht sehen!) – Das bleibt dahingestellt. Heute ist das eine freundliche Geste, rein farblich. Danke noch einmal!

Sie kommen mit dieser Verteilaktion ja bereits in eine heute noch ganz am Rande ge­streifte Materie – Herr Minister, Sie haben dieses Thema nur kurz angesprochen, für mich ist es aber ein zentraler Punkt, und auch für die Frau Staatssekretärin –: die Fra­ge des Konsumentenschutzes. Herr Minister, Sie haben durchaus richtig festgehalten und das mit Recht auch auf Ihre Fahnen beziehungsweise auf die Fahnen der Frau Ministerin geheftet, dass das Konsumentenschutzbudget – und um dieses geht es ja – erstmals wirklich stattlich ausgefallen ist, erheblich erhöht worden ist, beträchtlich da­zugewonnen hat. Frau Ministerin, Sie haben eine gute Ausgangsbasis – rein finanziell.

 


Was dahinter steht und warum, das hat mich interessiert, und ...


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Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich bitte die Verteilaktion jetzt zu beenden! Es ist unfair gegenüber der Rednerin.

Bitte, Frau Abgeordnete, setzen Sie fort!

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. Ihre Fairness kenne ich in diesem Ausmaß noch gar nicht, aber danke schön! (Rufe der Missbilligung bei der ÖVP.) Nun ja, man lernt immer neue Facetten kennen! (Abg. Steibl: Das stimmt nicht! Das ist nicht fair gewesen! – Ruf bei der ÖVP: Das war nicht die feine Klinge!)

Gut, ich war ja gerade beim Positiven, dem rein budgetären Ansatz für den Bereich Konsumentenschutz. Der Hintergrund der Tatsache, dass dieses Budget jetzt auf ein­mal immerhin über 3 Milliarden € ausmacht – oder waren es Millionen?, Entschuldi­gung, ich korrigiere mich: über 3 Millionen € –, ist ja ein ganz simpler: Glücklicherwei­se, im Hinblick auf die Finanzmittel, ist der Konsumentenschutz jetzt im Sozialressort angesiedelt. Ich glaube, das ist die zehnte Station innerhalb des ganzen Wanderzirkus, den der Bereich Konsumentenschutz bis jetzt durchlaufen hat: Einmal war es die Ge­sundheitspolitik mit dem Konsumentenschutz kombiniert, einmal war es die Justizpoli­tik, zwischendurch war er in anderen Ressorts angesiedelt, unter anderem auch einmal beim Wirtschaftsressort et cetera.

Im Sozialressort ist der Konsumentenschutz ein kleiner Sektor, eine kleine Sektion. Das Sozialressort hat insgesamt viele Mittel, und insofern – das war meine Erklärung für diese Geldvermehrung – war es im Sozialressort leichter, erhöhte Mittel für den Konsumentenschutz zu bekommen, als in den vorhergehenden Ressorts, wo von vornherein die Ausgangsbasis des Gesamtressorts niedriger war. Daher mein Glück­wunsch dazu, dass diese Ressortverteilung zu einer Geldvermehrung geführt hat! (Hei­terkeit der Staatssekretärin Haubner.)

Nun, aber meine Frage war ja: Was machen Sie, Frau Staatssekretärin, aus dieser günstigen Ausgangsbasis? Wie schauen Ihre ersten Tage – ich glaube, 120 Tage sind es bis jetzt, nicht wahr? – in Sachen Konsumentenschutz aus?

Bis jetzt sind Sie für mich konsumentenschutzpolitisch ein leeres Blatt, eine reine Bud­getzahl. (Abg. Rossmann: Lesen Sie die Biographie!) – Ich sagte: Bis jetzt! Ich stelle das nur ganz nüchtern fest. Ich bin ja neugierig, was auf diesem Blatt innerhalb der nächsten 100, 200 Tage dann zu lesen sein wird, Frau Staatssekretärin! (Abg. Ross­mann: Lesen Sie die Biographie nach!)

Sie waren ja bis jetzt in konsumentenfremden Bereichen beschäftigt, Sie waren ja ständig mit Feuerwehraktionen, Feuerlöschaktionen, irgendwelchen Verhandlungs- (Abg. Wittauer: Wo denn?) oder Vermittlungsaktionen zwischen Klagenfurt und Wien – ich weiß nicht, zwischen Herrn Kollegen Scheuch und Herrn Minister Haupt oder zwi­schen sonstigen Parteien – voll ausgelastet, denke ich. (Abg. Wittauer: Das nächste Mal werden wir Sie fragen, was wir zu tun haben! So weit kommen wir noch!) Sie konn­ten wahrscheinlich für den Konsumentenschutz keine Minute erübrigen, und dement­sprechend sieht auch die Latte an Problemen aus! – Ich gehe jetzt weg vom rein Bud­getären und gehe zum Inhaltlichen, zum Problemhorizont über:

Frau Ministerin, Sie übernehmen einen Bereich, der dringend – dringend! – im Hinblick auf mehr Information für die KonsumentInnen verbessert werden muss. Sie brauchen bessere Informationsorgane, Sie brauchen bessere Möglichkeiten der Kenntnisvermitt­lung, und Sie brauchen vor allem endlich eine Konsumentenorganisation in Form des VKI, der eine Perspektive entwickeln kann, der finanziell einen Horizont vor sich sieht, sodass er sich ausdehnen, verbreitern, vertiefen, vermehren kann! – Diese Chance müssen Sie jetzt auf der einen Seite wahrnehmen.


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Sie brauchen auf der anderen Seite verstärkt Wirkungsmöglichkeiten im Parlament, denn probieren Sie es einmal aus – so wie ich –, gehen Sie in acht Ausschüsse! Das ist eine reine Querschnittsmaterie. In acht Ausschüssen spielen sich die konsumenten­schutzpolitischen Tatsachen ab!

Gehen Sie hinüber ins Wirtschaftsressort, dort haben Sie die Produktkennzeichnung, dort haben Sie die Preisauszeichnung. Das sind wichtige Elemente, dort müssen Sie sich einmischen! – Bis jetzt habe ich davon nichts gesehen. Ich sage es Ihnen nur, das sind heiße Eisen, die endlich angegriffen werden müssen.

Sie müssen auch hinüber ins Gesundheitsressort, dort ist die Lebensmittelsicherheit, ein wesentlicher Aspekt der Lebensmittelkontrolle angesiedelt – und die haben zu we­nig Geld! (Abg. Wittauer: Die Lebensmittelsicherheit ist gut geregelt!)

Oder: Gehen Sie zur Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Dort wird groß umstrukturiert, und die Mittel sind hinten und vorne zu wenig. – Hier geht es um ein zentrales konsumentenschutzpolitisches Anliegen, für das Sie sich sozusagen erwär­men müssen, wo Sie sich einbringen müssen!

Setzen Sie sich auch im Parlament selbst dafür ein, dass diese Agenden ein breiteres Sprachrohr bekommen! Sorgen Sie dafür, dass wir einen Beirat einrichten, einen Bei­rat, der auch im Parlament tätig wird, damit das Anliegen mehr Gewicht erhält. Sie wis­sen ja wahrscheinlich genauso wie ich: Im Endeffekt heißt es nicht nur ganz banal, dass jede und jeder Konsument ist, sondern am Ende haben es die KonsumentInnen auch in der Hand, über ihre Kaufentscheidung sozialpolitische und wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen.

Diesen politischen Arm einer Konsumentenpolitik, den muss man entwickeln, forcieren und weitertreiben, denn wir können über unser Kaufverhalten – und das ist meine si­cherlich leicht utopistische Einstellung – auch wirtschaftspolitisch, auch gesellschafts­politisch wirksam werden. Und das wäre eine Perspektive, für die es sich lohnt, die erhöhten Mittel, über die Sie jetzt verfügen, offensiv einzusetzen.

Ich hoffe, Ihr Wirken geht in diese Richtung. Bis jetzt konnte ich nichts davon sehen. Sie waren mit Dingen beschäftigt, die wir teilweise als etwas betrachten, worüber ich keine Worte verlieren möchte.

Nützen Sie jetzt die Startbasis! Ich bin neugierig, was in den nächsten 120 Tagen ge­schehen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


20.30

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! In den letzten Tagen und auch heute haben die Abgeordneten von SPÖ und Grünen andauernd gebetsmühlenartig wiederholt, dass es durch das vor­liegende Doppelbudget Frauen und Familien in Zukunft schlechter gehen wird. Wahr ist aber, dass in diesem Doppelbudget umfassende Maßnahmen für Frauen und insbe­sondere für Familien enthalten sind. (Abg. Mag. Wurm: Schlechte Maßnahmen!)

Seit die Freiheitlichen in der Regierung sind, ist es endlich möglich, dass Kindererzie­hung auch als Arbeitsleistung anerkannt wird. Erstmals werden die Familienpflege, die Hausarbeit wirklich anerkannt – das ist eine Arbeit, die von Frauen in sieben Milliarden Stunden pro Jahr unbezahlt durchgeführt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Freiheitliche Politik für Frauen und Familie basiert auf Chancengleichheit und auf Wahl­freiheit – auf einer Wahlfreiheit für alle Frauen, egal, ob sie im Erwerbsleben stehen, ob sie Bäuerinnen sind, ob sie Hausfrauen sind, ob sie Studentinnen oder Schülerin­nen sind. Diese Politik ist auch sehr erfolgreich, und das spiegelt sich auch in der Ak­zeptanz wider, etwa darin, dass das Kinderbetreuungsgeld sehr gut angenommen wurde. (Ruf bei der SPÖ: No na!) Durch dieses Kinderbetreuungsgeld hat Österreich europaweit eine Führungsrolle als modernes und zukunftsorientiertes Familienland.

Im Jahr 2002 haben über 100 000 Bezieherinnen das Kindergeld erhalten, und was noch viel schöner ist: Über 11 000 Studentinnen, Hausfrauen und Bäuerinnen haben das Kindergeld bezogen – Geld, das sie unter der Frauenministerin nie bekommen hätten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch die Begünstigung für die Mehrlingsgeburten wurde diesen Mittwoch im Ministerrat beschlossen, sodass für Mehrlinge, für Zwillinge und Drillinge, ein um 50 Prozent er­höhtes Kindergeld bezahlt wird und damit jede Familie mit Mehrlingskindern zusätzlich zu den 436 € noch 218 € für Mehrlinge bekommt.

Ein großes Anliegen ist uns die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und daher begrü­ßen wir das Auditierungsverfahren „Familie und Beruf“, das von Sozialminister Herbert Haupt ins Leben gerufen worden ist, ganz besonders. Dabei werden in den Firmen Arbeitszeiten, Arbeitsabläufe und auch das Service für Familien genau durchleuchtet und Berater- und externe Begutachtungskosten vom Bund übernommen und gefördert.

Dabei wird das Problem der Vereinbarkeit endlich einmal an der Wurzel gepackt, wo­durch sowohl ein Vorteil für die Familien, weil damit Kindererziehung und Job besser gemanagt werden können, aber auch Vorteile für die Unternehmen entstehen. Das bietet wirklich Anreize für Familien, damit eine familienfreundliche Arbeitswelt entste­hen kann, und das führt dann – rein durch die Schaffung von Anreizen für die Firmen – auch zu einem durchschlagenden Erfolg im Sinne einer wirklichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorwürfe einer schlechten Familienpolitik entbehren jeglicher Grundlage. Ich könnte Ihnen jetzt einen ganzen Katalog von erfolg­reichen Maßnahmen aufzählen, nur würde das den Rahmen meiner Redezeit spren­gen.

Ich rufe nur in Erinnerung, dass erstmals die pensionsbegründende Anrechnung von Kindererziehungszeiten möglich ist, dass das Pflegegeld ab der Geburt eines behinder­ten Kindes zur Verfügung steht und dass es möglich ist, Familienhospizkarenz für die Begleitung von Angehörigen und von schwerst erkrankten Kindern in Anspruch zu nehmen und dabei gleichzeitig kranken- und pensionsversichert zu sein. In Zukunft werden die pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate er­höht, was wiederum einen weiteren Schritt in Richtung Absicherung und Eigenversor­gung der Frauen im Alter bedeutet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Besserstellung von Frauen und insbesondere von Familien ist uns ein großes Anliegen, und ich bin sicher, dass das Budget für Fami­lien bei Staatssekretärin Ursula Haubner in äußerst verantwortungsbewussten Händen liegt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Wittauer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Riepl –: Jetzt wird die Rede zum vierten Mal wiederholt!)

 



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20.35

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ich darf mich zunächst einmal im Namen meiner Fraktion und in meinem eigenen Namen bei den Damen recht herzlich für die Blumen bedanken! (Beifall bei SPÖ und ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich darf darauf hinweisen, dass das, wie ich in Erfahrung gebracht habe, Mittagsgold- Pflanzen sind, die leider nur einjährig sind. Aber das macht nichts – ein Jahr Freude reicht auch! (Abg. Dr. Brinek: Nächstes Jahr kommen wir wieder! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Aber was in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch wichtig ist: Sie brauchen viel Sonne – und ich denke, viel Sonne braucht auch die Sozialpolitik in unserem Land, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP.)

Die österreichische Sozialversicherung, mit der ich mich in meinem Redebeitrag be­schäftigen möchte, ist die wichtigste Grundlage für die soziale Sicherheit in unserem Land, in unserer Gesellschaft, und in der Sozialversicherung kommt natürlich den Krankenkassen eine wichtige – ich möchte sogar sagen: eine besondere – Rolle zu. Die Selbstverwaltung hat sich in den Gebietskrankenkassen und in den anderen Kran­kenkassen sehr bewährt, und meiner Auffassung nach gebührt den Krankenkassen auch das Recht auf Unterstützung durch die Politik.

Ich möchte im Folgenden anhand von drei Beispielen vor Augen führen, wie diese Un­terstützung der Politik gegenüber den Krankenkassen in der Vergangenheit ausgese­hen hat. Manchmal habe ich mir in der letzten Zeit gedacht, sie könnte größer sein, manchmal habe ich sie überhaupt vermisst.

Erstes Beispiel: Man hat in den letzten Monaten oder Jahren die Krankenkassen durch neue Aufgaben, ich möchte sagen, belastet, gleichzeitig aber auch ihre Einnahmen dadurch verringert, dass man zum Beispiel Beiträge reduziert hat und Ähnliches mehr. (Abg. Wittauer: Ihr wollt Beitragserhöhungen! Dagegen sind wir! Beitragserhöhungen wird es unter dieser Regierung nicht geben!) In einer Anfragebeantwortung wird diese Belastung vom Gesundheitsressort der jetzigen Regierung mit 141,5 Millionen €, also fast 2 Milliarden Schilling, beziffert – also nicht wenig.

Zweites Beispiel: Die Schulden der Arbeitgeber bei den Gebietskrankenkassen haben in unserer Republik einen Höchststand erreicht. Sie waren noch nie so hoch wie der­zeit: über 11 Milliarden Schilling – ich drücke es noch in Schilling aus. Hier kann ich keine Unterstützung der Kassen von Seiten der Politik erkennen, nämlich dahin ge­hend, dass man mithelfen würde, die Arbeitgebermoral auf ein Niveau zu bringen, auf das sie gehört, sodass die Schulden sinken. Es wird einfach zugeschaut. Handeln wä­re in diesem Bereich dringend notwendig!

Drittes Beispiel: Zugeschaut wird auch bei der Zunahme der organisierten Formen der illegalen Beschäftigung durch Unternehmer. (Abg. Wittauer: Da gibt es eine eigene Eingreiftruppe, die sehr erfolgreich ist! Das ist vom Finanzministerium ...! Das ist eine sehr erfolgreiche Truppe!) Es gibt keine Initiativen gegen organisierte Schwarzbeschäf­tigung und Sozialbetrug. Die Vorschläge der Sozialdemokraten zu diesem Thema wer­den nicht aufgegriffen. Viele Millionen an Beiträgen gehen der Sozialversicherung da­durch verloren. Ich meine, dass auch nichts zu tun und nicht zu handeln in dieser Frage eine Begünstigung sein können.

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Regierung hungert somit die Krankenkassen in gewisser Weise aus. Vielleicht sagt sie später: Schaut doch, wie die abgewirtschaftet haben!, und begründet damit dann die eine oder andere organisatorische Verände­rung.


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Die Lösung für diese Probleme wird uns mit diesem Budget und mit den derzeitigen Diskussionen im Bereich der Selbstbehalte angeboten. (Abg. Wittauer: Die habt ja ihr eingeführt! 16 verschiedene Selbstbehalte!) Herr Abgeordneter Fasslabend hat heute in seinem Diskussionsbeitrag die Frage gestellt, was an Selbstbehalten schlecht sei. – Es gibt viele Gründe und viele Argumente dazu, ich möchte nur eines erwähnen (Abg. Wittauer: Die meisten Selbstbehalte habt ja ihr eingeführt, die Sozialdemokraten!): Selbstbehalte treffen meiner Meinung nach jene, denen es nicht gut geht, zusätzlich, und führen sicher auch dazu, dass einige auf den Arztbesuch verzichten werden. Das Pulver aus der Apotheke ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Ihre 4 Minuten freiwillige Redezeit sind vorbei. Wenn Sie weitersprechen, dann kommt Ihr letzter Redner nicht mehr zu Wort. (Abg. Wittauer: Ja, das ist unfair!)

 


Abgeordneter Franz Riepl (fortsetzend): Das Pulver aus der Apotheke ist billiger als der Selbstbehalt. Daher, so denke ich, ist der Weg, Selbstbehalte einzuführen, in die­ser Frage nicht der richtige. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.40

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. Als Re­dezeit wurden wunschgemäß 3 Minuten eingestellt. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


20.40

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssek­retärin! Meine Damen und Herren! Ich darf mich namens der ÖVP-Fraktion für die Initi­ative und die Blumen von unseren Kolleginnen bedanken!

Lieber Kollege Riepl, Sie machen sich Sorgen um die Sonne für die Sozialpolitik. Dank der Arbeit der ÖVP, der FPÖ und der Bundesregierung werden nicht nur die Blumen gut versorgt, sondern es ist auch Wärme in unserer Sozialpolitik, und das ist gut für die Menschen in unserem Lande. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Familienpolitik ist zweifelsohne ein Herzstück der Politik unserer Bundesregierung. Noch nie hat eine Bundesregierung so viel für die Kinder und Familien getan. Die Zah­len des Doppelbudgets 2003 und 2004 unterstreichen dies und setzen die kinder- und familienfreundliche Politik unserer Bundesregierung konsequent fort. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Bundesregierung hat mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes tatsächlich Wahlfreiheit für die Familien geschaffen, und wir haben damit jene, die früher beim Karenzgeld teilweise oder ganz herausgefallen sind, nämlich Bäuerinnen, Selbständi­ge, Hausfrauen, Schülerinnen und Studentinnen ins Boot geholt. Meine Damen und Herren, das ist soziale Gerechtigkeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.) Der Bezieherkreis hat sich allein im heurigen Jahr um rund 17 000 Perso­nen erhöht.

Auch die Heimfahrtsbeihilfe für Internatsschüler und Lehrlinge ist für junge Menschen vor allem im ländlichen Raum sehr wertvoll. Die Familienbeihilfe wurde erhöht, und demnächst wird auch das Kinderbetreuungsgeld für Mehrlingsgeburten um 218 € pro Monat steigen. Wir sichern mit dem Budget die Hilfestellung für Eltern von behinderten Kindern ab der Geburt des Kindes. Die Familienhospizkarenz und die Übernahme von Pensionsversicherungsbeiträgen für Personen, die Familienangehörige pflegen, un­terstreichen unsere soziale Kompetenz.

Mit der Erhöhung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten für alle Geburten ab 1. Jänner 2002 von 18 auf 24 Monate und der Ausdehnung im Durchrechnungszeit­raum auf volle drei Jahre setzten wir mit der gestrigen Pensionssicherungsreform un-


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seren konsequenten Weg fort. Das monotone Gejammere der Oppositionsparteien stellt die Richtigkeit unserer Maßnahmen bestens unter Beweis. Meine Damen und Herren! Im Einsatz für unsere Kinder und die Familien wird uns niemand überbieten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Als Re­dezeit wurden wunschgemäß 5 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.43

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Bereits in der heutigen Debatte über die Finanzierbarkeit der Israelitischen Kultusgemeinde – und das gilt auch für das Kapitel soziale Sicherheit und Generationen, bei dessen Erörterung wir jetzt sind – hat sich gezeigt, dass die Frage der Finanzierbarkeit offenbar nicht nur eine der finanziellen Ressourcen ist, son­dern sehr wohl auch eine der politischen Gewichtung.

Ich komme damit auf ein Thema zurück, das wir im Hohen Haus schon mehrmals dis­kutiert haben, nämlich die Änderung des Bundes-Jugendförderungsgesetzes und die daraus folgende sehr üppige Ausstattung des Österreichischen Pennälerrings. – Kolle­ge Scheuch ist jetzt nicht im Saal, dabei wäre eine Diskussion mit ihm, wofür es mehr Geld gibt, ganz interessant. Vielleicht findet er ja auch Anregungen, woher man Geld für die Bergbauern bekommen könnte.

Faktum ist, dass es seit der Änderung des Bundes-Jugendförderungsgesetzes möglich geworden ist, dass der Pennälerring ebenfalls zu recht üppigen Förderungen kommt, und ich möchte das noch einmal in Erinnerung rufen. Es geht mir dabei nicht darum, dass man nur die bislang bestehenden Gruppen weiter fördern hätte sollen. Zielset­zung des Jugendförderungsgesetzes ist jedoch, dass die Förderung zur Bereitschaft junger Menschen zu Toleranz, Verständigung, friedlichem Zusammenleben sowie zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses im innerstaatlichen wie im internationa­len Bereich beitragen soll.

Wenn man sich hingegen anschaut, welche politischen Tätigkeiten dieser Pennälerring entwickelt, dann frage ich mich, ob das auch nur in irgendeiner Form in Übereinstim­mung mit der Zielsetzung dieses Gesetzes steht. Ich zitiere aus der Zeitungsaus­gabe 2/2001, in der sie zu einem Begrüßungsabend einladen, auf dem der berühmte deut­sche Jagdflieger Walter Nowotny (258 bestätigte Abschüsse!) im Mittelpunkt stehen wird. Sein Bruder wird uns dabei mit Dias und seinen lebendigen Erzählungen Einbli­cke in die damalige Zeit geben. Und dann der bemerkenswerte Untertitel – ich zitiere –:

Wir haben diesen Abend bewusst unter den Titel „Zeitgeschichte anders“ gestellt. Für „politisch korrekte“ Personen ist dieser Vortrag eher nicht geeignet. – Zitatende.

Diese Publikation und der Österreichische Pennälerring werden aus den Mitteln des Sozialministeriums, aus den Mitteln der Bundes-Jugendförderung gefördert. Ich finde das gerade an einem Tag höchst bemerkenswert, an dem wir darüber diskutieren, dass die Israelitische Kultusgemeinde de facto einige ihrer zentralen Tätigkeiten aus finanziellem Ressourcenmangel nicht mehr aufrecht erhalten kann, dass so etwas nach wie vor in Österreich gefördert wird. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPÖ.)

Aber – ah, der Herr Minister ist auch wieder gekommen – es ist auch kein Wunder, dass diese Förderung bei der FPÖ auf Zustimmung stößt. (Abg. Steibl: Er war immer da!) Man braucht in den Publikationen nur weiterzulesen. Da wird nämlich explizit dar­auf Bezug genommen, dass es nur durch die FPÖ möglich geworden ist, dass es diese


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Förderungen für den Pennälerring jetzt gibt, und es wird auch einem Mann herzlich gedankt, der dafür hauptverantwortlich ist, und zwar einem gewissen Volker Knestel, der in der FPÖ-Fraktion wahrscheinlich ebenfalls bekannt sein wird, und der – ich zitie­re –:

„ ... in ständiger Berührung mit diversen politischen Größen steht und immer die Augen und Ohren offen gehalten hat, seine Finger am Puls des Zeitgeschehens hielt ...“ und es so ermöglichte, dass die Gelder eben auch dem Pennälerring zugeflossen sind.

Wenn man weiterschaut, wer denn der Volker Knestel ist, dann braucht man nur zum Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender zu schauen. Dort findet man ihn als Referent und zuständig für die Parlamentskoordination, und wenn man Herrn Kollegen Hofmann ein E-Mail schicken will, dann schickt man es am besten gleich an Herrn Knestel, denn dort ist nämlich die E-Mail-Adresse des Herrn Abgeordneten Hofmann gelandet. Ein­deutigere Zusammenhänge als in diesem Fall gibt es wohl nicht mehr!

Man kann sich dann auch anschauen, was Herr Knestel, der im Übrigen stellvertreten­der Vorsitzender des Pennälerrings ist, an politischen Äußerungen von sich gibt, zum Beispiel zum Thema EU-Osterweiterung, was einer Regierungspartei gut ansteht. Oder man kann sich auch anschauen, wie überparteilich die politischen Ansprechpartner des Rings sind. Da gibt es laut Zeitungsausgabe 1/2002 den Burschentag in Oberöster­reich mit den Referenten Mag. Schender, interessanterweise Mag. Herbert Haupt – soweit ich weiß, Sozialminister und zuständig für die Jugendagenden –, oder daneben auch den Kommers mit den Herren Stadler, Mölzer und Landeshauptmann Haider, womit wohl bewiesen ist, dass es „kaum“ FPÖ-nahe Referenten gibt.

Faktum ist, dass die FPÖ sich hier wieder einmal sehr schön selbst mit Geldern – na ja, sagen wir nicht bereichert, sondern sich den Zugriff auf Gelder gesichert hat, und dass es einfach unzumutbar ist, dass rechtsextreme Organisationen in Österreich aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Amon: Dann wäre sie verboten!)

Daher bringe ich abschließend folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einstellung der Förde­rung aus der Bundes-Jugendförderung an den Österreichischen Pennälerring

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, dem österreichischen Pennälerring keine weiteren Förderungen zu genehmigen.“

*****

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPÖ.)

20.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Antrag des Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde betreffend Einstellung der Förderungen aus der Bundes-Jugendförderung an den Österreichischen Pennälerring ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhand­lung.

 


Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Wattaul für 5 Minuten zu Wort. – Herr Abgeordneter, bitte.


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20.49

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretär! Ich möchte mich vorerst auch für unsere Fraktion für den netten Blumenstrauß bedanken: Dankeschön! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe den ganzen Tag über genau beobachtet und mir die Beiträge bewusst ange­hört, die von der Sozialdemokratischen Partei gekommen sind, und ich muss ehrlich sagen: Ich bin schockiert! Ihr habt in eurem Parteinamen das Wort „Sozialdemokratie“, aber was da heute gekommen ist, das ist ein Wahnsinn. Für mich ist das wirklich scho­ckierend, und ich denke, ihr habt komplett aufgegeben. Es wird nur gefordert, gefor­dert. Das Grundprinzip, dass man nicht mehr ausgeben kann, als man einnimmt, das verstehen Sie einfach nicht. (Abg. Heinisch-Hosek: Und was verteilt dann Minister Haupt? – Abg. Mag. Hoscher: Abfangjäger!) Für mich haben Sie überhaupt jedes Recht, über Soziales auch nur zu sprechen, verloren.

Heute in der Früh habe ich Kollegen Gusenbauer zugehört. Ich kenne Gusenbauer, denn er ist ein Ybbser, und Ybbs ist fünf Kilometer von mir zuhause entfernt. Ich kenne ihn als jungen Mann; er ist mit meiner Schwester in Wieselburg in die Schule gegan­gen. Herr Gusenbauer hat in seinem Leben zwei Monate bei einer Firma gearbeitet, und zwar bei der Post in Wieselburg als Ferialpraktikant.

Unser Bürgermeister war zugleich Postmeister und auch ein Sozialdemokrat. Er hat mir erzählt, dass das Erste, was Herr Gusenbauer nach einer Woche gefordert hat, ein Moped war. Es war also ein Sozialdemokrat, der mir gesagt hat, dass er überhaupt nichts davon hält. (Abg. Mag. Hoscher: Ein Moped! Ungeheuerlich!) Und dann geht Herr Gusenbauer heute hierher und erzählt uns etwas über Wirtschaftspolitik, was wirklich schockierend ist. Das ist für mich wirklich das Letzte, was ich überhaupt jemals gehört habe! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt sage ich es: Ich hätte es sonst nicht gesagt, aber jetzt sage ich es euch! Der Bür­germeister hat zu mir gesagt: Der war sogar zum Zusammenkehren zu blöd! – Jetzt sage ich es!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Dieser Stil ist nicht der Stil des Hau­ses! Ich bitte Sie, das zurückzunehmen!

 


Abgeordneter Anton Wattaul (fortsetzend): Ich nehme es zurück, aber er hat es eben gesagt. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Herr Riepl meinte, Selbstbehalte seien schlecht. (Abg. Brosz: Für ein Moped?) Herr Riepl, ich frage Sie: Wie ist das jetzt bei den Österreichischen Bundesbahnen, bei der Sozialversicherung der Österreichischen Bundesbahnen? Ist das jetzt eine schlechte Sozialversicherung? Ich verstehe es einfach nicht, ihr widersprecht euch ständig. Ich komme nicht mehr mit. (Abg. Dr. Bauer: Das ist aber nicht unser Problem, sondern deines!) Die Argumentation ist echt ein Wahnsinn!

Und vielleicht noch einmal mein Lieblingsthema: Jährlich 7 Milliarden Schilling Zinsen zahlen wir in Österreich. (Abg. Reheis: Und da wollt ihr noch 2 Milliarden € für Ab­fangjäger ausgeben!) Weißt du, wo die 7 Milliarden Schilling hingehen? – Diese 7 Mil­liarden Schilling gehen wieder zu den Banken, fließen in das Kapital. Überlegt doch einmal, was man mit einer solchen Schuldenpolitik eigentlich verursacht! Das ist wirk­lich unsozial!

Und wir sagen, wir sollen für eine Pension ansparen. Was wird denn mit diesem Geld passieren? – Dieses Geld wird wahrscheinlich angelegt werden, und da können sich die Bürger, die ansparen, wenigstens wieder Geld von diesen Zinsen zurückholen. – So weit muss man denken, das muss man einmal begreifen! Es ist einfach ein Wahn­sinn, dass ihr die einfachsten Dinge nicht versteht. Ich bin wirklich so schockiert, und


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ich kann nur eines sagen: Ich bin froh, dass wir so einen Minister und so eine Staats­sekretärin haben, denn wenn der Gusenbauer in Österreich etwas zu reden hätte – nein, danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Dann gäbe es Mopeds statt Abfangjäger!)

20.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter, Sie kennen die Geschäftsordnung: 2 Minuten, zuerst der zu berich­tigende Sachverhalt und dann der richtige. – Bitte.

 


20.53

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Wattaul hat behauptet, dass ich im Zuge meiner außerordentlich erfolgreichen Feri­alpraxis am Postamt 3250 Wieselburg im Jahre 1978 als erste Forderung die nach einem Moped aufgestellt hätte. – Diese Behauptung ist schlicht unwahr, so wie auch alles andere, was Abgeordneter Wattaul in seinen Bemerkungen vorgebracht hat.

Im Übrigen bin ich der Meinung: Diese Art von Auseinandersetzung hat im Hohen Haus nichts verloren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der letzte Satz war nicht ganz geschäftsordnungskon­form, aber ich stimme Ihnen zu. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. 3 Minuten, Frau Abgeordne­te. Ihr Ordner hat ordnend eingegriffen.

 


20.54

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Dann muss ich jetzt schneller reden. Herr Kollege Wattaul, Gott sei Dank haben Sie die 5 Mi­nuten nicht ausgeschöpft, sondern Sie haben früher zu sprechen aufgehört und sind gegangen. Bitte kümmern Sie sich lieber um das Road-Pricing zum Beispiel oder um andere Dinge, aber für Sie als Frächter ist das wahrscheinlich schwieriger, als hier drei Minuten lang wirklich unsinniges Zeug daherzureden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das ist aber auch wieder nicht die feine Art!

 


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (fortsetzend): Das ist auch nicht ganz korrekt, Herr Präsident, das ist richtig!

Vizekanzler Haupt hat, als er noch Jugendminister war, ein bisschen damit begonnen, moderne Jugendpolitik zu machen. Ich möchte auf eine Broschüre hinweisen: „Love, Sex und so ...“. – Die ist wirklich gut, eine gute Aufklärungsbroschüre, die aber leider zum Teil auch vom Koalitionspartner als zu freizügig angesehen und ein bisschen kriti­siert wurde.

Weil Kollegin Fuhrmann gerade gestern hier heraußen den Vogel Strauß neben sich stehen gehabt hat, so meine ich: Gerade im Bereich der Jugendpolitik sollten wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sollte man die Augen und Ohren wirklich offen halten für die Anliegen unserer Jugendlichen, damit wir auch einen Hauch von Modernität bekommen. (Abg. Amon: Der Strauß war ja auf Sie gemünzt!)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Die „Jugend von heute“ gibt es nicht, die Jugendli­chen leben in verschiedenen Lebenswelten, die Jugendlichen von heute bewegen sich in Szenen und Jugendkulturen, und dem müssen wir Rechnung tragen, und dazu braucht es aber auch Budgetmittel, das ist keine Frage.


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In Österreich ist der Bereich der Jugendforschung wirklich nicht sehr privilegiert. Das Österreichische Institut für Jugendforschung hat vom Ministerium leider keine Förde­rung mehr bekommen. Vielleicht kann Frau Staatssekretärin Haubner uns darüber Auskunft geben. Gerade im Bereich der Forschung bräuchten wir viel mehr Mittel, weil wir viele Expertinnen und Experten haben.

Das Budget für Kinder- und Jugendpolitik ist grundsätzlich gleich geblieben. Es ist nicht geringer geworden, das ist schon etwas Positives. Ich meine jedoch, dass wir gerade angesichts der Herausforderungen der Gesellschaft, in der wir leben, für die Jugendli­chen, für die jungen Menschen, die hier leben, ein viel höheres Budget bräuchten, be­sonders dann, wenn es Ihnen, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, wirklich ernst damit ist, wenn Sie immer wieder beteuern, wie wichtig Ihnen die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen ist. Gerade deswegen bräuchten wir für diesen Be­reich viel mehr Budgetmittel.

Leider lassen Sie jedoch die Zukunft für die jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer angesichts dessen, was Sie gestern beschlossen haben, recht trist aussehen und ebenso leider auch die Zukunft der Schülerinnen und Schüler Österreichs, weil auch im Bildungsbereich massiv gekürzt wurde.

Der Freizeitbereich ist ein außerordentlich wichtiger Bereich, und auf den möchte ich zum Schluss noch zu sprechen kommen. Gerade das ist ein Bereich, der den Kindern und Jugendlichen selbst sehr wichtig ist. Wir haben sehr viele gute Jugendorganisatio­nen und Vereine, die hervorragende Projekte anbieten, gute Arbeit leisten. Aber leider ist der Budgettopf der Bundes-Jugendförderung nur sehr klein. Wenn das Geld für ge­wisse Projekte ausgegeben wird, dann ist für Einzelprojekte kein Geld mehr da. Ich meine, es wäre wichtig, den Stellenwert von Kinder- und Jugendpolitik anzuheben, indem wir die Budgetmittel gerade in diesem Bereich massiv ansteigen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Abgeordnete Riener. Auch sie spricht 3 Minuten zu uns. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

 


20.58

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine Ausführungen möchte ich dem Themenbe­reich Familie, insbesondere den Familienberatungsstellen widmen.

Im vorigen Jahr wurden für die Familienberatungsstellen 10 879 306 € ausgegeben. Für die nächsten beiden Jahren sind 10 901 000 € veranschlagt. Diese Form von Fa­milienunterstützung halte ich für enorm wichtig, zumal die rund 355 Beratungsstellen auf alle Bundesländer verteilt sind. Außerdem werden in Ballungsgebieten Familienbe­ratungsstellen mit speziellen Schwerpunktsetzungen, wie zum Beispiel Gewalt in der Familie, abgedeckt durch die Kinderschutzzentren, Beratungen für behinderte Men­schen und deren Angehörige, Mediations- und Scheidungsbegleitung direkt an den Bezirksgerichten und Beratung von Angehörigen psychisch Erkrankter finanziert.

An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei den zahlreichen Beraterinnen und Beratern für den in den Familienberatungsstellen geleisteten Einsatz bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich selbst habe 16 Jahre lang in der Familienberatungsstelle Hartberg versucht, Rat suchende Menschen dahin gehend zu unterstützen, Krisen zu meistern und persönli­che Ressourcen aufzubauen, damit sie ihr Leben leichter bewältigen können. Da die Akzeptanz, Beratung anzunehmen, größer geworden ist, bin ich auch froh darüber,


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dass die Familienberatungsstellen zu Familienkompetenzzentren ausgebaut werden sollen.

Ich erlebe in meiner Arbeit, dass Eltern, vielfach die Mütter, aber auch die Väter über­fordert sind, allen Rollen gerecht zu werden. Wichtig erscheint es mir auch, zu bemer­ken, dass seit Jahren gerade im Bereich der Partnerschaft und der Elternschaft eine Änderung stattfindet. Es gilt, Elternschaft, Partnerschaft, Arbeitsanforderung, Freizeit und Kindsein bezogen auf die eigenen älter gewordenen Eltern unter einen Hut zu bringen. Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen den Eltern schon sehr früh zur Seite zu stehen, sie zu stützen und zu stärken, wäre eine vorsorgende und vorbeugen­de Aufgabe dieser Familienkompetenzzentren.

Familienförderung in ideeller und materieller Form ist und war immer wesentlicher Be­standteil der Politik der ÖVP. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, auch hier im Hohen Haus, bitte ich Sie für unser aller Zukunft: Unterstützen wir in diesem Sinne die Eltern in Österreich! (Beifall bei der ÖVP.)

21.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. Eine Redezeit von 5 Minuten ist eingestellt. – Bitte, Herr Abge­ordneter.

 


21.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Vorerst möchte auch ich mich bei den Kolleginnen von FPÖ und ÖVP für die Blumen bedanken! Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit auch darauf hinweisen, dass Sie, werte Kolleginnen, wenn Sie wirklich wollen, dass die Väter und Männer mehr bei ihren Familien sind, primär vor allem darauf achten müssen, dass das Lohn­niveau entsprechend geändert wird und Frauen den gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit bekommen! Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ: Das ist die Schlüssel­frage! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das müssen Sie umsetzen, und dazu bedarf es auch einer engagierten und ambitio­nierten Sozialpolitik. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Das würde bedeuten, dass Frauen gerade im Bereich der Pensionen nicht benachteiligt werden dürfen, sondern begünstigt werden müssen, damit sie nicht noch zusätzlich abgeschreckt werden, weil sie mit nur zehn, 15 oder 20 Jahren Erwerbstätigkeit nur einen mickrigen Pensionsan­teil vom Kuchen bekommen. Das ist einfach unseriös, und daher sage ich: Blumen sind schön, aber gute Politik ist besser! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schöls: Beides zu­sammen ist ÖVP: gute Politik und Blumen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Klar nehmen wir sie mit; keine Frage!

Frau Staatssekretärin Haubner, ich möchte auf Ihren Arbeitsbereich eingehen, und zwar auf die Frage Konsumentenschutzpolitik in Österreich. Sie haben in den Aus­schüssen immer wieder darauf hingewiesen, dass Konsumentenschutz eine Quer­schnittsmaterie ist. – Das ist richtig, keine Frage! Man muss in diesem Zusammenhang aber auch klar und deutlich feststellen, nämlich dass Sie damit de facto einen Tätig­keitsbereich ohne entsprechende Ressourcen und Kompetenzen haben. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Frau Staatssekretärin, das ist aus unserer Sicht schade und ein Manko der Gesamt­strategie: Sie haben weder Kompetenzen im Lebensmittelsektor noch im Veterinärbe­reich. Dadurch sind Sie in Ihrem Bereich effektiv machtlos. Sie können zwar mit den anderen Ministern ein bisserl diskutieren, aber wirklich bewegen können Sie nichts. Mit


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einem Budget von knapp über 3 Millionen € ist das wirklich nicht möglich! – Soweit dazu, ich hoffe aber trotzdem, dass Sie etwas Sinnvolles daraus machen!

Ein Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die ganze Gütesiegelpolitik. In diesem Bereich haben Sie zu Recht in einer Antwort zu den Budgetberatungen festgestellt, dass die Sinnhaftigkeit von Gütesiegeln äußerst differenziert zu betrachten ist und dass auch die Gefahr der Irreführung von KonsumentInnen besteht. – Da muss ich Ihnen Recht geben! Gerade zum Bereich der agrarischen Qualitätssiegel haben wir in diesem Haus immer wieder intensive Debatten geführt. Wie Sie wissen, wäre es dringend not­wendig, im Bereich der Lebensmittelgütesiegel zwischen der Kennzeichnung biologi­scher Lebensmittel und dem Grundstandard, nämlich dem AMA-Gütesiegel, eine stär­kere Differenzierung zu entwickeln. Auch in der AMA wird bereits darüber nachge­dacht. Es würde mich daher wirklich sehr interessieren, ob Sie auch diesbezüglich Ini­tiativen setzen werden.

Ein zweiter Bereich, der mir besonders am Herzen liegt, ist eine Schwerpunktsetzung im Bereich gentechnikfreie Lebensmittel hinsichtlich Kennzeichnung und Bewerbung dieser Lebensmittel. Dazu haben Sie mir wie folgt geantwortet – das möchte ich zitie­ren –:

„Im Sinne der Nutzung von Synergieeffekten wird daher das Vorgehen des Konsumen­tenschutzministeriums in Abstimmung mit der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit erfolgen.“

Werte Kollegin Haubner, Sie haben in dieser Agentur allerdings keine Kompetenzen mehr, dass zeigt sich auch an der Tatsache, dass gerade jetzt eine Gesetzesände­rung, nämlich eine des Ernährungssicherheitsgesetzes, in Begutachtung ist, laut wel­cher Ihre Zuständigkeit und Kompetenzen im Bereich der Agentur für Ernährungssi­cherheit gestrichen werden. – Im Hinblick darauf hätte ich gerne gewusst, was Sie un­ternehmen werden, dass Sie in diesem Bereich weiterhin Kompetenzen haben.

Aus aktuellem Anlass möchte ich auch auf einen Futtermittelskandal eingehen, der heute bekannt geworden ist: Ein Antibiotikum namens Nifursol, das Futtermitteln für Truthühner beigemischt worden war und seit 1. März 2003 verboten ist, wurde offen­sichtlich von Umweltschutz- und Tierschutzorganisationen in Futtermitteln in Österreich wieder gefunden. Auch daran sieht man: Trotz Lippenbekenntnissen und trotz einer Agentur für Ernährungssicherheit bestehen immer noch Lücken im Kontrollsystem. Daher bitte ich Sie, massiv Druck auszuüben, damit nicht erst ex post, sondern schon ex ante die entsprechenden Maßnahmen gesetzt und auch umgesetzt und durchge­setzt werden!

Frau Kollegin Haubner, abschließend möchte ich noch ein zentrales Anliegen der Op­position an Sie herantragen: Wie wäre es, wenn wir konsumentenpolitische Anliegen in einem eigenen parlamentarischen Ausschuss behandeln könnten? Es wäre doch ein schönes Zeichen und auch ein sinnvolles politisches Signal, diese Anliegen in einem eigenen Ausschuss zu bündeln! Sie haben sich in der parlamentarischen Beratung positiv dazu ausgesprochen, und ich hoffe, dass Sie auch Schritte setzen werden, da­mit diese Thematik in diesem Haus einen eigenen Ausschuss bekommt! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.07

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. Sein Vorschlag lautet auf 5 Minuten. – Bitte.

 



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21.07

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie betreiben in diesem Hohen Haus permanentes Mobbing!

Wenn ich Mobbing sage, dann verstehe ich darunter auch, dass Abgeordneter Cap sich hier wie im Kabarett aufgeführt hat. Ich bin nicht der Pflichtverteidiger von Finanz­minister Grasser, aber ich muss sagen: Diese Art der Politik hat in diesem Hohen Haus nichts verloren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)

Auch Abgeordneter Pilz betreibt andauernd Mobbing: Er bringt Unterstellungen, hat dafür keine Beweise, redet von „Schiebung“ und „Betrug“. – Das ist die Art der Opposi­tion, mit Politik umzugehen!

Oder wenn etwa Herr Abgeordneter Gusenbauer hier eine saubere Politik fordert, selbst aber eine unanständige beziehungsweise – Entschuldigung! – eine andere Poli­tik betreibt, dann finde dich das schon merkwürdig!

Auch die Gewerkschaft redet im Vorfeld immer von freien Mandataren und von Demo­kratie im Parlament. – Ich selbst habe im Vorfeld schon viel mitgemacht: Wirtschafts­treibende sind von der Gewerkschaft gemobbt worden. Man selbst bekommt SMS von der Gewerkschaft, es wird einem geradezu etwas befohlen! – Diese Art von Mobbing hat in diesem Hohen Haus sicherlich nichts verloren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Das Böse ist immer und überall! – Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Ich komme schon zu Ihnen, Frau Abgeordnete! Ich werde Ihnen dann vielleicht etwas ge­ben, damit Sie auch lernen, was ich meine! (Abg. Dr. Niederwieser: Haben Sie ein schlechtes Gewissen?)

Dann gibt es Veröffentlichungen von der Gewerkschaft: Da gibt es „Super-Geschich­ten“, und darin heißt es: Sozial gerecht informieren, statt abkassieren! – Ich würde mir an Ihrer Stelle einmal die Inhalte dieser Pensionsreform anschauen, dann würden Sie vielleicht wissen, wovon Sie reden! – Diese Pensionsreform ist sozial ge­recht und zukunftsorientiert! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte dem Hohen Haus natürlich nicht vorenthalten, was Mobbing heißt. Unsere Staatssekretärin Haubner hat eine ganz wunderbare Fibel herausgebracht. Ich werde sie Ihnen nachher geben. Mobbing heißt ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.) Hören Sie zu, dann werden Sie es vielleicht auch wissen, Herr Abgeordneter! – Der Begriff „Mobbing“ bedeutet „anpöbeln“, „fertig machen“. – Das ist ein ganz klarer Be­griff! Das ist es, was Sie probieren, aber das werden Sie mit dieser Regierungspartei und mit dieser Regierung nicht schaffen!

Wir lassen uns vielleicht anpöbeln, aber wir werden uns wehren, und zwar damit, dass wir eine bessere Politik machen als Sie in den vergangenen 30 Jahren! Wir werden dafür sorgen, dass Sie lange in der Opposition bleiben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen die angeführte Broschüre mit dem Titel „Fair Play“ wirklich mitge­ben. Sie ist auch eine Leistung für die Konsumenten und für die Mitmenschen. Ich ge­be eine Broschüre Ihnen, Herr Abgeordneter Cap, und für die Gewerkschaft werde ich noch welche besorgen. Und die Grünen darf ich natürlich nicht ganz vergessen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wittauer verlässt das Rednerpult und überreicht den Abgeordneten Dr. Cap und Dr. Van der Bellen eine Broschüre.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt nun Frau Staatssekretärin Haubner. (Abg. Wittauer: Ich bin noch nicht fertig!) Bitte, dann setzen Sie fort!

 


Abgeordneter Klaus Wittauer (fortsetzend): Als verantwortungsvoller Politiker dieser Regierungspartei möchte ich nun aber wieder zur Realpolitik zurückkommen. Wir ha-


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ben vorhin gehört, dass gerade die Frage Konsumentenschutz wie ein leeres Blatt ist. Daher möchte ich Ihnen noch ein paar Kleinigkeiten dazu sagen, die sehr große Wir­kung haben.

Gerade in der Frage des Konsumentenschutzes war die freiheitliche Politik des Justiz­ministers Dr. Dieter Böhmdörfer sehr erfolgreich, und dieser erfolgreiche Weg wird von unserer Staatssekretärin Ursula Haubner fortgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In der heutigen Zeit, in welcher den Verbrauchervertretungen immer größere Bedeu­tung zukommt, ist die Aufstockung der Budgetmittel für dieses Staatssekretariat zu begrüßen. 3,875 Millionen € werden in diesem Budget für den Konsumentenschutz zur Verfügung stehen, das sind 1,5 Millionen mehr als im Vorjahr. Diese Mittel werden zielorientiert, zukunftsweisend und effizient eingesetzt werden. Durch diese Politik wird der Schutz der Konsumenten ständig verbessert und dessen Effizienz gesteigert.

Ich hätte dazu noch sehr viel zu sagen, weiß aber, dass meine Redezeit beschränkt ist, werde aber das nächste Mal darauf zurückkommen. Leider Gottes geben Sie mir im­mer wieder Gelegenheit, auf Sie einzugehen, und zwar im negativen Sinn. Aber die Leute draußen wollen auch wissen, wie Sie Ihre Politik verstehen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Jetzt scheint Ihre Rede wirklich zu Ende zu sein.

Nunmehr gelangt Frau Staatssekretärin Haubner zu Wort. – Bitte.

 


21.12

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Die Stunde ist jetzt schon et­was vorgerückt, und in den letzten Minuten und Stunden hat es viele sehr interessante Ausführungen hier gegeben.

Ich möchte zunächst festhalten, dass ich glaube, dass es – ganz gleich, ob man Regie­rungspolitikerin oder -politiker oder Oppositionspolitikerin oder -politiker ist – immer wichtig ist, auch bezüglich seiner eigenen Wortmeldungen selbstkritisch zu sein, und zwar bezüglich dessen, was man sagt, aber auch bezüglich dessen, was man verlangt und was man gemacht hat.

Ich stehe jetzt vor Ihnen, und ich bin selbstkritisch hinsichtlich dessen, was ich – wie Frau Abgeordnete Moser gesagt hat – in den letzten 120 Tagen gemacht habe. Ich kann Sie beruhigen: Ich habe sehr viel Zeit für meine Arbeit in der Regierung aufge­wendet, nicht aber für irgendwelche Vermittlungstätigkeiten, denn ich bin in die Regie­rung gegangen, um hier Aufgaben für die Menschen in Österreich zu umsetzen – und nicht, um parteipolitische Aufgaben zu übernehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Welche Aufgaben, Frau Staatssekretärin?)

Ich bin selbstkritisch, sage aber auch: Ich bin sehr froh und glücklich, dass wir seit Jah­ren eine Familienpolitik fortschreiben und weiterentwickeln, die wirklich zukunftsträchtig und nachhaltig ist!

Ich habe gestern in meiner Rede gesagt: Gute Pensionspolitik beginnt bei den Kindern. Und dazu stehe ich! Wir müssen dort investieren, wo es um die zukünftigen Generatio­nen geht, also in die Familien und in die Kinder. Und wir haben in der Vergangenheit diesbezüglich wirklich schon viel getan!


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Wenn Frau Kollegin Weinzinger sagt, dass die Armut sehr groß ist, dann kann ich ihr in gewisser Weise Recht geben. Wir müssen wirklich viel tun, damit die Armut zumindest nicht größer wird! Allerdings ist die Armut nicht von einem Jahr auf das andere groß geworden, sondern es ist dies leider Gottes auch eine Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte. (Abg. Mag. Trunk: Das ist gar nicht wahr!) Wir steuern im Rahmen der Familienpolitik dagegen. Wir haben erstmals ein Kinderbetreuungsgeld eingeführt, mit welchem die Armut in den Familien bekämpft wird. Und auch in der WIFO-Studie betreffend Kinderbetreuungsgeld, auf die sich gerade die Damen und Herren von der Opposition immer wieder berufen, steht ganz klar, dass mit dem Kinderbetreuungsgeld erstmals armutsbekämpfende Maßnahmen gesetzt werden, weil Frauen somit über kurze oder auch über längere Zeit den Status haben, pensions- und sozialversiche­rungsrechtlich abgesichert zu sein.

Ich möchte hinzufügen: Wir haben diesen monetären Bereich – sei es die Familienbei­hilfen oder der Mehrkinderzuschlag – aufgestockt. Wir haben ein Pflegegeld ab der Geburt oder auch die Heimfahrtbeihilfen für Lehrlinge und Schüler beziehungsweise die Lehrlings- und Schülerfreifahrten überhaupt eingeführt. Gerade heute konnte ich in einer Pressekonferenz mitteilen, dass es nach 17 Jahren Diskussion ab dem Schuljahr 2003/2004 erstmals für die Schülerinnen und Schüler auf Antrag einen Ausweis für die Freifahrt und freie Verkehrsmittelwahl geben wird. Auch in diesem Bereich setzen wir Zeichen zur Unterstützung und zur finanziellen Weiterentwicklung der Familien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher sage ich: Wir werden auf diesem Weg gut weitergehen! Ich bin froh darüber, dass wir nächstes Jahr „Zehn Jahre internationales Jahr der Familie“ begehen und das zum Anlass nehmen können, zu zeigen, was in diesen zehn Jahren in Österreich in der Familienpolitik geschehen ist und welche Maßnahmen wir in den letzten Jahren be­sonders verstärkt haben. Ich meine nämlich, dass wir auf diesem Gebiete wirklich et­was herzuzeigen haben.

Die Jugend ist natürlich ein Teil der Familien und der Generationen ist. Ich meine, dass gerade für die Jugend nichts zu gering sein kann. In die Jugend muss viel investiert werden, und wir sind auch diesbezüglich auf einem guten Weg, indem wir nämlich be­schlossen haben, einen nationalen Aktionsplan für Kinderrechte umzusetzen. Ich be­danke mich recht herzlich bei allen Organisationen, die dabei mitwirken, die sich ein­bringen und bis zum Ende des Jahres jene Maßnahmen erarbeiten, die wir dann hier politisch beschließen können werden. Auch das ist ein wichtiger und richtiger Weg!

Heute wurde in einem für mich nicht ganz nachvollziehbarem Beispiel über die Jugend­förderung und über das Jugendförderungsgesetz gesprochen. – Seit zwei Jahren ha­ben wir Gott sei Dank erstmals ein Jugendförderungsgesetz mit sehr strengen Krite­rien, und Herr Minister Haupt hat schon vor zwei Jahren bei dessen Einführung gesagt, dass wir dieses neue Jugendförderungsgesetz nach zwei Jahren evaluieren und schauen werden, was wir noch tun können, ob wir mehr Geld brauchen oder umschich­ten müssen. Es wurde also eine ganz sinnvolle Maßnahme gesetzt, und jetzt evaluie­ren wir diese.

Herr Kollege Brosz, ich würde mich freuen, wenn sich auch die Grünen in diesem Zu­sammenhang einbringen können! Die Vertreter beziehungsweise Vertreterinnen der Grünen war nämlich die Einzigen, die nicht zu den Sitzungen gekommen sind, um ihre Initiativen einzubringen. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Ich würde es begrüßen, wenn Sie dort Initiativen einbrächten – und nicht nur hier auf dem Podium aus dem Zusam­menhang gerissene Beispiele vortragen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)


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Eine wichtige Aufgabe im Sinne der Generationenarbeit ist natürlich auch die Senio­renpolitik, die sich nicht nur auf pensionssichernde Maßnahmen festgelegt bezie­hungs­weise reduziert werden kann. Auch zu diesem Bereich gehört wesentlich mehr.

In den vergangenen Jahren ist es uns erstmals gelungen, Politik nicht nur für die Seni­oren, sondern mit den Senioren zu machen. Die Einrichtung des Seniorenrates bezie­hungsweise des Bundesseniorenbeirates ist da der richtige Weg. Wir haben diesbe­züglich schon verschiedene Initiativen gesetzt, ich denke jetzt etwa an die gemeinsame Initiative mit dem Seniorenrat betreffend die Sicherheit der Senioren im Haushalt. Es ist dies ein aktuelles Thema, denn die meisten Unfälle von Senioren ereignen sich nicht im Straßenverkehr, sondern im Haushalt. Auf diesem Gebiete werden wir entspre­chend intensiv arbeiten.

Auch betreffend lebenslanges Lernen und insbesondere das Studium im Alter werden wir viel tun.

Meine Damen und Herren! Der Konsumentenschutz wurde heute sehr intensiv von einigen RednerInnen angesprochen. Kollege Pirklhuber und Kollegin Moser, wir ken­nen uns aus Oberösterreich, und Sie wissen, dass Konsumentenschutz ein ganz wich­tiges Anliegen meinerseits ist. Daher habe ich mich sehr gefreut, dass dieser jetzt im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen angesiedelt ist. Ich sehe das sehr positiv.

Ich sehe es auch sehr positiv, dass wir mehr Mittel zur Verfügung haben. Diese Mittel sind durch Verhandlungen entstanden und wurden nicht von irgendwoher umgeschich­tet und zugeteilt.

Wir haben aber in diesen 120 Tagen auch etwas gemacht, und zwar im Sinne von Recht schaffen, denn man kann nur über Recht informieren, wenn man Recht schafft. Ich möchte Ihnen dazu einige Beispiele anführen.

Wir haben in Gesetze, die in Begutachtung waren beziehungsweise sind, unsere kon­sumentenpolitischen Anliegen eingebracht, ich erwähne da beispielswiese das Immobi­lien-Investmentfondsgesetz. Auch in das Telekommunikationsgesetz, das demnächst vom Ministerrat verabschiedet wird, haben wir unsere Überlegungen eingebracht. Wir haben auch beim Konsumentenschutzgesetz, das novelliert wird, unsere Überlegun­gen, was den Schadenersatz bei Reisemängel anlangt, eingebracht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser.) All das geschieht, und das muss umgesetzt werden!

Ebenso haben wir im Bereich des VKI die Mittel aufgestockt, weil der VKI die Möglich­keit hat, Verbands- und Schadenersatzklagen zu führen. So haben wir damit zum Bei­spiel die Informationspflicht bei Telefonauskünften erreicht, etwas, das durch unsere Klagstätigkeit – im Rahmen eines Werkvertrags des VKI – erfolgt ist, oder auch die fairen Geschäftsbedingungen bei den Bankomatkarten.

Ich bin daher der Meinung, dass in diesen 100 beziehungsweise 120 Tagen viel ge­schehen ist, aber es ist natürlich auch noch sehr, sehr viel zu tun. Gerade die Verbrau­cherbildung und die Verbraucherinformation stellen wir derzeit auf neue Füße. Wir werden Ihnen demnächst etwas zeigen können, von dem Sie wahrscheinlich sehr be­geistert sind. Wenn es dann zur Beschlussfassung im Parlament kommen sollte, wer­den, da bin ich mir sicher, auch Sie von der grünen Fraktion all diesen Dingen zustim­men werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.21

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Binder. Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt. – Bitte.

 



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21.22

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Molterer hat heute Mor­gen gemeint, Österreich wäre Spitzenreiter, nämlich als Familienland in Europa. – Herr Klubobmann ich gebe Ihnen Recht. Ich gebe Ihnen absolut recht! Wir verdanken die­ses Spitzenreitertum den letzten 30 Jahren und jenem Stellenwert, den wir Sozialde­mokratinnen und Sozialdemokraten den österreichischen Familie gegeben haben. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Natürlich muss in Sachen Familie immer wieder etwas weiterentwickelt, verbessert, nachgebessert werden. Allerdings lassen die gestrigen Beschlüsse meiner Ansicht nach eher Böses für die österreichischen Familien ahnen. Ich glaube auch, dass Sonn­tagsreden gerade im Zusammenhang mit Familien und Kindern zu wenig sind, denn es geht vor allen Dingen um Akzeptanz, um Respekt und um Rechte – Rechte, die für Kinder in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben sind, meine Damen und Her­ren. Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick über den Kirchturm hinaus werfen!

36 Prozent der Weltbevölkerung sind unter 18 Jahren alt. Kinderarbeit, Kinderprostitu­tion und Gewalt an Kindern sind immer noch an der Tagesordnung; in Asien landet jährlich rund 1 Million Kinder in der Prostitution. Fast 120 Millionen Kinder weltweit sind von einer Schulbildung ausgeschlossen; unzählige Kinder sterben täglich in bewaffne­ten Konflikten.

Meine Damen und Herren! Auch in Österreich ist die Situation von Kindern und Ju­gendlichen nicht immer die beste und muss ständig verbessert werden. Immer noch werden Kinder Opfer von Gewalt und Missbrauch. Viele Kinder leben an der Armuts­grenze und sind dadurch Leidtragende. Ich gebe Ihnen zwar Recht, Frau Staatssekre­tärin, dass diesbezüglich sehr viel getan werden muss, bin aber auch der Meinung, dass es vor allen Dingen darauf ankommt, dass das Zurverfügungstellen von Dienst­leistungen, von Sachleistungen und auch von Infrastruktur für Kinder sehr, sehr not­wendig ist.

Meine Damen und Herren! Die wesentlichen Punkte in der Kinderrechtskonvention sind folgende drei: Kinder haben ein Recht auf Vorsorge, Kinder haben ein Recht auf Schutz, und Kinder haben ein Recht auf Beteiligung. – Auch ich begrüße die Arbeits­kreise im Zusammenhang mit dem nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der Kinderrechte.

Ich erhoffe mir, dass am Ende der Aktionen und Aktivitäten die UNO-Kinderrechtskon­vention in der österreichischen Verfassung verankert wird, damit Kin­der ihre Rechte auch tatsächlich einklagen und einfordern können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Im Abschlussdokument der Kinder am Weltgipfel 2002 ist folgende Stellungnahme enthalten: Wir wollen eine Welt, die für Kinder geeignet ist, denn eine Welt, die für uns gut ist, ist für jedermann und jede Frau geeignet!

Meine Damen und Herren! Schaffen wir gemeinsam für die Kinder diese Welt und ihre Rechte, die ihnen zustehen! (Beifall bei der SPÖ.)

21.25

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Ich erteile ihm das Wort.

 


21.26

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich jetzt mit Herrn Abgeordnetem Öllinger noch kurz etwas über die Harmonisierung der Pensionssysteme austauschen, allerdings muss ich feststellen, dass sich die grüne


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Fraktion eigentlich zur Gänze verabschiedet hat. (Die Abgeord­neten Rest-Hinterseer und Mag. Weinzinger winken dem Redner von ihren Plätzen aus zu. – Abg. Mag. Mainoni: Zwei sind noch da!) Offensichtlich hat man die eigenen Redebeiträge abgesetzt und muss sich für morgen vorbereiten. Sonst ist man dort ja immer sehr an Austausch interessiert. Das ist eine eigenartige demokratiepolitische Einstellung, aber bitte. (Abg. Gradwohl: Kollege Mitterlehner! Zwei Damen werden doch ...!) – Trotzdem sind es relativ wenige, würde ich sagen – angesichts der Zahl an Mandataren, die es insgesamt dort gibt. Aber das ist nicht das eigentliche Thema. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte angesichts der vorgeschrittenen Zeit nur zwei Themenbereiche aus der Zuständigkeit des Herrn Vizekanzlers beziehungsweise der Frau Staatssekretärin kurz ansprechen. – Frau Staatssekretärin Haubner, ich habe bei Ihrer Darstellung heraus­gehört, dass Sie eine eigentlich recht positive Position zum VKI eingenommen haben, und ich würde mir aus der Sicht eines ordentlichen Mitgliedes dieses Vereines wün­schen, dass die doch schon über ein Jahr lang andauernden Streitereien jetzt einmal endgültig bereinigt werden und dass nicht das sozusagen außerordentliche Mitglied Bund mit den ordentlichen Mitgliedern derart umgeht und die Kooperation so bestim­men will, wie man es sich dort nicht vorstellt. Darauf gibt es also sehr gute Aussichten.

Das Zweite, was ich ansprechen möchte, ist, dass wir heuer das „Jahr der Menschen mit Behinderungen“ haben; das wurde ja heute schon mehrmals gesagt. In Bezug dar­auf haben wir, die Wirtschaft, uns sehr bemüht, in Zusammenarbeit mit Caritas und AMS Beratungs-, Informations- und Motivationsaktivitäten zu setzen. Gerade im Zu­sammenhang mit der Behindertenmilliarde hätten wir aber noch einige Vorschläge in Richtung Verbesserung der Rahmenbedingungen, die ich hier jetzt nur beispielhaft anschneiden möchte.

Derzeit ist die gesetzliche Lage so, dass pro 25 Beschäftigten ein Behinderter aufge­nommen werden muss, andernfalls ist eine Ausgleichstaxe fällig. Gerade Betriebe, die unter 25 Mitarbeiter beschäftigen, würden aber manchmal sehr gerne einen Behinder­ten einstellen. Es wäre daher durchaus zu überlegen, für jene Betriebe eine Prämie ähnlich der Lehrlingsprämie einzuführen, wenn sie einen Behinderten beschäftigen.

Zweitens könnte die Absetzbarkeit der Ausstattung des Arbeitsplatzes für Behinderte verbessert werden. Wir könnten uns auch vorstellen, dass der Lohnkostenzuschuss noch erweitert wird, auch damit würde sich in der Praxis sehr viel verbessern. Und ins­gesamt wäre es ein Fortschritt, wenn der derzeit bestehende Kündigungsschutz in Richtung eines qualitativen Kündigungsschutzes ausgeweitet wird, nämlich mit Media­tion und einem entsprechenden Assistenzeinsatz, der Arbeitsassistenz. Das würde viele Betriebe dazu bewegen, mehr Behinderte einzustellen, als man das jetzt bereits tut.

Meine Damen und Herren! Mit all diesen Verbesserungen würde die berufliche Integra­tion der Behinderten wirklich besser funktionieren als jetzt, und es wäre das ein ver­nünftiger Beitrag zum „Jahr der Menschen mit Behidnerungen“. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

 


21.29

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Dame, mein Herr auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Kollege Mitterlehner – ich weiß nicht, ist er noch im Saal? –, Sie sind sehr inkonsequent: Gestern haben Sie bei der Abschaffung der Frühpensionierungen mitgestimmt, aber am 18. November 2002 ha-


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ben Sie sich der „Presse“ gegenüber noch ganz anders geäußert, da haben Sie näm­lich den Vertrauensgrundsatz, den Vertrauensschutz geltend gemacht. (Abg. Mag. Tancsits: ... Monate verschlafen!) Sie sind nicht sehr konsequent in Ihrem politi­schen Handeln, sehr geehrter Herr Dr. Mitterlehner! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Aufwachen!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu meinem eigentlichen Thema kommen. Eigentlich müssten heute bei der Behandlung dieser Themen zwei Minister und zwei Staatssekretäre hinter mir auf der Regierungsbank sitzen, denn das wäre die Konse­quenz der aus machtpolitischen Gründen erfolgten Zerschlagung beziehungsweise Zersplitterung des ASVG. Genauso schaut diese Zersplitterung aus. (Der Redner stellt eine Tafel, bestehend aus fünf aneinander gereihten A4-Dokumenten mit Tabellen und der quer darübergeschriebenen Aufschrift: „ASVG“ vor sich auf das Rednerpult. – Abg. Silhavy: Oh! Verbesserungen!) Sie brauchen dafür genau zwei Minister, zwei Staats­sekretäre und 59 Mitarbeiter in den jeweiligen Kabinetten.

Meine Damen und Herren! Was bewirkt nun diese aus rein machtpolitischen Gründen erfolgte (Abg. Neudeck – in Anspielung auf die Tafelaufschrift „ASVG“ –: Alle Sozial­demokraten von gestern! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen) Zersplitterung des ASVG? – Höhere Kosten zu Lasten des Steuerzahlers durch eine Aufblähung der Ka­binette, eine Verzögerung in der Verwaltung, eine völlige Undurchschaubarkeit für die Menschen in unserem Lande und eine Verzögerung bei der Gesetzgebung, denn eines ist klar: Nur noch 10 Prozent der Gesetze können künftig alleine durch einen Minister entschieden werden. In 90 Prozent der Fälle müssen beide Minister ihre Zustimmung bei der Gesetzgebung geben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gradwohl: „Verwaltungs­vereinfachung“!)

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Paragraphen einzeln angeführt werden müssen, denn sonst würde sich niemand mehr auskennen; und daher (der Redner weist auf die vor ihm stehende Tafel) diese Aufstellung, die wirklich zur Verwirrung beitragen kann. Das Ganze – und das ist so seltsam – läuft unter dem Titel „Verwal­tungsvereinfachung“, aber à la ÖVP/FPÖ-Regierung ab.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend kann Folgendes gesagt werden:

Das Motto dieser Bundesregierung lautet: Prassen bei sich, massive Kürzungen bei den Menschen, die die Zeche für diese Verschwendungspolitik zu bezahlen haben, und zwar, um nur einiges zu nennen, in Form von Pensionskürzungen und höheren Selbstbehalten!

Ich möchte noch kurz auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Rasinger eingehen, weil er geradezu ein „Musterbeispiel“ für Geradlinigkeit in Sachen Selbstbehalten ist. Am 7. Jänner hat uns Kollege Rasinger mitgeteilt, dass er für Selbstbehalte sei. Nach einem monatelangen Kampf hat er uns mitgeteilt, dass er nunmehr doch nicht für Selbstbehalte sei, das sei mit ihm nicht zu machen. Aber schlussendlich hat Rasinger gegen Rasinger gesiegt: Am Dienstag hat er uns mitgeteilt, er sei doch für weitere Selbstbehalte. Aber es gibt auch Verlierer bei diesem Spiel Rasinger gegen Rasinger: nämlich jene Menschen, die künftig höhere Selbstbehalte zahlen müssen.

 


Ich möchte an den Kollegen Wattaul gerichtet – da dieser, wie er zu sagen pflegte, da nicht mehr „mitkommt“ – gerne sagen: Selbstbehalte sind abschreckend, ohne zwi­schen notwendigen und weniger notwendigen Behandlungen zu unterscheiden. (Abg. Gradwohl: Zeit!) Außerdem belasten sie Bezieher niedriger Einkommen mehr als sol­che mit höherem Einkommen!


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Lackner, jetzt muss ich aber Ihrem Klub sagen, dass Sie das rote Licht schön hinter dem Taferl verdeckt haben. (Heiter­keit.)

 


Abgeordneter Manfred Lackner (fortsetzend): Insgesamt kann gesagt werden: Wir sind deshalb gegen weitere Selbstbehalte, weil die vorliegenden Erfahrungen die Sinn­haftigkeit von generellen Selbstbehalten widerlegen.

Zum Schluss möchte ich, weil das so ins Konzept passt, noch einen der Ihren gerne zitieren, nämlich Herwig Frad, einen Spitzenrepräsentanten der ÖVP in den Sozialver­sicherungsanstalten. Er hat letztes Jahr ein Interview im Management Club gegeben. Ich möchte nur kurz den Succus seiner geistigen Ergüsse darlegen:

Die Medikamentenkosten steigen auch deshalb, weil ältere Menschen besonders viel in den letzten Jahren brauchen. Vom Ökonomischen her wäre es gescheiter, die Ma­schine abzudrehen! – Das ist jener konservative Ansatz, mit dem wir uns derzeit auch im Parlament beschäftigen müssen: Leistungseinschränkung und Rationierung; der Mensch verkommt ausschließlich zur ökonomischen Größe.

Diese Art der Sozialpolitik, meine Damen und Herren, lehnen wir von der SPÖ ent­schieden ab! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.35

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Schiefermair. – Bitte.

 


21.35

Abgeordnete Notburga Schiefermair (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jahrhunderte, immer schon, ha­ben sich Eltern um ihre Kinder gekümmert. Wenn dann die Eltern im Alter Hilfe benötigt haben, war die Hilfe der Kinder gefragt. Wenn eine Gesellschaft wie unsere moderne Gesellschaft immer weniger Kinder bekommt, wirft das Pensionssystem Fragen auf, die es zu lösen gilt.

Familien sind die Zellen des Staates. Unsere Aufgabe ist es, diese Zellen zu schützen. Drei Jahre Anrechnung beim Durchrechnungszeitraum für jedes Kind, und zwar echte Jahre, unabhängig davon, in welchem Abstand diese Kinder geboren sind (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen): aus welchem Grund ist das den Regierungsparteien so wichtig? – Weil Kinderbetreuung länger dauert als drei Jahre!

Gute pädagogische Erziehung jedes einzelnen Kindes zu einem selbstständigen, eigenständigen Menschen bedeutet Engagement, Einfühlungsvermögen und Gebor­gen­heit. Dies fördert nicht nur das Selbstbewusstsein der Kinder, sondern auch ihre Stär­ken und das Gefühl des Geliebtwerdens. Diese Aufgabe ist pädagogisch höchst an­spruchsvoll und hat mit „Kinderaufzucht“, wie von Frau Abgeordneter Weinzinger vom grünen Klub behauptet, nichts zu tun!

Die Regierungsparteien kennen die gesellschaftliche Bedeutung der Familien, schät­zen und anerkennen dies! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitli­chen.)

Frau Abgeordneter Weinzinger! Mein Mann ist Züchter, begeisterter Züchter, Schwei­nezüchter! Sie können gern zu uns auf den Hof kommen und sich vom Unterschied zwischen Kinderaufzucht und Kindererziehung überzeugen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das Glas ist jetzt halb voll!, sagen wir von den Regierungsparteien zuversichtlich. Das Glas ist jetzt halb leer!, sagt ganz pessimistisch die Opposition. Wo ist die Hälfte des Wassers denn geblieben?, fragt die Jugend. – Das haben Sie von der SPÖ vor vielen


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Jahren wohl unnötig verschüttet. Das Glas, das Behältnis der Zukunft, ist im Begriff, sich durch die Verantwortung dieser Bundesregierung zu füllen.

Wissen Sie, ich staune wirklich über die Wertebasis, von der Ihr aggressiver Zynismus wahrscheinlich herstammt. Herr Klubobmann Cap! In der Gestaltungsarbeit der Zukunft bitte doch nicht von „Siegern“ und „Verlierern“ zu sprechen! Sie sagten gestern: Sieger sehen anders aus! – Ich sage Ihnen: Auf lange Sicht gesehen werden wir und alle Menschen in Österreich durch diese Maßnahmen Sieger sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Sie, Herr Kollege Öllinger, behaupten, es gäbe bei uns einen Textgenerator, kann ich nur auf die Kommunikationstheorie verweisen. Dort wird festgehalten, dass der Sender, also derjenige, der spricht, dafür verantwortlich ist, dass die Nachricht so ankommt, wie sie gemeint ist. Sie können sich jetzt vorstellen, warum wir für Sie immer wieder das Wort „Verantwortung“ verwenden.

Ich möchte Ihnen noch eine Weisheit des römischen Kaisers und Philosophen Marc Aurel mitgeben:

Wenn du nicht erreichst, was du willst, ändere, was du tust. – Ich wiederhole: Wenn du nicht erreichst, was du willst, ändere, was du tust. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.39

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. – Bitte.

 


21.39

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Wirklich geschätzter Herr Präsident! Kolle­gen und Kolleginnen! Mir gefällt dieses Rot-Grün (die Rednerin deutet auf die im Saal verteilten Topfpflanzen) hier im Hohen Hause sehr gut! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Die ÖVP-Frauen haben ein Mal zukunftsorientiert gedacht, weil sie ganz offensichtlich wissen, dass das sozialdemokratische Regierungspro­gramm und Ihre Regierungspolitik dazu beitragen werden, dass Rot-Grün nicht nur heute hier im Hohen Haus, sondern auch in der Bevölkerung Österreichs mehrheitsfä­hig sein wird. Danke schön! (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Zu den VorrednerInnen ganz kurz. Sie, viele der ÖVP- und FPÖ-Redner, haben völlig Recht, wenn Sie sagen, dass sich die Familien- und Sozialpolitik der SPÖ gewaltig unterscheidet von jener der Regierungskollegen. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Abgekürzt für bescheidene Geister wie den dazwi­schen Redenden vor mir, damit Sie verstehen, was ich meine: SPÖ-Familienpolitik heißt Familienrecht und -gerechtigkeit und nicht Familienfreundlichkeit, denn das mit der Freundlichkeit ist eine Sache des Zufalls und der Willkür. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stehen für eine gerechte Förderung der Familien im Sinne wirklicher Existenzsiche­rung, nicht für Almosen und Bittstellerei. Wir stehen für Rahmenbedingungen, die kon­krete Antworten auf die realen Lebensbedingungen der Menschen geben, nicht wie diese Regierungskoalition, die meint, sich mit dem von ihr viel gerühmten Kindergeld von der weiteren politischen Verantwortung freikaufen zu können. (Abg. Wittauer: Al­les, was von dieser Regierung gut gemacht wird, wird von Ihnen schlecht gemacht! Das war das Beste, was Österreich hat kriegen können!) Die Verantwortung für Kinder und die Betreuung von Kindern – und das ist das einzige, wo ich meiner Vorrednerin Recht gebe – sind eine Angelegenheit, die nämlich länger als zwei oder drei Jahre dauert.

Ganz konkret: Diese Regierungskoalition sieht für Kinderbetreuungseinrichtungen in diesen Budgets 2003/2004 keinen einzigen Euro vor!


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Familienpolitik bedeutet auch Wirtschafts-, Einkommens- und Arbeitsmarktpolitik. Dazu in aller Kürze: Schauen Sie nach im Regierungsprogramm der Sozialdemokratischen Partei! (Abg. Wittauer: Ich glaube, Sie wissen nicht einmal, wovon Sie reden!)

Ihre Politik steht im Interesse des Kapitals – unsere Politik steht im Dienste der Men­schen, der Arbeitnehmer, der Arbeitnehmerinnen, der Klein- und Mittelbetriebe und der Familien in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe auf Grund der kurzen Zeit keine Möglichkeit mehr, auf den Bereich der Ge­waltprävention einzugehen (Abg. Wittauer: Da sind wir froh!); auch da: Lesen Sie nach im Programm der SPÖ!

Ich komme nun zum Ende und muss Sie daran erinnern, dass mit zunehmender Sprachlosigkeit in unserer Gesellschaft die Bereitschaft zur Gewalttätigkeit steigt. Und das betrifft auch die Gewalt der Sprache. (Abg. Wittauer: Da müssen Sie sich aber selber bei der Nase nehmen! Die Sprache spielt eine große Rolle, das stimmt!)

Ich muss nun am Ende noch etwas zu Kollegen Scheuch sagen. Von dieser Stelle aus verurteile ich als Abgeordnete des Bundeslandes Kärnten die eindeutig zweideutigen Aussagen des Kollegen Scheuch auf das Allerschärfste, denn was nicht in einem drin­nen ist, kommt einem bei einem Zwischenruf auch nicht heraus. Ein wirklich anständi­ger Mensch, Kollege Scheuch, würde sich anständig entschuldigen und mit Anstand die Konsequenzen ziehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Das heißt also, dass er unanständig ist!)

21.43

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Grander ist die nächste Rednerin. Ich darf Sie zum Rednerpult bitten.

 


21.43

Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Besonderen die KollegIn­nen von der Opposition! Ihre Devise lautet: Wir sind so arm, die anderen sind so böse! Sie können nachlesen bei Bernes „Spiele der Erwachsenen“, wo dieser Ausdruck in der Ich-Form herkommt. Ihr Bild der Opferrolle der Frauen predigen Sie den Frauen ständig. Gestern ist mir das so richtig auf die Nerven gegangen; ich sage es Ihnen jetzt einfach so. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bin der Meinung, diese Rollen haben wir Frauen in allen Lebensbereichen schon wirklich lange Zeit völlig verlassen. Ich komme selber aus einem von Frauen dominier­ten Beruf, in dem viele, fast ausschließlich Frauen arbeiten. Ich kann mich nicht an so ein Bild von Frauen erinnern, wie es uns da immer wieder beschrieben wird.

Wir Frauen sind in unserer Eigenständigkeit und auch in unserer Eigenverantwortung schon viel weiter, als da ständig behauptet wird. (Beifall bei der ÖVP.) Außerdem hät­ten Sie von der SPÖ Jahrzehnte die Möglichkeit gehabt, die gesetzlichen Rahmenbe­dingungen für Frauen zu verändern. (Abg. Mag. Prammer: Sie sind ja genau dabei, ihnen etwas wegzunehmen!) Nein, das werde ich Ihnen dann explizit anhand von zwei Beispielen sagen, dass wir nichts wegnehmen.

Erst 1995 wurden die Kindererziehungszeiten erstmals für die Pension anerkannt. Zu welchen Zeiten war das, und was war vorher? (Abg. Mag. Prammer: 1990!)

Wir Frauen brauchen keinen Glassturz übergestülpt, und es muss nicht alles über ge­setzliche Regelungen nur für Frauen geregelt werden. (Abg. Mag. Wurm: Kinder­betreuungseinrichtungen wären ganz praktisch!) Im täglichen Leben ist die Wichtigkeit der weiblichen Seite in vielen beruflichen Bereichen gefragt. Ich denke, da gibt es sehr viele Dinge, die bereits umstrukturiert sind. Da zitiere ich noch einmal einen Buchtitel:


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„Die Klügere gibt nicht mehr nach“ von Ute Erhardt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.) „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin“, das hat sie auch geschrieben.

Die Notwendigkeit der Bipolarität ist für meine Begriffe bereits stark im Fluss. Ihrer Be­hauptung von der „sozialen Kälte“ möchte ich entgegensetzen: Wir machen Politik mit Herz und Verstand, und wir machen Politik für Menschen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Ergebnis schlägt sich auch aus frauenpolitischer Sicht in der Pensionsreform nie­der. Ich sage jetzt nur „Hackler-Regelung alt“, nach der die Bemessungsgrundlage zum Beispiel 1 000 € ausmacht. Das Ergebnis der Pension sind also 700 € pro Monat. Bei der „Hackler-Regelung neu“, wo die Abschläge verändert wurden, kommen 749,6 € heraus. Ich habe mir das explizit ausgerechnet. Das bedeutet ein Mehr an Pension um zirka 50 € pro Monat; das sind also um 7,1 Prozent mehr, was an Pension heraus­kommt.

Weiters möchte ich auf die Einführung des Altersübergangsgeldes für Personen, die nicht mehr in die vorzeitige Alterspension gehen können, hinweisen. Davon profitieren 75 Prozent der Frauen und 37 Prozent der Männer, soweit ich das aus den Berichten des Budgetausschusses weiß. Da kann man genauso den Vergleich anstellen: Bis jetzt betrug die durchschnittliche Pension wegen langer Arbeitslosigkeit 727 €, mal 14; das sind dann 10 178 € im Jahr. Wenn man das weiter rechnet, dann kommen mit dem Altersübergangsgeld 1 083 € heraus. Das wird zwölfmal im Jahr bezogen; der Ge­samtbetrag macht also 13 000 € aus. Also durchschnittlich gibt es 2 822 € mehr im Jahr. Das ist eine deutliche Verbesserung!

Ich kann Ihnen versichern, dass ich und meine Kolleginnen und Kollegen die Men­schen informieren und beraten werden – und nicht verunsichern! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Prammer zu Wort gemeldet. Ich mache auf die einschlägigen GO-Bestimmungen aufmerksam. – Bitte.

 


21.48

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Gander hat gerade hier festgestellt ... (Rufe bei der ÖVP: Grander! Grander!) – Gander, habe ich eh gesagt! – Frau Abgeordnete Gander hat gerade hier festgestellt, die Anrechnung von Kindererziehungszeiten im Rahmen der Pension sei unter Blau-Schwarz eingeführt worden. – Das ist falsch! Das ist unrichtig! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten wurde in den siebziger Jahren zum ersten Mal beschlossen: vier Jahre am 1. Dezember 1992. (Beifall bei der SPÖ.)

21.48

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt, und zwar für 3 Minuten, Herr Abge­ordneter Keck. – Bitte.

 


21.48

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist erfreulich, dass die Problematik der Schwer- und Schichtarbeiter auf Grund meiner und der Anre­gung der Sozialdemokratie von Ihnen aufgenommen wurde und behandelt wird. Der Herr Vizekanzler und Sozialminister Haupt hat diese Woche hier im Plenum erklärt, dass über den Sommer gemeinsam mit der AUVA Arbeitsplätze in Bezug auf Schwer-


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arbeit evaluiert werden. Das ist ein ausgezeichneter Ansatz, meine Damen und Herren, die Lösung dieses Problems sollte aber nicht über den Sommer hinaus verschoben werden, sondern man muss sofort etwas für diese betroffenen Menschen machen.

Meine Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler hat uns auch aufgefordert, hier mitzu­arbeiten. Diese Aufforderung nehme ich natürlich gerne an, und ich werde ihm sogleich Vorschläge unterbreiten.

Herr Vizekanzler! Es gibt in Österreich ein Gesetz, das sich mit der Materie der Schicht- und Schwerarbeit befasst, nämlich das Nachtschwerarbeitsgesetz. Was sagt dieses Gesetz aus? – Beschäftigte, die jährlich mindestens 50 Nachtschichten in Ver­bindung mit Schwerarbeit leisten, haben nach 15 beziehungsweise 20 Jahren die Mög­lichkeit, mit 57 Jahren in den Ruhestand gehen zu können. Ein an und für sich gutes Gesetz, meine Damen und Herren, doch leider ist es auch mit vielen Problemen behaf­tet. Von diesem Gesetz sind nämlich Schwerarbeiter, die die Kriterien der Nachtschicht nicht erfüllen, ausgenommen.

Das heißt, Menschen, die schwerste körperliche Arbeit leisten, aber das erforderliche Kriterium von 50 Nachtschichten im Jahr nicht schaffen, sind sehr arg benachteiligt.

Dasselbe gilt für Schichtarbeiter, die zwar die Kriterien der Nachtschicht, aber nicht jene der Schwerarbeit erfüllen: Auch sie sind sehr arg benachteiligt.

Meine Damen und Herren! Diese Situation ist äußerst unbefriedigend für die Betroffe­nen und ungerecht! Eine schnelle und faire Lösung für diese Menschen – und das sind Tausende – wäre mit einer Änderung des Nachtschwerarbeitsgesetzes möglich.

Herr Vizekanzler, Sie können sofort per Verordnung die vorhin zitierten Ungerechtigkei­ten beseitigen, indem Sie eine Trennung von Nachtarbeit und Schwerarbeit herbeifüh­ren und die beiden Einzelgruppen, nämlich Schichtarbeiter mit jährlich 50 Nacht­schichten – aber ohne Verbindung mit Schwerarbeit – und Schwerarbeiter – aber ohne Verbindung mit Nachtarbeit –, mit 57 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand treten lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Vizekanzler Haupt, Sie haben jetzt die Möglichkeit, mit der Umsetzung dieses Vorschlages zu zeigen, dass Sie die Problematik Schicht- und Schwerarbeit ernst nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.51

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler. – Bitte.

 


21.52

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Einen schönen guten Abend! Nachdem das Budget schon von allen Seiten beleuchtet wurde, werde ich mich darauf beschrän­ken, auf einige Bereiche einzugehen, die mir als ehrenamtlicher Mitarbeiterin des Familienbundes, aber auch des Hilfswerks wichtig sind.

Ich freue mich darüber – ich weiß, dass das auch ein besonderes Anliegen des Herrn Vizekanzlers Haupt war –, dass es gelungen ist, bis auf den Kostenersatz der Zahn­spangen das Familien-Volksbegehren des Familienbundes und einiger anderer nahe stehender Organisationen umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich denke, wir haben das gemeinsam geschafft. Ich freue mich, dass auch die Kollegen von der FPÖ-Fraktion zustimmen. Frau Kollegin Achleitner hat vorhin gemeint, die FPÖ habe alles allein gemacht. Ich denke, es hat nicht die FPÖ alles allein gemacht, auch nicht die ÖVP, sondern wir haben es gemeinsam geschafft! – und das ist gut so. Ich freue mich darüber. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Für familienpolitische Leistungen sind in diesem Budget 4,8 Milliarden € dotiert, noch mehr als zuvor – ich denke, das ist ein guter Ansatz. Die Familienbeihilfe wird ab 1. Jänner 2003 erhöht; das Kinderbetreuungsgeld wird in Richtung Mehrlingsgeburten ausgedehnt.

Ich bin aber auch der Meinung der Kolleginnen und Kollegen der anderen Parteien, die in dieser Debatte einige Male angemerkt haben, dass es notwendig ist, zusätzliche begleitende Maßnahmen zum Kinderbetreuungsgeld zu setzen. Es wird sicherlich wichtig sein, neue, innovative, kreative und flexible Projekte der Kinderbetreuung zu organisieren. Es gibt schon einige, beispielsweise die mobilen Tagesmütter des Hilfs­werks oder Bäuerinnen, die zu Tagesmüttern ausgebildet werden, stundenweise An­gebote; wir brauchen nicht immer Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Ich denke, da ist auch die Wirtschaft gefordert; der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt.

Die Behindertenarbeit ist für die nächsten Jahre auch gesichert. Die Behinderten-Milliarde war ein tolles Projekt, das 700 Initiativen ermöglicht hat. Ich denke, es war ein sehr, sehr guter Ansatz, dass Herr Vizekanzler Haupt ein Komitee, bestehend aus Non-Profit-Organisationen, eingesetzt hat, die die Schwerpunkte begleiten und die letztlich auch beratend mit dabei sind. Non-Profit-Organisationen sind wichtige Partner des Staates, sind wichtige Partner des öffentlichen Bereiches, sie können vieles effi­zienter, kostengünstiger, aber auch menschlicher organisieren. Ich freue mich darüber, dass es hier möglich ist, viele neue Akzente zu setzen.

Die „Bürgerbüros für Jung und Alt“, die initiiert wurden – 30 an der Zahl in Österreich –, sind auch eine sehr interessante Initiative, wo Freiwilligenarbeit, wo ehrenamtliches Engagement miteinander vernetzt werden. Auch diese leisten tolle Arbeit.

Einen Beitrag noch – das Licht am Rednerpult blinkt bereits –: Ich glaube, es ist sehr, sehr wichtig, dass auch im Bereich der Unterstützung von pflegenden Angehörigen Initiativen gesetzt wurden. Das ist ein Bereich, der mir als Präsidentin des Hilfswerks wirklich sehr am Herzen liegt, denn wir werden diese familienergänzenden Initiativen, die ambulanten Dienste in den nächsten Jahren sehr dringend brauchen: für Kinder, aber auch für ältere Menschen, für kranke Menschen. Die Betreuung dieser Personen durch diese Menschen, die freiwillig in diesem Bereich arbeiten, ist ein sehr wichtiger Bereich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


21.55

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu einer modernen Sozial- und Familienpolitik gehört meiner Überzeugung nach auch die Gewährleistung ausrei­chender Kinderbetreuungsplätze – und davon sind wir in Österreich leider noch weit entfernt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Problematik der fehlenden Kinderbetreuungsplätze wird in diesen Budgets nicht einmal erwähnt! Wir von der SPÖ werden immer wieder daran erinnern, dass in die­sem Bereich Maßnahmen dringend notwendig sind.

Nehmen wir das Beispiel Oberösterreich her: 40 Prozent der Gemeinden haben keine Kindergärten, die durchgehend geöffnet sind. (Abg. Ellmauer: Völliger Unsinn!) Män­gel herrschen vor allem bei der Betreuung der unter Dreijährigen, aber auch bei der Nachmittagsbetreuung schulpflichtiger Kinder. So hat in Oberösterreich nur eine von fünf Gemeinden einen Hort oder eine ähnliche Einrichtung. Man darf sich daher auch


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22. Sitzung / Seite 218

nicht wundern, wenn die Berufstätigkeit bei Frauen in diesen Regionen entsprechend gering und die Frauenarbeitslosigkeit entsprechend hoch ist.

Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, wollen darauf einwirken, dass Länder und Gemeinden ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen sicherstellen. Wie soll denn das geschehen, wenn Sie gleichzeitig die Gemeinden fi­nanziell und strukturell aushungern (Beifall bei der SPÖ), wenn Sie durch sozialpoliti­sche Fehlgriffe wie die so genannte Sozialhilfe-Neu die Länder und Gemeinden zusätz­lich belasten?!

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch als Bürgermeisterin appelliere ich an das soziale Gewissen der Familienpartei ÖVP, uns in den Belangen der Kinderbetreuungs­einrichtungen und ganztägigen Schulformen zu unterstützen! – In diesem Budget ist jedenfalls leider keine Spur davon! (Beifall bei der SPÖ.)

21.58

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Winkler. – Bitte.

 


21.58

Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf mich zunächst eben­falls herzlich bedanken für die nette Geste mit den Blumen, aber als Forstmann darf ich vielleicht eines feststellen: Mir gefallen natürlich rot-grüne Blumen auch, natürlich auch in der Natur die rot-grüne Farbe. Das darf ich vielleicht einmal vorweg feststellen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber wenn es um Verantwortung geht, geschätzte Damen und Herren, gefällt mir et­was anderes: Wenn es um die soziale Sicherheit und um die soziale Nachhaltigkeit geht, dann ist Verantwortung, dann ist auch entsprechender Mut zu Veränderungen gefragt, und dann ist die Nachhaltigkeit durch entsprechende Anpassungen sicherzu­stellen.

Hier darf ich als wirklich prominentestes Beispiel die Pensionsreform erwähnen, die gestern beschlossen wurde: Sie ist ein Beispiel für nachhaltiges Denken und für ver­antwortungsvolles Handeln.

Als Vorsitzender der Landarbeiterkammern darf ich schon feststellen, dass wir nicht spektakuläre Maßnahmen gesetzt haben, aber eines haben wir sofort gemacht: Ich habe meine Direktoren einberufen, um festzustellen, welche soziale Ausgewogenheit hier notwendig ist beziehungsweise auch welche Punktation noch eingebracht werden kann, um eine entsprechende Ausgewogenheit zu bekommen. Und hier darf ich fest­stellen, dass ein Großteil bereits, nicht zuletzt auch mit Unterstützung des Herrn Abge­ordneten Neugebauer, umgesetzt beziehungsweise eingearbeitet werden konnte. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Natürlich kann man das Glas halb voll und halb leer sehen – wir haben es halb voll gesehen. Wir haben es im Sinne der Zukunft und der Verantwortung für die soziale Sicherheit in der Zukunft halb voll gesehen und daher durchaus verantwortungsbe­wusst dieser Reform zugestimmt.

Als Voraussetzung für die soziale Sicherheit ist es notwendig, dass entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, die gewährleisten, dass es sich einerseits lohnt, die Leistung zu erbringen, dass aber andererseits – und das darf ich gleichfalls festhalten – auch sozial Bedürftigen und Kranken effizient geholfen wird.


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Ich darf hier auch erwähnen, dass gerade durch die Maßnahmen für ältere Dienstneh­mer, dass gerade mit der Maßnahme, 14 500 € im Jahr steuerfrei zu stellen, die Kauf­kraft gestärkt wird.

Die Einführung eines Härtefonds, der Bildungsanspruch und dergleichen mehr sind besondere Maßnahmen, um auch die soziale Sicherheit für die Zukunft – für alle Be­rufsgruppen, für alle Sparten, für alle sozialen Bereiche – sicherzustellen.

Ich ersuche Sie daher, auch im Sinne zukünftiger sozialer Verantwortung, den Budgets zuzustimmen. Die Arbeit ist mit der Abstimmung aber nicht zu Ende. Es ist notwendig, den Kolleginnen und Kollegen mit entsprechenden Informationen zur Seite zu stehen – und nicht unnötige parteipolitische Werbemaßnahmen zu setzen, denn auch dieses Geld könnte man vielleicht den Armen, von denen man ja immer wieder spricht, zur Verfügung stellen. Dann hätte man wenigstens etwas Gutes getan. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.01

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte. (Abg. Dr. Rasinger: Oje, der Jacky!)

 


22.01

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ho­hes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einer meiner Vorredner, Kollege Wittauer, hat von der freiheitlichen Konsumentenpolitik gesprochen und gemeint, die SPÖ-Konsumentenpolitik wäre ein weißes Papier.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich berichtige: Die erste Staatssekretärin für Konsumentenschutz war Anneliese Albrecht, 1979 bis 1983. 1979 wurde bei uns – nach Schweden – das erste Konsumentenschutzgesetz in Europa geschaffen. Das war Teil der sozialdemokratischen Konsumentenpolitik. – Ich muss daher Ihre Vorhaltun­gen und Vorwürfe mit allem Nachdruck zurückweisen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Konsumentenpolitik hat in der Politik einen relativ geringen Stellenwert. Man merkt dies am Namen des Ministeriums, und man merkt es auch in der Kompetenzverteilung, weil eben diese Materien als Querschnitts­materien auf viele Ministerien aufgeteilt sind.

Frau Bundesministerin! Daher glauben wir, dass gerade auf der Parlamentsebene dem Konsumentenschutz mehr Einfluss verliehen werden soll, und unsere Vorstellungen gehen dahin – Sie haben sie ja begrüßt –, dass ein Ausschuss für Konsumentenpolitik, wie auf EU-Ebene und in anderen europäischen Staaten, geschaffen werden sollte. Wir glauben, dass damit den Interessen der KonsumentInnen mehr Nachdruck verlie­hen werden kann und dass es hier auch zu ganz konkreten Regelungen kommt.

Wir werden uns daher erlauben, in einer der nächsten Sitzungen einen entsprechen­den Antrag einzubringen.

Aber es geht nicht nur um die parlamentarische Ebene, Frau Staatssekretärin: Es geht auch darum, dass die brennenden Probleme, die Konsumenten haben, auch in Öster­reich durch diese Regierung erkannt und gelöst werden. Wir diskutieren seit Jahren darüber, dass es Probleme mit den Mehrwertdiensten gibt. Wir reden über Probleme in der Medizinhaftung. Frau Staatssekretärin, es gibt viele Probleme. Sie haben mir in der Budgetanfragebeantwortung mitgeteilt, dass Sie Konsumentenpolitik koordinieren wer­den. – Ich kann Ihnen eines versprechen: Wir werden Sie daran messen, ob die wirkli­chen Probleme, die die Konsumenten in Österreich haben, die sich in den Beratungen des VKI oder der Arbeiterkammern ergeben, durch diese blau-schwarze Regierungs­mehrheit auch tatsächlich aufgegriffen werden.


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22. Sitzung / Seite 220

Frau Staatssekretärin, ich weiß nicht, ob wir begeistert sein werden. Ich kann Ihnen nur versichern: Wir werden Ihre Tätigkeit sehr kritisch beobachten. (Beifall bei der SPÖ.)

22.05

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Na geh!)

 


22.05

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Geht es Ihnen (in Richtung SPÖ) gut? – Bei mir passt wieder alles! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Aus Sicht der Jugend ist es grundsätzlich positiv zu bewerten, dass in Zeiten, in denen Sparen ange­sagt ist, das Budget für Jugendarbeit und Jugendförderungsmaßnahmen gleich bleibt beziehungsweise erhöht wird.

Besonders hervorzuheben ist, dass dieser Bundesregierung die Stärkung von Bildung und Ausbildung sowie von Wissenschaft und Forschung ein großes Anliegen ist: über 8,2 Milliarden € für 2003 und 9 Milliarden € für das Jahr 2004.

Der wichtigste Punkt, den ich im Zusammenhang mit der Jugend erwähnen möchte, ist die Steuerfreistellung von Einkommen bis 14 500 € pro Jahr. Davon profitieren 200 000 Menschen in unserem Land, die durch diese Maßnahme aus der Steuerpflicht herausfallen. Das trifft vor allem jungen Menschen mit einem vergleichsweise niedrigen Einkommen. Wir alle kennen die Einstiegslöhne, die Gehälter, die man bekommt, wenn man zu arbeiten beginnt, und daher fordern wir Jungen eine Änderung der Lebensver­dienstkurve. Eine solche Änderung ist dringend notwendig und auch gerechtfertigt! (Beifall bei der ÖVP.)

Beim Berufseinstieg sind die eigenen Kosten für Wohnraumbeschaffung und Familien­gründung besonders hoch. Ja, in diesem Lebensabschnitt würde man ein höheres Ein­kommen benötigen! Das Gehalt soll dann flacher ansteigen, sodass die Lebensver­dienstsumme insgesamt nicht steigt, sondern neu verteilt wird.

Dieses Modell wurde bereits in Oberösterreich, in der Steiermark und in Vorarlberg für Landes- und teilweise auch für Gemeindebedienstete umgesetzt. Jetzt liegt es daran, dieses Modell durch die Mithilfe der Sozialpartner auch im Kollektivvertrag zu veran­kern und zu verwirklichen.

Meine Damen und Herren! Dies ist eines der wichtigsten jugendpolitischen Anliegen, und ich bitte alle Fraktionen in diesem Hause um Unterstützung in dieser Angelegen­heit. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend noch ein Punkt, der mir als Mitarbeiter des Roten Kreuzes besonders am Herzen liegt: die Anerkennung der Freiwilligenarbeit. Es ist bekannt, dass sich dank der vielen tausenden Ehrenamtlichen in den verschiedensten Organisationen der Bund und die Länder viel Geld ersparen. Das Regierungsprogramm sieht ausdrücklich die Unterstützung und Anerkennung der Freiwilligenarbeit vor. Zu diesem Zweck soll ein österreichischer Rat für Freiwilligenarbeit geschaffen werden, der als Sprachrohr für alle Verbände der Freiwilligenarbeit dienen soll. Vor allem im Bereich der Fortbildung von Freiwilligen, die bei Hilfs- und Rettungsorganisationen tätig sind, müssen Erleichte­rungen geschaffen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur so werden wir die Freiwilligkeit, die das Budget nicht belastet, auf Dauer auch absichern können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


22.08


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22. Sitzung / Seite 221

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Turkovic-Wendl. – Bitte.

 


22.08

Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Bild meines Kollegen Wöginger von der Freiwilligenaktivität möchte ich eigentlich gleich aufgreifen, und zwar für das neue Bild der Alterskultur. Nur der Mensch ist im Alter glücklich, der im Rahmen ökonomischer, gesundheitlicher und sozialer Vorgegebenheiten eine be­stimmte Lebensführung für sich selber auswählen und verwirklichen kann. Die Wissen­schaft nennt das den „Locus of control“, also den Platz in sich, von dem aus man glaubt, eine Selbststeuerung hinsichtlich der eigenen Lebensführung zu vermögen. Und das ist vielleicht noch wichtiger als die klinische Gesundheit.

Professor Leopold Rosenmayer appelliert mit diesen Sätzen an eine neue Alterskultur, und ich glaube, dass unsere Gesellschaft, unser Land auf diese immer größer werden­de Gruppe von Alten – und ich zähle mich dazu – nicht verzichten wird können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn wir dieses Image, das wir als Altenbild entworfen haben – und Sie kennen es alle hinlänglich aus den Medien –, nämlich dieses Paar, das auf der Parkbank sitzt und vor sich hinstarrt, nicht aus unseren Köpfen herausbekommen, dann werden wir in Schwierigkeiten kommen. Und ich höre sehr oft, wenn ich in Seniorenkreisen bin: Ich werde nicht mehr gebraucht!, Ich gehe ja niemandem ab!, und: Ich möchte so gern etwas für jemanden tun! (Abg. Dr. Matznetter: ... werden es sich bald nicht mehr leis­ten können!)

Das sind Worte, die ich oft höre. Was nicht geübt wird, bildet sich zurück. Das gilt für unsere geistigen und auch für unsere körperlichen Fähigkeiten, für unser Selbstver­trauen, für unsere Beweglichkeit, unsere Kreativität, unsere Lebenslust, unseren Witz und unsere Kommunikationsfähigkeit.

Wir Alten werden einander brauchen, wir werden aber auch sehr, sehr gerne für die Jungen da sein. Und wir können es uns leisten, es zum größten Teil freiwillig zu tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Spät-Lebens-Mensch des beginnenden 21. Jahrhunderts wird ein ganzes Bündel von Aufgaben und Chancen der gesellschaftlichen Mitwirkung haben und sollte natürli­che die Angebote für Bildung, Gesundheit und Pflege nützen. Diese kommen von den öffentlichen Geldern, die wir natürlich brauchen. Dazu werden aber massiv persönli­ches Einbringen, nämlich Engagement, Freiwilligenarbeit der Betroffenen sowie ein soziales Netzwerk nötig sein. Wir werden das immer öfter selbst organisieren, sonst bleibt jede Alterskultur Illusion.

Kultur kann nur bilden, wer etwas hervorbringt. Ansehen gewinnt nur, wer etwas bei­trägt. Die Zeit, wo die Alten vorwiegend als gesellschaftliche Belastung und Betreu­ungsobjekte gesehen wurden, sollte damit vorbei sein. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.12

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Höllerer. – Bitte.

 


22.12

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine Vorrednerinnen, Frau Kollegin Grander und Frau Kollegin Scheucher-Pichler, haben bereits die Errungenschaften der ÖVP in der Familien- und Frauenpolitik entsprechend herausgestrichen. Daher kann ich das jetzt


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22. Sitzung / Seite 222

etwas hintanstellen, obwohl das für mich eine ganz bedeutende Leistung der Regie­rung Schüssel ist. (Wow-Rufe bei der SPÖ.)

Ich möchte aber noch einmal auf die gestrige Abstimmung zu sprechen kommen. Ges­tern haben die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ im Rahmen der Budgetbegleitgesetze eine Pensionssicherungsreform, die wirklich zukunftsorientiert ist (Widerspruch bei der SPÖ), abgestimmt, während die Opposition diesen Weg nicht mitzugehen bereit war, obwohl sie natürlich die prekäre finanzielle Situation der österreichischen Sozialpolitik längst erkannt hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Ja, das ist einfach so!

Ich verweise auf diese Studie aus dem Jahre 1991, auf das Gutachten von Rürup 1997, wo die Experten genau das festgestellt haben, worauf wir auch heute unser Pensionssystem auszurichten haben (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen): dass das Hauptproblem das niedrige Pensionsantrittsalter ist, dass die Veränderung der Bevölkerungsstruktur eine gewaltige Rolle spielt – und dass selbst­verständlich die steigende Lebenserwartung und der Geburtenrückgang entspre­chen­de Auswirkungen haben.

Man muss kein Experte sein, um daraus auch Schlussfolgerungen zu ziehen: dass es letztendlich darum geht, dass unsere jungen Menschen, diejenigen, die Steuern und Abgaben zu entrichten haben – also die Aktivgeneration –, natürlich dann auch eine entsprechend hohe finanzielle Belastung tragen müssten, wenn jetzt nichts geändert werden würde. Die Jungen haben von dieser Pensionssicherungsreform wirklich profi­tiert!

Da Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek hier heraußen in einer sehr engagierten Rede ihre Stimme für die Jugendpolitik erhoben hat, dann muss ich schon sagen: Tragen Sie bitte nicht zu dieser gewaltigen Verunsicherung der Jugend bei, denn alle meine Kolle­gen sind in den letzten Tagen genauso wie ich mit e-mails und Anrufen überhäuft wor­den, die darin gegipfelt haben, dass 20-jährige – 20-jährige! – Menschen sagen: Jetzt muss ich meinen Lebensweg auf Grund der Pensionssicherungsreform überdenken! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Tragen Sie dazu bei, dass die jungen Menschen wirklich modern denken – und nicht den Kopf in den Sand stecken! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

22.15

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Misse­thon. – Bitte.

 


22.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Ich denke mir, es ist ein guter Zeitpunkt für mich als Obersteirer, quasi aus dem Herzen der Region kommend, in der einmal die verstaatlichte Industrie war, als Schwarzer den Prozess der letzten Wochen ein Stück zu reflektieren. (Abg. Mag. Trunk: Nein, bittschön nicht!)

Ich ordne der SPÖ wirklich zwei große Kompetenzen zu: Die SPÖ ist hoch kompetent beim Ausgeben von Geld, und sie ist hoch kompetent beim Angstmachen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Was in den letzten Wochen in der Obersteiermark in den großen Industriebetrieben „abgegangen“ ist, das hat aus meiner Sicht mit Politik nichts mehr zu tun. Wenn ich einmal so eine Politik machen müsste, geschätzte Da­men und Herren, wäre das für mich der Zeitpunkt, der Politik ade zu sagen. (Demonst­rativer Beifall und Ja-Rufe bei der SPÖ.)


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22. Sitzung / Seite 223

Geschätzte Damen und Herren! Für mich waren ja die letzten Wochen quasi ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich habe all die Argumente eigentlich Mitte der achtziger Jahre schon ge­hört (Abg. Mag. Trunk: So alt schauen Sie ja gar nicht aus!), das Argument: Alles kein Problem in der Verstaatlichten!, das Argument: Wir haben Zeit! – Ich sage Ihnen, was das Ergebnis der SPÖ-Reorganisationsprozesse war.

Werk Donawitz: 1980 7 000 Mitarbeiter, 2000 2 000 Mitarbeiter. (Ruf bei der SPÖ: Wenn es nach der ÖVP gegangen wäre, hätten sie keine Mitarbeiter mehr gehabt!) In der Stadt Leoben 1980 40 000 Einwohner, heute 25 000. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Betriebspensionen: mit Zustimmung der FSG-Betriebsräte nicht gekürzt, sondern abgeschafft in der Verstaatlichten!

Geschätzte Damen und Herren! Werkswohnungen zu Tausenden privatisiert in der Obersteiermark! – Das ist Ihre Form von Reorganisation! (Widerspruch bei der SPÖ.) Eine Skurrilität: Wir haben heute am Standort Donawitz viermal so viele sozialistische Betriebsräte wie 1980! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe des Abg. Broukal.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ, Sie werden von mir nicht hören, dass dieser Reorganisationsprozess nicht richtig und wichtig war. Das ist der große Unterschied zu Ihnen. Ich sage: Er war richtig und wichtig. Wir haben heute hochprofitable Unterneh­men. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Broukal: Sozialistische Betriebsräte!)

Was mich aber stört an Ihrer Politik: Sie ziehen sie nicht konsequent durch. Aus Ihrer eigenen Erfahrung aus der Obersteiermark müssten Sie eigentlich wissen, dass es richtig war, jetzt die Pensionsreform zu machen.

Geschätzte Damen und Herren, abschließend: Sozial ist auch, zum richtigen Zeitpunkt etwas zu verändern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.19

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Debatte über die Kapitel 15: Soziale Sicherheit, 16: Sozialversicherung, 19: Familie, Generationen, Konsumentenschutz, geschlossen – unbeschadet der Mög­lichkeit, zur gesamten Vorlage bis zum Ende der Beratungen am 18. Juni Anträge ein­zubringen.

*****

 

 


Es liegt mir der Vier-Parteien-Antrag der Abgeordneten Mag. Molterer, Dr. Gu­senbauer, Scheibner und Dr. Van der Bellen vor, die Beratungen nunmehr bis morgen zu vertagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Vertagungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Vertagungsantrag einstimmig angenommen ist.

Einlauf

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung der Selbständige Antrag 149/A eingebracht wurde.

Weiters sind die Anfragen 520/J bis 524/J eingelangt.

*****


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22. Sitzung / Seite 224

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Freitag, den 13. Juni, 9 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:

Bundesfinanzgesetze 2003 und 2004 samt Anlagen.

Es ist folgende Gliederung der Debatte in Aussicht genommen:

Kapitel 30: Justiz, dann Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten, dann Kapitel 63: Wirt­schaft und Arbeit.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.21 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien